Rund um den Most - Land Oberösterreich
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Maria-Theresia Wirtl r Maria Dachs Rund um den Most Gelebte Mostkultur und Mostschänken in Oberösterreich
Maria-Theresia Wirtl r Maria Dachs Rund um den Most Gelebte Mostkultur und Mostschänken in Oberösterreich
Vorwort Mogst Most? Oberösterreich ist der Feinkostladen In den vergangenen Jahren hat der Österreichs. In unserem Bundesland gibt Most eine atemberaubende Entwicklung es eine Vielzahl kulinarischer Spezialitäten, hinter sich gebracht, vom einfachen deren Produktion oftmals von Generation Durstlöscher zum Qualitätsprodukt zu Generation weitergegeben wird. Die erster Güte – zahlreiche Prämierungen, Rohstoffe für diese heimischen Lebens- weit über unsere Landesgrenzen hinaus, mittel liefern die Bäuerinnen und Bauern, zeigen dies eindrucksvoll auf. In jedem die Ihre Produkte mit Sorgfalt und Liebe Schluck Most steckt somit ein Stück anbauen, verarbeiten und veredeln. Natur und in jedem Glas gleichsam ein Stück Heimat. Natürlicher Geschmack, Der Most ist eines dieser Naturprodukte, spürbare Qualität und gelebte Traditi- die in Oberösterreich eine lange Traditi- on – ein Produkt aus dem Herzen Ober- on haben. Seine Grundlage sind die auf österreichs. Streuobstwiesen ausgepflanzten Äpfel- und Birnbäume, welche ein prägendes „G’sundheit – sollst leb’n“ – so lautet Element unserer gepflegten Kulturland- der Trinkspruch der Most trinkenden schaft sind. Sie stehen für Tradition, Genießer – und das bereits seit vielen ein besonderes Naturerlebnis und sind Generationen, „G’sundheit – sollst mittlerweile zu einem bedeutenden leb’n“ – das wünschen wir allen, die länderübergreifenden Tourismusfaktor unseren Oberösterreichischen Most geworden. genießen. © 2013 by TRAUNER Verlag + Buchservice GmbH, Köglstraße 14, 4020 Linz 1. Auflage 2013 Projektleitung: Mag. Maria-Theresia Wirtl (Land Oberösterreich, Abt. Land- und Forstwirtschaft, Stabstelle Genussland Oberösterreich) und Mag. Maria Dachs (Landwirtschaftskammer Oberöster- reich, Abt. Ernährung und Direktvermarktung) Lektorat: Karin Schuhmann, TRAUNER Verlag Layout und Gestaltung: Klara Beker, TRAUNER Verlag Umschlagbilder: OÖ Tourismus/Röbl Herstellung: TRAUNER Druck GmbH & Co KG, Linz Dr. Josef Pühringer Max Hiegelsberger ISBN 978-3-99033-175-0 Landeshauptmann Agrar-Landesrat
Rund um den Most Inhalt Unsere Inhalt Mostschädl-Temperamente Mogst Most? (Vorwort von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer und Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger) 3 Hans Gessl Unsere Mostschädl-Temperamente 4 Hans Gessl Maria-Theresia Wirtl Kulturgeschichtliche Notizen zum Most 5 Es ist nicht erweisen, dass der große griechische Arzt Hippokrates um 400 v. Chr bei Henning Schimmel 8 000 Jahre Obstbaugeschichte 9 einem Krug Most die Lehre von den vier Temperamenten austüftelte, aber angesichts Heimo Strebl Vom Werden und Sein der der bis heute gültigen Weisheit auch nicht auszuschließen: oberösterreichischen Obstsortenvielfalt 15 Sanguiniker – lebenslustig, oberflächlich Siegfried Bernkopf Brünnerling, Landlbirn und Co 18 Diesem Temperamentbündel öffnet der Winawitzbirnmost Tür und Tor, am ehesten Romana Schneider und Maria Dachs vergoren, muss schnell getrunken werden, hat keine rechte Beständigkeit. Die Qualitätsentwicklung beim oberösterreichischen Most 25 Birgit Puntigam Mosterzeugung 28 Choleriker – willensstark und jähzornig Unverkennbar der Most von der Landlbirn: Stark und heftig in der Wirkung, besitzt Christine Schober Saft direkt vom Bauern 30 er die Heimtücke ohne Vorwarnung im Körper aufzubrausen, dass sein Inhaber dann Maria-Theresia Wirtl Der Most im Genussland Oberösterreich 32 zornig werden kann, ist verständlich: „In der Jugend summt er – im Alter brummt er“ Margit Steinmetz-Tomala Oberösterreichische Most Genuss Regionen 34 Melancholiker – tiefsinnig, schwermütig Christine Dattenböck Oberösterreich entdeckt den Most 37 Gekannt hat ihn ja eigentlich keiner, den Weber-Bartl, von dem der klassische, Heimo Cerny Most und Vierkanter in Oberösterreich 40 rotwangige Mostapfel den Namen hat. Eines aber ist sicher: Apfelmosttrinker sind Barbara Haiden Ein Getränk von Welt 44 Gourmets, und irgendwann fängt jeder zu philosophieren an. Passionierten Apfel- mosttrinkern wird ein hohes Alter prophezeit, Apfelmost an sich gewinnt mit dem Romana Schneider und Maria Dachs Alter garantiert an Geist. Mostgenuss gewusst wie – werden Sie Mostexperte 48 Ein Streifzug durch Oberösterreichs Mostschänken Phlegmatiker – ruhig, etwas lahm (mit Wetterregeln zusammengestellt von Hans Gessl) 53 Kenner, die in einem Fraunbirn- oder Schmatzbirnmost „hineinbeißen“, sagen: „Was Klaus Buttinger How I met my Most 132 der kann, ist „haben“ (auf Zunge und Gaumen kleben bleiben).“ Will heißen: Deren Aroma und Geist sind wahrlich keine Temperamentsbündel. Helmut Schmidinger Wo der Bartl den Most holt 134 Ferdinand Reisinger Geist wächst nicht auf trockenem Boden 138 Hätte Hippokrates ein bissl tiefer in den Mostkrug geschaut, dann wäre er darauf ge- Christian Schacherreiter Nun grüß dich Gott, mein edler Most! 142 kommen, dass sich die Temperamente, vermischt man sie, zu ungeahnter H armonie zusammen finden. Georg Friedl Heute Mostausschank 145 Peter Hirsch Mosthuldigung 148 Das Ergebnis ist – und dies mit hippokratischem Eid! – zumindest beim Mischlings Marianne Obermair Rezepte mit Most 150 most ein ausgezeichnetes. Danksagung 156 4 5
Rund um den Most Kulturgeschichtliche Notizen zum Most Kulturgeschichtliche Notizen zum Most Maria-Theresia Wirtl Das Wort „Most“ geht zurück auf die scheinlich schon unser „Ötzi“ vergore- Zeit der römischen Landnahme. Es leitet nen Obstsaft getrunken hat! sich vom lateinischen Wort „mustus“ ab, Bei den Römern und Germanen finden was so viel wie „frisch“ und „neu“ be- sich zahlreiche Zeugnisse für Herstel- deutet. Schon im Mittelhochdeutschen lung und Ausschank von Obstwein. war die Bezeichnung „Most“ für „Apfel- und Birnenwein“ in unserer Gegend Im Mittelalter war der Most Haustrunk gebräuchlich. der Bauern, aber noch keine Ware, mit Will man die Mehrzahl, den Plural ver- der auch Handel getrieben wurde. Der Beim Mostmachen wenden, so spricht man korrekterweise Adel trank Wein, das allmählich erstar- von „Mosten“. kende und reiche Bürgertum in den entlang den Straßen und finanzielle Region geworden. Aus dem bäuerlichen Städten machte es ihm nach – wenn es Anreize für die Obstbaumpflanzungen, Haustrunk wurde ein Volksgetränk. Kasus Singular Plural leistbar war. waren die Grundlage für unsere heutigen Nominativ der Most die Moste landschaftsprägenden Streuobstwiesen. Bei den Bauern stand während der Ernte Genitiv des Mostes der Moste In der frühen Neuzeit trat der Most Diese staatlichen Maßnahmen förderten arbeit stets ein Krug Most zum Durst Dativ dem Most/ den Mosten schon in Konkurrenz zu Bier und Wein, die Mosterzeugung und führten sie zu löschen bereit. Frauen tranken gewäs- dem Moste und das hatte einen guten Grund, denn wahren Höhenflügen, sodass schließlich serten Most, ebenso wie die Kinder, bei Akkusativ den Most die Moste das bevorzugte Getränk der Bauern das 19. Jahrhundert als das „Jahrhun- denen Most als Mittel galt, um ihr Her- war steuerfrei! Mancherorts wurde dert des Mostes“ bezeichnet werden anwachsen zu fördern. Es war sogar die Die Geschichte des Mostes beginnt mit daher bald der gewerbsmäßige Most kann. Die Mostobstbäume fanden Meinung weit verbreitet, dass der Most der Sesshaftigkeit in der Jungsteinzeit ausschank, das „leutgeben“ verboten. hervorragende klimatische Bedingungen bei den Menschen dieselbe Wirkung und mit Ackerbau und Viehzucht. Es in den ehemaligen Weinbaugebieten habe wie Hafer bei den Pferden, nämlich kann angenommen werden, dass wahr- Wirklich wirtschaftlich bedeutend wurde des 18. Jahrhunderts, dazu zählen das kräftigend und für die Gesundheit unum- das Mostmachen aber im 18. Jahrhun- Aschacher Becken, das Kremstal und das gänglich. Moderne Ernährungswissen- dert. Der Physiokratismus brachte eine Gebiet um Traun, St. Florian und Enns. schafter fanden heraus, dass Most die Aufwertung der Landwirtschaft, indem er All das führte im 19. Jahrhundert zu Leistungsfähigkeit der Menschen steigert erkannte und postulierte, dass nur eine einem wahren „Most-Boom“. gesunde Landwirtschaft auch eine ge- Damals erhielt auch das durch den sunde Volkswirtschaft bedingen kann. Mosthandel reich gewordene nieder österreichische „Mostviertel“ seinen bis Kaiserin Maria Theresia und ihrem Sohn heute gebräuchlichen Namen. Joseph II. ist es zu verdanken, dass sich Ernte: D’Kornmandeln stehen und der Apfel die Mostkultur in der Folge gewaltig aus- Aber auch in unserem Bundesland, baum spendet Schatten, und den Most im breiten konnte. Gezielte Maßnahmen, besonders im Traunviertel, war der Most Krug. (Zeichnung: Ernest Schmimmel, 1947) wie die Pflanzung von Obstbäumen zum einträglichsten Erwerbszweig der 6 7
Rund um den Most 8 000 Jahre Obstbaugeschichte und krebserregende Stoffe, vor allem im Geräucherten, abbaut – es macht also das arbeitsintensive „Mostklauben“ zahl- te sich nicht mehr aus, der Most wurde 8 000 Jahre auch ernährungsphysiologisch Sinn, zur Speckjause Most zu trinken! als „Landessäure“ abgestempelt und zum „Armeleute-Getränk“ abgewertet. Obstbaugeschichte Die gesellschaftlichen Veränderungen Ab den 1990er-Jahren kann man nun zusammengestellt von Henning Schimmel brachten dem Most im 19. Jahrhundert wieder von einer Most-Renaissance spre- neue Käuferschichten bei der Arbeiter- chen. Die Mostqualitäten im Genussland Seit 8 000 Jahren nützt und entwickelt die Menschheit die Kultur der Frucht bringen- schaft. Der Most galt als „Krafttrunk“ Oberösterreich werden seither immer den Bäume. Wir haben für Sie die Weltgeschichte des Obstbaus und der gärenden und war vor allem auch billig. Der Bau besser. Die Mostmacher orientieren sich Säfte aus Äpfeln, Birnen und Weintrauben zusammengetragen. der Eisenbahn durch Oberösterreich an der Kellertechnik der Weinbauern und Dass diese drei zusammengehören, lehrt die Geschichte ebenso wie den maßgeb- und die Möglichkeit des Bahntransports der Most gewinnt als Natur- und regio- lichen Einfluss des Klimas auf Wohl und Wehe der Gesellschaft wie der Obstkultur. brachten den Most zu neuen Absatz- nales Identitätsprodukt zunehmend an Oberösterreichs Beiträge (hervorgehoben in braun) zu dieser Weltgeschichte sind märkten und nah an den Konsumenten Wertschätzung und Ansehen. bedeutend und haben uns nicht umsonst zum „Mostreich“ werden lassen! in den Städten. v. Chr. Vor rund 10 000 Jahren zieht sich die letzte Eiszeit zurück und langsam So verwundert es nicht, dass die impo- wandern Wildlinge, wilde Holzäpfel (Malus sylvestris) und Holzbirnen santen Vierkanter Oberösterreichs als 6000 (Pyrus communis) in die mitteleuropäischen Eichenmischwälder ein. „Häuser, die der Most gebaut“ bezeich- net werden, was anschaulich ausdrückt, Jungsteinzeit dass der Wohlstand der bäuerlichen 4000 Im Bodensatz historischer Pfahlbauten am Ufer des Bodensees (Unruhl- Besitzer der Mostproduktion zu verdan- dingen) finden sich neben Nahrungsresten der wilden Holzäpfel und ken ist. 3200 -birnen auch jene von größeren Äpfeln: Der Pfahlbauapfel war kultiviert worden. Im 20. Jahrhundert kam dann der Niedergang und mit ihm der Image- Hethiter, Urartu, Assur und Ägypten verlust. Durch die Mechanisierung der 2000 Assyrer erobern bei Kriegszügen auch Samen aus Apfel- und Birnbaum Landwirtschaft zwischen 1960 und 1980 wäldern der Südkaukasusvölker und kultivieren in Kleinasien den Obstbau. wurden in den landwirtschaftlichen 1500 Ägypten, selbst zwar nur Importeur des neuen Kulturobstes, überliefert Betrieben immer mehr Arbeitskräfte ab- uns die älteste Darstellung eines Gartens mit Apfel- und Birnbäumen. gebaut. Der Eigenbedarf wurde geringer, Ägäische Bronzezeit Die frühen Griechen bringen das Wissen Kleinasiens nach Europa und 1000 kultivieren Wein- und Obstbau in ihren Kolonien, in Unteritalien um das Jahr 1000. Homer bzw. der nach ihm benannte Dichterkreis liefert die ersten überlieferten Belege des Obstbaus: Da wachsen große Bäume, kräftig sprossend: Birnen und Granaten und Apfelbäume mit glänzenden 830 Früchten … heißt es in der Odyssee. „Die Birne ist eine Gabe der G ötter.“ (Homer) Den frühen Griechen gelingt es, aus der Wildbirne (Pyrus pyraster), die ih- nen heilig war (magenreinigend, stuhlfördernd), erste weiche Speisebirnen zu züchten: die Phlocische und die Apische Birne. Sie verbreiten diese und bringen zugleich die Apfelkultur zur ersten Hochblüte. 8 9
Rund um den Most 8 000 Jahre Obstbaugeschichte Als Symbol höchsten Lohns besingen griechische Rhapsoden den Apfel, 455 Demokrit verfasst die erste Schrift über Landbau (überliefert von schön rot im Urteil des Paris (Ilias) und golden bei den Hesperiden, Hera- 400 Columella im Liber Georgicon 60 n. Chr.). Hippokrates beschreibt die The- kles/Herkules geht hier als erster Apfeldieb in die Geschichte ein. 360 orie des richtigen Okulierens. Mit Theophrast aus Lesbos betritt der erste 320 Pomologe die „Obstweltbühne“. Er beschreibt alle Künste des Veredelns Hallstattzeit sowie sechs kultivierte Apfel- und vier Birnensorten (Werke: Historia- und 800 Zahlreiche Kulturäpfelfunde im oö. Seengebiet ab 1100 v. Chr. deuten auf Causae plantarum) eine Fortzucht bodenständiger Wildlinge der Hallstattkultur hin. Römisches Reich Frühes Rom 152 Rom – neue Brücke zwischen Asien und Europa – beerbt die griechischen 800 Pomona, der Göttin der Früchte im damals noch unauffälligen Rom, wird 100 Wissenschaften und wird zum Schöpfer des modernen Gartenbaus. Catos ehrenhalber die Erfindung des Okulierens zugeschrieben. De Agricultura ist das erste lateinische Werk über Feldbau. 50 Roms Legionäre bringen erste veredelte Obstsorten in die Provinzen Gallia Babylon, Reich der Perser et Germania. Keltischen Stämmen in Baden ist im 1. Jh. v. Chr. die Erfin- 600 Nebukadnezars II. Hängende dung des Holzfasses für die Lagerung von Vergorenem nachzuweisen. Gärten der Semiramis enthalten 0 Man sieht darin den Hinweis auf keltischen Obstwein – für unseren Most auch viele Obstbäume. Auf einer n. Chr. wäre dies die Stunde Null. trockenen Ebene im Zweistrom- Die Obstbauförderung führt zu einem Sortenboom im Römischen Reich. 540 land gelegen, waren die pracht- 60 Anbautechnik und Pomologie beschäftigen große Geister der Zeit wie vollen Gärten Babylons ein un- 70 Vergil, Varro, Columella. Letzterer, „Vater der Pomologie“ genannt, gibt glaubliches (klassisches) Welt- 77 in zwölf Büchern (De re rustica) das gesamte Wissen über die damalige wunder. 80 Landwirtschaft bekannt. Und Rom beliefert seinerseits nun Griechenland Die Perser erobern Mesopotamien und errichten ihr Großreich bis zur 180 mit Edelreisern. Plinius Secundus (d. Ä.) beschreibt in seiner Natur Ägäis. Der Apfel wird erstmals als Wort in Keilschrift gefasst (Persepolis). 200 enzyklopädie insgesamt 1 000 Pflanzen, darunter 39 Birnen-, 23 Apfel- und Die Ernährungslage sichernd, pflanzt der Gründer des persischen Reiches, allein 71 Rebsorten. Kyros II. „eigenhändig“ Obstbäume an Heerstraßen und in den Städten. Den germanischen Völkern nördlich des Limes dürfte der Obstbau in Seine Königsgärten, persisch pairidaeza, begeistern griechische Historiker kultivierter Form nicht geläufig gewesen sein, der einzige historische wie Xenophon, der sie als Parádeisoi ins Griechische einführt. Bericht der klassischen Welt über die Germanen von Tacitus beschreibt Das Wort Paradies-Garten kommt just von dort, wo auch das Alte Testa- deren Landstriche „aus Wald und Sumpf – für den Obst- und Weinbau ment den Garten Eden (Anm. u.) ansiedelt: aus dem mythischen Land ungeeignet“. des Gilgamesch-Epos, lokalisiert im Quellgebiet von Euphrat und Tigris Galenus, Leibarzt Marc Aurels („Philosophenkaiser“ und großer Obst am Fuße des Kaukasus, wo man die Wiege des Obstbaus annehmen darf! esser, starb in Vindobona/Wien), beschreibt, wie man Wein und Essig aus (Anm.: sumerisch edinu: Steppe, Wüste; ein Übersetzungsfehler Luthers, Birnen macht. richtig wäre: Ein Garten in Eden!) Der Ausbreitung Roms sind die heute kultivierten Apfelsorten und die Kunst der Obstbaumveredelung in ganz Europa zu verdanken. Der höchs- Klassisches Griechenland te Kultursortenstand (192!) und das Moselgebiet werden vom Obstbau 500 Pythagoras, Philosoph, Mathematiker und Politiker, lehrt den Vegetaris- erreicht mus. Die Griechen erfinden das Pfropfen. Das Geheimnis dieser Technik der vegetativen Sortenvermehrung über Edelreiser wussten sie 1 000 Jahre Völkerwanderungszeit zu wahren! Ihre süßen Birnen wurden zum Exportschlager. 200 Mit dem Niedergang römischer Kultur geht auch jener des Obstbaus Boden und Klima waren so günstig, dass man die Peloponnes symbolisch 350 einher. Die einstige Vielfalt schrumpft auf ganze sieben Apfel- und Birnen Apia, Birnenland nannte. Konsul Appius Claudius bringt aus Apia die 480 sorten! Der Zusammenbruch Roms lässt den edlen Wein sogar völlig Apfelsorte Api nach Italien. 540 versiegen: Felder und Gärten werden von durchziehenden Heervölkern 600 verwüstet. Man hatte es auf die Vernichtung der Weingärten abgesehen, 10 11
Rund um den Most 8 000 Jahre Obstbaugeschichte der Wein rankte sich um die eingestreuten Apfel- und Birnbäume, eine 1371 Oberösterreich schreibt im Schaumburger Urbar Geschichte: erstmals uralte Symbiose-Anbautechnik. Ebenso uralte Kriegstechnik gegen Wohl- wird im deutschsprachigen Raum eine Baumschule (Pfeltzpewnt) und die standsgrundlagen ließ so Streuobstwiesen zurück! erste Kulturbirne, die Regelspuren (Regelsbirne) in Tuenheim/Eferding Der Begriff „Tresterwein“ taucht erstmals auf im Jahre 540. beurkundet. Schwerste Strafen für Beschädigung der wertvollen Obstbäume sprechen die Falischen und Bayrischen Gesetze aus. Renaissance 1424 Poggio Bracciolini entdeckt die Schriften Columellas wieder, ein Anknüpfen Fränkisches Reich, Deutsches Reich (Hl. Römisches Reich) an alte römische Sorten ist nicht mehr möglich. Der Orient liefert neue 722 Oberösterreich beurkundet 14 Weinbauorte wie Rohrbach/St. Florian, Züchtungen und Europa hat inzwischen neue Arten hervorgebracht. Polsing/Eferding, Aschach/Donau, Ottensheim, Attersee-Dorf, Aist/Naarn Für unseren Raum waren dafür die bodenständigen, widerstandskräftigen u. v. m. Wildlinge segensreich. Bis tief ins 19. Jahrhundert holen die Bauern aus 812 Karl der Große verfügt im Capitulare de Villis Apfel- und Birnenbaum als den Wäldern die Urbäumchen als Veredelungsunterlagen. Kulturgewächse in den Landbau aufzunehmen. Die Äpfel Gomaringer, Kälteeinbrüche von 1420 bis 1460. Geroldinger und der Speyerling, heute hessische Obstweinspezialität, 1545 Padua errichtet den ersten Lehrstuhl für Botanik. Viele Universitäten werden empfohlen und Apfelwein soll fürderhin gepresst werden! folgen. Es gibt nun 21 Obstsorten und eine Flut neuer Namensgebungen 890 Die erste deutschsprachige Erwähnung eines Baumgartens – Poumgartin, setzt ein. vermutlich eine Baumschule – wird schriftlich für den Attersee belegt. Der Haustrank Most beginnt bäuerliche Landeskultur zu werden. 1050 König Konrad III. bringt vom ersten Kreuzzug – erneut – den (alten 1582 Massive Kälteperioden 1570 bis 1590. Kurfürst August von Sachsen fördert 1191 peloponnesischen) Api heim ins Deutsche Reich. den Obstbau rigoros, gibt selbst ein Obstgartenbüchlein heraus. Mit dem Hildegard von Bingen rät zeitgleich in ihrer medizinisch-kulinarischen Ehestandsbaumgesetz verpflichtet er frisch Vermählte, zwei Obstbäume Physika vom Genuss roher Äpfel ab, was nicht verwundert, kannte man zu pflanzen. damals nur drei wohl nicht sehr süße Sorten. Ein positives Zeichen hält erstmals Heinrich VI. als Kaiser des Hl. Römi- Barock und Rokoko schen Reiches in Händen: des Reiches Apfel als jüngste Insignie 1629 John Parkinson zählt 57 Apfel- und 64 Birnensorten in England, während 1648 das Wirtschaftsleben Mitteleuropas im Dreißigjährigen Krieg zugrunde Hoch- und Spätmittelalter gerichtet wird. Klimaeinbrüche vernichten noch verbliebene Rebflächen, 1240 Unsere Babenbergerlande besitzen die ältesten Nachrichten über Most wieder verbleiben „nur“ großflächige Streuobstwiesen (wie 480 n. Chr.). erzeugung in Mitteleuropa. Nur das westliche Frankreich (also das heutige Dörrobst, Most und getrocknete Trebern sichern die Ernährungslage im Gebiet der Cidrekultur) kann noch ältere Belege um 1190 erbringen. Winter. Die Wiedererrichtung des Obstbaus wird zur Chefsache (Staats 1260 Für das Jahr 1259 wird die größte Eruption eines Vulkans des Jahrtausends programm z. B. in Preußen). nachgewiesen. Ein Jahrzehnt lang wird von Kälte, Missernten, Hoch- 1670 J.-B. La Quintinie, Frankreichs „Vater der Pomologie“, beschreibt wässern, Viehseuchen, Kriegen und Auswanderungswellen berichtet. 164 Birnen- und 57 Apfelsortenorten (mittleres Bild rechts). 30 Jahre später Tiefststand beim Obstbau: Albertus Magnus’ Feldbauwerk De vegetabilis kennt das Reich Ludwigs XIV. bereits 300 Sorten, 1850 wird man bei 1 000 erwähnt „Apfelmost- und Essigbereitung“ mit ebendiesen kargen Worten, anlangen! also nur am Rande. 1691 Windhaag bei Perg (Herrschaft des oö. Statthalters Graf Enzmilner) zählt 1305 Pier’ de Creszenzis Summa der Landwirtschaft löst (endlich) ein Renais- im Schlossgarten wieder 26 Apfel-, 19 Birnen- und auch elf Kirschensorten. sance des Obstbaus in Europa aus. 15 Obstsorten zählt der Mann aus 1724 Kälteeinbruch und folgende Hitzewelle: Hungersnot in Deutschland, Bologna. 1725 in Oberösterreich jäher Einbruch des bis dahin blühenden Weinbaus. 1312 Markgraf Waldemar von Brandenburg fördert rigoros den Obstbau im ho- 1791 Landgraf Karl von Hessen errichtet eine Staats-Obstbaumschule, jedes hen Norden, die „rechte Lagerung gärender Säfte in Fässern“ wird geboten. 1793 junge Ehepaar erhält um einen Symbolbetrag zwei junge Bäume zur Aus- pflanzung. Schlesien (bis 1742 bei Österreich) zählt 1,4 Millionen Obstbäume im Jahre 1791. 12 13
Rund um den Most Vom Werden und Sein der oberösterreichischen Obstsortenvielfalt Johann Caspar Schiller, Vater des großen Dichters, gibt ein Standardwerk über die wissenschaftliche Obstbaumzucht heraus. Die agrarischen Vom Werden und Sein Fachwerke zielen auf Industrialisierung ab, Rebsorten werden ab nun in Reihen gepflanzt, die alte Anbausymbiose Apfel – Birne – Wein gerät in Vergessenheit. der oberösterreichischen Das 19. und 20. Jahrhundert Obstsortenvielfalt 1820 Der Ausbruch des Vulkans Tambora (Indonesien) zieht die kältesten jemals in Europa gemessenen Temperaturen nach sich (bis 1819). Heimo Strebl Napoleons Kriege finden ein Ende. 1850 Die Mostkultur, schreibt man, „blüht und gedeiht, o Wunder!“ Nach deut- Oberösterreichs Landschaft wird geprägt Lange Geschichte schen Vorbildern gedeihen in Habsburgs Erblanden die Baumschulen. von den mächtigen Hochstammobst Vor 65 Millionen Jahren gab es bereits Erzherzog Johann lässt Sämlinge an die Bauern weitergeben. Nur dort, bäumen des Streuobstbaus. Mit Vorläufer der heutigen Kernobstarten 1870 wo anno 777 der Weinbau begann, geht eine einst flächendeckende ober 15 000 ha ist Oberösterreich das Bundes- Apfel und Birne. Am Ende der letzten österreichische Tradition zu Ende: In Aschach an der Donau wird die letzte land mit den meisten Streuobstgärten. Eiszeit vor rund 10 000 Jahren existierten Rebfläche gerodet (1870). Nach der Birne ist der Apfel die zweit- bereits Wildapfelformen vom Kaukasus 1890 Dem sogenannten Polarwinter 1879/80 fallen in Süddeutschland große häufigste Obstart. Daneben gibt es viele bis China. Die kasachische Hauptstadt Teile des Obstbaumbestandes zum Opfer. Umgehend werden Kreisbaum- großkronige Obstbäume in den Gärten. Alma Ata weist auf den Apfel hin: Alma schulen und Pomologenvereine gegründet. Diese empfehlen Erwerbsobst- bedeutet „Apfel“ und Ata „Großvater“ – 1906 bauern auch die Vernichtung „unwerter Sorten“: der Anfang vom Ende der Oberösterreich im Herzen also „Großvater des Apfels“. Von 4000– Sortenvielfalt. Rebkrankheiten (Mehltau u. a.) werden mit neuen Rebsorten des europäischen Apfelgürtels 1800 v. Chr. ist in Persien Apfelanbau aus den USA eingeführt, Totalausfälle der Weinernte folgen. Die oberösterreichischen Voralpen und nachweisbar, der über die Griechen und 1910 Aber erst die Haltbarmachung des Bieres macht jetzt die Bierbrauer zu den das oberösterreichische Alpenvorland Römer zu uns gekommen ist. Die Römer Durstlöschern Nr. 1. Frankens Weinbauernkrise: Alle Rebflächen werden liegen in der Mitte des europäischen kultivierten bereits um die 100 Apfel- gerodet und eine Auswanderungswelle führt die um ihre Existenz Gebrach- Apfelgürtels, der sich entlang des Alpen und Birnensorten. ten just dorthin, von wo das Unglück Mehltau kam (USA). Erst seit 1964 bogens erstreckt. Das Wechselspiel gibt es wieder Mainwein. zwischen warmen Tagen und kühlen Die Klöster als treibende Kraft 1912 Eine k. u. k. Mostbirnenschau zählt 1 500 Sorteneinsendungen! 48 % Nächten im Herbst verleiht den Früchten Im 5. Jahrhundert n. Chr. lag der Obst- 1923 dieser Züchtungen kommen alleine aus Oberösterreich und dem nieder- ihr festes Fruchtfleisch, ihr typisches bau aufgrund der zahlreichen Kriege 1950 österreichischem Mostviertel. Die Freigabe von Hausbrandkontingenten Aroma und ihr spezifisches Zucker- darnieder, 200 Jahre später begannen die zielt auf den Erhalt des Streuobstbestands zur Versorgung in Notzeiten ab. Säure-Verhältnis. Klöster Obstarten und -sorten intensiv Standardobstsorten, Abholzungsprämien und andere Fehleinschätzungen zu kultivieren. Da viele Mutterorden in greifen den Streuobstbestand an. Fichtenmonokulturen führen zur Aus den romanischen Ländern beheimatet rottung der letzten Obstbaum-Wildlinge, US-Plantagenobstimporte tun ein waren, kamen viele neue Sorten von Übriges: Die Sortenvielfalt geht stark zurück. dort, insbesondere aus Frankreich. Ende 1957 Der bakterielle Feuerbrand wird aus den USA nach England eingeschleppt des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhun- 1993 und erreicht den ersten Streuobstbaum Österreichs in Vorarlberg im Jahre derts wurde es zu einer Mode, unzählige 1993. Obstsorten als Reiser zu importieren, 1996 Die EU-Verordnung Nr. 2200/96 bestimmt Qualitätsnormen für Obst. Alte vor allem aus Frankreich, Belgien und Sorten haben nur mehr durch Direktvermarktung eine Handelschance. England. Manche Hochstämme aus dieser Zeit stehen heute noch. 14 15
Rund um den Most Vom Werden und Sein der oberösterreichischen Obstsortenvielfalt Allegorie auf das Hausruckviertel, Fresko von Franz Attorner im OÖ. Landesmuseum, Francisco Carolinum 1643 wurde die Apfelsorte „Weisspra- auf diese vielfältigen genetischen Res- neben wurden seit jeher Tafeläpfel wie Oberösterreichs Mostbirnen – ist um cher“ erstmals erwähnt, 1687 wurden sourcen zurückgreift, um neue Sorten Weißer Klarapfel, Gravensteiner, Croncels 1850 in Kärnten entstanden. Über die die „Priner Öpfl“ bzw. der „Brunner“ etwa resistent gegenüber Krankheiten Transparent, James Grieve, Dr. Olden- Steiermark ist sie schließlich nach Ober- erwähnt, beides Synonyme für den heute wie Schorf, Mehltau oder Feuerbrand zu burg, Jakob Lebel, Kaiser Wilhelm, Roter österreich gelangt. In Bayern und Baden- noch bekannten Brünnerling. 1691 kul- machen. Wichtige Faktoren sind auch Berlepsch, Berner Rosenapfel, Boskoop, Württemberg heißt sie aus diesem tivierte das Kloster Windhaag bei Perg die Fruchtfarbe sowie die Inhaltsstoffe Wintergoldparmäne und Ontario Grund Oberösterreichische Weinbirne. bereits 85 Obstsorten, davon 26 Apfel- des Apfels. gepflanzt. Interessant ist, dass in den In Vorarlberg nennt man sie Zitronen- und 19 Birnensorten. bäuerlichen Gärten auch moderne resis- gelbe aufgrund ihrer gelben Färbung in Ein buntes Miteinander tente Sorten Einzug gehalten haben. Am vollreifem Zustand. Kulturgut und alter und neuer Sorten bekanntesten sind etwa Topaz oder die genetische Ressource Im bäuerlichen Extensivobstbau, in „Re-Sorten“ Rewena, Retina und Remo. Das Alter ist relativ Alte Obstsorten bieten eine breite der Regel als Streuobstbau bezeichnet, Die Begriffe alt und neu sind bei Palette an genetischer Vielfalt, welche werden Verarbeitungs- und Kochäpfel Mostland Oberösterreich Obstsorten sehr relativ. So ist etwa die das begrenzte Potenzial des heutigen wie Brünnerling, Rheinischer Bohnapfel, In Oberösterreich hat der Most reiche Apfelsorte Erbachhofer, welche als „alte weltweiten Tafelobstsortiments bei Schmidberger Renette, Roter Trierischer Tradition, meist als birnenbetonter Sorte“ gilt – eine Selektion des Roten Weitem übertrifft. So ist es naheliegend, Weinapfel, Weberbartlapfel sowie Weißer Mischlingsmost. Typische oberöster Trierischen Weinapfels – seit 1925 in dass die zeitaufwendige Obstzüchtung und Roter Griesapfel produziert. Da- reichische Mostbirnensorten sind etwa Oberösterreich im Handel. Die „neue die Bartholomäusbirne, die Blutbirne, Sorte“ Gala wurde bereits 1934 in Neu- die Frauenbirne, auch als Rote Pichl seeland gezüchtet. birne, Rotbirne oder Kletznbirne bekannt, die Gemeine Kochbirne, die Oberösterreichische Grüne Pichlbirne und die Winawitzbirne. Obstsorten-Genbank Ritzlhof Mit Sicherheit ist die Kleine Landlbirne Neben der Gartenbaufachschule Ritzl- in Oberösterreich entstanden, ebenso hof in Ansfelden wurde auf drei Hektar die Leidlbirne. eine Obstsorten-Genbank eingerichtet, welche speziell die für Oberösterreich Mostbirne auf Wanderschaft typischen alten Birnen- und Apfelsorten, unter vielen Namen aber auch Steinobst beherbergt. Hier Die Speckbirne oder Steirische Wein- werden auch Edelreiser gewonnen, um mostbirne – eine Hauptsorte unter die Sorten weitervermehren zu können. 16 17
Rund um den Most Brünnerling, Landlbirn und Co Brünnerling, Landlbirn und Co Siegfried Bernkopf Klassische Mostobstsorten wie Sortenvielfalt „Brünnerling“, „Kleine Landlbirne“ In Oberösterreich dürfte es schätzungs- wieder Nachpflanzungen durchgeführt und einigen mehr weisen einen relativ etc. sind vor 100 bis 500 Jahren in weise noch an die 600 Mostapfel- und werden, wird es diese auch noch in den niedrigen Gesamtsäuregehalt bei do- Oberösterreich oder anderswo zufällig 400 Mostbirnensorten geben. Nahezu nächsten Jahrzehnten geben. minantem Gehalt an Restzucker auf. aus Samen entstanden. Bäume dieser alle sind sogenannte Zufallssämlinge. Dementsprechend fallen diese in die Sorten sind noch heute Bestandteil Der Großteil davon ist sortenkundlich Sortenvielfalt ist Kategorie „mild“, soferne keine Polyphe- der heimischen Streuobstkulturen. nie beschrieben worden. Diese Sorten auch Mostvielfalt nole deutlich spürbar sind. Ist der Ge- Als Hoch- und Halbstämme sind sie tragen daher auch keinen pomologisch Most war schon immer ein vielfältiges samtsäuregehalt etwas höher bzw. domi- prägendes Element unserer heimischen relevanten Namen und gelten als unbe- Produkt. Früher einmal, als die Arbeit nant und sind auch Polyphenole deutlich Kulturlandschaft. In den letzten Jahren stimmbar. Dieses Faktums sind sich gro- auf dem Bauernhof noch weniger me- spürbar, so gehören solche Moste in die ist ein Trend hin zur Verwendung von ße Teile der Bevölkerung nicht wirklich chanisiert war und die Arbeiten physisch Kategorien „kräftig“ bzw. „resch“. Tafelapfelsorten bei der Herstellung von bewusst und so kommt es bei Sortenbe- schwerer waren, waren „resche“ (säu- Most zu beobachten. Meist als Nieder- stimmungen oft zu Enttäuschungen. rebetonte) Moste als Bestandteil der Unter Restzucker versteht man stammkulturen mit höheren Flächener- Mahlzeiten sehr beliebt. Es handelte sich weitestgehend den nach der Gärung trägen angelegt, stellen Produktion und Der Trend zur Erhaltung der Vielfalt meist um Apfel- oder Mischlingsmoste verbliebenen Gehalt an Glukose, Abhofverkauf von Tafelobst neben dem an Mostobstsorten in den heimischen (Apfel/Birne), bei denen säurereichere Fruktose und Saccharose. Was den Most ein zusätzliches wirtschaftliches Streuobstgärten ist als negativ zu Sorten wie „Roter und Weißer Gries- Geschmacksanteil „süß“ im fertigen Standbein dar. bewerten. Viele alte Mostobstsorten apfel“, „Rössling“, „Remsen“, „Roter Most betrifft, so kommt zusätzlich der werden verschwinden. Nicht alles, was und Weißer Wiesling“ und viele mehr Gehalt an D-Sorbit, einem von der Hefe alt ist, ist auch gut. Nicht wenige Sorten Verwendung fanden. Die Säureakzeptanz nicht vergärbaren „Zuckeralkohol“ zum sind aufgrund der geringen Verarbei- der Mosttrinker/innen hat sich in den Tragen. Die Sorten „Rote Haindlbirne“, tungsqualität entbehrlich. Jedes Jahr letzten 20 Jahren verringert. Heute wer- „Steyreggerbirne“, „Stöcklbirne“, „Leidl- entstehen viele neue Zufallssämlinge, den Moste in den Geschmackskategorien birne“, „Kleine Landlbirne“ etc. verfügen von denen ein Teil zur Mostherstellung „mild“, „halbmild“, „kräftig“ und „resch“ über höhere Gehalte an D-Sorbit. gut verwendbar ist. Im zunehmenden angeboten. Zunehmend erscheinen Maße kommen auch Tafelobstsorten zur auch sortenreine Moste mit exklusivem Egal ob reinsortiger Most, Cuvée (Apfel/ Anwendung. Summa summarum verfü- Charakter auf dem Markt. Die bei vielen Apfel bzw. Birne/Birne) oder Mischlings- gen wir derzeit in Oberösterreich über Mostbirnensorten vorherrschenden most (Apfel/Birne), die Vielfalt im Sektor genügend Sorten für die verschiedensten Gehalte an Polyphenolen (Gerbstoffen) Most hat in den letzten Jahren stark zu- Verarbeitungsprodukte. stellen bei Anwendung moderner Keller genommen und erfreut sich zunehmen- technologie (Saftbehandlung vor der der Beliebtheit bei den Konsumenten. Um die Zukunft der bekannteren alten Vergärung mittels Schönung) keine oberösterreichischen Mostobstsorten größeren Probleme mehr dar. Reinsorti- Im Folgenden sollen einige klassische, brauchen wir uns dennoch keine Sorgen ge Moste aus „Speckbirne“, „Schweizer in Oberösterreich heimische Mostobst zu machen. Vorausgesetzt, dass immer Wasserbirne“, „Grüner Winawitzbirne“ sorten kurz vorgestellt werden: 18 19
Rund um den Most Brünnerling, Landlbirn und Co Mostapfelsorten Weberbartlapfel wahrscheinlich vor 1830 in St. Marienkirchen/Polsenz entstanden, Brünnerling in Bezirken Eferding und Grieskirchen weit verbreitet vor über 500 Jahren wahrscheinlich in Oberösterreich Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober entstanden, sehr weit verbreitet Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; kleinfruchtig; Typen: Oberösterreichischer Brünnerling, Böhmischer ausgezeichnet für Saft und Most Brünnerling („Behm“), Bayerischer Brünnerling („Boarischer“) Erbachhofer Erntereife: Mitte bis Ende Oktober in Deutschland um 1925 aus „Roter Trierscher Weinapfel“ Besondere Eigenschaften: robust (feuerbrandtolerant etc.); selektiert, weit verbreitet sehr saftreich, säurebetont; ausgezeichneter Saft-, Koch- und Mostapfel Erntereife: Mitte bis Ende Oktober Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger, keine Alternanz Rheinischer Bohnapfel (Schwankungen im Ertrag); kleinfruchtig, saftreich; gut für Saft und Most um 1750 in Deutschland entdeckt, sehr weit verbreitet Erntereife: Ende Oktober Weißer Griesapfel Besondere Eigenschaften: sehr robust (feuerbrandtolerant etc.), wahrscheinlich im Bezirk Kirchdorf/Kr. vor 1800 entstanden Massenträger; sehr saftreich; ausgezeichnet für Küche, Saft, Most und dort verbreitet Erntereife: Mitte bis Ende Oktober Schmidberger Renette (syn. Plankenapfel) Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; kleinfruchtig, wahrscheinlich vor 1800 im Innviertel entstanden, mehrere sehr saftig, stärker säurebetont; gut in Mischsäften und Mischlingsmosten Typen existent, weit verbreitet Erntereife: Mitte bis Ende Oktober Roter Griesapfel Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftreich; wahrscheinlich vor 1850 im Bezirk Kirchdorf/Krems entstanden bewährt für Küche, Saft, Most und dort gering verbreitet Erntereife: Mitte bis Ende Oktober Danziger Kantapfel (syn. Roter Passamaner) Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; kleinfruchtig, vor 1760 entstanden, verbreitet sehr saftig, stärker säurebetont; sehr gut in Mischsäften und Mischlingsmosten Erntereife: Ende September bis Anfang Oktober Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftreich; Weißer Wiesling ausgezeichnet für Saft, Most und Küche, gut für Tafel wahrscheinlich vor 1800 in Oberösterreich entstanden und dort gering verbreitet Florianer Rosmarin (syn. Rosmarie) Erntereife: Mitte bis Ende Oktober wahrscheinlich vor 1860 im Raum St. Florian bei Linz entstanden Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftig, und dort verbreitet säurebetont; gut für Mischsäfte und Mischlingsmoste Erntereife: Ende September bis Anfang Oktober Besondere Eigenschaften: robust (feuerbrandtolerant), Roter Wiesling Massenträger; saftreich; sehr gut für Saft, Most, Küche und Tafel wahrscheinlich vor 1830 im Raum Kirchdorf/Kr. entstanden und dort gering verbreitet; nicht identisch mit „Roter Wiesling“ Grüner Stettiner (syn. Eisapfel) im Bezirk Grieskirchen vor 1800 in Deutschland entstanden, gering verbreitet Erntereife: Anfang bis Mitte September Erntereife: Mitte bis Ende Oktober Besondere Eigenschaften: robust; stark säurebetont; gut für Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; saftreich; Mischsäfte und Mischlingsmoste zusammen mit anderen frühreifenden Sorten gut für Saft, Most und Küche 20 21
Rund um den Most Brünnerling, Landlbirn und Co Mostbirnensorten Schweizer Wasserbirne wahrscheinlich vor 1800 in der Schweiz entstanden, weit verbreitet Speckbirne (syn. Steirische Weinmostbirne) Erntereife: Mitte bis Ende Oktober wahrscheinlich vor 1850 in Kärnten entstanden, sehr weit verbreitet, Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftig, vor allem im Innviertel („Steirische“), 2 Typen existent aromatisch; ausgezeichnet für Saft, Most und Edelbrand Erntereife: Mitte bis Ende Oktober Besondere Eigenschaften: Massenträger, feuerbrandanfällig; Gelbe Scheiblbirne (syn. Scheiblbirne) großfruchtig, sehr saftig; ausgezeichnet für Saft, Most, Edelbrand wahrscheinlich vor 1850 in Oberösterreich entstanden, verbreitet in den Bezirken Eferding und Grieskirchen Grüne Winawitzbirne Erntereife: Mitte bis Ende Oktober vor 1850 entstanden, sehr weit verbreitet Besondere Eigenschaften: robust; saftig, besonderes Erntereife: Ende September bis Anfang Oktober sortentypisches Aroma; sehr gut für Saft, Most und Edelbrand Besondere Eigenschaften: Massenträger; sehr saftig, besonderes sortentypisches Aroma; ausgezeichnet für Saft, Most und Edelbrand Leutschbirne wahrscheinlich vor 1800 in Oberösterreich entstanden, Kleine Landlbirne primär im Bezirk Kirchdorf/Krems verbreitet wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich entstanden, sehr weit verbreitet Erntereife: Mitte bis Ende Oktober Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober Besondere Eigenschaften: sehr robust; sehr saftig, säurebetont; Besondere Eigenschaften: anfällig für Frucht-Monilia; sehr saftig, sehr gut für Mischsäfte und Mischlingsmoste besonderes sortentypisches Aroma, höher zuckerhältig; ausgezeichnet für Saft, Most und Edelbrand Schmotzbirne wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich entstanden, Rote Landlbirne (syn. Tollbirne) stark verbreitet in den Bezirken Eferding und Grieskirchen wahrscheinlich vor 1860 in Oberösterreich entstanden, weit verbreitet; Erntereife: Mitte bis Ende September nicht identisch mit „Rotbirne“ im Bezirk Grieskirchen Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; erfordert Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober schnelle Verarbeitung, sehr saftig; gut geeignet für Saft und Most Besondere Eigenschaften: robust; sehr saftig, gerbstoffreicher als „Kleine Landlbirne“; gut für Saft und Most Aspathaunisenbirne (syn. Kaspar-Hans-Birne) wahrscheinlich vor 1850 in Oberösterreich entstanden, Rote Haindlbirne (syn. Haindlbirne) primär in den Bezirken Eferding und Grieskirchen verbreitet im Dialekt „Hoanlbirn“, wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich Erntereife: Mitte bis Ende Oktober entstanden, gering verbreitet, gefährdet Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; großfruchtig, Erntereife: Ende Oktober gerbstoffbetont; gut geeignet für Mischsäfte und Mischlingsmoste Besondere Eigenschaften: robust, Bäume werden sehr alt (über 300 Jahre); saftig, zuckerreich; ausgezeichnet für Saft, Most und Dörren Luxemburger Birne stammt aus Luxemburg, ab etwa 1890 in Österreich, gering verbreitet Grüne Pichlbirne Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich entstanden, sehr weit verbreitet Besondere Eigenschaften: großfruchtig, sehr saftig, gerbstoffreich; Erntereife: Mitte bis Ende Oktober gut geeignet für Mischsäfte und Mischlingsmoste Besondere Eigenschaften: Bäume werden sehr alt (bis 300 Jahre) und sehr hoch (bis 45 m), feuerbrandtolerant; Früchte gerbstoffreich (etwas unreif als Klärbirnen verwendet), sehr saftig; sehr gut für Mischlingsmost 22 23
Rund um den Most Die Qualitätsentwicklung Die Qualitätsentwicklung „Mostkrise“ als Motor für Qualität und Innovation „Tradition ist nicht die Anbetung beim oberösterreichischen Most der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers!“ Gustav Mahler Romana Schneider und Maria Dachs Es waren magere Jahre für den ober österreichischen Most. Doch aus Krisen erwachsen auch immer neue Kräfte. In Wer aufhört besser zu werden, wurde sogar am Donauweg exportiert. den 1980-Jahren kam wieder frischer hat aufgehört, gut zu sein! Noch heute hört man angesichts der Wind in die Mostszene. Für einige en- Dieses Zitat von Philip Rosenthal ist prä- imposanten Vierkanter den Ausspruch: gagierte Mostbauern und - bäuerinnen gend für die Renaissance und die stetige „Diese Häuser hat der Most gebaut!“ waren es harte Lehrjahre. Mostpioniere Qualitätsentwicklung des oberösterrei- Nach dem 2. Weltkrieg geriet Most leider aus Oberösterreich und dem benachbar- chischen Mostes in den letzten Jahren. wieder aus der Mode. Mit zunehmendem ten Mostviertel (Mostbarone) fungierten Oberösterreichischer Most ist ein Ur- Wohlstand wurde das Ursprungsgetränk im wahrsten Sinne des Wortes als Zug sprungs-, Traditions-, Innovations- und von Bier, Wein und verschiedenen Mode pferde für die Wiederbelebung der Most Identitätsgetränk. Er ist ein typischer getränken verdrängt. Folge war, dass tradition. Qualitätsfanatiker wie DI Ernst 2004 startete das Ländliche Fort Oberösterreicher: bodenständig, leben- Most an Bedeutung verlor und nur mehr Mielacher (der heimliche Mostpapst bildungsinstitut Ober- und Nieder dig, kreativ, vielschichtig und tief mit in kleinen Mengen als „Haustrunk“ am Oberösterreichs) trieben die Qualität des österreichs den ersten Ausbildungslehr- dem Land verwurzelt. Und dank dieser Hof erzeugt wurde. Die beliebten Most- Mostes stetig und unermüdlich voran. gang zum/zur Mostsommelier/ière. starken Wurzeln wächst und gedeiht das schänken waren noch Orte, wo Most zur Das oberösterreichische Mostgütesiegel Sie sind die Botschafter der neuen oberösterreichische Mostangebot mit Jause gerne genossen wurde. Und nur wurde von der Landwirtschaftskammer Mostkultur und tragen wesentlich dazu all seinen Facetten und seiner unschlag- wenige bäuerliche Betriebe haben sich in gemeinsam mit den Landwirtschafts- bei Most wieder salonfähig zu machen. baren Vielfalt weiter. Im 19. Jahrhundert dieser „mostarmen“ Zeit professionell schulen entwickelt um die Qualität des 2007 wurde der Mostsommelier-Verein erlebte der Most seine Hochblüte und der Mosterzeugung gewidmet. Mostes zu heben. gegründet. In Zusammenarbeit mit den Mostsommeliers wurden auch die Ange- 2002 brachte die Landwirtschafts botskriterien bei den lokalen Mostkosten kammer Oberösterreich das erste Most- neu definiert und nach einheitlichen kochbuch „Mostkulinarium“ – Most in Qualitätsvorgaben bewertet. der Pfanne, am Teller, im Glas“ heraus. Gleichzeitig wurden auch erstmals die Hochwertige Moste herzustellen, ist ein Seminarbäuerinnen für Mostkochkurse solides Handwerk, das Weiterbildung, ausgebildet. Dieses Mostkochbuch ständigen Austausch mit Berufskollegen war Anstoß und eine der Grund sowie professionelles Marketing braucht. lagen für die Mostrezepte-Plattform So wurde auch das Weiterbildungsange- (www.mostrezepte.at) und das Buch die bot der Qualitätsmosterzeugung forciert. Österreichische Mostküche der Nieder Die moderne Keller- und Lagertechnik österreichischen Moststraße der oberösterreichischen Mostbauern (www.moststrasse.at). und -bäuerinnen sowie das stetige Somit wurde Most auch als Top-Produkt Streben, die Mostproduktion zu ver- für die genussorientierte Küche und als vollkommnen, lässt so manchen Wein Speisenbegleiter neu definiert. bauern erblassen. 24 25
Rund um den Most Die Qualitätsentwicklung Oberösterreichische Mostschänken – „MostWanted“ – Die Emanzipation Heimat, Geselligkeit, Kult und Genuss in Reinkultur von der Dopplerflasche zum Lifestylegetränk „Kein Genuss ist vorübergehend, denn ken wie Wein und Most. Wie in Ober- „Qualität ist, wenn der Kunde zurück- Oberösterreicher. Den Titel prämierter der Eindruck, den er zurücklässt, ist österreich eine bäuerliche Mostschänke kommt und nicht das Produkt!“ OÖ Jungmost (www.unsermost.at) bleibend!“ Johann Wolfgang von Goethe geführt werden kann, ist in zwei Erlässen Dr. Günther Schreiber dürfen nur jene Moste tragen, die den geregelt. D. h. diese Mostschänken haben hohen Anforderungen der unabhängigen Den Ursprung haben die Mostschänken Einschränkungen beim Angebot von „Heute schmeckt der Most besser!“, Experten-Jury entsprechen. in Oberösterreich im Hausruckviertel, Speisen und Getränken sowie bei den das geben sogar alte Mostbauern zu. dem Landl und im Traunviertel. Most- Öffnungszeiten. Doch bäuerliche Most- Denn früher war ein guter Most meist Ja, heutzutage ist es gar nicht mehr so schänken gehen bis in 17. Jahrhundert schänken werden auch gewerblich ge- ein Zufallsprodukt. Es hat auch bei leicht, als wirklich guter Most zu be zurück. Bäuerliche Mostschänken führt, das heißt in der Praxis, sie werden uns gedauert, bis aus Zufallsqualitäten stehen. Doch für den mostbegeisterten sind beliebter denn je. Ob Familien, grundsätzlich wie ein Gastronomiebetrieb eine Spezialität und in weiterer Folge Konsumenten bedeuten diese stetigen stressgeplagte Manager, junge Leute, geführt und haben keine Einschränkun- ein M ythos – der Qualitätsmost her- Qualitätsbemühungen neue Most- Senioren – beim Mostbauern treffen gen beim Angebot und Öffnungszeiten. anreift. Die neue Generation der Most Geschmackserlebnisse, Sicherheit und sich alle. Ja, nicht umsonst heißt es: produzenten ist, inspiriert durch die Genuss auf höchstem Niveau. Wichtig „Beim Essen und Trinken kommen die Inspiriert durch die TOP-Heurigen in guten Wein- und Sortenkenntnisse vieler ist auch der Dialog zwischen Konsumen- Leut’ z’samm!“ Most schlägt Brücken Niederösterreich gibt es in Oberöster- Konsumenten, auf der stetigen Suche ten und Produzenten. Denn für unsere in alle Bevölkerungsschichten und bei reich seit 2012 auch eine besondere nach neuen, besonderen, einzigartigen Mostproduzenten gilt: Stehenbleiben ist Brettljause, Erdäpfelkäsebrot, Most- Auszeichnung für besonders qualitäts- Mostprodukten für den anspruchsvollen ein Rückschritt. Sie folgen weiterhin dem schober & Co kann man die Landschaft bewusste Mostschänkenbetreiber. Zehn Genießer. Motto: „Wer aufhört, besser zu werden, förmlich schmecken und mit allen Sin- oberösterreichische Mostschänkenbe- hat aufgehört, gut zu sein!“ nen genießen. Bäuerliche Mostschänken triebe dürfen sich derzeit mit dem Titel Oberösterreich ist mit einer wunder dürfen nur an bestimmten Wochentagen „Ausgezeichneter Most&Kostbauer“ baren Vielfalt an Apfel- und Birnensorten öffnen. Laut Dr. Siegfried Bernkopf schmücken. Zu Recht, denn diese Be- beschenkt und die Kreativität und das durfte ab 1757 Most nur mehr zwischen triebe haben sich einem strengem Audit Qualitätsniveau sind bemerkenswert. den Namenstagen Georg (23. April) und gestellt und wurden in Bezug auf Quali- Ob Obstschaumwein, Cider, sortenreine Michael (29. September) ausgeschenkt tät und Regionalität der Moste und von Moste oder Cuvées – bei bundesweiten werden. Speisenangebot, Ausstattung, S ervice, Prämierungen (Wieselburg) sind die Zusatzangebote uvm. geprüft. Kurz oberösterreichischen Mostproduzenten In jedem Bundesland gibt es unterschied- gesagt, diese ausgezeichneten Betriebe im Spitzenfeld. Der Lebensmittel-Cluster liche rechtliche Grundlagen für den bieten Bodenständigkeit und Genuss auf Oberösterreich hat in Zusammenarbeit Ausschank von selbst erzeugten Geträn- höchstem Niveau. mit der Landwirtschaftskammer Ober- österreich und Vertretern der gewerb lichen Wirtschaft 2011 erstmals den Most-Culinarix gestartet. Ein relativ junges Mostprodukt ist der OÖ Jungmost. Er ist ein Apfel-Birnen- Most, also ein für Oberösterreich so typischer Mischling, der sich im Glas fruchtig, jung, dynamisch und lebendig präsentiert. Eben ein echter 26 27
Rund um den Most Mosterzeugung Mosterzeugung muss nach der Gärung der Most vom Geläger abgezogen werden. Birgit Puntigam Most abschwefeln Während der Gärung entstehen Gär Most wird auch als Obstwein bezeichnet Obst zerkleinern nebenprodukte, die teilweise den und die Produktion dieser aus Äpfeln Der Zerkleinerungsprozess trägt ent- Schwefel binden. Daher ist es nötig, den und Birnen erzeugten regionalen Spezi- scheidend zur Ausbeute bei. Wichtig ist, Most nach Gärende wieder zu schwefeln, alität ist im österreichischen Weingesetz das Obst nicht zu musen, da sonst die teile. Mittels Absetzen muss dieser damit er weiterhin geschützt ist. geregelt. Die Qualität von Most und Saft Saftwege verkleben. „Trub“ vor der Gärung abgetrennt braucht viel Wissen und Erfahrung von werden. Das Ergebnis ist ein sauberes, Most lagern der Sortenauswahl über die Ernte bis hin Obst pressen reintöniges Produkt. Luft ist für den Most tödlich. Deshalb zur Arbeit im Mostkeller. Der Pressvorgang richtet sich nach dem wird während der Gärung darauf geach- Reifegrad der Früchte. Manchmal muss Hefe beigeben tet, dass der Tank oder das Fass spund- Zwölf Schritte das Obst behutsamer gepresst werden, Von der Vielzahl an Hefearten sind im voll ist und die Temperatur kühl ist. Um vom Obst zum Most ein anderes Mal kann der Pressdruck Presssaft leider auch solche mit negati- die Reintönigkeit zu bewahren, wird der auch etwas rascher erhöht werden. Mit ven Eigenschaften vertreten. Um keine Most grob filtriert. Obst sortieren der Zeit kommt die Erfahrung und der Fehltöne zu verursachen, geht man auf „Von nix kummt nix“, das gilt auch in der Mostbauer weiß, wie er seinem Most Nummer sicher und schaltet die Wild Obstverarbeitung. Nur bestes und reifes den gewünschten Geschmack verleiht. hefen aus und setzt Reinzuchthefe bei. Obst kann beste Qualität beim Produkt hervorbringen. Obst waschen Im Haushalt wird es ebenso gemacht: Alles, was gegessen oder getrunken wird, muss vorher gründlich gereinigt werden. Most füllen Das verbessert den Geschmack und mi- Mit sterilisierten Geräten, Flaschen und nimiert Mikroorganismen, die Fehltöne Verschlüssen wird garantiert, dass das im Produkt verursachen. Gärung steuern Produkt in der Flasche gut lagerbar ist Presssaft schwefeln Je schneller der Most zu gären beginnt, und der Genussfaktor auch in der Fla- So wie eine Sonnencreme unsere Haut desto besser. Denn das Gärgas, allen sche bewahrt bleibt. schützt, schützt Schwefel den Most – voran CO2, das von der Hefe als Neben- nämlich vor Luft (Oxidation) und produkt gebildet wird, schützt vor Oxida- unerwünschten Mikroorganismen. Bei tion. Darum soll die Gärung möglichst Wein ist die Verwendung von Schwefel rasch eingeleitet und zügig zu Ende selbstverständlich. Dies sollte auch beim gebracht werden. Most so sein – schließlich ist unser Most ja ein Obstwein. Most abziehen Nach der Gärung sterben die Hefen ab Presssaft klären und sinken zu Boden. Dort fangen sie Der Presssaft enthält noch unerwünschte an, sich zu zersetzen. Dieses Geläger Stoffe, wie Kernteilchen oder Schalen könnte zu Fehltönen führen und deshalb 28 29
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