ZAHNERSATZ: LÄNGST MEHR ALS LÜCKENFÜLLER
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W W W.ZAEK-SA .DE W W W.KZV-LSA .DE JAHRGANG 29 // OKTOBER 2019 10 / 2019 ZAHNÄRZTLICHE NACHRICHTEN S A C H S E N - A N H A LT MIT BEILAGE: ZN PRAXISTEAM THEMA S. 6 ZAHNERSATZ: LÄNGST MEHR ALS LÜCKENFÜLLER 100 Jahre Bauhaus Evangelische Friedenskirche 27. Fortbildungstage der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt in Leuna
IN EIGENER SACHE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 JUBILÄUM IM DIENSTE DER PATIENTEN Patientenzeitschrift „ZahnRat“ erscheint zum 100. Mal / Startschuss im Jahr 1993 Die Patientenzeitschrift ZahnRat erscheint in diesen Tagen zum 100. Mal. Der ZahnRat entstand bereits 1993 in der Lan- deszahnärztekammer Sachsen (LZKS) aus einer Idee des Jour- Der ZahnRat feiert Geburtstag: Links Ausgabe 1 (1993), rechts die nalisten Frank Woida als damaligem Mitarbeiter der Kammer aktuelle Ausgabe 99. Ausgabe 100 erscheint in diesen Tagen. und des jetzigen Kammerpräsidenten der LZKS, Dr. Thomas Breyer, lange Jahre verantwortlich für die Öffentlichkeitsar- beit der LZKS. regelmäßigen Reaktionen auf die Beiträge zeigen. Nicht nur die Zahnärzte der Herausgeber-Kammern sind die Empfänger Die Zeitschrift sollte sich für die Patienten zu einer Informa- des ZahnRates, er geht mittlerweile ebenso vielen Redakti- tionsquelle zu verschiedensten Themen der Zahnheilkun- onen zu. Damit setzen die Kammern selbstbestimmte The- de entwickeln. Die ersten sechs Ausgaben der Patienten- men und etablierten sich über all die Jahre auch als sichere zeitschrift gab die LZKS allein heraus, seit 1996 erscheint und fachlich werbeunabhängige Informationsquelle für die der ZahnRat in einer gemeinsamen Herausgeberschaft der Journalisten der Print-, Hörfunk- und TV-Medien in den Zahn- Zahnärztekammern Sachsen, Brandenburg, Thüringen und Rat-Ländern. Sachsen-Anhalt sowie der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, bis 2019 noch mit der Zahnärztekammer Und auch in der Zahnärzteschaft selbst gab der ZahnRat im- Mecklenburg-Vorpommern. Eine sehr enge Partnerschaft ver- mer wieder Anstoß zu Diskussionen, zum Beispiel über das bindet LZKS und die anderen Herausgeber seit 1995 auch mit Verhältnis von Wissenschaftlichkeit und verständlicher Auf- dem Verlag Satztechnik Meißen, mit dem die Zeitschrift so- bereitung für medizinische Laien, oder darüber, ob „echte“ wohl satztechnisch als auch gestalterisch zum heutigen Pro- Bilder wichtig sind, oder ob für die Leser – respektive Patien- dukt aufgebaut wurde. ten – Grafiken angenehmer sind? Das bescheinigt der Patien- tenzeitschrift schon einen großen Stellenwert und auch, dass Mindestens einmal pro Jahr trifft sich die große Redaktions- den Zahnärzten die Zeitschrift wichtig ist, sie sich in der Pa- runde aller Herausgeber, um Themen zu besprechen, zahn- tientenkommunikation unterstützt fühlen. Die beiden großen medizinische und gesundheitspolitische Hintergrundinfos Umfragen 2009 und 2015 bei den Zahnärzten der Herausge- auszutauschen, Leserecho und Kritiken zu bewerten und auch berländer haben das ebenfalls bestätigt. Schaut man sich die rechtliche Dinge abzusichern. Denn der ZahnRat ist eine Mar- Nachbestellungen an, spiegelt der ZahnRat auch wider, wel- ke geworden. Bereits 1996 als Wortmarke für ein Printmedi- che Informationen vom Patienten gut angenommen werden um eingetragen, wurde das Markenrecht 2018 aktualisiert und welche einfach nicht wahrgenommen werden wollen. und vom Deutschen Patent- und Markenamt beurkundet. Seit der ZahnRat 2012 auch im Internet zu finden ist mit eigener Ohne größere Werbeblöcke im Heft – das hebt die Zeitschrift Homepage, erwachten auch Interesse an den Inhalten und, ja schon heraus aus dem Wartezimmer-Angebot. Und auch, dass auch Begehrlichkeiten an dem Namen mit seinem Wortwitz. sich jede Ausgabe einem Thema widmet, zwar viele Facet- ten und übergreifende Zusammenhänge mit ins Spiel bringt, Viele Zahnärzte nutzten und nutzen den ZahnRat, um ihn auf aber kein „Themen-Hopping“ betreibt, bei dem letztlich alle ihrer Homepage einzubauen – mit einem Abbild der Titel- Beiträge irgendwie zu kurz kämen. Über alle 100 Ausgaben seite und dem Link auf die ZahnRat-Homepage ist das auch hinweg wurde das Layout regelmäßig aufgefrischt, doch der korrekt. Vertreten ist das Medium ebenso auf Facebook, wo markante Zeitschriftentitelkopf blieb unverändert und wie- er nicht nur aufgerufen, sondern auch gelesen wird, wie die dererkennbar. 2
INHALT ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 IN EIGENER SACHE MITTEILUNGEN DER Juibläum: Patientenzeitschrift „ZahnRat“ KZV SACHSEN-ANHALT erscheint zum 100. Mal ..................................................................... S. 2 Die Zulassungsstelle informiert ...............................................S. 40 Hinweise der Abteilung Abrechnung .....................................S. 42 HISTORISCHES Versorgung im Land bleibt stabil ............................................ S. 44 Wie der Überbiss die Entwicklung der menschlichen Aus der Vorstandssitzung .............................................................S. 45 Sprache beeinflusste .......................................................................... S. 4 SACHSEN-ANHALT EDITORIAL Zum Titelbild: Evangelische Friedenskirche 30 Jahre Wende in Leuna ..................................................................................................S. 46 von Dr. Carsten Hünecke.................................................................. S. 5 MITTEILUNGEN DES 27. FORTBILDUNGSTAGE FVDZ SACHSEN-ANHALT Zahnersatz – mehr als nur ein Lückenfüller ......................... S. 6 Der Freie Verband im Wandel? ..................................................S. 49 Die Vorträge für die Zahnärzte in Kürze ................................. S. 8 Impressionen vom Bierabend......................................................S. 11 27. ZAHNÄRZTETAG Lehrreiches für die Praxisteams ................................................S. 14 Anmeldeformular und Informationen ........................... S. 51/52 BERUFSSTÄNDISCHES „Was wird diesen Kindern angetan?“ – Experten vernetzen sich auf Fachtag für Kinderschutz .....................S. 16 Eine Party mit Biss – Tag der Zahngesundheit in diesem Jahr mit Disko in Halle (Saale) ..............................S. 18 Im Dienst einer größeren Sache – Landesverband der Freien Berufe im Dialog mit der CDU .............................S. 20 Zahnärzte und Journalisten im Austausch – 12. Mitteldeutsches Medienseminar in Dessau .................S. 21 NACHRICHTEN UND BERICHTE Schrader bleibt an der FVDZ-Spitze .........................................S. 22 Förderung für Hallenser Forscher ............................................S. 24 FORTBILDUNGSINSTITUT E. REICHENBACH Fortbildungsprogramm für Zahnärzte ...................................S. 25 Fortbildungsprogramm für Praxismitarbeiterinnen .......S. 27 KOLLEGEN Ein rastloses Forscherleben – zu Besuch beim Kieferorthopäden Dr. Karl Ulrich ..................................S. 32 MITTEILUNGEN DER ZAHNÄRZTEKAMMER SACHSEN-ANHALT Aus der Vorstandssitzung .............................................................S. 34 Ein Jahr ZFA-Kampagne „Du glänzt!“ .....................................S. 37 Zwei erfolgreiche Jahre für Projekt Validierung .............S. 38 100 Jahre Bauhaus: Evangelische Friedenskirche in Leuna. Titelbild: Fredi Fröschki 3
HISTORISCHES ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 ÜBERBISS BEEINFLUSSTE DIE SPRACHE Lippenzahnlaute erweiterten vor mehreren tausend Jahren die Fähigkeit zur menschlichen Artikulation Wie sprachen Menschen vor hunderten oder gar tausen- den Jahren? Sicher kann das niemand beantworten, da die Möglichkeit zur Tonaufzeichnung erst seit rund 160 Jahren besteht. Allerdings können moderne Analysen des mensch- Der Ackerbau veränderte die Ernährung und veränderte auch die lichen Stimmapparates, zu dem auch der Mundkieferraum Zahnkiefer menschlicher Urahnen. Das leichte Übergebiss des zählt, bei der Beantwortung dieser Frage helfen. So konnte Homo sapiens sapiens erleichterte die Bildung der Lippenzahnlaute jüngst ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung und erweiterte so die Sprachfähigkeit. Foto: Uwe Seidenfaden der Max-Planck-Institute für Menschheitsgeschichte und für Psycholinguistik zeigen, dass die heutige Vielfalt der gespro- chenen Sprachen vor rund 4.000 bis 2.000 Jahren weltweit Jäger und Sammler in der Jungsteinzeit härter und zäher war deutlich zunahm. Über die neuen Erkenntnisse berichteten als die Nahrung, die sich in Mitteleuropa vor rund 4.000 Jah- Forscher aus Deutschland, Frankreich und Singapur in der ren durch die Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht durch- Zeitschrift „Science“ (doi: 10.1126/science.aav3218). setze. Als Folge der Nahrungsumstellung veränderte sich auch das menschliche Gebiss, so Blasi. Der sogenannte Kopf- Der Bibel nach sprachen einst alle Menschen eine gemein- biss, bei dem die Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers same Sprache. Die Vielfalt heutiger Sprachen soll die Strafe Kante auf Kante stoßen, wich in den folgenden Menschenge- für die menschliche Vermessenheit gewesen sein, in der Stadt nerationen einer Gebissform, bei der die oberen Schneidezäh- Babel einen Turm bis in den göttlichen Himmel bauen zu wol- ne leicht über die unteren hinausragen. In der Folge konnten len. Differenzierter ist das Bild, das die Wissenschaften auf die die Menschen ihr Lautrepertoire um „Lippenzahnlaute“ (latei- Sprachentwicklung werfen. Danach war das Lautrepertoire nisch Labiodentale) erweitern. Labiodentale in der deutschen der ersten Jetztmenschen (Homo sapiens sapiens) vor rund Sprache sind der stimmhafte Konsonant „w“ und das stimmlo- 35.000 Jahren noch recht begrenzt. Einen Grund dafür sieht das se „f“. Bei deren Bildung berühren sich die oberen Schneide- Team um Damián Blasi vom Max-Planck-Institut für Mensch- zähne und die Unterlippe. Biomechanische Analysen zeigten, heitsgeschichte und der Universität Zürich in der Zahnstel- dass ein leichtes Übergebiss die Bildung der Lippenzahnlaute lung. Für die Untersuchungen analysierte das Forscherteam erleichtert und weniger Muskelarbeit erfordern. der Universitäten Lyon und Zürich, des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte sowie der Technischen Universität Den Untersuchungen zufolge nahm seit Ende der Steinzeit Nanyang in Singapore Daten aus verschiedenen Disziplinen und zu Beginn der Bronzezeit vor etwa 4.000 bis 2.000 Jah- wie der Anthropologie, der Phonetik und der historischen Lin- ren die Fähigkeit zur Bildung von Lippenzahnlauten zu. Noch guistik. vor etwa 6.000 Jahren waren Labiodentale vermutlich nur zu etwa drei Prozent in den Sprachen verbreitet, heute sind Einst diente der Kauapparat der ersten Jetztmenschen – so es 76 Prozent. Die Resultate gäben einen Einblick in die ur- wie bei den meisten Tieren – vorrangig der Nahrungszerklei- sächlichen Zusammenhänge zwischen kulturellem Verhalten, nerung. Gelegentlich wurden die Zähne auch als „dritte Hand“ menschlicher Biologie und Sprache, resümiert Projektleiter bei der Anfertigung von Kleidung und Werkzeugen eingesetzt, Professor Dr. Balthasar Bickel in der Zeitschrift. Dank der den- wie am Gebiss einer vor 9.000 Jahren verstorbenen Frau aus talen Lautbildung konnten Menschen ihre Kreativität bei der Mitteldeutschland zu erkennen ist. Deren Überreste werden Wortbildung erweitern und die sozialen Kontakte ausbauen. im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle aufbewahrt. Ar- Das zeigt die Bedeutung, die Zahnstellungen für die kulturelle chäologische Funde zeigen außerdem, dass die Nahrung der Entwicklung der Menschheit hatten und haben. use 4
EDITORIAL ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 30 JAHRE WENDE Liebe Kolleginnen und Kollegen, sie ist in diesen Tagen überall präsent – die Friedliche Revolution vom Herbst 1989, die dem Begriff „Wende“ eine neue Bedeutung verlieh. Auch die nach 1989 Geborenen verbin- den mit diesem Wort zuallererst jene Ereignis- se, die nicht nur in Deutschland das Ende eines diktatorischen Systems bedeuteten. Im gesam- ten Osteuropa gab es die Wende und nicht überall verlief sie unblutig. So grenzt es heute noch an ein Wunder, dass im Oktober 1989 bei Dr. Carsten Hünecke uns keine Schüsse fielen. Der dann folgende gesellschaftliche Umbruch verlief aus mei- unter den derzeitigen Bedingungen nicht mehr das Maß aller ner Sicht bei uns unter der besonderen Situation der Überwin- Dinge und der Wunsch nach einer Anstellung, zumindest für dung der deutschen Teilung außerordentlich stürmisch. Unser einen wesentlich längeren Berufsabschnitt und am besten in Berufsstand ist dafür ein gutes Beispiel und die meisten von größeren Strukturen, die Realität. Ihnen haben es durchlebt: Nur ein Jahr nach dem Fall der Mau- er im November 1989, der Wirtschafts- und Währungsunion im Dazu kommen Fehlentscheidungen der Politik. „Es muss Sommer 1990 und der Wiedervereinigung im Oktober 1990 Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit!“, meinte hieß es im Herbst 1990 bereits, intensiv die eigene Praxis in frei- Ulla Schmidt 2006, nachdem sie 2004 das MVZ als neue Ver- er Niederlassung zu planen. Das gesetzlich garantierte Fortbe- sorgungsform implementierte und damit die „Poliklinik“ mit stehen der Polikliniken war keine Option mehr. Die Welle der angestellten Ärzten als Modell der ambulanten Versorgung Niederlassung 1991 als „Abstimmung mit den Füßen“ beendete wiederbelebte. Seitdem hat keine Koalition, egal welcher Cou- das Modell einer staatlich geplanten und organisierten kol- leur, das MVZ mehr in Frage gestellt. Im Gegenteil, mit der 2015 lektiven zahnmedizinischen Versorgung in wenigen Monaten. beschlossenen Erweiterung auf arztgruppengleiche MVZ, die Dieser fundamentale Umbruch geschah dabei ohne Einschrän- auch von Berufsfremden betrieben werden können, wurde die kung der Versorgung unserer Patienten! aktuelle Situation der Investoren-ZMVZ erst möglich. Statt not- wendiger Förderung der freiberuflichen Berufsausübung setzt Gleichzeitig bedeutete Freiberuflichkeit auch Selbstverwal- die Politik auf kollektive Großstrukturen, die die flächende- tung, die es in den neuen Bundesländern 1990/91 aufzubauen ckende Versorgung sichern sollen. Welch fataler Trugschluss! galt. So möchte ich an dieser Stelle alldenjenigen unter Ihnen besonders danken, die damals mit einem unwahrscheinlichen Der Wunsch nach der eigenen Praxis ist noch groß, zeigen Um- Engagement nicht nur an der eigenen beruflichen Zukunft fragen. Gleichzeitig belegen sie aber auch, dass Verwaltung gearbeitet haben, sondern darüber hinaus beim Aufbau der und finanzielle Risiken der Praxisgründung für die junge Gene- Selbstverwaltung bis in die Kreise hinein eine Mammutauf- ration (zu) große Hürden sind. Die berechtigten Forderungen gabe geleistet haben. Danken möchte ich auch für die große der Standesorganisationen nach besseren Arbeitsbedingungen Unterstützung, die seinerzeit die vielen Kollegen aus den alten in der Niederlassung bedeuten weder eine Ideologie der Frei- Bundesländern beim Aufbau leisteten. Sie bestärkten darin, die beruflichkeit noch die Konservierung eines „überholten“ Klas- Chance auf selbstbestimmte Berufsausübung zu nutzen und die sikers der Berufsausübung. Wir fordern weitsichtige politische durchaus vorhandenen Zweifel in den Hintergrund zu drängen. Entscheidungen, die nicht von Ideologien getragen werden, sondern die Wünsche der Betroffenen aufnehmen. Alles andere Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Irrweg, wie der Herbst 1989 lehrte. Herzlichst, Ihr warum erinnere ich hier so ausführlich an die Geschichte? 30 Jahre sind eine Generation und knapp die Hälfte unserer der- zeit tätigen Zahnärzte im Land kennt keine Poliklinik mehr. Bei Dr. Carsten Hünecke den jungen Kolleginnen und Kollegen ist die Niederlassung Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt 5
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 Seit vielen Jahren Gastgeber der Fortbildungstage: Wernigerode, die bunte Stadt am Harz. Foto: Stadt Wernigerode/Frank Drechsler Ehrenpräsidenten der ZÄK, Dr. Frank Dreihaupt, den leitenden ZAHNERSATZ: Zahnarzt der Bundeswehr, Flottenarzt Dr. Helfried Bieber und seinen Kollegen Dr. Dirk Wachter, den Vorstandsvorsitzenden MEHR ALS EIN der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt Dr. Jochen Schmidt und seinen Stellvertreter Dr. Bernd Hüben- LÜCKENFÜLLER thal, den Aufsichtsrat des Altersversorgungswerkes der ZÄK um Dipl.-Stomat. Dieter Hanisch sowie das Führungstrio des Landesverbandes des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte Zahnärzte unternehmen bei den mit Matthias Tamm, Dr. Dorit Richter und Angela Braune. „Sie werden sehnsüchtig erwartet“, verkündete auch Wernigero- 27. Fortbildungstagen in Wernigerode Streifzug des stellvertretender Bürgermeister Burkhard Rudo den Zahn- durch moderne Zahnersatzkunde ärzten mit Blick auf den Einzelhandel augenzwinkernd. Rudo konnte berichten, wie gut sich Wernigerode entwickelt. So stei- „Es war doch erst gestern!“ – diesem Gefühl, das wohl viele gen die Tourismuszahlen, 2018 zählte die von Hermann Löns so Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ihre Praxisteams im Sep- getaufte „bunte Stadt am Harz“ 1,3 Millionen Übernachtungen tember bei der Rückkehr nach Wernigerode haben, verlieh sowie zwei Millionen Tagesbesucher. Schwerpunkt für Investiti- Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sach- onen sei der Ortsteil Schierke, wo am Winterberg ein Skigebiet sen-Anhalt, zur Begrüßung bei den diesjährigen, nunmehr 27. mit Seilbahn entsteht. Fortbildungstagen der ZÄK Ausdruck. 850 Teilnehmer waren am 20. und 21. September 2019 in die bunte Stadt am Harz ge- SPAHN ZIEHT TEMPO AN kommen, um gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Leiter So rasant wie künftig vielleicht Skifahrer am Winterberg ist der- Prof. Dr. Sebastian Hahnel (Leipzig) auf einen Streifzug durch zeit auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterwegs. die moderne Zahnersatzkunde zu gehen. „Wir fühlen uns wie Mit dem Tempo, mit dem er Gesetzesvorlagen veröffentlicht, zuhause“, sagte Kammerpräsident Dr. Hünecke mit Blick auf überfordere Spahn den üblichen politischen Betrieb. Das füh- das Harzer Kultur- und Kongresshotel, in dem die Fortbildungs- re zu Kollateralschäden, eine Vielzahl von Fragen bleibe of- tage bereits zum 23. Mal zu Gast sind. Viele bekannte Gesich- fen, erklärte Dr. Carsten Hünecke zu Beginn der Fortbildungs- ter konnte der Präsident im Publikum begrüßen, darunter den tage in seinem Blick auf die Lage der Zahnärzteschaft. ▶ 6
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 Allein drei Gesetzesvorhaben mit zum Teil erheblichen Aus- wirkungen auf den Berufsstand habe das BMG in Jahresfrist auf den Weg gebracht: Zum einen das im Frühjahr verab- schiedete TSVG. Die dortigen Regelungen zur Gründung von zahnärztlichen MVZ reichten nicht aus, um Investoren und berufsfremde Dritte außen vor zu lassen und die berufsrecht- lichen Probleme mit MVZ wurden überhaupt nicht betrachtet, kritisierte Dr. Hünecke. Aktuell seien zwei weitere Gesetze Dr. Carsten Burkhard Prof. Dr. Sebastian mit blumigen Namen wie „Digitale-Versorgung-Gesetz“ und Hünecke Rudo Hahnel „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ im Abstimmungsprozess. Ersteres soll den Weg für Gesundheits-Apps, telemedizinische Anwen- dungen und die elektronische Patientenakte ebnen. Die Fra- gezeichen zum Datenschutz im Entwurf seien jedoch so groß rung der GOZ unabdingbar. Beinahe die Hälfte der Leistungen gewesen, dass selbst das Bundesjustizministerium dem Ent- sind inzwischen schlechter vergütet als mit dem BEMA. Die wurf im Kabinett die Unterstützung versagte und Nachbesse- BZÄK habe auch deshalb nun eine öffentlichkeitswirksame rung forderte. Gleichzeitig verschärft Jens Spahn gegen Ver- Kampagne gestartet, um auf die GOZ-Problematik aufmerk- weigerer der TI die Sanktionen, die Gematik als maßgebliche sam zu machen (siehe auch zn 9/2019, S. 11). Die Ende dieses Institution der Selbstverwaltungsgremien zur Durchführung Jahres erwarteten Ergebnisse der von der GroKO im Koaliti- der TI wurde im Mai mit einem Federstrich entmachtet und onsvertrag vereinbarten „Wissenschaftlichen Kommission für ist durch eine 51%ige Mehrheit des BMG nun ein politisches ein modernes Vergütungswesen (KOMV)“, die EBM und GOÄ Instrument. „Die Verantwortung des Zahnarztes für die uns unter Aspekten der Harmonisierung untersuchen soll, wer- anvertrauten Daten muss am Konnektor enden“, bekräftigte den sicher einen Hinweis geben, wie die Politik auch die GOZ Dr. Hünecke die Position der BZÄK. behandeln möchte, so die Hoffnung der Standespolitik. Noch gehörten die Selbstverwaltung und das standespolitische En- Kopfschütteln bekomme man auch beim „Faire-Kassen- gagement für die eigenen Ziele gleichermaßen zu einem frei- wahl-Gesetz“, so der Kammerpräsident. Das Ziel dieses Ge- en Beruf, wie das Selbstverständnis, sich auf dem aktuellen setzes sei nicht allein die bundesweite Öffnung regional or- Wissensstand zu halten. Das müsse auch in Zukunft so blei- ganisierter Kassen wie der AOKen. Gleichzeitig sollen auch ben, beschloss Dr. Hünecke seine Ausführungen und übergab hauptamtliche Vorstände die ehrenamtlichen Entscheidungs- das Wort an den Wissenschaftlichen Leiter der Fortbildungs- gremien der gesetzlichen Krankenkassen „professionalisie- tage, Prof. Dr. Sebastian Hahnel. ren“. Mit der Öffnung verschiebe sich ganz nebenbei die Auf- sicht von Landesebene auf Bundesebene. „Was das bedeutet, Bereits jetzt steht das Thema für das kommende Jahr fest: spüren wir in Sachsen-Anhalt am eigenen Leibe: Die Bundese- 2020 lädt Prof. Dr. Stefan Zimmer von der Universität Wit- bene des vdek blockiert seit Jahren die angemessene und vom ten-Herdecke als wissenschaftlicher Leiter zum Thema „Prä- Schiedsamt bestätigte Punktwertanhebung, auch gegen den ventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde“ ein. Willen der vdek-Landesvertretung. So haben wir bei der unter Landesaufsicht stehenden AOK Sachsen-Anhalt mittlerweile einen deutlich besseren Punktwert. Wenn auch dort zukünf- tig Bundesebenen entscheiden, wird es sicher nicht leichter“, fürchtet Dr. Carsten Hünecke. GOZ-PUNKTWERT UNVERÄNDERT Als Fazit bleibe, dass die Praxen statt solches politischen Ak- tionismus Planungssicherheit für notwendige Innovationen 27. FORTBILDUNGSTAGE und Investitionen in den Praxen bräuchten – auch finanziell, IN DER RÜCKSCHAU was Dr. Hünecke zum Thema GOZ-Punktwert brachte. „Der seit 31 Jahren geltende GOZ-Punktwert von 11 Pfennigen ge- S. 8-13: Die Vorträge für die Zahnärzte in Kürze hört endlich auf den Müllhaufen der Geschichte“, forderte der S. 11: Impressionen vom Bierabend Kammerpräsident. Die Bundesversammlung der Bundeszahn- S. 12: Eindrücke von der Dentalschau ärztekammer habe im Vorjahr einstimmig eine Anhebung auf S. 14-15: Lehrreiches für die Praxisteams 14 Cent gefordert. Daneben sei eine grundlegende Novellie- (außerdem detailliert in der Praxisbeilage) 7
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 ZAHNERSATZKUNDE: SPAGAT WERKSTOFFKUNDE: EIERLEGENDE ZWISCHEN VIELEN KONZEPTEN WOLLMILCHSAU GIBT ES NICHT Prof. Dr. Sebastian Hahnel, Leipzig: Moderne Zahnersatz- Prof. Dr. Martin Rosentritt, Regensburg: Werkstoffkun- kunde – was macht sie aus? Prothesen zum Ersatz verlorener de – Update Keramiken. Der Regensburger Ingenieur und Zahnhartsubstanz gibt es bereits seit Jahrtausenden. Die Kunststofftechniker Prof. Dr. Martin Rosentritt hat sich viel moderne Zahnersatzkunde müsse einen Spagat vollführen, mit Keramiken und Zirkonoxiden beschäftigt. Er nahm die so der Wissenschaftliche Leiter der Fortbil- Zuhörer in Wernigerode mit auf einen dungstage, Prof. Dr. Sebastian Hahnel. Auf Ausflug in die Welt der Werkstoffe. Die der einen Seite stünden junge Patienten, eierlegende Wollmilchsau gebe es dabei denen nur ein oder zwei Zähne fehlen und nicht, erklärte Prof. Rosentritt. Ob Polymere, wo der Fokus auf der Ästhetik liege, also ei- Glas- oder Oxidkeramiken, der Teufel liegt nem natürlichen und schönen Aussehen, das im Detail. So gebe es bei den zu den Oxid- sich harmonisch in die Zahnreihen einfügt. keramiken gehörenden Zirkonoxiden hohe Am anderen Ende befänden sich Patienten Qualitätsunterschiede und entsprechend mit 18 und mehr fehlenden Zähnen. Hier stünden Erhalt bzw. verschiedene Indikationen. So besäßen 3Y-Zirkonoxide eine Wiederherstellung von Kaufunktion und Lebensqualität im hohe Festigkeit, seien aber opak. Mit steigender Luzenz wie Vordergrund – und der Anteil dieser Gruppe wachse. In beiden bei 5Y-Zirkonoxiden sinke dagegen die Festigkeit. Mehrglied- Fällen gebe es hinsichtlich Vorgehen, Abformung, Werkstoff- rige Prothesen im Seitenzahnbereich würden damit brechen, wahl und Befestigung vielfältigste Möglichkeiten, so Prof. warnte Prof. Rosentritt. „Das beste Material kann nichts Hahnel. Dieser Spagat zwischen Ästhetik und Funktion mache dafür, wenn Sie es falsch verarbeiten“, postulierte er und die Arbeit für den Prothetiker schwierig – aber auch spannend. zeigte an Mikroskopaufnahmen, wie sich Keramikstrukturen je nach Temperatur bei der Sinterung verändern. Auch gebe es Multilayer-Rohlinge, deren Schichten unterschiedliche VOLLKERAMIK: AUF ANGABEN Festigkeiten haben. Fazit: Die Behandler sollten die Eigen- schaften der von ihnen verwendeten Keramiken gut kennen DES HERSTELLERS ACHTEN und je nach Patient individuell nutzen – die eine Keramik für Prof. Dr. Matthias Rödiger, Göttingen: Vollkeramik in der Pra- alle Indikationen gebe es nicht. xis – funktioniert wirklich alles? Nein, postulierte der Göttin- ger Prothetik-Spezialist Prof. Dr. Matthias Rödiger gleich am CAD/CAM-KOMPOSITE: Anfang seines Vortrages. Bei Vollkeramik gebe es immer ein Dilemma zwischen Ästhetik und Stabilität, BESSER LABSIDE ALS CHAIRSIDE wie Rödiger am Beispiel des „Hoffnungs- Dr. Angelika Rauch, M.Sc. / Dr. Andreas König, Leipzig: CAD/ trägers“ Zirkonoxid zeigte. Galt Zirkonoxid CAM-Komposite aus der Sicht des Klinikers und des Werk- am Anfang als fast vergleichbar mit dem stoffwissenschaftlers. Die Leipziger Dres. Rauch und König Goldstandard Metall-Keramik, zeigten sich brachten in ihrem Vortrag jede Menge Tipps und Tricks rund im Fünf-Jahres-Zeitraum in Studien einige um CAD/CAM-Komposite Komplikationen wie Gerüstfrakturen und mit. Diese besäßen Rönt- Chipping im Seitenzahnbereich, was zu re- genopazität und Fluores- duzierten Überlebensraten von nur 74 Prozent führte. Diese zenz, eine gute Kantensta- Ergebnisse setzten sich im Sieben- bzw. Zehnjahreszeitraum bilität und großen Komfort fort. „Wir wissen bei vielen Materialien in der Routine-An- bei geringem Gewicht. wendung nach Markteinführung noch nichts über deren CAD/CAM-Komposite Bewährung“, so Prof. Rödiger. Diverse Kenngrößen (Mindest- eigneten sich deshalb für stärke, Indikationsbereiche ...) seien zwar postuliert, aber partielle Restaurationen, teilweise auch für Vollkronen und oft noch nicht wissenschaftlich belegt. Lägen dann Studien Brücken. Dabei seien indirekte, also vom Hersteller/ZT-Labor vor, seien die Materialien bei Behandlern und Herstellern gelieferte Komposite wesentlich fehlerfreier als chairside häufig schon wieder „out“. Er rät Zahnärzten im Praxisalltag verarbeitete. „Achten Sie auf einen hohen Fülleranteil, umso deshalb dazu, bei der Verwendung die Herstellerangaben zu besser ist die Mechanik“, riet Dr. König. Der Trend bei CAD/ beachten und abzuwägen, ob der Patient eine bewährte oder CAM-Kompositen gehe zu Kompositen mit antikariogener innovative Versorgung benötige. und remineralisierender Wirkung. 8
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 DOMINIK NEIDHART: „WAHRER STOLZ KOMMT VON KOMPETENZ“ Dominik Neidhart, Profi-Segler und langjähriges Mitglied übermächtigen Neuseeländer zusammenschweißte. im Schweizer Alinghi-Team, nahm seine Zuhörer beim Neidhart selbst schuftete nicht nur von früh bis spät bei diesjährigen Festvortrag mit auf eine Reise zurück ins endlosen monotonen Optimierungs- und Trainingsrun- Jahr 2003, als das Außenseiter-Team des segelbegeister- den im Boot, er hatte auch frühmorgens die Aufgabe, die ten Schweizer Milliardärs Ernesto Bertarelli im Hauraki Finnen der Kielbombe mit Sandpapier extraglatt abzu- Gulf im Norden Neuseelands erstmals die älteste Sport- schleifen – wofür er sich nicht immer motivieren konnte, trophäe der Welt, den America’s Cup, gegen den vorheri- wie er zugibt. Als die Bootsbauer dies bemerkten, kriti- gen Sieger Team New Zealand gewann. Neidhart war 15 Jahre sierten sie ihn nicht etwa, sondern zeigten ihm, wie wichtig eine lang Segler im America’s Cup und wie seine Körperstatur ahnen möglichst glatte Oberfläche für die Reduzierung des Wasserwi- lässt, hatte er als „Grinder“, der die Winschen bediente, einen der derstandes ist und dass so gewonnene Zentimeter sich im Ver- härtesten Jobs an Bord. Mit vielen Fotos und Videos berichtete er lauf eines Rennens auf mehrere Meter aufaddieren können – um von den Vorbereitungen auf den Cup, die für die Augen des sport- am Ende womöglich über Sieg oder Niederlage zu entscheiden. begeisterten Zuschauers unsichtbar hinter den Kulissen laufen. „Selbst kleinste Tätigkeiten haben eine wichtige Auswirkung“, er- klärte er dem Publikum an diesem Beispiel. Neidhart erklärte Entwicklung und Bau der High-Tech-Jachten von Alinghi, die im Heimatland des Teams gebaut werden müs- Im Team müsse deshalb jeder seine Rolle kennen und dann im sen, und die in den unberechenbaren Gefilden des Meeres wie ein entscheidenden Moment zu 100 Prozent im Interesse der Ge- Schweizer Uhrwerk laufen müssen – enorme Ansprüche für die meinschaft handeln, so Dominik Neidhart. „Wahrer Stolz kommt bis zu 800 Menschen aus 22 Nationen, die als Ingenieure, Schiffs- von Kompetenz, nicht von Einfluss, Macht oder Geld“, ist seine bauer, Meteorologen und Seeleute dem Alinghi-Boot zu Sieg ver- Prämisse. Zur Gewinnermentalität gehöre es dabei auch, ein ge- halfen. Jahre im Voraus wurden die Boote gebaut und dann bis gebenes Umfeld aus Regeln, Gesetzen oder Bedingungen zu ak- zum letzten Renntag optimiert und die 16-Mann-Crews an Bord zeptieren und vielmehr das Beste aus dem zu machen, was man der beiden Schiffe trainiert. Doch trotz des Millionenbudgets selbst beeinflussen kann. Man dürfe sich nicht über vergangene ist für Neidhart beim Alinghi-Sieg 2003 eines entscheidend: Der Leistungen definieren, sondern über das, was man tut oder tun Teamgeist. „Der Cup wurde nie vom vermögendsten Team ge- will“, so Neidhart. Auf dem Weg zum Ziel gebe es dabei selten wonnen. Man kann den Titel nicht kaufen“, ist er überzeugt. Das einen geraden Weg. So wie auch Segler viele Manöver fahren Alinghi-Team bestand aus den Besten, die man für Geld holen müssten, um am Wind zu bleiben, gelte dies auch für das restli- kann, jeder Einzelne ein Experte auf seinem Gebiet. Extrinsische che Leben. Die dafür nötige Energie, dazu Charakter, Kompetenz, Motivation durch ein gutes Gehalt sei wichtig, ausschlaggebend Kooperation und die Lieferung der Leistung im entscheidenden für den Sieg war aber die intrinsische Motivation – der Wille zum Moment seien wichtig für erfolgreiche Teamleistung, gab Domi- Sieg, der alle im Außenseiterteam Alinghi gegen die scheinbar nik Neidhart den Zahnärzten mit auf den Weg. Foto: Thierry Martinez
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 ALTERSZAHNMEDIZIN: ZÄHNE MOBILITÄT: BEHANDLUNG AUCH BEDEUTSAM FÜR ZUFRIEDENHEIT IM WOHNZIMMER MACHBAR PD Dr. Andreas Zenthöfer, Heidelberg: Gut leben im Alter – Dr. Dirk Bleiel, Rheinbreitbach: Wie viel mobile Prothetik ist die Rolle der Zähne. Mit der Bedeutung der Zahngesundheit möglich? Pflegebedürftige Patienten, die nur noch schwer im Alter hat sich der Heidelberger Prothetiker Andreas Zent- oder gar nicht mehr in die Praxis kommen können, versorgt höfer beschäftigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) DGAZ-Vorstandsmitglied Dr. Dirk Bleiel in deren Zuhause definiere Gesundheit als „körperliches, – denn der Behandlungsbedarf sei groß, mentales und seelisches Wohlbefinden“, so die ethische Verpflichtung gebiete es und Dr. Zenthöfer, der ausführlich einen Frage- wirtschaftlich sei es auch, wenn man re- bogen zur Ermittlung der mundbezogenen gelmäßig rausfährt. Fast 80 Prozent dieser Lebensqualität (MLQ) vorstellte, das Oral Patienten hätten abnehmbaren Zahnersatz, Health Impact Profile, kurz OHIP. Dieses ist jede Menge davon sei mangelhaft, so Dr. international verbreitet und anerkannt. Dr. Bleiel. Dass mit gründlicher Planung und Zenthöfer stellte anhand von Statistiken dar, entsprechendem Verpacken der Ausrüstung wie sich die Mundhygiene im Alter deutlich verschlechtert auch im Wohnzimmer viel Zahnmedizin möglich ist, zeigte und entsprechend auch die Zahl der eigenen Zähne sinkt. er anschaulich mit Videos aus seinem Arbeitsalltag und Entsprechend steige der Behandlungsbedarf. MLQ-Umfragen sparte dabei auch Schwierigkeiten nicht aus, wie er an der hätten gezeigt, dass nicht gleich jeder Zahn ersetzt werden Zahnreinigung und Versorgung einer dementen Patientin in müsse, festsitzender Zahnersatz führe aber zu deutlich hö- einem Pflegeheim demonstrierte, die nicht mehr den Mund herer Kaukraft, die äußerst bedeutend für die Zufriedenheit öffnen wollte. Er rät, die Prothesen der Patienten wo möglich älterer Menschen ist. Dr. Zenthöfer plädierte abschließend zu erhalten und ggf. zu unterfüttern oder zu erweitern. Auch dafür, Patienten und Pflegende mehr aufzuklären und die verkürzte Zahnreihen sind für ihn okay. Am Ende des Lebens aufsuchende Zahnmedizin zu stärken. sollten die Prothesen als Keimschleudern in jedem Fall raus aus dem Mund. Die Grenzen der Mobilität liegen für Dr. Blei- el bei zeitintensiven Behandlungen (30 min+), chirurgischen Eingriffen, Mikroskopbedarf oder dem KZV-Veto. DIGITALISIERUNG: JA, ABER OHNE ANALOG GEHT ES NICHT Dr. Martin Butz, München: Digitaler Workflow bestimmt das KIEFERRELATIONSBESTIMMUNG: Tagesgeschäft / Erfahrungsbericht Praxis + Labor. Der Münch- VIELE FEHLER MÖGLICH ner Zahnarzt Dr. Martin Butz hat sich schon früh „Moderne Zahnmedizin“ auf die Fahnen geschrieben, erst als Mitbe- PD Dr. Daniel Hellmann, Würzburg: Was gibt's Neues von der gründer eines komplett digital arbeitenden Zentrik? Update 2019. Funktionsdiagnostiker Dr. Daniel Hell- Labores und nun in eigener Niederlassung. mann aus Würzburg stellte in seinem Vortrag die Schwierig- In dieser Zeit lernte er drei Lektionen, die er keiten bei der Kieferrelationsbestimmung dar. Diese sei zum in Wernigerode gerne weitergab: 1. Zähne einen in der maximalen Interkuspidation bleiben Zähne – am Ende zählten gute Er- oder alternativ in der zentrischen Kondy- gebnisse, und die würden im Zusammenspiel lenposition möglich – letztere sei aber nur von Zahnarzt und Labor erbracht, nicht von schwer genau bestimmbar. Fehlerhafte Maschinen. 2. Der Einsatz digitaler Technik Kieferrelationsbestimmungen seien ein sei zwar effizient, der Umgang mit der Technik brauche aber häufiger Grund dafür, dass bei Prothesen viel Training, was Zeit koste. 3. Auch digitales Arbeiten benö- später Korrekturen und Einschleifungen tige das Wissen um analoge Arbeitsprozesse, die mit digitalen nötig sind. „Wir nehmen keinen Biss, wir Techniken optimiert würden. In dem Maße, wie die Patienten geben einen“, postulierte Dr. Hellmann und gab zu bedenken, immer digitaler unterwegs seien, empfiehlt Dr. Butz, sich auch dass jede Neupositionierung des Kiefers unumgänglich mit die neue Technik zu Nutze zu machen – von der Online-Ter- neuromuskulären Adaptionen beim Patienten verbunden sei, minvergabe über digitale Patientenkarteien bis zum digitalen was älteren Menschen schwerer falle. Entschieden wandte er Röntgen. Als günstigen Einstieg bei der Prothetik empfiehlt sich dagegen, dass ein falscher Biss craniomandibuläre Dys- er die Anschaffung eines Modellscanners, der konventionell funktionen (CMD) oder Probleme des Bewegungsapparates abgeformte Arbeiten fürs ZT-Labor einscannt. auslöse. Dies sei wissenschaftlich laut Leitlinie nicht belegt. 10
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 GUTE STIMMUNG BEIM BIERABEND Mit dem traditionellen Bierabend endete der erste Konferenztag der 27. Fortbildungstage – rund 500 Zahnärzte und Praxismit- arbeiter nutzten nach der Eröffnung durch Kam- merpräsident Dr. Carsten Hünecke die Gelegenheit, den Abend gemeinsam zu verbringen, mit Kolleginnen und Kollegen den Tag Revue passieren zu lassen sowie natürlich das von Sponsoren bereitgestellte Freibier und das leckere Buffet zu genie- ßen. Fotos: Andreas Stein 11
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 EINDRÜCKE VON DER DENTALSCHAU Kammerpräsident Dr. Carsten Hünecke eröff- nete die traditionelle Dentalschau anlässlich der 27. Fortbildungstage am Freitagvormittag im Beisein des Vorstandes und der Geschäftsführung der Zahnärztekammer Sach- sen-Anhalt. 36 Aussteller präsentierten sich den Besuchern der Fortbil- dungstage am Freitag und Sonnabend mit ihren Neuheiten, Angeboten und Produkten. Fotos: Uwe Seidenfaden (3) / Andreas Stein (4) 12
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 FUNKTION: (ESS-)KULTUR SORGT BEFESTIGUNGSZEMENT: FINGER FÜR EIN KRANKES KAUSYSTEM WEG VON METHACRYLAT! PD Dr. Ottmar Kullmer, Frankfurt/Main: Funktion und Digita- PD Dr. Michael Korsch, Heidelberg: Befestigungszementas- lisierung einmal anders – die evolutionäre Perspektive. Der soziierte periimplantäre Entzündung: Ursachen, Risiken und Paläoanthropologe Dr. Ottmar Kullmer beschäftigt sich mit Lösungen. Prof. Dr. Michael Korsch ist Experte für die Auswir- dem menschlichen Gebiss. Dieses sei in seiner Vielseitigkeit kungen von Befestigungszementresten auf das periimplantäre das „Schweizer Taschenmesser“ unter den Gewebe, umgangssprachlich auch als „Ze- Gebissen. Umwelt und Organismus beein- mentitis“ bezeichnet. 85 Prozent des festen flussten die Morphologie der Zahnstruk- Zahnersatzes werde in Deutschland auf Im- turen, der Mensch bringe auch noch die plantaten zementiert und nicht verschraubt. Kultur mit, was Okklusion und Kaumechanik Die Vorteile: Weniger Schraubenlockerun- verändere. Würden Zähne aufeinandertref- gen, bessere Ästhetik, passive Passform und fen, entstünden spezifische Facetten, die keine Mehrkosten. Würden jedoch Zement- digital messbar seien und aus denen man reste in periimplantären Gewebe verbleiben, auf Lebensort und Ernährungsart schließen könne. So seien führe dies in 85 Prozent aller Fälle zu Entzündungen, wie Dr. verschiedene Fossilien untersuch- und vergleichbar – und Korsch an Beispielen und Studien zeigte. Wie sich gezeigt so einmalig wie ein Fingerabdruck, erklärte Dr. Kullmer. habe, liege dies an Methacrylat-Zement, der bei 60 Prozent Seit rund 200 Jahren erfahre das menschliche Kausystem aller Implantate für Komplikationen wie Zementüberschüsse, nun kulturbedingt eine Reduktion seiner ursprünglichen BOP oder gar Vereiterung sorge – die letzteren beiden auch, Funktion – Nahrungszubereitung und eine große Auswahl an wenn es keine Zementüberschüsse gebe. Deshalb rät Dr. hochenergetischen Lebensmitteln habe den Selektionsdruck Korsch bei der Zementierung zur Verwendung von Zinko- im Kauapparat beinahe vollständig eliminiert. Dr. Kullmer xid-Zement – dieser ist wasserlöslich und lässt sich wegspülen. stellte deshalb die These in den Raum, dass viele Störungen in Funktion und Okklusion damit zusammenhängen. IMPLANTATE IM RESTGEBISS: VIER STÜCK SIND OPTIMAL IMPLANTATPROTHETIK: GUT PLANEN, PRÄZISE ARBEITEN Prof. Dr. Stefanie Kappel, Heidelberg: Abnehmbarer im- plantatgetragener Zahnersatz – eine gute Option? Prof. Dr. Prof. Dr. Matthias Karl, Homburg: Implantatprothetik – mal Stefanie Kappel aus Heidelberg, die auch mit ihrem Mann ehrlich ... Die Passgenauigkeit ist für den Langzeiterfolg in eigener Praxis niedergelassen ist, beschäftigt sich mit implantatgetragener Restaurationen essentiell, erklärt Prof. Versorgungskonzepten für den zahnlosen Dr. Matthias Karl, Homburg. Was nicht genau passe, sorge Kiefer bzw. stark reduzierte Gebisse. Die für Spannungen und schädige so Restaura- Patienten werden immer älter, die Kaukraft tion und Knochen des Patienten, wie er an ist immer stärker eingeschränkt – können Negativbeispielen erläuterte. Anhand von Implantate in Kombination mit heraus- Studien konnte Prof. Dr. Karl zeigen, dass nehmbarem Zahnersatz hier helfen? Ja, wie Nachahmerprodukte dabei noch ungenauer Prof. Dr. Kappel an verschiedenen Studien gefertigt sind als Originale der Industrie, da- mit verschiedenen Implantatzahlen zeigen rum riet er dazu, nur letztere zu verwenden. konnte, auf denen Prothesen mit Stegen oder Locatoren be- Anhand verschiedener Patientenbeispiele festigt wurden. Wie von Patienten anschließend ausgefüllte erklärte Prof. Dr. Karl, wie wichtig demütiges Planen (Eignet OHIP-Fragebögen zeigten, verbesserte bereits ein Implan- sich der Patient überhaupt für Implantate? Ist er in der Lage, tat die Lebensqualität stark, die Prothesen seien hier aber Mundhygiene zu betreiben?), präzises Arbeiten (50 Prozent bruchgefährdet. Deshalb rät die Expertin zu zwei oder vier der Fehler passieren bei der Abformung), Verwendung Implantaten, in jedem Fall sei die tetragonale Abstützung von Originalkomponenten und Respekt vor den Material- wichtig. Dem Publikum in Wernigerode riet Prof. Dr. Stefanie eigenschaften sind. Es gelte, die Implantatprothetik so zu Kappel, in jedem Fall verbliebene Restzähne beim Versor- betreiben, dass sie auch der normale Patient von der Straße gungskonzept zu nutzen und vor allem für ältere Patienten gebrauchen könne, appellierte der Saarländer Prothetikspe- technisch einfache Prothesen zu nehmen, die leicht zu reini- zialist an die Berufsethik seiner Kollegen. gen und zu reparieren sind. 13
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 Wenn Sylvia Wuttig von der Daisy Akademie kommt, ist der Saal voll – Die Abrechnungsexpertin sprach über die richtige Abrechnung von Behandlungsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen und gab auch noch ein Seminar zur Abrechnung. Fotos: Uwe Seidenfaden BUNTE STADT, Kinder zwischen dem zehnten bis zum vollendeten 20. Lebens- monat, für Kinder zwischen dem 21. bis zum vollendeten 33. BUNTES Lebensmonat sowie für Kinder zwischen den 34. bis zum voll- endeten 72. Lebensmonat ersetzt. PROGRAMM Prof. Dr. Matthias Rödiger, außerplanmäßiger Professor für Im- plantatprothetik in Göttingen, sprach über Allergien und Un- verträglichkeitsreaktionen in der Zahnarztpraxis. Während in 27. Fortbildungstage mit vielfältigem Deutschland und vielen anderen Industrieländern die Zahl von Programmangebot für Praxismitarbeiterinnen Allergikern und Menschen mit Unverträglichkeitsreaktionen auf Stoffe aus der Umwelt zunimmt, stellt sich die Frage, inwie- Ein vielfältiges Programmangebot hatte die Zahnärztekam- weit diese Thematik auch in der Zahnheilkunde widerspiegelt. mer Sachsen-Anhalt auf den 27. Fortbildungstagen für die Ein Sensibilisierungspotential gehe prinzipiell von Dentalle- Praxismitarbeiterinnen zusammengestellt. Es beinhaltete gierungen und acrylhaltigen Kunststoffen (Polymethylmet- u. a. Vorträge zu Unverträglichkeiten in der zahnärztlichen hacrylat = PMMA) in Prothesen- und Befestigungsmaterialien Praxis und Assessments zur Mundgesundheit, Ganztagsse- aus. Keramiken wird ein sehr geringes Sensibilisierungspoten- minare zu Updates bei der Abrechnung und zur Stärkung des tial zugeschrieben. Die Sensibilisierungsphase kann im beruf- Selbstwertgefühls, sowie erstmals eine Schulung zum Brand- lichen und privaten Umfeld (z. B. Modeschmuck) erfolgen. Bei schutzhelfer. Den Auftakt im Vortragsreigen machte Sylvia den Nichtedelmetall-Legierungen sind die darin enthaltenen Wuttig von der DAISY-Fortbildungsakademie. Sie stellte u. a. Stoffe Nickel, Chrom und Kobalt ein potentielles Risiko für Pa- Updates zu Abrechnungsfragen bei der Behandlung von Kin- tienten mit einer Nickel-Chrom- bzw. Chrom-Kobalt-Sensibili- dern und Jugendlichen vor und berichtete über die neuen Früh- sierung. Titan gilt als ein Sonderfall. Es wird zwar meist sehr erkennungsuntersuchungen, die seit 1. Juli 2019 gültig sind. Die gut vertragen. In der Orthopädie wurden jedoch vereinzelte alte FU wurde durch neue Bema-Nummern für zahnärztliche Fälle von Titan-Prothesen-Unverträglichkeiten beobachtet. Der Früherkennungsuntersuchungen von Kindern zwischen dem Referent verwies darauf, dass dazu in der Literatur oft nur Fall- sechsten bis zur Vollendung des neunten Lebensmonats, für berichte und keine wissenschaftlichen Studien beschrieben ▶ 14
27. FORTBILDUNGSTAGE ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 werden. Bei Verdacht auf Unverträglichkeitsreaktionen durch Dentalmaterialien plädierte er für eine Differential-Diagnose unter Berücksichtigung somatischer und psycho-somatischer Faktoren. Von mehrfachen Korrekturen am Zahnersatz ohne objektivierbaren Grund, nur auf Patientenwunsch und entge- gen besseren zahnärztlichen Wissens rät Dr. Rödiger ab. TIPPS FÜR ANGSTPATIENTEN Um die Angst vor dem Besuch beim Zahnarzt sowie Methoden zur Schmerzbewältigung und zum Stressabbau für Patienten und Praxisteam ging es in einem Vortrag von Dr. med. Horst Freigang, dem Vizepräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Zahnärzt- liche Hypnose e.V.. Der Referent riet dem Praxisteam, Angst- und Schmerzpatienten mit aufmerksamer Empathie zu begegnen. In praktischen Übungen dürften die künftigen Brandschutzhelfer In kurzen Videosequenzen gab er einige Beispiele dafür, wie er ihre Kenntnisse in der Brandbekämpfung unter Beweis stellen. und sein Team diesen allgemeinen Ratschlag in die praktische Arbeit umsetzten. Angstpatienten können lernen, äußere Reize Von einigen standardisierten Assessments der Mundgesund- und Schmerzen unter der Behandlung durch Autosuggestion heit für pflegerisches und zahnmedizinisches Personal (ROAG) auszublenden bzw. im positiven Sinne umzudeuten, in dem sie berichtete am Sonnabend PD Dr. Andreas Zenthöfer, Spezialist diese gedanklich in Erinnerungen an schöne Erlebnisse einbau- für Zahnärztliche Prothetik an der Klinik und Poliklinik für Zahn- en. Auch in der direkten Kommunikation zwischen Patient und ärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Heidelberg. Dem Praxisteam kann so manches noch verbessert werden. In diesem schlossen sich der Vortrag von Tamara Strobl, Heidelberg, zur Zusammenhang warnte der Referent vor negativen Formulie- perfekten Assistenz in der Oralchirurgie und der von einem Fra- rungen, beispielsweise „Es tut jetzt vielleicht gleich ein bisschen ge- und Antwortspiel unter Einbeziehung des Publikums gepräg- weh…“ oder auch „Es tut nicht sehr weh“. Solche Aussagen lenken te Vortrag von Prof. Dr. Stefanie Kappel, ebenfalls von der Klinik geradezu die Aufmerksamkeit des Patienten auf einen zu erwar- und Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklini- tenden Schmerz. Besser sei es, Sätze mit positiven Aussagen zu kums Heidelberg, an. Sie brachte viele kleine praktische Tipps formulieren. Statt zu sagen „Sie brauchen keine Angst zu haben“, zu den Themen Provisorien, Abdrucknahme und intraorale Re- könne man einfach sagen „Sie können sich jetzt entspannen“. gistrate in die Diskussion, was bei vielen ZFAs im Publikum sehr Weitere Beispiele gab Dr. Freigang in einem zweiten Vortrag zu gut ankam. Thema „Körpersignale richtig deuten“. Schon kleine Veränderun- gen in der verbalen und nonverbalen Kommunikation zwischen Erstmals wurden bei den alljährlichen Fortbildungstagen der Patient und Praxisteam könnten sich positiv auf die Behand- ZÄK Sachsen-Anhalt auch zwei Seminare zur Ausbildung als lungssituation auswirken. Brandschutzhelfer angeboten. Thomas Lutze, Brandschutzbe- auftragter der VHS-Bildungswerk GmbH in Magdeburg, infor- In einem Ganztagesseminar vermittelte Petra Cornelia Erdmann mierte über die möglichen Gefahren von Bränden in Praxisräu- aus Dresden-Schönborn Kenntnisse und Strategien, das Selbst- men und wie Brandschutzhelfer dann zu handeln haben. Auch wertgefühl zu verbessern, denn Menschen mit einem Selbstwert- Kleinpraxen müssen mindestens einen Brandschutzhelfer vor- gefühl treten selbstsicher auf und das macht ihr Fortkommen halten, so dass unter den Seminarteilnehmern so mancher Praxis- leichter. Die Referentin verwies darauf, dass Selbstbehauptung, inhaber selbst saß. Der praktische Teil umfasste das Training der als eine Säule des Selbstwertgefühls, über Jahrhunderte ein Teilnehmerinnen im Umgang mit verschiedenen Löschmitteln. von Männern erwartetes Verhalten war. Traten Frauen selbstbe- Alle Teilnehmer erhalten über die ZÄK ein Zertifikat als Brand- hauptend auf, wurden sie schnell in Schubladen mit Bezeichnun- schutzhelfer, das von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen gen wie Hexen, Megären und später dann Emanzen gesteckt. Die anerkannt ist. Rolle der Frau habe sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahr- hunderts gewandelt, wenngleich auch im 21. Jahrhundert noch immer stereotype Rollenzuschreibungen existieren. Die Alterung in der deutschen Gesellschaft schreitet voran und damit wird in den kommenden Jahrzehnen auch die Zahn- und MEHR WISSEN FÜRS TEAM Mundgesundheit im Alter eine immer wichtigere Rolle spielen. Ausführliche Berichte zu den Vorträgen für die Praxis- teams sowie weitere Stimmungsbilder finden Sie in der diesem Heft beiliegenden zn-Praxisteam Nr. 79. 15
BERUFSSTÄNDISCHES ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2019 VEREINT GEGEN GEWALT UND MISSHANDLUNG Kinder- und Zahnärzte, Pädagogen und Experten vernetzen sich bei Fachtag im Sinne des Kinderschutzes Wie können Ärzte und Zahnärzte, Lehrer und Pädagogen ver- Rund 120 Teilnehmer aus Ärzte- und Zahnärzteschaft, Jugendäm- nachlässigten und misshandelten Kindern besser helfen? Die tern und Bildungseinrichtungen kamen zum Fachtag Frühe Hilfen Eltern erreichen, am besten bevor etwas passiert? Das war ins Magdeburger Gesellschaftshaus. Foto: Andreas Stein Thema beim Fachtag Frühe Hilfen am 13. September 2019 im Magdeburger Gesellschaftshaus mit 120 Teilnehmern, orga- nisiert von der Bundesstiftung Frühe Hilfen, dem Ministerium Früherkennungsuntersuchungen für Kinder unter drei Jahren für Arbeit, Soziales und Integration sowie Kassenärztlicher beinhaltet. Nun gelte es, die Eltern auch zu motivieren, diese und Kassenzahnärztlicher Vereinigung. Ziel sei es, Koopera- wahrzunehmen. Marcel Christoph vom Zentrum Frühe Hilfen tionsmöglichkeiten und Unterstützungsangebote der Netz- beschrieb den Ansatz der Frühen Hilfen, in allen Bundeslän- werke Kinderschutz und Frühe Hilfen publik zu machen, so Dr. dern flächendeckende Netzwerke mit Ansprechpartnern in Hans-Jörg Willer (KZV), der moderierte. jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt aufzubauen. In Sachsen-Anhalt seien mittlerweile 60 Fachkräfte tätig, denn 50.400 Kindeswohlgefährdungen zählte das Statistische Bun- die Geburtenzahlen steigen wieder an und jedes sechste Kind desamt 2018 in Deutschland – 10 Prozent mehr als im Vorjahr, wachse in sozial schwachen Familien auf. Gleichzeitig würden wie Ministerin Petra Grimm-Benne berichtete. „Diese Zahlen Geburtskliniken und Kinderärzte einen deutlichen Anstieg der lassen einen nicht kalt“, so Grimm-Benne. Hinter jeder Zahl psychosozialen Belastung der Familien wahrnehmen. stehe ein Schicksal. Der Anstieg der Fälle sei ein deutliches Alarmsignal, dass ein Handeln notwendig sei. Dabei gehe es DRASTISCHE BILDER um präventives Vorgehen, nicht um Bestrafung, betonte die Was diese Belastung mutmaßlich für Folgen hat, berichtete Ministerin. „Kinder können sich nicht selbst schützen“, bekräf- Dr. Nicole Primas, Präventionsexpertin der Zahnärztekammer tigte auch Dr. Jochen Schmidt, KZV-Vorstandsvorsitzender. Sachsen-Anhalt, in ihrem Vortrag über mangelnde Mundhy- Hier seien die Eltern in der Pflicht, aber ebenso alle, die mit giene als Zeichen von Vernachlässigung. Eingangs zeigte sie den Kindern in Kontakt kommen – auch Ärzte und Zahnärz- Bilder eines vierjährigen Kindes aus Magdeburg, das in ihre te. Gerade letztere, die viel Kontakt mit jungen Patienten Praxis verwiesen wurde und dem sie im Mai sämtliche Milch- haben, sind mit abgebrochenen Zähnen oder Kieferbrüchen zähne in Vollnarkose ziehen musste, denn jeder Zahn war ver- konfrontiert oder erkennen oft als erste Zeichen der Vernach- eitert (siehe rechts). In der Folge lehnte die Mutter eine pro- lässigung im Mund. Dr. Schmidt zeigte sich erfreut, dass der thetische Behandlung ab. „Was ist schief gelaufen?“, stellte Dr. GKV-Leistungskatalog seit kurzem auch drei zahnärztliche Primas als Frage in den Raum. Erziehung und Pflege der ▶ Petra Dr. Jochen Marcel Dr. Nicole Sebastian Dr. Roland Kerstin Hörn- Grimm-Benne Schmidt Christoph Primas Fox Achtzehn lein-Reckewell 16
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