GERECHTIGKEIT BMF-Monatsbericht - Januar 2020 - Bundesfinanzministerium

 
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GERECHTIGKEIT BMF-Monatsbericht - Januar 2020 - Bundesfinanzministerium
BMF-Monatsbericht
Januar 2020

       GERECHTIGKEIT
GERECHTIGKEIT BMF-Monatsbericht - Januar 2020 - Bundesfinanzministerium
GERECHTIGKEIT BMF-Monatsbericht - Januar 2020 - Bundesfinanzministerium
BMF-Monatsbericht
Januar 2020
GERECHTIGKEIT BMF-Monatsbericht - Januar 2020 - Bundesfinanzministerium
GERECHTIGKEIT BMF-Monatsbericht - Januar 2020 - Bundesfinanzministerium
Editorial
          Editorial                                                                    Monatsbericht des BMF
                                                                                                 Januar 2020

                                                           Die größten Investitionsbedarfe bestehen bei den
                                                           Kommunen. Daher will Bundesfinanzminister Olaf
                                                           Scholz ihre Handlungsfähigkeit stärken. Hier geht es
                                                           insbesondere darum, die hochverschuldeten Kom-
                                                           munen zu unterstützen. Denn sie sind häufig nicht
                                                           mehr in der Lage, in die Zukunft zu investieren. Des-
                                                           halb wollen wir gemeinsam mit den betroffenen
                                                           Ländern in diesem Jahr das Problem überbordender
                                                           kommunaler Altschulden angehen und lösen. Dazu
                                                           bedarf es der Solidarität aller Länder und des Bundes.

                                                           Ein Höhepunkt dieses Jahres wird die EU-Rats­
                                                           präsidentschaft sein, die Deutschland im zwei-
                                                           ten Halbjahr 2020 übernehmen wird. Zum 13. Mal
Liebe Leserinnen, liebe Leser,                             wird Deutschland die Europäische Union für sechs
                                                           Monate nach innen und nach außen repräsentie-
vor wenigen Tagen haben die 20er Jahre des 21. Jahr-       ren sowie die Abstimmung mit den europäischen
hunderts begonnen. Schon jetzt ist erkennbar, dass         Partnern organisieren und leiten. Für den Bundes-
die kommenden Jahre von zwei Megathemen be-                finanzminister werden dabei insbesondere Fragen
stimmt werden: Klimawandel und Digitalisierung;            der Steuerpolitik und die Weiterentwicklung der
Themen von globaler Bedeutung, die aber ganz un-           Banken- und Kapitalmarktunion sowie die Vertie-
mittelbare und vielfältige Auswirkungen auf das Le-        fung der Wirtschafts- und Währungsunion wichtige
ben der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ha-          Themen sein.
ben und wesentlich sind für die Zukunftsfähigkeit
unseres Landes. Die Bundesregierung hat sich den           Das Bundesministerium der Finanzen hat auch in
Herausforderungen gestellt – und wird dies auch im         diesem Jahr viel vor. Damit Sie uns auf diesem Weg
neuen Jahr tun.                                            noch besser begleiten können, wirft unser Monats-
                                                           bericht künftig jeden Monat ein Schlaglicht auf ein
Das Jahr 2020 hat mit guten Nachrichten begonnen:          Leitthema, das für unsere Arbeit von besonderer Be-
Der Haushalt des vergangenen Jahres wurde erneut           deutung ist – in diesem Monat ist es das Thema Ge-
mit finanziellen Überschüssen abgeschlossen. Das           rechtigkeit. Ich hoffe, dass der Monatsbericht da-
zeigt der vorläufige Jahresabschluss, den das Bun-         durch für Sie noch nutzbringender wird.
desfinanzministerium Mitte des Monats veröffent-
licht hat. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat vor-       Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesundes Jahr 2020.
geschlagen, den zusätzlich zur Verfügung stehenden
finanziellen Spielraum zu nutzen, um die Investiti-
onen über das Jahr 2020 hinaus zu verstetigen und
unser Land mit einer langfristigen Investitionsper­        Wolfgang Schmidt
spektive fit für die Zukunft zu machen.                    Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen

                                                       3
GERECHTIGKEIT BMF-Monatsbericht - Januar 2020 - Bundesfinanzministerium
Inhaltsverzeichnis

      Inhaltsverzeichnis
      Analysen und Berichte____________________________________________7
      Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020___________________________________________________________ 8
      Europäische Öffentliche Güter: Gemeinsam sind wir stark_______________________________________________ 14
      Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Haushaltsjahr 2019________________________________ 19
      Vorläufiger Abschluss des Bundeshaushalts 2019_________________________________________________________ 23
      „Die Bauwirtschaft: Engpass für die öffentliche Investitionstätigkeit?“ –
      Ergebnisse eines BMF-Workshops_______________________________________________________________________ 40

      Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________47
      Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 48
      Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 49
      Steuereinnahmen im Dezember 2019____________________________________________________________________ 56
      Entwicklung der Länderhaushalte bis einschließlich November 2019_____________________________________ 60
      Finanzmärkte und Kreditaufnahme des Bundes__________________________________________________________ 62

      Aktuelles aus dem BMF__________________________________________73
      Hintergrund: Kohleausstieg______________________________________________________________________________ 74
      Im Portrait: Parlamentarische Staatssekretärin Sarah Ryglewski__________________________________________ 77
      Termine_________________________________________________________________________________________________ 80
      Publikationen___________________________________________________________________________________________ 81
      Hinweise auf Stellenausschreibungen____________________________________________________________________ 82
      Terminhinweis auf Stellenausschreibungen______________________________________________________________ 86

      Statistiken und Dokumentationen_______________________________87
      Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 88
      Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 89
      Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunktur­komponenten des Bundes________________ 89
      Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 90

      Redaktionelle Hinweise__________________________________________91

      Impressum______________________________________________________93
Analysen
und Berichte
Analysen und Berichte

Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020                                                  8

Europäische Öffentliche Güter: Gemeinsam sind wir stark                                      14

Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Haushaltsjahr 2019                          19

Vorläufiger Abschluss des Bundeshaushalts 2019                                               23

„Die Bauwirtschaft: Engpass für die öffentliche Investitionstätigkeit?“ – Ergebnisse eines
BMF-Workshops                                                                                40
Analysen und Berichte                                                                 Monatsbericht des BMF
                                                                                                          Januar 2020

Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020

     ● Seit dem 1. Januar 2020 sind einige gesetzliche Änderungen in Kraft getreten, die sich auf den
       Alltag der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen auswirken werden.

     ● Deutschland trägt als eine führende Industrienation eine besondere Verantwortung für den welt-
       weiten Klimawandel. Mehrere steuerliche Maßnahmen tragen zum Umdenken und Umlenken
       bei Mobilität und Energie bei.

     ● Darüber hinaus werden Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeber
       entlastet. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen profitieren vom weiteren
       Abbau von Bürokratie.

   Entlastung von Familien                                1. Juli 2019 wurde das Kindergeld pro Kind um
                                                          10 € pro Monat erhöht. Entsprechend steigt nun
Eltern erbringen durch Unterhalt, Betreuung und           auch der steuerliche Kinderfreibetrag ab dem 1. Ja-
Erziehung ihrer Kinder wichtige Leistungen für die        nuar 2020 um 192 € von 7.620 € auf 7.812 €. Au-
Gesellschaft. Dies wird bei der Bemessung der Ein-        ßerdem wird der in den Einkommensteuer­       tarif
kommensteuer berücksichtigt. Dabei ist auch das           inte­
                                                              grierte Grundfreibetrag angehoben, näm-
Existenzminimum der steuerpflichtigen Menschen            lich ab dem 1. Januar 2020 um 240 € von 9.168 €
und ihrer Kinder einkommensteuerlich zu verscho-          auf 9.408 €. Für den Veranlagungszeitraum 2020
nen. Zudem ist die Wirkung der kalten Progression         werden zudem die übrigen Eckwerte des Einkom-
im Einkommensteuertarif zu berücksichtigen. An-           mensteuertarifs zum Ausgleich der kalten Progres-
derenfalls würde es bei Lohnerhöhungen, die ledig-        sion nach rechts verschoben, und zwar um 1,95 %.
lich die allgemeine Inflation ausgleichen, zu einer       Das bedeutet, dass der Beginn des nächsten Ta-
höheren individuellen Besteuerung kommen.                 rifabschnitts erst bei entsprechend höherem
                                                          zu versteuernden Einkommen greift.

    Als kalte Progression
    wird der Anstieg des durchschnittlichen                   Die neuen Beträge im Überblick:                 Tabelle 1
    Steuersatzes der Einkommensteuer bezeich-                 Grundfreibetrag, Kinderfreibetrag,
    net, der auf Lohn- und Gehaltserhöhungen                  Unterhaltshöchstbetrag
    zurückzuführen ist, die lediglich den Preis-
                                                                                                 Anhebung
    anstieg (Inflation) ausgleichen.                                                   2019         um         2020
                                                             Grundfreibetrag          9.168 €         240 €     9.408 €
                                                             Kinderfreibetrag         7.620 €         192 €     7.812 €
Im steuerlichen Familienleistungsausgleich sor-              Unterhaltshöchstbetrag   9.168 €         240 €     9.408 €
gen Kinderfreibeträge und Kindergeld für eine an-
                                                             Quelle: Bundesministerium der Finanzen
gemessene Besteuerung von Familien. Bereits zum

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Analysen und Berichte                                                       Monatsbericht des BMF
           Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020                                          Januar 2020

   Anhebung der Pauschalen                                 Planungssicherheit beitragen und weitere Impulse
   für Verpflegungsmehr­                                   für eine umweltschonende Mobilität geben.
   aufwendungen

                                                                                                                 Analysen und Berichte
Die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendun-                 Sonderabschreibung für
gen wurden von 24 € auf 28 € (für jeden Kalender-             Elektrofahrzeuge
tag, an dem die steuerpflichtige Person 24 Stun-
den aufgrund einer beruflichen Tätigkeit von ihrer         Es wurde eine zeitlich befristete Sonderabschrei-
Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte oder Be-               bung für Elektronutzfahrzeuge und elektrisch be-
triebsstätte abwesend ist) erhöht. Sie wurden au-          triebene Lastenfahrräder eingeführt. Die Son-
ßerdem von 12 € auf 14 € (bei Abwesenheit von              derabschreibung beträgt einmalig – im Jahr der
mehr als acht Stunden von der Wohnung und ers-             Anschaffung – 50 % der Anschaffungskosten ent-
ten Tätigkeitsstätte oder Betriebsstätte sowie für         sprechender Fahrzeuge, die zwischen dem 1. Ja-
den An- oder Abreisetag einer mehrtägigen aus-             nuar 2020 und dem 31. Dezember 2030 angeschafft
wärtigen beruflichen Tätigkeit mit Übernachtung            werden. Die Maßnahme steht derzeit allerdings
außerhalb der Wohnung) angehoben.                          noch unter einem beihilferechtlichen Vorbehalt.

   Neu: Übernachtungspauschale                                Besteuerung von Jobtickets
   für Berufskraftfahrerinnen und
                                                           Jobtickets können durch die Arbeitgeberseite pau-
   -fahrer                                                 schal mit 25 % besteuert werden, ohne dass die
                                                           Entfernungspauschale bei der Arbeitnehmerin be-
Durch die Einführung eines neuen gesetzlichen              ziehungsweise dem Arbeitnehmer gemindert wer-
Pauschbetrags in Höhe von 8 € pro Kalendertag mit          den muss. Dadurch soll Arbeitgebern die Möglich-
Übernachtung wird die steuerliche Geltendma-               keit gegeben werden, die Akzeptanz von Jobtickets
chung der Aufwendungen vereinfacht, die Berufs-            insbesondere bei den Arbeitnehmerinnen und Ar-
kraftfahrerinnen und -fahrern typischerweise ent-          beitnehmern zu erhöhen, die öffentliche Verkehrs-
stehen, wenn sie in ihrem Fahrzeug übernachten.            mittel aufgrund ihres Wohnorts oder ihrer Arbeits-
                                                           stätte im ländlichen Raum gar nicht oder nur sehr
                                                           eingeschränkt nutzen können.
   Förderung der
   umweltfreundlichen Mobilität
                                                              Betrieblich übereignete Fahrräder
Im Jahr 2018 traten bereits steuerliche Regelungen
in Kraft, welche die Förderung der umweltfreund-           Darüber hinaus wurde eine Pauschalbesteuerungs-
lichen Mobilität zum Ziel haben. Die Elektromo-            möglichkeit mit 25 % für unentgeltlich oder verbil-
bilität ist ein zentraler Baustein für eine zukunfts-      ligt übereignete betriebliche Fahrräder geschaffen.
gerechte Fortbewegung. Zusätzliche Maßnahmen               Diese einfache steuerliche Lösung verringert den
sollen ab dem Jahr 2020 die Umweltverträglich-             administrativen Aufwand der Arbeitgeber.
keit des Personen- und Güterverkehrs erhöhen, zur

                                                          9
Analysen und Berichte                                                         Monatsbericht des BMF
           Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020                                            Januar 2020

   Private Nutzung betrieblicher                               Energetische
   Elektro- oder Hybridfahrzeuge                               Sanierungsmaßnahmen
Bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Elek-          Deutschland hat sich gemeinsam mit seinen eu-
tro- oder extern aufladbaren Hybridfahrzeugs gilt           ropäischen Partnern geeinigt, in Europa den Aus-
für die Dienstwagenbesteuerung die Halbierung               stoß von Treibhausgasen bis 2030 gegenüber 1990
der Bemessungsgrundlage nun bis Ende 2030. Die              deutlich zu verringern. Dazu soll umweltfreund-
ursprünglich bis Ende 2021 geltende Halbierung              liches Verhalten steuerlich stärker gefördert wer-
wurde bis zum 31. Dezember 2030 bei stufenwei-              den. So werden energetische Sanierungsmaßnah-
ser Anhebung der Voraussetzungen verlängert. Zu-            men an selbstgenutztem Wohneigentum durch
sätzlich wird auch für Elektro- und Elektrohy­brid-         einen prozentualen Abzug der Aufwendungen von
Dienstwagen, die pro gefahrenem Kilometer keine             der Steuerschuld (verteilt über drei Jahre) gefördert.
CO2-Emissionen haben, bei privater Nutzung nur              Förderfähig sind Einzelmaßnahmen, die auch in be-
ein Viertel der Bemessungsgrundlage berücksich-             stehenden Programmen der Gebäudeförderung als
tigt. Dies gilt für Kraftfahrzeuge, deren Bruttolis-        förderfähig eingestuft sind (z. B. Wärmedämmung,
tenpreis nicht mehr als 40.000 € beträgt.                   Erneuerung von Fenstern, Außentüren oder einer
                                                            Heizungsanlage). Die Förderung erfolgt durch den
                                                            Abzug von der Steuerschuld. Es wird also die tarif-
   Aufladen eines Elektro- oder                             liche Einkommensteuer, nachdem sonstige Steuer­
   Hybridfahrzeugs beim Arbeitgeber                         ermäßigungen abgezogen sind, hierbei verringert.
                                                            Insgesamt besteht je Objekt ein Förderbetrag in
Das elektrische Aufladen eines Elektro- oder Hybrid­        Höhe von 20 % der Aufwendungen – höchstens je-
elektrofahrzeugs im Betrieb des Arbeitgebers bleibt         doch 40.000 € – für diese begünstigten Einzelmaß-
auch nach 2020 für zehn weitere Jahre steuerfrei. Das       nahmen zur Verfügung. Damit können Aufwen-
Gleiche gilt für die zeitweise Überlassung einer be-        dungen bis 200.000 € berücksichtigt werden.
trieblichen Ladevorrichtung zur privaten Nutzung.
Diesen Steuervorteil können Nutzerinnen und Nut-
zer von Elektro- und Hybridelektrofahrzeugen nun               Förderung von Forschung und
bis Ende 2030 in Anspruch nehmen. Der Arbeitgeber              Entwicklung
hat ferner die Möglichkeit, die Lohnsteuer für geld-
werte Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbil-         Es wurde eine steuerliche Forschungszulage einge-
ligten Übereignung einer Ladevorrichtung sowie              führt, die unabhängig von der jeweiligen Gewinn-
für Zuschüsse zu den Aufwendungen der Arbeit-               situation von allen berechtigten Unternehmen in
nehmerin beziehungsweise des Arbeitnehmers für              Anspruch genommen werden kann. Die steuerli-
den Erwerb und für die Nutzung einer Ladevorrich-           che Förderung tritt dabei neben die gut ausgebaute
tung pauschal mit 25 % zu erheben. Auch diese Maß-          Projektförderlandschaft. Sie soll den Investitions­
nahme wird bis Ende 2030 verlängert.                        standort Deutschland stärken und die Forschungs-
                                                            aktivitäten insbesondere kleiner und mittlerer Un-
                                                            ternehmen anregen. Die Förderung bezieht sich
   Umsatzsteuersenkung im                                   auf Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in
   Schienenverkehr                                          den Kategorien Grundlagenforschung, industrielle
                                                            Forschung und experimentelle Entwicklung. Sie
Die Attraktivität des öffentlichen Personenschie-           bemisst sich an den Lohnaufwendungen für for-
nenbahnfernverkehrs wird durch die Senkung des              schendes Personal sowie an den Auftragskosten bei
Umsatzsteuersatzes für diese Leistungen von 19 %            in Auftrag gegebenen Vorhaben. Zudem können
auf 7 % verbessert. Dies dient gleichzeitig der             auch Aufwendungen der selbstforschenden Un-
Rechtsvereinfachung und dem Bürokratieabbau.                ternehmen berücksichtigt werden. Die Förderung

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Analysen und Berichte                                                       Monatsbericht des BMF
           Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020                                          Januar 2020

erfolgt in Form einer Forschungszulage und be-                 Steuerliche Entlastungsmaßnahmen
trägt 25 % einer maximalen Bemessungsgrundlage
von 2 Mio. €. Die Forschungszulage wird auf die             In Vorbereitung des Gesetzentwurfs wurden zahl-

                                                                                                                Analysen und Berichte
nächste Steuerfestsetzung angerechnet und ausge-            reiche Vorschläge, auch seitens der Verbände, ge-
zahlt, soweit sie die festgesetzte Steuer übersteigt.       prüft. Im Ergebnis wurde weiterer Bürokratieabbau
Auf die Forschungszulage besteht – bei Vorliegen            beschlossen, bei dem aus Sicht der Bundesregie-
aller Voraussetzungen – ein Rechtsanspruch.                 rung in einer Gesamtabwägung die entlastenden
                                                            Wirkungen gegenüber möglichen nachteiligen
                                                            Wirkungen überwiegen:
   Bürokratieabbau
                                                            ● Anhebung der umsatzsteuerlichen Kleinunter-
Vom Dritten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III)             nehmergrenze von 17.500 € auf 22.000 € Vor-
profitieren insbesondere kleine und mittelständi-             jahresumsatz,
sche Unternehmen. Das Gros der Entlastung ent-
fällt auf steuerliche Maßnahmen.                            ● Anhebung der lohnsteuerlichen Pauschalie-
                                                              rungsgrenze von 62 € auf 100 € für Beiträge zu
                                                              einer Gruppenunfallversicherung,
   Mitwirkungspflichten bei einer
   Außenprüfung                                             ● Anhebung des steuerfreien Höchstbetrags von
                                                              500 € auf 600 € im Kalenderjahr je Arbeitneh-
Steuerpflichtige haben bei einer Außenprüfung                 merin beziehungsweise Arbeitnehmer für be-
Mitwirkungspflichten. Die Finanzverwaltung kann               triebliche Gesundheitsförderung,
entweder
                                                            ● Anhebung der Arbeitslohngrenze zur Lohn-
● die Einsicht in die mithilfe eines Datenverar-              steuerpauschalierung bei kurzfristiger Beschäf-
  beitungssystems erstellten Daten sowie die                  tigung,
  Nutzung dieses Datenverarbeitungssystems
                                                            ● Pauschalierung der Lohnsteuer für beschränkt
● oder die maschinelle Auswertung dieser Daten                steuerpflichtige Arbeitnehmerinnen und Ar-
  durch den Steuerpflichtigen                                 beitnehmer,

● oder einen Datenträger mit den gespeicherten              ● Erhöhung der Grenzbeträge für Hilfeleistung
  Steuerunterlagen                                            durch Lohnsteuervereine,

verlangen. Diese drei alternativen Datenzugriffs-           ● Bürokratieabbau für Bescheinigungs- und In-
rechte bedeuten hohe Bürokratielasten für die Un-             formationspflichten der Anbieter von Alters-
ternehmen, da die Datenverarbeitungssysteme                   vorsorgeverträgen gegenüber den Steuerpflich-
über die zehnjährige Aufbewahrungsfrist nach ei-              tigen,
nem Wechsel des Datenverarbeitungssystems oder
einer Datenauslagerung aufrechterhalten werden              ● Einführung einer (elektronischen) Übermitt-
müssen. Künftig reicht es aus, wenn die Steuer-               lungspflicht der für die Besteuerung erhebli-
pflichtigen fünf Jahre nach einem Systemwechsel               chen rechtlichen und tatsächlichen Verhält-
oder einer Datenauslagerung nur noch einen Da-                nisse anlässlich der Aufnahme einer land- und
tenträger mit den gespeicherten Steuerunterlagen              forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder frei-
vorhalten.                                                    beruflichen Tätigkeit innerhalb eines Monats.

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Analysen und Berichte                                                                Monatsbericht des BMF
              Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020                                                   Januar 2020

Ebenfalls zum Zwecke des Bürokratieabbaus, aber                     dem EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streit-
mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur                     beilegungsgesetz (EU-DBA-SBG), im besonderen
Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltun-                   Interesse. Die EU-Streitbeilegungsrichtlinie wirkt
gen1, wurde die Grenze für die Berechnung der Um-                   ausschließlich zugunsten der Steuerpflichtigen
satzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Ver-                   und gibt ein weiteres Verfahren für die Streitbeile-
steuerung) von 500.000 € auf 600.000 € erhöht.                      gung in sämtlichen Fällen der Doppelbesteuerung
                                                                    von Einkommen und Vermögen im Hinblick auf
                                                                    die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkom-
    E-Books, E-Paper,                                               men zwischen EU-Mitgliedstaaten vor. Der Vorteil
    Monatshygiene                                                   des neuen Verfahrens gegenüber bestehenden Ver-
                                                                    fahren liegt darin, dass ein harmonisierter und in
Im Jahr 2018 wurde den EU-Mitgliedstaaten die                       einem höheren Maß verbindlicher und transparen-
Möglichkeit eingeräumt, auf Umsätze mit Bü-                         ter Rahmen für die grenz­überschreitende Streitbei-
chern, Zeitungen, Zeitschriften und anderen Er-                     legung geschaffen wird.
zeugnissen unabhängig von der äußeren Form
der Publikation einen ermäßigten Steuersatz an-
zuwenden. Die Bundesregierung hat dies weitge-                            Ausfuhrlieferungen im nicht-
hend umgesetzt, die neue Regelung gilt bereits seit                       kommerziellen Reiseverkehr
dem 18. Dezember 2019. Ziel ist die Gleichbehand-
lung körperlicher und elektronischer Erzeugnisse                    Für den nichtkommerziellen Reiseverkehr wurde
wie beispielsweise E-Books oder E-Paper. Hiervon                    eine Wertgrenze für die Umsatzsteuerrückerstat-
ausgenommen sind Veröffentlichungen, die voll-                      tung eingeführt. Damit werden Einkäufe erst ab ei-
ständig oder im Wesentlichen Werbezwecken die-                      nem Rechnungsbetrag über 50 € von der Umsatz-
nen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder                 steuer befreit, sodass mit einer Verbesserung der
im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer                     Zollabfertigung und Entlastung der Infrastruktur
Musik bestehen.                                                     an den Grenzen gerechnet wird.

Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie der Europä­
ischen Union (EU) lässt zudem die Anwendung des                            Reiseverkehr
ermäßigten Steuersatzes auf Erzeugnisse für Zwe-                           Unter den Stichwörtern „Tax free“ erklärt die
cke der sogenannten Monatshygiene (beispiels-                              Bundeszollverwaltung auf ihrer Internetsei-
weise Tampons und Binden) zu. Auch diese uni-                              te www.zoll.de beispielsweise, wie im Reise-
onsrechtliche Option wird in nationales Recht                              verkehr der steuerfreie Einkauf in der Praxis
umgesetzt, die Steuersenkung auf diese Produkte                            funktioniert.
gilt seit dem 1. Januar 2020.

                                                                       Ein wesentliches Ziel bei der Einführung der Wert-
    EU-Doppelbesteuerungsab-                                           grenze ist es, den papiergebundenen Verwaltungs-
    kommen: Streitbeilegung                                            aufwand an der Schweizer Grenze zu reduzieren.
                                                                       Hier ist es in den vergangenen Jahren zu stark stei-
Für Steuerpflichtige mit grenzüberschreitenden Be-                     genden Abfertigungszahlen gekommen, verbun-
zügen steht die Umsetzung der EU-Streitbeilegungs-                     den mit langen Wartezeiten in den Supermärkten
richtlinie in einem neuen Steuerverfahrensgesetz,                      und an den Zollstellen. Neben der Reduzierung des
                                                                       Verwaltungsaufwands soll auch eine Entspannung
                                                                       der Verkehrssituation im deutsch-schweizerischen
1   Link zum Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung
    grenzüberschreitender Steuergestaltungen:                          Grenzgebiet herbeigeführt werden.
    http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/202001011

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Analysen und Berichte                                                        Monatsbericht des BMF
          Die wichtigsten steuerlichen Änderungen 2020                                           Januar 2020

   Erhöhung der                                            werden regelmäßig die Unterschiede der Steuer-
   Luftverkehrsteuer                                       rechtsordnungen mehrerer Staaten ausgenutzt, um
                                                           die steuerpflichtigen Gewinne in Staaten mit vor-

                                                                                                                  Analysen und Berichte
Um Anreize zu schaffen, den Ausstoß von klima-             teilhafteren Steuersystemen zu verlagern oder die
schädlichen Treibhausgasen zu verringern und               Gesamtsteuerbelastung der Steuerpflichtigen zu
die Bürgerinnen und Bürger zu klimafreundli-               verringern. Infolgedessen kommt es häufig zu ei-
chem Handeln zu ermuntern, wird die Luftver-               nem beträchtlichen Rückgang der Steuereinnah-
kehrsteuer zum 1. April 2020 erhöht. Der Steuer-           men. Die Gestaltungen widersprechen den gesetz-
satz für kürzere Flüge wird stärker angehoben: Für         geberischen Prinzipien steuerlicher Gerechtigkeit,
Inlandsflüge und Flüge innerhalb der EU/Europä­            indem komplexe zivilrechtliche Strukturen zur Er-
ischen Freihandelsassoziation steigt der Steuersatz        zielung steuerlicher Vorteile genutzt werden.
von 7,50 € auf 13,03 € pro Flug; das bedeutet eine
Steigerung um 74 %. Der Steuersatz für Flüge über          Um dem zu begegnen, setzt die Bundesregierung
2.500 km bis 6.000 km erhöht sich um 9,58 € auf            eine EU-Richtlinie um, die das Ziel verfolgt, grenz­
33,01 € je Flug und für Flüge über 6.000 km steigt         überschreitende Steuervermeidungspraktiken und
der Steuersatz um 17,25 € auf 59,43 € pro Flug             Gewinnverlagerungen zu identifizieren und zu ver-
(Steigerung um jeweils circa 41 %).                        ringern, um die Erosion des Steuersubstrats zu
                                                           verhindern. Hierfür ist von entscheidender Be-
                                                           deutung, dass die Gesetzgeber und zuständigen Fi-
    Die Luftverkehrsteuer                                  nanzbehörden zeitnah umfassende und relevante
    wird von Luftverkehrsunternehmen, die ge-              Informationen über gesetzlich nicht vorgesehene
    werbsmäßig Personen befördern, entrichtet.             Steuergestaltungen erhalten. Diese Informatio-
    Post- und Frachtverkehre werden nicht be-              nen sollen die Gesetzgeber und Finanzbehörden in
    steuert. Die Luftverkehrsteuer setzt das Vor-          die Lage versetzen, gegen schädliche Steuerprakti-
    liegen eines Rechtsvorgangs voraus und ent-            ken vorzugehen und ungewollte Gestaltungsspiel-
    steht mit dem Abflug des Fluggastes von                räume zu schließen. Dabei wird sowohl das rechts-
    einem deutschen Flughafen.                             politische Ziel verfolgt, den Gesetzgeber frühzeitig
                                                           über mögliche Lücken in den bestehenden Rechts-
                                                           vorschriften zu informieren, als auch der veranla-
                                                           gungsbegleitende Zweck, den Steuerverwaltungen
   Pflicht zur Mitteilung                                  eine gezieltere Prüfung zu ermöglichen.
   grenzüberschreitender
   Steuergestaltungen                                      Meldungen über grenzüberschreitende Steuerge-
                                                           staltungen müssen nach der EU-Vorgabe bereits ab
Steuergestaltungen werden immer ausgefeil-                 dem 1. Juli 2020 entgegengenommen werden kön-
ter und machen sich häufig die höhere Mobilität            nen. Der erste Informationsaustausch zwischen
von Kapital, Personen und immateriellen Werten             den Mitgliedstaaten der EU soll bereits am 31. Ok-
zunutze. Bei grenzüberschreitenden Strukturen              tober 2020 abgeschlossen sein.

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Analysen und Berichte                                                               Monatsbericht des BMF
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Europäische Öffentliche Güter: Gemeinsam
sind wir stark

       ● Die Ökonomen Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest und Prof. Jean Pisani-Ferry haben eine ökono-
         mische Studie zur Frage der Entwicklung Europäischer Öffentlicher Güter erstellt und diese am
         8. November 2019 in Brüssel dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz und seinem französischen
         Amtskollegen Bruno Le Maire übergeben.

       ● Die Studie stellt substanzielle Ansätze für eine Neubestimmung der Kompetenzverteilung zwischen
         der Ebene der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten vor, um den europäischen Mehrwert
         zu steigern und die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in Europa gemeinsam zu be-
         wältigen.

       ● Die Analyse durch Fuest und Pisani-Ferry leistet einen wichtigen Debattenbeitrag, greift die
         Perspektive zur Stärkung eines souveränen Europas auf und gibt damit Impulse für die politische
         Agenda der neuen Europäischen Kommission.

    Einführung                                                          Ökonomische Begründung für
                                                                        Europäische Öffentliche Güter
Die renommierten Ökonomen Clemens Fu-
est (EconPol Europe und ifo-Präsident) und Jean                      Nach welchen Kriterien bestimmt sich, auf welcher
Pisani-Ferry (European University Institute, Brue-                   Ebene der erwünschte Effekt der Bereitstellung öf-
gel sowie Hertie School of Governance) haben in                      fentlicher Güter besonders groß wäre? Welche öf-
einer vom BMF und dem französischen Finanz-                          fentlichen Güter haben wann einen europäischen
ministerium initiierten Studie die Frage der Kom-                    Mehrwert? Welche Voraussetzungen müssen vor-
petenzzuordnung in Europa – Verantwortung auf                        liegen, damit die Verlagerung auf die europäische
der Ebene der Europäischen Union (EU) oder der                       Ebene in der Praxis gelingen kann? Welche instituti-
mitgliedstaatlichen Ebene – neu gestellt. Der vom                    onellen Fortentwicklungen werden damit erforder-
Forschungsnetz EconPol Europe veröffentlichte,                       lich? Und für welche Europäischen Öffentlichen Gü-
international beachtete Policy Report wurde am                       ter sind sinnvolle Zwischenlösungen denkbar? Nicht
Rande des ECOFIN am 8. November 2019 in Brüs-                        zuletzt: Wie groß wären die Opportunitätskosten,
sel dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sei-                    wenn in den relevanten Bereichen der Schritt zur
nem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire                        Europäisierung nicht gelänge? Mit der Behandlung
übergeben und von den Autoren im Einzelnen                           dieser zentralen Fragen liefert der Bericht substanzi-
vorgestellt.1                                                        elle Ansätze für eine wechselseitige Neubestimmung
                                                                     der Kompetenzverteilung zwischen EU-Ebene und
1   Die komplette Studie (englisch) finden Sie hier:                 Mitgliedstaaten und skizziert gleichzeitig zentrale
    https://www.econpol.eu/publications/policy_report_16             Handlungs- und Prüfungsfelder für eine Europäisie-
    Ein auf der Studie aufbauenden Kommentar (deutsch) ist
                                                                     rung von Kompetenzen.
    veröffentlicht unter: https://www.ifo.de/ifo-Standpunkt-210-
    Europaeische-oeffentliche-Gueter

                                                                   14
Analysen und Berichte                                                                    Monatsbericht des BMF
           Europäische Öffentliche Güter: Gemeinsam sind wir stark                                            Januar 2020

Ökonomisch leitet sich die Begründung für eine                         die EU und ihre Mitgliedstaaten fundamental ge-
Bereitstellung von öffentlichen Gütern aus deren                       wandelt haben. Nur ein einiges Europa und damit
Eigenschaften der Nicht-Rivalität im Konsum so-                        eine starke EU – so der Befund – sind in der Lage,

                                                                                                                               Analysen und Berichte
wie der Nicht-Ausschließbarkeit ab. Ein typisches                      Handlungsfähigkeit in zentralen Politikbereichen
ökonomisches Beispiel ist die Verteidigung. Für öf-                    zu beweisen, im globalen Kontext, aber auch mit
fentliche Güter ist eine europäische Bereitstellung                    Blick auf die konkreten Bedürfnisse der Bürgerin-
gegenüber einer rein nationalen nach der Vorstel-                      nen und Bürger. Die Mitgliedstaaten der EU sind
lung der beiden Ökonomen dann zu präferieren,                          zweifellos mit einer Reihe an internationalen He-
wenn sich – auch unter Berücksichtigung der in-                        rausforderungen konfrontiert: der Bekämpfung
stitutionellen Rahmenbedingungen – ein klarer                          des Klimawandels, der Besteuerung multinationa-
europä­ ischer Mehrwert aufgrund der Gütercha-                         ler Unternehmen, den gegenseitigen Handelsbezie-
rakteristika empirisch nachweisen lässt. Diese Ab-                     hungen, der Stabilität der Finanzmärkte oder dem
schätzung eines europäischen Mehrwerts und die                         Umgang mit Flüchtlingen. Diese Aufgaben lassen
Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sind somit                          sich aber durch nationalstaatliches Handeln allein
zwei Seiten einer Medaille. Wenngleich die empi-                       nicht mehr effektiv lösen.
rische Kosten-Nutzen-Abschätzung durchaus an-
spruchsvoll ist (nicht zuletzt für die Öffentlichkeit),                In einem von technologischen, globalen und regi-
so ist die daraus abzuleitende Kompetenzvertei-                        onalen Herausforderungen sowie geopolitischen
lung doch eine eminent wichtige Frage.                                 Verschiebungen veränderten Kontext ist es an der
                                                                       Zeit, den Europäischen Öffentlichen Gütern neue
                                                                       Priorität einzuräumen. Die beiden Ökonomen ar-
     Als öffentliches Gut                                              gumentieren, dass sich die Wirtschaftsbeziehun-
     wird in den Wirtschaftswissenschaften ein                         gen zu globalen Playern, die Außen- und Verteidi-
     Gut bezeichnet, das vielen Konsumentin-                           gungspolitik, der Kampf gegen den Klimawandel,
     nen und Konsumenten preisgünstig zur Ver-                         die Migrationspolitik oder etwa die digitale Souve-
     fügung gestellt werden kann (Nicht-Rivali-                        ränität und Cybersicherheit nur grenzüberschrei-
     tät im Konsum) und bei dem es gleichzeitig                        tend, gemeinsam und damit auf EU-Ebene regeln
     sehr schwierig ist, andere Konsumentinnen                         lassen.
     und Konsumenten vom Gebrauch oder Kon-
     sum dieses Guts auszuschließen (Nicht-Aus-                        Gleichzeitig stellen die beiden Autoren fest, dass in
     schließbarkeit). Öffentliche Güter können                         der Vergangenheit die wirtschaftliche Inte­gration
     ein Grund von Marktversagen sein. Um die-                         in der EU im Vordergrund gestanden hat. Der Bin-
     ses Problem zu lösen, kann der Staat selbst                       nenmarkt und der Euro waren und sind sowohl in-
     das öffentliche Gut zur Verfügung stel-                           tegrationsgetrieben als auch Integrationstreiber. Es
     len oder Anreize für private Unternehmen                          sei aber darüber hinaus immer Ziel gewesen, Euro-
     schaffen, das Gut zu produzieren. Ein Eu-                         päische Öffentliche Güter zu produzieren, etwa in
     ropäisches Öffentliches Gut liegt dann vor,                       Gestalt gemeinsamer Politiken wie der Industriepo-
     wenn aufgrund der Gütereigenschaften eine                         litik. Solchen Zielen müsse künftig stärkere Beach-
     europäische Bereitstellung einen erkennba-                        tung geschenkt werden. „Es gibt sicher berechtigte
     ren europäischen Mehrwert erbringt, insbe-                        Sorgen, dass die Nationalstaaten ihre Souveränität
     sondere im Vergleich zu einer rein nationa-                       verlieren könnten, wenn die EU neue Kompeten-
     len oder regionalen Bereitstellung.                               zen bekommt. Aber auf verschiedenen Politikfel-
                                                                       dern haben wir heute nur die Wahl zwischen einer
                                                                       europäischen Souveränität und gar keiner Souve-
Hintergrund dieser Neuverortung ist eine Situa-                        ränität“, so Pisani-Ferry und Fuest.
tion, in der sich die politischen Erwartungen an

                                                                     15
Analysen und Berichte                                                                   Monatsbericht des BMF
           Europäische Öffentliche Güter: Gemeinsam sind wir stark                                           Januar 2020

   Zentrale politische                                                 4. Spitzenforschung: Eine europäische Förde-
   Handlungsfelder                                                     rung bahnbrechender Innovationen im Stile der
                                                                       US-amerikanischen Defense Advanced Research
Die EU sollte daher die Arbeitsteilung zwischen der                    Projects Agency (DARPA) sollte sich auf wegwei-
nationalen und der europäischen Ebene neu orga-                        sende Projekte konzentrieren – ohne Berücksichti-
nisieren. Die Studienautoren plädieren dafür, der                      gung der regionalen Verteilung über Länder hin-
EU-Ebene mehr Zuständigkeiten zu übertragen. In                        weg – und sollte Instrumente an der Hand haben,
dem sich über die vergangenen Jahrzehnte grund-                        um erfolglose Projekte auch effektiv zu beenden.
legend veränderten wirtschaftspolitischen Um-
feld sei eine deutliche Ausweitung der potenziellen
Handlungsfelder mit dem Charakter von öffentli-                            Die Defense Advanced Research Projects
chen Gütern festzustellen. Konkret sehen die bei-                          Agency, kurz DARPA,
den Ökonomen Vorteile für eine Vergemeinschaf-                             ist die Forschungsagentur des US-Ver-
tung der EU-Politik in folgenden Feldern:                                  teidigungsministeriums. Gegründet wur-
                                                                           de sie als ARPA nach dem Sputnik-Schock
1. Außenwirtschaftsbeziehungen: Die EU darf                                im Jahr 1958. Ihre Aufgabe ist nach eigenen
nicht nur die Wettbewerbs- und Handelspolitik                              Angaben, die „technische Überlegenheit des
in den Blick nehmen, sondern muss sich auch um                             US-Militärs aufrechtzuerhalten“. Die Behör-
die „Investitionspolitik“ kümmern. Der Rat der EU                          de kümmert sich um militärisch relevante
soll das Recht erhalten, mit qualifizierter Mehrheit                       Forschung wie die Entwicklung von Droh-
ausländische Investitionen in einem EU-Land zu                             nen, Robotern oder der Tarnkappentechnik.
blockieren, die eine Gefährdung der europäischen                           Das bekannteste und erfolgreichste Pro-
Sicherheit darstellen. Die Internationalisierung                           jekt der Agentur dürfte das Arpanet sein, aus
des Euro sollte gefördert werden, etwa durch die                           dem das Internet hervorging.
Einführung eines gemeinsamen sicheren Ver-
mögenswerts; auf eine konsolidierte Vertretung
des Euro-Währungsgebiets beim Internationalen                          5. Entwicklungszusammenarbeit und finanzielle
Währungsfonds (IWF) wäre hinzuarbeiten.                                Unterstützung für Drittländer: Aufgrund starker
                                                                       Argumente für einen gemeinsamen Entwick-
2. Klimaschutz: Alle Sektoren sollten Teil eines                       lungsansatz sollte die EU entscheiden, ob sie das
europäischen Regimes sein, das auf dem Emissi-                         Außenmandat der Europäischen Investitionsbank
ons Trading System (ETS) oder einem System der                         stärken oder ihre Beteiligung an der Europäischen
CO2-Steuer beruht. Die EU sollte in der Lage sein,                     Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zu-
mit qualifizierter Mehrheit verbindliche Korridore                     kunftsorientiert nutzen will.
für Kohlenstoffpreise festzulegen und Verstöße
gegen eine gemeinsam festgelegte Dekarbonisie-                         6. Migrationspolitik und Schutz der Flüchtlinge:
rung zu ahnden. Dabei sollten die sozialen Kosten                      Ein Vorschlag der Autoren lautet, ein europäisches
des Übergangs ausgeglichen werden.                                     Grenzschutzsystem, ein gemeinsames Asylrecht
                                                                       und Verfahren für die Verteilung von Asylberech-
3. Digitale Souveränität: Die EU sollte ihre Res-                      tigten und die Rückführung von Menschen ohne
sourcen bündeln, um die Cybersicherheit und die                        Asylanspruch einzuführen. Dies setzt in der Logik
digitale Souveränität zu schützen. Eine hochran-                       einer flexiblen Geometrie voraus, dass derartige
gige Gruppe sollte Maßnahmen für den Binnen-                           Initiativen zunächst im Rahmen einer verstärkten
markt und Optionen für eine engere Zusammen-                           Zusammenarbeit einer Untergruppe von Mitglied-
arbeit zwischen den Regionen vorschlagen.                              staaten vorangetrieben werden, an dessen Ende

                                                                     16
Analysen und Berichte                                                                   Monatsbericht des BMF
          Europäische Öffentliche Güter: Gemeinsam sind wir stark                                           Januar 2020

der Schengen-Raum und der gemeinsame migrati-                             Im Falle von Club-Gütern
onspolitische Raum sich überschneiden.                                    ist eine Ausschließbarkeit im Konsum oder
                                                                          von der Nutzung möglich. Gleichzeitig liegt

                                                                                                                            Analysen und Berichte
7. Außenpolitik und Außenvertretung: Die Argu-                            keine oder nur eine geringe Rivalität im Kon-
mente für einen gemeinsamen europäischen au-                              sum vor. Club-Güter müssen nicht durch
ßenpolitischen Ansatz sind stark. Gleichwohl sind                         den Staat bereitgestellt werden, sondern
prozedurale Mechanismen nicht hinreichend, um                             können auch durch Unternehmen und an-
bestehende, tiefgreifende politische Differenzen                          dere Organisationen in Form von Gruppen
zwischen den Mitgliedstaaten zu überwinden. In                            beziehungsweise Clubs angeboten werden.
einem graduellen Ansatz werden daher Initiativen                          Normalerweise besteht hier keine Rivalität,
zur Stärkung der europäischen „Soft Power“, eine                          weil diese Güter von mehreren Konsumen-
effizienzorientierte Verwaltungszusammenarbeit                            tinnen und Konsumenten gleichzeitig ge-
sowie regelmäßige Weißbücher zur europäischen                             nutzt werden können. Rivalität im Konsum
Außenpolitik vorgeschlagen.                                               entsteht bei einer Bereitstellung über einen
                                                                          Club bei steigender Mitgliederzahl aufgrund
8. Militärische Beschaffung und Verteidigung: Der                         von Kapazitätsgrenzen.
Weg zu einer europäischen Verteidigung unter-
liegt ebenfalls den Regeln der flexiblen Geometrie.
Dabei sollten zunächst Fortschritte auf dem Weg                       Der Anspruch einer Entwicklung Europäischer Öf-
zu einer gemeinsamen Beschaffung, gemeinsamen                         fentlicher Güter und die damit verbundene Effizi-
Infrastrukturen, einer gemeinsamen Rüstungsex-                        enzvermutung muss empirisch nachgewiesen wer-
portpolitik und gemeinsamen Verteidigungsinitia-                      den, um dann in der Konsequenz Ressourcen auf
tiven erzielt werden.                                                 die europäische Ebene zu verlagern. Auch die fis-
                                                                      kalischen Implikationen der Entwicklung Europäi-
                                                                      scher Öffentlicher Güter sowie die Rückwirkungen
   Fragen der Governance und                                          auf nationales und regionales staatliches Handeln
                                                                      sind in den Blick zu nehmen. Zwar erfordert die
   Finanzierung                                                       verstärkte Bereitstellung Europäischer Öffentli-
                                                                      cher Güter zusätzliche Finanzmittel, jedoch sollte
Die Beantwortung der Frage nach arbeitsfähi-                          sich die Gesamtbelastung für die EU-Bürgerinnen
gen Formen der Bereitstellung solcher Güter kann                      und -Bürger damit nicht erhöhen. Im Sinne des
nicht im institutionellen Vakuum erfolgen, son-                       Konzepts muss es gerade ein Kernziel des Ansat-
dern begründet sich durch die Rahmenbedin-                            zes sein, Budgetbelastungen zu reduzieren, indem
gungen und Spielräume, welche die EU-Verträge                         öffentliche Güter auf europäischer Ebene effizien-
aufspannen. Die Heterogenität der potenziellen                        ter als auf nationaler Ebene bereitgestellt werden.
Handlungsfelder erfordert im Verständnis der Au-                      Mit Blick auf die aktuelle Debatte um das künftige
toren eine flexible Geometrie institutioneller Lö-                    Finanzierungssystem der EU schlagen die beiden
sungen, die von vollständiger Vergemeinschaftung,                     Ökonomen vor, dass hierfür die Finanzierungsbei-
aber auch vollständiger Dezentralisierung über so-                    träge der Mitgliedstaaten erhöht werden müssten.
genannte Club-Güter bis hin zu bilateralen Pilot-
projekten reichen kann.

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Analysen und Berichte                                                                   Monatsbericht des BMF
          Europäische Öffentliche Güter: Gemeinsam sind wir stark                                           Januar 2020

Um das Momentum zur Bereitstellung Euro-                                 Fazit
päischer Öffentlicher Güter zu stärken, schla-
gen die Autoren bilaterale Projekte vor, etwa eine                    Die Analyse der Potenziale einer Europäisierung
deutsch-französische Agentur beziehungsweise                          wichtiger öffentlicher Aufgabenbereiche durch
ein gemeinsames Forschungsinstitut für Cybersi-                       Fuest und Pisani-Ferry leistet einen weiteren wich-
cherheit sowie einen deutsch-französischen Fonds                      tigen Debattenbeitrag, greift die bekannte Perspek-
zur Unterstützung grundlegender, sogenannter                          tive zur Stärkung eines souveränen Europas auf
Sprunginnovationen. Ferner fordern sie eine ge-                       und gibt damit Impulse für die politische Agenda
meinsame Afrikastrategie sowie eine gemeinsame                        der neuen Europäischen Kommission.
deutsch-französische Vertretung im IWF.

                                                                    18
Analysen und Berichte                                                              Monatsbericht des BMF
                                                                                                              Januar 2020

Die Steuereinnahmen des Bundes und der
Länder im Haushaltsjahr 2019

                                                                                                                                   Analysen und Berichte
            ● Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden (ohne Gemeindesteuern) stiegen im
              Haushaltsjahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um 3,1 % auf 735,9 Mrd. €.

            ● Die gemeinschaftlichen Steuern haben mit 595,4 Mrd. € oder 80,9 % den größten Anteil am
              Gesamtergebnis. Hier trugen insbesondere einkommens- und gewinnabhängige Steuerarten
              wie Lohnsteuer, veranlagte Einkommensteuer und die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag
              zum guten Ergebnis bei.

            ● Vom Zuwachs des Steueraufkommens profitierten alle föderalen Ebenen, allerdings in un-
              terschiedlichem Maße: Während die Einnahmen des Bundes um 2,1 % stiegen, konnten die
              Länder Zuwächse von 3,3 % und die Gemeinden von 5,8 % verbuchen.

      Entwicklung der Steuereinnah-                                  Gesamteinnahmen von 713,6 Mrd. € war dies ein
      men (ohne Gemeindesteuern)                                     Zuwachs von 22,3 Mrd. € oder 3,1 %.
      im Haushaltsjahr 2019
                                                                     Die Steuereinnahmen im Haushaltsjahr 2019 und
Im Haushaltsjahr 2019 konnten Bund, Länder                           die Veränderungen gegenüber dem entsprechen-
und Gemeinden Steuereinnahmen (ohne Ge-                              den Vorjahreszeitraum sind in Tabelle 1 dargestellt.
meindesteuern)1 in Höhe von 735,9 Mrd. € ver-
buchen. Gegenüber dem Haushaltsjahr 2018 mit                         Im Haushaltsjahr 2019 stiegen die Einnahmen aus
                                                                     den gemeinschaftlichen Steuern gegenüber dem
                                                                     Haushaltsjahr 2018 um 3,4 % auf 595,4 Mrd. €. Das
1    Über die Einnahmen aus Gemeindesteuern berichtet das            Aufkommen der Bundessteuern stieg um 0,9 %
     Statistische Bundesamt vierteljährlich. Diese Einnahmeer-
     gebnisse werden in der Fachserie 14 „Finanzen und Steuern“,
                                                                     auf 109,5 Mrd. €. Die Ländersteuern verzeichneten
     Reihe 4 „Steuerhaushalt“ im Rahmen eines Gesamtüberblicks       einen Zuwachs von 8,1 % auf 25,8 Mrd. €. Die Zoll­
     über die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden        einnahmen lagen wie im Jahr 2018 bei 5,1 Mrd. €.
     veröffentlicht.

     Entwicklung der Steuereinnahmen im Haushaltsjahr 2019                                                         Tabelle 1

                                                                        Haushaltsjahr
                                                                          in Mrd. €               Änderung gegenüber Vorjahr
                 Steuereinnahmen nach Ertragshoheit                 2019            2018          in Mrd. €          in %
    Gemeinschaftsteuern                                                 595,4           576,0            +19,4              +3,4
    Bundessteuern                                                       109,5           108,6             +1,0              +0,9
    Ländersteuern                                                          25,8            23,9           +1,9              +8,1
    Zölle                                                                   5,1             5,1           +0,0              +0,6
    Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern)                    735,9           713,6            +22,3              +3,1
    Abweichungen in den Summen durch Rundung der Zahlen möglich.
    Quelle: Bundesministerium der Finanzen

                                                                   19
Analysen und Berichte                                                                       Monatsbericht des BMF
          Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Haushaltsjahr 2019                                   Januar 2020

Grundlagen des Anstiegs der Steuereinnahmen wa-                           Das Bruttoaufkommen der Körperschaftsteuer
ren vor allem die anhaltend positive Entwicklung                          verringerte sich im Haushaltsjahr 2019 um 4,1 %
des Arbeitsmarkts sowie steigende Löhne und Ge-                           auf 32,1 Mrd. €. Nach Abzug der betragsmäßig ver-
hälter in Deutschland. Daraus resultierte ein fort-                       gleichsweise geringen Investitionszulage ergibt
gesetzter Anstieg des Lohnsteueraufkommens. Die                           sich ein Kassenaufkommen im Haushaltsjahr 2019
zum Teil kräftige Aufwärtsentwicklung der Ein-                            von 32,0 Mrd. € (-4,2 % gegenüber 2018).
nahmen aus den gewinnabhängigen Steuern, be-
sonders der veranlagten Einkommensteuer, re-                              Das Steueraufkommen der nicht veranlagten Steu-
sultierte u. a. aus Erträgen der vergangenen Jahre.                       ern vom Ertrag stieg im Haushaltsjahr 2019 brutto
Zudem schlug sich die gute binnenwirtschaftliche                          um 0,2 % auf 24,5 Mrd. €. Hiervon abzuziehen sind
Nachfrage in einem entsprechenden Wachstum                                Erstattungen durch das Bundeszentralamt für
der Steuern vom Umsatz nieder.                                            Steuern. Diese lagen um 20,4 % unter dem Vorjah-
                                                                          resniveau. Im Ergebnis stieg das Kassenaufkom-
                                                                          men der nicht veranlagten Steuern vom Ertrag im
   Gemeinschaftsteuern                                                    Haushaltsjahr 2019 um 1,3 % auf 23,5 Mrd. €.

Basis für wachsende Einnahmen bei der Lohnsteuer                          Das Kassenaufkommen der Abgeltungsteuer auf
war die gute Beschäftigungslage, die sich in einer                        Zins- und Veräußerungserträge war im Haushalts-
weiteren Zunahme der sozialversicherungspflich-                           jahr 2019 abermals geringer als im Vorjahr. Es ver-
tigen Beschäftigungsverhältnisse und kräftigen                            ringerte sich um 25,3 % auf 5,1 Mrd. €. Angesichts
Lohnsteigerungen zeigte. Das Bruttoaufkommen                              des anhaltend niedrigen Zinsniveaus kann diese
der Lohnsteuer stieg dadurch im Haushaltsjahr 2019                        Entwicklung nicht aus der Besteuerung der Zins­
auf 264,6 Mrd. €. Dies entspricht einem Zuwachs ge-                       einkünfte hergeleitet werden. Vielmehr ist ein ge-
genüber dem Vorjahr um 5,4 %. Hiervon abzuziehen                          ringeres Steueraufkommen aus Veräußerungs-
ist das aus dem Lohnsteueraufkommen gezahlte                              erträgen wahrscheinlich. Mangels getrennter
Kindergeld in Höhe von 42,5 Mrd. €. Zudem sind die                        statistischer Erfassung der beiden Aufkommens-
Aufwendungen für die Altersvorsorgezulage hier-                           komponenten liegen hierzu jedoch keine gesicher-
von abzuziehen. Diese sind im Haushaltsjahr 2019                          ten Erkenntnisse vor.
um 8,7 % auf 2,4 Mrd. € gestiegen. Im Ergebnis stieg
das Aufkommen der Lohnsteuer im Haushalts-                                Die gute binnenwirtschaftliche Nachfrage schlug
jahr 2019 um 5,5 % auf 219,7 Mrd. €.                                      sich in einem entsprechenden Wachstum der Steu-
                                                                          ern vom Umsatz nieder. Im Haushaltsjahr 2019
Die veranlagte Einkommensteuer verzeichnete im                            wiesen die Steuern vom Umsatz insgesamt einen
Haushaltsjahr 2019 Bruttoeinnahmen in Höhe von                            Zuwachs von 3,6 % gegenüber dem Haushalts-
79,3 Mrd. €, was einer Steigerung von 5,1 % gegen-                        jahr 2018 auf und lagen bei 243,3 Mrd. €. Die (Bin-
über dem Vorjahr entsprach. Die Abzugsbeträge                             nen-)Umsatzsteuer zeigt ein Plus von 4,4 %, die
von Investitionszulage und Eigenheimzulage be-                            Einfuhrumsatzsteuer auf Importe aus Ländern au-
einflussten das Ergebnis aufgrund des Auslaufens                          ßerhalb der Europäischen Union (EU) verzeichnete
der Förderung nur noch unerheblich. Betrags-                              ein Plus von 1,3 %.
mäßige Relevanz hatten hingegen die aus dem
Aufkommen der veranlagten Einkommensteuer
gezahlten Erstattungen an veranlagte Arbeitneh-                                 Bundessteuern
merinnen und Arbeitnehmer. Unter Berücksichti-
gung der Abzugsbeträge ergaben sich Kassenein-                            Bei den Bundessteuern wurde mit 109,5 Mrd. €
nahmen der veranlagten Einkommensteuer im                                 im Haushaltsjahr 2019 das Vorjahresniveau um
Haushaltsjahr 2019 in Höhe von 63,7 Mrd. €. Dies                          1,0 Mrd. € oder 0,9 % überschritten. Die Energie-
bedeutet einen Anstieg um 5,5 %.                                          steuer ist mit einem Aufkommen von 40,7 Mrd. €

                                                                       20
Analysen und Berichte                                                                                 Monatsbericht des BMF
             Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Haushaltsjahr 2019                                             Januar 2020

im Haushaltsjahr 2019 die aufkommensstärkste                                   Bundessteuern beitragende Steuerarten im Haus-
Bundessteuer. Maßgeblich für das Volumen der                                   haltsjahr 2019: die Alkoholsteuer mit 2,1 Mrd. € be-
Energiesteuer ist – mit 90,3 % des Aufkommens –                                ziehungsweise -0,7 %, die Schaumweinsteuer mit

                                                                                                                                                   Analysen und Berichte
die Besteuerung des Kraftstoffverbrauchs, insbe-                               0,4 Mrd. € beziehungsweise +1,6 % und die Kaffee-
sondere von Benzin und Diesel. Hier verringerten                               steuer mit 1,1 Mrd. € beziehungsweise +2,3 %.
sich die Steuereinnahmen im Vorjahresvergleich
um 0,1 %. Das Aufkommen aus der Energiesteuer
auf Heizöl stieg um 14,3 %, dasjenige auf Erd-                                     Ländersteuern
gas verringerte sich um 10,2 %. Im Ergebnis ist bei
der Energiesteuer ein leichter Rückgang um 0,5 %                               Die Ländersteuern steigerten ihr Aufkommen im
zu verzeichnen. Die Tabaksteuer verzeichnete im                                Haushaltsjahr 2019 gegenüber dem Vorjahr deut-
Haushaltsjahr 2019 einen Rückgang der Einnah-                                  lich um 8,1 % auf 25,8 Mrd. €. Wie in den Vorjahren
men um 0,6 % auf 14,3 Mrd. €. Der Solidaritäts-                                konnte die Grunderwerbsteuer deutlich um 12,1 %
zuschlag wies im Haushaltsjahr 2019 ein Einnah-                                auf aktuell 15,8 Mrd. € zulegen. Zuwächse ver-
mewachstum um 3,8 % auf 19,6 Mrd. € auf. Damit                                 zeichneten noch die Rennwett- und Lotteriesteuer
folgt er als Zuschlag in Höhe von 5,5 % der fest-                              um 4,3 % auf 2,0 Mrd. € und die Feuerschutzsteuer
gesetzten Steuer der Entwicklung seiner Bemes-                                 um 3,2 % auf 0,5 Mrd. €. Die Erbschaftsteuer stieg
sungsgrundlagen – der Lohnsteuer, der veranlag-                                um 2,6 % auf 7,0 Mrd. €. Das Biersteueraufkommen
ten Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der                               verringerte sich um 5,8 % auf 0,6 Mrd. €.
Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungser-
träge und der nicht veranlagten Steuern vom Er-
trag. Das Kraftfahrzeugsteueraufkommen stieg im                                    Entwicklung der
Haushaltsjahr 2019 um 3,6 % auf 9,4 Mrd. €. Bei der                                Steuereinnahmen in den
Versicherungsteuer gab es 2019 mit 2,6 % gegen-
über 2018 abermals Zuwächse im Steueraufkom-
                                                                                   einzelnen Quartalen
men auf 14,1 Mrd. €. Die Luftverkehrsteuer verrin-
gerte sich um 0,4 % auf 1,2 Mrd. €. Die Stromsteuer                            Ein Blick auf die Ergebnisse der einzelnen Quartale
schloss mit einem Minus von 2,5 % bei 6,7 Mrd. €                               des Haushaltsjahres 2019 zeigt unterjährig zum Teil
ab. Es folgen die Beträge und Veränderungs-                                    hohe Veränderungsraten (siehe Tabelle 2).
raten für weitere zum Gesamtaufkommen der

  Entwicklung der Steuereinnahmen in den einzelnen Quartalen 2019                                                                Tabelle 2

                                                                                                           2019
                  Steuereinnahmen nach Ertragshoheit                           1. Quartal     2. Quartal          3. Quartal     4. Quartal
 Gemeinsschaftsteuern (Mrd. €)                                                       143,5          151,3               144,5          156,0
 Veränderung gegenüber Vorjahr in %                                                    +1,6           +4,9                +3,5           +3,4
 Bundessteuern (Mrd. €)                                                                24,0           26,6                26,7           32,3
 Veränderung gegenüber Vorjahr in %                                                    +0,9           +0,6                +0,9           +1,1
 Ländersteuern (Mrd. €)                                                                 6,5            6,1                 6,5               6,7
 Veränderung gegenüber Vorjahr in %                                                  +11,9            -1,3              +11,9          +10,4
 Zölle (Mrd. €)                                                                         1,2            1,3                 1,3               1,3
 Veränderung gegenüber Vorjahr in %                                                    -5,8         +13,7                 -3,9           +0,3
 Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern) (Mrd. €)                           175,2          185,3               179,0          196,3
 Veränderung gegenüber Vorjahr in %                                                    +1,8           +4,1                +3,4           +3,2
 Quelle: Bundesministerium der Finanzen

                                                                          21
Analysen und Berichte                                                                           Monatsbericht des BMF
              Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Haushaltsjahr 2019                                       Januar 2020

   Verteilung der Steuereinnah-                                                 Gemeinschaftsteuern. Die Verteilung der Steuer-
   men auf die Ebenen                                                           einnahmen im Haushaltsjahr 2019 auf Bund, Län-
                                                                                der, Gemeinden und EU und die Veränderungen
Im Haushaltsjahr 2019 konnten alle Ebenen bes-                                  gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeit-
sere Ergebnisse erzielen als im Vorjahr. Basis die-                             raum sind in Tabelle 3 dargestellt.
ser Entwicklung war die Steigerung bei den

  Verteilung der Steuereinnahmen auf die Ebenen                                                                               Tabelle 3

                                                                        Haushaltsjahr
                                                                          in Mrd. €                    Veränderung gegenüber Vorjahr
                       Ebenen                                    2019                   2018           in Mrd. €             in %
 Bund¹                                                                  329,1                  322,4               +6,7                +2,1
 Länder¹                                                                324,5                  314,1           +10,5                   +3,3
 Gemeinden²                                                              51,4                   48,6               +2,8                +5,8
 EU                                                                      30,9                   28,6               +2,3                +8,2
 Zusammen                                                               735,9                  713,6           +22,3                   +3,1
 Abweichungen in den Summen durch Rundung der Zahlen möglich.
 1 Nach Bundesergänzungszuweisungen.
 2 Lediglich Gemeindeanteil an Einkommensteuer, Abgeltungsteuer und Steuern vom Umsatz.
 Quelle: Bundesministerium der Finanzen

                                                                           22
Analysen und Berichte                                                     Monatsbericht des BMF
                                                                                              Januar 2020

Vorläufiger Abschluss des
Bundeshaushalts 2019

                                                                                                              Analysen und Berichte
     ● Der Bundeshaushalt 2019 konnte mit einem Überschuss abgeschlossen werden. Zur positiven
       Entwicklung hat die nach wie vor gute wirtschaftliche Lage Deutschlands beigetragen.

     ● Auf Basis des vorläufigen Jahresabschlusses 2019 ergab sich ein struktureller Überschuss
       von 0,11 % des Bruttoinlandsprodukts.

     ● Von einer Entnahme aus der Rücklage zur Finanzierung von Belastungen im Zusammenhang
       mit der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen konnte abge-
       sehen werden. Darüber hinaus ergab sich eine saldierte Entlastung von rund 13,5 Mrd. €, die
       gemäß Haushaltsgesetz 2019 den Rücklagen zugeführt werden.

     ● Die Investitionen erreichten im Bundeshaushalt 2019 eine Höhe von 38,1 Mrd. € und damit das
       Niveau des Vorjahres. Bereinigt um einen Sondereffekt im Jahr 2018 überschritten die Investiti-
       onen das Vorjahresniveau um 6,6 %.

     ● Länder und Kommunen wurden durch den Bund in erheblichem Umfang unterstützt.

   Ausgangslage                                         Die verhaltene wirtschaftliche Dynamik im
                                                        Jahr 2019 zeigte sich insbesondere in der anhalten-
Die konjunkturelle Dynamik der deutschen Wirt-          den Schwäche der Industrie. Die gebremste Welt-
schaft hat sich im Jahr 2019 merklich verlang-          konjunktur und der verlangsamte globale Handel
samt. Nach den ersten vorläufigen Berechnungen          belasteten die exportorientierten Unternehmen.
des Statistischen Bundesamts vom 15. Januar 2020        Zudem trübten außenwirtschaftliche Risiken und
ist das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt            Unsicherheiten die Stimmung im Verarbeitenden
(BIP) um 0,6 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen          Gewerbe. Zusätzlich stellten strukturelle Verände-
(2018: +1,5 %). Nach einem deutlichen Anstieg des       rungen im Automobilsektor Herausforderungen
BIP im 1. Quartal des Jahres (+0,5 % gegenüber dem      für die Industrie dar. Wichtige Wachstumsimpulse
Vorquartal) war die gesamtwirtschaftliche Aktivi-       kamen dagegen aus der Binnenwirtschaft. Insbe-
tät im 2. Quartal rückläufig (-0,2 % gegenüber dem      sondere die privaten und staatlichen Konsumaus-
Vorquartal). Dagegen beschleunigte sich die kon-        gaben sowie Investitionen in Bauten entwickelten
junkturelle Dynamik im 3. Quartal wieder leicht         sich dynamisch. Zusätzlich trugen fiskalische Im-
um 0,1 % im Vergleich zum Vorquartal. Für das           pulse zu der robusten Binnennachfrage bei.
Schlussquartal 2019 deuten aktuelle Wirtschafts-
daten ebenso auf eine leicht aufwärtsgerichtete         Die Binnennachfrage wurde von der anhaltend gu-
wirtschaftliche Entwicklung hin. Zu Beginn des          ten Entwicklung am Arbeitsmarkt gestützt, auch
Jahres 2020 dürfte die konjunkturelle Dynamik ins-      wenn diese etwas an Dynamik verlor. Die Erwerbs-
gesamt noch verhalten bleiben, aber im Verlauf des      tätigkeit nahm im Jahresdurchschnitt 2019 wei-
Jahres wieder an Fahrt gewinnen.                        ter zu und lag nach vorläufigen Berechnungen

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