Rund um den Most - Land Oberösterreich

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Rund um den Most - Land Oberösterreich
Maria-Theresia Wirtl r Maria Dachs

Rund um den Most
Gelebte Mostkultur und
Mostschänken in Oberösterreich
Rund um den Most - Land Oberösterreich
Maria-Theresia Wirtl r Maria Dachs

Rund um den Most
Gelebte Mostkultur und Mostschänken in Oberösterreich
Rund um den Most - Land Oberösterreich
Vorwort

                                                             Mogst Most?
                                                             Oberösterreich ist der Feinkostladen            In den vergangenen Jahren hat der
                                                             Österreichs. In unserem Bundesland gibt         Most eine atemberaubende Entwicklung
                                                             es eine Vielzahl kulinarischer Spezialitäten,   hinter sich gebracht, vom einfachen
                                                             deren Produktion oftmals von Generation         Durstlöscher zum Qualitätsprodukt
                                                             zu Generation weitergegeben wird. Die           erster Güte – zahlreiche Prämierungen,
                                                             Rohstoffe für diese heimischen Lebens-          weit über unsere Landesgrenzen hinaus,
                                                             mittel liefern die Bäuerinnen und Bauern,       zeigen dies eindrucksvoll auf. In jedem
                                                             die Ihre Produkte mit Sorgfalt und Liebe        Schluck Most steckt somit ein Stück
                                                             anbauen, verarbeiten und veredeln.              Natur und in jedem Glas gleichsam ein
                                                                                                             Stück Heimat. Natürlicher Geschmack,
                                                             Der Most ist eines dieser Naturprodukte,        spürbare Qualität und gelebte Traditi-
                                                             die in Oberösterreich eine lange Traditi-       on – ein Produkt aus dem Herzen Ober-
                                                             on haben. Seine Grundlage sind die auf          österreichs.
                                                             Streuobstwiesen ausgepflanzten Äpfel-
                                                             und Birnbäume, welche ein prägendes             „G’sundheit – sollst leb’n“ – so lautet
                                                             Element unserer gepflegten Kulturland-          der Trinkspruch der Most trinkenden
                                                             schaft sind. Sie stehen für Tradition,          ­Genießer – und das bereits seit vielen
                                                             ein besonderes Naturerlebnis und sind            Generationen, „G’sundheit – sollst
                                                             mittlerweile zu einem bedeutenden                leb’n“ – das wünschen wir allen, die
                                                             länderübergreifenden Tourismusfaktor            unseren Ober­österreichischen Most
                                                             geworden.                                       genießen.

© 2013 by TRAUNER Verlag + Buchservice GmbH,
Köglstraße 14, 4020 Linz
1. Auflage 2013
Projektleitung:
Mag. Maria-Theresia Wirtl (Land Oberösterreich, Abt. Land-
und Forstwirtschaft, Stabstelle Genussland Oberösterreich)
und Mag. Maria Dachs (Landwirtschaftskammer Oberöster-
reich, Abt. Ernährung und Direktvermarktung)
Lektorat:
Karin Schuhmann, TRAUNER Verlag
Layout und Gestaltung:
Klara Beker, TRAUNER Verlag
Umschlagbilder:
OÖ Tourismus/Röbl
Herstellung: TRAUNER Druck GmbH & Co KG, Linz                Dr. Josef Pühringer                             Max Hiegelsberger
ISBN 978-3-99033-175-0                                       Landeshauptmann                                 Agrar-Landesrat
Rund um den Most - Land Oberösterreich
Rund um den Most                                                                                                                                            Inhalt

Unsere                                                                                 Inhalt
Mostschädl-Temperamente                                                                Mogst Most? (Vorwort von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer
                                                                                       und Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger)                                   3
                                                                                       Hans Gessl Unsere Mostschädl-Temperamente                                4
Hans Gessl
                                                                                       Maria-Theresia Wirtl Kulturgeschichtliche Notizen zum Most               5
Es ist nicht erweisen, dass der große griechische Arzt Hippokrates um 400 v. Chr bei   Henning Schimmel 8 000 Jahre Obstbaugeschichte                           9
einem Krug Most die Lehre von den vier Temperamenten austüftelte, aber angesichts
                                                                                       Heimo Strebl Vom Werden und Sein der
der bis heute gültigen Weisheit auch nicht auszuschließen:
                                                                                       oberösterreichischen Obstsortenvielfalt                                 15
Sanguiniker – lebenslustig, oberflächlich                                              Siegfried Bernkopf Brünnerling, Landlbirn und Co                        18
Diesem Temperamentbündel öffnet der Winawitzbirnmost Tür und Tor, am ehesten           Romana Schneider und Maria Dachs
vergoren, muss schnell getrunken werden, hat keine rechte Beständigkeit.               Die Qualitätsentwicklung beim oberösterreichischen Most                 25
                                                                                       Birgit Puntigam Mosterzeugung                                           28
Choleriker – willensstark und jähzornig
Unverkennbar der Most von der Landlbirn: Stark und heftig in der Wirkung, besitzt      Christine Schober Saft direkt vom Bauern                                30
er die Heimtücke ohne Vorwarnung im Körper aufzubrausen, dass sein Inhaber dann        Maria-Theresia Wirtl Der Most im Genussland Oberösterreich              32
zornig werden kann, ist verständlich: „In der Jugend summt er – im Alter brummt er“
                                                                                       Margit Steinmetz-Tomala Oberösterreichische Most Genuss Regionen        34
Melancholiker – tiefsinnig, schwermütig                                                Christine Dattenböck Oberösterreich entdeckt den Most                   37
Gekannt hat ihn ja eigentlich keiner, den Weber-Bartl, von dem der klassische,         Heimo Cerny Most und Vierkanter in Oberösterreich                       40
rotwangige Mostapfel den Namen hat. Eines aber ist sicher: Apfelmosttrinker sind
                                                                                       Barbara Haiden Ein Getränk von Welt                                     44
Gourmets, und irgendwann fängt jeder zu philosophieren an. Passionierten Apfel-
mosttrinkern wird ein hohes Alter prophezeit, Apfelmost an sich gewinnt mit dem        Romana Schneider und Maria Dachs
Alter garantiert an Geist.                                                             Mostgenuss gewusst wie – werden Sie Most­experte                        48
                                                                                       Ein Streifzug durch Oberösterreichs Mostschänken
Phlegmatiker – ruhig, etwas lahm                                                       (mit Wetterregeln zusammengestellt von Hans Gessl)                      53
Kenner, die in einem Fraunbirn- oder Schmatzbirnmost „hineinbeißen“, sagen: „Was
                                                                                       Klaus Buttinger How I met my Most                                      132
der kann, ist „haben“ (auf Zunge und Gaumen kleben bleiben).“ Will heißen: Deren
Aroma und Geist sind wahrlich keine Temperamentsbündel.                                Helmut Schmidinger Wo der Bartl den Most holt                          134
                                                                                       Ferdinand Reisinger Geist wächst nicht auf trockenem Boden             138
Hätte Hippokrates ein bissl tiefer in den Mostkrug geschaut, dann wäre er darauf ge-
                                                                                       Christian Schacherreiter Nun grüß dich Gott, mein edler Most!          142
kommen, dass sich die Temperamente, vermischt man sie, zu ungeahnter H   ­ armonie
zusammen finden.                                                                       Georg Friedl Heute Mostausschank                                       145
                                                                                       Peter Hirsch Mosthuldigung                                             148
Das Ergebnis ist – und dies mit ­hippokratischem Eid! – zumindest beim Mischlings­
                                                                                       Marianne Obermair Rezepte mit Most                                     150
most ein ausgezeichnetes.
                                                                                       Danksagung                                                             156

4                                                                                                                                                                5
Rund um den Most - Land Oberösterreich
Rund um den Most                                                                                                            Kulturgeschichtliche Notizen zum Most

Kulturgeschichtliche
Notizen zum Most
Maria-Theresia Wirtl

Das Wort „Most“ geht zurück auf die          scheinlich schon unser „Ötzi“ vergore-
Zeit der römischen Landnahme. Es leitet      nen Obstsaft getrunken hat!
sich vom lateinischen Wort „mustus“ ab,      Bei den Römern und Germanen finden
was so viel wie „frisch“ und „neu“ be-       sich zahlreiche Zeugnisse für Herstel-
deutet. Schon im Mittelhochdeutschen         lung und Ausschank von Obstwein.
war die Bezeichnung „Most“ für „­Apfel-
und Birnenwein“ in unserer Gegend            Im Mittelalter war der Most Haustrunk
gebräuchlich.                                der Bauern, aber noch keine Ware, mit
Will man die Mehrzahl, den Plural ver-       der auch Handel getrieben wurde. Der        Beim Mostmachen
wenden, so spricht man korrekterweise        Adel trank Wein, das allmählich erstar-
von „Mosten“.                                kende und reiche Bürgertum in den           entlang den Straßen und finanzielle         Region geworden. Aus dem bäuerlichen
                                             Städten machte es ihm nach – wenn es        Anreize für die Obstbaumpflanzungen,        Haustrunk wurde ein Volksgetränk.
Kasus          Singular      Plural
                                             leistbar war.                               waren die Grundlage für unsere heutigen
Nominativ      der Most      die Moste
                                                                                         landschaftsprägenden Streuobstwiesen.       Bei den Bauern stand während der Ernte­
Genitiv        des Mostes    der Moste
                                             In der frühen Neuzeit trat der Most         Diese staatlichen Maßnahmen förderten       arbeit stets ein Krug Most zum Durst­
Dativ          dem Most/     den Mosten      schon in Konkurrenz zu Bier und Wein,       die Mosterzeugung und führten sie zu        löschen bereit. Frauen tranken gewäs-
               dem Moste
                                             und das hatte einen guten Grund, denn       wahren Höhenflügen, sodass schließlich      serten Most, ebenso wie die Kinder, bei
Akkusativ      den Most      die Moste       das bevorzugte Getränk der Bauern           das 19. Jahrhundert als das „Jahrhun-       denen Most als Mittel galt, um ihr Her-
                                             war steuerfrei! Mancherorts wurde           dert des Mostes“ bezeichnet werden          anwachsen zu fördern. Es war sogar die
Die Geschichte des Mostes beginnt mit        daher bald der gewerbsmäßige Most­          kann. Die Mostobstbäume fanden              Meinung weit verbreitet, dass der Most
der Sesshaftigkeit in der Jungsteinzeit      ausschank, das „leutgeben“ verboten.        hervorragende klimatische Bedingungen       bei den Menschen dieselbe Wirkung
und mit Ackerbau und Viehzucht. Es                                                       in den ehemaligen Weinbaugebieten           habe wie Hafer bei den Pferden, nämlich
kann angenommen werden, dass wahr-           Wirklich wirtschaftlich bedeutend wurde     des 18. Jahrhunderts, dazu zählen das       kräftigend und für die Gesundheit unum-
                                             das Mostmachen aber im 18. Jahrhun-         Aschacher Becken, das Kremstal und das      gänglich. Moderne Ernährungswissen-
                                             dert. Der Physiokratismus brachte eine      Gebiet um Traun, St. Florian und Enns.      schafter fanden heraus, dass Most die
                                             Aufwertung der Landwirtschaft, indem er     All das führte im 19. Jahrhundert zu        Leistungsfähigkeit der Menschen steigert
                                             erkannte und postulierte, dass nur eine     einem wahren „Most-Boom“.
                                             gesunde Landwirtschaft auch eine ge-        Damals erhielt auch das durch den
                                             sunde Volkswirtschaft bedingen kann.        Mosthandel reich gewordene nieder­
                                                                                         öster­reichische „Mostviertel“ seinen bis
                                             Kaiserin Maria Theresia und ihrem Sohn      heute gebräuchlichen Namen.
                                             Joseph II. ist es zu verdanken, dass sich
Ernte: D’Kornmandeln stehen und der Apfel­   die Mostkultur in der Folge gewaltig aus-   Aber auch in unserem Bundesland,
baum spendet Schatten, und den Most im
                                             breiten konnte. Gezielte Maß­nahmen,        besonders im Traunviertel, war der Most
Krug. (Zeichnung: Ernest ­Schmimmel, 1947)
                                             wie die Pflanzung von Obstbäumen            zum einträglichsten Erwerbszweig der
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Rund um den Most - Land Oberösterreich
Rund um den Most                                                                                                                     8 000 Jahre Obstbaugeschichte

und krebserregende Stoffe, vor allem im
Geräucherten, abbaut – es macht also
                                          das arbeitsintensive „Mostklauben“ zahl-
                                          te sich nicht mehr aus, der Most wurde
                                                                                     8 000 Jahre
auch ernährungsphysiologisch Sinn, zur
Speckjause Most zu trinken!
                                          als „Landessäure“ abgestempelt und
                                          zum „Armeleute-Getränk“ abgewertet.        Obstbaugeschichte
Die gesellschaftlichen Veränderungen      Ab den 1990er-Jahren kann man nun          zusammengestellt von Henning Schimmel
brachten dem Most im 19. Jahrhundert      wieder von einer Most-Renaissance spre-
neue Käuferschichten bei der Arbeiter-    chen. Die Mostqualitäten im Genussland     Seit 8 000 Jahren nützt und entwickelt die Menschheit die Kultur der Frucht bringen-
schaft. Der Most galt als „Krafttrunk“    Oberösterreich werden seither immer        den Bäume. Wir haben für Sie die Weltgeschichte des Obstbaus und der gärenden
und war vor allem auch billig. Der Bau    besser. Die Mostmacher orientieren sich    Säfte aus Äpfeln, Birnen und Weintrauben zusammengetragen.
der Eisenbahn durch Oberösterreich        an der Kellertechnik der Weinbauern und    Dass diese drei zusammengehören, lehrt die Geschichte ebenso wie den maßgeb-
und die Möglichkeit des Bahntransports    der Most gewinnt als Natur- und regio-     lichen Einfluss des Klimas auf Wohl und Wehe der Gesellschaft wie der Obstkultur.
brachten den Most zu neuen Absatz-        nales Identitätsprodukt zunehmend an       Oberösterreichs Beiträge (hervorgehoben in braun) zu dieser Weltgeschichte sind
märkten und nah an den Konsumenten        Wertschätzung und Ansehen.                 bedeutend und haben uns nicht umsonst zum „Mostreich“ werden lassen!
in den Städten.
                                                                                      v. Chr.   Vor rund 10 000 Jahren zieht sich die letzte Eiszeit zurück und langsam
So verwundert es nicht, dass die impo-                                                          wandern Wildlinge, wilde Holzäpfel (Malus sylvestris) und Holzbirnen
santen Vierkanter Oberösterreichs als                                                 6000      (Pyrus communis) in die mitteleuropäischen Eichenmischwälder ein.
„Häuser, die der Most gebaut“ bezeich-
net werden, was anschaulich ausdrückt,                                                          Jungsteinzeit
dass der Wohlstand der bäuerlichen                                                    4000      Im Bodensatz historischer Pfahlbauten am Ufer des Bodensees (Unruhl-
Besitzer der Mostproduktion zu verdan-                                                          dingen) finden sich neben Nahrungsresten der wilden Holzäpfel und
ken ist.                                                                              3200      -birnen auch jene von größeren Äpfeln: Der Pfahlbauapfel war kultiviert
                                                                                                worden.
Im 20. Jahrhundert kam dann der
Nieder­gang und mit ihm der Image-                                                              Hethiter, Urartu, Assur und Ägypten
verlust. Durch die Mechanisierung der                                                 2000      Assyrer erobern bei Kriegszügen auch Samen aus Apfel- und Birnbaum­
Landwirtschaft zwischen 1960 und 1980                                                           wäldern der Südkaukasusvölker und kultivieren in Kleinasien den Obstbau.
wurden in den landwirtschaftlichen                                                     1500     Ägypten, selbst zwar nur Importeur des neuen Kulturobstes, überliefert
Betrieben immer mehr Arbeitskräfte ab-                                                          uns die älteste Darstellung eines Gartens mit Apfel- und Birnbäumen.
gebaut. Der Eigenbedarf wurde geringer,
                                                                                                Ägäische Bronzezeit
                                                                                                Die frühen Griechen bringen das Wissen Kleinasiens nach Europa und
                                                                                      1000      kultivieren Wein- und Obstbau in ihren Kolonien, in Unteritalien um das
                                                                                                Jahr 1000. Homer bzw. der nach ihm benannte Dichterkreis liefert die
                                                                                                ersten überlieferten Belege des Obstbaus: Da wachsen große Bäume,
                                                                                                kräftig sprossend: Birnen und Granaten und Apfelbäume mit glänzenden
                                                                                       830      Früchten … heißt es in der Odyssee. „Die Birne ist eine Gabe der G­ ötter.“
                                                                                                (­Homer)
                                                                                                Den frühen Griechen gelingt es, aus der Wildbirne (­Pyrus ­pyraster), die ih-
                                                                                                nen heilig war (magenreinigend, stuhlfördernd), erste weiche Speise­birnen
                                                                                                zu züchten: die Phlocische und die Apische Birne. Sie verbreiten diese und
                                                                                                bringen zugleich die Apfelkultur zur ersten Hoch­blüte.
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Rund um den Most - Land Oberösterreich
Rund um den Most                                                                                                                          8 000 Jahre Obstbaugeschichte

           Als Symbol höchsten Lohns besingen griechische Rhapsoden den Apfel,              455      Demokrit verfasst die erste Schrift über Landbau (überliefert von
           schön rot im Urteil des Paris (Ilias) und golden bei den Hesperiden, Hera-       400      ­Columella im Liber Georgicon 60 n. Chr.). Hippokrates beschreibt die The-
           kles/Herkules geht hier als erster Apfeldieb in die Geschichte ein.              360      orie des richtigen Okulierens. Mit Theophrast aus Lesbos betritt der erste
                                                                                            320      Pomologe die „Obstweltbühne“. Er beschreibt alle Künste des Veredelns
           Hallstattzeit                                                                             sowie sechs kultivierte Apfel- und vier Birnensorten (Werke: Historia- und
     800   Zahlreiche Kulturäpfelfunde im oö. Seengebiet ab 1100 v. Chr. deuten auf                  Causae plantarum)
           eine Fortzucht bodenständiger Wildlinge der Hallstattkultur hin.
                                                                                                     Römisches Reich
           Frühes Rom                                                                       152      Rom – neue Brücke zwischen Asien und Europa – beerbt die griechischen
     800   Pomona, der Göttin der Früchte im damals noch unauffälligen Rom, wird            100      Wissenschaften und wird zum Schöpfer des modernen Gartenbaus. Catos
           ehrenhalber die Erfindung des Okulierens zugeschrieben.                                   De Agricultura ist das erste lateinische Werk über Feldbau.
                                                                                             50      Roms Legionäre bringen erste veredelte Obstsorten in die Provinzen Gallia
           Babylon, Reich der Perser                                                                 et Germania. Keltischen Stämmen in Baden ist im 1. Jh. v. Chr. die Erfin-
     600   Nebukadnezars II. Hängende                                                                dung des Holzfasses für die Lagerung von Vergorenem nachzu­weisen.
           Gärten der Semiramis enthalten                                                    0       Man sieht darin den Hinweis auf keltischen Obstwein – für unseren Most
           auch viele Obstbäume. Auf einer                                                 n. Chr.   wäre dies die Stunde Null.
           trockenen Ebene im Zweistrom-                                                             Die Obstbauförderung führt zu einem Sortenboom im Römischen Reich.
     540   land gelegen, waren die pracht-                                                   60      Anbautechnik und Pomologie beschäftigen große Geister der Zeit wie
           vollen Gärten Babylons ein un-                                                    70      Vergil, Varro, Columella. Letzterer, „Vater der Pomologie“ genannt, gibt
           glaubliches (klassisches) Welt-                                                   77      in zwölf Büchern (De re rustica) das gesamte Wissen über die damalige
           wunder.                                                                           80      Landwirtschaft bekannt. Und Rom beliefert seinerseits nun Griechenland
           Die Perser erobern Mesopotamien und errichten ihr Großreich bis zur              180      mit Edelreisern. Plinius Secundus (d. Ä.) beschreibt in seiner Natur­
           Ägäis. Der Apfel wird erstmals als Wort in Keilschrift gefasst (­Persepolis).    200      enzyklopädie insgesamt 1 000 Pflanzen, darunter 39 Birnen-, 23 Apfel- und
           Die Ernährungslage sichernd, pflanzt der Gründer des persischen Reiches,                  allein 71 Rebsorten.
           Kyros II. „eigenhändig“ Obstbäume an Heer­straßen und in den Städten.                     Den germanischen Völkern nördlich des Limes dürfte der Obstbau in
           Seine Königsgärten, persisch pairidaeza, begeistern griechische Historiker                kultivierter Form nicht geläufig gewesen sein, der einzige historische
           wie Xenophon, der sie als Parádeisoi ins Griechische einführt.                            Bericht der klassischen Welt über die Germanen von Tacitus beschreibt
           Das Wort Paradies-Garten kommt just von dort, wo auch das Alte Testa-                     deren Landstriche „aus Wald und Sumpf – für den Obst- und Weinbau
           ment den Garten Eden (Anm. u.) ansiedelt: aus dem mythischen Land                         ungeeignet“.
           des Gilgamesch-Epos, lokalisiert im Quellgebiet von Euphrat und Tigris                    Galenus, Leibarzt Marc Aurels („Philosophenkaiser“ und großer Obst­
           am Fuße des Kaukasus, wo man die Wiege des Obstbaus annehmen darf!                        esser, starb in Vindobona/Wien), beschreibt, wie man Wein und Essig aus
           (Anm.: sumerisch edinu: Steppe, Wüste; ein Übersetzungsfehler Luthers,                    Birnen macht.
           richtig wäre: Ein Garten in Eden!)                                                        Der Ausbreitung Roms sind die heute kultivierten Apfel­sorten und die
                                                                                                     Kunst der Obstbaumveredelung in ganz Europa zu verdanken. Der höchs-
           Klassisches Griechenland                                                                  te Kultursortenstand (192!) und das Moselgebiet werden vom Obstbau
     500   Pythagoras, Philosoph, Mathematiker und Politiker, lehrt den Vegetaris-                   erreicht
           mus. Die Griechen erfinden das Pfropfen. Das Geheimnis dieser Technik
           der vegetativen Sortenvermehrung über Edelreiser wussten sie 1 000 Jahre                  Völkerwanderungszeit
           zu wahren! Ihre süßen Birnen wurden zum Exportschlager.                          200      Mit dem Niedergang römischer Kultur geht auch jener des Obstbaus
           Boden und Klima waren so günstig, dass man die Peloponnes symbolisch             350      einher. Die einstige Vielfalt schrumpft auf ganze sieben Apfel- und Birnen­
           Apia, Birnenland nannte. Konsul Appius Claudius bringt aus Apia die              480      sorten! Der Zusammenbruch Roms lässt den edlen Wein sogar völlig
           Apfelsorte Api nach Italien.                                                     540      versiegen: Felder und Gärten werden von durchziehenden Heer­völkern
                                                                                            600      verwüstet. Man hatte es auf die Vernichtung der Weingärten abgesehen,
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Rund um den Most - Land Oberösterreich
Rund um den Most                                                                                                                        8 000 Jahre Obstbaugeschichte

            der Wein rankte sich um die eingestreuten Apfel- und Birnbäume, eine           1371   Oberösterreich schreibt im Schaumburger Urbar Geschichte: erstmals
            uralte Symbiose-Anbautechnik. Ebenso uralte Kriegstechnik gegen Wohl-                 wird im deutschsprachigen Raum eine Baumschule (Pfeltzpewnt) und die
            standsgrundlagen ließ so Streuobstwiesen zurück!                                      erste Kulturbirne, die Regelspuren (Regelsbirne) in Tuenheim/Eferding
            Der Begriff „Tresterwein“ taucht erstmals auf im Jahre 540.                           beurkundet.
            Schwerste Strafen für Beschädigung der wertvollen Obstbäume sprechen
            die Falischen und Bayrischen Gesetze aus.                                             Renaissance
                                                                                           1424   Poggio Bracciolini entdeckt die Schriften Columellas wieder, ein Anknüpfen
            Fränkisches Reich, Deutsches Reich (Hl. Römisches Reich)                              an alte römische Sorten ist nicht mehr möglich. Der Orient liefert neue
     722    Oberösterreich beurkundet 14 Weinbauorte wie Rohrbach/St. Florian,                    Züchtungen und Europa hat inzwischen neue Arten hervorgebracht.
            Polsing/Eferding, Aschach/Donau, Ottensheim, Attersee-Dorf, Aist/Naarn                Für unseren Raum waren dafür die bodenständigen, widerstandskräftigen
            u. v. m.                                                                              Wildlinge segensreich. Bis tief ins 19. Jahrhundert holen die Bauern aus
     812    Karl der Große verfügt im Capitulare de Villis Apfel- und Birnenbaum als              den Wäldern die Urbäumchen als Veredelungsunterlagen.
            Kulturgewächse in den Landbau aufzunehmen. Die Äpfel Gomaringer,                      Kälteeinbrüche von 1420 bis 1460.
            ­Geroldinger und der Speyerling, heute hessische Obstweinspezialität,          1545   Padua errichtet den ersten Lehrstuhl für Botanik. Viele Universitäten
             werden empfohlen und Apfelwein soll fürderhin gepresst werden!                       folgen. Es gibt nun 21 Obstsorten und eine Flut neuer Namens­gebungen
     890     Die erste deutschsprachige Erwähnung eines Baumgartens – Poum­gartin,                setzt ein.
             vermutlich eine Baumschule – wird schriftlich für den Attersee belegt.               Der Haustrank Most beginnt bäuerliche Landeskultur zu ­werden.
     1050    König Konrad III. bringt vom ersten Kreuzzug – erneut – den (alten            1582   Massive Kälteperioden 1570 bis 1590. Kurfürst August von Sachsen fördert
     1191    ­peloponnesischen) Api heim ins Deutsche Reich.                                      den Obstbau rigoros, gibt selbst ein Obstgartenbüchlein heraus. Mit dem
              Hildegard von Bingen rät zeitgleich in ihrer medizinisch-kulinarischen              Ehestandsbaumgesetz verpflichtet er frisch Vermählte, zwei Obstbäume
              ­Physika vom Genuss roher Äpfel ab, was nicht verwundert, kannte man                zu pflanzen.
               damals nur drei wohl nicht sehr süße Sorten.
               Ein positives Zeichen hält erstmals Heinrich VI. als Kaiser des Hl. Römi-          Barock und Rokoko
               schen Reiches in Händen: des Reiches Apfel als jüngste Insignie             1629   John Parkinson zählt 57 Apfel- und 64 Birnensorten in England, während
                                                                                           1648   das Wirtschaftsleben Mitteleuropas im Dreißigjährigen Krieg zugrunde
            Hoch- und Spätmittelalter                                                             gerichtet wird. Klimaeinbrüche vernichten noch verbliebene Rebflächen,
     1240   Unsere Babenbergerlande besitzen die ältesten Nachrichten über Most­                  wieder verbleiben „nur“ großflächige Streuobstwiesen (wie 480 n. Chr.).
            erzeugung in Mitteleuropa. Nur das westliche Frankreich (also das heutige             Dörrobst, Most und getrocknete Trebern sichern die Ernährungslage im
            Gebiet der Cidrekultur) kann noch ältere Belege um 1190 erbringen.                    Winter. Die Wiedererrichtung des Obstbaus wird zur Chefsache (Staats­
     1260   Für das Jahr 1259 wird die größte Eruption eines Vulkans des Jahr­tausends            programm z. B. in Preußen).
            nachgewiesen. Ein Jahrzehnt lang wird von Kälte, Missernten, Hoch-             1670   J.-B. La Quintinie, Frankreichs „Vater der Pomologie“, beschreibt
            wässern, Viehseuchen, Kriegen und Auswanderungswellen berichtet.                      164 ­Birnen- und 57 Apfelsortenorten (mittleres Bild rechts). 30 Jahre später
            Tiefststand beim Obstbau: Albertus Magnus’ Feldbauwerk De vegetabilis                 kennt das Reich Ludwigs XIV. bereits 300 Sorten, 1850 wird man bei 1 000
            erwähnt „Apfelmost- und Essigbereitung“ mit eben­diesen kargen Worten,                anlangen!
            also nur am Rande.                                                             1691   Windhaag bei Perg (Herrschaft des oö. Statthalters Graf Enzmilner) zählt
     1305   Pier’ de Creszenzis Summa der Landwirtschaft löst (endlich) ein Renais-               im Schlossgarten wieder 26 Apfel-, 19 Birnen- und auch elf Kirschen­sorten.
            sance des Obstbaus in Europa aus. 15 Obstsorten zählt der Mann aus             1724   Kälteeinbruch und folgende Hitzewelle: Hungersnot in Deutschland,
            Bologna.                                                                       1725   in Oberösterreich jäher Einbruch des bis dahin blühenden Weinbaus.
     1312   Markgraf Waldemar von Brandenburg fördert rigoros den Obstbau im ho-           1791   Landgraf Karl von Hessen errichtet eine Staats-Obstbaumschule, jedes
            hen Norden, die „rechte Lagerung gärender Säfte in Fässern“ wird geboten.      1793   junge Ehepaar erhält um einen Symbolbetrag zwei junge Bäume zur Aus-
                                                                                                  pflanzung.
                                                                                                  Schlesien (bis 1742 bei Österreich) zählt 1,4 Millionen Obstbäume im
                                                                                                  Jahre 1791.
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Rund um den Most - Land Oberösterreich
Rund um den Most                                                                          Vom Werden und Sein der oberösterreichischen Obstsortenvielfalt

            Johann Caspar Schiller, Vater des großen Dichters, gibt ein Standardwerk
            über die wissenschaftliche Obstbaumzucht heraus. Die agrarischen             Vom Werden und Sein
            Fachwerke zielen auf Industrialisierung ab, Rebsorten werden ab nun in
            Reihen gepflanzt, die alte Anbausymbiose Apfel – Birne – Wein gerät in
            Vergessenheit.
                                                                                         der oberösterreichischen
            Das 19. und 20. Jahrhundert                                                  Obstsortenvielfalt
     1820   Der Ausbruch des Vulkans Tambora (Indonesien) zieht die kältesten jemals
            in Europa gemessenen Temperaturen nach sich (bis 1819).                      Heimo Strebl
            Napoleons Kriege finden ein Ende.
     1850   Die Mostkultur, schreibt man, „blüht und gedeiht, o Wunder!“ Nach deut-      Oberösterreichs Landschaft wird geprägt     Lange Geschichte
            schen Vorbildern gedeihen in Habsburgs Erblanden die Baumschulen.            von den mächtigen Hochstammobst­            Vor 65 Millionen Jahren gab es bereits
            Erzherzog Johann lässt Sämlinge an die Bauern weitergeben. Nur dort,         bäumen des Streuobstbaus. Mit               Vorläufer der heutigen Kernobstarten
     1870   wo anno 777 der Weinbau begann, geht eine einst flächendeckende ober­        15 000 ha ist Oberösterreich das Bundes-    Apfel und Birne. Am Ende der letzten
            österreichische Tradition zu Ende: In Aschach an der Donau wird die letzte   land mit den meisten Streuobstgärten.       Eiszeit vor rund 10 000 Jahren existierten
            Rebfläche gerodet (1870).                                                    Nach der Birne ist der Apfel die zweit-     bereits Wildapfelformen vom Kaukasus
     1890   Dem sogenannten Polarwinter 1879/80 fallen in Süddeutschland große           häufigste Obstart. Daneben gibt es viele    bis China. Die kasachische Hauptstadt
            Teile des Obstbaumbestandes zum Opfer. Umgehend werden Kreisbaum-            großkronige Obstbäume in den Gärten.        Alma Ata weist auf den Apfel hin: Alma
            schulen und Pomologenvereine gegründet. Diese empfehlen Erwerbsobst-                                                     bedeutet „Apfel“ und Ata „Großvater“ –
     1906   bauern auch die Vernichtung „unwerter Sorten“: der Anfang vom Ende der       Oberösterreich im Herzen                    also „Großvater des Apfels“. Von 4000–
            Sortenvielfalt. Rebkrankheiten (Mehltau u. a.) werden mit neuen Rebsorten    des europäischen Apfelgürtels               1800 v. Chr. ist in Persien Apfelanbau
            aus den USA eingeführt, Totalausfälle der Weinernte folgen.                  Die oberösterreichischen Voralpen und       nachweisbar, der über die Griechen und
     1910   Aber erst die Haltbarmachung des Bieres macht jetzt die Bierbrauer zu den    das oberösterreichische Alpenvorland        Römer zu uns gekommen ist. Die Römer
            Durstlöschern Nr. 1. Frankens Weinbauernkrise: Alle Rebflächen werden        liegen in der Mitte des europäischen        kultivierten bereits um die 100 Apfel-
            gerodet und eine Auswanderungswelle führt die um ihre Existenz Gebrach-      Apfelgürtels, der sich entlang des Alpen­   und Birnensorten.
            ten just dorthin, von wo das Unglück Mehltau kam (USA). Erst seit 1964       bogens erstreckt. Das Wechselspiel
            gibt es wieder Mainwein.                                                     zwischen warmen Tagen und kühlen            Die Klöster als treibende Kraft
     1912   Eine k. u. k. Mostbirnenschau zählt 1 500 Sorteneinsendungen! 48 %           Nächten im Herbst verleiht den Früchten     Im 5. Jahrhundert n. Chr. lag der Obst-
     1923   dieser Züchtungen kommen alleine aus Oberösterreich und dem nieder-          ihr festes Fruchtfleisch, ihr typisches     bau aufgrund der zahlreichen Kriege
     1950   österreichischem Mostviertel. Die Freigabe von Hausbrand­kontingenten        Aroma und ihr spezifisches Zucker-          darnieder, 200 Jahre später begannen die
            zielt auf den Erhalt des Streuobstbestands zur Versorgung in Notzeiten ab.   Säure-Verhältnis.                           Klöster Obstarten und -sorten intensiv
            Standardobst­sorten, Abholzungsprämien und andere Fehleinschätzungen                                                     zu kultivieren. Da viele Mutterorden in
            greifen den Streuobstbestand an. Fichtenmonokulturen führen zur Aus­                                                     den romanischen Ländern beheimatet
            rottung der letzten Obstbaum-Wildlinge, US-Plantagenobst­importe tun ein                                                 waren, kamen viele neue Sorten von
            Übriges: Die Sortenvielfalt geht stark zurück.                                                                           dort, insbesondere aus Frankreich. Ende
     1957   Der bakterielle Feuerbrand wird aus den USA nach England eingeschleppt                                                   des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhun-
     1993   und erreicht den ersten Streuobstbaum Österreichs in Vorarlberg im Jahre                                                 derts wurde es zu einer Mode, unzählige
            1993.                                                                                                                    Obstsorten als Reiser zu importieren,
     1996   Die EU-Verordnung Nr. 2200/96 bestimmt Qualitätsnormen für Obst. Alte                                                    vor allem aus Frankreich, Belgien und
            Sorten haben nur mehr durch Direktvermarktung eine Handels­chance.                                                       England. Manche Hochstämme aus
                                                                                                                                     dieser Zeit stehen heute noch.

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Rund um den Most - Land Oberösterreich
Rund um den Most                                                                          Vom Werden und Sein der oberösterreichischen Obstsortenvielfalt

Allegorie auf das Hausruckviertel, Fresko von Franz Attorner im OÖ. Landesmuseum,
Francisco Carolinum

1643 wurde die Apfelsorte „Weisspra-           auf diese vielfältigen genetischen Res-   neben wurden seit jeher Tafeläpfel wie      Oberösterreichs Mostbirnen – ist um
cher“ erstmals erwähnt, 1687 wurden            sourcen zurückgreift, um neue Sorten      Weißer Klarapfel, Gravensteiner, Croncels   1850 in Kärnten entstanden. Über die
die „Priner Öpfl“ bzw. der „Brunner“           etwa resistent gegenüber Krankheiten      Transparent, James Grieve, Dr. Olden-       Steiermark ist sie schließlich nach Ober-
erwähnt, beides Synonyme für den heute         wie Schorf, Mehltau oder Feuerbrand zu    burg, Jakob Lebel, Kaiser Wilhelm, Roter    österreich gelangt. In Bayern und Baden-
noch bekannten Brünnerling. 1691 kul-          machen. Wichtige Faktoren sind auch       Berlepsch, Berner Rosenapfel, Boskoop,      Württemberg heißt sie aus diesem
tivierte das Kloster Windhaag bei Perg         die Fruchtfarbe sowie die Inhaltsstoffe   Wintergoldparmäne und Ontario               Grund Oberösterreichische Weinbirne.
bereits 85 Obstsorten, davon 26 Apfel-         des Apfels.                               gepflanzt. Interessant ist, dass in den     In Vorarlberg nennt man sie Zitronen-
und 19 Birnensorten.                                                                     bäuerlichen Gärten auch moderne resis-      gelbe aufgrund ihrer gelben Färbung in
                                               Ein buntes Miteinander                    tente Sorten Einzug gehalten haben. Am      vollreifem Zustand.
Kulturgut und                                  alter und neuer Sorten                    bekanntesten sind etwa Topaz oder die
genetische Ressource                           Im bäuerlichen Extensivobstbau, in        „Re-Sorten“ Rewena, Retina und Remo.        Das Alter ist relativ
Alte Obstsorten bieten eine breite             der Regel als Streuobstbau bezeichnet,                                                Die Begriffe alt und neu sind bei
Palette an genetischer Vielfalt, welche        werden Verarbeitungs- und Kochäpfel       Mostland Oberösterreich                     Obstsorten sehr relativ. So ist etwa die
das begrenzte Potenzial des heutigen           wie Brünnerling, Rheinischer Bohnapfel,   In Oberösterreich hat der Most reiche       Apfelsorte Erbachhofer, welche als „alte
weltweiten Tafelobstsortiments bei             Schmidberger Renette, Roter Trierischer   Tradition, meist als birnen­betonter        Sorte“ gilt – eine Selektion des Roten
Weitem übertrifft. So ist es naheliegend,      Weinapfel, Weberbartlapfel sowie Weißer   Mischlingsmost. Typische oberöster­         Trierischen Weinapfels – seit 1925 in
dass die zeitaufwendige Obstzüchtung           und Roter Griesapfel produziert. Da-      reichische Most­birnen­sorten sind etwa     Oberösterreich im Handel. Die „neue
                                                                                         die Bartholomäusbirne, die Blutbirne,       Sorte“ Gala wurde bereits 1934 in Neu-
                                                                                         die Frauenbirne, auch als Rote Pichl­       seeland gezüchtet.
                                                                                         birne, Rotbirne oder Kletzn­birne
                                                                                         bekannt, die Gemeine Kochbirne, die         Oberösterreichische
                                                                                         Grüne Pichlbirne und die Winawitzbirne.     Obstsorten-Genbank Ritzlhof
                                                                                         Mit Sicherheit ist die Kleine Landlbirne    Neben der Gartenbaufachschule Ritzl-
                                                                                         in Oberösterreich entstanden, ebenso        hof in Ansfelden wurde auf drei Hektar
                                                                                         die Leidlbirne.                             eine Obstsorten-Genbank eingerichtet,
                                                                                                                                     welche speziell die für Oberösterreich
                                                                                         Mostbirne auf Wanderschaft                  typischen alten Birnen- und Apfelsorten,
                                                                                         unter vielen Namen                          aber auch Steinobst beherbergt. Hier
                                                                                         Die Speckbirne oder Steirische Wein-        werden auch Edelreiser gewonnen, um
                                                                                         mostbirne – eine Hauptsorte unter           die Sorten weitervermehren zu können.
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Rund um den Most                                                                                                                     Brünnerling, Landlbirn und Co

Brünnerling,
Landlbirn und Co
Siegfried Bernkopf

Klassische Mostobstsorten wie              Sortenvielfalt
„Brünnerling“, „Kleine Landlbirne“         In Oberösterreich dürfte es schätzungs-      wieder Nachpflanzungen durchgeführt         und einigen mehr weisen einen relativ
etc. sind vor 100 bis 500 Jahren in        weise noch an die 600 Mostapfel- und         werden, wird es diese auch noch in den      niedrigen Gesamtsäuregehalt bei do-
Ober­österreich oder anderswo zufällig     400 Mostbirnensorten geben. Nahezu           nächsten Jahrzehnten geben.                 minantem Gehalt an Restzucker auf.
aus Samen entstanden. Bäume dieser         alle sind sogenannte Zufallssämlinge.                                                    Dementsprechend fallen diese in die
Sorten sind noch heute Bestandteil         Der Großteil davon ist sortenkundlich        Sortenvielfalt ist                          Kategorie „mild“, soferne keine Polyphe-
der heimischen Streuobstkulturen.          nie beschrieben worden. Diese Sorten         auch Mostvielfalt                           nole deutlich spürbar sind. Ist der Ge-
Als Hoch- und Halbstämme sind sie          tragen daher auch keinen pomologisch         Most war schon immer ein vielfältiges       samtsäuregehalt etwas höher bzw. domi-
prägendes Element unserer heimischen       relevanten Namen und gelten als unbe-        Produkt. Früher einmal, als die Arbeit      nant und sind auch Polyphenole deutlich
Kulturlandschaft. In den letzten Jahren    stimmbar. Dieses Faktums sind sich gro-      auf dem Bauernhof noch weniger me-          spürbar, so gehören solche Moste in die
ist ein Trend hin zur Verwendung von       ße Teile der Bevölkerung nicht wirklich      chanisiert war und die Arbeiten physisch    Kategorien „kräftig“ bzw. „resch“.
Tafelapfelsorten bei der Herstellung von   bewusst und so kommt es bei Sortenbe-        schwerer waren, waren „resche“ (säu-
Most zu beobachten. Meist als Nieder-      stimmungen oft zu Enttäuschungen.            rebetonte) Moste als Bestandteil der        Unter Restzucker versteht man
stammkulturen mit höheren Flächener-                                                    Mahlzeiten sehr beliebt. Es handelte sich   weitest­gehend den nach der Gärung
trägen angelegt, stellen Produktion und    Der Trend zur Erhaltung der Vielfalt         meist um Apfel- oder Mischlingsmoste        verbliebenen Gehalt an Glukose,
Abhofverkauf von Tafelobst neben dem       an Mostobstsorten in den heimischen          (Apfel/Birne), bei denen säurereichere      Fruktose und Saccharose. Was den
Most ein zusätzliches wirtschaftliches     Streuobstgärten ist als negativ zu           Sorten wie „Roter und Weißer Gries-         Geschmacksanteil „süß“ im fertigen
Standbein dar.                             bewerten. Viele alte Mostobstsorten          apfel“, „Rössling“, „Remsen“, „Roter        Most betrifft, so kommt zusätzlich der
                                           werden verschwinden. Nicht alles, was        und Weißer Wiesling“ und viele mehr         Gehalt an ­D-Sorbit, einem von der Hefe
                                           alt ist, ist auch gut. Nicht wenige Sorten   Verwendung fanden. Die Säureakzeptanz       nicht vergärbaren „Zuckeralkohol“ zum
                                           sind aufgrund der geringen Verarbei-         der Mosttrinker/innen hat sich in den       Tragen. Die Sorten „Rote Haindlbirne“,
                                           tungsqualität entbehrlich. Jedes Jahr        letzten 20 Jahren verringert. Heute wer-    „Steyregger­birne“, „Stöcklbirne“, „Leidl-
                                           entstehen viele neue Zufallssämlinge,        den Moste in den Geschmackskategorien       birne“, „Kleine Landlbirne“ etc. verfügen
                                           von denen ein Teil zur Mostherstellung       „mild“, „halbmild“, „kräftig“ und „resch“   über höhere Gehalte an D-Sorbit.
                                           gut verwendbar ist. Im zunehmenden           angeboten. Zunehmend erscheinen
                                           Maße kommen auch Tafelobstsorten zur         auch sortenreine Moste mit exklusivem       Egal ob reinsortiger Most, Cuvée (Apfel/
                                           Anwendung. Summa summarum verfü-             Charakter auf dem Markt. Die bei vielen     Apfel bzw. Birne/Birne) oder Mischlings-
                                           gen wir derzeit in Oberösterreich über       Mostbirnensorten vorherrschenden            most (Apfel/Birne), die Vielfalt im Sektor
                                           genügend Sorten für die verschiedensten      Gehalte an Polyphenolen (Gerb­stoffen)      Most hat in den letzten Jahren stark zu-
                                           Verarbeitungsprodukte.                       stellen bei Anwendung moderner Keller­      genommen und erfreut sich zunehmen-
                                                                                        technologie (Saftbehandlung vor der         der Beliebtheit bei den Konsumenten.
                                           Um die Zukunft der bekannteren alten         Vergärung mittels Schönung) keine
                                           oberösterreichischen Mostobstsorten          größeren Probleme mehr dar. Reinsorti-      Im Folgenden sollen einige klassische,
                                           brauchen wir uns dennoch keine Sorgen        ge Moste aus „Speckbirne“, „Schweizer       in Oberösterreich heimische Mostobst­
                                           zu machen. Vorausgesetzt, dass immer         Wasserbirne“, „Grüner Winawitzbirne“        sorten kurz vorgestellt werden:
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Rund um den Most                                                                                                         Brünnerling, Landlbirn und Co

Mostapfelsorten                                                            Weberbartlapfel
                                                                           wahrscheinlich vor 1830 in St. Marienkirchen/Polsenz entstanden,
Brünnerling                                                                in Bezirken Eferding und Grieskirchen weit verbreitet
vor über 500 Jahren wahrscheinlich in Oberösterreich                       Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober
entstanden, sehr weit verbreitet                                           Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; kleinfruchtig;
Typen: Oberösterreichischer Brünnerling, Böhmischer                        ausgezeichnet für Saft und Most
Brünnerling („Behm“), Bayerischer Brünnerling
(„Boarischer“)                                                             Erbachhofer
Erntereife: Mitte bis Ende Oktober                                         in Deutschland um 1925 aus „Roter Trierscher Weinapfel“
Besondere Eigenschaften: robust (feuerbrandtolerant etc.);                 selektiert, weit verbreitet
sehr saftreich, säure­betont; ausgezeichneter Saft-, Koch- und Mostapfel   Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
                                                                           Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger, keine Alternanz
Rheinischer Bohnapfel                                                      (Schwankungen im Ertrag); kleinfruchtig, saftreich; gut für Saft und Most
um 1750 in Deutschland entdeckt, sehr weit verbreitet
Erntereife: Ende Oktober                                                   Weißer Griesapfel
Besondere Eigenschaften: sehr robust (feuerbrandtolerant etc.),            wahrscheinlich im Bezirk Kirchdorf/Kr. vor 1800 entstanden
Massenträger; sehr saftreich; ausgezeichnet für Küche, Saft, Most          und dort verbreitet
                                                                           Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
Schmidberger Renette (syn. Plankenapfel)                                   Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; kleinfruchtig,
wahrscheinlich vor 1800 im Innviertel entstanden, mehrere                  sehr saftig, stärker säurebetont; gut in Mischsäften und Mischlingsmosten
Typen existent, weit verbreitet
Erntereife: Mitte bis Ende Oktober                                         Roter Griesapfel
Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftreich;             wahrscheinlich vor 1850 im Bezirk Kirchdorf/Krems entstanden
bewährt für Küche, Saft, Most                                              und dort gering verbreitet
                                                                           Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
Danziger Kantapfel (syn. Roter Passamaner)                                 Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; kleinfruchtig,
vor 1760 entstanden, verbreitet                                            sehr saftig, stärker säurebetont; sehr gut in Mischsäften und Mischlingsmosten
Erntereife: Ende September bis Anfang Oktober
Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftreich;             Weißer Wiesling
ausgezeichnet für Saft, Most und Küche, gut für Tafel                      wahrscheinlich vor 1800 in Oberösterreich entstanden
                                                                           und dort gering verbreitet
Florianer Rosmarin (syn. Rosmarie)                                         Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
wahrscheinlich vor 1860 im Raum St. Florian bei Linz entstanden            Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftig,
und dort verbreitet                                                        säurebetont; gut für Mischsäfte und Mischlingsmoste
Erntereife: Ende September bis Anfang Oktober
Besondere Eigenschaften: robust (feuerbrandtolerant),                      Roter Wiesling
Massenträger; saftreich; sehr gut für Saft, Most, Küche und Tafel          wahrscheinlich vor 1830 im Raum Kirchdorf/Kr. entstanden
                                                                           und dort gering verbreitet; nicht identisch mit „Roter Wiesling“
Grüner Stettiner (syn. Eisapfel)                                           im Bezirk Grieskirchen
vor 1800 in Deutschland entstanden, gering verbreitet                      Erntereife: Anfang bis Mitte September
Erntereife: Mitte bis Ende Oktober                                         Besondere Eigenschaften: robust; stark säurebetont; gut für
Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; saftreich;                  Mischsäfte und Mischlingsmoste zusammen mit anderen frühreifenden Sorten
gut für Saft, Most und Küche
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Rund um den Most                                                                                                            Brünnerling, Landlbirn und Co

Mostbirnensorten                                                             Schweizer Wasserbirne
                                                                             wahrscheinlich vor 1800 in der Schweiz entstanden, weit verbreitet
Speckbirne (syn. Steirische Weinmostbirne)                                   Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
wahrscheinlich vor 1850 in Kärnten entstanden, sehr weit verbreitet,         Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; sehr saftig,
vor allem im Innviertel („Steirische“), 2 ­Typen existent                    aromatisch; ausgezeichnet für Saft, Most und Edelbrand
Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
Besondere Eigenschaften: Massenträger, feuerbrandanfällig;                   Gelbe Scheiblbirne (syn. Scheiblbirne)
großfruchtig, sehr saftig; ausgezeichnet für Saft, Most, Edelbrand           wahrscheinlich vor 1850 in Oberösterreich entstanden,
                                                                             verbreitet in den Bezirken Eferding und Grieskirchen
Grüne Winawitzbirne                                                          Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
vor 1850 entstanden, sehr weit verbreitet                                    Besondere Eigenschaften: robust; saftig, besonderes
Erntereife: Ende September bis Anfang Oktober                                sortentypisches Aroma; sehr gut für Saft, Most und Edelbrand
Besondere Eigenschaften: Massenträger; sehr saftig, besonderes
sortentypisches Aroma; ausgezeichnet für Saft, Most und Edelbrand            Leutschbirne
                                                                             wahrscheinlich vor 1800 in Oberösterreich entstanden,
Kleine Landlbirne                                                            primär im Bezirk Kirchdorf/Krems verbreitet
wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich entstanden, sehr weit verbreitet   Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober                                         Besondere Eigenschaften: sehr robust; sehr saftig, säure­betont;
Besondere Eigenschaften: anfällig für Frucht-Monilia; sehr saftig,           sehr gut für Misch­säfte und Mischlingsmoste
besonderes sortentypisches Aroma, höher zuckerhältig;
ausgezeichnet für Saft, Most und Edelbrand                                   Schmotzbirne
                                                                             wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich entstanden,
Rote Landlbirne (syn. Tollbirne)                                             stark verbreitet in den Bezirken Eferding und Grieskirchen
wahrscheinlich vor 1860 in Oberösterreich entstanden, weit verbreitet;       Erntereife: Mitte bis Ende September
nicht identisch mit „Rotbirne“ im Bezirk Grieskirchen                        Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; erfordert
Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober                                         schnelle Verarbeitung, sehr saftig; gut geeignet für Saft und Most
Besondere Eigenschaften: robust; sehr saftig, gerbstoffreicher als
„Kleine Landl­birne“; gut für Saft und Most                                  Aspathaunisenbirne (syn. Kaspar-Hans-Birne)
                                                                             wahrscheinlich vor 1850 in Oberösterreich entstanden,
Rote Haindlbirne (syn. Haindlbirne)                                          primär in den Bezirken Eferding und Grieskirchen verbreitet
im Dialekt „Hoanlbirn“, wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich            Erntereife: Mitte bis Ende Oktober
entstanden, gering verbreitet, gefährdet                                     Besondere Eigenschaften: robust, Massenträger; großfruchtig,
Erntereife: Ende Oktober                                                     gerbstoffbetont; gut geeignet für Mischsäfte und Mischlingsmoste
Besondere Eigenschaften: robust, Bäume werden sehr alt (über
300 Jahre); saftig, zuckerreich; ausgezeichnet für Saft, Most und Dörren     Luxemburger Birne
                                                                             stammt aus Luxemburg, ab etwa 1890 in Österreich, gering verbreitet
Grüne Pichlbirne                                                             Erntereife: Anfang bis Mitte Oktober
wahrscheinlich vor 1700 in Oberösterreich entstanden, sehr weit verbreitet   Besondere Eigenschaften: großfruchtig, sehr saftig, gerbstoffreich;
Erntereife: Mitte bis Ende Oktober                                           gut geeignet für Mischsäfte und Mischlingsmoste
Besondere Eigenschaften: Bäume werden sehr alt (bis 300 Jahre) und
sehr hoch (bis 45 m), feuerbrandtolerant; Früchte gerbstoffreich
(etwas unreif als Klärbirnen verwendet), sehr saftig; sehr gut für
Mischlingsmost
22                                                                                                                                                     23
Rund um den Most                                                                                                                             Die Qualitätsentwicklung

Die Qualitätsentwicklung                                                                „Mostkrise“ als Motor für Qualität und Innovation

                                                                                        „Tradition ist nicht die Anbetung

beim oberösterreichischen Most                                                          der Asche, sondern die Weitergabe
                                                                                        des Feuers!“ Gustav Mahler

Romana Schneider und Maria Dachs                                                        Es waren magere Jahre für den ober­
                                                                                        öster­reichischen Most. Doch aus Krisen
                                                                                        erwachsen auch immer neue Kräfte. In
Wer aufhört besser zu werden,                wurde sogar am Donauweg exportiert.        den 1980-Jahren kam wieder frischer
hat aufgehört, gut zu sein!                  Noch heute hört man angesichts der         Wind in die Mostszene. Für einige en-
Dieses Zitat von Philip Rosenthal ist prä-   imposanten Vierkanter den Ausspruch:       gagierte Mostbauern und -­ bäuerinnen
gend für die Renaissance und die stetige     „Diese Häuser hat der Most gebaut!“        waren es harte Lehrjahre. Mostpioniere
Qualitäts­entwicklung des oberösterrei-      Nach dem 2. Weltkrieg geriet Most leider   aus Oberösterreich und dem benachbar-
chischen Mostes in den letzten Jahren.       wieder aus der Mode. Mit zunehmendem       ten Mostviertel (Mostbarone) fungierten
Oberösterreichischer Most ist ein Ur-        Wohlstand wurde das Ursprungsgetränk       im wahrsten Sinne des Wortes als Zug­
sprungs-, Traditions-, Innovations- und      von Bier, Wein und verschiedenen Mode­     pferde für die Wiederbelebung der Most­
Identitätsgetränk. Er ist ein typischer      getränken verdrängt. Folge war, dass       tradition. Qualitätsfanatiker wie DI Ernst   2004 startete das Ländliche Fort­
Oberösterreicher: bodenständig, leben-       Most an Bedeutung verlor und nur mehr      Mielacher (der heimliche Mostpapst           bildungs­institut Ober- und Nieder­
dig, kreativ, vielschichtig und tief mit     in kleinen Mengen als „Haustrunk“ am       Oberösterreichs) trieben die Qualität des    österreichs den ersten Ausbildungslehr-
dem Land verwurzelt. Und dank dieser         Hof erzeugt wurde. Die beliebten Most-     Mostes stetig und unermüdlich voran.         gang zum/zur Mostsommelier/­ière.
starken Wurzeln wächst und gedeiht das       schänken waren noch Orte, wo Most zur      Das oberösterreichische Mostgütesiegel       Sie sind die Botschafter der neuen
oberösterreichische Mostangebot mit          Jause gerne genossen wurde. Und nur        wurde von der Landwirtschaftskammer          Mostkultur und tragen wesentlich dazu
all seinen Facetten und seiner unschlag-     wenige bäuerliche Betriebe haben sich in   gemeinsam mit den Landwirtschafts-           bei Most wieder salonfähig zu machen.
baren Vielfalt weiter. Im 19. Jahrhundert    dieser „mostarmen“ Zeit professionell      schulen entwickelt um die Qualität des       2007 wurde der Mostsommelier-Verein
erlebte der Most seine Hochblüte und         der Mosterzeugung gewidmet.                Mostes zu heben.                             gegründet. In Zusammenarbeit mit den
                                                                                                                                     Mostsommeliers wurden auch die Ange-
                                                                                        2002 brachte die Landwirtschafts­            botskriterien bei den lokalen Mostkosten
                                                                                        kammer Oberösterreich das erste Most-        neu definiert und nach einheitlichen
                                                                                        kochbuch „Most­kulinarium“ – Most in         Qualitätsvorgaben bewertet.
                                                                                        der Pfanne, am Teller, im Glas“ heraus.
                                                                                        Gleichzeitig wurden auch erstmals die        Hochwertige Moste herzustellen, ist ein
                                                                                        Seminarbäuerinnen für Mostkochkurse          solides Handwerk, das Weiterbildung,
                                                                                        ausgebildet. Dieses Mostkochbuch             ständigen Austausch mit Berufskollegen
                                                                                        war Anstoß und eine der Grund­               sowie professionelles Marketing braucht.
                                                                                        lagen für die Mostrezepte-Plattform          So wurde auch das Weiterbildungsange-
                                                                                        ­(www.­mostrezepte.at) und das Buch die      bot der Qualitätsmosterzeugung forciert.
                                                                                         Österreichische Mostküche der Nieder­       Die moderne Keller- und Lagertechnik
                                                                                         österreichischen Moststraße                 der oberösterreichischen Mostbauern
                                                                                         (www.moststrasse.at).                       und -bäuerinnen sowie das stetige
                                                                                         Somit wurde Most auch als Top-Produkt       Streben, die Most­produktion zu ver-
                                                                                         für die genussorientierte Küche und als     vollkommnen, lässt so manchen Wein­
                                                                                         Speisenbegleiter neu definiert.             bauern erblassen.
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Rund um den Most                                                                                                                            Die Qualitätsentwicklung

Oberösterreichische Mostschänken –                                                      „MostWanted“ – Die Emanzipation
Heimat, Geselligkeit, Kult und Genuss in Reinkultur                                     von der Dopplerflasche zum Lifestylegetränk

„Kein Genuss ist vorübergehend, denn       ken wie Wein und Most. Wie in Ober-          „Qualität ist, wenn der Kunde zurück-       Ober­österreicher. Den Titel prämierter
der Eindruck, den er zurücklässt, ist      österreich eine bäuerliche Mostschänke       kommt und nicht das Produkt!“               OÖ Jungmost (www.unsermost.at)
­bleibend!“ Johann Wolfgang von Goethe     geführt werden kann, ist in zwei Erlässen    Dr. Günther Schreiber                       dürfen nur jene Moste tragen, die den
                                           geregelt. D. h. diese Mostschänken haben                                                 hohen Anforderungen der unabhängigen
Den Ursprung haben die Mostschänken        Einschränkungen beim Angebot von             „Heute schmeckt der Most besser!“,          Experten-Jury entsprechen.
in Oberösterreich im Hausruckviertel,      Speisen und Getränken sowie bei den          das geben sogar alte Mostbauern zu.
dem Landl und im Traunviertel. Most-       Öffnungszeiten. Doch bäuerliche Most-        Denn früher war ein guter Most meist        Ja, heutzutage ist es gar nicht mehr so
schänken gehen bis in 17. Jahrhundert      schänken werden auch gewerblich ge-          ein Zufallsprodukt. Es hat auch bei         leicht, als wirklich guter Most zu be­
zurück. Bäuerliche Mostschänken            führt, das heißt in der Praxis, sie werden   uns gedauert, bis aus Zufallsqualitäten     stehen. Doch für den mostbegeisterten
sind beliebter denn je. Ob Familien,       grundsätzlich wie ein Gastronomiebetrieb     eine Spezialität und in weiterer Folge      Konsumenten bedeuten diese stetigen
stressgeplagte Manager, junge Leute,       geführt und haben keine Einschränkun-        ein M
                                                                                            ­ ythos – der Qualitätsmost her-        Qualitätsbemühungen neue Most-
Senioren – beim Most­bauern treffen        gen beim Angebot und Öffnungszeiten.         anreift. Die neue Generation der Most­      Geschmackserlebnisse, Sicherheit und
sich alle. Ja, nicht umsonst heißt es:                                                  produzenten ist, inspiriert durch die       Genuss auf höchstem Niveau. Wichtig
„Beim Essen und Trinken kommen die         Inspiriert durch die TOP-Heurigen in         guten Wein- und Sortenkenntnisse vieler     ist auch der Dialog zwischen Konsumen-
Leut’ z’samm!“ Most schlägt Brücken        Niederösterreich gibt es in Oberöster-       Konsumenten, auf der stetigen Suche         ten und Produzenten. Denn für unsere
in alle Bevölkerungsschichten und bei      reich seit 2012 auch eine besondere          nach neuen, besonderen, einzigartigen       Mostproduzenten gilt: Stehenbleiben ist
Brettljause, Erdäpfelkäsebrot, Most-       Auszeichnung für besonders qualitäts-        Mostprodukten für den anspruchsvollen       ein Rückschritt. Sie folgen weiterhin dem
schober & Co kann man die Landschaft       bewusste Mostschänkenbetreiber. Zehn         Genießer.                                   Motto: „Wer aufhört, besser zu werden,
förmlich schmecken und mit allen Sin-      oberösterreichische Mostschänkenbe-                                                      hat aufgehört, gut zu sein!“
nen genießen. Bäuerliche Mostschänken      triebe dürfen sich derzeit mit dem Titel     Oberösterreich ist mit einer wunder­
dürfen nur an bestimmten Wochentagen       „Ausgezeichneter Most&Kostbauer“             baren Vielfalt an Apfel- und Birnensorten
öffnen. Laut Dr. Siegfried Bernkopf        schmücken. Zu Recht, denn diese Be-          beschenkt und die Kreativität und das
durfte ab 1757 Most nur mehr zwischen      triebe haben sich einem strengem Audit       Qualitätsniveau sind bemerkenswert.
den Namenstagen Georg (23. April) und      gestellt und wurden in Bezug auf Quali-      Ob Obstschaumwein, Cider, sortenreine
Michael (29. September) ausgeschenkt       tät und Regionalität der Moste und von       Moste oder ­Cuvées – bei bundesweiten
werden.                                    Speisenangebot, Ausstattung, S­ ervice,      Prämierungen (Wieselburg) sind die
                                           Zusatzangebote uvm. geprüft. Kurz            oberösterreichischen Most­produzenten
In jedem Bundesland gibt es unterschied-   gesagt, diese ausgezeichneten Betriebe       im Spitzenfeld. Der Lebensmittel-Cluster
liche rechtliche Grundlagen für den        bieten Bodenständigkeit und Genuss auf       Oberösterreich hat in Zusammenarbeit
Ausschank von selbst erzeugten Geträn-     höchstem Niveau.                             mit der Landwirtschafts­kammer Ober-
                                                                                        österreich und Vertretern der gewerb­
                                                                                        lichen Wirtschaft 2011 erstmals den
                                                                                        Most-Culinarix gestartet.

                                                                                        Ein relativ junges Mostprodukt ist der
                                                                                        OÖ Jungmost. Er ist ein Apfel-Birnen-
                                                                                        Most, also ein für Oberösterreich
                                                                                        so typischer Mischling, der sich im
                                                                                        Glas fruchtig, jung, dynamisch und
                                                                                        lebendig präsentiert. Eben ein echter
26                                                                                                                                                                         27
Rund um den Most                                                                                                                                         Mosterzeugung

Mosterzeugung                                                                                                                       muss nach der Gärung der Most vom
                                                                                                                                    Geläger abgezogen werden.

Birgit Puntigam                                                                                                                     Most abschwefeln
                                                                                                                                    Während der Gärung entstehen Gär­
Most wird auch als Obstwein bezeichnet      Obst zerkleinern                                                                        neben­produkte, die teilweise den
und die Produktion dieser aus Äpfeln        Der Zerkleinerungsprozess trägt ent-                                                    Schwefel binden. Daher ist es nötig, den
und Birnen erzeugten regionalen Spezi-      scheidend zur Ausbeute bei. Wichtig ist,                                                Most nach Gärende wieder zu schwefeln,
alität ist im österreichischen Weingesetz   das Obst nicht zu musen, da sonst die       teile. Mittels Absetzen muss dieser         damit er weiterhin geschützt ist.
geregelt. Die Qualität von Most und Saft    Saftwege verkleben.                         „Trub“ vor der Gärung abgetrennt
braucht viel Wissen und Erfahrung von                                                   werden. Das Ergebnis ist ein sauberes,      Most lagern
der Sortenauswahl über die Ernte bis hin    Obst pressen                                reintöniges Produkt.                        Luft ist für den Most tödlich. Deshalb
zur Arbeit im Mostkeller.                   Der Pressvorgang richtet sich nach dem                                                  wird während der Gärung darauf geach-
                                            Reifegrad der Früchte. Manchmal muss        Hefe beigeben                               tet, dass der Tank oder das Fass spund-
Zwölf Schritte                              das Obst behutsamer gepresst werden,        Von der Vielzahl an Hefearten sind im       voll ist und die Temperatur kühl ist. Um
vom Obst zum Most                           ein anderes Mal kann der Pressdruck         Presssaft leider auch solche mit negati-    die Reintönigkeit zu bewahren, wird der
                                            auch etwas rascher erhöht werden. Mit       ven Eigenschaften vertreten. Um keine       Most grob filtriert.
Obst sortieren                              der Zeit kommt die Erfahrung und der        Fehltöne zu verursachen, geht man auf
„Von nix kummt nix“, das gilt auch in der   Mostbauer weiß, wie er seinem Most          Nummer sicher und schaltet die Wild­
Obstverarbeitung. Nur bestes und reifes     den gewünschten Geschmack verleiht.         hefen aus und setzt Reinzuchthefe bei.
Obst kann beste Qualität beim Produkt
hervorbringen.

Obst waschen
Im Haushalt wird es ebenso gemacht:
Alles, was gegessen oder getrunken wird,
muss vorher gründlich gereinigt werden.                                                                                             Most füllen
Das verbessert den Geschmack und mi-                                                                                                Mit sterilisierten Geräten, Flaschen und
nimiert Mikroorganismen, die Fehltöne                                                                                               Verschlüssen wird garantiert, dass das
im Produkt verursachen.                                                                 Gärung steuern                              Produkt in der Flasche gut lagerbar ist
                                            Presssaft schwefeln                         Je schneller der Most zu gären beginnt,     und der Genussfaktor auch in der Fla-
                                            So wie eine Sonnencreme unsere Haut         desto besser. Denn das Gärgas, allen        sche bewahrt bleibt.
                                            schützt, schützt Schwefel den Most –        voran CO2, das von der Hefe als Neben-
                                            nämlich vor Luft (Oxidation) und            produkt gebildet wird, schützt vor Oxida-
                                            unerwünschten Mikroorganismen. Bei          tion. Darum soll die Gärung möglichst
                                            Wein ist die Verwendung von Schwefel        rasch eingeleitet und zügig zu Ende
                                            selbstverständlich. Dies sollte auch beim   gebracht werden.
                                            Most so sein – schließlich ist unser Most
                                            ja ein Obstwein.                            Most abziehen
                                                                                        Nach der Gärung sterben die Hefen ab
                                            Presssaft klären                            und sinken zu Boden. Dort fangen sie
                                            Der Presssaft enthält noch unerwünschte     an, sich zu zersetzen. Dieses Geläger
                                            Stoffe, wie Kernteilchen oder Schalen­      könnte zu Fehltönen führen und deshalb
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