Gute Aussichten Magazin für Ein- und Ausblicke - Land Vorarlberg

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Gute Aussichten
Magazin für Ein- und Ausblicke
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Denn Frieden darf
keine Option sein.
Büro für Freiwilliges Engagement und Beteiligung
Gute Aussichten Magazin für Ein- und Ausblicke - Land Vorarlberg
Gespenstische
Zeiten
Von Zeitenwandel und Transformation

Schwangere sehen lauter Schwangere. Sie kennen das. Unse-                      lichen Ländern, die Cancel Culture, die sich in jede Nuance
re Wahrnehmung verändert sich durch die Fokussierung auf                       unseres Alltags bis zur Sprache verbunden mit moralischer
ein Thema und wir sehen plötzlich vermehrt das, was wir                        Überlegenheit ausbreitet, die drohende Finanz- oder Immo-
sehen wollen. So geht es einem schnell einmal, wenn man                        bilienblase, die Eruptionen durch Digitalisierung und Bio-
etwas zum Thema Transformation sagen möchte. Es gibt ja                        technologie, an die wir uns so schleichend gewöhnen. Oder
kaum mehr einen Artikel oder Vortrag, der nicht irgendwie                      schauen wir auf die allseits spürbare Veränderung unseres
Bezug auf den Wandel nimmt. Manche Aussagen sind dring-                        demokratischen Grundverständnisses bis zur drohenden
licher (es ist bereits fünf nach zwölf!), andere abgeklärter (im               Eskalation der politischen Machtblöcke, die auf eine neue
Lauf der Geschichte hat es immer abrupte Veränderungen                         Weltordnung abzielen. Oder berührt uns mehr der so weit
gegeben). Und in einer Phase sich überschlagender, erschre-                    fortgeschrittene Rückgang der Biodiversität und die un-
ckender Ereignisse werden langfristige Transformationspro-                     glaubliche Anreicherung mit Umweltgiften aller Art, die be-
zesse ganz plötzlich in den Schatten gestellt1, auch wenn uns                  reits viele Grenzen überschritten hat? Und wenn von einem
die Tragweite der Geschehnisse im Moment (der „Zeitenwen-                      notwendigen, kompletten Umbau/Umbruch des Wirtschafts-
de“) meist gar nicht bewusst ist.                                              systems gesprochen wird, dann ahnt man die Größe des An-
            Sind wir nun in einem stetigen Wandel, der nur                     spruchs. Ganz zu schweigen von der Pandemie, die ja viele
immer schneller vor sich geht oder befinden wir uns in einer                   dieser Themen erst verdrängt und dann wie im Brennglas
historischen, sich lange anbahnenden Umbruchphase, bei der                     beleuchtet und sichtbar gemacht hat.
noch viele tiefgreifende Verwerfungen für unsere Lebenswei-                                Veränderung ist angesagt. Gesellschaftliche Trans-
se, die Arbeitsformen oder die Umwelt zu erwarten sind? Und                    formation durchdringt alle Lebensbereiche. In unserem Feld
was hat das dann mit unserer Lebensplanung zu tun?                             der Verwaltung verzeichnet z.B. das Creative Bureaucracy
            Selbstverständlich ist das Thema zu groß, um es                    Festival in Berlin als Innovationsschmiede seit den wenigen
in Kürze halbwegs fassen zu können. Auch ist es nicht leicht,                  Jahren seines Bestehens exponentielle Zuwachsraten an Be-
in emotional aufgeladenen Zeiten ein halbwegs klares Bild                      sucherInnen. Sogar hier scheint sich allerhand zu tun. Schlag-
zeichnen zu wollen. Und wir wollen nicht bei dem verbreite-                    worte, wie z.B. agil, sinnstiftend, Smart City Governance,
ten Anspruch landen, den der Philosoph Peter Sloterdijk als                    neue Narrative, prozessorientiert und resilient, tauchen häu-
Grundgefühl „unserer Zeit“ in seinem Buchtitel: „Du sollst                     fig auf. Doch was heißt das in einer Staats-(vertrauens-)Kri-
dein Leben ändern“ gefasst hat. Oder gar an den Titel „Kol-                    se? Und was hat das alles mit Engagement, Beteiligung und
laps“ von Jared Diamonds denken, in dem er auf spannende                       Nachhaltigkeit/Kooperation – unseren Kernthemen – zu tun?
Weise der Frage nachgeht, warum manche Gesellschaften in
der Geschichte gescheitert sind, andere hingegen tausende
Jahre Bestand hatten. Also wovon soll hier die Rede sein?
            Für Ursula von der Leyen ist es der Green New
Deal als Antwort auf die Klimakrise mit einem radikal
neuen Verständnis von Arbeit, für andere ist es die Arm-                                            Was heißt das
Reich-Schere, die immer weiter auseinandergeht, das Bevöl-
kerungswachstum und der Generationenwandel in den west-                                             für unser Land,
1	z.B. fand der bedeutende IPCC-Bericht zum Klimawandel in den Anfangstagen                        unsere Region?
   des Ukraine-Russland-Krieges gerade mal 5 Minuten am Schluss des Ö1-
   Mittagsjournals

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Trends, Umbrüche                               Zeiten von
oder Wandel?                                   Veränderungen
Meinen wir Trends, Krisen, Umbrüche, Para-     hat es immer wieder gegeben. Seien
digmenwechsel oder schlicht einen Wandel       dies nun Kontradiev-Zyklen oder Bä-
der Dinge, wenn von Transformation die         ren- und Bullen-Phasen in der Finanz-
Rede ist? Man könnte folgende Abgrenzung       welt, gesellschaftliche Umbrüche oder
vornehmen:                                     Revolutionen. Darum macht es Sinn
                                               zu verstehen, was intensive, abrupte,
• Krisen und Umbrüche zeigen sich              schockartige Ereignisse, wie 9/11, die
  kurzfristig und unerwartet (Pandemie,        Finanzkrise, Fukushima, die Corona-
  Ukrainekrieg …)                              Pandemie oder gar kriegerische Hand-
• Wandel findet langfristig statt, ist an-     lungen zwischen den Großmächten
  hand von zahlreichen Faktoren nachvoll-      miteinander und mit der Transforma-
  ziehbar (Anthropozän …)                      tion zu tun haben.
• Transformation als Versuch, die Ver-
  meidung der negativen Folgen des
  Umbruchs und die Zukunft bewusst zu          Langfristige
  gestalten (mit wiederum einschneiden-
  den Folgen, z.B. Ungleichheiten)             Umbrüche gehen
Krisen, Wandel und Transformation überla-      tiefer und sind
gern sich, sind Auslöser oder Verstärker und
machen diese Veränderungen zu einem ge-        mit wesentlich
wissen Grad unberechenbar. Häufige Muster
dieser Prozesse sind:                          radikaleren
• Exponentiell beschleunigtes Wachstum         Verwerfungen
  in vielen Bereichen, welches schwer
  wahrnehmbar ist, führt plötzlich zu un-      und sehr hefti-
  glaublich schnellen Veränderungen
• Sprunghafte Entwicklung durch gegen-         gen Turbulenzen
  seitig, additiv verstärkende Faktoren
  (tipping point, der Punkt, an dem die        verbunden.
  Lawine zu rutschen beginnt)
• Sie sind nicht regional oder national        Oft sogar mit zerstörerischen Krisen,
  beschränkt und können auch nicht im          die vieles neu ordnen. Laut dem Phi-
  Kleinen gelöst werden (z.B. Bevölke-         losophen Richard David Precht stehen
  rungswachstum, steigende Ressourcen-         wir vor einem Übergang, wie er vom
  ansprüche in „Entwicklungsländern“),         Agrar- zum Industrie-Zeitalter vor sich
  gleichzeitig braucht es aber konkrete        gegangen ist. Und er fragt: Wie gelingt
  Handlungen vor Ort.                          ein Übergang vom einem von Leistung
• Hochkomplex, sich gegenseitig verstär-       geprägten Arbeitsbild zur Sinn-Arbeit?
  kend, uneindeutig, „Fahren im Nebel“,                   Das sind ja bisher angedeutet
  notwendiger Umgang mit Überforderung         nur die sichtbaren Zeichen einer Ent-
  (man denke an die Beschreibungen der         wicklung, wo wir doch wissen, dass
  VUCA- und BANI-Welt)                         Haltungen, Werte, Kultur und kollekti-
                                               ves Bewusstsein der eigentliche Nähr-
                                               boden sind für das, was wir machen
                                               und hervorbringen. Äußere Entwick-

Gespenstische Zeiten                                                                 4
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Wie damit umgehen?
                                            Zwei Reaktionsformen stechen in überkomplexen Situation
                                            ins Auge: Wir vereinfachen rasch sehr stark oder machen
lungen haben einen Bezug zu inne-           vieles noch viel komplizierter. Beides sind verständliche
rem Bewusstsein. Gibt es auch hier DIE      Strategien, um der Wirklichkeit möglichst gerecht zu wer-
große Transformation, wenn wir davon        den, aber beide sind leider auch mit der Gefahr verbunden,
ausgehen, dass sich auch Bewusstsein        dass einerseits allzu simple Lösungen vielem und vielen
evolutionär entwickelt?                     nicht gerecht werden, andererseits detailversessenes Grübeln
                                            das im Alltag notwendige intuitives, pragmatisches, proakti-
                                            ves Handeln vereitelt.
Bei all den                                             Wenn in den vergangenen Jahren im Umgang mit
                                            dem Wandel viel von Resilienz, Kooperationskultur, Innova-
Versuchen, eine                             tionskraft die Rede war, so müssen wir in unserer Haltung
                                            heute wohl einen Schritt weitergehen: In unserem Team sind
Zeit des Wandels                            die Themen Mut und Macht aufgetaucht. Mut, trotz aller
                                            Widrigkeiten dran zu bleiben, zu handeln und Entscheidun-
auf einer abs-                              gen zu treffen, auch wenn die Aussichten nebulös sind. Und
                                            Macht nicht über jemanden, sondern für eine Sache, die
trakten Ebene                               Menschen am Herzen liegt, die sie miteinander ausgehandelt
                                            haben und gemeinsam Gestaltungsspielräume nutzen. Also
zu erfassen und                             Mut zum Engagement, Macht für Beteiligung.
                                                        Aus welcher Sicht macht es Sinn, sich noch oder
zu beschreiben,                             erst recht zu engagieren und wenn ja, wie? Welche Art von
                                            Beteiligung hat Kraft im Lokalen und schafft wichtige Kor-
bleibt die Ein-                             rekturen im Großen? Sich in den Herausforderungen nicht zu
                                            verlieren und den Ort für sich zu finden, wo das eigene Enga-
sicht, wir stecken                          gement Sinn und Freude macht. Dann kann aus unserem Tun
                                            Sinn entstehen und aus dem Sinn das Tun erhalten bleiben.
mittendrin und                              Mut, sich gewissen Dingen bewusst entgegenzustellen, aber
                                            vielleicht auch mal etwas sein zu lassen und nicht länger das
sitzen alle in                              tote Pferd zu reiten. Die Macht, jederzeit Dinge anders und
                                            Spielräume unseres Handelns neu sehen zu können. Sich mit
einem Boot.                                 anderen (anders denkenden) Menschen zusammen zu tun,
                                            Visionen zu entwickeln, Ziele auszuhandeln, Entscheidungen
Es ist nicht mehr so leicht zu sagen, das   zu fällen und Handeln zu reflektieren.
geht mich nichts an oder das verstehe
ich nicht. Der Wandel dringt in jede
Ritze und verlangt täglich Antworten.
Die Dinge hängen oft vielmehr zusam-
men, als wir wahrhaben wollen.

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Was gibt
Orientierung?
Trendforschung hat Hochkonjunktur.
Die Zukunft zu antizipieren, je wider-
sprüchlicher und veränderbarer sie
wird, wird zum wirtschaftlichen und
politischen Imperativ. Die Zukunft be-
wusster zu gestalten suggeriert eine
Lenkbarkeit, die uns immer mehr aus
der Hand genommen wird. Es ist also
Zeit, die Zügel aktiv selbst in die Hand
zu nehmen. Wir haben für diese spe-
zielle Ausgabe der GUTE AUSSICHTEN
das Thema Transformation in den Mit-
telpunkt gesetzt. Schnell wird auffallen,
dass wir dafür die bisherige Struktur in
dieser Ausgabe über Bord geworfen ha-       „Miteinander mutig
ben. Mut und Macht. Dialogfähigkeit.
Sozialer Zusammenhalt. Diese Schlüs-        sein“ – das haben wir uns
selwörter strukturieren die folgenden
Seiten. Wir stellen uns zunächst die        im FEB vorgenommen.
großen Fragen wie „Was braucht ein
transformatives Vorarlberg?“ (S. 10)        Es bleiben viele offene
und „Wie geht wir?“ (S. 12). Wir gehen
der Frage nach, was es denn wirklich        Fragen. Zumindest können
heißt, in diesen Zeiten mutig zu sein?
Was bedeutet das ganz konkret, bei-         wir in unserem Alltagsle-
spielsweise für Vereine? (S. 15) Es fin-
den sich inspirierende Utopien für die      ben spüren und üben, was
Zukunft Europas (ab S. 32), die in einem
Punkt Konsens finden: „Die Solidarität      Wandel heißt, nämlich sich
muss großzügig sein!“. Und rundum das
große Thema sozialer Zusammenhalt           wirklich auf etwas Neu-
ranken sich Berichte von einem Art of
Hosting-Training für Jugendliche, ein       es oder andersden­kende
Interview mit der diesjährigen Key-Note
Speakerin der Langen Nacht der Parti-       Menschen einzulassen.
zipation (S. 41) und auch dritte Orte –
„the place to (re)connect“ (S. 40) finden   Und die Praxis des Dialogs
ihren Platz. Und Landeshauptmann
Markus Wallner hat uns verraten, was        weiterzuentwickeln. Dann
für ihn persönlich Mut bedeutet. (S. 46)
                                            bleibt statt dem Schock
                                            vielleicht eine wohltuende
                                            Überraschung.

Gespenstische Zeiten                                                 6
Gute Aussichten Magazin für Ein- und Ausblicke - Land Vorarlberg
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Inhalt                 10    Wie transformativ ist Vorarlberg?
                             Was braucht ein transformatives
                             Vorarlberg?
Gute Aussichten
                       12    Wie geht „Wir“?
Magazin für
Ein- und Ausblicke     14    Mut und Macht

                       15	Ganz schön mutig!
                           Engagement in der Corona-Zeit

                       16    Lebendige Vereine: Mehr
                             Lebendigkeit, weniger Mühsal

                       19    Die digitale Transformation der
                             West Austrian Musical Company

                       21    Ein Aufzeigen von Möglichkeiten:
                             Die Potentiale des informellen
                             Ehrenamts

Mut und Macht, S. 14
                                                                 Illustrationen: Francesco Ciccolella

Inhalt                                                                8
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40    Dritte Orte –
                                                          the place to (re)connect

                                                    42    Beteiligung schafft Begegnung.
                                                          Beteiligung schafft Miteinander.
                                                          Beteiligung wirkt!

                                                    44    Miteinander mutig sein

                                                    46    Im Gespräch mit Landeshauptmann
                                                          Markus Wallner

                                                    48    Zahlen 2021

                                                    50    On the Road
Auf die Stärken, fertig, los! S. 39

                                                    52    Tipps

                                                    53    Kalle-Kolumne

                                                    54    Termine ab April
24             Änderungen durch
               Corona im Vereinswesen               56    Blick in die Glaskugel

26             Der Ideenkanal: Vom Wettbewerb
               zum grenzübergreifenden
               Problemlösungsprozess

30	Kinder- und Jugendbeteiligung
    Modellregion Walgau
                                                         „Toleranz fällt
32	Und die Solidarität
    muss großzügig sein!                                  auch denen
36	Vom Problemdenken
    ins Lösungshandeln
                                                          schwer, die sich
38             Wie gelingt der Kitt zur Erhaltung         diese gerne
               einer lebenswerten Gemeinschaft?
                                                          bescheinigen.“
39	Auf die Stärken, fertig, los!
                                                         Wie geht „Wir“? S. 12

                                                                                             Inhalt
Gute Aussichten Magazin für Ein- und Ausblicke - Land Vorarlberg
Wie transformativ ist Vorarlberg? Was
  braucht ein transformatives Vorarlberg?
  Mut gilt als die Überwindung des Gleichmuts. Das durchdringende Gefühl, etwas verändern zu wol-
  len, war ausschlaggebend dafür, dass sich eine Gruppe von Frauen aus Vorarlberg zusammengefun-
  den hat und nun daran arbeitet, die Sichtbarkeit und Wahrnehmung von Frauen in der Öffentlichkeit
  zu erhöhen. Diese Doppelseite widmen wir den „Xipertinnen“ und haben nachgefragt: Wie transfor-
  mativ ist Vorarlberg? Und was braucht ein transformatives Vorarlberg?

                                                                                                       hs
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    Angelika

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                                               Andrea S

„ Die derzeitige Pandemie zeigt uns, wie                                                 „Ich bin Innovationsmanagerin und somit
  transformativ wir in Vorarlberg sind,                                                    professionelle Störerin. Mein Job ist es,
  denn vieles, was vor kurzem noch                                                         die bestehende Ordnung, Gelerntes und
  schwer umsetzbar bzw. undenkbar war,                                                     Bekanntes in Frage zu stellen. Es ist heu-
  ist in kürzester Zeit möglich. Gleich-                                                   te wichtiger denn je, dass wir mutig sind
  zeitig lassen sich Ungleichheiten noch   „ Transformation ist Entwicklung in ver-        und Ressourcen in Zukunftsprojekte mit
  besser erkennen. Es ist wichtig, das       tikaler Richtung – und damit mehr als         offenem Ausgang stecken. Mein Job ist
  Potential von Frauen und Männern           einfach nur „Veränderung“. Dafür brau-        es auch, Brückenbauerin zwischen den
  gleicherweise zu erkennen und auch zu      chen wir zuallererst ein gemeinsames          beiden Welten des Bewahrens und des
  nutzen!“                                   Verständnis darüber, wohin die Entwick-       Erneuerns zu sein. Erfolgreiche Orga-
                                             lung gehen soll – eine Richtung – und         nisationen müssen beides beherrschen:
  Angelika Martin                            Kriterien, woran wir diese Entwicklung        Bestehende Kompetenzen und Prozesse
  Bildungsorganisatorin                      erkennen können. Zweitens brauchen            effizient nutzen und gleichzeitig neue
  Stellt regelmäßig „Xipertinnen“            wir Ideen für die Umsetzung: Wie gehen        Chancen am Markt erfassen. Das Ma-
  auf Social Media vor.                      wir vor, welche Methoden, Formate und         nagement dieser Beidhändigkeit – auch
                                             Prozesse sind hilfreich, um Transforma-       unter dem sperrigen Begriff „Ambidextrie“
                                             tion zu fördern und nachzuhalten. Und         bekannt – wird als Schlüsselkompetenz
                                             last but not least brauchen wir dafür ein     in der Transformation gesehen. Die Aus-
                                             gutes Miteinander: Vertrauen und Offen-       einandersetzung mit dieser Beidhändig-
                                             heit in und für andere, Bereitschaft zu       keit ist ein ständiger Prozess und dabei
                                             kritischer Selbstreflexion und Mut, die       hat sich vor allem eines gezeigt: Für eine
                                             Komfortzone zu verlassen und einen            erfolgreiche Transformation braucht es
                                             Schritt weiter zu gehen.“                     den Streit und nicht den Konsens.“

                                             Andrea Spieth                                 Katharina Fuchs
                                             Organisationsentwicklerin,                    Vizebürgermeisterin sowie Super-
                                             Moderatorin und Coachin                       visorin, Coachin und Moderatorin

  Wie transformativ ist Vorarlberg? Was braucht ein transformatives Vorarlberg?                                                   10
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                                                                                              Era
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    Bettina S

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                                                  Sor
                                                Brigitta

                                                                                        „ Transformation    ist mehr als Verän-
„ Wirtschaftlich und gesellschaftlich be-                                                 derung. Transformation ist, aus dem,
  trachtet sind Umbrüche hochspannen-                                                     was schon da ist, etwas Anderes, etwas
  de Zeiten, die vor allem retrospektiv                                                   Neues, das das Alte ersetzt, zu schaffen.
  ein komplexer Forschungsgegenstand                                                      Und aus dem Neuen wird irgendwann
  sein können. Mit den uns heute zur                                                      das neue Alte. Vorarlberg ist ein Land,
  Verfügung stehenden Netzwerken und                                                      in dem Nägel mit Köpfen gemacht wer-
  Kommunikationsmitteln haben wir die        „ Meine  Entscheidung, nach über 20          den, ein Land mit Tradition, Beharrlich-
  Chance, einen Umbruch aktuell zu er-        Jahren im Ausland zurück nach Vor-          keit und hoher Wertschätzung für das,
  fassen und spartenübergreifend zu be-       arlberg zu ziehen, hängt auch mit dem       was einmal gut funktioniert. Trans-
  handeln. Eine wesentliche Erkenntnis        enormen Potential hier zusammen.            formation hat in diesem Mindset dort
  dabei könnte sein: „Kreative sind der       Überall gibt es Initiativen, Organisa-      ihren Platz, wo sie als zweckmäßig und
  Rohstoff der Zukunft“. In der Natur ent-    tionen, Bewegungen, die einen Beitrag       zukunftsfähig erkannt wird. Wer be-
  standene Werkstoffe erschöpfen sich. Es     für Nachhaltigkeit, Chancengerechtig-       urteilt Zweckmäßigkeit und Zukunfts-
  liegt an kreativen Kräften, innovative,     keit und ein gutes Leben für alle leis-     fähigkeit? Gesellschaftliche Eliten?
  zukunftsfähige Lösungen für das Jetzt       ten wollen und können. So viele ener-       Politische Entscheider:innen? Unter-
  und die Zukunft zu finden. Dafür brau-      gievolle, kluge und top ausgebildete        nehmer:innen? Medienhäuser? Zivil-
  chen wir entsprechende Mindsets und         junge Menschen kommen zurück ins            gesellschaft? Kinder und Jugendliche?
  Haltungen. Kreatives Forschen, Denken       Land, so viele erfahrene, immer noch        Senior:innen? Männer? Frauen? Diver-
  und Handeln sind wichtige Werkzeuge,        neugierige, kämpferische Menschen           se? Sie? Du? Wir? Wo wird Vorarlbergs
  die aktiv ermöglicht und unterstützt        leben hier und setzen sich unermüdlich      Zukunft gemacht? Die Transformation
  werden müssen. Innovation braucht           ein. Beide zusammen können den nö-          ist weiblich.“
  Raum und Milieu: Die CampusVäre             tigen Wandel bewirken. Im Weg steht
  soll ein solcher Ort sein – sie trans-      dem nur ein Denken, das vornehmlich         Lea Putz-Erath
  formiert ehemalige Industriehallen zu       Wirtschaftsinteressen und Profitmaxi-       Lehrbeauftragte an der FHV im
  einer „Werkstatt zur Entwicklung der        mierung über alles stellt. Meine Hoff-      Studiengang Soziale Arbeit, seit
  Zukunft“ am Campus V in Dornbirn.“          nung ist, dass hier – angesichts der        2017 Geschäftsführerin femail
                                              Ungeheuerlichkeiten von Krieg und           FrauenInformationszentrum
  Bettina Steindl                             Elend in der Welt – eine echte Werte-       Vorarlberg. Zurzeit ist sie in
  Geschäftsführerin CampusVäre –              verschiebung stattfindet.“                  Karenz, aber nicht weniger aktiv.
  Creative Institute Vorarlberg GmbH,
  Kulturmanagerin und Dozentin an             Brigitta Sorraperra
  verschiedenen Universitäten und             Regisseurin, Kulturarbeiterin,
  Fachhochschulen                             Ideengeberin und Möglichmacherin.
                                              Insbesondere als Projektleiterin der
                                              „IG Geburtskultur a-z“.

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Wie geht „Wir“?
Nicht erst die Corona-Pandemie hat gezeigt: Die gesellschaftliche Polarisierung nimmt zu, und die
Toleranz schwindet. Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, braucht es wieder mehr
sozialen Zusammenhalt. Ein Text von Jens Poggenpohl.

Das Wir-Gefühl steckt in einer Krise:            Eine der Grundtugenden dafür liegt in der Fähigkeit, Mehr-
Dieses Gefühl dürfte in den vergange-            deutigkeit und unterschiedliche Positionen auszuhalten. Ge-
nen zwei Jahren viele von uns beschli-           rade diese Ambiguitätstoleranz ist aktuell einem besonderen
chen haben. Manchmal reichten die                Stresstest ausgesetzt, wie der Soziologe Fabian Rebitzer von
Grenzen der Gemeinschaft notgedrun-              der FH Vorarlberg mit Blick auf die Akzeptanz bzw. Nicht-Ak-
gen kaum über den engsten Familien-              zeptanz der Corona-Massnahmen oder die Diskussionen um
kreis hinaus. Oft nur an die Grenzen der         eine Impflicht erläutert. „Wie selten zuvor ist eine Mehrheit
eigenen Meinungsblase. Oder an die               der Bevölkerung auf eine Minderheit angewiesen, da deren
Grenzen der Nation, wenn es um die               Verhalten plötzlich die eigene Freiheit und den eigenen Hand-
Verteilung von Masken oder Impfstoff             lungsspielraum betrifft.“ Und gerade die gesellschaftlichen
ging. Dass der soziale Zusammenhalt              Kreise, die sich selbst gerne Toleranz bescheinigen, müssten
schwindet, ist eine viel gehörte Klage           sich eingestehen, dass dies leichter gesagt als gelebt ist.
dieser Tage.
           Neu ist sie nicht. Die Pan-
demie-Krise hat nur grell ausgeleuch-            Willkommen in der VUCA-Welt
tet, dass etwas ins Rutschen geraten
ist – sowohl im Umgang zwischen                  So extrem und speziell die Erfahrung einer Gesundheitskrise
gesellschaftlichen Gruppen als auch              auch sein mag: Sie erinnert nachdrücklich daran, dass es in
im Hinblick auf das politische System.           dieser Welt Krisen gibt, die ein Mehr an Zusammenhalt er-
Regelmäßig erklären in Umfragen zwi-             fordern, als es derzeit der Fall ist. Womöglich enthüllt das
schen 20 und 50 Prozent der Bevölke-             Grossexperiment der Pandemie daher nur, dass wir uns in
rung, der Demokratie nicht oder nur              Richtung einer Realität bewegen, die man bislang eher aus
eingeschränkt zu vertrauen. Ob man               Managerseminaren kannte: der VUCA-Welt. Die Abkürzung
deshalb schon von einer Spaltung der             steht für Volatility, Uncertainty, Complexity and Ambiguity
Gesellschaft sprechen muss und wie               und diente ursprünglich dem US-amerikanischen Militär zur
tief die Beziehungskrise zwischen Bür-           Beschreibung der unübersichtlichen Weltordnung nach dem
ger*innen und politischen Eliten ist,            Kalten Krieg. Der Begriff beschreibt aber auch verblüffend
darüber mag man streiten. Unstrittig             genau den Alltag der jüngeren Vergangenheit. Denn was
erscheint dagegen, dass das Miteinan-            wäre volatiler als das Auf und Ab der pandemischen Wellen,
der als Ressource wieder neu entdeckt            unsicherer als die künftigen Mutationen des Virus, komple-
werden muss.                                     xer als die Effekte auf alle Teilbereiche der Gesellschaft und
                                                 mehrdeutiger als die damit verbundenen Abwägungsfragen?
                                                            Für jeden Einzelnen bedeutet dies eine Heraus-
                                                 forderung, zuweilen auch eine Überforderung, wie Rebitzer
                                                 festhält. „Wenn man in dieser Situation nicht das Gefühl hat,
                                                 sein Leben unter Kontrolle zu haben und wirkmächtig zu
Jens Poggenpohl                                  sein, entsteht daraus leicht Angst und daraus wiederum der
ist freier Journalist und                        Drang, Verantwortliche zu finden.“
beobachtet für die Internationale
Bodensee-Hochschule Bildung,
Wissenschaft und Forschung in
der Vierländerregion Bodensee.

Wie geht „Wir“?                                                                                            12
Ein „Mangel an
Debattenkultur“
Das eigentliche Hauptproblem sieht Re-
bitzer indes im immer ausgeprägteren
Hang, „Menschen in Schubladen zu
stecken“. Von einem „Mangel an demo-
kratischer Debattenkultur“ spricht auch
Markus Lux, Bereichsleiter Demokratie
und Einwanderungsgesellschaft bei der     fällt es jedoch auch zusehends schwerer, Vertrauen zu an-
Robert Bosch Stiftung. „Wir müssen        deren aufzubauen – und das ist schlussendlich auch für die
wieder lernen, mit anderen Meinun-        Demokratie ein Problem. Denn „Vertrauen“, darauf hat der
gen umzugehen – da haben alle gesell-     Ökonom und spätere Nobelpreisträger Kenneth Arrow schon
schaftlichen Gruppen Nachholbedarf.“      1974 hingewiesen, „ist das wichtigste Schmiermittel eines so-
           Der zum Teil erzwungene        zialen Systems.“
Rückzug ins ganz eng gefasste Wir hat
dieses Defizit verstärkt. Wenn Volks-
feste oder Stadionbesuche ausbleiben,     Teilhabe als Booster
entfallen nun einmal auch spontane
Begegnungen mit anderen Positionen.       Falsch wäre indes das Bild einer Negativspirale. Die gesell-
Allerdings war die Pandemie auch dies-    schaftliche Solidarität ist deutlich ausgeprägter, als es die ge-
bezüglich nur ein Katalysator.            reizten Debatten in den sozialen Medien suggerieren. Auch
           Individualisierung, Fragmen-   die Bereitschaft von Bürger*innen, sich für das Gemeinwohl
tierung und Tribalisierung sind die be-   zu engagieren, ist nach wie vor hoch. Unübersehbar ist
kannten Stichworte der Entwicklung,       schließlich auch, dass auch die Politik wenigstens auf lokaler
auch die Effekte der sozialen Medien,     Ebene das Potential der Partizipation zu erkennen beginnt.
deren Algorithmen den starken negati-     Durchwegs also auch gute Aussichten!
ven Affekten und der schnellen Pointe
den Vorzug vor Austausch und Zwi-         Im Original erscheint der Text im Jahresbericht 2021 der
schentönen geben, sind inzwischen be-     Internationalen Bodensee-Hochschule. Text zu finden unter:
schrieben. Zugleich haben die Orte und    https://wissenschaftsverbund.medium.com.
Institutionen, an denen man Andersden-
kende und Fremde traf, an Bedeutung
verloren. Vereine, Kirchen und Volks-
parteien leiden unter schwindenden
Mitgliederzahlen, Innenstädte drohen zu
veröden, die Lebenswelten von Arm und
Reich trennen sich.                       Toleranz fällt auch denen
           Doch ohne die Erfahrung,
dass es zwischen unterschiedlichen        schwer, die sich diese gerne
Menschen und Milieus mehr Verbin-
dendes als Trennendes geben könnte,       bescheinigen.

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Mut und                                           Auch wir Menschen sind machtvolle
                                                  Wesen. Als „Krone der Schöpfung“ zei-

Macht
                                                  gen wir wenig scheu, uns dieser Macht
                                                  zu bedienen, und uns die Erde untertan
                                                  zu machen. Mit unübersehbarem Über-
                                                  mut legen wir Hand an. Die Auswirkun-
                                                  gen auf die natürlichen Systeme wie
                                                  Klimawandel, Artensterben, Erosion

Ein (un)gleiches Paar                             geben allen Grund zur Sorge.
                                                             Auch innerhalb unserer Spe-
                                                  zies lassen wir einander unsere Macht
                                                  spüren. Wir gegen die anderen, alle ge-
                                                  gen jede/n. Wirtschaftssanktionen, mili-
                                                  tärisches Wettrüsten und offene Gewalt
                                                  werden weltweit zur realen Bedrohung.
Wir haben Inspiration                                        Mutausbrüche für einen sorg-
                                                  sameren Umgang mit den natürlichen
gesammelt und laden dich                          Lebensgrundlagen wie die „Fridays for
                                                  Future-Bewegung“ stehen den globalen
dazu ein, Mut zu bewahren.                        Machtdynamiken gegenüber wie David
                                                  dem übermächtigen Goliath.
Gegen die Ohnmacht!
                                                  Dieser Blick in den Abgrund
                                                  macht nicht gerade viel Mut.
Viren sind – mangels eigenem Stoffwechsel –
keine Lebewesen. Nichtsdestotrotz lassen sie      Es ist sinnvoll, Angst zu haben. Sie
                                                  hat unsere Ahnen vor Fressfeinden be-
uns ihre Macht über uns unmissverständlich        wahrt. Angst macht uns wach. Zu viel
spüren. Zu wenig Angst ist lebensgefährlich. Zu   Angst lähmt. Es hilft uns auch nicht
viel Angst führt zu Neurosen.                     weiter, wie der Hase auf die Schlange
                                                  zu starren. Doch was tun, wenn sich
                                                  Ohnmacht breitmacht? Was kann ich
                                                  schon bewegen?
                                                              Die zentrale Erfolgsstrate-
                                                  gie unserer Spezies ist die Kooperation.
                                                  Die Hoffnung auf eine gute Entwick-
                                                  lung hin zu langfristig lebenswerten
                                                  Lebensbedingungen und einer realisti-
                                                  schen Chance auf ein gutes Leben für
                                                  alle ist berechtigt.
                                                              Was wir tun können? Wir
                                                  können handeln! Wir können uns ein-
                                                  ander zuwenden. Wir können das Mit-
                                                  einander üben. Wir können Verhalten
                                                  ändern. Wie können Regeln neu ver-
                                                  handeln.

Mut und Macht                                                                         14
Ganz schön mutig!
Engagement in der Corona-Zeit
Mut, Frustrationstoleranz und Humor als rettende Anker in Zeiten der Kontakt-
reduktion. Oder: Warum engagierte Menschen nicht unterzukriegen sind!

Krise, Support und Mut                                                            Bewunderung und
                                                                                  Planung nach Corona
Die Corona-Zeit stellte engagierte Menschen und Freiwil-
ligenorganisationen vor enorme Herausforderungen. Kon-                            Die Gültigkeitsdauer eines „Wohnzim-
taktreduktion, fehlende Planungsgrundlagen, Paragraphen-                          mer-Tests“ wird in Vergessenheit gera-
Dschungel, Konfliktlinien und Zusammenhalt: Während das                           ten. Die Bewunderung für das verant-
Vereinsleben zeitweise stillstand, wurden die Belastungs-                         wortungsbewusste Verhalten und den
grenzen vieler engagierter Menschen chronisch überschritten.                      Willen, Vereine in Zeiten der Kontakt-
„Krisen-Support“ hat sich zu einem temporären Dauerbrenner                        reduktion lebendig zu halten, werden
im FEB-Service-Angebot etabliert. Wer nun an einen „Kum-                          in Erinnerung bleiben. Es wird sich in
merkasten“ denkt, ist auf dem Holzweg. 1.400 Beratungskon-                        Zukunft ungeahnt einfach anfühlen,
takte mit Ratsuchenden: Gespräche, schriftliche Anfragen,                         Vereinsaktivitäten zu planen. Stellen
Impuls- und Info-Veranstaltungen haben auf beeindruckende                         Sie sich vor: Alle dürfen kommen, ein-
Weise gezeigt, was Mut und Frustrationstoleranz bedeuten.                         fach so. Keine improvisierte Teststraße
                                                                                  und keine „Hybrid-Veranstaltung“ als
                                                                                  Plan B. Die Organisation von Vereins-
Verantwortungsbewusstsein, Wille und Humor                                        aktivitäten auf einem Bein, mit ge-
                                                                                  schlossenen Augen: Kein Problem im
Anrufe von Vereinen waren selten von Resignation geprägt                          Vereinsleben nach Corona.
und dabei hätte es allen Grund dazu gegeben. Verantwor-
tungsbewusstsein und der Wille zur guten Lösung ziehen sich
als rote Fäden durch den Austausch zu Corona-Fragen aller                         Danke für Ihr Engagement
Art. Auch der Humor hat sich als stabile Größe im Vereinswe-                      und beste Grüße
sen erwiesen. Es gab überraschend oft was zu lachen, obwohl
die Situation alles andere als lustig war. Humor und Zweck-                       Menschen sind dazu in der Lage, fast
optimismus machen Mut und stärken das Immunsystem.                                jedes „Wie“ zu ertragen, wenn sie ein
                                                                                  „Wozu“ haben2. Diese These hat sich in
                                                                                  beeindruckender Weise bestätigt. Der
Vieles in Bewegung                                                                unermüdliche Wille engagierter Men-
                                                                                  schen, etwas zu einer guten Welt bei-
Die Studie „Corona & Freiwilligenarbeit“1 zeigt, dass Enga-                       zutragen beeindruckt. Diese Inspiration
gierte verstärkt pausieren, aufhören oder neue Tätigkeiten                        bleibt, als Ermutigung zurück. Daher
annehmen. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen sind                         haben wir im März eine große DANKE-
noch nicht absehbar. Es ist zu erwarten, dass die (Re)Aktivie-                    Kampagne gestartet. Mit der Verlosung
rung des Vereinslebens und das Gewinnen von Menschen für                          von 100 Vereinsjausen, mit freundlicher
die Mitarbeit im Verein vielerorts und zunehmend zur Her-                         Unterstützung von Sutterlüty Ländle-
ausforderung werden. Dieser Trend hat sich bereits vor der                        markt, sollen Vereine wortwörtlich ge-
Corona-Zeit gezeigt. Es besteht dennoch Grund zur Zuver-                          stärkt und ermutigt neue Aktivitäten
sicht. Das Bedürfnis nach sinnvollem Schaffen und die Lust,                       angehen können. Es bleibt nur noch
sich miteinander für die gute Sache einzusetzen, werden nicht                     eines zu sagen: Danke für Ihr Engage-
verloren gehen. Das Vereinsleben wird sich erholen. Nur Mut!                      ment und bleiben Sie mutig!

1 siehe S. 21 ff in diesem Magazin
2 siehe S. 24; S. 25 in diesem Magazin

15                                         Ganz schön mutig! Engagement in der Corona-Zeit              Gute Aussichten
Lebendige Vereine:
Mehr Lebendigkeit,
weniger Mühsal
Vereinsimpulsprogramm
des Landes Vorarlberg

Vereine lebendig zu halten ist immer wieder aufs
Neue eine Herausforderung. Es braucht Mut und
Visionen, um gewohnte Abläufe zu reflektieren
und da, wo es nötig ist, alte Schemen aufzubre-
chen. Ein Text über die Bereitschaft, wahre Macht
in der Veränderung selbst zu sehen. Von Isabel
Baldreich und Janin Salzger.

Genau darauf – auf den Mut und das Vertrauen in die Macht
der Veränderung – kommt es an. Hier setzt das Impulspro-
gramm „Unser Verein“ des Landes Vorarlberg unterstützend
an. Denn viele Vereine stellen sich immer wieder dieselben
Fragen: Wie stärken wir unser Team? Wie können wir etwas
für die Gemeinschaft tun? Wie sorgen wir für Nachwuchs?
Wie können wir uns und unsere Mitglieder motivieren?
          Im Rahmen dieses Impulsprogramms haben Ver-
eine die Möglichkeit, den eigenen Verein zu analysieren, aus
der Analyse konkrete weitere Handlungsschritte abzuleiten
und diese umzusetzen. Vereine, die etwas verändern oder
bewegen wollen, erhalten individuelle Hilfe zur Selbsthilfe.
Sie werden im Rahmen einer umfassenden Prozessbegleitung
dazu ermächtigt, selbstständig konkrete, machbare und wir-
kungsvolle Impulse zu setzen.
          Das Ziel des Vereinsimpulsprogramms sind erfolg-     FC Schruns
reiche und lebendige Vereine in ganz Vorarlberg!

Lebendige Vereine                                                           16
Themen, die Vereine beschäftigen
Das Programm hat gezeigt, dass sich Vereine – ganz unabhängig ihres
Wirkungsbereichs – oft mit denselben Themenkreisen beschäftigen.

                                Teamgeist
                                Ein funktionierendes Team, das ge-           Ähnliche Erfahrungen hat auch der FC
                                meinsam die Fragen des Vereins an-           Schruns gemacht. Neben all den kreati-
                                geht, ist ein wesentlicher Schlüssel zum     ven Aktivitäten und tollen Inputs war
                                Erfolg. Wenn die Kommunikation ver-          besonders hilfreich die Schärfung des
                                nachlässigt wird, oder gar einmal „der       Blicks für das Wesentliche, die Rück-
                                Wurm drin ist“, kann es im gemeinsa-         besinnung auf das eigentliche Ziel des
                                men Tun schwierig werden.                    Vereins: Kindern und Jugendlichen das
                                            So berichtet Sabine Klapf        Fußballspielen zu ermöglichen. In der
                                vom Verein „Eine Welt“ in Bludenz,           Einfachheit liegt die Kraft. Generell
                                dass sie durch das Impulsprogramm            läuft es im Verein gut – gerade weil
                                ihre Mitglieder aktivieren und die Kom-      kontinuierlich Veranstaltungen und
                                munikation stärken konnten. Es war           Prozesse gemeinsam reflektiert werden.
                                sehr motivierend, durch das Analyse-         „Dabei hat uns auch das Impulspro-
                                tool „Vereins Checker“ zu sehen, wie         gramm sehr geholfen. Ein guter Blick
                                viel im Verein wirklich gut läuft. „Die      von außen, kompetenter Input und pro-
                                eigenen Potentiale zu erkennen ist ein       fessionelle Hilfe zur Selbsthilfe tun be-
                                sehr aktivierender Prozess“, so Sabine       stimmt jedem Verein gut“, ist Michael
                                Klapf. Durch den erweiterten Fokus           Fritz überzeugt.
                                wurden bestehende Herausforderungen
                                klarer, die Begleitung im Impulspro-
                                gramm war wegweisend:
                                                                            el Fritz
                                                                            Micha
                      Sabine lapf
                            K

                                                                           „Und vielleicht läuft es ja gerade deswe-
                                                                             gen so gut bei uns – weil wir nichts nur
                                                                             deshalb machen, ‚weil es immer schon
                         „ Durch die tolle Begleitung haben wir              so war‘, sondern immer versuchen das
                                den Weg zu etwas gefunden, das wir           zu machen, was gerade gebraucht wird.“
                                bereits lange angehen wollten, aber nie
                                wussten, wie genau wir das machen
                                sollten.“

17                                                                                                   Gute Aussichten
Beteiligung                                 Generationenwechsel
  Um Mitglieder langfristig für den Ver-      Damit der Verein zukunftsfit bleibt, müssen Entscheidungs-
  ein zu begeistern, ist es notwendig, sie    träger*innen sich irgendwann ändern. Um Aufgaben gut
  einzubeziehen und unmittelbar zu be-        übergeben zu können und die Nachfolger*innen bestmöglich
  teiligen. Zudem beugt die Beteiligung       dabei zu unterstützen, handlungsfähig zu werden, braucht
  vieler oft der Überlastung weniger vor      es klare Strukturen und überschaubare Arbeitspakete. Diese
  und fördert den Teamgeist.                  helfen wiederum dabei, Interessierten die Beteiligung zu er-
              So hat sich auch die Chor-      möglichen und das Team zu stärken. Gerade im Ehrenamt ist
  gemeinschaft Cantemus aus Bürserberg        es oft schwierig, jemanden für ein „Amt“ zu finden, der sich
  mutig auf den Prozess eingelassen. „Am      engagieren möchte. Aber je leichter der Einstieg, umso eher
  meisten Mut braucht es, wirklich völlig     nimmt sich jemand dieser Aufgaben an.
  offen in den Prozess zu gehen und die                  Genau das war das Thema des Domino in Frastanz
  Mitglieder einzuladen, sich zu beteili-     und der langjährigen Leiterin Christl Stadler: „Ich kann es
  gen“, sagt Obmann Josef Fritsche. „Sich     wirklich jedem empfehlen, ehrlich zu hinterfragen, was man
  allen Themen zu stellen mit der ehrli-      normalerweise macht. Dinge neu zu denken, Veraltetes los-
  chen Bereitschaft, Neues zu probieren,      zulassen, Bewährtes zu erweitern und Neuem Raum zu geben
  war herausfordernd, aber das war auch       lohnt sich.“ So konnten im Verein mithilfe des Impulspro-
  das tollste!“ Der Workshop war nicht        gramms neue Strukturen geschaffen und Aufgaben umver-
  nur sehr aufschlussreich, sondern auch      teilt werden.
  ein gelungenes Gemeinschaftserlebnis.
  „Die professionelle Begleitung durch
  den Coach hat uns sehr dabei geholfen,
  uns vertrauensvoll zu öffnen.“
              Besonders wichtig und posi-
  tiv für den Verein war auch die generati-
  onenübergreifende Mitgliederbefragung.
                                                                  l Stadler
                                                                  Christ

                                                                „ Manchmal braucht es einen Crash, da-
 Fritsche

                                                                   mit sich jeder beim Schopf nimmt und
  Josef

                                                                   etwas anpackt. Das Programm hat mir
                                                                   dabei wirklich sehr geholfen.“

                                              Diese Inspirationsgeschichten zeigen, dass es
„ Einerseits war es eine schöne Bestär-       neben dem Mut zur Veränderung manchmal
  kung, zu erfahren, wie zufrieden die
  meisten sind und was sie besonders am       auch einen Anstoß braucht – eine Ermächti-
  Verein schätzen. Andererseits gab es        gung, um gewisse Dinge anzugehen und um-
  auch sehr überraschende Rückmeldun-         zusetzen. Das Vereinsimpulsprogramm hat sich
  gen, die bisher übersehene Themen ans
  Licht brachten. Erst durch das Bewusst-     hier als absolutes Erfolgsmodell etablieren kön-
  werden über diese Themen sind wir jetzt     nen und Vereine in ganz Vorarlberg Schritt für
  fähig, unseren Verein weiter zu verbes-     Schritt vorwärtsgebracht.
  sern“, ist Josef Fritsche überzeugt.

  Lebendige Vereine                                                                                    18
Die digitale Transformation der
West Austrian Musical Company

Dass Digitalisierung in Vereinen keine Hexerei
ist, sondern eine große Erleichterung sein kann,
                                                                                 r
                                                                             nse

zeigt das Beispiel der West Austrian Musical
                                                                E r i c h Ma

Company. Erich Manser, seit 2003 Präsident des
Vereins, liebt nicht nur die Arbeit mit Menschen
in der analogen Welt, sondern unterstützt sie
als Softwareentwickler auch dabei, ihren Weg
im digitalen Dschungel zu finden. Ein Erfah-
rungsbericht.                                                  Live- und Schauspielcoach sowie Di-
                                                               gital Transformation Coach der WKO.
                                                               Zur WAMCO kam er mit 22 Jahren.

19                               Die digitale Transformation                         Gute Aussichten
Logbuch 2000

Wir schreiben den 6. November 2000. Das
Casting ist abgeschlossen. Ein Sitzungs-
termin im Organisationsteam (OTIS) wird
benötigt. Rundruf an alle, der Termin für
eine Besprechung ist organisiert.

Drei Wochen später: OTIS-Meeting,
Stück wird besprochen, Aufgaben wer-
den verteilt, weitere Personen ins OTIS-
Team einberufen. Wunsch-Aufführungs-
termine bis zur nächsten Besprechung.
                                            Ehrenamtliche Tätigkeiten leben von Gemeinschaft und Be-
… Terminabklärung mit der Location,         ziehungen. Das ist die Basis. Vereinsarbeit soll Spaß machen
Organisation Helfer, Kostümverantwort-      und persönlich bereichern. Die Angst vor dem Verlust dieser
liche, Graphik Design, Fototermin klä-      Basis ist oft der Grund, Digitalisierung abzulehnen.
ren, Website- und PR-Verantwortung                      Bei der WAMCO ging die erste Internetseite 2002
klären, Aufgabenliste …                     online. Das war der Start für unsere digitale Transformation:
                                            Zeitungsausschnitte, Fotos und Dias wurden gescannt und
Zwei Monate später ist nun das meiste       digital archiviert. Videoaufnahmen wurden von analog in di-
geklärt und wir können uns endlich aus-     gitale Dateien umgewandelt, zum Teil Notenmaterial, Doku-
schließlich um das Wesentliche, nämlich     mente und richtungsweisende Sitzungsprotokolle.
die Aufführung kümmern.                                 Eine private Cloud, um Terrabytes an Bild- und
                                            Videomaterial zu sammeln, kam ebenso dazu wie Microsites
                                            und Soziale Medien. Die Suche nach Bildmaterial über eine
                                            Person oder Stück für die Öffentlichkeitsarbeit ist dank Ge-
                                            sichtserkennungssoftware nun nur noch ein Klick.
                                                        Ein Paradigmenwechsel bei den Mitgliedern trat
                                            ein: von der Bring- zur Holschuld! Wer dabei sein will, wer
Logbuch 2022                                informiert sein will, muss aktiv werden. Umgekehrt erhal-
                                            ten wir nun Fotomaterial und interessante Infos von unse-
6. Februar 2022. Casting abgeschlossen.     ren Mitgliedern direkt in unsere Cloud. Bei Proben dominiert
Doodle-Umfrage an OTIS für Sitzungs-        mittlerweile das Handy als Medium für Noten und Text.
termin.                                                 Generell nutzen wir eine Kombination aus vielen
                                            verschiedenen digitalen Tools. Wir nehmen Proben auf, da-
Zwei Tage später: Online-OTIS-Meeting.      mit die Abwesenden nichts verpassen. Für die interne Kom-
                                            munikation helfen intelligente und funktionsreiche Messen-
Zwei Stunden später: Termine, Verant-       gers anstelle SMS, E-Mail oder WhatsApp. Wir halten online
wortlichkeiten, Presse geklärt, Location    Proben, kommunizieren mit unseren Gästen und Fans über
per Telegram reserviert, alle sind infor-   Internetseiten und die Sozialen Medien.
miert. Es bleibt Zeit für persönliche Ge-               Die digitale Transformation eröffnete und eröff-
spräche.                                    net uns noch immer neue Möglichkeiten. Dafür bedarf es das
                                            Wissen rund um den Wert von Daten und den sorgsamen und
Ergebnis: 3. Juli 2022 – WAMCO-Mu-          wertschätzenden Umgang damit.
sical „The Show Must Go On“, Kultur-
bühne AMBACH in Götzis

Die Arbeit, die sich früher über drei Mo-   Die persönliche Beziehung im Verein und
nate verteilte, war mehr oder weniger in    die Freude am gemeinsamen Tun
zwei Stunden erledigt.
                                            wurde durch die digitale Transformation
                                            der WAMCO aufgewertet und befreit.

Die digitale Transformation                                                                           20
Ein Aufzeigen von Möglichkeiten: Die
Potentiale des informellen Ehrenamts
Informelles Ehrenamt, also ein Engagement unabhängig von Vereinsstrukturen, dafür mit mehr
Flexibilität, nimmt immer weiter zu. Quer durch alle Jahrgänge ist es eine attraktive Möglichkeit,
sich für eine gute Sache zu engagieren. Angepasst an die eigene Lebenssituation. Grund genug, bei
der digitalen Ehrenamt-Fachtagung im Dezember 2021 mit über 60 Teilnehmenden dieses Thema
in den Fokus zu nehmen. Drei Projekte erzählten von ihren Erfahrungen, Herausforderungen und
schönen Momenten. Wir haben sie dazu befragt.

1
Was sind Potentiale des
informellen Ehrenamtes im
Vergleich zum formellen
                                                                                  Martin Herburger Beide Formen sind
                                                                                  ein wichtiger Teil des Sozialkapitals
                                                                                  einer Gemeinde und somit Kitt unserer
                                                                                  Gesellschaft. Beide Formen sind wichtig
                                                                                  für eine lebendige Gemeinschaft und
                                                                                  beide Formen unterstützen die Werte-
Ehrenamt?                                                                         haltung in der Gesellschaft. Die Poten-
                                                                                  tiale des informellen Ehrenamtes liegen
                                                                                  in der Innovation. Informelles Ehren-
Gabi Hampson Informelles Ehrenamt bringt Flexibilität und                         amt eröffnet neue Sichtweisen und
Leichtigkeit mit sich. Ohne langfristige Verpflichtung, ohne                      macht das Zusammenleben reicher.
schwere Bürokratie. Man kann sich dort einbringen, wo
man sich gerade zu Hause fühlt, wo man das eigene Talent
gut eingesetzt sieht, wo man selbst gerade eine Priorität
gesetzt hat. Man kann sich dann einbringen, wann es zeit-
lich gut in die eigene Lebensrealität passt. Kein entweder …
(bist du dabei) oder … (eben nicht). Informelles Ehrenamt
öffnet Türen und Möglichkeiten für Integration und schafft
Berührungspunkte zwischen unterschiedlichsten Menschen.
Verbindlichkeit wird durch Offenheit und durch die Freiheit
                                                                                             g

aufgebaut, entscheiden zu können, wie sehr man sich ein-
                                                                                           n
                                                                                        ra
                                                                                       nd

bringen möchte oder kann.
                                                                                      Tate

Gebhard Bechter Das informelle Ehrenamt ist breiter auf-
gestellt, flexibler und von größerer Betroffenheit gesteuert.
Oft ist es die Antwort auf ein aktuelles Problem. Damit tre-
ten auch ganz neue Themen in den Fokus, die im formel-
len Ehrenamt noch nicht auf dem Bildschirm sind. Formelle
Hürden bestehender Strukturen stehen nicht im Weg, da-
her ist schnelleres Handeln möglich. Informelles Ehrenamt
wächst häufig aus persönlicher Betroffenheit, daher ist auch                      Gabi Hampson
viel Herzblut dabei.                                                              Gemeinde Lustenau

21                                        Die Potentiale des informellen Ehrenamtes                     Gute Aussichten
2
Wo siehst du in der
jetzigen Zeit Herausfor-
derungen hinsichtlich des
informellen Ehrenamtes?
                                                                3
                                                                Welche
                                                                Bedeutung hat
                                                                informelles
Gabi Hampson Die Fülle an Angeboten und auch Aufgaben, mit
denen Menschen sich konfrontiert fühlen, erlaubt oft keinen     Ehrenamt für
Platz für eine weitere Aufgabe oder zusätzliches Engagement.
                                                                dich?
Gebhard Bechter In Zeiten der Pandemie waren soziale Kon-
takte kaum möglich. Die Leute haben sich zurückgezogen.
Informelles Ehrenamt lebt aber vom persönlichen Austausch.      Gabi Hampson Was wir am Anfang
Und weil vieles nicht erlaubt war, gab es Denkblockaden hin-    nicht mitgedacht haben, was uns das
sichtlich ehrenamtlichen Lösungsansätzen für auftretende        Feedback aber eindeutig zeigte: Durch
Bedürfnisse in der Gesellschaft. Es ist aber auch eine Chance   unsere Aktion konnten wir vielen
dabei. Nachdem wieder geöffnet wurde, ist eine „Jetzt erst      Menschen eine Möglichkeit geben,
recht“-Mentalität spürbar. Der vorausgegangene Leidens-         mitzuhelfen und zu wirken. Sie sahen
druck könnte die Energie für neues Engagement liefern.          das Problem, fühlten sich aber hilf-
                                                                los. Wir haben ihnen ein Werkzeug
Martin Herburger Informelles Ehrenamt eröffnet den Weg          gegeben. Wir sind ein Team von drei
von der allzuständigen Gemeinde zur bürgerschaftlichen          Frauen mit unterschiedlichen Kompe-
Verantwortung. Dies erfordert ein Umdenken auf kommuna-         tenzen, die sich ergänzen. Es gibt keine
ler Ebene. Räume für Beteiligung müssen geschaffen und er-      Hierarchie, keine Stundenkarten. Wir
möglicht werden. Voraussetzung dafür ist, dass das informel-    machen eine To Do-Liste und teilen
le Ehrenamt auch den Stellenwert bekommt, der ihm gebührt.      diese auf und unterstützen einander,
Es braucht eine Anerkennungskultur, ein wertschätzendes         wenn es bei der einen oder anderen
Miteinander von Ehrenamt und Profession, ein Zusammen-          gerade mal eng wird.
wirken auf Augenhöhe. Beteiligung im informellen Ehrenamt
muss sinnstiftend sein und Spaß machen.                         Gebhard Bechter Informelles Ehrenamt
                                                                ermöglicht einen niederschwelligen
                                                                Zugang zur Bürgerbeteiligung. Persön-
                                                                liche Betroffenheit ist oft die Triebfeder
                                                                für ein Engagement. Ich habe mehrfach
                                                                erlebt, dass Menschen über diese Erfah-
                                                                rung „auf den Geschmack kommen“,
                          g                                     was Ehrenamt auch an persönlichem
                      g

                                                                Nutzen und Sinn stiften kann. Nicht
               ne
           ge

                                                                selten führt der Weg dann weiter in das
  wert leben in Lan

                                                                formelle Ehrenamt.

                                                                Martin Herburger Bürgerinnen und
                                                                Bürger bringen im informellen Ehren-
      ens

                                                                amt ihre Ideen, Wünsche und Erfah-
              b
           Le

                                                                rungen ein. Diese neuen Zugänge und
                                                                Sichtweisen machen das Leben in einer
                                                                Kommune bunter und führen zu neuen
Gebhard Bechter                                                 Lösungen, das Füreinander und Mitein-
Gemeinde Langenegg                                              ander in der Kommune zu gestalten.

Die Potentiale des informellen Ehrenamtes                                                              22
4
Warum braucht es
informelles Ehrenamt?
Gabi Hampson Es ist offen, leicht, locker, flexibel. Keine
starre Vereinsstruktur, kein „Muss“. Nur ein Aufzeigen von
                                                               Die Welt ist im Umbruch und
                                                               auch das Ehrenamt verändert
                                                               sich. Unser Alltag ist unplan-
                                                               barer geworden. Das informelle
                                                               Engagement ist flexibler und
                                                               daher gelingt es hier oft, Men-
                                                               schen auch kurzfristig für En-
Möglichkeiten.                                                 gagement zu gewinnen. Es ist
Gebhard Bechter Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen.         daher eine wichtige Ergänzung
Im digitalen Zeitalter kommt das menschliche, persönliche      zum formellen Ehrenamt. Ge-
Miteinander zu kurz. Gemeinsames Engagement kann aus           rade das spontane humanitäre
dieser Ecke der Ego-Haltung und Vereinsamung herausfüh-
ren. Dieses Engagement ist aber auch aus wirtschaftlichen      Engagement wird angesichts
Gründen notwendig, denn was früher die gute alte Nachbar-      einer Vielzahl an Kriegsflücht-
schaft im Stande war zu leisten, kann heute der Staat über     lingen, die dringend Schutz und
professionelle Dienste nicht organisieren und finanzieren.
Eine weiterentwickelte, zeitgemäße Sorge-Kultur ist überle-    Hilfe brauchen, bald sehr wich-
bensnotwendig.                                                 tig werden. Das können wir nur
                                                               miteinander bewältigen.
Martin Herburger Regionale Zusammenarbeit und Digitali-
sierung sind nur zwei Aspekte, die die zukünftigen Heraus-
forderungen im kommunalen Bereich verändern werden.            Kriemhild Büchel-Kapeller (FEB)

Die Aufgaben der
Gemeinden werden
sich zukünftig noch
individueller nach
den Bedürfnissen der
Bürgerinnen und
Bürger ausrichten.
                                                                                s
                                                                          tzi
                                                                       Gö

Um all diesen neuen Herausforderungen gerecht zu werden,
                                                                  Zämma leaba

wird das Miteinander in der Gemeinde, das füreinander Ver-
antwortung übernehmen, zukünftig eine neue Bedeutung be-
kommen. Es geht uns gut. Damit es so bleibt, braucht es jede
und jeden. Informelles Ehrenamt ist eine Möglichkeit, dem
gerecht zu werden.

                                                               Martin Herburger
                                                               Gemeinde Götzis

23                                                                                  Gute Aussichten
Änderungen durch
Corona im Vereinswesen
Mit der Studie „Ein Jahr Corona – Licht und Schatten der Frei-
willigenarbeit“ (Bundesministerium für Soziales und Verein Frei-
willigenmessen) liegen nun Zahlen vor, die die österreichweiten
pandemiebedingten Veränderungen in der Freiwilligenarbeit
aufzeigen. Gerne geben wir einen Einblick:
                                                                                      20 %
                                                                                    haben kurzfristig
                                                                                   Tätigkeit eingestellt

  Engagement hat sich
 in den privaten Bereich
                                                                                            8%
                                                                                        haben eine neue
 der Nachbarschaftshilfe                                                               Tätigkeit begonnen
       verschoben.

                                                    3.
                                                    Auch in der Pandemie waren
                                                    die verlässslichsten Frei-
                                                    willigen solche, die sich                4.
                                                    überdurchschnittlich viel                Was Freiwillige
                                                    und gleichzeitig in mehreren             leisten können,
                                                    Vereinen engagieren.                     kann von Haupt-
                                                                                             amtlichen nicht
    2.                                                                                       kompensiert
    Die Krise hat auch positive                                                              werden.
    Veränderungen gebracht
    (neue, junge Freiwillige,
    Digitalisierung).

                    1.
                    Auswirkungen sind bei den befragten
                                                              Die Pandemie hat
                    Organisationen vorhanden, aber nicht
                    existenziell bedrohend.                   deutlich gezeigt ...
Änderungen durch Corona im Vereinswesen                                                                    24
ren starke V
                                                                                                  spü             er
                                                                                          ine                            ä

                                                                                     re

                                                                                                                         nd
                                                                                   Ve

                                                                                                                             eru
                                                                               Der

                                                                                                                                ng durch Coro
                                                                                                      90 %

                                                                                   it
                                                                               rbe
                        agieren sic

                                                                                      A
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                                                                                                                                             na
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                                                                                   hr
                                    h
                                                                                                                        :w
                                                                                                       me        eni
                                                                                          er Kontakte,              g
          %

                                                ein
       45

                      20 h pro

                                                   m al
                                                                                                      ruhend ges
                                                                                              ä   ten           tel
                                                                                          v it                     l

                                                                                                                         to
                                                                                     ti
                                                                                   Ak
                       Monat

                                                    pro W

                                                                                                                           der
                                                                               hat

                                                                                                                               zu
                                                                                                           1/3

                                                                                                                             rückgefah
                       engagiert sich ein*e

                                                         o

                                                                                                                                      ren
                     Freiwillige*r im Schnitt   e         ch

                                                                                                      n konnten digit
                                                                                           e   i te                     al
                                                                                        gk

                                                                                                                         du
                                                                                      i
                                                                                   Tät

                                                                                                                               rch
                                                                               der

                                                                                                                                   geführt werden
                                                                                                      40 %
                                                                                                       1/3
                                                                5.320
                                                      5.154     + 3,2 %
                                                      + 4,6 %
                                        4.929
                                                                2021
                                                     2020
                                       2019

                                                                                               ie      :
                                                                                           tud
                                                                                      rS
                                                                                   zu
                                                                              ts
                                                                            eh g
                                                                          Hier

5.
Man beendet eher die Mit-
arbeit in einem Projekt als die
direkte Arbeit für Menschen
und investiert mehr Zeit in                Anzahl der Vereine in
die Betreuung von Menschen                 Vorarlberg im Wandel
als in andere Arbeiten.

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Der Ideenkanal:
Vom Wettbewerb zum
grenzübergreifenden
Problemlösungsprozess

Der Ideenkanal          26
Die Zukunft gehört den Mutigen. Was vor zwölf Jahren ursprüng-
     lich als Wettbewerb zur Förderung junger Sozialunternehmer:in-
     nen in Liechtenstein begann, ist heute die führende Kollabora-
     tionsplattform zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen
     im Alpenrheintal. Die beiden Initiatoren, Stephan Schweiger und
     Christof Brockhoff, über Prozess und Haltung beim Ideenkanal.

     Gute Ideen scheitern an den Menschen,       werden Komplimente oder Verbesserungsvorschläge zuge-
     aber auch an den starren Rahmenbe-          tragen. Man findet zukünftige Weggefährten und schließt
     dingungen. Genau da setzt der Ideenka-      spannende Kontakte. Mut und Motivation braucht es dann
     nal an, indem er engagierten Bürger:in-     auch für die Onlineabstimmung. Hier geht es darum, online
     nen das nötige Fachwissen, Netzwerk         möglichst viele Befürworter für sein Vorhaben zu finden,
     und Kapital bietet, um neue Ideen zur       aber auch Akzeptanz in der Bevölkerung zu erlangen und so
     Lösung gesellschaftlicher Herausforde-      unter die meistgestimmten Ideen gewählt zu werden. Diese
     rungen zu entwickeln, zu testen und zu      Ideenteams erhalten dann die Möglichkeit, am Pitch-Abend
     verbreiten. Im Mittelpunkt des Ideen-       teilzunehmen, dem emotionalen Höhepunkt des Ideenkanals.
     kanals stehen Initiator:innen, Teams
     oder Einzelpersonen, die innovative
     Lösungsansätze für ein bestimmtes Pro-      Pitchen – und dann?
     blem entwickeln. Zusammen mit ehren-
     amtlichen Expert:innen, sogenannten         Am Pitch-Abend dürfen die auserwählten Ideenteams dann
     Kompliz:innen, sowie Partner:innen          ihre Vorhaben in einer Minute den Kompliz:innen vortra-
     aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesell-    gen. Diese wählen dann aus, mit welchen Projektideen sie in
     schaft, lernen sie im Tun, testen und       der kommenden Zeit intensiver zusammenarbeiten wollen.
     verbessern ihre Lösungsansätze. Der         Im Rahmen des dynamischen Online-Formats „Komplizen-
     Ideenkanal hilft dabei, ein Unterstüt-      camp“ lernen sich die Initiator:innen und Kompliz:innen
     zer:innen-Netzwerk aufzubauen und           gegenseitig kennen, mit dem Ziel, dass kleine bedarfsorien-
     Projekte mithilfe der „Crowd“ selbst zu     tierte Teams und Arbeitsgruppen entstehen, welche dann
     finanzieren. Schnell wird klar: Hier ist    in selbstorganisierten Folgetreffen an der Realisierung der
     der Weg das Ziel.                           Projekte arbeiten – beispielsweise um Projektpläne zu ent-
                                                 wickeln, Prototypen zu bauen, Organisationen zu gründen
                                                 oder die Crowdfunding-Kampagnen zu planen. Denn das
     In vielen kleinen Schritten                 Crowdfunding, zu Deutsch Schwarmfinanzierung, ist der
     zum Mutausbruch                             letzte Schritt auf dem Weg zur Realisierung des Vorhabens.
                                                 Mit Unterstützung der Bevölkerung kann so das Projekt fi-
     Jedes Abenteuer beginnt mit dem ers-        nanziert und ein Markttest durchgeführt werden. So stehen
     ten Schritt. Und genau dieser ist es, der   am Ende des Ideenkanals Projektideen, die sich selbst ein
     am meisten Mut verlangt. Einfach los-       Netzwerk, Startkapital und so auch ein stabiles Fundament
     legen. Aus diesem Grund ist die Teil-       aufgebaut haben. „Es sind nicht immer die besten Ideen,
     nahme am Ideenkanal-Prozess für zu-         die beim Ideenkanal gefördert werden, aber ganz sicherlich
     künftige Initiator:innen auch möglichst     die mit den motiviertesten Menschen dahinter“, sagt Chris-
     einfach: „Formuliere deine Projektidee      tof Brockhoff. „Und diese werden von der Bevölkerung und
     in 500 Zeichen“ - und schon ist sie         mutigen Partnerorganisationen unterstützt und getragen.“
     auf der Website für jeden Interessier-                 Und damit diese Komplizenschaft auch zukünf-
     ten ersichtlich. Ab dem Zeitpunkt der       tig im Austausch bleibt und das Wissen der interessierten
     Veröffentlichung beginnen die unter-        Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, bietet die
     schiedlichsten Prozesse. Man kommt          Ideenkanal-Stiftung ganzjährig diverse Webinare, Schulun-
     ins Tun, wird von anderen Menschen          gen und Meetups an.
     angeschrieben oder angesprochen, es

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