Gratis zum Mitnehmen - Seniorenmagazin bei Herbstzeitlose Erlangen
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EDITORIAL Foto: Andreas Roch Stephan Bühring und Michael Kniess (r.) Liebe Leserinnen und Leser, mit der Zeit ist es so eine Sache. Was man nicht alles mit ihr machen kann: Man kann Zeit redensartlich finden, gewinnen und verlieren, sparen und vergeuden, vertreiben, schinden und sogar totschlagen. Vor allem sollten wir aber eines mit ihr machen: Sie uns immer wieder gegenseitig schenken und widmen. Denn sie vergeht meist viel zu schnell und rennt einem nur so davon – vor allem wenn wir an gemeinsame Zeit mit Menschen denken, die uns wichtig sind. Wie oft bedauern wir, in der Hektik des Alltags einfach mal wieder keine Zeit für einen Anruf und ein paar liebe Worte gefunden zu haben. Deshalb: Nehmen wir uns Zeit füreinander. Immer. Auch wenn es vielleicht gerade nicht wirklich passt. Dies ist das größte und kostbarste Geschenk, dass man sich und an- deren machen kann. Wer weiß, wann man das letzte Mal Gelegenheit hat, gemeinsam Zeit verbringen zu dürfen. Denn sie ist vor allem eines: endlich. Versuchen wir deshalb, wann immer es geht, Zeit, die uns mit lieben Menschen geschenkt wird, besonders in- tensiv zu genießen. Nehmen wir uns Zeit für die schönen Dinge im Leben und für uns selbst. Anhalten können wir sie nicht, die Zeit. Aber wir können sie dafür nutzen, uns Erinnerungen zu schaffen, die bleiben. Dann ist die Zeit, das wertvolle Gut, ganz sicher gut genutzt. Ihnen und Ihren Lieben einen schönen Frühling mit viel gemeinsamer Zeit. Herzlichst, Stephan Bühring Michael Kniess Herausgeber Redaktionsleitung
INHALT AUSGABE FRÜHLING // MÄRZ · APRIL · MAI 2023 Inhalt 14 Titel 52 Gesundheit und Sport 14 „Niemand gehört mit Eintritt ins 52 Mit vereinten Kräften gegen Darmkrebs Rentenalter per se zum alten Eisen“ 54 Freizeit, Reise und Erholung 20 Aktuelles 54 Vienna calling 20 „Kultur endet bei uns nicht an der Tür des Konzertsaals“ 58 Ratgeber 24 Ara ist Zootier des Jahres 58 Sicherheitstipp Nebel: 26 Ein ‚Du‘, das trennt Welches Licht für gute Sicht? 32 CO2-Reduktion, Klimawälder und nachhaltige Geldanlagen 60 Unterhaltung 60 Fernsehtipp 34 Bundeskanzler zu Gast, Herz für das 62 Kurzgeschichte Medical Valley, Hiobsbotschaft 65 Buchtipp 36 Ein Fest für Kultur, Kulinarik, Natur 66 Raten & Knobeln und neue Freundschaften 40 Fit im Umgang mit Fahrkarten- 69 Kultur- und Ausflugstipps automaten und VGN-App, 69 Eine unerschöpfliche Fundgrube neue Wohnformen im Blick Erlanger Geschichte 70 Herausragendes Porträt als Leihgabe 44 Modernes Leben 70 Spektakuläre Luftbilder aus Bayern 44 Oma & Lotta 71 Stadtführungssaison 2023 startet 46 Per Facetime kommunizieren, 71 Ein Paradies für Wanderfreunde Apps erkunden, Mediatheken nutzen 72 Ansbacher Rokoko-Festspiele 48 Pilze aufwärmen? Warum denn nicht? 72 Durch Bayerns Mitte radeln 50 Kulinarik 73 Veranstaltungen & Termine 50 Kulinarische Empfehlung aus Istanbul 73 Veranstaltungskalender 82 Der kleine Herbstzeitlose-Kalender Impressum: Herausgeber (V.i.S.d.P.): Stephan Bühring Verlag: Stephan Bühring Verlag, Bayreuther Straße 1, 91054 Erlangen, Telefon 09548 98275-25, www.herbstzeitlose-magazin.de, info@herbstzeitlose-magazin.de Redaktionsleitung: Michael Kniess Redaktion: Stephan Bühring, Silke Bobbert, Valentina Seeler Autoren: Professor Siegfried Balleis Anzeigen: Hella Schröder, Telefon 09548 98275-25 Produktion: bühring werbeagentur, Mühlhausen. Die Herbstzeitlose erscheint vier Mal im Jahr und wird in und um Erlangen verteilt. Es gelten die AGB des Stephan Bühring Verlags und die Anzeigenpreisliste vom 01.01.2022 4 HERBSTZEITLOSE
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN Meldungen ten zusammengefasst. Die Angebote spe- ziell für ältere Menschen sind unter www.stadtbibliothek-erlangen.de/senioren zu finden. Ein Veranstaltungskalender und eine Seite mit aktuellen Mitteilungen run- den das Angebot ab. Die neue Webseite ist barrierefrei und mobil nutzbar. u www.stadtbibliothek-erlangen.de Stadtbibliothek Erlangen hat 75 Jahre Joseph-Stiftung eine neue Webseite Im Oktober 1948 leidet Die Stadtbibliothek Erlangen präsentiert Deutschland unter den Foto: Diözesanarchiv Bamberg sich nun noch attraktiver im Netz. Ein fri- Kriegsfolgen und einem sches Design und übersichtlich aufbereitete knappen Wohnrauman- Inhalte prägen das Gesicht des neuen Inter- gebot. Auf Anregung ka- netauftritts. Interessierte erhalten Informa- tholischer Arbeiter grün- tionen zur Nutzung der Angebote vor Ort det daraufhin der Erzbi- und digital. Über eine Suche und ein A-Z- schof von Bamberg, Joseph Otto Kolb, die Glossar lassen sich die gewünschten Infor- St. Joseph-Stiftung, um eine angemessene mationen schnell finden. Spezielle Services Wohnraumversorgung für die Bevölkerung für Ältere, Kitas, Schulen, Familien, Jugend- im Erzbistum Bamberg zu sichern. Die Idee liche, Zugewanderte und Menschen mit Be- und die damit verbundenen Werte gelten einträchtigungen werden auf Themensei- bis heute und prägen das Handeln des Un- 6 HERBSTZEITLOSE
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN ternehmens, das heuer sein 75-jähriges Ju- biläum begeht. Aktuell beschäftigt die Stif- Ostereier im Redoutensaal tung rund 200 Mitarbeiter und plant, baut Nach der Corona-Zwangspause findet und verwaltet Immobilien für Menschen dieses Jahr am 1. und 2. April wieder mit Blick auf die Zukunft. Der Zweck der der beliebte Ostereiermarkt im Redou- Stiftung ist nach wie vor eine angemessene tensaal in Erlangen statt. Mehr als 30 und sozial vertretbare Verbesserung der internationale Aussteller zeigen alle Wohnungsversorgung und auf Nachhaltig- Techniken der Verzierung von Oster- keit ausgelegt. Der Wirkungskreis der Stif- eiern, zum Beispiel kratzen, bemalen tung hat sich mittlerweile vergrößert auf und filigran perforieren. Der Markt hat die Metropolregion Nürnberg sowie die samstags von 11.00 bis 18.00 Uhr und Ballungsräume Regensburg und Dresden. u sonntags von 10.00 bis 17.00 Uhr ge- www.75-jahre.joseph-stiftung.de öffnet. Infotelefon 0175 3736686. u ostereiermarkt-im-redoutensaal-in-erlangen.de Sicherheit für zu Hause: der Johanniter-Hausnotruf Auch ein Hausnotruf kann eine sinnvolle Bis ins hohe Alter ein ak- Unterstützung sein, die ohne großen Auf- tives und selbstständiges wand die Sicherheit in den eigenen vier Leben in der gewohnten Wänden erhöht.“ Bei anerkannter Pflege- häuslichen Umgebung zu bedürftigkeit ist eine volle Kostenüber- führen wünschen sich die nahme für die Basisleistungen möglich. meisten Menschen. Ein Auch ist der Hausnotruf von den Pflegekas- Hausnotruf kann dabei sen als Pflegehilfsmittel anerkannt und unterstützen. Renate Hammer, Hausnotruf- stellt eine haushaltsnahe Dienstleistung Expertin in Nürnberg und Erlangen, gibt dar. Die Kosten für einen Hausnotruf kön- Tipps, wann eine Unterstützung durch den nen daher teilweise von der Steuer abge- Hausnotruf sinnvoll sein kann: „Oft ist erst setzt werden. Informationen gibt es unter ein Sturz der Anlass, über Hilfsmittel wie der gebührenfreien Servicenummer 0800 einen Rollator oder einen zusätzlichen 3233800 oder im Internet. u Griff am Wannenrand nachzudenken. www.johanniter.de/hausnotruf-testen HERBSTZEITLOSE 7
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN Motorrad-Fans höherschlagen. u Foto: Museum Industriekultur in Nürnberg https://go.nuernberg.de/zuendapp-geburtstag Sensibilisierungsangebot zu „Menschen mit Behinderung“ Das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. (ZSL) hat für Schulen, Un- ternehmen, Institutionen und sonstige In- teressierte in Erlangen und Umgebung ein 100 Jahre Zündapp Z22 – Angebot neu konzipiert, das über Fragen Online-Ausstellung rund um das Thema Behinderungen auf- Zum 100sten Geburtstag der legendären klärt. „Perspektivwechsel“ nennt sich die Zündapp Z22, des „Motorrads für Jeder- Kampagne, die von Christine Sigwart vom mann“, veröffentlicht das Museum Indus- Bereich „Beratung.Bildung.Begegung.“ triekultur in Nürnberg eine neue Online- und Ina Fischer, Leiterin des Projekts Ausstellung auf dem Kulturportal Google „Kommune Inklusiv“ Erlangen, ins Leben Arts & Culture. Mit vielen sehenswerten gerufen wurde, um die langjährigen Erfah- Bildern und informativen Texten erlaubt rungen des ZSL in der Aufklärungs- und die digitale Präsentation eine anregende Sensibilisierungsarbeit zu behinderungsbe- Zeitreise zu den Anfängen der Motorrad- zogenen Themen in ein neues, zeitgemä- produktion der Marke Zündapp in Nürn- ßes und attraktives Konzept zu überfüh- berg. Die Ausstellung thematisiert die an- ren. In Form von Workshops, Selbsterfah- fängliche Herstellung der Z22 in Handar- rungs- und Simulationsübungen oder in- beit und die spätere Fließbandproduktion, teressant gestalteten Vorträgen klären die die ersten Einsätze bei Rennen und Zuver- beiden in enger Zusammenarbeit mit wei- lässigkeitsfahrten, aber auch die in Design teren Betroffenen über ein Thema auf, das und Ästhetik den Zeitgeist treffende Wer- immer noch viel zu häufig als unwichtige bung von Zündapp und die sich entwi- Nebensache eingeordnet wird. Es geht ckelnden Liebhaber-Clubs. Historische Bil- darum, Vorurteilen entgegenzuwirken, der aus der Frühzeit lassen das Herz des häufige Irrtümer über Inklusion zu korri-
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN gieren und Einblick zu gewähren, was ein beispielsweise Notrufe absetzen oder Infor- Leben mit Behinderung im Alltag heißt. mationen erhalten kann. Das Faltblatt ist Ebenso wichtig ist den beiden zu zeigen, im Rathaus sowie in weiteren städtischen inwiefern jeder von einer inklusiveren Ge- Einrichtungen wie der Stadtbibliothek sellschaft profitiert. Das Team ist zudem oder der Volkshochschule erhältlich. äußerst flexibel, wenn der inhaltliche Neben dem Flyer hat die Stadt Erlangen Fokus verändert werden sollte – eine indi- auch eine umfangreiche Informationsseite viduelle Schwerpunktsetzung nach den im Internet zusammengestellt, auch in Wünschen der Interessenten ist kein Pro- mehreren Fremdsprachen. u blem. Das Angebot kann auch für eine On- www.erlangen.de/stromausfall line-Veranstaltung stattfinden. u www.zsl-erlangen.de Herbergen gesucht Viele Gäste suchen für den Kirchentag Faltblatt informiert: Was tun bei 2023 in Nürnberg private Quartiere. Über einem längeren Stromausfall? die Plattform unterkunft-kirchentag.de Das deutsche Stromnetz gilt als sehr stabil. können Menschen in Nürnberg und Um- Stromausfälle kommen vergleichsweise gebung Übernachtungsmöglichkeiten an- selten vor und betreffen meist nur be- bieten und sich direkt mit Suchenden ver- grenzte Gebiete. Dennoch zeigen verschie- netzen. Interessierte müssen keinen Hotel- dene Ereignisse auch: Kritische Infrastruk- standard bieten und können selbst ent- turen sind angreifbar. Ein örtlicher Stark- scheiden, wen sie aufnehmen möchten. regen oder ein schwerer Sturm können Egal ob Wohnung, Zimmer, Bett, Luftmat- Stromausfälle auslösen. In Notsituationen ratze oder einfach etwas Platz für eine Iso- kann es Tage dauern, bis der Strom wieder matte auf dem Fußboden – Kirchentags- verfügbar ist. Dann ist die private Vorsorge gäste freuen sich über jede Art der Unter- wichtig. In einem Infoflyer hat die Stadt kunft. Über die Unterkunftsplattform gibt Erlangen wichtige Informationen zur Vor- es viele Möglichkeiten zur Auskunft und sorge zusammengestellt. Der Flyer enthält zum gegenseitigen Kennenlernen vor dem auch eine Übersichtskarte mit Anlaufstel- Kirchentag. u len, wo man während eines Stromausfalls kirchentag.de/unterkunft
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN Künftig auch barrierefreie adt und der Stadt Erlangen ziert. Über 60 E-Ladestationen Direktvermarkter aus der Region präsentie- Im Zuge der Förderung von nachhaltiger ren darin auf 32 Seiten ihr Angebot. Und Elektromobilität planen die Erlanger Stadt- damit meinen sie nicht nur Eier, Milch, werke (ESTW) und die Stadt Erlangen auch Nudeln oder Brennholz: Auf den Erlebnis- in diesem Jahr elf zusätzliche Ladestatio- bauernhöfen in Landkreis und Stadt sehen nen mit insgesamt 22 Ladepunkten zu er- Interessierte die Ware auch schon mal, richten. Elektro-Ladestationen spielen eine bevor sie in den Laden kommt, können zentrale Rolle, wenn nachhaltige Mobilität bei anderen Direktvermarktern eine Milch- gefördert werden soll. Sie sind Teil der öf- tankstelle ausprobieren oder mit der Fami- fentlichen Infrastruktur, welche auch für lie eine Kutschfahrt machen. Interessierte Menschen mit Behinderung nutzbar sein können die kostenlose Broschüre im Land- muss. Bisher sind rollstuhlnutzende oder ratsamt Erlangen-Höchstadt in Erlangen, mobilitätseingeschränkte Autofahrer an in der Dienststelle Höchstadt und im Er- Elektrotankstellen häufig mit zahlreichen langer Rathaus mitnehmen. Sie ist auch im Barrieren konfrontiert: Die Parkplätze sind Internet verfügbar. u zu eng, die Säulen sind schwer oder gar www.erlangen-hoechstadt.de nicht erreichbar oder die Displays sind zu www.erlangen.de hoch angebracht. Zu einem Großteil sind die Ladestationen für Menschen mit Be- Masken im Verbandskasten hinderung sogar gar nicht nutzbar. Die Bereits 2022 wurde die DIN-Norm für den Stadt und die ESTW wollen hier Abhilfe Verbandskasten, der im Auto Vorschrift ist, schaffen und zukünftig auch barrierefreie angepasst. Demnach muss dieser mit zwei Ladestationen errichten. u medizinischen Gesichtsmasken ausgestat- tet sein, um sich im Notfall vor einer In- Nachhaltig regional einkaufen fektion zu schützen. In diesem Fall sind „Frisch vom Hof!“ steht in schwungvollen OP-Masken ausreichend, FFP2-Maske sind Lettern auf dem Holzschild, welches das nicht notwendig. Es muss auch kein neuer Titelbild der neuen Direktvermarkterbro- Verbandskasten gekauft werden: Vorausge- schüre des Landkreises Erlangen-Höchst- setzt dieser ist nicht abgelaufen, können
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN einfach zwei Masken hinzugelegt werden. nerdeutschen Verbindungen. Aus dem Zu- Wer noch ohne Gesichtsmasken erwischt sammenschluss vom NFD mit der Dort- wird, muss mit einem Verwarngeld in munder Reise- und Industrieflug (RFG) Höhe von fünf Euro wegen unvollständi- ging am 1. Februar 1993 die heutige Euro- gem Verbandskasten rechnen. u wings hervor. Der Name „Eurowings“ stammte von einem Mitarbeiter, der einen Ideenwettbewerb für sich entschied und dafür damals 500 Deutsche Mark erhielt. Das im Zuge der Gründung eingeführte Logo gestalteten Studierende der Nürnber- Foto: Airport Nürnberg ger Kunstakademie. Eine Zeit musste Eurowings noch unter den Flugnummern von NFD und RFG flie- gen, denn der von Eurowings benötigte Code war von der internationalen Luft- Flughafen gratuliert zum fahrtorganisation IATA noch nicht freige- 30-jährigen Jubiläum geben. Der erste Flug mit der Nummer Es war Mitte der 1970er Jahre, als der EW733 führte 1994 von Nürnberg nach Nürnberger Textilunternehmer Hans Ru- Paris. 2001 kam es zur Beteiligung der Luft- dolf Wöhrl den Nürnberger Flugdienst hansa Group. Heute kombiniert die Luft- (NFD) gründete und damit den Grund- hansa-Tochter preiswertes und flexibles stein für das spätere Unternehmen Euro- Fliegen mit innovativen und kunden- wings legte. Bis weit in die 80er Jahre hi- freundlichen Services. Im Fokus: mehr Fle- nein prägten die Propellerflugzeuge vom xibilität, bezahlbarer Komfort und Nach- Typ ATR 72 mit den orange-roten Streifen haltigkeit. Zur Eurowings Flotte gehören das Vorfeld des Airport Nürnberg und sorg- jetzt mehr als 100 Flugzeuge, über 140 ten für einen enormen Schub im Regional- Ziele in über 50 Ländern stehen auf dem reiseverkehr. Obwohl schon im Grün- Flugplan. Von Nürnberg aus wird u.a. Mal- dungsjahr 32 Ziele in elf Ländern angeflo- lorca angesteuert – die liebste Insel der Me- gen wurden, lag der Schwerpunkt auf in- tropolregion Nürnberg. u HERBSTZEITLOSE 11
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN dert, die das Miteinander von Menschen mit und ohne Demenz in den Blick neh- Foto: Bayer. Gesundheitsministerium men.“ Klaus Holetschek weiter: „Rund zwei Drittel der Menschen mit Demenz leben zu Hause und werden von naheste- henden An- und Zugehörigen betreut. Für die Lebensqualität der Betroffenen sind eine demenzsensible Gestaltung des Le- bensortes sowie die Akzeptanz und Solida- Bayerischer Demenzfonds rität vor Ort entscheidend. Die zusätzliche wird ausgeweitet Förderung soll demenzsensible Kommu- Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister nen unterstützen und Impulse zu Weiter- Klaus Holetschek will die Situation von entwicklungen geben. Entsprechende Pro- Menschen mit Demenz in Bayern weiter gramme von demenzsensiblen Kommu- verbessern: „Menschen mit Demenz sollen nen können mit bis zu 20.000 Euro über ein Leben mitten in unserer Gesellschaft längstens 18 Monate gefördert werden.“ führen können. Deshalb setze ich mich Darüber hinaus wird bei der bereits be- dafür ein, dass die Teilhabemöglichkeiten stehenden Fördersäule der Teilhabeange- für diese Personengruppe in Bayern weiter bote der Bewilligungszeitraum verlängert ausgebaut werden. Um noch mehr für und die maximale Fördersumme von Menschen mit Demenz und ihre An- und 10.000 auf 15.000 Euro angehoben. u Zugehörigen zu erreichen, bauen wir die Fördermöglichkeiten im Rahmen des „Rentenplus nur ein Tropfen Bayerischen Demenzfonds deutlich aus.“ auf den heißen Stein“ Seit 2020 fördert der Bayerische Demenz- Die Renten sind im vergangenen Jahr so fonds Ansätze, die Menschen mit Demenz stark gestiegen wie seit Jahren nicht mehr. und ihren An- und Zugehörigen eine ge- Laut Statistik der Deutschen Rentenversi- sellschaftliche Teilhabe ermöglichen. So cherung hätten Rentner seit Juli 2022 im wurden beispielsweise Museumsführun- Schnitt 63 Euro netto mehr erhalten. Die gen, Chöre oder Bewegungsgruppen geför- Durchschnittsrente sei demnach von 12 HERBSTZEITLOSE
KURZ & KNAPP: MELDUNGEN 1.089 auf 1.152 Euro gestiegen. Dazu sagt lel zu den Spielenachmittagen jeden Sonn- VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Der VdK tag von 14.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Der sieht angesichts der steigenden Preise die Eintritt ist frei. Ende 2021 hat das Deut- Erhöhung um 63 Euro netto als Tropfen sche Spielearchiv Nürnberg im Haus des auf den heißen Stein. Viele Rentner besit- Spiels eine bedeutende Privatsammlung zen Öl- und Gasheizungen und haben mit übernommen: Etwa 5.000 Gesellschafts- steigenden Energiekosten zu kämpfen. spiele, vorrangig aus dem 19. und frühen Zudem sind Lebensmittel immer teurer ge- 20. Jahrhundert, umfasst die Spielesamm- worden.“ Deshalb fordert der VdK für lung des Detmolder Sammlers Dieter Men- Rentner mit geringen Alterseinkünften senkamp. kurzfristig zusätzlich Einmalzahlungen. Um den einmaligen Sammlungsschatz „Es ist zutiefst ungerecht, dass jenen, die einerseits zu schützen und andererseits Grundsicherung im Alter beziehen, die ge- weitere Teile sichtbar zu machen, wurden setzliche Rente vollständig angerechnet die Vitrinen nun mit neuen Objekten be- wird. Rentner, die unterhalb des Existenz- stückt. Zu sehen sind jetzt Spiele rund um minimums leben, müssen aber mehr in das Thema Mobilität zum Anfang des 20. der Tasche haben als jene, die nie in die Jahrhunderts – einer Zeit der gesellschaft- Rentenversicherung eingezahlt haben“, so lichen Umbrüche: Die Industrialisierung Verena Bentele. u und der technologische Fortschritt verlei- hen immer mehr Menschen immer mehr Neue Spiele aus der Sammlung Möglichkeiten. Freizeit gibt es nicht mehr Mensenkamp zu sehen nur an Feiertagen, individuelle Mobilität Das Haus des Spiels in Nürnberg zeigt in wird greifbar für die Massen, die Ferne einer zweiten kleinen Kabinettausstellung scheint so nah wie nie. Die besonderen weitere Spieleschätze aus der bedeutenden Stücke der ersten Präsentation mit Hinter- Sammlung Mensenkamp. Die Präsentation gründen zur Sammlung und zum Sammler „Rücke vor und überhole: Mobilität in sind weiterhin als Online-Ausstellung ver- Spielen des frühen 20. Jahrhunderts“ ist fügbar. Abrufbar ist diese auf der Webseite bis Jahresende im Spielesaal des Pellerhau- „Die Sammlung Mensenkamp“. u ses, Egidienplatz 23, zu sehen. Sie ist paral- http://go.nuernberg.de/0d23fa26 HERBSTZEITLOSE 13
TITEL „Niemand gehört mit Eintritt ins Rentenalter per se zum alten Eisen“ Die „Rentnercops“ Bill Mockridge und Hartmut Volle im Herbstzeitlose-Interview I n 12 neuen Folgen gehen die Schau- als „Rentnercops“ im Ersten. Auf was dür- spieler Bill Mockridge und Hartmut fen sich die Zuschauer in den 12 neuen Volle wieder als „Rentnercops“ auf Ver- Folgen freuen? brecherjagd im Ersten. Im Herbstzeitlose- Hartmut Volle: Es wird wieder viel los sein Interview geben die beiden Hauptdarstel- bei uns im Kommissariat 12 in Köln, denn ler unter anderem einen Einblick in ihr die Unterwelt in der Domstadt gibt natür- (Serien-)Leben als Kommissare Reinhard lich auch im neuen Jahr keine Ruhe. Die Bielefelder und Klaus Schmitz. Sie verraten Fälle, in denen wir ermitteln, führen uns ihre Tipps, um auch im Alter fit zu sein unter anderem ins Fitnesscenter, in die und was für sie den Reiz an der Serie und Welt der Rheinschifffahrt und auf den an ihren Rollen ausmacht. Campingplatz, weil meine Wenigkeit alias Klaus Schmitz zu Hause alles kaputt reno- HZL: Lieber Herr Mockridge, lieber Herr viert hat und die Schmitzens flüchten Volle, endlich geht es wieder los: Seit müssen. In einem Fall geht es um Hor- Mitte Februar ermitteln Sie beide wieder mone, eine insofern sehr witzige Folge, weil wir beide ja selbst Opfer unserer Hormon- umstellung sind (lacht). Und wir landen in einem Gourmetres- taurant, in dem es kei- nen Grund für Gau- menfreuden gibt. Bill Mockridge: Statt Ruhestand, Rentnerda- sein und Rosenzüchten steht für uns also wie- der Mord, Erpressung und Totschlag und neuerdings auch Fit- ness auf dem Pro- 14 HERBSTZEITLOSE
TITEL schlecht abgeschlossen. Selbst die Kollegen in Leverkusen waren besser. Da muss sich natürlich etwas ändern. Leider sind da auch wir gefordert (lacht). Sie gehen seit 2021 als Kommissare Rein- Foto: ARD/Martin Valentin Menke hard Bielefelder (Bill Mockridge) und Klaus Schmitz (Hartmut Volle) gemeinsam auf Verbrecherjagd. Was macht für Sie den Reiz an der Serie und an Ihren Rollen aus? Bill Mockridge: Der Reiz liegt für mich ganz klar darin, gemeinsam mit Hartmut vor der Kamera zu stehen und im Zusam- gramm. Denn bei uns auf dem Revier gibt menspiel dieser so ganz unterschiedlichen es Ärger, weil unser Polizeipräsident Plo- und gegensätzlichen Figuren. Jeder von cher ein schlechtes Zeugnis ausgestellt be- beiden geht anders an die einzelnen Fälle kommt. Sein Revier hat bei der der körper- und überhaupt an das Leben heran und lichen und mentalen Fitness aller NRW-Be- doch ergänzen sie sich bei der Aufklärung amten im polizeilichen Dienst sehr von Verbrechen perfekt. Das macht Spaß, HERBSTZEITLOSE 15
TITEL ist großartig und holt sicherlich auch die Bill Mockridge: Als Hartmut und ich die Zuschauer gut ab, weil sich die einen mehr Rollen von unseren großartigen Kollegen in Reinhard Bielefelder und die anderen übernommen haben, war uns klar, dass mehr in Klaus Schmitz wiederfinden. wir moderne ältere Kommissare sein wol- Überhaupt: Wenn eine Serie Humor, Span- len, die wissen, wie man mit einem nung und Herz zusammenbringt, ist doch Smartphone umgeht und nicht Dinge viel gewonnen. sagen, wie „ach, jetzt habe ich doch glatt das Internet gelöscht“. Uns ist es wichtig, Hartmut Volle: Dem ist eigentlich nichts ein positives und auch realistisches Bild hinzuzufügen (lacht). Es ist doch vollkom- von Menschen, die vielleicht Ende 60 oder men klar: Anders als in vielen anderen Mitte 70 sind, zu transportieren. Unsere Vorabendkrimis stürzen bei uns nicht Botschaft lautet: Ältere Menschen sind toll schon um kurz vor halb acht voller Dra- und wertvoll für die Gesellschaft und nie- matik Menschen aus Fenstern. Da will mand gehört mit Eintritt ins Rentenalter man doch lieber zwei ältere Herrschaften per se zum „alten Eisen“. sehen, die viel Humor haben, sich selbst nicht zu ernst nehmen und sich dabei Hartmut Volle: Das ist ein ganz wesentli- über die Welt mokieren, wenn man gerade cher Aspekt, den Bill gerade genannt hat. sein Abendessen zubereitet. Denn uns schauen überraschenderweise auch viele jüngere Leute. Ich denke, in einer Zeit, in der doch sehr vieles leider nur noch auf Effizienz und Wirtschaftlich- keit getrimmt ist, machen zwei ältere Her- ren, die zwar schon deutliche Gebrauchs- spuren aufweisen, aber längst noch kein Fall für das Pflegeheim sind, Mut. Denn wir zeigen, dass man im Alter vielleicht nicht mehr ganz so schnell laufen kann, aber trotzdem noch etwas zu sagen hat. Sie haben Ihre beiden Vorgänger ange- sprochen: Mussten Sie lange überlegen, als das Angebot kam, in die Fußstapfen von Tilo Prückner und Wolfgang Winkler bzw. Peter Lerchbaumer zu treten? Hartmut Volle: Nein, ganz und gar nicht. Um ehrlich zu sein habe ich erstmal gar nicht daran geglaubt, dass ich die Rolle be- komme, als ich zum Casting gefahren bin. Denn die Konkurrenz bei uns im Beruf ist unglaublich groß. Aber als Bill und ich dann zusammen ausprobiert wurden, 16 HERBSTZEITLOSE
TITEL haben wir beide sofort gemerkt, dass es gut mich. Es ist ein bisschen wie Urlaub: Ich läuft zwischen uns. Wir kannten uns vor- steige in eine andere Person und freue mich her kaum und trotzdem gab es direkt eine darauf, den grantelnden Einzelgänger geben Verbindung. In der Schauspielerei ist es zu dürfen, der ich im normalen Leben als das A und O, dass man miteinander spielt fröhlicher Familienmensch ja so gar nicht und nicht jeder für sich. Das haben schein- bin. Gerade weil Reinhard Bielefelder und bar nicht nur wir sofort bemerkt, sondern ich uns doch eher fremd sind, war ich zu Be- auch die Produzenten (lacht). ginn auch gar nicht sicher, ob ich das gut spielen kann. Aber ich habe sehr viel Spaß Bill Mockridge: Was soll ich da noch daran und hoffe, dass man das merkt. sagen? Außer: Natürlich macht man das, keine Frage. Dieselbe Frage natürlich auch an Sie, Herr Volle: Wieviel Hartmut Volle steckt in Wieviel Bill Mockridge steckt in Kommis- Klaus Schmitz und wieviel der Serienfigur sar Reinhard Bielefelder und wieviel der in Ihnen selbst? Serienfigur in Ihnen selbst? Hartmut Volle: Was Bill sagt, trifft es auf den Bill Mockridge: Nun ja, Kommissar Bielefel- Punkt. Genau das macht doch auch den der hat tatsächlich relativ wenig mit mir ge- Reiz an unserem Beruf aus. Für einen Schau- meinsam und ist eine fremde Figur für spieler ist es immer spannender, das Gegen- HERBSTZEITLOSE 17
TITEL Klaus Schmitz. Ich habe selbst Hausbeset- Die Serie „Rentnercops“ läuft immer zungen mitgemacht, war mit 30 Jahren mittwochs um 18.50 Uhr in 12 neuen noch auf der Suche nach meiner Berufung Folgen im Ersten. Für die „Rentnercops“, und habe die gesellschaftlichen Konventio- Reinhard Bielefelder (Bill Mockridge) nen sicherlich nicht so bedient, wie es der und Klaus Schmitz (Hartmut Volle) geht doch eher spießige Klaus Schmitz macht. es rasant los im Kommissariat 12 in Köln: In der Kajüte der M.S. Seestern Wir haben zu Beginn unseres Gesprächs liegt ein toter Matrose und „Frankie“ bereits über die mangelnde Fitness im Schoppe (Eko Fresh), vorbestraft wegen Kommissariat 12 gesprochen, die in der Drogengeschäften, rast im roten Mus- neuen Staffel auch ein Thema ist. Was tang davon. Dann geht die Meldung würden Bill Mockridge und Hartmut Volle ein, dass in „Bernd‘s Bodybuilding“-Stu- Reinhard Bielefelder und Klaus Schmitz dio der Star der Szene, der „Titan“ tot im raten, um auch im Alter fit zu bleiben? Solarium liegt. Apropos Fitness: Polizei- Bill Mockridge: Vor rund zehn Jahren habe präsident Plocher (Michael Prelle) be- ich genau zu diesem Thema ein Buch ge- kommt ein schlechtes Zeugnis ausge- schrieben und darin meine fünf „L“s er- stellt. Sein Revier hat bei der der körper- klärt: Laufen, laben, lieben, lachen und lichen und mentalen Fitness aller NRW- lernen. Diese fünf Aspekte beherzige ich Beamten im polizeilichen Dienst sehr jeden Tag. Ich halte mich körperlich fit, schlecht abgeschlossen. Selbst die Kolle- esse zwar weniger als früher, aber genuss- gen in Leverkusen waren besser. Er for- voller und besser. Ich bin seit 1983 mit dert nun von Dezernatsleiterin Vicky meiner wundervollen Frau verheiratet, die Adam (Katja Danowski) ihre Truppe fit ich über alles liebe und wir sagen uns das zu machen. Wie soll sie das ihren „Rent- auch jeden Tag. Lachen ist sowieso schon nercops“ erklären? immer Teil meines Lebens, ich stehe bis heute unglaublich gerne mit meinen Pro- teil von dem zu spielen, wie man selbst grammen auf der Bühne und lache ge- wirklich ist. Will sagen: Im Leben hätte ich meinsam mit meinem Publikum. Und ich eher Anteile von Bielefelder in mir als von mache jeden Tag etwas für die Birne.
TITEL Hartmut Volle: Bei mir ist es zwar nicht baum des Campingplatzes, er will abhauen ganz so strukturiert, wie bei Dir, Bill und als Vermächtnis für seine Frau nach (lacht), aber im Großen und Ganzen Frankreich, verspricht uns hoch und heilig handhabe ich das ähnlich. Allein unser danach wiederzukommen und sich zu stel- Beruf hat den unschätzbaren Vorteil, dass len. Und dann kommt Klaus und muss man sein Gehirn auch ohne irgendwelche ihm sagen, dass das so nicht geht. So etwas Kurse trainieren kann. Texte lernen, in geht einem natürlich unter die Haut. Rollen schlüpfen – immer wieder gefordert zu werden hält einfach fit. Für mich ist au- Hartmut Volle: Man sagt zu so etwas ßerdem der Genuss ein ganz wesentlicher immer, es sei sehr gefühlig. Aber ohne eine Punkt geworden. Diese Hetze, die mich solche Tiefe und menschliche Erschütte- über weite Strecken meines Lebens getrie- rungen lässt sich auch eine leichte Unter- ben hat, habe ich abgelegt. Es ist so wich- haltungsserie nicht spielen. Ich bin der tig, sich Inseln im Alltag zu schaffen, wo Meinung, dass es solche Momente ge- man neue Kraft schöpfen und Ideen ent- nauso braucht, wie unsere Blödeleien. Es wickeln kann. Bei mir ist das beispielsweise braucht beide Pole. Deshalb spielen wir die der Besuch in der Sauna. „Rentnercops“ so gerne. u Interview: Michael Kniess Bill Mockridge: Ich sage meinen Freunden immer, bitte fangt mindestens fünf Jahre bevor ihr in Rente geht an, Hobbies zu ent- wickeln, Freundeskreise aus- oder aufzu- bauen und eine erfüllende Aufgabe zu su- chen. Denn wir werden immer älter, mit dem Renteneintritt hat man vielleicht noch 30 Jahre oder mehr vor sich. Entspre- chend ist es wichtig, diese wertvolle Zeit auch sinnvoll zu nutzen. Kommen wir zum Schluss nochmal zurück zu den „Rentnercops“: Welche Szene oder welcher Moment der Dreharbeiten zur neuen Staffel ist Ihnen besonders in Erin- nerung geblieben? Bill Mockridge: Da fällt mir ganz spontan eine sehr bewegende Szene auf dem Cam- pingplatz ein: Ein Mann hat fast aus Ver- sehen einen Mord begangen. Seine Frau ist an Krebs verstorben und er hatte ihr ver- sprochen, noch einmal gemeinsam nach Frankreich zu reisen, was leider nichts mehr geworden ist. Wir stehen am Schlag-
AKTUELLES „Kultur endet bei uns nicht an der Tür des Konzertsaals“ Jürgen Putzer, neuer Marketing- und Vertriebsleiter für das Wohnstift Rathsberg und das Wohnstift am Tiergarten, im Herbstzeitlose-Interview Interview: Michael Kniess J ürgen Putzer ist Marketing- und Ver- Foto: Wohnstift Rathsberg/Wohnstift am Tiergarten triebsleiter für das Wohnstift Raths- berg in Erlangen und das Wohnstift am Tiergarten in Nürnberg. Im Herbstzeit- lose-Interview spricht er unter anderem über den Reiz an dieser Aufgabe, gibt einen Einblick in seine Planungen für 2023 und verrät, wie er als Franke dazu gekommen ist, zur See zu fahren. HZL: Lieber Herr Putzer, Sie sind seit 1. Au- gust 2022 als Marketing- und Vertriebslei- ter für das Wohnstift Rathsberg in Erlan- gen und das Wohnstift am Tiergarten in Nürnberg tätig. Was macht für Sie den Leben und viele weitere Möglichkeiten der Reiz an dieser neuen Aufgabe aus? Freizeitgestaltung, verbunden mit pflege- Jürgen Putzer: Gerade in der jetzigen Zeit rischer Betreuung und Unterstützung für ist meine neue Tätigkeit eine der span- ein möglichst unbeschwertes Leben, wenn nendsten Aufgaben, die ich mir vorstellen dies nötig ist. Denn eines ist auch klar: Der kann. Schließlich haben wir sehr viele Wunsch, sich vom eigenen Zuhause zu Themen auf der Agenda und müssen uns trennen und in eine Einrichtung, wie un- mit einer Vielzahl an Fragen beschäftigen. sere Wohnstifte zu ziehen, kommt immer Die Menschen werden immer älter, blei- später. Hier mitgestalten zu dürfen, ist ben immer länger fit und gesund und wol- spannend und reizvoll zugleich. Zumal len ihr Leben auch im Alter aktiv genie- mir das Soziale ohnehin alles andere als ßen. Damit sind wir als Premium Wohn- fremd ist, weil meine Frau bereits seit 20 stifte mehr denn je gefordert, den Men- Jahren im diakonischen Bereich arbeitet schen dafür die passenden Angebote zu und dieses Thema damit bei uns daheim bieten: ein breit gefächertes kulturelles immer präsent ist. 20 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES Wie wollen Sie diese Herausforderungen dere Seite, die mich umtreibt: Auch wir be- angehen und Ihre neue Aufgabe ausfüllen? kommen den Personalmangel im Küchen- Auf der einen Seite geht es darum, ältere und Service-Bereich und in der Pflege Menschen in der Region für unsere beiden deutlich zu spüren. Im Vergleich sind wir Häuser zu begeistern. Dafür ist natürlich zwar immer noch gut aufgestellt, doch trotz aller Vorzüge, die unser Wohnstift auch wir können bei weitem nicht alle un- Rathsberg in Erlangen und unser Wohn- sere offenen Stellen besetzen. Eine unserer stift am Tiergarten in Nürnberg sicherlich Aufgaben ist es, auch in diesem Bereich haben, mitunter einiges an Überzeugungs- noch deutlicher die Vorteile und besseren arbeit und guten Argumenten nötig. Denn Rahmenbedingungen hervorzuheben, die es fällt zweifelsohne niemandem leicht, wir zu bieten haben. aus einem womöglich 200 Quadratmeter großen Haus, in dem man sein ganzes Sie waren viele Jahre in der Modebranche, Leben verbracht hat, in ein 2- oder 3-Zim- haben unter anderem das Marketing bei mer-Appartement zu ziehen. Dafür wollen Création Gross oder bei Escada verant- wir unsere Marke als Premium Wohnstift wortet. Welche Erfahrungen aus diesem zum Wohlfühlen, wo Wohnen im Grünen Bereich können Sie jetzt besonders ge- mit Stil, Genuss und Kultur täglich gelebt winnbringend einsetzen? wird, weiter ausbauen. Mir gefällt dafür das Bild von einem Werk- Denn die Kultur endet bei uns nicht an zeugkasten. Einen solchen Werkzeugkas- der Tür des Konzertsaals. Kultur zieht sich ten habe ich jetzt schon seit mehr als 30 als Credo durch unser ganzes Haus und Jahren bei mir und immer wieder kom- wird auf allen Ebenen im Alltag gelebt – men neue Werkzeuge hinzu. Wenn man egal ob in Erlangen oder in Nürnberg. Wir mit diesem Werkzeugkasten auf eine neue zelebrieren Esskultur in unseren Restau- Baustelle kommt, hat man stets einen brei- rants und Cafés, bieten Wohnkultur in un- ten Fundus dabei, aus dem man schöpfen seren Appartements und stehen auch für und aus dem man für die jeweiligen Erfor- eine wertschätzende Arbeitskultur. Bei uns dernisse und Gegebenheiten die passen- sollen sich schließlich auch alle Mitarbei- den Tools herausholen kann. Das wich- tenden wohlfühlen. Denn das ist die an- tigste Werkzeug, das im Marketing immer HERBSTZEITLOSE 21
AKTUELLES gebraucht wird, ist das Credo: Es muss munikation auf AIDA-Kreuzfahrtschiffen nicht mir gefallen, sondern meinen Kun- tätig. Wie kommt man als Franke, der in den. Genau diese Perspektive wollen wir in Hersbruck daheim ist, überhaupt dazu, zur unseren beiden Wohnstiften noch mehr See zu fahren? verinnerlichen: Wir sind Dienstleister und Letztlich war es mein Sohn, der damit um unsere Bewohner sind unsere Kunden. Wir die Ecke gekommen ist (lacht): „Papa, bei müssen uns immer und bei allem fragen: AIDA suchen die jemanden, der sowas Ist es gut und interessant für unsere Be- macht, wie du.“ Man muss wissen, dass wohner? Nur mit dieser Sicht schaffen wir jedes Schiff praktisch eine eigene Werbe- schöne Momente und Erlebnisse für un- agentur an Bord hat. Ich habe nicht lange sere Bewohner, damit sie sich zu Hause darüber nachgedacht und die Chance ein- fühlen. Ich war lange Zeit auch auf Agen- fach am Schopfe gepackt. Also bin ich turseite im Marketing tätig und bin es da- mehrere Monate durch das Mittelmeer durch gewohnt, mich immer wieder und die Karibik und einige Wochen rund schnell neu einzudenken und auf Neues um England geschippert, bis das Angebot einzulassen. All das kommt mir sicherlich aus der Heimat kam, zu dem ich natürlich jetzt zugute. nicht „Nein“ sagen konnte. Aber mit Men- schen aus 40 Nationen zusammenzuarbei- Zuletzt waren Sie als Manager Bordkom- ten, dabei die Welt zu bereisen – das war
AKTUELLES schon eine unglaublich tolle und sehr be- operation mit Segmüller haben wir sowohl reichernde Erfahrung für mein Leben, die in Erlangen als auch in Nürnberg Muster- ich keinesfalls missen möchte. Das Ende appartements eingerichtet, damit sich In- vom Lied ist übrigens, dass mein Sohn teressenten besser vorstellen können, wie heute bei AIDA in Rostock Schiffsbetriebs- das Premiumwohnen bei uns aussehen technik studiert (lacht). kann. Im Mai wird es außerdem jeweils einen Tag der offenen Tür geben. In Erlan- Geben Sie uns zum Schluss doch bitte gen wird dieser am 6. Mai stattfinden. Neu noch einen kleinen Einblick in Ihre Planun- werden außerdem Themenwochen sein, in gen: Was haben Sie für das Jahr 2023 im denen wir Veranstaltungen nicht nur für Wohnstift Rathsberg in Erlangen und im sich stehen lassen, sondern diese im gan- Wohnstift am Tiergarten in Nürnberg auf zen Haus widerspiegeln lassen – angefan- der Agenda? gen von der Dekoration bis zur Kulinarik. Wir haben bereits damit begonnen, Inte- Wir haben darüber hinaus geplant, neue ressenten aktiver zu uns einzuladen, um Veranstaltungen ins Leben zu rufen – etwa unsere Häuser kennenzulernen. Dafür ver- zur Eröffnung der Richard-Wagner-Fest- anstalten wir regelmäßige Kennenlern- spiele oder einen jährlichen Galaabend für nachmittage mit Kaffee und Kuchen, ver- unsere Bewohner mit Sektempfang, Kon- knüpft mit einem Konzertbesuch. In Ko- zert und schönem Abendessen. u
AKTUELLES Ara ist Zootier des Jahres Tiergarten Nürnberg erfolgreich bei Zucht von bedrohten Hyazinth-Aras D er Ara ist seit das Zootier des Jahres 2023. Die Kampagne, die von der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e. V. (ZGAP) initiiert wird, setzt sich dieses Jahr intensiv für den Schutz der bedrohten Papageien ein. Mit seinen Hyazinth-Aras (Anodorhynchus hya- cinthinus), der weltweit größten Papageien- art, hält auch der Tiergarten Nürnberg eine gefährdete Ara-Art. Im Rahmen des Europäi- schen Zuchtprogramms EEP konnte der Tiergarten bereits viele Zuchterfolge erzie- len und damit einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Art leisten. ––––––––––––––– Foto: Tom Burger / Tiergarten Nürnberg Durch Lebensraumverlust und Wilderei stark bedroht ––––––––––––––– Der eindrucksvolle blaue Hyazinth-Ara ist die weltweit größte Papageienart. Hyazinth- Aras sind geschickte Kletterer und haben einen großen kräftigen Schnabel, mit dem sie sogar steinharte Nüsse knacken können. vieler Ara-Arten sind in den vergangenen Die Art kommt in den Regenwäldern Mit- Jahren deutlich eingebrochen. tel- und Südamerikas vor und wird von der Einer der Hauptgründe für den Rück- Weltnaturschutzunion (IUCN) aktuell als gang ist der Verlust ihres Lebensraums „gefährdet“ eingestuft. Dieses Schicksal tei- durch die Zunahme der besiedelten und len die Hyazinth-Aras mit vielen anderen landwirtschaftlichen Flächen. Die verblie- Großpapageien. Von den 19 bekannten benen Lebensräume sind mittlerweile so Ara-Arten sind mehr als die Hälfte gefähr- klein, dass einzelne Umweltereignisse eine det, von der Ausrottung bedroht oder wur- ganze Population oder sogar eine kom- den bereits ausgerottet. Die Wildbestände plette Art ausrotten könnten. Aras sind 24 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES auch durch Wilderei bedroht. Aufgrund die von rund 60 Zoos und anderen Ein- ihres beeindruckenden Gefieders und ihres richtungen im Rahmen des Europäischen intelligenten Wesens sind sie schon seit Zuchtprogramms EEP gehalten werden. langer Zeit als Ziervögel begehrt. Ihr Ver- „Wegen ihrer imposanten Erscheinung kauf verspricht hohe Einnahmen. Zusätz- und ihres strahlend blauen Gefieders sind lich werden die Papageien wegen ihrer Fe- Hyazinth-Aras bei vielen Zoobesuchern dern, zum Zeitvertreib oder als Ernteschäd- sehr beliebt. Sie eignen sich deshalb gut als linge gejagt. Botschafter für den Schutz der südameri- kanischen Regenwälder“, so Lorenzo von ––––––––––––––– Fersen, Kurator für Forschung und Arten- Zuchterfolge bei den Hyazinth- schutz beim Tiergarten Nürnberg. „Gerade Aras: 20 Jungtiere seit 2001 bei gefährdeten Tierarten ist eine stabile ––––––––––––––– Reservepopulation in Zoos entscheidend, um das Überleben der Art zu sichern. Die Der Tiergarten Nürnberg hält Hyazinth- koordinierte und gezielte Zucht wird des- Aras bereits seit 1996. Seit 2001 wird in halb auch für die Hyazinth-Aras immer Nürnberg im Rahmen des Europäischen wichtiger. Wir sind froh, dass wir mit un- Zuchtprogramms EEP erfolgreich gezüch- seren Zuchterfolgen in Nürnberg einen tet. Ziel der Zuchtprogramme ist es, ge- Beitrag dazu leisten können.“ sunde und stabile Populationen gefährdeter Als Zootier des Jahres 2023 sollen die Arten außerhalb ihres natürlichen Lebens- Hyazinth-Aras und ihre Verwandten nun raums zu erhalten. Insgesamt sind im Tier- ein Jahr lang im Rampenlicht stehen. „Zu- garten in den letzten 22 Jahren 25 Küken sammen mit der Unterstützung unserer geschlüpft, von denen 17 aufgezogen wur- Kampagnenpartner und der Zoogemein- den. Das erste Paar hat sieben Jungvögel schaft wollen wir Lobbyarbeit für diese be- aufgezogen. Nach dessen Tod (2007 und sonderen Papageien betreiben und ganz 2009) hat der Tiergarten mit dem letzten in konkret Artenschutzprojekte vor Ort un- Nürnberg geschlüpften Männchen und terstützen“, so Sven Hammer, erster stell- einem im Tierpark Berlin geschlüpften vertretender Vorsitzender der ZGAP. Weibchen ein neues Paar aufgebaut. Mit der Vorstellung des Zootiers 2023 Die beiden haben sich sofort gut ver- endet auch das Jahr des Zootiers 2022, standen und leben auch heute noch im dem Pustelschwein. Passend dazu hat der Tiergarten. Seit 2015 gab es jedes Jahr Tiergarten im Sommer letzten Jahres Vi- Nachwuchs, das letzte Mal im Mai 2022. sayas-Pustelschweine (Sus cebifrons) als Die in Nürnberg aufgezogenen Hyazinth- neue Tierart in seinen Bestand aufgenom- Aras wurden an verschiedene Zoos welt- men. Die Artenschutzkampagne „Zootier weit abgegeben, wo sie wiederum für des Jahres“ wurde 2016 mit dem Ziel ins Nachwuchs sorgten. Aktuell hält der Tier- Leben gerufen, sich für stark gefährdete garten vier Hyazinth-Aras, drei Weibchen Tierarten einzusetzen, deren Bedrohung und ein Männchen. Ihre Voliere befindet bisher nicht oder kaum im Fokus der Öf- sich neben der Gorillaanlage. In Europa fentlichkeit steht. u leben derzeit mehr als 250 Hyazinth-Aras, www.tiergarten.nuernberg.de HERBSTZEITLOSE 25
AKTUELLES Ein ‚Du‘, das trennt Ein Zuruf von Peter Gertenbach „Meine Güte, mit welcher Bedeutung man- lichen Standpunkte zu dem Thema. Einig che Deutsche das ‚Sie‘ aufladen . . .“ Dieser waren sie sich nur in einem: in der absolu- eine gewisse Gereiztheit verratende Stoß- ten Ablehnung der Ansichten des anderen. seufzer eines jungen Journalisten eröffnete Mit geradezu französisch-revolutionä- kürzlich in einer bayerischen Tageszeitung rem Eifer setzte sich das Pro-Plädoyer für einen Pro&Contra-Leitartikel zu der in den ein generelles ‚Du‘ als allgemein verbindli- Medien seit einigen Jahren immer wieder che Anredeform ein. Konsequenter Ver- auftauchenden Frage: „Warum sagen wir zicht auf das Siezen könne beispielsweise nicht einfach alle ‚Du‘ zueinander?“ Der zi- dazu beitragen, berufliche Hierarchien oder tierte Redakteur und ein älterer Kollege äu- gesellschaftliche Distanzdünkel abzu- ßerten in dem Beitrag ihre völlig gegensätz- bauen. Vieles würde so viel leichter. Auch hingen Höflichkeit und die von der älteren Generation unausgesprochen eingefor- derte Respektsbezeugung nicht von der Form der Anrede ab, sondern vom Tun und vom Ton, mit dem sie erfolge. Nachvoll- ziehbare Argumente – und damit könnte es eigentlich gut sein, zumal wir uns derzeit mit ganz anderen, gewaltigeren Sorgen konfrontiert sehen als mit der Notwendig- keit, jedes ‚Sie‘ durch ein ‚Du‘ zu ersetzen. Dennoch macht es Sinn, selbst in der jet- zigen politischen Lage, den Streit um das ‚Du‘ kritisch zu betrachten. Was beim ers- ten Hinsehen wie eine Debatte um eine, unterm Strich, belanglose Thematik wirkt, entpuppt sich beim zweiten Blick als Mus- ter des aktuell grundlegendsten Problems unserer Demokratie: Es zeigt nämlich ein vielfach anzutreffendes tiefgreifendes Nicht-verstehen-können (oder -wollen) zwischen den Generationen und darüber hinaus auch zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen und 26 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES deren Eigeninteressen. Die daraus entste- henden Gräben verlaufen, anders als man voreilig annehmen könnte, aber keines- wegs nur zwischen Jungen und Alten. Das kürzlich erschienene Buch „Zwischen Wel- ten“ des Autorenduos Juli Zeh und Simon Urban beweist eindrücklich, dass das Pro- blem auch vor beziehungsweise zwischen „Middle-Agern“ nicht Halt macht. Der Roman kann deshalb als Warnung vor allzu schneller debattentypischer Verallge- meinerung gelesen werden. Vor allem aber darf man in ihm ein literarisches Mahn- mal sehen, das sich gegen ein verstörendes Sinnbild unserer Zeit wendet: das Unver- mögen, neben der eigenen Meinung an- dere Überzeugungen, Denkweisen oder Le- benszuschnitte gelten zu lassen. Alptraum der Demokraten Ganz neu ist dieses Phänomen freilich nicht. Nur die Dimension, die die Zerstö- rung der Gesprächskultur in immer mehr Lebensbereichen allmählich annimmt, kannte man noch vor Kurzem so nicht. Die sogenannte „woke“-Bewegung mit ihren im Kern berechtigten, später aber auch höchst fragwürdigen Forderungen an All- tagskultur, Literatur und Wissenschaft, hat daran unzweifelhaft maßgeblichen Anteil. Für eine ähnliche Polarisierung der Gesell- schaft sorgten zudem im Lauf des vergan- genen Jahrzehnts jene Versäumnisse und Fehler, die von politischer Seite bei der Auf- nahme hunderttausender von Kriegs- und Armutsflüchtlingen, beim Klimaschutz, bei der Pandemiebekämpfung, in der Energie- politik oder zuletzt bei der militärischen Unterstützung der Ukraine gemacht wur- den. Das fehlende Bemühen, einen ande- ren Standpunkt als den eigenen zu verste- hen, vergiftet seither schleichend, aber HERBSTZEITLOSE 27
AKTUELLES nachhaltig öffentlichen wie privaten Ge- zen etwas von einer Blaupause für ein im dankenaustausch. Es ist der Stoff, aus dem doppelten Wortsinn sprachlos machendes der Alptraum der Demokraten ist. Wenn Scheitern. Die Gesellschaft ist sozusagen die Einen nichts mehr mit der Welt der An- vom Diskurs abgekommen. Zu unversöhn- deren anfangen können und ihr miss- lich sind in diesem konkreten Fall die An- trauen, droht am Ende der Zerfall der Ge- sichten darüber, ob der Verzicht auf das sellschaft. Es wäre ein Sturz ins Bodenlose. traditionelle ‚Sie‘ legitim, ja wünschens- Würde man das gegenseitige Nicht-verste- wert ist, oder ob er als übergriffig und Ver- hen in Kisten packen, sie müssten die Auf- lust einer sinnvollen Möglichkeit empfun- schrift tragen „Vorsicht: Gefahrenstoff!“ den wird, im persönlichen Umgang mehr Natürlich bedroht das immer wieder oder weniger Distanz zu halten. Den Wert wie leichte Schauer über den Feuilletons des letztgenannten Gedankens hat die abregnende Für und Wider um das ‚Du‘ 1978 verstorbene lettische Dichterin Zenta und das ‚Sie‘ in keiner Weise den Zusam- Maurina einmal sehr trefflich in fünf Wor- menhalt unseres Staates. Insofern ist es ten auf den Punkt gebracht: „Freundschaft nicht im Entferntesten mit den angespro- ist Geborgenheit im du.“ chenen großen Konfliktthemen unserer Warum aber sträuben sich überhaupt Zeit zu vergleichen. Doch hat die Diskus- sehr, sehr viele, wenn nicht sogar die aller- sion um eine umfassende Abkehr vom Sie- meisten älteren Bürger gegen diese Form 28 HERBSTZEITLOSE
AKTUELLES angemaßter Vertraulichkeit durch ihnen Du“ und begegnet sich dank ihm auf Au- Unbekannte? Was macht zum Beispiel das genhöhe – jedenfalls theoretisch. Und an- ‚Du‘ eines jungen Bistrokellners, einer Ver- ders als im Hause Goethe, der seine Eltern kaufsberaterin im Möbelhaus oder selbst der Zeit gemäß noch siezte, ist das ‚Du‘ in eine sich jugendlich gebende Kundenan- der Familie heute unumstritten Usus. Sogar sprache in Werbeprospekten für die Gene- in den Führungsetagen der Wirtschaft, ration 50+ zu einem derartigen „Reizob- selbst im konservativen Bankengewerbe jekt“, während es unter jungen Leuten wie wird, wie es heißt, das „praktische“ Perso- selbstverständlich Verbundenheit schafft? nalpronomen immer populärer. Jüngeren Schätzungen zufolge lässt sich in rund Respektable Tradition einem Viertel der deutschen Unternehmen Immerhin hat das ‚Du‘ in der Neuzeit doch ein entsprechender Stilwandel beobachten. eine respektable Tradition, wenn auch stets Ein anderes ‚ weil ideologisch motivier- in klar umrissenen Zirkeln. Klassisch, das tes ‚Du‘ hielt Ende der 1960er-Jahre in seit dem 19. Jahrhundert in der Arbeiterbe- Deutschland Einzug. Es begleitete die wegung und in linken Parteien gepflegte mehr oder weniger revolutionäre Studen- ‚Du‘. Auch unter Vereinskameraden, Schul- tenbewegung auf dem von ihr ausgerufe- freunden, Bergsteigern und sowieso immer nen „langen Marsch durch die Institutio- öfter im Arbeitsleben ist man schnell „per nen“ und sickerte so Schritt für Schritt in HERBSTZEITLOSE 29
AKTUELLES die bundesdeutsche Nachkriegsgesell- chen Erbgut fest verankert. Nicht unwich- schaft ein. Dort traf es bei Vielen auf ein tig, aber doch nachrangig gegenüber die- erwachendes verändertes kulturelles und sem evolutionär bedingten Verhalten dürf- politisches Selbstverständnis. Doch der ten zivilisatorisch-kulturelle Erklärungsan- lange eingeübte Brauch des bürgerlich-kul- sätze sein. Der mutmaßlich im ,Du‘ verbor- tivierten Siezens unter Fremden beharrte – gene fehlende Respekt vor dem Alter, ge- jedenfalls bei den Menschen jenseits der wissermaßen vor „grauem Haar“ und der 30 – im Großen und Ganzen erfolgreich darin verkörperten Lebensleistung, ist frag- auf seine angestammten Rechten. los einer davon. Von einem jungen Men- Ob auch das „Genossen-Du“, mit dem schen „heruntergeduzt“ zu werden, wie die DDR-Machthaber ihrer Bevölkerung Der Spiegel es einmal nannte, ist schlicht- zumindest sprachlich das Bürgerliche aus- weg nicht nach jedermanns Geschmack, treiben wollten, zu dieser Hartleibigkeit schwingt dabei doch immer die besorgte beitrug? Die Gründe für eine weitgehende Verletzung eines menschenrechtlich ver- Ablehnung der in diesem Aufsatz ange- bürgten Anspruchs auf Selbstbestimmung sprochenen nichtstaatlichen „Zwangsbe- mit. Wen lasse ich in mein Haus, wen an duzung“ dürften tiefer liegen und vielfäl- mich heran? Wem schenke ich Vertrauen? tiger sein und über die älteren Menschen Die verbindliche Antwort steht ausschließ- gern nachgesagte Unlust, vom Bewährten lich jedem und jeder Einzelnen zu. zu lassen, hinausgehen. Was bedeutet das nun für die eingangs aufgeworfene Frage, ob wir uns alle künftig Historischer Epochenbruch duzen sollen? Eigentlich nur, dass es vorerst Vermutlich hat es zunächst einmal einen keine verbindliche Antwort geben kann, die simplen, guten biologischen Grund, dem sowohl die Pro- wie auch die Contra-Frak- überraschenden ,Du‘ eines Fremden mit tion gleichermaßen zufriedenstellt. Viel- Skepsis zu begegnen. Vorsicht, jedenfalls mehr ist die Dauerdebatte ums Duzen und Zurückhaltung gegenüber allem Unbe- Siezen ein zeitgenössischer Ausdruck für die kannten, war entwicklungsgeschichtlich Abkehr von gesellschaftlichen Werten und stets ein kluges, oftmals überlebenswichti- Verhaltensformen, die junge Leute für über- ges Gebot und ist als solches im menschli- kommen oder für unnötig erachten – eine
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