Grußwort des Präses - Universität Innsbruck

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Grußwort des Präses

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe               Von unserer Seite arbeiten an diesem Pro-
Freundinnen und Freunde des Instituts für          jekt Dipl.-Math. Lukas Kraus, PhD, (bis
Christliche Philosophie und des Institutum         September 2016) sowie Mag. Dr. Daniel
Philosophicum Oenipontanum!                        Wehinger und Susanna Haas.
                                                3. „Emuna: Evidence and Religious Belief “
Das Institut für Philosophie an der Katho-         vom Fonds zur Förderung der wissen-
lisch-Theologischen Fakultät der Universität       schaftlichen Forschung (FWF), Lise-Meit-
Innsbruck liefert nicht nur das für das Stu-       ner-Programm für ForscherInnen aus
dium der Theologie notwendige philosophi-          dem Ausland. Dieses Projekt wird von Ka-
sche Rüstzeug, sondern ist darüber hinaus          therine Dormandy, DPhil, durchgeführt.
eine eigenständige Lehr- und Forschungs-           Im Rahmen dieses Projekts wurde im
einrichtung. Durch eine Reihe eingeworbe-          Dezember 2016 die Tagung „Dimensions
ner Forschungsprojekte wird die Forschung          of Trust“ mit international angesehenen
gezielt vorangebracht und jungen Philoso-          Philosophinnen und Philosophen wie Eli-
phinnen und Philosophen die Möglichkeit            sabeth Fricker, John Greco u. a. m. organi-
geboten, ihre Ideen zu entwickeln. So laufen       siert.
am Institut für Christliche Philosophie der-    4. „Kritische Edition des Sentenzenkom-
zeit vier drittmittelfinanzierte Forschungs-       mentars von Robert Cowton, Buch IV“
projekte:                                          vom Fonds zur Förderung der wissen-
1. „Analytic Theology and the Nature of            schaftlichen Forschung (FWF), an dem
   God: Integrating Insights From Science          Mag. Sylvia Eibl arbeitet.
   and Philosophy Into Theology“ der John-      Ferner planen wir, unsere religionsphiloso-
   Templeton Foundation. Dieses Projekt         phischen Aktivitäten zu bündeln und das
   wird in Kooperation mit der Hochschule      „Innsbruck Center for Philosophy of Religi-
   für Philosophie München, der Universi-       on (ICPR)“ zu gründen. Entsprechend soll
   tät Regensburg sowie der Philosophisch-      auch unser Forschungszentrum, das derzeit
   Theologischen Hochschule St. Georgen         den Namen „Christliches Menschenbild und
   durchgeführt. Allein in unserem Institut     Naturalismus“ trägt, in „Philosophy of Reli-
   arbeiten im Rahmen dieses Projekts Univ.-    gion“ umbenannt werden. Am Entwurf die-
   Ass. Dr. Georg Gasser als Projektleiter,     ses Centers arbeitet maßgeblich Univ.-Prof.
   Mag. Marco Benasso, PhD, Simon Kittle,       Dr. Dr. Christian Tapp, der die Stiftungspro-
   PhD, und Dr. Klaus Viertbauer als Post-      fessur der Gedächtnisstiftung Peter Kaiser
   docs, Mag. Marisa Gasteiger, Dipl.-Theol.    (1793–1864) innehat. Am 19. Oktober 2016
   Jacob Hesse, BA, und Dipl.-Theol. Georg      hielt Prof. Tapp im Kaiser-Leopold-Saal vor
   Sauerwein, M.Sc., als Doktorandin bzw.       zahlreichen Gästen, Studierenden sowie dem
   Doktoranden.                                 Stiftungsrat der Peter Kaiser Stiftung seine
2. „Agency and Quantum Physics“ zusam-         Antrittsvorlesung mit dem Titel „‚Christli-
   men mit dem Institut für Theoretische        che Philosophie‘ – ein hölzernes Eisen?“ In
   Physik in Innsbruck und dem Institut für     einem Schlusswort zeigte sich der Präsident
   Theoretische Philosophie in Konstanz.        der Stiftung und Ehrensenator der Universi-
                                                                                            1
tät Innsbruck, Dr. Herbert Batliner, erfreut    den auch mehrere Tagungen am Institut ver-
darüber, dass die Universität den Impuls der    anstaltet. Dazu gehörte der von Univ-Ass. Dr.
Stiftung aufgenommen habe und durch Ver-        Claudia Paganini organisierte „Austro-Can-
stetigung der Professur fortführen wolle.       dian Medical Ethics Workshop“, wo das Men-
    Diese Antrittsvorlesung von Prof. Tapp      schenbild in der modernen Medizinethik
war einer der Höhepunkte im vergangenen         thematisiert wurde, sowie das internationale
Jahr. Ein weiterer Höhepunkt war die im Rah-    Symposium „Multiple Religious Belonging:
men der Aquinas Lectures 2016 von Univ.-        Philosophical Perspectives“, für das es dem
Doz. Dr. Hans Kraml gehaltene Vorlesung         Organisator Ao. Univ.-Prof Dr. Dr. Winfrid
mit dem Titel „Unzulängliches Philosophie-      Löffler gelang, auch drei Professoren von der
ren und Philosophie des Unzulänglichen“.        Guangzhou Universität in China nach Inns-
Mit dieser Vorlesung verabschiedete sich        bruck zu holen.
Doz. Kraml in die Pension. Er hat es großar-       Eine besondere Bereicherung für unser
tig verstanden, das mittelalterliche philoso-   Institut ist Justin McBrayer, PhD, Associa-
phische Erbe zu pflegen und für die zeitge-     te Professor am Department of Philosophy,
nössische Philosophie fruchtbar zu machen.      Fort Lewis College (Colorado). Er lehrt und
Zusammen mit Univ.-Prof. Dr. Dr. Gerhard        forscht als Fulbright Scholar seit 1. Oktober
Leibold gelang es ihm, eine Reihe von dritt-    bei uns am Institut.
mittelgeförderten Forschungsprojekten über         Ich bedanke mich bei allen Freundinnen
Rupert von Deutz und Robert Cowton er-          und Freunden, Mitarbeiterinnen und Mit-
folgreich zu beantragen und zu leiten. Ein      arbeitern des Instituts – besonders bei Frau
dritter Anlass zu feiern war der 70. Geburts-   Monika Datterl und Frau Ksenia Scharr im
tag von Univ.-Prof. Dr. Edmund Runggaldier      Sekretariat – für ihren engagierten Einsatz
SJ. Er beschenkte Institut, Freunde, Kollegen   und ihre Unterstützung.
und Studierende mit einem spannenden
Vortrag zur Frage „Wozu Ontologie?“
    Neben diesen feierlichen Anlässen wur-

                                                                P. Bruno Niederbacher SJ

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Berichte aus dem Institut

Abschiedsvorlesung von Hans Kraml über
„Unzulängliche Philosophie und Philosophie des
Unzulänglichen“

Am 27. Januar 2016 hielt Univ.-Doz. Dr.            präsentierbare Wirklichkeit zu entwickeln.
Hans Kraml im Rahmen der Aquinas ����  Lec-       Aber einem allzu naiv-realistischen Bild der
tures������������������������������������
      seine Abschiedsvorlesung. Die Zuhö-          Beziehung zwischen menschlicher Erkennt-
rer drängten sich im überfüllten Hörsaal 1:        nis und weltlicher Wirklichkeit steht positiv
Hatte doch eine der seit vielen Jahren tra-        auch eine Philosophie gegenüber, die um
genden Säulen der Innsbrucker Philoso-             die „Differenz zwischen dem, was tatsäch-
phie angekündigt, über unzulängliches              lich ist, und dem, was uns davon zugänglich
Philosophieren über Unzulängliches zu              oder gegeben ist“ weiß; eine Philosophie im
philosophieren.                                    Bewusstsein dessen, dass der Mensch einen
                                                  „Standpunkt außerhalb“ – außerhalb seiner
 Der Vortrag drehte sich um nichts Gerin-          Umgebung und jenseits der Grenzen seiner
 geres als eine angemessene Standortbestim-        Erkenntnisvermögen – grundsätzlich nicht
 mung der Philosophie selbst. Würde Kraml,         erreichen kann. Und die insbesondere nicht
 Freund der Weisheit par excellence, hier zu       ausblendet, dass letztlich alle Theorie in Pra-
 einer Generalabrechnung mit seinem eige-          xis gründet, dass Wissen auf Können beruht,
 nen Fach ausholen?                                doch wir am Ende mit unseren philosophi-
    Wer solche Erwartungen hatte, musste sie       schen Überlegungen immer „nur unzuläng-
 umgehend verabschieden. In guter sokrati-         lich mit dem umgehen können, was unser
 scher Manier entlarvte Kraml ein seiner Mei-      menschliches Leben bestimmen könnte“.
 nung nach verfehltes Philosophieverständ-         Kraml illustrierte diese These vor allem an-
 nis, das der Hybris erliegt zu glauben, unsere    hand zahlreicher Beispiele aus der Philoso-
Theorien würden die Wirklichkeit zusehends         phie des Mittelalters und beeindruckte die
„besser erfassen, bis sie sich schließlich als     Hörer insgesamt mit einem einsichtsvollen
 adäquate Darstellung eben dieser Wirklich-        Stück Philosophie-Philosophie.
 keit erweisen“. Problematisch, so lautete die        Mit Hans Kraml verlässt das Institut ein
 Grundthese, ist eine Philosophie, die sich        herausragender Philosoph und eine Gelehr-
 getragen von falschen Letztbegründungs-           tenpersönlichkeit alter Schule, deren Spezi-
 zielen anheischig macht, endgültig wahre          es längst auf der roten Liste der bedrohten
Theorien über eine vermeintlich unabhän-           Hochschullehrerarten steht. Wir werden mit
 gig von der Situativität des Betrachters re-      ihm einen in dieser Form nicht zu ersetzen-
                                                                                                3
den Kollegen vermissen. Das Institut dankt länglich unzulänglich über Unzugängliches
Hans Kraml herzlich für sein langjähriges wird philosophieren lassen.
Engagement und wünscht ihm, dass ihn sein
akademischer Enthusiasmus auch in der                               Christoph Jäger
neuen Lebensphase weiter mit Freude hin-

Einblicke in die Christliche Philosophie

Dieser Artikel erschien am 30. Oktober              In seiner Antrittsvorlesung setzte Pro-
2016 im Newsromm der Universität Inns-           fessor Tapp sich differenziert mit dem um-
bruck: https://www.uibk.ac.at/newsroom/          strittenen Begriff „Christliche Philosophie“
einblicke-in-die-christliche-philosophie.        auseinander. Eine Reihe von Philosophen
html.de.                                         verstanden sich als glühende Verfechter einer
                                                 christlichen Philosophie, wie z. B. der frühere
Am Mittwoch, 19. Oktober, fand im Kaiser-        Innsbrucker Philosoph und ehemalige Rek-
Leopold-Saal in festlicher Atmosphäre die        tor P. Emerich Coreth SJ (1919–2006). Ande-
Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Dr.        re Philosophen meinten jedoch, darin einen
Christian Tapp statt. Er hat die Stiftungspro-   Selbstwiderspruch bzw. einen Widerspruch
fessur für Christliche Philosophie am Institut   gegen die Autonomie der Philosophie zu er-
für Christliche Philosophie inne.                blicken (Heidegger). Tapp wies darauf hin,
   Im Namen des Rektorats erläuterte VR          dass es für die Frage nach der Möglichkeit
Fügenschuh in seinem Grußwort die beson-         christlicher Philosophie darauf ankomme,
dere Stellung des Instituts für Christliche      welche zusätzliche Bestimmung der Philo-
Philosophie als einem international renom-       sophie durch das Attribut „christlich“ über-
mierten Zentrum religionsphilosophischer         haupt ausgedrückt werden soll. So machte
Forschung. Für die liechtensteinische Ge-        er sich zunächst daran, Extrempositionen
dächtnisstiftung Peter Kaiser (1793–1864)        auszuschließen: eine Philosophie „christlich“
unterstrich der Stiftungsrat Prof. Dr. Jo-       zu nennen, bloß weil ihre Vertreter Christen
seph Jung, dass sich die Stiftung christlich-    seien, sei „inhaltsleer“. Umgekehrt sei das
abendländischen Werten verpflichtet sieht.       andere Extrem, etwa in der Philosophie un-
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung         ter Rückgriff auf Offenbarungswahrheiten
mit diesen müsse selbstverständlich frei von     zu argumentieren, philosophisch selbstver-
äußerer Einmischung erfolgen. Christliche        ständlich inakzeptabel. Die entscheidende
Philosophie, so der Stiftungsrat weiter, dürfe   Frage sei nun, was im Innenbereich dieses
keine „Theologie unter falscher Flagge“ sein.    Spektrums von Positionen zu sehen sei.
In einem Schlusswort zeigte sich der Präsi-         Eine ganze Reihe von Argumenten ge-
dent der Stiftung, Dr. Herbert Batliner, Eh-     gen die Möglichkeit einer christlichen Phi-
rensenator der Universität Innsbruck, erfreut    losophie – von Philosophen wie Nietzsche,
darüber, dass die Universität Innsbruck den      Heidegger und Carnap und des protestanti-
Impuls der Stiftung aufgenommen habe und         schen Theologen Karl Barth – wurden von
durch Verstetigung der Professur fortführen      Tapp analysiert und im Ergebnis relativiert.
wolle.                                           Anschließend stellte Tapp mit dem US-ame-
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rikanischen Erkenntnistheoretiker und Re-        ders herausfordernd war Tapps Paritätsargu-
ligionsphilosophen Alvin Plantinga (*1932)       ment, dass, wenn religionskritische Positio-
eine heutige philosophische Position dar, die    nen zur Philosophie gehören würden, dann
sich selbst ausdrücklich als „christliche Phi-   das gleiche Recht für religionsfreundliche
losophie“ versteht.                              Positionen gelten müsse.
   Am Ende zeigte Professor Tapp fünf ver-          Überhaupt nutzte Tapp die Freundschaft
schiedene Konzeptionen „christlicher Phi-        als Motivklammer seines Vortrags: Er näher-
losophie“ auf, die er mehr oder weniger für      te sich der Sachfrage nach Christlicher Philo-
vertretbar hält. Sie reichten von der ganz       sophie, indem er von einer Freundschaft des
schwachen Bestimmung einer Philosophie           Philosophen mit dem Christentum sprach.
im institutionell-organisatorischen Rahmen       Aus religiösen Gründen könne man opti-
einer theologischen Fakultät über einer Art      mistisch sein, dass scheinbare Widersprüche
denkerische Dienstleistungsfunktion für die      zwischen Glaube und Vernunft sich stets
Theologie bis zu den stärkeren Kriterien ei-     auflösen lassen. Dies sei natürlich „anstren-
ner hypothetischen Behandlung von Glau-          gend“, aber das dürften Freundschaften eben
bensinhalten, d. h. in Absehung von ihrer        auch sein.
inhaltlichen Geltung, und unter Umständen
auch einer positionellen Philosophie. Beson-                    Die Newsroom-Redaktion

Wozu Ontologie?

Diesen Vortrag hielt Prof. Edmund Rung-            Ich verstehe „Ontologie“ im traditionel-
galdier am 5. Oktober 2016 anlässlich sei- len oder scholastischen Sinne. Dieser Sinn
nes siebzigsten Geburtstags.                    dürfte sich im Großen und Ganzen mit dem
                                                analytisch geprägten zeitgenössischen Sinn
Wozu soll die Ontologie gut sein? Worin soll- decken.
te ihr Nutzen bestehen?                            Dieser klassischen sowie analytischen
    Die Auffassung, die Ontologie habe kei- Auffassung zufolge fragt der Ontologe als
nen unmittelbar praktischen Nutzen, scheint Ontologe nach den allgemeinsten Struktu-
plausibel. Hat sie aber nicht doch insofern ren der Wirklichkeit. Er befasst sich mit der
einen Sinn, als sie unserem Wissensdrang Frage nach den letzten Einteilungsprinzipien
entgegen kommt? Kann man nicht Ontolo- oder Kategorien.
gie um ihrer selbst willen betreiben? … ganz       In der Ontologie geht es demnach um die
einfach aus Interesse! Die Meinung, dass die allgemeinsten Begriffe: Was heißt, dass et-
Ontologie als Fach nicht nur keinen prakti- was ist und nicht vielmehr nicht ist? Bedeu-
schen Nutzen, sondern auch keinen theoreti- tet, wirklich zu sein, zu existieren oder ganz
schen Wert hat, ist allerdings weit verbreitet. einfach zu sein, immer dasselbe, oder je nach
Sie werden nun fragen, von welcher Onto- Kategorie Unterschiedliches?
logie spricht er eigentlich. Mit „Ontologie“       Soll man überhaupt zwischen verschie-
meint man nämlich je nach philosophischer denen Kategorien der entia, der Entitäten,
und weltanschaulicher Einstellung Unter- unterscheiden? Oder gibt es überzeugende
schiedliches.                                   Gründe für die Annahme, dass es letztlich
                                                                                             5
nur eine Art, wirklich zu sein oder schlicht     sifizierbar im engen Sinne, sie können sich
zu existieren, gibt? Die eine Frage prägt den    aber in unserer Lebenswelt bewähren.
alten sowie zeitgenössischen Nominalismus-           Ich verweise in diesem ersten Teil auf on-
streit, die andere die Untersuchungen zur        tologische Unterscheidungen, für die es kei-
Analogie.                                        ne engen Überprüfungsmethoden gibt, die
                                                 sich aber im Alltag bewähren können. So
Was habe ich nun vor?                            beispielsweise die Unterscheidung zwischen
   Ich will im ersten Teil die Herausforde-      Dingen und Ereignissen. Rein naturwissen-
rung einiger grundsätzlicher Einwände ge-        schaftlich nicht fassbar sind zudem Unter-
gen die Sinnhaftigkeit der Ontologie anneh-      schiede zwischen dem Vergehen und der
men.                                             Ausdehnung in der Zeit. Wie soll man zu-
   Ein erster ernst zu nehmender Einwand         dem rein Potentielles oder Mögliches fassen
folgt aus der Ansicht, Ontologie sei schlechte   können?
Semantik, sie projiziere sprachliche Struktu-        Im zweiten Teil erlaube ich mir einige au-
ren auf die Wirklichkeit. Der Ontologe ver-      tobiographische Bemerkungen. Als ich stu-
wechsle sprachliche Regelungen mit Struktu-      dierte, war die sogenannte Sprachanalyse in
ren der uns vorgegebenen Wirklichkeit.           aller Munde. Sie war damals gekoppelt mit
   Die Strategie meiner Antwort auf diese        der Grundannahme, ontologische Fragestel-
Herausforderung ist simpel: Ich drehe den        lungen seien durch Analyse der Sprache zu
Spieß einfach um. Warum sollten wir anneh-       überwinden.
men, dass die allgemeinsten Strukturen un-           Durch das Studium von Autoren wie
serer Alltagswelt auf unsere Art zu sprechen     Carnap und Quine bin ich mehr und mehr
zurückzuführen sind und nicht vielmehr           zur Überzeugung gekommen, dass ontologi-
umgekehrt, dass unsere Art zu sprechen von       sche Fragestellungen gerade wegen sprach-
den Strukturen der Welt abhängig oder zu-        philosophischer Thesen nicht obsolet seien.
mindest bedingt sei? Worauf gründen die          Besonders überzeugend waren und sind für
faktischen constraints unserer sprachlichen      mich Quine’s Beteuerungen, dass die be-
Regelungen?                                      hauptende Rede mit Verpflichtungen ein-
   Provozierend formuliert: nicht wir konsti-    hergeht. Erhebt man den Anspruch, dass die
tuieren durch unsere Sprache die Welt, son-      eigenen Behauptungen wahr sind, so ist man
dern wir verwenden unsere Sprache, um die        verpflichtet, das anzunehmen, was diese Be-
Wirklichkeit zu beschreiben.                     hauptungen wahr macht. Die behauptende
   Ein weiterer Einwand gegen die Sinn-          Rede und der entsprechende Wahrheitsan-
haftigkeit der Ontologie ergibt sich daraus,     spruch waren mir stets ein Anliegen.
dass zentrale Thesen der Ontologie keinen            Im dritten und letzten Teil werde ich
kognitiven Unterschied zu begründen schei-       eine Antwort auf die gestellte Frage nach
nen. Ob man sie oder ihr Gegenteil vertritt,     dem Wozu der Ontologie anpeilen. Sie wird
scheint kognitiv irrelevant zu sein. Beson-      bescheiden ausfallen, zugleich aber auch an-
ders die Sprachanalytiker und die logischen      maßend wirken. Grundlegende Thesen der
Positivisten sahen darin einen Grund für         Ontologie sind nämlich weitgehend so allge-
ihre These der schlichten Sinnlosigkeit der      mein, dass sie redundant scheinen. Sie haben
Ontologie.                                       aber dahingehend einen Sinn, als ihre Nega-
   Ich kontere, dass es Formen der Bewäh-        tion oder Nicht-Beachtung schlimme Folgen
rung unseres Sprechens und Denkens gibt,         zeitigt. Und sie betreffen alle Wissensgebiete.
die umfassender sind als die gängigen Verifi-        Ontologen sind zwar in anderen Wissen-
kations- und Falsifikationsmethoden einzel-      schaften fachfremd. Als Ontologen themati-
ner Aussagen: Ontologische Annahmen oder         sieren sie aber letzte Voraussetzungen und
Thesen sind zwar nicht verifizierbar und fal-    letzte Annahmen, die für alle kognitiven und
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– wie ich meine – auch alle praktischen Le-      serer Geist oder es sind wir Menschen, die
 bensbereiche grundlegend sind.                  kategoriale Unterschiede aufgrund unserer
    Meine anvisierte Antwort auf die Frage       Sprache setzen.
 nach dem Wozu der Ontologie setzt die The-         Die Erwiderung auf den Einwand, zu der
 se der Einheit der Vernunft voraus. Wer der     ich neige, setzt hier an. Wenn wir es sind, die
 Überzeugung ist, die Einheit der Vernunft sei   kategoriale Einteilungen machen, so frage
 durch die Post-Moderne überwunden, wird         ich, warum wir genau die Einteilungen ma-
 mir nicht folgen können. Er wird höchstens      chen, die wir machen, warum wir genau die
 von der Ontologie der Physik, der Chemie,       sprachlichen Kategorisierungen vornehmen,
 der Tiefenpsychologie usw. sprechen. Diese      die wir vornehmen. Wenn der sprachliche
„regionale Ontologien“ behandeln die je eige-    Idealist sagt, es gäbe prinzipiell verschiede-
 nen grundlegenden Voraussetzungen einer         ne mögliche sprachliche Strukturierungen,
 bestimmten Wissenschaft oder Lebensform.        so darf ich fragen, warum wir genau die uns
    Demgegenüber möchte ich mich für die         vertrauten auswählen.
Auffassung stark machen, dass es Ontologie          Wenn wir in der Wahl der letzten sprach-
 als eine grundlegende Wissenschaft geben        lichen Strukturen frei sind, so müssten wir in
 kann, die alle Wissenschaften und Lebens-       der Lage sein, uns Alternativen vorzustellen.
 bereiche betrifft. Der Mensch ist aufgrund      In vielen Fällen ist das aber faktisch nicht
 seiner Vernunft berechtigt, nach den letzten    möglich.
Voraussetzungen der Deutungen der Ge-               Der Anti-Idealist meint, es gäbe dafür
 samtwirklichkeit zu fragen.                     Gründe, und diese Gründe sind nicht auf die
                                                 faktische Beschränktheit unserer Psyche zu-
                                                 rückzuführen, sondern sind letztlich ontolo-
Erster Teil: Einwände gegen die Sinnhaftig-      gische Gründe.
keit der Ontologie                                  Warum können wir – um bei unserem
                                                 Beispiel zu bleiben – Subjekt und Prädikat
Ein grundlegender, ernst zu nehmender Ein-       nicht invertieren. Warum können wir Aus-
wand gegen die Sinnhaftigkeit der Ontologie      drücke in Subjektposition nicht mit Ausdrü-
besagt, dass Ontologie letztlich nichts ande-    cken in Prädikatposition vertauschen? Wir
res als Semantik und zwar schlechte Seman-       prädizieren von Franz, dass er raucht. Es ist
tik sei. Ontologische Unterscheidungen und       aber offenkundig, dass wir nicht Franz vom
Kategorien seien Ergebnis von Projektionen       Rauchen aussagen können. Aber warum ist
sprachlicher Strukturen.                         das nicht möglich? Die Regeln unserer Spra-
   Der Unterschied zwischen Dingen und           che erlauben es nicht, aber warum nicht,
Eigenschaften beispielsweise sei lediglich Er-   wenn wir diese Regel aufstellen?
gebnis der Subjekt-Prädikat Unterscheidung.         Der Ontologe gibt sich mit der faktischen
Mit den Subjektausdrücken in singulären          Unmöglichkeit nicht zufrieden. So verweist
deskriptiven Aussagen beziehen wir uns auf       er auf den kategorialen Unterschied zwischen
Einzeldinge und mit den Prädikatausdrü-          Konkretem/Partikulärem und Allgemeinem.
cken auf Eigenschaften. Hätten wir andere        Ausschlaggebend für die Unmöglichkeit
sprachliche Strukturen, wäre die Annahme         der Inversion ist die Eigenart von Individu-
eines Unterschieds zwischen Dingen und           en, konkreten Einzeldingen. Einzelnes, rein
Eigenschaften obsolet oder ersetzbar. Dieser     Konkretes, kann nicht prädiziert werden.
Unterschied sei uns nicht vorgegeben, son-       Um kognitiv relevante Aussagen machen zu
dern Setzung aufgrund sprachlicher Kon-          können, brauchen wir Ausdrücke, mit denen
ventionen.                                       wir Allgemeines meinen.
   Der Hintergrund dieser Auffassung ist            Der linguistische Idealist führt den Unter-
eine Art linguistischer Idealismus: Es ist un-   schied zwischen Konkretem/Partikulärem
                                                                                              7
und Allgemeinem auf unsere Art zu spre-          es ontologische Differenzen gibt, die die Art,
chen zurück, der Ontologe dreht den Spieß        über die Wirklichkeit zu sprechen, bedingen,
um und gibt als Grund für die Subjekt-Prä-       wenn nicht gar begründen.
dikat-Struktur unserer singulären Prädikati-        Wer beispielsweise den Unterschied zwi-
onen diesen Unterschied zwischen Konkre-         schen Dingen und Ereignissen in seiner Le-
tem/Partikulärem und Allgemeinem an.             benswelt faktisch nicht beachten und folglich
   Ich simplifiziere, meine aber, dass anhand    Dinge wie Ereignisse auffassen würde, müss-
des Beispiels der Subjekt-Prädikat-Struktur      te von Dingen auch sagen können, dass sie
die von mir favorisierte Antwort auf den         sich ereignen oder dass sie dauern. Das geht
genannten Einwand klarer wird: Die allge-        aber nicht. Der Ontologe sieht als Grund da-
meinste Struktur unserer Sprache und un-         für den kategorialen Unterschied zwischen
serer Sprechakte ist zwar von Festsetzungen      Dingen und Ereignissen.
abhängig, ihr letzter Grund liegt aber in on-       Als weiteres Beispiel mag unsere Rede
tologischen Unterschieden und Strukturen         über Individuen gelten. Der linguistische
in der Welt.                                     Idealist steht zur These, dass die Bildung oder
   Den genannten Einwand gegen die Sinn-         Konstitution von Individuen durch sprachli-
haftigkeit der Ontologie stützt aber auch die    che Konventionen erfolgt. Was durch unsere
Intuition, dass es für die allgemeinsten on-     Ausdrücke bezeichnet wird, hängt demnach
tologischen Einteilungen keine empirisch         von den durch Sprache festgelegten Identifi-
zugängliche oder beobachtungsrelevante           zierungs- sowie Identitätskriterien ab.
Grundlage gibt.                                     Der Ontologe fragt aber, weshalb die Bil-
   Der Ontologe erwidert: Es mag zwar            dung von Individuen nicht beliebig ist, er
stimmen, dass es keine empirischen Metho-        will wissen, weshalb es faktisch so viele con-
den oder beobachtbaren Indizien für letzte       straints in der Setzung oder Konstitution von
ontologische Einteilungen gibt, die ontologi-    Individuen gibt.
schen Einteilungen sind aber nicht beliebig.        Die Einheiten, die die Individuen bilden,
Der Ontologe kennt dafür Kriterien, die auf      sind für ihn zumindest teilweise vorgegeben.
ein zugrundeliegendes Kriterium zurück-          Wir entdecken sie aufgrund ihrer Vollzüge,
gehen, nämlich auf die Bewährung in der          Tätigkeiten und Entwicklungen. So ist es na-
Lebenswelt. Sie stammen aus der Praxis der       heliegend, von Rössern, Hunden und sons-
Lebensbewältigung. Das genannte Kriterium        tigen Lebewesen als Individuen zu sprechen.
der Bewährung ist kein primitiv utilitaristi-    Absurd wäre es, wollte man aber aus halben
sches, sondern betrifft die umfassende Le-       Rössern und halben Flüssen neue Individuen
benserfahrung.                                   bilden. Es gibt sachliche constraints für die
   Vom Weisen wird gesagt, dass er das Er-       sogenannte Konstitution von Individuen.
fahrene besser zu überblicken weiß und              Dass die Ontologie nicht in allen Fällen le-
besser einordnen kann als der noch Uner-         diglich Ergebnis von Projektionen und Ver-
fahrene oder noch nicht Weise. Sapientis est     wechslung sprachlicher struktureller Eintei-
ordinare – so lautet ein Motto aus der klassi-   lungen mit Strukturen in der Welt ist, kann
schen Philosophie. Das gilt insbesondere für     durch weitere Beispielsfälle plausibel gestützt
das Metier des Ontologen, insbesondere für       werden. Denken wir an die Einteilung in ak-
seine Tätigkeit des Überblickens und Ein-        tuelle und rein mögliche Sachverhalte; den-
ordnens der Lebens- und Wissensbereiche.         ken wir an Aussagen über Tendenzen und
Aufgrund der genannten Bewährung können          Dispositionen, oder an die Tempora.
bestimmte Kategorisierungen erfolgreicher           Die Unterscheidung zwischen Gegenwär-
bzw. fundierter sein als andere.                 tigem und Vergangenem ist beileibe nicht
   Der Ontologe meint, dass die Bewäh-           nur sprachlich bedingt, sondern ergibt sich
rung in der Lebenswelt Indiz dafür ist, dass     aus der Lebenserfahrung. Der Ontologe geht
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der Unterscheidung nach und versucht sie zu       es relativ leicht abzuheben. Die Faszination
deuten. Er ist bemüht, unsere Art, Tempora        für philosophische Theorien verführt zuwei-
zu verwenden, auf einen auch ontologischen        len. Gibt man der Versuchung nach, wird
Unterschied zwischen Vergangenheit, Ge-           man allzu leicht Opfer unkontrollierter Spe-
genwart und Zukunft zurückzuführen.               kulationen. Sich zu fragen, ob man wirklich
   Plakativ ausgedrückt: nicht wir – wie be-      glauben kann, was man philosophisch ver-
reits in der Einleitung angedeutet – konsti-      tritt, schien mir wichtig. Ich bemühte mich
tuieren durch unsere Sprache die Welt, son-      – so weit wie möglich – das Kriterium anzu-
dern die Sprache ist unser Instrument, um        wenden.
die Wirklichkeit zu beschreiben.                     Ayer wandte sich – so bekundete er –
                                                  aufgrund des genannten Kriteriums gegen
                                                  sämtliche Varianten und Ausfaltungen der
Autobiographische Bemerkungen                    Metaphysik. Er verteidigte stattdessen seine
                                                 Ansicht der Sinnesdaten. Die Dinge und Er-
An unserer Fakultät hier in Innsbruck gab         eignisse in der Welt seien letztlich Mengen
es Anfang der 70er-Jahre große Umwälzun-         von Sinnesdaten oder aus solchen konstitu-
gen. Besonders beliebt waren die emanzipa-        iert.
torischen Philosophien oder verschiedene              Ich meinte aber, ich müsse mich aufgrund
Protest-Tendenzen. Zum Teil verabschie-           des genannten Kriteriums auch vom lingu-
dete man sich bewusst von der Scholas-            istischen Idealismus abwenden. Ich konn-
tik. Besonders gefragt waren im Kreise von        te nämlich nicht glauben, dass man durch
Prof. Schupp sprachanalytische Ansätze. Die       Sprache die Welt konstituiert. Je mehr ich
neusten Entwicklungen in der Sprachphilo-         mich in Carnaps „Der logische Aufbau der
sophie faszinierten mich. Ich wollte mich da-    Welt“ vertiefte, umso problematischer schien
rin vertiefen und verstehen, welche Rolle die     mir seine These, dass die Welt erst aus der
Sprache in der Konstitution der Welt spielt.      Basis des Bewusstseinsstroms oder einfach
Naheliegend war somit ein Studium in der          aus den Sinnesdaten aufgebaut werden müs-
angelsächsischen Welt. Ich hatte das Glück,       se. Ich konnte zwar der Ansicht einiges ab-
in Oxford unter der Leitung von Prof. A. J.       gewinnen, dass unsere Repräsentationen der
Ayer doktorieren zu können. Mein Doktor-         Welt von uns aufgebaut werden, aber nicht
vater war einer der letzten logischen Positi-     die Welt selbst. Ich bin auf Sinnesdaten an-
visten. Er vertrat wiederholt die These von       gewiesen, wenn ich erkennen will. Aber die
der Sinnlosigkeit der Ontologie. In seinem       Menschen und die anderen Lebewesen gibt
erfolgreichsten Buch, das als Einleitung in       es unabhängig von meinen Sinnesdaten.
die Philosophie an vielen staatlichen Fakul-          Die These von der Sinnlosigkeit der On-
täten weltweit verwendet wurde, spricht er        tologie erlaubt es aber nicht, zwischen den
ausführlich von der Elimination jeglicher        Individuen zu unterscheiden, die ich auf-
Metaphysik.                                       grund meiner Sprache und meiner Sinnesda-
   Ayer’s logisch positivistischer Standpunkt     ten konstituiere, und den Individuen selbst,
und speziell die These der Sinnlosigkeit onto-    die unabhängig von mir auf die Welt kom-
logischer sowie theologischer Aussagen war        men, wachsen, gedeihen und dann wieder
eine Herausforderung. Ayer legte mir aber        vergehen. Ich konnte nicht und wollte nicht
ein Kriterium für das Philosophieren nahe:        lediglich wegen eines anti-ontologischen
Vertrete nur solche Theorien, von denen du        Standpunktes meinen Glauben an die Un-
wirklich überzeugt bist, von denen du wirk-       abhängigkeit der Individuen in dieser Welt
lich glaubst, dass sie auch stimmen.              preisgeben. Die Gründe für die linguistisch-
   Im philosophischen Studium und in der          idealistische Position konnten mich nicht
sogenannten philosophischen Forschung ist         überzeugen.
                                                                                            9
Die Fachleute unter Ihnen werden zwar           in Oxford erlebte ich sodann ein Erwachen
ein gewisses Unbehagen empfinden, weil ich          sowie einen relgelrechten Aufschwung expli-
zu sehr vereinfache. Ich möchte allerdings          zit ontologischer Fragestellungen.
durch diese knappen Bemerkungen betonen,                Damals gab es eine Art Revolution gegen
dass ich damals und umso mehr heute von             die Vertreter der linguistischen These, dass
der anti-idealistischen Position überzeugt          die Bedeutung eines Ausdrucks in jedem
bin, dass wir als erkennende Subjekte die In-       Fall seine Extension oder Referenz bestimme.
dividuen in unserer Welt nicht konstituieren,       Die Fragen nach den natural kinds und nach
sondern entdecken.                                  den Modalitäten de re waren in aller Munde.
    Vieles in mir sträubte sich gegen die Lehre     Putnam und der junge Stern Kripke waren
der sprachlichen Relativität der Gegenstän-         mehrmals zu Gast in Oxford und demontier-
de und Sachverhalte in der Welt. Was ich            ten die Dogmen der Sprachanalyse sowie des
glaubte und nach wie vor glaube, ist, dass die      späten Wittgenstein.
Sprach-Relativität unsere Art der Darstel-              Hier in Innsbruck begann ich, mich in die
lung, nicht aber die Welt selbst betrifft. Diese    entsprechenden ontologischen Positionen
ist uns vorgegeben.                                 einzuarbeiten. Ich vertiefte mich in die Rol-
    Unsere Repräsentationen der Welt sind           le der sortalen Ausdrücke, jener Ausdrücke,
von sprachlichen Konventionen oder Fest-            mit denen wir auf die Was-Frage antwor-
setzungen abhängig, aber nicht die Konti-           ten. Wir brauchen sie, um auf Individuen
nuitäts- und Identiätsbedingungen der in-           oder konkrete Einzeldinge Bezug nehmen
dividuellen Lebewesen selbst. Sie sollen und        zu können. Ein referenzieller Sprechakt, der
können entdeckt werden.                             mit keinem sortalen Ausdruck gekoppelt ist,
    Besonders die Vertiefung in den Konven-         kann nicht erfolgreich sein.
tionalismus, in Philosophien, die die Rolle             Die damals neu aufgebrochene Diskus-
von Konventionen in der Setzung der Wirk-           sion über die Rolle der sortalen Ausdrücke
lichkeit betonten, stimmte mich skeptisch.          sowie über die Identifizierungskriterien und
Wir sind in der Bildung von Einheiten oder         -bedingungen entsprach in etwa den Ab-
Individuen nicht so frei wie es die Sprach-         handlungen über die Substanzen in der klas-
analytiker nahezulegen schienen. Carnaps            sischen Ontologie. David Wiggins machte
dictum, dass es in der Konstitution keine           sich besonders stark für diese Positionierung.
Moral gibt, dass wir also in der Konstitution           In nicht-philosophischen Kreisen sowie
der Welt frei sind, kann nicht stimmen.             im Rahmen der kontinentalen Philosophie
    Wir können nicht – wie bereits gesagt –         betonte man allerdings, dass die Ontologie
aus halben Rössern und halben Flüssen neue          gerade wegen der Sprachphilosophie und der
Individuen bilden. Und wenn, so lediglich           Wende zum Subjekt überwunden sei. Das er-
in der verbalen Phantasie. Solch absurde            gebe sich auch aus den Errungenschaften der
Setzungen könnten nicht Setzungen unserer           Moderne und den Anliegen der Kant’schen
Welt sein, in der wir leben und mit anderen         Philosophie.
interagieren.                                           Nichtsdestotrotz begann ich mich für die
    Diese Hinweise mögen ein Verständnis            klassische Substanzontologie zu interessie-
vermitteln für den paradox wirkenden Um-            ren. Die alten scholastischen Kodizes boten
stand, dass mein positivistischer Doktorva-         einen guten Überblick über die jahrhunder-
ter mich faktisch vom Konventionalismus             tealten substanzontologischen Debatten. Die
und vom linguistischen Idealimus wegführte.         erste Vorlesung, die ich vor diesem Hinter-
Meine philosophischen Neigungen waren in            grund anbot, war zum Individuationsprin-
der Folge von einem gewissen – wenn auch            zip. Darüber gibt es reichlich Literatur von
zunächst nur vagen – Interesse für ontologi-       Autoren aus dem Hause. Speziell in der Zwi-
sche Fragen geprägt. In meiner letzten Zeit         schenkriegszeit gab es nämlich an unserer
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Fakultät fachliche Auseinandersetzungen zu           Problematisch ist zweifelsohne die sim-
diesen Fragen zwischen Thomisten und Suà-        ple Verdoppelung und folglich die unnöti-
rezianern.                                       ge Vermehrung von Entitäten. Nicht jedem
   Was für viele als Rückfall in überwundene     Prädikat einer wahren singulären Aussage
Positionen bedeutete, das war für mich an-       entspricht eine Eigenschaft. Verschiedene
regend. Gerade in der Frage nach den indi-       Paradoxien, die aus einer naiven ontologi-
viduellen Einheiten, speziell nach den Indi-     schen Vermehrung folgen, wurden bereits
viduen in der Natur, meinte ich eine gewisse     von Platon aufgezeigt. Negiert man etwas
Entsprechung zwischen zeitgenössischen           und beansprucht man, dass die Aussage wahr
analytisch geprägten Arbeiten und scholas-       ist, so folgt nicht, dass man auch annehmen
tischen Abhandlungen feststellen zu können.      muss, dass es negative Tatsachen gibt. Dass
Die Gefahr, in einen naiven Realismus zu-        ein bestimmtes Individuum eine Eigenschaft
rückzufallen, war und ist allerdings nicht zu    nicht hat, besagt noch nicht, dass es die Ei-
unterschätzen. Am Institut gab es dankens-       genschaft gibt, diese bestimmte Eigenschaft
werter Weise genügend warnende Stimmen.          nicht zu haben.
   Durch meine Hinweise auf die Zeit in Ox-          Der Ontologe muss nicht die Entitäten
ford und den Beginn der Lehrtätigkeit hier       vermehren, er bemüht sich aber zu klären,
in Innsbruck wollte ich betonen, dass gerade     was wahre negative Aussagen zu wahren
die Auseinandersetzung mit anti-ontologi-        Aussagen macht. Für viele Anti-Ontologen
schen Positionen, speziell mit dem Konventi-     ist es die Falsifikation. Der Ontologe warnt
onalismus und dem linguistischen Relativis-      aber davor: Das Falsch-Sein von Aussagen ist
mus, mein Interesse für die als überwunden       nicht durch die Falsifikation gegeben, genau-
geglaubte Ontologie weckte.                      so wenig wie das Wahr-Sein von Aussagen
   Wovon ich mich endgültig distanzierte, ist    durch die Verifikation gegeben ist. Der On-
die Vorstellung, der Ausgangspunkt der Phi-      tologe unterscheidet zwischen der Wahrheit
losophie sei eine Art Basis, aus der alles Üb-   bzw. der Falschheit einer Aussage und der
rige konstruiert werden müsse. Sie hält dem      Feststellung, dass sie wahr bzw. falsch ist.
erwähnten Kriterium der Bewährung im                 Die Auseinandersetzungen über die
Alltag nicht stand. Ausgangspunkt auch für       Wahrheitsansprüche sind allzuoft vergiftet
unsere philosophischen Überlegungen sind         durch mangelnde Unterscheidungen. Von
nicht die Sinnesdaten, sondern die Alltags-      besonderem Gewicht ist die Unterscheidung
welt, in der wir interagieren, handeln und       zwischen Für-wahr-Halten und Wahr-Sein.
das Leben meistern. Diesen Ausgangspunkt         Sie wird im Alltag selbstverständlich voraus-
legten auch die Aristoteliker sowie die Kons-    gesetzt, in verschiedenen Diskursen aber all-
truktivisten nahe.                               zu leicht übersehen.
   Bereits in der Einleitung deutete ich an,         Der Ontologe wird auch zwischen Wahr-
dass das Studium von Quine mein Interesse        heitsbedingungen und Wahrheitskriterien
für ontologische Verpflichtungen vertiefte,      unterscheiden. Die Kriterien sind lediglich
Verpflichtungen also, die Sprecher eingehen,     Hilfen, um den Wahrheitswert von Aussagen
wenn sie Aussagen machen oder einfachhin         festzustellen.
Behauptungen aufstellen. Man kann nicht X            Besonders herausgefordert fühlte ich
behaupten und sogleich negieren, dass es et-     mich schon damals zu Beginn meiner Lehr-
was gibt, was X wahr macht. Diesbezüglich        tätigkeit durch Missverständnisse in der
gab und gibt es allerdings zahllose Missver-     Deutung der klassischen Korrespondenzauf-
ständnisse. Speziell die Rede von „Wahrma-       fassung der Wahrheit. Zu vertreten, dass eine
chern“ dürfte Assoziationen wecken, die zur      Aussage, die wahr ist, immer wahr sein wird,
Ablehnung der entsprechenden realistischen       ist beispielsweise nicht gleichzusetzen mit
Intuitionen führen.                              einem dogmatischen und ungeschichtlichen
                                                                                           11
Standpunkt. Dass sich die Sachlage, über die      konzediere, dass grundlegende Thesen der
Wahres ausgesagt wird, ändern kann, wird          Ontologie keinen unmittelbar greifbaren
jeder realistisch eingestellte Ontologe konze-    Nutzen haben; ich meine allerdings, dass sie
dieren. Wenn aber eine Aussage über einen         sehr wohl einen praktischen Beitrag für die
bestimmten Sachverhalt zu einem bestimm-          Lebensbewältigung in einem weiten Sinn
ten Zeitpunkt an einer bestimmten Stel-           leisten können. Sie betreffen letzte Voraus-
le wahr ist, dann kann sie in Zukunft nicht       setzungen und Grundannahmen unserer Le-
falsch werden.                                    bensbewältigung.
    In der Angabe der Bedingungen für die            Von alters her ist klar, dass man nicht alles
Wahrheit einer Aussage wird man in der Re-        beweisen kann. Ontologische Grundannah-
gel nicht umhin können, denselben Wortlaut        men wären nicht letzte Annahmen, könnte
zu verwenden wie in der Aussage selbst. Die       man sie auf noch Grundlegenderes zurück-
Aussage „der Schnee ist weiß“ ist wahr dann       führen. Man kann aber dennoch verstehen,
und nur dann, wenn der Schnee weiß ist. Der       inwiefern sie für die praktische Lebensbe-
Anti-Realist wird beanstanden, dass man mit       wältigung im umfassenden Sinne eine Rol-
der Wiederholung nichts Neues vermittelt.         le spielen. So kann man zumindest indirekt
Darauf kann der Realist erwidern, man drü-        aufzeigen, wohin ihre Nicht-Beachtung oder
cke damit die Intuition aus, dass die Aussage     Negierung führt.
dann und nur dann wahr ist, wenn es so ist,           Dass eine Sache nicht gleichzeitig und un-
wie durch die Aussage behauptet wird, dass        ter derselben Rücksicht sie selbst und auch
es ist. Zu sagen, dass X ist, ist wahr dann und   nicht sie selbst sein kann, kann nicht bewie-
nur dann, wenn X ist; und zu sagen, dass X        sen werden. Wer aber dieses Prinzip verletzt
nicht ist, ist wahr dann und nur dann, wenn       oder gar bestreitet, gerät in derartige Schwie-
X nicht ist.                                      rigkeiten, dass er kein seriöser Gesprächs-
   Je älter ich werde, umso überzeugter bin       partner sein kann.
ich, dass es Wahrheit gibt, dass also Aussagen        Glaubt jemand im vollen Ernst, dass
tatsächlich wahr sein können. Sind sie wahr,      Wahrheit nicht möglich sei, dass es keine
so nicht deshalb, weil sich die Wirklichkeit      Objektivität gibt, dass man kein Wissen über
danach richten würde oder weil durch sie          Prozesse und Dinge in der Welt haben kann,
Welt konstituiert würde, sondern weil durch       so wirkt sich das in den Lebensentscheidun-
sie angeben wird, dass etwas der Fall ist, dass   gen aus.
Sachverhalte bestehen oder ganz einfach               Die Antwort auf die Frage nach dem Nut-
Tatsachen sind. Da ich davon überzeugt bin,       zen der Ontologie ist einerseits bescheiden,
glaube ich, dass tonangebende Formen des          andererseits anmaßend. Die Ansprüche der
anti-ontologischen linguistischen Idealis-        Ontologen, Aussagen zu machen, die für alle
mus falsch sind.                                  Bereiche und alle Wissenschaften gelten, pro-
                                                  vozieren. Mit welchem Recht mischen sich
                                                  Ontologen – so wird gefragt – in das Gebiet
Dritter und abschließender Teil                   anderer Wissensbereiche ein? Mit welchem
                                                  Recht wähnen sie sich berechtigt, beispiel-
   In der Einleitung betonte ich, dass sowohl     weise in der Theologie kritisch mitreden zu
der praktische wie auch der theoretische          können?
Nutzen der Ontologie fraglich ist. Umstrit-           Es leuchtet zwar ein, dass Ontologen als
ten war und ist, ob die Ontologie überhaupt       solche für die anderen Wissenschaften fach-
sinnvoll ist.                                     fremd sind. Als Ontologen thematisieren sie
   Meine Antwort auf die gestellte Frage          aber letzte Voraussetzungen und letzte An-
nach dem Sinn der Ontologie fällt einerseits      nahmen, die für alle kognitiven und – wie
bescheiden aus, andererseits anmaßend: ich        ich meine – auch alle praktischen Lebensbe-
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reiche grundlegend sind.                        sie nicht Ausdruck der Verabsolutierung von
    Der Ontologe muss als solcher die Ge-       Teilbereichen ist, sondern geradezu beiträgt,
samtdeutung der Lebenswelt nicht inhaltlich     Relatives als Relatives zu durchschauen. So
ausfeilen. Tut er es, so immer in einer ganz    verstandene Ontologie kann auch für die
bestimmten Sprache. Die inhaltlichen Deu-       Analyse von Weltanschauungen hilfreich
tungen sind somit immer relativ zu einem        sein.
bestimmten Bezugsrahmen oder zu einer              Ich hoffe, es ist mir gelungen anzudeuten,
bestimmten Lebenswelt. Ontologische Theo-       dass der Sinn und der Nutzen der Ontologie
rien können aber dennoch eine alle Lebens-      einerseits bescheiden, anderseits anspruchs-
und Wissensbereiche betreffende Funktion        voll ist. Ontologen vertreten zumindest zum
haben. Gerade als Gesamttheorien können         Teil Selbstverständlichkeiten, sie nehmen
sie beispielweise beitragen, Teilbereiche als   aber für sich in Anspruch, nach den letzten
Teilbereiche zu durchschauen. Verwendet         Voraussetzungen und Grundannahmen al-
man den Ausdruck „Gesamtdeutung“ setzt          ler Wissens- und Lebensbereiche nicht nur
man sich dem Verdacht eines unberechtig-        fragen zu können, sondern auch fragen zu
ten Totalitätsdenkens aus. Man muss aber        sollen.
die Gesamtdeutung nicht inhaltlich ausge-          Gelegentlich wird der Verdacht geäußert,
feilt verstehen.                                Ontologie führe zu unberechtigten Verab-
    Gestatten Sie mir noch eine persönliche     solutierungen, ich meine aber, dass sie gera-
abschließende Bemerkung: Ich habe im Lau-       dezu die gegenteilige Funktion hat, nämlich
fe der Jahre das Anliegen von Otto Muck zu      Verabsolutierungen zu vereiteln.
schätzen gelernt, die Funktion einer ontolo-
gischen Gesamtschau so zu verstehen, dass                           Edmund Runggaldier

Ontologie –
eine systematische Gesamtdarstellung

Christian Kanzian forscht am Institut für unter der methodisch eingeschränkten Pers-
Christliche Philosophie seit Jahren über pektive einer Einzelwissenschaft beantwortet
Ontologie. Im folgenden Beitrag beschreibt werden können.
er das Anliegen seines neuen Buchprojekts.       Als Universalwissenschaft (es geht „um al-
                                              les“) zielt die Ontologie keine summarische
Die Ontologie ist jene philosophische Diszi- Auflistung dessen an, was es gibt. Es geht
plin, der es „um alles“ geht, und zwar „unter vielmehr um die letzten Gründe und Fun-
allgemeinster Rücksicht“. In diesem Sinne damente dessen, was ist oder existiert. Auch
greift die Ontologie ein klassisches Anliegen unter dieser Rücksicht ist sie Grundlagen-
der Metaphysik auf, der es ja bekanntlich um wissenschaft, die keine, ihr vorausliegenden
alles „Seiende als Seiendes“ zu tun ist. Im Quellen hat, aus denen sie sich und ihre An-
Hinblick auf eine aktuelle wissenschaftsthe- nahmen herleiten könnte. Die Ontologie hat
oretische Positionierung der Ontologie be- sich selbst zu begründen und ihre Theorien
deutet das, dass Fragen der Ontologie nicht in ihrer Legitimität zu erweisen.
                                                                                          13
Seit Kants Attacken auf eine „naive“ oder      vielmehr so ist, dass sich Einzelwissenschaf-
gar „dogmatische“ Seinslehre ist aber gerade       ten in ihren „ontologischen Verpflichtungen“
diese (Selbst-)Begründung alles andere als         faktisch an den Ursprungsevidenzen aus
selbstverständlich. In der aktuellen ontolo-       unserer Alltagswelt orientieren? Das ist die
gie-kritischen Debatte wird u. a. diskutiert,      metaontologische Ebene des intendierten
ob man die Frage nach dem, was es gibt, was        Projekts.
existiert, in einer nicht-trivialen, sprich ko-       Dem Primat einer Alltagsontologie ent-
gnitiv relevanten Weise beantworten kann;          spricht die Ausarbeitung eines kategorialen
bzw. ob es nicht rein Sache der Pragmatik ist,     Rahmens, in dem Dinge bzw. Substanzen
die Frage nach den ontologischen Voraus-           im Sinne der aristotelischen Metaphysik
setzungen in Alltag, aber auch in den Wis-         die zentrale Stelle einnehmen. Ohne Din-
senschaften zu klären? Zur Ausfaltung dieses       ge, die Eigenschaften annehmen und diese
Aspekts kann auf den Beitrag von Edmund            über eine Zeit hinweg behalten, wird unse-
Runggaldier in diesem Bericht, „Wozu Onto-         re Lebenswelt in ihren Grundzügen nicht zu
logie?“, verwiesen werden.                         verstehen sein. Der zweite Schritt ist also ka-
    In einem neuen Buchprojekt wird ver-           tegoriale Ontologie, in der Dinge bzw. Subs-
sucht, die Ontogie als Grundlagenwissen-           tanzen, Eigenschaften, sowie Ereignisse (wie
schaft über das „Seiende“ darzustellen. Die        das Annehmen, aber auch das Verlieren von
Ontologie reflektiert systematisch über jene       Eigenschaften) als ontologische Grundele-
Voraussetzungen bzgl. Seienden oder „Enti-         mente dargestellt werden.
täten“, die wir zunächst im Alltag bezüglich          Der dritte Schritt besteht in der Anwen-
unserer Lebenswelt, dann aber auch in nicht-       dung dieses kategorialen Schemas im Sinne
philosophischen Wissenschaften, schließlich        einer „applied ontology“. Dabei soll die On-
in anderen philosophischen Disziplinen             tologie als Rahmentheorie anderer Wissens-
machen. Dieses Unterfangen ist weder trivi-        gebiete dargestellt werden. Welchen (nicht-
al, noch rein pragmatisch zu klären. Unsere        trivialen!) Nutzen kann eine Ding- bzw.
Lebenswelt hat Strukturen, die in einem in-        Substanzontologie mit Eigenschaften und
formativen und theoretisch relevanten Sinn         Ereignissen als Explikation ontologischer
aufzuweisen sind.                                  Voraussetzungen in einzelwissenschaftlichen,
    Die Argumentation für diese These erfolgt      aber auch nicht-ontologischen philosophi-
in drei Schritten: Der erste besteht in der Ver-   schen Bereichen haben?
teidigung des angesprochenen Primats der              Ziel des Projekts ist der Versuch einer Ge-
Alltags- oder Lebenswelt im Hinblick auf on-       samtdarstellung, in der die Begründung einer
tologische Untersuchungen. Die Grundele-           Ontologie durch den Erweis ihrer faktischen
mente der Wirklichkeit finden wir in unserer       Relevanz und Leistungsfähigkeit geschieht.
alltäglichen Lebenswelt, nicht an der mikro-          Die wichtigsten Vorarbeiten sind die Mo-
physikalischen „Basis“, wie sie uns durch          nographien „Ereignisse und andere Partiku-
Einzelwissenschaften dargelegt wird. Die lei-      larien“ (2001), „Ding – Substanz – Person“
tende Frage dabei ist, ob es überhaupt Sache       (2009), sowie „Wie Dinge sind“ (2016).
einer Einzelwissenschaft, z. B. der Quanten-
physik, sein kann, Existenz-Fragen im Sinne                                Christian Kanzian
der Ontologie zu beantworten, oder es nicht

14
Man at the Heart of a Modern Medical Ethics
Zweiter austro-kanadischer Ethik-Workshop

Im Beisein der Leiterin des Innsbrucker           ausgerichtet. Neben den bereits erwähnten
Kanadazentrums Ursula Moser sowie der             Philosophen Brannan und Löffler, referier-
Beiratsmitglieder Gudrun Grabher und              ten die beiden Psychiater Josef Marksteiner
Winfried Löffler fand im heurigen Mai nun         und Matthias Peintner zu Problemen wie
schon zum zweiten Mal ein austro-kana-            Demenzerkrankung und Zwangsbehand-
discher Ethik-Workshop statt. Als kanadi-         lung. Neben der wissenschaftlichen Ausei-
scher Gast konnte diesmal die Philosophin         nandersetzung mit der Thematik brachten
Samantha Brennan vom Rotman Institute             Marksteiner und Peinter vor allem auch ihre
of Philosophy an der Western University           jahrelange persönliche Erfahrung mit, die
London (Ontario) gewonnen werden.                 für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer
                                                  eine große Bereicherung darstellte.
Brennan, die neben der Medizinethik vor al-          Gabriele Werner-Felmayer von der Medi-
lem im Bereich der feministischen Ethik aus-      zinischen Universität Innsbruck schließlich
gewiesen ist, sprach über die Perspektive des     sprach über Möglichkeiten und Herausfor-
Kindes im medizinischen Alltag. Ausgehend         derungen einer patientenorientierten Ent-
von der Beobachtung, dass das Kind mit sei-       scheidungsfindung und die Amerikanistin
nen spezifischen Fähigkeiten und seiner ei-       Gudrun Grabher analysierte die Auswirkun-
genen Perspektive in der Philosophie bisher       gen, die ein entstelltes Gesicht für die Betrof-
nur eine marginale Rolle gespielt hat, trat sie   fenen mit sich bringt, anhand von Richard
dafür ein, dass Ärzte, Eltern und Pflegeper-      Selzers Roman „Imelda“. Damit schloss sie
sonal in ihren Entscheidungen Kinder nicht        als letzte Referentin den Bogen zum Work-
in erster Linie als zukünftige Erwachsene,        shop-Thema „Man at the Heart of a Modern
sondern eben als Kinder sehen sollen. Damit,      Medical Ethics“. Und tatsächlich: Trotz der
so meint Brennan, würde sich einiges ver-         sehr unterschiedlichen Perspektiven, welche
ändern. Maßnahmen etwa, die zur Gesund-           die Vertreter der verschiedenen Disziplinen
heit des zukünftigen Erwachsenen beitragen        in die Diskussion einbrachten, waren sie sich
können, müssten primär dahingehend be-            in einer Sache doch alle einig. Eine moderne
fragt werden, ob sie dem jetzt betroffenen        Medizinethik kann nur dann Erfolg haben,
Kind zumutbar seien.                              wenn sie ihre Aufmerksamkeit in erster Linie
   Aber nicht nur Brennan betrat mit ih-          den betroffenen Menschen schenkt und diese
ren Ausführungen Neuland, auch Winfried           als Individuen ernst nimmt, einen jeden mit
Löffler griff in seinem Referat ein bis dato      seiner spezifischen Symptomatik, aber auch
kaum beachtetes Thema auf, nämlich die            mit seinem Charakter, seiner Biographie, sei-
Frage, ob bzw. inwiefern medizinische Mar-        nen Ängsten und seinen Hoffnungen.
ginalfälle für ernstzunehmende ethische              Im Frühjahr 2017 jedenfalls soll es zu
Probleme sorgen können. Ein Novum gab             einer Neuauflage des austro-kanadischen
es darüber hinaus auf der organisatorischen       Ethik-Workshops kommen. Dieses Mal wird
Ebene. Während der austro-kanadische Me-          die Ethik der Mensch-Tier-Beziehung im Fo-
dienethik-Workshop vom Vorjahr noch aus-          kus des Interesses stehen.
schließlich von Philosophen und Theologen
bestritten worden war, war der heurige Me-                                  Claudia Paganini
dizinethik-Workshop klar interdisziplinär
                                                                                               15
Tagung „Multiple Religious Belonging“:
Kann man mehreren Religionen gleichzeitig angehören?

Seit 2012 gibt es seine wachsende Koope-
 ration des Institutes für Christliche Philo-
sophie mit dem Department of Philosophy
der chinesischen Top-Universität Sun Yat-
sen University (SYSU) Guangzhou. Diese
Metropole in der Nähe von Hongkong und
Macao ist bei uns besser unter dem Namen
„Kanton“ bekannt.                                cker Tagung um den Fragenkomplex mul-
                                                 tipler religiöser Zugehörigkeit („multiple
Die SYSU (ihr Name geht auf den Gründer religious belonging“): Gibt es so etwas (im
des modernen China, Dr. Sun Yat-sen (1866- engeren Sinne, nicht bloß z. B. im Sinne der
1925) zurück, der übrigens Christ war) ran- Übernahme einzelner Praktiken) wirklich?
giert in den chinesischen Uni-Rankings Ist es rational vertretbar, stieße es nicht be-
unter den ersten Zehn, was insofern bemer- reits auf logische Grenzen, und wie ist ein
kenswert ist, als die ersten Plätze traditionell solches Phänomen religionsphilosophisch
großteils auf Pekinger Universitäten abon- einzuordnen? Aus europäischer Sicht mag
niert sind.                                      die Frage zunächst reichlich theoretisch
    Das für europäische Verhältnisse riesige klingen. (Dementsprechend hätte in der Box
philosophische Institut residiert in einem „Religionszugehörigkeit“ auf europäischen
modernen, architektonisch bemerkenswer- Formularen auch gar nicht mehr als ein Ein-
ten neuen Gebäude im Südteil des parkarti- trag Platz!) Zumindest auf wissenschaftlicher
gen subtropischen Campus und verfügt u. a. Ebene ist sie allerdings stark im Kommen. In
über eine Abteilung für westliche Philoso- China – mit seinen vielfachen religiösen Tra-
phie. Europäische und amerikanische Re- ditionen und besonders seiner kulturellen
ligionsphilosophie werden aber auch in der Prägung durch die „Drei Lehren“ des Daois-
Abteilung für chinesische Philosophie mit mus, Buddhismus und Konfuzianismus – ist
Interesse verfolgt, und so erklärt sich das ge- das Thema dagegen äußerst öffentlichkeits-
meinsame Interesse an der Kooperation mit relevant.
Innsbruck.                                          Tagungsorganisator Winfried Löffler (In-
    Im Juni 2016 drehte sich – nach einem stitut für Christliche Philosophie) konnte
kleineren, einschlägigen Pilot-Symposium die Professorinnen und Professoren Chen
in Guangzhou 2015 – eine größere Innsbru- Lisheng, Li Lanfen, Chen Shaoming und Dr.
                                                 Zheng Shuhong (alle Department of Philo-
                                                 sophy, SYSU Guangzhou), Dr. Ursula Baatz
                                                 (Religionswissenschaftlerin, Uni Wien und
                                                 ORF-Journalistin), Prof. Reinhold Bern-
                                                 hardt (evangelischer Theologe, Uni Basel) so-
                                                 wie den Physikphilosophen, Jesuitenpriester
                                                 und approbierten Zen-Meister Prof. Stefan
                                                 Bauberger SJ (Hochschule für Philosophie
                                                 München) als Sprecherinnen und Sprecher
                                                 begrüßen.
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