Für Gesundheit und Recht - Die Institute für Pathologie und Rechtsmedizin - II - Universitätsklinikum des ...
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II 20 19 Zeitschrift des UKS und des Vereins seiner Freunde Für Gesundheit und Recht Die Institute für Pathologie und Rechtsmedizin
A n z eige Für Ihre gesundheit geben wir Alle unser bestes Das Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) ist das medizinische Hochleistungszentrum der Großregion. Das Klinikum ist einer der größten Arbeitgeber und Ausbilder des Saarlandes. Wir bieten über 5 000 Beschäftigten am Klinikum, darunter u. a. 2 000 Pflegekräften, rund 600 Ärztinnen und Ärzten und über 600 Auszubildenden, spannende Berufe. Für eine starke Pflege suchen wir die besten Kolleginnen und Kollegen! bewerbung.uks.eu
Vorwort + Inhalt Liebe Leserinnen, liebe Leser, in unserem Titelthema (s. ab S. 4) stellen wir Ihnen mit der Infektionen aller Art können für Kinder gefährlich werden. Pathologie, einschließlich der Neuropathologie, und der Einer Reihe dieser gesundheitlicher Risiken können wir Rechtsmedizin zwei Teilbereiche der Medizin vor, mit denen entgegentreten – zum Beispiel können wir Kinder mit Imp Sie als Patient kaum in direkten Kontakt kommen, die aber fungen vor bestimmten Krankheiten schützen (s. S. 20). zum einen medizinisch, zum anderen gesellschaftlich von Auch der Umgang mit digitalen Medien birgt unterschied hoher Bedeutung sind. liche Risiken (s. S. 22), derer sich alle, die Verantwortung für Kinder tragen, bewusst sein sollten. Die Pathologie nimmt eine Schlüsselstellung in der Dia gnostik, der Therapiefindung und der Verlaufskontrolle von Therapien ein. Die Rechtsmedizin arbeitet in der Regel im Auftrag von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten und leistet damit einen erheblichen Anteil an der Aufde ckung und Verfolgung von Straftaten. Der Vorstand des UKS Für den Verein der Freunde Prof. Prof. Prof. Wolfgang Reith Ulrich Kerle Wolfgang Klein Michael Menger Wolf-Ingo Steudel Ärztlicher Direktor Kaufmännischer Pflegedirektor Dekan Vorsitzender und Vorstands- Direktor der Medizinischen des Vereins vorsitzender Fakultät der UdS Inh a lt d ie ser Aus g a b e Pathologie + Rechtsmedizin UK S Ak tuell 18 22 27 04 Diagnosen 13 Forensische Neue Klinikleitungen 24 Aus den Kliniken und Beweise Blutspuren- 17 Ortopädie und 27 Spenden 06 Pathologie heute muster-Analytik Orthopädische Chirurgie 30 Nachrichten II 2019 09 Zytopathologie 14 Forensische 18 Mund-, Kiefer- und Molekularbiologie 32 Personalia + Preise 10 Molekularpathologie Gesichtschirurgie 15 Die experimentelle 34 Termine 18 Innere Medizin I report 11 Neuropathologie Rechtsmedizin Impressum charakterisiert Tumorzellen 16 Lufterfrischer, Kinder! Kinder! Badesalze, Pflanzen- 12 Wie kommt es zur 20 Masern sind gefährlich UKS dünger – Fälle für Parkinson-Krankheit? die Forensische 22 Gefahren der Digitalisierung Toxikologie? 3 Aus Gründen des besseren Leseflusses und des Sprachstils verwenden wir die grammatikalisch männliche Form in einem neutralen Sinn.
Diagnosen Titelthema und Beweise Highspeedaufnahme eines herabfallen- den Tropfens in einen bereits vorbestehen- den Bluttropfen mit Entstehung sogenannter Satellitenspritzer Es gibt kaum einen Krimi, in dem die ermittelnden Kommissare nicht mindestens einen Auftritt in der Rechtsmedizin haben. Allerdings unterläuft den Drehbuchautoren häufig ein Fehler: Die Kommissare werden in die Pathologie geschickt TEXTe christiane roos FOTOS institute für rechtmedizin und neuropathologie, rüdiger koop Die Fachbereiche Rechtsmedizin und Pathologie Wenn also in der bayerischen Serie „Rosenheim-Cops“ werden häufig verwechselt. Zwar führen sowohl Patho- die Sekretärin ihre Kommissare antreibt: „Ihr sollt’s in die logen als auch Rechtsmediziner Obduktionen durch. Pathologie kemma“, dann meint sie offenbar eine spezielle Dies geschieht jedoch aus unterschiedlichen Motiven. Pathologie, nämlich die „Krimipathologie“ – und die heißt Die Pathologie als Lehre von den Krankheiten, ihrer Ent korrekt „Rechtsmedizin“. stehung und den daraus resultierenden Veränderungen an Geweben und Organen, dient der medizinischen Quali- Pathologie und Neuropathologie tätssicherung. Sie wird im Fall eines natürlichen Todes Die Aufgaben der Pathologie sind vielfältig und dienen und mit Einverständnis der Angehörigen tätig. nicht alleine der Feststellung von Todesursachen. Durch die makroskopischen und feingeweblichen Untersuchun- Die Rechtsmedizin dagegen wird bei nicht-natürli- gen von Operationspräparaten, von kleinen Gewebepro chen Todesfällen im Auftrag der Staatsanwaltschaft oder ben, von Zellen der Körperoberfläche und von Körperflüs- eines Gerichts tätig und bedarf nicht des Einverständnis sigkeiten nahezu aller Körperregionen kommen die Befunde ses der Angehörigen. der Pathologie vor allem den Lebenden zugute. Die Arbeit der Pathologen unterstützt mit ihrem Urteil die Mediziner am Krankenbett und ist häufig Grundlage wichtiger Ent scheidungen. Zentrum für Pathologie und Rechtsmedizin UKS report II 2019 Prof. Rainer M. Bohle Prof. Walter J. Schulz-Schaeffer Prof. Peter Schmidt Direktor des Instituts für Direktor des Instituts für Direktor des Instituts für Allgemeine und Spezielle Neuropathologie (UKS) Rechtsmedizin (UdS) 4 Pathologie (UKS
Titelthema Die Beurteilung von erkrankten Geweben und Zellen durch Pathologen wird in den letzten Jahren zunehmend durch immunologische und morphomolekulare Untersu chungsverfahren ergänzt. Sie ermöglichen die zelltypspezifi- sche Klassifizierung von Tumoren und die Charakterisierung entzündlicher und degenerativer Erkrankungen. Bei Todes fällen werden mit diesen Methoden die Grundleiden ermit- telt und die genaue Todesursache festgestellt. Einmal täglich treffen sich alle Mitarbeiter der neuropathologie zur Während des Studiums der Medizin und der Zahnmedizin Histologie-Visite und diskutieren alle anstehenden Operationspräparate werden alle Studierende über mindestens zwei Semester im Fachgebiet der Pathologie unterrichtet. Sie lernen da- bei, welche Organ- und Zellveränderungen für bestimmte Erkrankungen typisch sind, welche Symptome diese Ver- änderungen hervorrufen können und welche Schlussfol- Zwei unter einem Dach gerungen für die Behandlung, Vorsorge und Prognose ge- zogen werden können. Die Neuropathologie ist ein noch vergleichsweise junges Fach. 1952 wurde in Bonn der erste Lehrstuhl für Neuropathologie eingerichtet, den Facharzt für Neuropathologie gibt es erst seit 1987. In den meisten euro- päischen Ländern ist die Neuropathologie allerdings immer noch kein eigenes Facharztgebiet, sondern ein Teilbereich des Facharztes für Pathologie. Die Neuropathologie befasst sich mit Krankheiten und krankhaften Veränderungen des Gehirns und des Rücken marks, der Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rüc kenmarks verlaufen (periphere Nerven) und der Muskeln. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte der Neuropatho logie des UKS sind die sogenannten neurodegenerativen Erkrankungen, zu denen insbesondere die Parkinson’sche Im Rahmen eines Festaktes wurde der Neubau der Institute Krankheit zählt. für Pathologie (UKS) und Rechtsmedizin (UdS) den Nutzern über- geben. Nachdem das ehemalige Gebäude der Rechtsmedizin Rechtsmedizin für den Klinik-Neubau IMED weichen musste und das Gebäude Wird hinter einem Todesfall ein Verbrechen vermutet, der Pathologie zur Sanierung anstand, wurde mit dem gemein- so ist dies ein Fall für die Rechtsmedizin. Die Ermittlung samen Neubau eine wirtschaftliche und zukunftsfähige Lösung der Todesursache ist zwar die durch Literatur und Fern für die beiden Institute geschaffen. sehen besonders populär gewordene Aufgabe der Rechts- mediziner, aber längst nicht die einzige. So erstellen die Wie die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bach Mitarbeiter des Instituts für Rechtsmedizin der UdS etwa mann anlässlich der Übergabe des Gebäudes betonte, dient der eine Reihe von Gutachten zur Klärung unterschiedlicher in organisatorischer wie in struktureller Hinsicht äußerst gelun- Fragen, etwa zur Fahrtüchtigkeit oder zur Schuldfähigkeit gene Neubau der weiteren Stärkung von UKS und Medizinischer nach Alkohol- und Drogenkonsum, aufgrund einer Erkran Fakultät. kung oder nach Medikamenteneinnahme. Für rund 20 Millionen Euro entstand innerhalb von sechs In der Rechtsmedizin können Tatabläufe und Verkehrs- Jahren ein Institutsgebäude mit einer Nutzfläche von etwa 3400 unfälle rekonstruiert werden. Es gibt Verfahren zur Alters- Quadratmetern, auf denen Technikräume, Obduktionsbereiche bestimmung lebender Personen und zur Begutachtung und Labore der Pathologie und der Rechtsmedizin unterge- von Knochenfunden hinsichtlich Geschlecht, Alter, Liegezeit bracht sind. Hinzu kommen ein Hörsaal, ein Mikroskopiersaal, oder Verletzungen. In der Toxikologie werden Blut, Urin, Archive und Verwaltungsräume beider Institute. Eines der High- Speichel und Haare auf Drogen und Medikamente untersucht lights der hochmodernen Ausstattung ist der so genannte Blut- und das Labor auf dem Homburger Campus ist die zentrale spurenraum mit zwei Hochgeschwindigkeitskameras und ein II 2019 Untersuchungsstelle für alle von der saarländischen Polizei besonderer experimenteller Aufbau zum Thema Todeszeit- veranlassten Blutalkoholbestimmungen. schätzung mittels Körperkerntemperatur. report An der Baumaßnahme waren mehr als 70 saarländische Firmen beteiligt und auch von den beteiligten Planungsbüros UKS stammen die meisten aus dem Saarland. 5
Pathologie heute Titelthema Das Fachgebiet der Pathologie ist ein Teilgebiet der Medizin, das sich mit den Ursachen, der Entstehung, dem Verlauf, der Prognose und der Früherkennung krankhafter Organ- und Gewebeveränderungen im menschlichen Körper befasst. Es gliedert sich in die Bereiche der diagnostischen Pathologie, der Forschung und der Lehre TEXT und Fotos rainer m. bohle Herstellung feingeweblicher Präparate: ungefärbte (links)und gefärbte (rechts) Biopsieschnitte Die diagnostische Pathologie wird von Fachärzten Die wichtigsten Ziele der autoptischen Untersuchungen für Pathologie durchgeführt und beschäftigt sich zu sind die Aufklärung der zu Lebzeiten manifest geworde- mehr als 95 Prozent mit lebenden Patienten (intravitale nen Krankheitsprozesse, die abschließende Erkennung von Diagnostik). Maximal fünf Prozent der Pathologen-Tätigkeit Grundleiden sowie deren Komplikationen und die Bestim in Universitätskliniken, Großkrankenhäusern und Praxen mung der Todesursache von verstorbenen Klinik-Patienten. niedergelassener Pathologen besteht in der postmorta- len Diagnostik (Autopsie/Obduktion). Die sogenannten kli- Als weitere Obduktionsformen sind die sogenannten Pri- nischen Obduktionen werden nach festgestelltem natürli- vatobduktionen (Obduktion auf Wunsch der Angehörigen) chen Tod und dokumentiertem Einverständnis der nächsten und sogenannte Versicherungssektionen zur Klärung von Angehörigen oder dokumentiertem Willen des Patienten Krankheitsmanifestationen im Rahmen von Unfallereignis bei Verstorbenen aller Altersgruppen durchgeführt. Sie sen oder Berufserkrankungen etabliert. Bei Verdacht auf eine umfassen die postmortalen Untersuchungen von Feten, meldepflichtige Infektionserkrankung kann eine Obduktion Neugeborenen bis zu Untersuchungen von Verstorbenen von den Gesundheitsbehörden nach dem Seuchengesetz im Erwachsenen- und Greisenalter. angeordnet werden. Die Autopsie ist eine ärztliche Untersuchung, die analog Wenngleich die etwa 1400 in Deutschland praktizie- der intravitalen Diagnostik die Makroskopie, die Histologie, renden Pathologen überwiegend keinen unmittelbaren die Zytologie sowie gegebenenfalls zusätzliche mikrobiolo- Patientenkontakt haben, sind sie sehr eng in die sogenannte gische, biochemische und molekulare Untersuchungen um- „indirekte“ Patientenversorgung eingebunden. Sie unterstüt- fasst. Im Rahmen einer Autopsie werden die Körperhöhlen zen die behandelnden Fachkollegen durch Diagnosen am wie bei einem großen chirurgischen Eingriff eröffnet, die Mikroskop sowie mit modernen technischen Verfahren, um krankhaften Befunde wie auch degenerative Veränderungen eine fundierte und sichere Krankheitsdiagnose zu stellen. und Normalbefunde dokumentiert. Ein wesentlicher Be standteil der Autopsie ist die komplette äußerliche Wieder herstellung des Leichnams. UKS report II 2019 6
Titelthema In einer zunehmend größeren Zahl von Fällen beeinflus- Hier gilt es oft innerhalb weniger Stunden zu entschei- sen die feingeweblichen Untersuchungsbefunde unmittel- den, ob eine kurzfristig behandlungspflichtige Abstoßung bar die klinische Entscheidung für die richtige Therapie. des frisch transplantierten Organes vorliegt oder ob sich als Folge der notwendigen Immunsuppression eine behand Die intravitale Diagnostik umfasst auch die langfristige lungspflichtige Infektion des Transplantatorganes entwi- Asservation von Zellen, kleinen Gewebeproben (Biopsien) ckelt hat. und der relevanten Anteile von Operationspräparaten mit dem Ziel, diese auch noch nach Jahren mit gegebenenfalls Zur pathohistologischen Routinediagnostik - diese wird neu aufgetretenen Befunden vergleichen zu können, eine bei durchschnittlich 100 Patienten pro Tag in unserem Insti- Zweitmeinung zu ermöglichen und um epidemiologische tut durchgeführt - wird das entnommene Gewebe in ei- und wissenschaftliche Fragestellungen zu lösen. ner gepufferten Formalinlösung asserviert, ins Institut für Pathologie überbracht und nach ausreichender Fixierung Besonders dringliche diagnostische Entscheidungen mit bloßem Auge (makroskopische Untersuchung) beurteilt. werden von Pathologen im Rahmen der intraoperativen Anhand dieser makroskopischen Befunde entscheidet der Schnellschnittdiagnostik erwartet. In derartigen Untersu- Pathologe, welche Bereiche des operativ entfernten Geweb- chungen wird das klinisch relevante Gewebe in kleinen es der mikroskopischen Untersuchung zugeführt werden. Teilen dem Pathologen mittels Eiltransport (z.B. mittels Besonders häufig geht es - auch bei kleineren Biopsien - um Rohrpost) überbracht und in durchschnittlich weniger als die Frage, ob es sich um einen gutartigen oder bösartigen 30 Minuten von Fachärzten der Pathologie als Gefrierschnitt Tumor, z.B. im Brustgewebe, handelt oder ob eine behand- noch während der Operation beurteilt. Das feingewebliche lungsbedürftige Entzündung bakteriellen, viralen oder pa- Schnellschnitt-Ergebnis wird über eine Telefon-Hotline di- rasitären Ursprungs oder eine von einem Pilz verursachte rekt dem Operateur übermittelt, so dass unmittelbare ope- Erkrankung vorliegt. rationstechnische Konsequenzen gezogen werden können. Schnellverfahren zur intravitalen Diagnostik spielen auch in der Beurteilung von transplantierten Organen, ins- besondere in den ersten Wochen nach der Transplantation eine wichtige Rolle. Chronisch rezidivierte Bronchitis bei Nikotinabusus II 2019 report UKS 7
Obduktions Titelthema pathologie/ Immunhistologie (CD68): Überraschungs befund einer Herzmuskel entzündung (Myokarditis) Durch Nutzung automatisierbarer und über Nacht lau- Die genannten Untersuchungsmaßnahmen werden als fender Präparationsverfahren werden die Gewebe von me- wichtige Bestandteile zur Krankheitsdiagnose auch den dizinisch-technischen Assistenten so aufgearbeitet, dass Studierenden der Human- und Zahnmedizin, oft in Form in der Regel nach 48 Stunden eine erste feingewebliche eines Kleingruppenunterrichts, vermittelt. Aber auch die Untersuchung möglich ist. Spezialfärbungen - mehr als 20 interdisziplinäre Kommunikation der Pathologie-Befunde Sonderfärbungen werden zur täglichen Nutzung vorgehal- und die Entscheidungsfindung im sogenannten Tumorboard ten - ergänzen diese Routineuntersuchungen. Sie werden wie auch in der klinisch-pathologischen Konferenz sind ne- in Abhängigkeit vom zu untersuchenden Gewebe und der ben dem klassischen Unterricht im Sektionssaal wichtige klinischen Fragestellung eingesetzt. Bestandteile des Medizinstudiums. Zur zelltypspezifischen Diagnostik werden insbeson- Zur Nutzung der Befunde z. B. in überregionalen manch- dere in der Tumorpathologie seit Anfang der 90er Jahre mal auch multinationalen wissenschaftlichen Studien wer- immunhistologische Sonderverfahren eingesetzt. Diese den insbesondere die Tumorerkrankungen nach Standards sind nach der heutzutage standardisierten Präanalytik so der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kodiert. Darüber etabliert, dass selbst an mehreren Tagen in Formalin fixier- hinaus sind oft nationale und internationale Diagnose- und tem und in Paraffin eingebettetem Gewebe (FFPE-Gewebe) Therapieleitlinien zu berücksichtigen, die gerade in den mehr als 100 verschiedene Zellantigene zu diagnostischen letzten Jahren zur Durchführung der sog. „personalisierten Zwecken charakterisiert werden können und eine präzise Medizin“ etabliert wurden. Krankheitsdiagnose erlauben. Der immunhistologische Nachweis von Gewebe-/Zell Der Autor Prof. Rainer M. Bohle ist der Direktor des Instituts antigenen ist mittlerweile aber auch zur Festlegung der für Allgemeine und Spezielle Pathologie. Behandlungsstrategien von Tumorerkrankungen notwendig. So ist bereits seit mehr als 20 Jahren die Analyse von Östrogen- und Progesteronrezeptoren aber auch die Ana lyse des Wachstumsfaktorrezeptors Her2 ein wesentlicher Bestandteil der pathomorphologischen Diagnostik bei Brust- krebserkrankungen (Mammakarzinom). Die Ergebnisse die- ser Analysen führen zur Entscheidung, ob z.B. eine anti- östrogene Behandlung in Tablettenform oder eine Infusions- Chemotherapie notwendig ist. Auch neuere Behandlungs- maßnahmen wie anti-Tumorimmuntherapien oder Therapien gegen B-Zellantigene von malignen Non-Hodgkin-Lym UKS phomen kommen praktisch nur noch zum Einsatz, wenn report zuvor am Tumorgewebe durch Pathologen eine immunhis- tologische Untersuchung erfolgte. II 2019 8
Zytopathologie Titelthema Der Teilbereich der Zytopathologie (griech. Kytos – Zelle) befasst sich mit der Untersuchung einzelner Zellen TEXt und FoTo rainer m. bohle Für zytopathologische Untersuchungsverfahren eignen sich Körperflüssigkeiten, Abstriche, Bürstungen oder Feinnadelpunktionen. Bei diesen Verfahren werden Zellen oder Zellverbände gewonnen. Diese können auf einen Objektträger ausgestrichen, fixiert und gefärbt und anschließend lichtmikroskopisch beurteilt werden (Exfoliativzytologieverfahren). Eine Domäne derartiger Verfahren sind die Abstrich entnahmen an Gebärmutterhals und Muttermund, die als gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen bekannt gewor- den sind. Sie haben seit Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Deutschland zur Früherkennung und zur er- heblichen Reduktion entsprechender Krebserkrankungen geführt. Auch Zellen und Zellverbände aus Körperflüssigkeiten (Pleuraflüssigkeit, Bauchraumflüssigkeit, Lavagen und Urin) lassen sich auf diese Weise mikroskopisch untersuchen. Es können entweder zelluläre Normalbefunde, entzündliche oder degenerative Veränderungen, Tumorvorläuferläsionen oder bereits manifeste Tumorerkrankungen erkannt werden. In der Differenzialdiagnose von zytologisch erkennbaren Erkrankungen, insbesondere bei Nachweis von atypischen Zellgruppen in Körperflüssigkeiten, hat sich unter Berück sichtigung internationaler Empfehlungen die Herstellung von Zellenblöcken als zweckmäßig erwiesen. Mit diesen Verfahren können die in der Exfoliativzytologie oft einzeln gelegenen Zellen und atypieverdächtige Zellelemente mit- tels Zentrifugation zu einem Zellpellet angereichert und in feingeweblichen Schnittverfahren ebenso wie bei einem histologischen Präparat aufgearbeitet werden. Dies hat den Vorteil, dass nicht nur einzelne sondern Zytopathologie/ Immunzytologie (HEA125): multiple Spezialfärbungen und immunologische Untersu Pleuraflüssigkeit mit Zellverbänden eines Lungenkarzinoms chungen durchgeführt werden können. Sofern sich zahlreiche Tumorzellverbände gewinnen las- Mithilfe derartiger immunzytologischer Untersuchungen sen, können auch molekular-pathologische Untersuchungen kann zum Beispiel bei dem Verdacht auf Lungenkrebs oft (s. S. 10) zur Evaluation therapeutischer Verfahren einge- bereits anhand der Zellen in einer Pleuraflüssigkeit entschie- setzt werden. den werden, ob es sich um eine Tumoraussaat in die Pleura höhle oder um entzündliche Befunde in der Pleurahöhle Die zytopathologischen Untersuchungsverfahren tra- handelt. gen daher zur kurzfristigen Diagnosefindung bei und er- lauben nicht selten den Verzicht auf invasive und nur in Die Feststellung der Artdiagnose eines bösartigen Tu- Allgemeinnarkose durchführbare Gewebeentnahmen. Ins mors, unter Umständen auch bereits die Rezeptor-Typisie- besondere bei schwerkranken Patienten oder bei Patienten rung der Tumorzellen, kann daher wesentlich einfacher an mit vermuteten Rezidiven bereits bekannter Erkrankungen Zellblöcken als mit der Exfoliativzytologie durchgeführt ist daher nicht selten eine rasche, kostengünstige und wenig werden. invasive Diagnostik mit hoher diagnostischer Aussagekraft II 2019 möglich. Die zytopathologischen Untersuchungen sind fes- ter Bestandteil der Weiterbildung zum Facharzt für Patho report logie. UKS Der Autor s. S. 8 9
Molekularpathologie Titelthema Die morphomolekularen Untersuchungstechniken dienen dazu, krankhafte Veränderungen von Nukleinsäuren (DNA, RNA) im Gewebe zu identifizieren. Von diesen Verfahren wurden die Hybridisierungsverfahren (in-situ-Hybridisierung, Southern-Blot- und Northern-Blot-Verfahren) bereits einige Jahrzehnte in der wissenschaftlichen Anwendung genutzt. Die Untersuchungen an Gewebeschnitten und intakten Zellen wurden diagnostisch flächendeckend in Europa etabliert, nachdem mittels standardisierter Präanalytik laborunabhängige Untersuchungsverfahren zur Verfügung standen TEXT und FOTO rainer m. bohle Die heutzutage am häufigsten genutzten molekularpa- thologischen Methoden beziehen sich auf die Nachweise von Genamplifikation und z.B. den Nachweis von therapie- relevanten Genamplifikationen, die mit in-situ-Hybridisie- rungen erkannt werden können (z. B. Her2-Amplifikation in Magen- oder Mammakarzinomen) aber auch auf den Nachweis Tumor-charakterisierender Translokationen, die mittels in-situ-Hybridisierung nachgewiesen werden kön- nen und somit zur molekulare Tumordiagnose führen (z.B. chronische myeloische Leukämie, Ewing-Sarkom). Auch bei häufigeren Tumorentitäten wie der nichtklein zelligen Lungenkrebserkrankung ist heutzutage leitlinien gemäß das Vorkommen von therapierelevanten Transloka- tionen zu überprüfen. Für den Nachweis bei Lungenkar Molekularpathologie/ PCR und Sanger-Sequenzierung: A: Lasermikrodissektion zinom gelten in-situ-Hybridisierungen z. B. für ALK1 oder von Tumorgewebe in Lungenbläschen zur zelltyp-spezifischen Mutationsanalyse ROS-1 als der Goldstandard. B: BRAF Exon 15 Gensequenzierung nach Mikrodissektion mit Nachweis einer therapiefähigen Mutation Wichtige Multigen-Untersuchungen zu therapierbaren Als diagnostische Verfahren stehen damit heutzu- molekularen Ereignissen werden in zunehmendem Maße mit tage die DNA- und die RNA-in-situ-Hybridisierung so- der multiplen parallelen Sequenzierung nach hoch sensi- wie die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) und Reverse- tiver Hybridisierung oder mit Multiplex-PCR durchgeführt. Transkription PCR (RT-PCR) nach manueller Mikrodissek- tion von Zellen des FFPE-Gewebes wie auch die PCR Der eindeutige Nachweis von therapiespezifischen DNA- und RT-PCR nach Laser-Mikrodissektion komplexer Ge- und/ oder RNA-Läsionen bedeutet in der Regel, dass auch webe zur Verfügung. Letztere Verfahren konnten in in diesen Fällen anstelle einer Infusions-Chemotherapie Deutschland, gefördert durch die DFG, ab 1997 Einzug mit Bestrahlungen als Erstlinienbehandlung eine Therapie halten und sind seit 2011 in der Routinediagnostik von in Tablettenform durchgeführt werden kann. Tumor-DNA und -RNA aus Tumorgeweben mit geringem Tumorzellgehalt (oft bei endoskopisch gewonnenem In der Transplantationsmedizin sind die Nachweise von vi- Tumorgewebe) unersetzlich geworden. ralen Nukleinsäurebestandteilen sehr wichtig und führen zu wichtigen Therapieentscheidungen. Nach gynäkologischen Insbesondere die morphomolekularen PCR-Verfahren ha- Vorsorgeuntersuchungen kann im Falle auffälliger Befunde ben die Anwendung quantitativer Untersuchungsverfahren mittels in-situ-Hybridisierungsverfahren das Vorhanden stark beschleunigt, so dass bereits kurze Zeit nach Etablie sein von eventuell krebsauslösenden Virusbestandteilen rung von multiplen parallelen Sequenzierungsverfahren (z.B. HPV) überprüft werden. („next generation sequencing“) die entsprechenden Unter suchungsmöglichkeiten an routinemäßig aufgearbeiteten Es wird erwartet, dass die molekularpathologischen Un- Gewebeproben zur Verfügung stehen. tersuchungsmethoden in kurzer Zeit die klassische Mor pholog ie bei zahlreichen Krankheiten, insbesondere bei Tumorerkrankungen, um wichtige therapierelevante Be funde ergänzen werden. Zur Facharztweiterbildung zum UKS Arzt für Pathologie gehören sie bereits seit Anfang dieses report Jahrhunderts. II 2019 Der Autor s. S. 8 10
Neuropathologie Titelthema charakterisiert Tumorzellen Im Institut für Neuropathologie werden Hirn-, Muskel- und Nervengewebe auf krankhafte Veränderungen untersucht. Dabei nehmen Tumore von Gehirn und Rückenmark, die von den Neurochirurgen (im selben Gebäude nebenan) operativ entfernt werden, einen großen Teil ein TEXT julia kettern, wiebke wemheuer FOTOS rüdiger koop Sofort nach der Ankunft des Tumorgewebes ferti- Durch die Erkennung bestimmter Mutationen in Tumor- gen wir einen sogenannten Schnellschnitt an, um dem zellen können wiederum Rückschlüsse auf den Krankheits Operateur noch während der Operation eine Rückmel verlauf gezogen werden oder darüber, welche Medikamente dung über den ersten Eindruck des Gewebes unter dem für eine wirksame Behandlung des Tumors verwendbar sind. Mikroskop zu geben. Tumore, die durch ganz bestimmte Mutationen entstanden sind, haben einen besseren Langzeitverlauf als andere. Die Das restliche Gewebe betten wir in Paraffin ein und un- Mutationen unterschiedlicher Gene können wir in unserem tersuchen es anschließend detailliert. Dabei kommen ver- molekularpathologischen Labor mittels DNA-Sequenzierung schiedene Techniken zum Einsatz: Durch Vergrößerung der nachweisen. Auch Struktur-Veränderungen des Genoms gefärbten Zellen können wir unter dem Mikroskop am Ge durch Anlagerungen von Methylgruppen (Methylierung) mit webeschnitt eine morphologische Diagnose erarbeiten, die deren Hilfe die Genablesung gesteuert wird, können für den beispielsweise beinhaltet, ob es sich um einen hirneigenen weiteren Krankheitsverlauf und für Behandlungsstrategien Tumor oder eine Metastase handelt und welchen Grad der entscheidend sein. Ein Beispiel dafür ist das MGMT-Gen. Die Bösartigkeit der Tumor hat. Wirkung einiger Chemotherpeutika wird durch das Enzym „MGMT“ rückgängig gemacht. Daher ist es wichtig, zu wis- Es folgen immunhistochemische Färbungen mit spezifi- sen, ob das Enzym in den Tumorzellen an- oder abgeschal- schen Antikörpern, die bestimmte typische Eigenschaften tet ist, was durch eine Vervielfältigung der methylierten von Tumoren erkennen lassen. Dazu gehören unter anderem oder unmethylierten Gensteuerungssequenzen sichtbar Marker, die Rückschlüsse auf die Ursprungszellen des Tumors gemacht werden kann. erlauben oder bestimmte Mutationen erkennen lassen. Letztendlich geht es darum, die bestmögliche Therapie Zusätzlich können wir DNA von dem Tumorgewebe und für den Patienten zu finden. Hierzu stellen wir Ergebnisse dem Blut des Patienten gewinnen. DNA-Analysen bestimm- der Neuropathologie regelmäßig in der neurochirurgischen ter Genabschnitte charakterisieren die Herkunftszelle be- Fallkonferenz vor, wo Neurochirurgen, Neuroradiologen, stimmter Tumore. Ein Verlust von Genabschnitten auf den Strahlentherapeuten, Nuklearmediziner, Neurologen und Chromosomen 1 und 19 gibt zum Beispiel Aufschluss da- Kinderonkologen gemeinsam das weitere Vorgehen beraten. rüber, ob der Tumor von Zellen gebildet wird, in die die Nervenzellen eingebettet liegen, oder von Zellen, die den Nervenzellen eine schnelle Informationsweiterleitung er- Die Autorinnen Dr. Julia Kettern und Dr. Wiebke Wemheuer sind wissen möglicht. schaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Neuropathologie und etablieren die molekularpathologische Diagnostik. II 2019 report UKS Aufbereitung von Tumorgewebe Vergleich von Genabschnitten des Tumors mit denen aus dem Blut des Patienten ähnlich einer für eine Genanalyse Vaterschaftsanalyse: Unterschiede verraten einen Verlust von Genabschnitten und damit Genveränderungen des Tumors. 11
Forschung in der Titelthema Neuropathologie wie kommt es zur Parkinson-Krankheit? Neben dem Verständnis der Entstehung von Hirntumoren besteht am Institut für Neuropathologie ein besonderes Interesse an der Untersuchung neuro- degenerativer Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer. Bei diesen Erkrankungen verliert das Gehirn die Fähigkeit, Informationen durch Verschaltung mehrerer Informationen zu verarbeiten, wie sie etwa für die Steuerung einer Körperbewegung, das flüssige Gehen, das Gedächtnis oder die räumliche Orientierung notwendig sind. Die Frage ist, wie kommt es dazu? TEXt + FOTO walter j. schulz-schaeffer Damit ist es unserer Arbeitsgruppe zum Beispiel gelungen, die bei der Parkinson-Erkrankung zu findenden Aggregate des Eiweißes-α-Synuklein im Bereich der Kontaktstellen von Nervenzellen, den Synapsen, nachweisen zu können. Dass die im Zusammenhang mit der Erkrankung auftreten- den Eiweißaggregate im Bereich der Nervenzellkontakte zu finden sind, kann die Verarmung von Botenstoffen erklären, mit Hilfe derer Nervenzellen Informationen untereinander weitergeben. Seit 50 Jahren ist bekannt, dass die Verarmung des Botenstoffes Dopamin zu den Bewegungsstörungen bei der Parkinson-Krankheit führt. Diese Ergebnisse könnten die Vorstellung vom Entstehen der Parkinson-Krankheit erheblich verändern. Bislang ist man davon ausgegangen, dass bei Parkinson Nervenzellen absterben und damit die Krankheit unheilbar ist. Sollte tat- sächlich die Unterbrechung der Nervenzellkontakte noch existenter Nervenzellen die Ursache der Krankheit sein, wären ganz neue Therapiestrategien denkbar. Nachweis dunkel Der Volksmund sagt, das Gehirn verkalkt im Alter. Allerdings ist dazu eine sichere und möglichst frühzeitige gefärbter Eiweiß- aggregate im Tatsächlich lassen sich im hohen Alter Ablagerungen Diagnose notwendig. Auch daran wird in unserem Institut Hirnstamm bestimmter Eiweiße im Gehirn finden. Diese Eiweiße gearbeitet. Wir suchen danach, ob α-Synuklein-Aggregate in eines Parkinson- Patienten haben eines gemeinsam: Sie ändern ihre dreidimensi- leicht zugänglichen Geweben wie der Haut, den Speicheldrü onale Struktur, so dass sie sich dicht aneinander lagern sen oder dem Magen-Darm-Trakt bei Parkinson-Patienten zu können, ähnlich wie aufgestapeltes Wellblech. Diese finden sind und frühzeitig eine Parkinson-Krankheit an- Ablagerungen werden Aggregate genannt. zeigen. Ziel der neuropathologischen Forschung ist es, den Zu sammenhang zwischen den Eiweißaggregaten und der Stö- Der Autor Prof. Walter J. Schulz-Schaeffer ist der rungen der Nervenzellfunktionen zu verstehen. Dazu wur- Direktor des Instituts für Neuropathologie. den Methoden entwickelt, auch sehr kleine Mengen von Eiweißaggregaten im Hirngewebe nachweisen zu können. Das gelingt unter anderem, indem man Gewebeschnitte, wie sie zur mikroskopischen Beurteilung angefertigt wer- den, auf eine eiweißbindende Kunststoffmembran aufzieht. Auf dieser sind dann Eiweiße so fest gebunden, dass die in Aggregaten dicht aneinander liegenden Eiweiße nachge- UKS wiesen werden können, nachdem die natürlich vorkommen- report den Eiweiße durch Enzyme abgebaut worden sind. Diese Technik (PET blot) ist derzeit die sensitivste Methode, um Aggregate in einem Körpergewebe mit lichtmikroskopischen II 2019 Techniken zu erkennen. 12
Das Bild sagt mehr Titelthema als 1000 Worte – Forensische Blut- spurenmuster- Analytik Unter Blutspurenmuster-Analyse versteht man die Untersuchung von Blutspuren(mustern), ihrer Form und Verteilung, zur Herleitung und Rekonstruktion von Ereignisabläufen an tatortrelevanten Orten TEXT frank ramsthaler, peter schmidt FOTOs institut für rechtsmedizin Tritt Blut aus dem verletzten Körper aus, so hinter- Methodisch folgen auf lässt es – abhängig von Gewaltform und Verletzungsart die Inspektion, die fotogra- - nahezu immer Spuren in Gestalt unterschiedlich großer fische Dokumentation und Tropfen, Spritzer, Blutlachen oder anderer Spurenfor die biologische Einordnung men. Die forensische Blutspurenmuster-Analyse untersucht von Spuren als Blut durch neben diesen Formen, der Intensität und der Verteilung der den Experten am Tatort die am Tatort gefundenen Blutspuren auch die sichtbaren Ver zunehmend häufiger rech- änderungen, die sich aus zeit-, temperatur-, und oberflächen- nergestützte Vermessung abhängigen Trocknungsprozessen ergeben - beispielsweise und Auswertung. Neben der persönlichen Erfahrung sind Kontaktspur, verursacht durch lackartige Anhebungen der oberen Schichten einer Blutlache sytematische experimentelle Untersuchungen physikalisch- eine blutige Hand. oder Riffelungen der Tropfenoberfläche. Werden noch nicht chemischer und ballistischer Vorgänge unter reproduzierba- Beachte die vollständig abgetrocknete Spuren berührt oder verwischt, ren und standardisierten Gewalteinwirkungen unverzicht- Verwischungen der Abrinnspuren, so entstehen charakteristische Formen, die zu Befunden bare Voraussetzungen für eine wisssenschftlich fundierte die unter der mit hohem Beweiswert führen können. Deutung. Neue Erkenntnisse sind insbesondere durch den Voraussetzung einer Raumtemperatur von Einsatz modernster digitaler Visualisierungstechniken zu 20 Grad Celsius eine Anderen Grundsätzen unterliegen Blutspurenphänome- gewinnen. Nachfolgende Abbildung einer Highspeedkamera Trocknungsphase ne wie das Ablaufen von Blut zum Beispiel aus offenen illustriert exemplarisch das Beharrungsvermögen von Blut- (Handlungsunter brechung?) von Wunden beim Lagewechsel eines Verletzten oder Verstor- tropfen beim Eintauchen in Wasser ohne jegliche Vermisch- mindestens fünf benen. Die Ausrichtung der Abrinnspuren erlaubt Rück ungstendenz, was unter anderem dazu führt, dass der Blut- Minuten belegen schlüsse auf unterschiedliche Fragen: Wie und wo lag, stand tropfen in das Wasser einsinkt und dann die Wasserober oder saß das Opfer zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung? fläche im wesentlichen unverändert wieder verlässt, ein Konnte es sich noch bewegen? Wurde es nach Eintritt des Phänomen, das bisher nicht beschrieben wurde. Todes bewegt? Oft sind Gewalteinwirkungen, die Blutspuren verursa- Die Autoren Dr. Frank Ramsthaler ist stellvertretender Leiter des Instituts chen, hochrasante Geschehnisse, die auch von Zeugen mit für Rechtsmedizin, Prof. Peter Schmidt ist der Direktor des bloßem Auge kaum präzise beobachtet werden können. Instituts. Deshalb kann der forensische Experte nur das Ergebnis, also die hinterlassenen Spritzer, als analysierbare Grundlage seiner Einschätzung nutzen. Highspeedauf- nahme (5000 f/s) demonstriert einen Blutstropfen, der in ein Wasserglas fällt. Eine wesentliche II 2019 Vermischung zwischen den unterschiedlich report viskösen Flüssig keiten findet zunächst nicht statt, das Blut UKS bildet eine Fontäne, aus der sich ein unverdünnter Tropfen löst. 13
Sherlock Holmes wür- Titelthema de staunen Forensische Molekularbiologie Die forensische DNA-Analytik ist als Mittel des Sachbeweises aus der Kriminalitätsbekämpfung nicht mehr hinwegzudenken und hat zur sen- sationellen Aufklärung spektakulärer Delikte auch viele Jahre nach der Tat beigetragen. Mit dem genetischen Fingerabdruck (auch „DNA-Profil“ oder „DNA-Fingerprinting“ genannt) ist es seit Mitte der 80er Jahre möglich, einen Verdächtigen anhand von Tatortspuren zu überführen oder auch zu entlasten TEXT sabine cappel-hoffmann, birgit klemmer, peter schmidt Foto institut für rechtsmedizin Untersucht werden variable DNA-Ab- Darüber hinaus können molekularbiologische schnitte, die über das gesamte menschliche Untersuchungen entscheidend zur Identifiz ie Erbgut verteilt sind. Das dadurch gewonnene rung unbekannter Personen beitragen. Zu den DNA-Profil erlaubt die sichere Typisierung und Aufgaben der Rechtsmedizin gehören auch die Individualisierung einer Person. Abstammungsanalyse zur Klärung einer mögli- chen Vaterschaft oder umfangreichere Analysen Allerdings − das ist rechtlich von größter Be- bei der Frage nach einer Geschwisterschaft. In deutung – sind keine Rückschlüsse auf geneti- Zusammenarbeit mit der Standesamtaufsicht er- sche Erkrankungen oder Persönlichkeitsmerk stellen wir auch Abstammungsanalysen vor dem male wie Augen- oder Haarfarbe möglich. Im Hintergrund einer Familienzusammenführung bei Vorderg rund der vielfältigen Untersuchungs- Einwanderungsersuchen. möglichkeiten stehen Spurenanalysen, die auf Anordnung der Ermittlungsbehörden (Polizei/ Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der täg Staatsanwaltschaft) an anonymisierten Proben lichen Fallarbeit fließen unmittelbar in die stu- erfolgen. Dabei handelt es sich entweder um dentische Lehre an der Medizinischen und Abriebe, die bereits am Tatort von der Polizei ge- Juristischen Fakultät und in Fortbildungsveran sichert wurden (z.B. Abriebe von Fenstergriffen) staltungen für die Ermittlungsbehörden ein. Sie Spurensicherung an einem Messer mit positivem Blutnachweis oder um Original-Asservate wie etwa ein Tatmes garantieren Praxisnähe und Anwendungsbezug. ser. Die Einstellung der DNA-Typisierungsmuster Die Autoren Dr. Sabine Cappel-Hoffmann ist Leiterin, von verurteilten Straftäten oder von Opfern in Dr. Birgit Klemmer Wissenschaftliche Mitarbeiterin die DNA-Analyse-Datei hilft bei der Erkennung der Abteilung Forensische Molekularbiologie des Instituts für Rechtsmedizin; Prof. Peter Schmidt von Wiederholungstätern. Auch die Bestimmung ist Direktor des Instituts für Rechtsmedizin. der Spurenart kann von großer Bedeutung für die Interpretation eines Tathergangs sein. Anhand von biochemischen Tests lassen sich Blut, Speichel und Samenflüssigkeit unterscheiden, während Spermien mittels Mikroskopie nachgewiesen wer- den. Aus der Praxis Eine Frau wurde mit einer Kopfverletzung und Würgemalen am Hals tot in der Badewanne liegend aufgefunden. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen geriet der Ehemann schnell un- ter Tatverdacht: an seinem Oberkörper wurden Kratzverletzungen festgestellt und seine DNA UKS Pipettieren von Lösungen zum Spurenansatz fand sich unter den Fingernägeln der Toten – hatte sie sich gewehrt? report Allerdings war es nicht ausgeschlossen, dass die DNA schon beim alltäglichen Zusammen leben unter die Fingernägel gelangt war. Experimentell wurde untersucht, ob sich die Menge an II 2019 DNA von zusammenlebenden Partnern vor und nach einem Kratzvorgang mengenmäßig klar voneinander unterscheidet. Diese Studie belegte eindeutig, dass der unter den Fingernägeln der Verstorbenen nachgewiesene DNA-Gehalt nicht vom normalen alltäglichen Miteinander 14 stammte, sondern auf einen aktiven Kratzvorgangs zurückzuführen war.
Die experimentelle Titelthema Rechtsmedizin Systematische experimentelle Studien gewinnen als Grundlage rechtsmedizinischer Erfahrungen und Kenntnisse zunehmend an Bedeutung. Diesem Umstand wurde im Neubau der Institute für Pathologie und Rechtsmedizin mit einem großzügig ausgestatteten Labor für experimentelle Rechtsmedizin Rechnung getragen TEXT stefan potente, peter schmidt Fotos institut für rechtsmedizin So ist etwa der Blutspurenraum eigens für die Erfordernisse von Ex perimenten zur Blutspurenmuster-Verteilungsanalyse (vgl. S. 13) ausge- Simulation des Bruchlinienverlaufes rüstet. Hier kann Blut zu wissenschaftlichen Zwecken auf vielfache Weise bei Schlageinwirkung. verspritzt und vertropft werden, wobei verschiedene konkrete Szenarien simuliert werden können. Die Hochgeschwindigkeitskameras generieren bis zu 13 000 Bilder pro Sekunde und erlauben ungekannte Einblicke in verspritztes Blut, in fortschrei- tende Knochenbruchlinien oder in Gewebsverformungen und -zerreißungen unter definierter Gewalteinwirkung. Manche Lehrmeinung muss revidiert wer- den, wenn verspritzendes Blut mit derartig hoher Auflösung im Flug und bei der Kollision mit verschiedenen Untergründen beobachtet werden kann. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Schätzung der Todeszeit anhand der Körpertemperatur. Die Eingrenzung des Todeszeitraums – eine rechtsmedi- zinische Kernaufgabe bei der Tatortarbeit – orientiert sich an der Leitschiene der Leichenauskühlung. Gemessen werden mittels eines speziellen Thermometers die Rektal- und die Umgebungstemperatur. Aus diesen Messwerten wird entweder mittels eines Berechnungsprogramms oder einer speziellen Grafik, „Nomogramm“ genannt, ein Zeitintervall ermittelt. Dabei müssen in jedem Einzelfall indivi- duelle Faktoren berücksichtigt werden: das Körpergewicht des Verstorbenen, die Umgebungstemperatur, die Bedingungen am Tatort wie etwa Bekleidung, Bedeckung, Feuchtigkeit und Luftbewegungen. Um den Todeszeitpunkt möglichst genau festlegen zu können, führen wir systematische Abkühlexperimente durch. Dafür nutzen wir ganze Batterien Todeszeitforschung mit Kühldummies zur verschieden großer und schwerer tonnenförmiger Kühlkörper als Dummies. Modellierung der menschlichen Leichenauskühlung Mit einem Wärmeschrank, mehreren Klimageräten, Ventilatoren und diversen (Wärmebildkamera). trockenen, feuchten, dick- und dünnschichtigen Bedeckungen können wir un- terschiedliche Tatortbedingungen simulieren. Detaillierte Abkühldaten werden über 20 Temperatursonden gleichzeitig ausgelesen. Dies alles hat das Ziel, die subjektive Beurteilung eines Tathergangs zukünftig weitgehend durch präzise- re objektive Kriterien zu ersetzen. Nicht nur in der Praxis, auch in der Lehre spielt die experimentelle Rechtsmedi zin eine wichtige Rolle. In einem neuen Unterrichtsformat „Rechtsmedizin am Fall“ wurde ein realer Fall vom (nachgebauten) Tatort bis zum Gerichtstermin mit einer Richterin, einem Oberstaatsanwalt und einem erfahrenen Strafverteidiger nachgestellt. Die Studenten übernahmen die Rolle der Gutachter und unter- suchten an zahlreichen Stationen experimentell die Entstehung und Gestalt von Blutspurenmustern. Nach der positiven Resonanz bei allen Beteiligten ist mit diesem Format ein rechtsmedizinisch fallorientiertes Lernen begründet worden. II 2019 Die Autoren Dr. Stefan Potente leitet die Abteilung Experimentelle Rechtsmedizin am Institut für Rechtsmedizin, Prof. Peter Schmidt ist der Direktor des Instituts. report Modellierung der Wundballistik. Gelatine wird, im Bild von links nach rechts, von einem ‚Softair‘- Projektil durchschlagen. Es bildet sich ein temporärer Schusskanal aus dem Einschuss wird UKS Material herausgeschleudert. 15
Lufterfrischer, Badesalze, Titelthema Pflanzendünger Fälle für die Forensische Toxikologie? Neue psychoaktive Substanzen, die sich in ihrer Wirkweise von den klassischen Drogen ableiten, werden vorwiegend über das Internet als sogenannte „Legal Highs“ vertrieben und erlangen zunehmend gesundheitspolitische und forensisch-toxikologische Relevanz TEXT nadine schäfer, peter schmidt Foto institut für rechtsmedizin Diese chemisch sehr heterogenen Substanzen leiten sich bezüglich ihres Wirkprofils von den altbekannten Drogen ab, haben jedoch meist eine weitaus höhere Wirksamkeit. Selbst bei umfangreicher toxikologischer Charakterisierung dieser Substanzklassen befindet sich die Forensische Toxikologie zurzeit in vielerlei Hinsicht in einem „Hase-und-Igel-Spiel“. Zum einen unterliegt der Drogenmarkt starken Fluktuatio nen. Werden einige Derivate dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt oder anderweitig strafrechtlich geahndet, ge- langen in Windeseile neue Substanzen auf den Markt, die in ihrer chemischen Struktur leicht modifiziert wurden und daher zunächst legal sind. Zum anderen muss sich die Analytik der Herausforder- ung stellen, dass die Neuen Psychoaktiven Substanzen weder mit Hilfe der gängigen Drogenvortests noch Rou tineanalytik-Methoden erfasst werden. Aufgrund der star- ken Wirksamkeit auch bei niedriger Dosis und der enormen Fluktuation müssen spezielle analytische Methoden zum Nachweis angewendet werden. Zudem existieren für die neuartigen Neuen Psychoaktiven Substanzen keine ver- gleichbaren Analyseergebnisse, mit denen die gemessenen Daten abgeglichen und beurteilt werden könnten. Ohne konkrete Hinweise auf einen Konsum ist daher ein Nachweis oftmals schwierig. Unser Institut hat hierbei insofern einen wesentlichen Vorteil, als die im Saarland polizeilich beschlagnahmten be- täubungsmittelverdächtigen Substanzen alle in Homburg untersucht werden, wodurch ein guter Überblick über ak- tuelle Tendenzen auf dem saarländischen Drogenmarkt geschaffen wird. Sind zuverlässige analytische Befunde erhoben, ergibt Ein Sortiment Auch wenn der Begriff es vermuten lässt, beschäf- sich jedoch eine weitere Schwierigkeit: Da es keine Ver- von Legal Highs im Labor tigt sich die Forensische Toxikologie nicht ausschließlich gleichsdaten darüber gibt, wie diese Substanzen im Stoff mit der Aufklärung tödlicher Vergiftungen. Praktisch wechsel umgesetzt werden, lassen sich tatrelevante Fragen bedeutsame Arbeitsgebiete sind unter anderem die Be- etwa über einen chronischen Konsum nur schwer beant- gutachtung der Fahrtüchtigkeit oder der strafrechtli- worten. Hier werden dann interdisziplinäre experimentelle chen Verantwortungsfähigkeit unter dem Einfluss von Untersuchungen zu den Stoffwechselwegen der jeweiligen Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Substanz aufgenommen, denn: Der Hase gibt nicht auf! UKS Neben den klassischen Drogen, wie Cannabis, Amphe report tamin und Heroin, erlangen die sogenannten Neuen Psycho Die Autoren Dr. rer. nat. Nadine Schäfer ist Toxikologin in aktiven Substanzen zunehmend an Bedeutung, die zunächst der Abteilung Toxikologie des Instituts für Rechtsmedizin, legal vorwiegend über das Internet als so genannte „Legal Prof. Peter Schmidt leitet das Institut. II 2019 Highs“ in Form von Raumlufterfrischern, Badesalzen oder Pflanzendüngern verbreitet werden. 16
Prof. Dr. med. Stefan Landgraeber Neue Klinikleitungen 1977 in Essen geboren, studierte Landgraeber Humanmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, wo er auch die Promotion ablegte. Er habilitierte sich für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie an der Universität Duisburg-Essen. Er hat mehrere Monate in Chicago wissenschaftlich gearbeitet und im Rahmen des ASG-Stipendiums (Austrian-Swiss-German Fellowship der deutschsprachigen orthopädischen Fachgesell schaften) angloamerikanische orthopädische Eliteeinrichtungen in Großbritannien, Kanada und den USA besucht. Bevor er an das UKS wechselte, war Landgraeber Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Essen. Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Seit Jahresbeginn ist Prof. Dr. med. Stefan Landgraeber neuer Professor für Orthopädie an der UdS. Gleichzeitig trat er als Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie des UKS die Nachfolge des langjährigen Klinikdirektors Prof. Dieter Kohn an TEXT christiane roos Foto oliver herrmann Schwerpunkte seiner klinischen Tätigkeit sind un- Stefan Landgraebers Forschungsarbeiten wurden von ter anderem die Endoprothetik (Gelenkersatz) an Hüft- der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bun- und Kniegelenken unter Einschluss von Folge-, Wech- desministerium für Wirtschaft und Energie und der Deut sel- oder Korrekturoperationen, die Tumor-Endopro- schen Arthrose-Hilfe gefördert und mit verschiedenen thetik und die gelenkerhaltenden Hüftoperationen, Preisen ausgezeichnet. Derzeit ist er in einem “Horizon wie etwa Hüft-Arthroskopien. Dabei kommen auch mo- 2020“-Projekt aktiv. derne Methoden des Tissue-Engineerings (Züchtung bio- logischer Gewebe) zum Einsatz, wie die autologe Knorpel- Am UKS möchte er das Tissue-Engineering weiterent- zelltransplantation und bioresorbierbare Knochenersatz- wickeln. Zudem möchte Landgraeber die Klinik vor allem stoffe. Auch wissenschaftlich beschäftigt sich Landgraeber unter dem Aspekt „das Hüftgelenk im Sport“ besser an sowohl in der Grundlagen- als auch in der klinischen For- die Sportmedizin anbinden. Für klinische Abläufe möchte schung mit hüftgelenkerhaltenden Verfahren und der Endo er die Digitalisierung nutzen, um Behandlungspfade zu prothetik. optimieren und auf diese Weise die Sicherheit für Ärzte wie für Patienten zu erhöhen. In diesem Rahmen sollen Verschiedene Faktoren können Einfluss darauf haben, auch Apps zum Einsatz kommen: Mittels einer App kann ob ein Gelenkersatz stabil bleibt oder sich lockert: Zum der Patient Übungen zur Nachbehandlung auf sein Handy einen können Abriebpartikel zu Zellreaktionen führen, geschickt bekommen und selbst Rückmeldungen an die zum anderen können absterbende Zellen die Stabilität Klinik geben. Stefan Landgraeber setzt dabei auf eine enge beeinflussen und unerwünschte Mechanismen auslösen. Anbindung an die Saarbrücker Informatiker, denn: „In Saar Ziel der Forschung ist es, den Verbleib der Implantate im brücken sind die besten Informatiker Deutschlands“, be- Körper zu verlängern. Ein weiteres Ziel ist es, die Notwen tont er. digkeit zu endoprothetischen Eingriffen zu verringern, etwa durch die Optimierung der Behandlung von Osteonekrosen Landgraeber wird sich in besonderer Weise für die Lehre und lokalisierten Knorpelschäden. engagieren. Er betont: „Eine qualitativ hochwertige Lehre II 2019 ist extrem wichtig, um wissenschaftlichen Nachwuchs aus- zubilden“. report UKS 17
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Kolja Freier Neue Klinikleitungen 1973 in Heidelberg geboren, hat Freier in seiner Heimatstadt Human- und Zahnmedizin studiert – der Abschluss beider Studiengänge ist Voraussetzung für das Fachgebiet Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG). Nach zwei Promotionen (Dr. med. und Dr. med. dent.) arbeitete er, unterstützt mit einem zweijährigen Forschungsstipendium der Medizinischen Fakultät Heidelberg, wissenschaftlich auf dem Gebiet der Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, der größten biomedizinischen Forschungseinrichtung in Deutschland und Mitglied in der Helmholtz- Gemeinschaft deutscher Forschungszentren. Er habilitierte sich 2008 an der Medizinischen Fakultät Heidelberg mit dem Thema „Zur Bedeutung array-basierter Hochdurchsatzverfahren in Diagnostik und Therapie des oralen Plattenepithelkarzinoms“ über molekularbasierte Untersuchungsmethoden und erhielt die Venia Legendi. Freier war zuletzt Leitender Oberarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinik für MKG des Universitätsklinikums Heidelberg. Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Kolja Freier wurde zu Beginn des Jahres auf den Lehrstuhl für Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie der UdS berufen und hat gleichzeitig die Direktion der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des UKS übernommen TEXT christiane roos Foto UKS Freier war zuletzt Leitender Oberarzt und stell- Ziel solcher Versorgungsstudien ist es, die Qualität der vertretender Ärztlicher Direktor der Klinik für MKG des Therapien stetig zu verbessern, indem die einzelnen Ver Universitätsklinikums Heidelberg. In Homburg hat er fahren auf ihren Nutzen und ihren Erfolg hin kontinuierlich nun die Nachfolge des aus Altersgründen ausgeschiede- überprüft werden. nen langjährigen Klinikdirektors Prof. Wolfgang Spitzer angetreten. In der Lehre möchte Freier das Curriculum modernisie- ren und individualisieren und Lehrinhalte aus der Human Am UKS wird er sich vor allem der Versorgung onkologi- medizin stärker integrieren. scher Patienten widmen. „Dies ist ein besonders sensibler Bereich“, erklärt Freier, „denn neben der medizinischen Seine Entscheidung, dem Ruf nach Homburg zu fol- Versorgung und der Erhaltung wesentlicher Funktionen gen hat unterschiedliche Gründe: „Ich mag den süddeut- spielt für das soziale Leben der Patienten auch die Ästhetik schen Raum und kann mir nicht vorstellen, in Hamburg oder eine beherrschende Rolle.“ Berlin zu leben.“ Dazu kommt die spezielle Situation des UKS: „Es ist ein komplettes Universitätsklinikum mit einer Um eine qualitativ möglichst hochwertige Patienten Zahnmedizin, für deren Erhalt vor einigen Jahren gekämpft versorgung zu erreichen, strebt er die Integration aller wurde.“ Auf diesen Kampf könne man am UKS stolz sein: verfügbarer Kompetenzen und die Zertifizierung als on- „Der war wichtig, richtig und gut.“ kologisches Zentrum an, „weil Zusammenarbeit im Sinne des Patienten in das 21. Jahrhundert gehört“. Eines der Forschungsthemen, die Freier besonders am UKS Herzen liegen, ist die Entwicklung molekularer Marker für report bösartige Erkrankungen im Kiefer-und Gesichtsbereich. Zudem wird er die Infrastruktur für chirurgische Versor gungsstudien etablieren, in deren Rahmen die Entwicklung II 2019 der Patienten in verschiedenen Stadien des Therapiever- laufs ausgewertet werden kann. 18
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