Grußwort des Präses - Universität Innsbruck
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Grußwort des Präses Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Von unserer Seite arbeiten an diesem Pro- Freundinnen und Freunde des Instituts für jekt Dipl.-Math. Lukas Kraus, PhD, (bis Christliche Philosophie und des Institutum September 2016) sowie Mag. Dr. Daniel Philosophicum Oenipontanum! Wehinger und Susanna Haas. 3. „Emuna: Evidence and Religious Belief “ Das Institut für Philosophie an der Katho- vom Fonds zur Förderung der wissen- lisch-Theologischen Fakultät der Universität schaftlichen Forschung (FWF), Lise-Meit- Innsbruck liefert nicht nur das für das Stu- ner-Programm für ForscherInnen aus dium der Theologie notwendige philosophi- dem Ausland. Dieses Projekt wird von Ka- sche Rüstzeug, sondern ist darüber hinaus therine Dormandy, DPhil, durchgeführt. eine eigenständige Lehr- und Forschungs- Im Rahmen dieses Projekts wurde im einrichtung. Durch eine Reihe eingeworbe- Dezember 2016 die Tagung „Dimensions ner Forschungsprojekte wird die Forschung of Trust“ mit international angesehenen gezielt vorangebracht und jungen Philoso- Philosophinnen und Philosophen wie Eli- phinnen und Philosophen die Möglichkeit sabeth Fricker, John Greco u. a. m. organi- geboten, ihre Ideen zu entwickeln. So laufen siert. am Institut für Christliche Philosophie der- 4. „Kritische Edition des Sentenzenkom- zeit vier drittmittelfinanzierte Forschungs- mentars von Robert Cowton, Buch IV“ projekte: vom Fonds zur Förderung der wissen- 1. „Analytic Theology and the Nature of schaftlichen Forschung (FWF), an dem God: Integrating Insights From Science Mag. Sylvia Eibl arbeitet. and Philosophy Into Theology“ der John- Ferner planen wir, unsere religionsphiloso- Templeton Foundation. Dieses Projekt phischen Aktivitäten zu bündeln und das wird in Kooperation mit der Hochschule „Innsbruck Center for Philosophy of Religi- für Philosophie München, der Universi- on (ICPR)“ zu gründen. Entsprechend soll tät Regensburg sowie der Philosophisch- auch unser Forschungszentrum, das derzeit Theologischen Hochschule St. Georgen den Namen „Christliches Menschenbild und durchgeführt. Allein in unserem Institut Naturalismus“ trägt, in „Philosophy of Reli- arbeiten im Rahmen dieses Projekts Univ.- gion“ umbenannt werden. Am Entwurf die- Ass. Dr. Georg Gasser als Projektleiter, ses Centers arbeitet maßgeblich Univ.-Prof. Mag. Marco Benasso, PhD, Simon Kittle, Dr. Dr. Christian Tapp, der die Stiftungspro- PhD, und Dr. Klaus Viertbauer als Post- fessur der Gedächtnisstiftung Peter Kaiser docs, Mag. Marisa Gasteiger, Dipl.-Theol. (1793–1864) innehat. Am 19. Oktober 2016 Jacob Hesse, BA, und Dipl.-Theol. Georg hielt Prof. Tapp im Kaiser-Leopold-Saal vor Sauerwein, M.Sc., als Doktorandin bzw. zahlreichen Gästen, Studierenden sowie dem Doktoranden. Stiftungsrat der Peter Kaiser Stiftung seine 2. „Agency and Quantum Physics“ zusam- Antrittsvorlesung mit dem Titel „‚Christli- men mit dem Institut für Theoretische che Philosophie‘ – ein hölzernes Eisen?“ In Physik in Innsbruck und dem Institut für einem Schlusswort zeigte sich der Präsident Theoretische Philosophie in Konstanz. der Stiftung und Ehrensenator der Universi- 1
tät Innsbruck, Dr. Herbert Batliner, erfreut den auch mehrere Tagungen am Institut ver- darüber, dass die Universität den Impuls der anstaltet. Dazu gehörte der von Univ-Ass. Dr. Stiftung aufgenommen habe und durch Ver- Claudia Paganini organisierte „Austro-Can- stetigung der Professur fortführen wolle. dian Medical Ethics Workshop“, wo das Men- Diese Antrittsvorlesung von Prof. Tapp schenbild in der modernen Medizinethik war einer der Höhepunkte im vergangenen thematisiert wurde, sowie das internationale Jahr. Ein weiterer Höhepunkt war die im Rah- Symposium „Multiple Religious Belonging: men der Aquinas Lectures 2016 von Univ.- Philosophical Perspectives“, für das es dem Doz. Dr. Hans Kraml gehaltene Vorlesung Organisator Ao. Univ.-Prof Dr. Dr. Winfrid mit dem Titel „Unzulängliches Philosophie- Löffler gelang, auch drei Professoren von der ren und Philosophie des Unzulänglichen“. Guangzhou Universität in China nach Inns- Mit dieser Vorlesung verabschiedete sich bruck zu holen. Doz. Kraml in die Pension. Er hat es großar- Eine besondere Bereicherung für unser tig verstanden, das mittelalterliche philoso- Institut ist Justin McBrayer, PhD, Associa- phische Erbe zu pflegen und für die zeitge- te Professor am Department of Philosophy, nössische Philosophie fruchtbar zu machen. Fort Lewis College (Colorado). Er lehrt und Zusammen mit Univ.-Prof. Dr. Dr. Gerhard forscht als Fulbright Scholar seit 1. Oktober Leibold gelang es ihm, eine Reihe von dritt- bei uns am Institut. mittelgeförderten Forschungsprojekten über Ich bedanke mich bei allen Freundinnen Rupert von Deutz und Robert Cowton er- und Freunden, Mitarbeiterinnen und Mit- folgreich zu beantragen und zu leiten. Ein arbeitern des Instituts – besonders bei Frau dritter Anlass zu feiern war der 70. Geburts- Monika Datterl und Frau Ksenia Scharr im tag von Univ.-Prof. Dr. Edmund Runggaldier Sekretariat – für ihren engagierten Einsatz SJ. Er beschenkte Institut, Freunde, Kollegen und ihre Unterstützung. und Studierende mit einem spannenden Vortrag zur Frage „Wozu Ontologie?“ Neben diesen feierlichen Anlässen wur- P. Bruno Niederbacher SJ 2
Berichte aus dem Institut Abschiedsvorlesung von Hans Kraml über „Unzulängliche Philosophie und Philosophie des Unzulänglichen“ Am 27. Januar 2016 hielt Univ.-Doz. Dr. präsentierbare Wirklichkeit zu entwickeln. Hans Kraml im Rahmen der Aquinas ���� Lec- Aber einem allzu naiv-realistischen Bild der tures������������������������������������ seine Abschiedsvorlesung. Die Zuhö- Beziehung zwischen menschlicher Erkennt- rer drängten sich im überfüllten Hörsaal 1: nis und weltlicher Wirklichkeit steht positiv Hatte doch eine der seit vielen Jahren tra- auch eine Philosophie gegenüber, die um genden Säulen der Innsbrucker Philoso- die „Differenz zwischen dem, was tatsäch- phie angekündigt, über unzulängliches lich ist, und dem, was uns davon zugänglich Philosophieren über Unzulängliches zu oder gegeben ist“ weiß; eine Philosophie im philosophieren. Bewusstsein dessen, dass der Mensch einen „Standpunkt außerhalb“ – außerhalb seiner Der Vortrag drehte sich um nichts Gerin- Umgebung und jenseits der Grenzen seiner geres als eine angemessene Standortbestim- Erkenntnisvermögen – grundsätzlich nicht mung der Philosophie selbst. Würde Kraml, erreichen kann. Und die insbesondere nicht Freund der Weisheit par excellence, hier zu ausblendet, dass letztlich alle Theorie in Pra- einer Generalabrechnung mit seinem eige- xis gründet, dass Wissen auf Können beruht, nen Fach ausholen? doch wir am Ende mit unseren philosophi- Wer solche Erwartungen hatte, musste sie schen Überlegungen immer „nur unzuläng- umgehend verabschieden. In guter sokrati- lich mit dem umgehen können, was unser scher Manier entlarvte Kraml ein seiner Mei- menschliches Leben bestimmen könnte“. nung nach verfehltes Philosophieverständ- Kraml illustrierte diese These vor allem an- nis, das der Hybris erliegt zu glauben, unsere hand zahlreicher Beispiele aus der Philoso- Theorien würden die Wirklichkeit zusehends phie des Mittelalters und beeindruckte die „besser erfassen, bis sie sich schließlich als Hörer insgesamt mit einem einsichtsvollen adäquate Darstellung eben dieser Wirklich- Stück Philosophie-Philosophie. keit erweisen“. Problematisch, so lautete die Mit Hans Kraml verlässt das Institut ein Grundthese, ist eine Philosophie, die sich herausragender Philosoph und eine Gelehr- getragen von falschen Letztbegründungs- tenpersönlichkeit alter Schule, deren Spezi- zielen anheischig macht, endgültig wahre es längst auf der roten Liste der bedrohten Theorien über eine vermeintlich unabhän- Hochschullehrerarten steht. Wir werden mit gig von der Situativität des Betrachters re- ihm einen in dieser Form nicht zu ersetzen- 3
den Kollegen vermissen. Das Institut dankt länglich unzulänglich über Unzugängliches Hans Kraml herzlich für sein langjähriges wird philosophieren lassen. Engagement und wünscht ihm, dass ihn sein akademischer Enthusiasmus auch in der Christoph Jäger neuen Lebensphase weiter mit Freude hin- Einblicke in die Christliche Philosophie Dieser Artikel erschien am 30. Oktober In seiner Antrittsvorlesung setzte Pro- 2016 im Newsromm der Universität Inns- fessor Tapp sich differenziert mit dem um- bruck: https://www.uibk.ac.at/newsroom/ strittenen Begriff „Christliche Philosophie“ einblicke-in-die-christliche-philosophie. auseinander. Eine Reihe von Philosophen html.de. verstanden sich als glühende Verfechter einer christlichen Philosophie, wie z. B. der frühere Am Mittwoch, 19. Oktober, fand im Kaiser- Innsbrucker Philosoph und ehemalige Rek- Leopold-Saal in festlicher Atmosphäre die tor P. Emerich Coreth SJ (1919–2006). Ande- Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Dr. re Philosophen meinten jedoch, darin einen Christian Tapp statt. Er hat die Stiftungspro- Selbstwiderspruch bzw. einen Widerspruch fessur für Christliche Philosophie am Institut gegen die Autonomie der Philosophie zu er- für Christliche Philosophie inne. blicken (Heidegger). Tapp wies darauf hin, Im Namen des Rektorats erläuterte VR dass es für die Frage nach der Möglichkeit Fügenschuh in seinem Grußwort die beson- christlicher Philosophie darauf ankomme, dere Stellung des Instituts für Christliche welche zusätzliche Bestimmung der Philo- Philosophie als einem international renom- sophie durch das Attribut „christlich“ über- mierten Zentrum religionsphilosophischer haupt ausgedrückt werden soll. So machte Forschung. Für die liechtensteinische Ge- er sich zunächst daran, Extrempositionen dächtnisstiftung Peter Kaiser (1793–1864) auszuschließen: eine Philosophie „christlich“ unterstrich der Stiftungsrat Prof. Dr. Jo- zu nennen, bloß weil ihre Vertreter Christen seph Jung, dass sich die Stiftung christlich- seien, sei „inhaltsleer“. Umgekehrt sei das abendländischen Werten verpflichtet sieht. andere Extrem, etwa in der Philosophie un- Die wissenschaftliche Auseinandersetzung ter Rückgriff auf Offenbarungswahrheiten mit diesen müsse selbstverständlich frei von zu argumentieren, philosophisch selbstver- äußerer Einmischung erfolgen. Christliche ständlich inakzeptabel. Die entscheidende Philosophie, so der Stiftungsrat weiter, dürfe Frage sei nun, was im Innenbereich dieses keine „Theologie unter falscher Flagge“ sein. Spektrums von Positionen zu sehen sei. In einem Schlusswort zeigte sich der Präsi- Eine ganze Reihe von Argumenten ge- dent der Stiftung, Dr. Herbert Batliner, Eh- gen die Möglichkeit einer christlichen Phi- rensenator der Universität Innsbruck, erfreut losophie – von Philosophen wie Nietzsche, darüber, dass die Universität Innsbruck den Heidegger und Carnap und des protestanti- Impuls der Stiftung aufgenommen habe und schen Theologen Karl Barth – wurden von durch Verstetigung der Professur fortführen Tapp analysiert und im Ergebnis relativiert. wolle. Anschließend stellte Tapp mit dem US-ame- 4
rikanischen Erkenntnistheoretiker und Re- ders herausfordernd war Tapps Paritätsargu- ligionsphilosophen Alvin Plantinga (*1932) ment, dass, wenn religionskritische Positio- eine heutige philosophische Position dar, die nen zur Philosophie gehören würden, dann sich selbst ausdrücklich als „christliche Phi- das gleiche Recht für religionsfreundliche losophie“ versteht. Positionen gelten müsse. Am Ende zeigte Professor Tapp fünf ver- Überhaupt nutzte Tapp die Freundschaft schiedene Konzeptionen „christlicher Phi- als Motivklammer seines Vortrags: Er näher- losophie“ auf, die er mehr oder weniger für te sich der Sachfrage nach Christlicher Philo- vertretbar hält. Sie reichten von der ganz sophie, indem er von einer Freundschaft des schwachen Bestimmung einer Philosophie Philosophen mit dem Christentum sprach. im institutionell-organisatorischen Rahmen Aus religiösen Gründen könne man opti- einer theologischen Fakultät über einer Art mistisch sein, dass scheinbare Widersprüche denkerische Dienstleistungsfunktion für die zwischen Glaube und Vernunft sich stets Theologie bis zu den stärkeren Kriterien ei- auflösen lassen. Dies sei natürlich „anstren- ner hypothetischen Behandlung von Glau- gend“, aber das dürften Freundschaften eben bensinhalten, d. h. in Absehung von ihrer auch sein. inhaltlichen Geltung, und unter Umständen auch einer positionellen Philosophie. Beson- Die Newsroom-Redaktion Wozu Ontologie? Diesen Vortrag hielt Prof. Edmund Rung- Ich verstehe „Ontologie“ im traditionel- galdier am 5. Oktober 2016 anlässlich sei- len oder scholastischen Sinne. Dieser Sinn nes siebzigsten Geburtstags. dürfte sich im Großen und Ganzen mit dem analytisch geprägten zeitgenössischen Sinn Wozu soll die Ontologie gut sein? Worin soll- decken. te ihr Nutzen bestehen? Dieser klassischen sowie analytischen Die Auffassung, die Ontologie habe kei- Auffassung zufolge fragt der Ontologe als nen unmittelbar praktischen Nutzen, scheint Ontologe nach den allgemeinsten Struktu- plausibel. Hat sie aber nicht doch insofern ren der Wirklichkeit. Er befasst sich mit der einen Sinn, als sie unserem Wissensdrang Frage nach den letzten Einteilungsprinzipien entgegen kommt? Kann man nicht Ontolo- oder Kategorien. gie um ihrer selbst willen betreiben? … ganz In der Ontologie geht es demnach um die einfach aus Interesse! Die Meinung, dass die allgemeinsten Begriffe: Was heißt, dass et- Ontologie als Fach nicht nur keinen prakti- was ist und nicht vielmehr nicht ist? Bedeu- schen Nutzen, sondern auch keinen theoreti- tet, wirklich zu sein, zu existieren oder ganz schen Wert hat, ist allerdings weit verbreitet. einfach zu sein, immer dasselbe, oder je nach Sie werden nun fragen, von welcher Onto- Kategorie Unterschiedliches? logie spricht er eigentlich. Mit „Ontologie“ Soll man überhaupt zwischen verschie- meint man nämlich je nach philosophischer denen Kategorien der entia, der Entitäten, und weltanschaulicher Einstellung Unter- unterscheiden? Oder gibt es überzeugende schiedliches. Gründe für die Annahme, dass es letztlich 5
nur eine Art, wirklich zu sein oder schlicht sifizierbar im engen Sinne, sie können sich zu existieren, gibt? Die eine Frage prägt den aber in unserer Lebenswelt bewähren. alten sowie zeitgenössischen Nominalismus- Ich verweise in diesem ersten Teil auf on- streit, die andere die Untersuchungen zur tologische Unterscheidungen, für die es kei- Analogie. ne engen Überprüfungsmethoden gibt, die sich aber im Alltag bewähren können. So Was habe ich nun vor? beispielsweise die Unterscheidung zwischen Ich will im ersten Teil die Herausforde- Dingen und Ereignissen. Rein naturwissen- rung einiger grundsätzlicher Einwände ge- schaftlich nicht fassbar sind zudem Unter- gen die Sinnhaftigkeit der Ontologie anneh- schiede zwischen dem Vergehen und der men. Ausdehnung in der Zeit. Wie soll man zu- Ein erster ernst zu nehmender Einwand dem rein Potentielles oder Mögliches fassen folgt aus der Ansicht, Ontologie sei schlechte können? Semantik, sie projiziere sprachliche Struktu- Im zweiten Teil erlaube ich mir einige au- ren auf die Wirklichkeit. Der Ontologe ver- tobiographische Bemerkungen. Als ich stu- wechsle sprachliche Regelungen mit Struktu- dierte, war die sogenannte Sprachanalyse in ren der uns vorgegebenen Wirklichkeit. aller Munde. Sie war damals gekoppelt mit Die Strategie meiner Antwort auf diese der Grundannahme, ontologische Fragestel- Herausforderung ist simpel: Ich drehe den lungen seien durch Analyse der Sprache zu Spieß einfach um. Warum sollten wir anneh- überwinden. men, dass die allgemeinsten Strukturen un- Durch das Studium von Autoren wie serer Alltagswelt auf unsere Art zu sprechen Carnap und Quine bin ich mehr und mehr zurückzuführen sind und nicht vielmehr zur Überzeugung gekommen, dass ontologi- umgekehrt, dass unsere Art zu sprechen von sche Fragestellungen gerade wegen sprach- den Strukturen der Welt abhängig oder zu- philosophischer Thesen nicht obsolet seien. mindest bedingt sei? Worauf gründen die Besonders überzeugend waren und sind für faktischen constraints unserer sprachlichen mich Quine’s Beteuerungen, dass die be- Regelungen? hauptende Rede mit Verpflichtungen ein- Provozierend formuliert: nicht wir konsti- hergeht. Erhebt man den Anspruch, dass die tuieren durch unsere Sprache die Welt, son- eigenen Behauptungen wahr sind, so ist man dern wir verwenden unsere Sprache, um die verpflichtet, das anzunehmen, was diese Be- Wirklichkeit zu beschreiben. hauptungen wahr macht. Die behauptende Ein weiterer Einwand gegen die Sinn- Rede und der entsprechende Wahrheitsan- haftigkeit der Ontologie ergibt sich daraus, spruch waren mir stets ein Anliegen. dass zentrale Thesen der Ontologie keinen Im dritten und letzten Teil werde ich kognitiven Unterschied zu begründen schei- eine Antwort auf die gestellte Frage nach nen. Ob man sie oder ihr Gegenteil vertritt, dem Wozu der Ontologie anpeilen. Sie wird scheint kognitiv irrelevant zu sein. Beson- bescheiden ausfallen, zugleich aber auch an- ders die Sprachanalytiker und die logischen maßend wirken. Grundlegende Thesen der Positivisten sahen darin einen Grund für Ontologie sind nämlich weitgehend so allge- ihre These der schlichten Sinnlosigkeit der mein, dass sie redundant scheinen. Sie haben Ontologie. aber dahingehend einen Sinn, als ihre Nega- Ich kontere, dass es Formen der Bewäh- tion oder Nicht-Beachtung schlimme Folgen rung unseres Sprechens und Denkens gibt, zeitigt. Und sie betreffen alle Wissensgebiete. die umfassender sind als die gängigen Verifi- Ontologen sind zwar in anderen Wissen- kations- und Falsifikationsmethoden einzel- schaften fachfremd. Als Ontologen themati- ner Aussagen: Ontologische Annahmen oder sieren sie aber letzte Voraussetzungen und Thesen sind zwar nicht verifizierbar und fal- letzte Annahmen, die für alle kognitiven und 6
– wie ich meine – auch alle praktischen Le- serer Geist oder es sind wir Menschen, die bensbereiche grundlegend sind. kategoriale Unterschiede aufgrund unserer Meine anvisierte Antwort auf die Frage Sprache setzen. nach dem Wozu der Ontologie setzt die The- Die Erwiderung auf den Einwand, zu der se der Einheit der Vernunft voraus. Wer der ich neige, setzt hier an. Wenn wir es sind, die Überzeugung ist, die Einheit der Vernunft sei kategoriale Einteilungen machen, so frage durch die Post-Moderne überwunden, wird ich, warum wir genau die Einteilungen ma- mir nicht folgen können. Er wird höchstens chen, die wir machen, warum wir genau die von der Ontologie der Physik, der Chemie, sprachlichen Kategorisierungen vornehmen, der Tiefenpsychologie usw. sprechen. Diese die wir vornehmen. Wenn der sprachliche „regionale Ontologien“ behandeln die je eige- Idealist sagt, es gäbe prinzipiell verschiede- nen grundlegenden Voraussetzungen einer ne mögliche sprachliche Strukturierungen, bestimmten Wissenschaft oder Lebensform. so darf ich fragen, warum wir genau die uns Demgegenüber möchte ich mich für die vertrauten auswählen. Auffassung stark machen, dass es Ontologie Wenn wir in der Wahl der letzten sprach- als eine grundlegende Wissenschaft geben lichen Strukturen frei sind, so müssten wir in kann, die alle Wissenschaften und Lebens- der Lage sein, uns Alternativen vorzustellen. bereiche betrifft. Der Mensch ist aufgrund In vielen Fällen ist das aber faktisch nicht seiner Vernunft berechtigt, nach den letzten möglich. Voraussetzungen der Deutungen der Ge- Der Anti-Idealist meint, es gäbe dafür samtwirklichkeit zu fragen. Gründe, und diese Gründe sind nicht auf die faktische Beschränktheit unserer Psyche zu- rückzuführen, sondern sind letztlich ontolo- Erster Teil: Einwände gegen die Sinnhaftig- gische Gründe. keit der Ontologie Warum können wir – um bei unserem Beispiel zu bleiben – Subjekt und Prädikat Ein grundlegender, ernst zu nehmender Ein- nicht invertieren. Warum können wir Aus- wand gegen die Sinnhaftigkeit der Ontologie drücke in Subjektposition nicht mit Ausdrü- besagt, dass Ontologie letztlich nichts ande- cken in Prädikatposition vertauschen? Wir res als Semantik und zwar schlechte Seman- prädizieren von Franz, dass er raucht. Es ist tik sei. Ontologische Unterscheidungen und aber offenkundig, dass wir nicht Franz vom Kategorien seien Ergebnis von Projektionen Rauchen aussagen können. Aber warum ist sprachlicher Strukturen. das nicht möglich? Die Regeln unserer Spra- Der Unterschied zwischen Dingen und che erlauben es nicht, aber warum nicht, Eigenschaften beispielsweise sei lediglich Er- wenn wir diese Regel aufstellen? gebnis der Subjekt-Prädikat Unterscheidung. Der Ontologe gibt sich mit der faktischen Mit den Subjektausdrücken in singulären Unmöglichkeit nicht zufrieden. So verweist deskriptiven Aussagen beziehen wir uns auf er auf den kategorialen Unterschied zwischen Einzeldinge und mit den Prädikatausdrü- Konkretem/Partikulärem und Allgemeinem. cken auf Eigenschaften. Hätten wir andere Ausschlaggebend für die Unmöglichkeit sprachliche Strukturen, wäre die Annahme der Inversion ist die Eigenart von Individu- eines Unterschieds zwischen Dingen und en, konkreten Einzeldingen. Einzelnes, rein Eigenschaften obsolet oder ersetzbar. Dieser Konkretes, kann nicht prädiziert werden. Unterschied sei uns nicht vorgegeben, son- Um kognitiv relevante Aussagen machen zu dern Setzung aufgrund sprachlicher Kon- können, brauchen wir Ausdrücke, mit denen ventionen. wir Allgemeines meinen. Der Hintergrund dieser Auffassung ist Der linguistische Idealist führt den Unter- eine Art linguistischer Idealismus: Es ist un- schied zwischen Konkretem/Partikulärem 7
und Allgemeinem auf unsere Art zu spre- es ontologische Differenzen gibt, die die Art, chen zurück, der Ontologe dreht den Spieß über die Wirklichkeit zu sprechen, bedingen, um und gibt als Grund für die Subjekt-Prä- wenn nicht gar begründen. dikat-Struktur unserer singulären Prädikati- Wer beispielsweise den Unterschied zwi- onen diesen Unterschied zwischen Konkre- schen Dingen und Ereignissen in seiner Le- tem/Partikulärem und Allgemeinem an. benswelt faktisch nicht beachten und folglich Ich simplifiziere, meine aber, dass anhand Dinge wie Ereignisse auffassen würde, müss- des Beispiels der Subjekt-Prädikat-Struktur te von Dingen auch sagen können, dass sie die von mir favorisierte Antwort auf den sich ereignen oder dass sie dauern. Das geht genannten Einwand klarer wird: Die allge- aber nicht. Der Ontologe sieht als Grund da- meinste Struktur unserer Sprache und un- für den kategorialen Unterschied zwischen serer Sprechakte ist zwar von Festsetzungen Dingen und Ereignissen. abhängig, ihr letzter Grund liegt aber in on- Als weiteres Beispiel mag unsere Rede tologischen Unterschieden und Strukturen über Individuen gelten. Der linguistische in der Welt. Idealist steht zur These, dass die Bildung oder Den genannten Einwand gegen die Sinn- Konstitution von Individuen durch sprachli- haftigkeit der Ontologie stützt aber auch die che Konventionen erfolgt. Was durch unsere Intuition, dass es für die allgemeinsten on- Ausdrücke bezeichnet wird, hängt demnach tologischen Einteilungen keine empirisch von den durch Sprache festgelegten Identifi- zugängliche oder beobachtungsrelevante zierungs- sowie Identitätskriterien ab. Grundlage gibt. Der Ontologe fragt aber, weshalb die Bil- Der Ontologe erwidert: Es mag zwar dung von Individuen nicht beliebig ist, er stimmen, dass es keine empirischen Metho- will wissen, weshalb es faktisch so viele con- den oder beobachtbaren Indizien für letzte straints in der Setzung oder Konstitution von ontologische Einteilungen gibt, die ontologi- Individuen gibt. schen Einteilungen sind aber nicht beliebig. Die Einheiten, die die Individuen bilden, Der Ontologe kennt dafür Kriterien, die auf sind für ihn zumindest teilweise vorgegeben. ein zugrundeliegendes Kriterium zurück- Wir entdecken sie aufgrund ihrer Vollzüge, gehen, nämlich auf die Bewährung in der Tätigkeiten und Entwicklungen. So ist es na- Lebenswelt. Sie stammen aus der Praxis der heliegend, von Rössern, Hunden und sons- Lebensbewältigung. Das genannte Kriterium tigen Lebewesen als Individuen zu sprechen. der Bewährung ist kein primitiv utilitaristi- Absurd wäre es, wollte man aber aus halben sches, sondern betrifft die umfassende Le- Rössern und halben Flüssen neue Individuen benserfahrung. bilden. Es gibt sachliche constraints für die Vom Weisen wird gesagt, dass er das Er- sogenannte Konstitution von Individuen. fahrene besser zu überblicken weiß und Dass die Ontologie nicht in allen Fällen le- besser einordnen kann als der noch Uner- diglich Ergebnis von Projektionen und Ver- fahrene oder noch nicht Weise. Sapientis est wechslung sprachlicher struktureller Eintei- ordinare – so lautet ein Motto aus der klassi- lungen mit Strukturen in der Welt ist, kann schen Philosophie. Das gilt insbesondere für durch weitere Beispielsfälle plausibel gestützt das Metier des Ontologen, insbesondere für werden. Denken wir an die Einteilung in ak- seine Tätigkeit des Überblickens und Ein- tuelle und rein mögliche Sachverhalte; den- ordnens der Lebens- und Wissensbereiche. ken wir an Aussagen über Tendenzen und Aufgrund der genannten Bewährung können Dispositionen, oder an die Tempora. bestimmte Kategorisierungen erfolgreicher Die Unterscheidung zwischen Gegenwär- bzw. fundierter sein als andere. tigem und Vergangenem ist beileibe nicht Der Ontologe meint, dass die Bewäh- nur sprachlich bedingt, sondern ergibt sich rung in der Lebenswelt Indiz dafür ist, dass aus der Lebenserfahrung. Der Ontologe geht 8
der Unterscheidung nach und versucht sie zu es relativ leicht abzuheben. Die Faszination deuten. Er ist bemüht, unsere Art, Tempora für philosophische Theorien verführt zuwei- zu verwenden, auf einen auch ontologischen len. Gibt man der Versuchung nach, wird Unterschied zwischen Vergangenheit, Ge- man allzu leicht Opfer unkontrollierter Spe- genwart und Zukunft zurückzuführen. kulationen. Sich zu fragen, ob man wirklich Plakativ ausgedrückt: nicht wir – wie be- glauben kann, was man philosophisch ver- reits in der Einleitung angedeutet – konsti- tritt, schien mir wichtig. Ich bemühte mich tuieren durch unsere Sprache die Welt, son- – so weit wie möglich – das Kriterium anzu- dern die Sprache ist unser Instrument, um wenden. die Wirklichkeit zu beschreiben. Ayer wandte sich – so bekundete er – aufgrund des genannten Kriteriums gegen sämtliche Varianten und Ausfaltungen der Autobiographische Bemerkungen Metaphysik. Er verteidigte stattdessen seine Ansicht der Sinnesdaten. Die Dinge und Er- An unserer Fakultät hier in Innsbruck gab eignisse in der Welt seien letztlich Mengen es Anfang der 70er-Jahre große Umwälzun- von Sinnesdaten oder aus solchen konstitu- gen. Besonders beliebt waren die emanzipa- iert. torischen Philosophien oder verschiedene Ich meinte aber, ich müsse mich aufgrund Protest-Tendenzen. Zum Teil verabschie- des genannten Kriteriums auch vom lingu- dete man sich bewusst von der Scholas- istischen Idealismus abwenden. Ich konn- tik. Besonders gefragt waren im Kreise von te nämlich nicht glauben, dass man durch Prof. Schupp sprachanalytische Ansätze. Die Sprache die Welt konstituiert. Je mehr ich neusten Entwicklungen in der Sprachphilo- mich in Carnaps „Der logische Aufbau der sophie faszinierten mich. Ich wollte mich da- Welt“ vertiefte, umso problematischer schien rin vertiefen und verstehen, welche Rolle die mir seine These, dass die Welt erst aus der Sprache in der Konstitution der Welt spielt. Basis des Bewusstseinsstroms oder einfach Naheliegend war somit ein Studium in der aus den Sinnesdaten aufgebaut werden müs- angelsächsischen Welt. Ich hatte das Glück, se. Ich konnte zwar der Ansicht einiges ab- in Oxford unter der Leitung von Prof. A. J. gewinnen, dass unsere Repräsentationen der Ayer doktorieren zu können. Mein Doktor- Welt von uns aufgebaut werden, aber nicht vater war einer der letzten logischen Positi- die Welt selbst. Ich bin auf Sinnesdaten an- visten. Er vertrat wiederholt die These von gewiesen, wenn ich erkennen will. Aber die der Sinnlosigkeit der Ontologie. In seinem Menschen und die anderen Lebewesen gibt erfolgreichsten Buch, das als Einleitung in es unabhängig von meinen Sinnesdaten. die Philosophie an vielen staatlichen Fakul- Die These von der Sinnlosigkeit der On- täten weltweit verwendet wurde, spricht er tologie erlaubt es aber nicht, zwischen den ausführlich von der Elimination jeglicher Individuen zu unterscheiden, die ich auf- Metaphysik. grund meiner Sprache und meiner Sinnesda- Ayer’s logisch positivistischer Standpunkt ten konstituiere, und den Individuen selbst, und speziell die These der Sinnlosigkeit onto- die unabhängig von mir auf die Welt kom- logischer sowie theologischer Aussagen war men, wachsen, gedeihen und dann wieder eine Herausforderung. Ayer legte mir aber vergehen. Ich konnte nicht und wollte nicht ein Kriterium für das Philosophieren nahe: lediglich wegen eines anti-ontologischen Vertrete nur solche Theorien, von denen du Standpunktes meinen Glauben an die Un- wirklich überzeugt bist, von denen du wirk- abhängigkeit der Individuen in dieser Welt lich glaubst, dass sie auch stimmen. preisgeben. Die Gründe für die linguistisch- Im philosophischen Studium und in der idealistische Position konnten mich nicht sogenannten philosophischen Forschung ist überzeugen. 9
Die Fachleute unter Ihnen werden zwar in Oxford erlebte ich sodann ein Erwachen ein gewisses Unbehagen empfinden, weil ich sowie einen relgelrechten Aufschwung expli- zu sehr vereinfache. Ich möchte allerdings zit ontologischer Fragestellungen. durch diese knappen Bemerkungen betonen, Damals gab es eine Art Revolution gegen dass ich damals und umso mehr heute von die Vertreter der linguistischen These, dass der anti-idealistischen Position überzeugt die Bedeutung eines Ausdrucks in jedem bin, dass wir als erkennende Subjekte die In- Fall seine Extension oder Referenz bestimme. dividuen in unserer Welt nicht konstituieren, Die Fragen nach den natural kinds und nach sondern entdecken. den Modalitäten de re waren in aller Munde. Vieles in mir sträubte sich gegen die Lehre Putnam und der junge Stern Kripke waren der sprachlichen Relativität der Gegenstän- mehrmals zu Gast in Oxford und demontier- de und Sachverhalte in der Welt. Was ich ten die Dogmen der Sprachanalyse sowie des glaubte und nach wie vor glaube, ist, dass die späten Wittgenstein. Sprach-Relativität unsere Art der Darstel- Hier in Innsbruck begann ich, mich in die lung, nicht aber die Welt selbst betrifft. Diese entsprechenden ontologischen Positionen ist uns vorgegeben. einzuarbeiten. Ich vertiefte mich in die Rol- Unsere Repräsentationen der Welt sind le der sortalen Ausdrücke, jener Ausdrücke, von sprachlichen Konventionen oder Fest- mit denen wir auf die Was-Frage antwor- setzungen abhängig, aber nicht die Konti- ten. Wir brauchen sie, um auf Individuen nuitäts- und Identiätsbedingungen der in- oder konkrete Einzeldinge Bezug nehmen dividuellen Lebewesen selbst. Sie sollen und zu können. Ein referenzieller Sprechakt, der können entdeckt werden. mit keinem sortalen Ausdruck gekoppelt ist, Besonders die Vertiefung in den Konven- kann nicht erfolgreich sein. tionalismus, in Philosophien, die die Rolle Die damals neu aufgebrochene Diskus- von Konventionen in der Setzung der Wirk- sion über die Rolle der sortalen Ausdrücke lichkeit betonten, stimmte mich skeptisch. sowie über die Identifizierungskriterien und Wir sind in der Bildung von Einheiten oder -bedingungen entsprach in etwa den Ab- Individuen nicht so frei wie es die Sprach- handlungen über die Substanzen in der klas- analytiker nahezulegen schienen. Carnaps sischen Ontologie. David Wiggins machte dictum, dass es in der Konstitution keine sich besonders stark für diese Positionierung. Moral gibt, dass wir also in der Konstitution In nicht-philosophischen Kreisen sowie der Welt frei sind, kann nicht stimmen. im Rahmen der kontinentalen Philosophie Wir können nicht – wie bereits gesagt – betonte man allerdings, dass die Ontologie aus halben Rössern und halben Flüssen neue gerade wegen der Sprachphilosophie und der Individuen bilden. Und wenn, so lediglich Wende zum Subjekt überwunden sei. Das er- in der verbalen Phantasie. Solch absurde gebe sich auch aus den Errungenschaften der Setzungen könnten nicht Setzungen unserer Moderne und den Anliegen der Kant’schen Welt sein, in der wir leben und mit anderen Philosophie. interagieren. Nichtsdestotrotz begann ich mich für die Diese Hinweise mögen ein Verständnis klassische Substanzontologie zu interessie- vermitteln für den paradox wirkenden Um- ren. Die alten scholastischen Kodizes boten stand, dass mein positivistischer Doktorva- einen guten Überblick über die jahrhunder- ter mich faktisch vom Konventionalismus tealten substanzontologischen Debatten. Die und vom linguistischen Idealimus wegführte. erste Vorlesung, die ich vor diesem Hinter- Meine philosophischen Neigungen waren in grund anbot, war zum Individuationsprin- der Folge von einem gewissen – wenn auch zip. Darüber gibt es reichlich Literatur von zunächst nur vagen – Interesse für ontologi- Autoren aus dem Hause. Speziell in der Zwi- sche Fragen geprägt. In meiner letzten Zeit schenkriegszeit gab es nämlich an unserer 10
Fakultät fachliche Auseinandersetzungen zu Problematisch ist zweifelsohne die sim- diesen Fragen zwischen Thomisten und Suà- ple Verdoppelung und folglich die unnöti- rezianern. ge Vermehrung von Entitäten. Nicht jedem Was für viele als Rückfall in überwundene Prädikat einer wahren singulären Aussage Positionen bedeutete, das war für mich an- entspricht eine Eigenschaft. Verschiedene regend. Gerade in der Frage nach den indi- Paradoxien, die aus einer naiven ontologi- viduellen Einheiten, speziell nach den Indi- schen Vermehrung folgen, wurden bereits viduen in der Natur, meinte ich eine gewisse von Platon aufgezeigt. Negiert man etwas Entsprechung zwischen zeitgenössischen und beansprucht man, dass die Aussage wahr analytisch geprägten Arbeiten und scholas- ist, so folgt nicht, dass man auch annehmen tischen Abhandlungen feststellen zu können. muss, dass es negative Tatsachen gibt. Dass Die Gefahr, in einen naiven Realismus zu- ein bestimmtes Individuum eine Eigenschaft rückzufallen, war und ist allerdings nicht zu nicht hat, besagt noch nicht, dass es die Ei- unterschätzen. Am Institut gab es dankens- genschaft gibt, diese bestimmte Eigenschaft werter Weise genügend warnende Stimmen. nicht zu haben. Durch meine Hinweise auf die Zeit in Ox- Der Ontologe muss nicht die Entitäten ford und den Beginn der Lehrtätigkeit hier vermehren, er bemüht sich aber zu klären, in Innsbruck wollte ich betonen, dass gerade was wahre negative Aussagen zu wahren die Auseinandersetzung mit anti-ontologi- Aussagen macht. Für viele Anti-Ontologen schen Positionen, speziell mit dem Konventi- ist es die Falsifikation. Der Ontologe warnt onalismus und dem linguistischen Relativis- aber davor: Das Falsch-Sein von Aussagen ist mus, mein Interesse für die als überwunden nicht durch die Falsifikation gegeben, genau- geglaubte Ontologie weckte. so wenig wie das Wahr-Sein von Aussagen Wovon ich mich endgültig distanzierte, ist durch die Verifikation gegeben ist. Der On- die Vorstellung, der Ausgangspunkt der Phi- tologe unterscheidet zwischen der Wahrheit losophie sei eine Art Basis, aus der alles Üb- bzw. der Falschheit einer Aussage und der rige konstruiert werden müsse. Sie hält dem Feststellung, dass sie wahr bzw. falsch ist. erwähnten Kriterium der Bewährung im Die Auseinandersetzungen über die Alltag nicht stand. Ausgangspunkt auch für Wahrheitsansprüche sind allzuoft vergiftet unsere philosophischen Überlegungen sind durch mangelnde Unterscheidungen. Von nicht die Sinnesdaten, sondern die Alltags- besonderem Gewicht ist die Unterscheidung welt, in der wir interagieren, handeln und zwischen Für-wahr-Halten und Wahr-Sein. das Leben meistern. Diesen Ausgangspunkt Sie wird im Alltag selbstverständlich voraus- legten auch die Aristoteliker sowie die Kons- gesetzt, in verschiedenen Diskursen aber all- truktivisten nahe. zu leicht übersehen. Bereits in der Einleitung deutete ich an, Der Ontologe wird auch zwischen Wahr- dass das Studium von Quine mein Interesse heitsbedingungen und Wahrheitskriterien für ontologische Verpflichtungen vertiefte, unterscheiden. Die Kriterien sind lediglich Verpflichtungen also, die Sprecher eingehen, Hilfen, um den Wahrheitswert von Aussagen wenn sie Aussagen machen oder einfachhin festzustellen. Behauptungen aufstellen. Man kann nicht X Besonders herausgefordert fühlte ich behaupten und sogleich negieren, dass es et- mich schon damals zu Beginn meiner Lehr- was gibt, was X wahr macht. Diesbezüglich tätigkeit durch Missverständnisse in der gab und gibt es allerdings zahllose Missver- Deutung der klassischen Korrespondenzauf- ständnisse. Speziell die Rede von „Wahrma- fassung der Wahrheit. Zu vertreten, dass eine chern“ dürfte Assoziationen wecken, die zur Aussage, die wahr ist, immer wahr sein wird, Ablehnung der entsprechenden realistischen ist beispielsweise nicht gleichzusetzen mit Intuitionen führen. einem dogmatischen und ungeschichtlichen 11
Standpunkt. Dass sich die Sachlage, über die konzediere, dass grundlegende Thesen der Wahres ausgesagt wird, ändern kann, wird Ontologie keinen unmittelbar greifbaren jeder realistisch eingestellte Ontologe konze- Nutzen haben; ich meine allerdings, dass sie dieren. Wenn aber eine Aussage über einen sehr wohl einen praktischen Beitrag für die bestimmten Sachverhalt zu einem bestimm- Lebensbewältigung in einem weiten Sinn ten Zeitpunkt an einer bestimmten Stel- leisten können. Sie betreffen letzte Voraus- le wahr ist, dann kann sie in Zukunft nicht setzungen und Grundannahmen unserer Le- falsch werden. bensbewältigung. In der Angabe der Bedingungen für die Von alters her ist klar, dass man nicht alles Wahrheit einer Aussage wird man in der Re- beweisen kann. Ontologische Grundannah- gel nicht umhin können, denselben Wortlaut men wären nicht letzte Annahmen, könnte zu verwenden wie in der Aussage selbst. Die man sie auf noch Grundlegenderes zurück- Aussage „der Schnee ist weiß“ ist wahr dann führen. Man kann aber dennoch verstehen, und nur dann, wenn der Schnee weiß ist. Der inwiefern sie für die praktische Lebensbe- Anti-Realist wird beanstanden, dass man mit wältigung im umfassenden Sinne eine Rol- der Wiederholung nichts Neues vermittelt. le spielen. So kann man zumindest indirekt Darauf kann der Realist erwidern, man drü- aufzeigen, wohin ihre Nicht-Beachtung oder cke damit die Intuition aus, dass die Aussage Negierung führt. dann und nur dann wahr ist, wenn es so ist, Dass eine Sache nicht gleichzeitig und un- wie durch die Aussage behauptet wird, dass ter derselben Rücksicht sie selbst und auch es ist. Zu sagen, dass X ist, ist wahr dann und nicht sie selbst sein kann, kann nicht bewie- nur dann, wenn X ist; und zu sagen, dass X sen werden. Wer aber dieses Prinzip verletzt nicht ist, ist wahr dann und nur dann, wenn oder gar bestreitet, gerät in derartige Schwie- X nicht ist. rigkeiten, dass er kein seriöser Gesprächs- Je älter ich werde, umso überzeugter bin partner sein kann. ich, dass es Wahrheit gibt, dass also Aussagen Glaubt jemand im vollen Ernst, dass tatsächlich wahr sein können. Sind sie wahr, Wahrheit nicht möglich sei, dass es keine so nicht deshalb, weil sich die Wirklichkeit Objektivität gibt, dass man kein Wissen über danach richten würde oder weil durch sie Prozesse und Dinge in der Welt haben kann, Welt konstituiert würde, sondern weil durch so wirkt sich das in den Lebensentscheidun- sie angeben wird, dass etwas der Fall ist, dass gen aus. Sachverhalte bestehen oder ganz einfach Die Antwort auf die Frage nach dem Nut- Tatsachen sind. Da ich davon überzeugt bin, zen der Ontologie ist einerseits bescheiden, glaube ich, dass tonangebende Formen des andererseits anmaßend. Die Ansprüche der anti-ontologischen linguistischen Idealis- Ontologen, Aussagen zu machen, die für alle mus falsch sind. Bereiche und alle Wissenschaften gelten, pro- vozieren. Mit welchem Recht mischen sich Ontologen – so wird gefragt – in das Gebiet Dritter und abschließender Teil anderer Wissensbereiche ein? Mit welchem Recht wähnen sie sich berechtigt, beispiel- In der Einleitung betonte ich, dass sowohl weise in der Theologie kritisch mitreden zu der praktische wie auch der theoretische können? Nutzen der Ontologie fraglich ist. Umstrit- Es leuchtet zwar ein, dass Ontologen als ten war und ist, ob die Ontologie überhaupt solche für die anderen Wissenschaften fach- sinnvoll ist. fremd sind. Als Ontologen thematisieren sie Meine Antwort auf die gestellte Frage aber letzte Voraussetzungen und letzte An- nach dem Sinn der Ontologie fällt einerseits nahmen, die für alle kognitiven und – wie bescheiden aus, andererseits anmaßend: ich ich meine – auch alle praktischen Lebensbe- 12
reiche grundlegend sind. sie nicht Ausdruck der Verabsolutierung von Der Ontologe muss als solcher die Ge- Teilbereichen ist, sondern geradezu beiträgt, samtdeutung der Lebenswelt nicht inhaltlich Relatives als Relatives zu durchschauen. So ausfeilen. Tut er es, so immer in einer ganz verstandene Ontologie kann auch für die bestimmten Sprache. Die inhaltlichen Deu- Analyse von Weltanschauungen hilfreich tungen sind somit immer relativ zu einem sein. bestimmten Bezugsrahmen oder zu einer Ich hoffe, es ist mir gelungen anzudeuten, bestimmten Lebenswelt. Ontologische Theo- dass der Sinn und der Nutzen der Ontologie rien können aber dennoch eine alle Lebens- einerseits bescheiden, anderseits anspruchs- und Wissensbereiche betreffende Funktion voll ist. Ontologen vertreten zumindest zum haben. Gerade als Gesamttheorien können Teil Selbstverständlichkeiten, sie nehmen sie beispielweise beitragen, Teilbereiche als aber für sich in Anspruch, nach den letzten Teilbereiche zu durchschauen. Verwendet Voraussetzungen und Grundannahmen al- man den Ausdruck „Gesamtdeutung“ setzt ler Wissens- und Lebensbereiche nicht nur man sich dem Verdacht eines unberechtig- fragen zu können, sondern auch fragen zu ten Totalitätsdenkens aus. Man muss aber sollen. die Gesamtdeutung nicht inhaltlich ausge- Gelegentlich wird der Verdacht geäußert, feilt verstehen. Ontologie führe zu unberechtigten Verab- Gestatten Sie mir noch eine persönliche solutierungen, ich meine aber, dass sie gera- abschließende Bemerkung: Ich habe im Lau- dezu die gegenteilige Funktion hat, nämlich fe der Jahre das Anliegen von Otto Muck zu Verabsolutierungen zu vereiteln. schätzen gelernt, die Funktion einer ontolo- gischen Gesamtschau so zu verstehen, dass Edmund Runggaldier Ontologie – eine systematische Gesamtdarstellung Christian Kanzian forscht am Institut für unter der methodisch eingeschränkten Pers- Christliche Philosophie seit Jahren über pektive einer Einzelwissenschaft beantwortet Ontologie. Im folgenden Beitrag beschreibt werden können. er das Anliegen seines neuen Buchprojekts. Als Universalwissenschaft (es geht „um al- les“) zielt die Ontologie keine summarische Die Ontologie ist jene philosophische Diszi- Auflistung dessen an, was es gibt. Es geht plin, der es „um alles“ geht, und zwar „unter vielmehr um die letzten Gründe und Fun- allgemeinster Rücksicht“. In diesem Sinne damente dessen, was ist oder existiert. Auch greift die Ontologie ein klassisches Anliegen unter dieser Rücksicht ist sie Grundlagen- der Metaphysik auf, der es ja bekanntlich um wissenschaft, die keine, ihr vorausliegenden alles „Seiende als Seiendes“ zu tun ist. Im Quellen hat, aus denen sie sich und ihre An- Hinblick auf eine aktuelle wissenschaftsthe- nahmen herleiten könnte. Die Ontologie hat oretische Positionierung der Ontologie be- sich selbst zu begründen und ihre Theorien deutet das, dass Fragen der Ontologie nicht in ihrer Legitimität zu erweisen. 13
Seit Kants Attacken auf eine „naive“ oder vielmehr so ist, dass sich Einzelwissenschaf- gar „dogmatische“ Seinslehre ist aber gerade ten in ihren „ontologischen Verpflichtungen“ diese (Selbst-)Begründung alles andere als faktisch an den Ursprungsevidenzen aus selbstverständlich. In der aktuellen ontolo- unserer Alltagswelt orientieren? Das ist die gie-kritischen Debatte wird u. a. diskutiert, metaontologische Ebene des intendierten ob man die Frage nach dem, was es gibt, was Projekts. existiert, in einer nicht-trivialen, sprich ko- Dem Primat einer Alltagsontologie ent- gnitiv relevanten Weise beantworten kann; spricht die Ausarbeitung eines kategorialen bzw. ob es nicht rein Sache der Pragmatik ist, Rahmens, in dem Dinge bzw. Substanzen die Frage nach den ontologischen Voraus- im Sinne der aristotelischen Metaphysik setzungen in Alltag, aber auch in den Wis- die zentrale Stelle einnehmen. Ohne Din- senschaften zu klären? Zur Ausfaltung dieses ge, die Eigenschaften annehmen und diese Aspekts kann auf den Beitrag von Edmund über eine Zeit hinweg behalten, wird unse- Runggaldier in diesem Bericht, „Wozu Onto- re Lebenswelt in ihren Grundzügen nicht zu logie?“, verwiesen werden. verstehen sein. Der zweite Schritt ist also ka- In einem neuen Buchprojekt wird ver- tegoriale Ontologie, in der Dinge bzw. Subs- sucht, die Ontogie als Grundlagenwissen- tanzen, Eigenschaften, sowie Ereignisse (wie schaft über das „Seiende“ darzustellen. Die das Annehmen, aber auch das Verlieren von Ontologie reflektiert systematisch über jene Eigenschaften) als ontologische Grundele- Voraussetzungen bzgl. Seienden oder „Enti- mente dargestellt werden. täten“, die wir zunächst im Alltag bezüglich Der dritte Schritt besteht in der Anwen- unserer Lebenswelt, dann aber auch in nicht- dung dieses kategorialen Schemas im Sinne philosophischen Wissenschaften, schließlich einer „applied ontology“. Dabei soll die On- in anderen philosophischen Disziplinen tologie als Rahmentheorie anderer Wissens- machen. Dieses Unterfangen ist weder trivi- gebiete dargestellt werden. Welchen (nicht- al, noch rein pragmatisch zu klären. Unsere trivialen!) Nutzen kann eine Ding- bzw. Lebenswelt hat Strukturen, die in einem in- Substanzontologie mit Eigenschaften und formativen und theoretisch relevanten Sinn Ereignissen als Explikation ontologischer aufzuweisen sind. Voraussetzungen in einzelwissenschaftlichen, Die Argumentation für diese These erfolgt aber auch nicht-ontologischen philosophi- in drei Schritten: Der erste besteht in der Ver- schen Bereichen haben? teidigung des angesprochenen Primats der Ziel des Projekts ist der Versuch einer Ge- Alltags- oder Lebenswelt im Hinblick auf on- samtdarstellung, in der die Begründung einer tologische Untersuchungen. Die Grundele- Ontologie durch den Erweis ihrer faktischen mente der Wirklichkeit finden wir in unserer Relevanz und Leistungsfähigkeit geschieht. alltäglichen Lebenswelt, nicht an der mikro- Die wichtigsten Vorarbeiten sind die Mo- physikalischen „Basis“, wie sie uns durch nographien „Ereignisse und andere Partiku- Einzelwissenschaften dargelegt wird. Die lei- larien“ (2001), „Ding – Substanz – Person“ tende Frage dabei ist, ob es überhaupt Sache (2009), sowie „Wie Dinge sind“ (2016). einer Einzelwissenschaft, z. B. der Quanten- physik, sein kann, Existenz-Fragen im Sinne Christian Kanzian der Ontologie zu beantworten, oder es nicht 14
Man at the Heart of a Modern Medical Ethics Zweiter austro-kanadischer Ethik-Workshop Im Beisein der Leiterin des Innsbrucker ausgerichtet. Neben den bereits erwähnten Kanadazentrums Ursula Moser sowie der Philosophen Brannan und Löffler, referier- Beiratsmitglieder Gudrun Grabher und ten die beiden Psychiater Josef Marksteiner Winfried Löffler fand im heurigen Mai nun und Matthias Peintner zu Problemen wie schon zum zweiten Mal ein austro-kana- Demenzerkrankung und Zwangsbehand- discher Ethik-Workshop statt. Als kanadi- lung. Neben der wissenschaftlichen Ausei- scher Gast konnte diesmal die Philosophin nandersetzung mit der Thematik brachten Samantha Brennan vom Rotman Institute Marksteiner und Peinter vor allem auch ihre of Philosophy an der Western University jahrelange persönliche Erfahrung mit, die London (Ontario) gewonnen werden. für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine große Bereicherung darstellte. Brennan, die neben der Medizinethik vor al- Gabriele Werner-Felmayer von der Medi- lem im Bereich der feministischen Ethik aus- zinischen Universität Innsbruck schließlich gewiesen ist, sprach über die Perspektive des sprach über Möglichkeiten und Herausfor- Kindes im medizinischen Alltag. Ausgehend derungen einer patientenorientierten Ent- von der Beobachtung, dass das Kind mit sei- scheidungsfindung und die Amerikanistin nen spezifischen Fähigkeiten und seiner ei- Gudrun Grabher analysierte die Auswirkun- genen Perspektive in der Philosophie bisher gen, die ein entstelltes Gesicht für die Betrof- nur eine marginale Rolle gespielt hat, trat sie fenen mit sich bringt, anhand von Richard dafür ein, dass Ärzte, Eltern und Pflegeper- Selzers Roman „Imelda“. Damit schloss sie sonal in ihren Entscheidungen Kinder nicht als letzte Referentin den Bogen zum Work- in erster Linie als zukünftige Erwachsene, shop-Thema „Man at the Heart of a Modern sondern eben als Kinder sehen sollen. Damit, Medical Ethics“. Und tatsächlich: Trotz der so meint Brennan, würde sich einiges ver- sehr unterschiedlichen Perspektiven, welche ändern. Maßnahmen etwa, die zur Gesund- die Vertreter der verschiedenen Disziplinen heit des zukünftigen Erwachsenen beitragen in die Diskussion einbrachten, waren sie sich können, müssten primär dahingehend be- in einer Sache doch alle einig. Eine moderne fragt werden, ob sie dem jetzt betroffenen Medizinethik kann nur dann Erfolg haben, Kind zumutbar seien. wenn sie ihre Aufmerksamkeit in erster Linie Aber nicht nur Brennan betrat mit ih- den betroffenen Menschen schenkt und diese ren Ausführungen Neuland, auch Winfried als Individuen ernst nimmt, einen jeden mit Löffler griff in seinem Referat ein bis dato seiner spezifischen Symptomatik, aber auch kaum beachtetes Thema auf, nämlich die mit seinem Charakter, seiner Biographie, sei- Frage, ob bzw. inwiefern medizinische Mar- nen Ängsten und seinen Hoffnungen. ginalfälle für ernstzunehmende ethische Im Frühjahr 2017 jedenfalls soll es zu Probleme sorgen können. Ein Novum gab einer Neuauflage des austro-kanadischen es darüber hinaus auf der organisatorischen Ethik-Workshops kommen. Dieses Mal wird Ebene. Während der austro-kanadische Me- die Ethik der Mensch-Tier-Beziehung im Fo- dienethik-Workshop vom Vorjahr noch aus- kus des Interesses stehen. schließlich von Philosophen und Theologen bestritten worden war, war der heurige Me- Claudia Paganini dizinethik-Workshop klar interdisziplinär 15
Tagung „Multiple Religious Belonging“: Kann man mehreren Religionen gleichzeitig angehören? Seit 2012 gibt es seine wachsende Koope- ration des Institutes für Christliche Philo- sophie mit dem Department of Philosophy der chinesischen Top-Universität Sun Yat- sen University (SYSU) Guangzhou. Diese Metropole in der Nähe von Hongkong und Macao ist bei uns besser unter dem Namen „Kanton“ bekannt. cker Tagung um den Fragenkomplex mul- tipler religiöser Zugehörigkeit („multiple Die SYSU (ihr Name geht auf den Gründer religious belonging“): Gibt es so etwas (im des modernen China, Dr. Sun Yat-sen (1866- engeren Sinne, nicht bloß z. B. im Sinne der 1925) zurück, der übrigens Christ war) ran- Übernahme einzelner Praktiken) wirklich? giert in den chinesischen Uni-Rankings Ist es rational vertretbar, stieße es nicht be- unter den ersten Zehn, was insofern bemer- reits auf logische Grenzen, und wie ist ein kenswert ist, als die ersten Plätze traditionell solches Phänomen religionsphilosophisch großteils auf Pekinger Universitäten abon- einzuordnen? Aus europäischer Sicht mag niert sind. die Frage zunächst reichlich theoretisch Das für europäische Verhältnisse riesige klingen. (Dementsprechend hätte in der Box philosophische Institut residiert in einem „Religionszugehörigkeit“ auf europäischen modernen, architektonisch bemerkenswer- Formularen auch gar nicht mehr als ein Ein- ten neuen Gebäude im Südteil des parkarti- trag Platz!) Zumindest auf wissenschaftlicher gen subtropischen Campus und verfügt u. a. Ebene ist sie allerdings stark im Kommen. In über eine Abteilung für westliche Philoso- China – mit seinen vielfachen religiösen Tra- phie. Europäische und amerikanische Re- ditionen und besonders seiner kulturellen ligionsphilosophie werden aber auch in der Prägung durch die „Drei Lehren“ des Daois- Abteilung für chinesische Philosophie mit mus, Buddhismus und Konfuzianismus – ist Interesse verfolgt, und so erklärt sich das ge- das Thema dagegen äußerst öffentlichkeits- meinsame Interesse an der Kooperation mit relevant. Innsbruck. Tagungsorganisator Winfried Löffler (In- Im Juni 2016 drehte sich – nach einem stitut für Christliche Philosophie) konnte kleineren, einschlägigen Pilot-Symposium die Professorinnen und Professoren Chen in Guangzhou 2015 – eine größere Innsbru- Lisheng, Li Lanfen, Chen Shaoming und Dr. Zheng Shuhong (alle Department of Philo- sophy, SYSU Guangzhou), Dr. Ursula Baatz (Religionswissenschaftlerin, Uni Wien und ORF-Journalistin), Prof. Reinhold Bern- hardt (evangelischer Theologe, Uni Basel) so- wie den Physikphilosophen, Jesuitenpriester und approbierten Zen-Meister Prof. Stefan Bauberger SJ (Hochschule für Philosophie München) als Sprecherinnen und Sprecher begrüßen. 16
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