HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...

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HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
HOTSPOT

           Vorzeigeprojekte
  Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog
Informationen des Forum Biodiversität Schweiz
                                       22 | 2010
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Autoren und Autorinnen
                                                              Geobotanik an der ETH Zürich ab. Das Kultur-                          arbeitet seither 50% im nationalen Amphibien-
                                                              landschaftsprojekt Domleschg betreut sie seit                         schutz bei der karch und 50% als Wis­         sen­
                                                              1997. Sie hat ein eigenes Ökobüro und leitet                          schaft­ler am Institut für Evolutionsbiologie und
                                                              zahlreiche Vernetzungsprojekte in Graubünden                          Umweltwissenschaften an der Universität Zü-
                                                              und im Tessin. Karl Ziegler ist Revierförster der                     rich. So verbindet er Theorie und Praxis des Na-
Roman Graf ist ausgebildeter Sekundarlehrer.                  Gemeinden im Ausserdomleschg (GR) und be-                             turschutzes. Silvia Zumbach hat ihr Biologie-
Er arbeitet seit 1987 an der Schweizerischen                  treut dort seit 1989 rund 1700 Hektaren öf-                           studium an der Universität Bern mit Schwer-
Vogelwarte Sempach und ist dort für zahlreiche                fentlichen und privaten Wald. In seinem Revier                        punkt Verhaltensbiologie abgeschlossen und
Aufwertungsprojekte im Kulturland verant-                     wurden verschiedene Auflichtungsprojekte zu-                          arbeitet seit 25 Jahren hauptberuflich im natio-
wortlich, unter anderem für das vorgestellte                  gunsten der Artenvielfalt und zur Erhaltung                           nalen Amphibien- und Reptilienschutz. Sie ist
Beispiel Wauwiler Ebene. Simon Birrer schloss                 wertvoller Trockenstandorte realisiert. Er enga-                      Leiterin der karch. > Seite 16
1987 sein Biologiestudium an der Universität                  giert sich für den «Bündner Kantonalen Patent-
Basel mit einer Diplomarbeit ab. Seither arbei-               jäger-Verband» als Jungjägerausbildner im                                           Christian Bohren absolvierte
tet er an der Schweizerischen Vogelwarte Sem-                 Fach «Wild und Umwelt».        > Seite 10                                           nach der Landwirtschaftslehre
pach, wo er seit 2000 den Bereich «Grundla-                                                                                                       1982 die Fachrichtung Pflanzen-
gen für die Praxis» leitet. Er beschäftigt sich vor                        Heinrich Schiess ist Landwirt                                          bau des damaligen Schweizeri-
allem mit angewandten Projekten im Bereich                                 und Zoologe. Seine Tätigkeiten                                         schen Landwirtschaftlichen Tech-
Landwirtschaft und Wald. PD Dr. Lukas Jenni                                kreisen um Landschaft und Biodi-                         nikums in Zollikofen. Nach einem dreijährigen
promovierte 1984 an der Universität Basel und                              versität, wobei sich die Schwer-                         Aufenthalt in Westafrika als Berater an einer
habilitierte 1997 in Zoologie an der Universität                           punkte im Lauf der Jahre von Frei-                       landwirtschaftlichen Schule begann er seine
Zürich. Seit 1979 ist er an der Schweizerischen               zeit und Ehrenamt über Wissenschaft und For-                          Arbeit als Herbologe in Zürich-Reckenholz. Seit
Vogelwarte Sempach tätig. Seit 2000 ist er                    schung zu Auftragsarbeit und Erwerb verscho-                          gut sieben Jahren ist er als Herbologe in
Wissenschaftlicher Leiter und seit 2008 zudem                 ben haben. Heute bilden – neben dem eigenen                           Changins bei Nyon tätig. Hier entwickelt er u.a.
Vorsitzender der Institutsleitung. > Seite 6                  Landwirtschaftsbetrieb – Aufwertungsprojekte,                         Bekämpfungsstrategien gegen Neophyten und
                                                              Artenförderung und Wirkungskontrollen die                             andere Problempflanzen. Er leitet eine interna-
             Der Botaniker Bertrand von Arx                   hauptsächlichen Aktivitäten. Im Landschafts-                          tionale Arbeitsgruppe der EWRS (European
             ist seit 2003 Chef des «Service de               konzept Neckertal wirkt Heinrich Schiess als                          Weed Research Society) über invasive Pflanzen.
             la conservation de la nature et du               Projektbearbeiter und Koordinator. > Seite 12                         > Seite 18
             paysage» des Kantons Genf. Zu-
             dem präsidiert er die Konferenz                                                                                                      PD Dr. Matthias Diemer wurde
der Beauftragten für Natur- und Landschafts-                                                                                                      1990 an der Universität Innsbruck
schutz (KBNL). Vor seinem Stellenantritt in Genf                                                                                                  promoviert und habilitierte sich
war er zehn Jahre in Kanada tätig – zuerst als                                                                                                    2000 in Umweltwissenschaften
Landwirt, später im Umweltministerium. 1988                                                                                                       an der Universität Zürich. Seit
bis 1995 war Bertrand von Arx Präsident der                                                                                         2003 ist er Abteilungsleiter im Programmde-
Genfer Sektion des Schweizerischen Bundes für                 Adrian Borgula arbeitet seit dem Abschluss                            partement des WWF Schweiz, wo er zuerst für
Naturschutz (SBN), heute Pro Natura. > Seite 8                des Biologiestudiums an der Universität Bern                          den Bereich Wald und seit 2008 für Internatio-
                                                              im eigenen Büro für Naturschutzbiologie und                           nale Projekte verantwortlich ist. Zwischen 2004
                               Franziska    Andres            für die karch. Er ist im Auftrag des BAFU seit                        und 2008 vertrat er den WWF International
                               schloss 1987 das Stu-          1990 Leiter des Projekts IANB (Inventar der Am-                       beim Aufbau der Multi-Stakeholderprozesse zu
                               dium der Biologie mit          phibienlaichgebiete von nationaler Bedeu-                             Palmöl (RSPO) und Soja (RTRS). Im selben Zeit-
                               Vertiefung in Rich-            tung). Dr. Benedikt Schmidt schloss 2003 sei-                         raum war er Vorstandsmitglied des RSPO.
                               tung Ökologie und              ne Dissertation an der Universität Zürich ab. Er                      > Seite 20

IMPRESSUM Das Forum Biodiversität Schweiz fördert             Schopfheim im Wie­­sental. Papier: RecyMago 115 g/
den Wis­sens­­austausch zwischen Biodiversitätsforschung,     m2, 100% Re­­cycling. Auflage: 3600 Exempl. deutsch,
Verwaltung, Praxis, Politik und Gesellschaft. HOT­    SPOT    1200 Exempl. französisch. Kontakt: Fo­rum Biodiversität
ist eines der Instrumente für diesen Austausch. HOT­­         Schweiz, Schwarz­tor­str. 9, CH–3007 Bern, Tel. +41 (0)31
SPOT er­  scheint zweimal jährlich in Deutsch und Fran­       312 02 75, bio­di­ver­si­ty@scnat.ch, www.­biodiversity.ch.
zösisch; PDFs stehen zur Verfügung auf www.biodiversity.      Geschäftslei­terin: Dr. Daniela Pauli. Produk­tions­­kos­
ch. HOTSPOT 23|2011 erscheint im April 2011 und ist           ten: 15 CHF/Heft.
dem Thema «Biodiversität und Wirtschaft» gewidmet.            Um das Wissen über Biodiver­sität allen Interes­­­sierten zu-
Heraus­ge­ber: © Forum Bio­­­diversität Schweiz, Bern, Ok-    gänglich zu machen, möchten wir den HOT­SPOT wei­terhin
tober 2010. Re­dak­tion: Dr. Gregor Klaus (gk), Dr. Daniela   gratis abgeben. Wir freuen uns über Un­ter­­­stüt­­zungs­­            Titelseite: (von oben) Kiebitzschwarm (Foto Mathias Schäf); Schot-
Pauli (dp), Pascale Larcher (pl). Übersetzung ins Deut­       bei­träge. HOTSPOT-Spen­­den­konto: PC 30-204040-6.                   tische Hochlandrinder im Neeracherried; Pflegearbeiten im Flach-
sche: Hans­jakob Baumgartner, Bern. Ge­­stal­tung / Satz:     Manu­­­skrip­te un­ter­lie­gen der redak­tio­nellen Be­ar­bei­tung.   moor (beide Fotos Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz);
Es­­ther Schreier, Basel. Fotos: Die Bildautorennachweise     Die Beiträge der Auto­­rin­nen und Au­to­ren müssen nicht             Gewässerrenaturierung GE (Foto Service de la conservation de la
sind den Fotos beigestellt. Druck: Print Media Works,         mit der Mei­­nung der Redak­­tion übereinstimmen.                     nature et du paysage, Kanton Genf).

2                                                                                                                                                                            HOTSPOT 22 | 2010
HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
Editorial                                      Vorzeigeprojekte
           Dr. Robert Meier
           robert.meier@kbnl.ch                04        Vorzeigeprojekte und ihre Erfolgsfaktoren
                                                         In der Schweiz gibt es zahlreiche Vorzeigeprojekte, die auf lokaler Ebene bemüht sind,
                                               den Rückgang der Biodiversität zu stoppen. Aus den Projekten, die hier vorgestellt werden, lassen
                                               sich Erfolgsfaktoren identifizieren.

Wenn man mit dem Ausland vergleicht,
kommt es einem vor, als wenn in der
                                               06      Wenn der Mais der Kreuzkröte weicht
                                                       Ein Aufwertungsprojekt in der Wauwiler Ebene lässt die Agrarlandschaft erblühen.
                                               Der Aufbau und die Pflege eines Netzwerks aus allen Akteuren ist der wichtigste Erfolgsfaktor.
Schweiz der Naturschutz und die Förde-
rung der Biodiversität ein stiefmütterli-
ches Dasein pflegen. Grossflächige Schutz-
gebiete fehlen. Eine Ausnahme gibt es:
                                               08      Mehr Raum – mehr Qualität
                                                       Der Kanton Genf verfolgt eine ambitionierte Politik zur Förderung der Biodiversität.
                                               Bisher wurden über 15 Kilometer Gewässerläufe sowie 25 Hektaren Feuchtgebiete renaturiert.
Die Schaffung des Schweizerischen Natio-
nalparks war und ist ein Leuchtturmpro-
jekt – aber das war die Pioniertat unserer
Urgrosseltern. Hat es seither keine akti-
                                               10      Aufgewertete Kulturlandschaft im Alpenraum
                                                       Das Kulturlandschaftsprojekt Domleschg war eines der ersten Vernetzungsprojekte,
                                               welche beim Bund eingereicht wurden. Kernstück sind freiwillige, gesamtbetriebliche Verträge.
ven Naturschutzgenerationen mehr gege-
ben? Diese Sichtweise ist zu negativ. Die
Schweiz «tickt» nicht nur im politischen
Vergleich anders als die umliegenden
                                               12      Regionales Landschaftskonzept Neckertal
                                                       Drei Gemeinden setzen ihre Lebensgrundlage in Wert. Einer der Schwerpunkte liegt auf
                                               der Wiederherstellung artenreicher Wälder und Waldränder.
Länder, sondern auch in der Naturschutz-
politik. Diese kann im benachbarten Aus-
land nicht selten viel grossräumiger um-
gesetzt und teilweise zentralistischer or-
                                               14       Neue Amphibienweiher der Spitzenklasse
                                                        Den Amphibien fehlen in der entwässerten Schweizer Landschaft vor allem temporäre
                                               Gewässer. Mit dem Projekt «1001 Weiher» soll die Dichte solcher Klein- und Kleinstgewässer
ganisiert werden als in der Schweiz. Mit       deutlich erhöht werden.
der Delegation des Natur- und Heimat-
schutzes von der Bundes- auf die Kantons­
ebene ist eine Situation gegeben, welche
die durchaus erwünschten grossen Würfe
                                               16        Interview mit Werner Müller, Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz
                                                         «Auch wenn die Gesellschaft von Projekten zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität
                                               profitiert, bestimmen letztlich einige wenige, was gemacht werden kann und was nicht.»
selten möglich macht. So unterscheidet
sich das Naturschutzziel des Kantons So-
lothurn nicht grundsätzlich von demjeni-
gen des Aargaus, aber die Umsetzungs-
                                               18      Ambrosia artemisiifolia erfolgreich eingedämmt
                                                       Die invasive Pflanzenart Ambrosia ist ein Gesundheitsrisiko für den Menschen. Dank einer
                                               landesweiten Informations- und Aktionskampagne gelang es, die Verbreitung und Individuendich-
strategien sind verschieden. Jeder Kanton      te von Ambrosia in der Schweiz deutlich zu reduzieren.
wählt den Weg, welcher in der jeweiligen
Bevölkerung und Politik die höchste Ak-
zeptanz erreicht und historisch gewach-
sen ist. Die schweizerische Naturschutz-
                                               20      Mit Monokulturen die Biodiversität erhalten?
                                                       Der WWF ist Mitbegründer des «Roundtable on Sustainable Palm Oil». Ziel ist es, die
                                               Ausbreitung von Palmölplantagen in ökologisch verträgliche Bahnen zu lenken.
politik ist ein Fleckenteppich diverser
Strategien und Umsetzungsintensitäten.
Mit der Biodiversitätsstrategie des Bundes
kann diesem Fleckenteppich der Saum
gegeben werden, welcher hilft, den Blick       Rubriken
aufs Ganze zu gewinnen. Wenn das ge-
lingt, bin ich überzeugt, dass wir ein gros­   22 Forum Biodiversität Schweiz
ses, weitläufiges Leuchtturmprojekt ha-        Privatwirtschaft in die Verantwortung nehmen
ben, in welchem all die Projekte, die heu-
te eher unscheinbar scheinen, Teil davon       23 Bundesamt für Umwelt BAFU
sind.                                          Nagoya muss uns einen grossen Schritt weiterbringen

                                               24 Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Kulturpflanzen SKEK
                                               Nationale Datenbank NDB-PGREL

                                               26 Biodiversitäts-Monitoring Schweiz BDM
Ex-officio Vertreter der KBNL                  Ausstrahlung über die Grenzen hinweg
im Forum Biodiversität Schweiz
                                               28 Die Karte zur Biodiversität
                                               Die Südliche Mosaikjungfer und der Klimawandel
HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
Leitartikel
Vorzeigeprojekte und ihre Erfolgsfaktoren
Von Gregor Klaus, Redaktor

Es gibt in der Schweiz praktisch keine        regionaler Ebene erhalten und fördern          ermöglicht es auch, Ressourcen zu mobili-
echten Leuchtturmprojekte, dafür aber         und von denen eine Signalwirkung aus-          sieren, über die der klassische Natur-
zahlreiche Vorzeigeprojekte, die auf loka­    geht. Um es vorwegzunehmen: Eigentli-          schutz nicht verfügt.
ler Ebene bemüht sind, den Rückgang           che Leuchtturmprojekte haben wir nicht
der Biodiversität zu stoppen. Aus den         gefunden, dafür aber zahlreiche Vorzeige-      Faktor 3
Projekten, die hier vorgestellt werden,       projekte, die auf lokaler Ebene den Rück-      Starke Projektleitung
lassen sich Erfolgsfaktoren identifizieren.   gang der Biodiversität stoppen. Wir haben      Unterschiedliche Sichtweisen, Interessen-
                                              aus einigen Problemfeldern mehr oder we-       und Werthaltungen lassen sich nicht be-
Reden wir Klartext: Die Biodiversität in      niger zufällig einzelne Projekte herausge-     liebig einander annähern. Die Projektlei-
der Schweiz ist in keinem guten Zustand.      griffen. Aus den Beiträgen lassen sich fünf    tung steht oft Vertreterinnen und Vertre-
Ein Naturschutzbeamter aus Bayern             Erfolgsfaktoren identifizieren, die auch       tern ganz unterschiedlicher Nutzungsan-
drückte das kürzlich so aus: «Für vieles,     für zukünftige Leuchtturmprojekte gelten       sprüche gegenüber. Verhandlungsge-
was bei euch in der Schweiz als Biotop von    dürften.                                       schick und Konfliktmanagement erlauben
nationaler Bedeutung ausgeschieden ist,                                                      es, zu konsensualen Lösungen zu gelan-
steige ich hier in Bayern nicht mal aus       Faktor 1                                       gen. Konflikte werden ausgetragen und ei-
dem Auto.» Wie gross die Mängel bei der       Sektorenübergreifender Ansatz                  ner Lösung zugeführt. Dies benötigt eine
Erhaltung und Förderung der Biodiversi-       Die Erhaltung und Förderung der biologi-       starke Projektleitung, die nicht nur über
tät in der Schweiz sind, hat die im April     schen Vielfalt tangiert alle gesellschaftli-   ökologische, sondern auch über soziale
2010 publizierte Studie des Forum Biodi-      chen und wirtschaftlichen Bereiche und         Kompetenzen verfügt. Der Einsatz von
versität Schweiz aufgedeckt. Vor allem im     hängt damit von der biodiversitätsverträg-     klassischen Instrumenten des Projektma-
Mittelland ist die Schweiz keine blühende     lichen Nutzung der natürlichen Ressour-        nagements ist dabei unerlässlich für Effi-
Landschaft mehr. Wichtige Ökosystem-          cen durch alle Sektoren ab. Echte Erfolge      zienz und Effektivität.
leistungen wie die Erholungsfunktion          können nur dann erzielt werden, wenn al-
sind hier kaum noch gewährleistet. Ob-        le zusammenspannen. Jeder einzelne Sek-        Faktor 4
wohl im Mittelland 60% der Schweizer Be-      tor muss dabei seine Verantwortung wahr-       Genügend finanzielle Mittel
völkerung leben, gefällt laut einer reprä-    nehmen. Ein sektorenübergreifender An-         Sind die ersten drei Punkte erfüllt, sollte
sentativen Meinungsumfrage des LINK In-       satz gewährleistet zudem, dass ökologi-        es eigentlich möglich sein, genügend fi-
stituts aus dem Jahr 2010 nur gerade je-      sche, ökonomische und soziale Aspekte          nanzielle Mittel aufzutreiben. Ansonsten
dem 10. Schweizer dieser Teil der Schweiz     gleichermassen berücksichtigt werden           wird jedes noch so gut gemeinte Projekt
am besten.                                    und die Akzeptanz der Massnahmen hoch          scheitern.
Im letzten HOTSPOT haben wir Visionen         ist.                                           Angesichts der schlechten Situation der
vorgestellt, was getan werden müsste, um                                                     Biodiversität in der Schweiz sind Bund
die Biodiversität in der Schweiz umfas-       Faktor 2                                       und Kantone angehalten, neue und inno-
send zu erhalten und zu fördern. Kluges       Einbezug der Bevölkerung                       vative Finanzierungsinstrumente zu ent-
Schreiben und Reden ist zwar gut, doch        Die Massnahmen zur Erhaltung und För-          wickeln und mehr Gelder zur Verfügung
dann braucht es richtiges Handeln vor         derung der Biodiversität müssen letztend-      zu stellen. Die Erhaltung unserer Lebens-
Ort. Gefragt ist eine Vielzahl von grossen    lich durch die Menschen vor Ort getragen       grundlagen müsste es uns wert sein. Da
und kleinen Projekten, die eintönige Kul-     oder sogar umgesetzt werden. Damit es          die Förderung der Biodiversität auch eine
turwälder, monotone Agrarlandschaften,        «ihre» Konzepte und Massnahmen sind,           Inwertsetzung der Ökosystemleistungen
langweilige Siedlungen und eingedolte Bä-     müssen sie frühzeitig einbezogen werden.       bedeutet, kann langfristig mit deutlich po-
che wieder zu Lebensräumen machen. Für        Eine sorgfältige Kommunikation des Vor-        sitiven Auswirkungen auf Wirtschaft und
die Umsetzung der zukünftigen Biodiver-       habens von Anfang an kann entscheidend         Gesellschaft gerechnet werden.
sitätsstrategie werden solche Projekte von    sein für das Gelingen eines Projekts.
zentraler Bedeutung sein.                     Der Bevölkerung muss bewusst werden,           Faktor 5
                                              dass die Biodiversität unsere Lebensgrund-     Wissenschaftliche Begleitung
Fünf Erfolgsfaktoren                          lage ist; Massnahmen zu ihrer Erhaltung        Für die Entscheidung, welche Biodiversi-
In diesem HOTSPOT wollten wir eigentlich      und Förderung konkurrieren vor allem           tät wie geschützt werden soll, sind Er-
Leuchtturmprojekte vorstellen, die den in     langfristig nicht mit anderen gesellschaft-    kenntnisse der Wissenschaft unentbehr-
der letzten Ausgabe präsentierten Visio-      lichen und wirtschaftlichen Belangen,          lich. Das Wissen darf sich dabei nicht nur
nen nahekommen – grosszügige, vorbild-        sondern dienen in der Regel auch dem           auf Schutzgebiete beschränken, sondern
liche und sektorenübergreifende Projekte      Schutz von uns Menschen und der Erhö-          muss auch die Nutzgebiete einbeziehen
also, die die Biodiversität zumindest auf     hung der Lebensqualität. Diese Einsicht        und die natürliche und kulturelle Dyna-

4                                                                                                                      HOTSPOT 22 | 2010
HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
Nationalstrassenbau oder Naturschutzmassnahme? Ein wichtiger Erfolgsfaktor für Naturschutzprojekte ist die sorgfältige Information der Einbezug der Bevölkerung.
           Foto Service de la conservation de la nature et du paysage, Kanton Genf

mik beachten. Bei der Umsetzung einer                      Zu lokal, zu selten                                        Gewässer» zur Volksinitiative «Lebendiges
flächendeckenden biodiversitätsverträgli-                  Schon kleinere Veränderungen würden                        Wasser» (Renaturierungsinitiative). Damit
chen Nutzung werden auch die Konflikte                     aus so manchem Vorzeigeprojekt ein                         werden die Kantone per Gesetz verpflich-
zwischen statischen und dynamischen An-                    Leuchtturmprojekt machen. Oft fehlt es                     tet, ausreichenden Gewässerraum auszu-
sätzen zurückgehen. Die derzeit vielfach                   aber an Mut und genügend Fläche, auf der                   scheiden und Revitalisierungen zu för-
scharfen Grenzen zwischen Schutz- und                      die Biodiversität Vorrang hat. Ein Blick                   dern. Konkret fordert der Bund von den
Nutzungsgebieten lassen sich so entschär-                  über die Landesgrenzen eröffnet andere                     Kantonen, in den nächsten 80 Jahren rund
fen und die vermeintliche «Flächenkon-                     Dimensionen. In Mecklenburg-Vorpom-                        4000 Kilometer Gewässer prioritär zu revi-
kurrenz» nimmt ab.                                         mern etwa wurden im Rahmen des Moor-                       talisieren – viel Raum also für Leucht-
Auch für den Konsens über Schutz und                       schutzprogramms 30 Quadratkilometer                        turmprojekte.
Nutzung der Biodiversität ist es wichtig,                  ehemalige Moorfläche wiedervernässt. Es                    Ein Blick auf die von den Projekten neu ge-
dass sämtliche Massnahmen wissenschaft-                    entstanden nicht nur wertvolle Lebens-                     schaffenen oder in Wert gesetzten Ökosys-
lich begründet sind und von daher ihre Le-                 räume; eine wichtige Kohlenstoffsenke                      temleistungen lohnt sich. Die Ökosysteme
gitimation beziehen. Ein fachlicher Beirat                 wurde reaktiviert. Die Kosten für die Mass-                sind ein wichtiges Kapital, das Güter pro-
erhöht die Akzeptanz. Eine Erfolgskont-                    nahmen von 0 bis 12 Euro pro Tonne CO2-                    duziert und Dienstleistungen erbringt.
rolle ist unerlässlich.                                    Äquivalenten lagen bei den Massnahmen                      Die Liste ist lang: Hochwasserschutz, Koh-
Von besonderer Bedeutung sind Angaben                      deutlich unter den sonst üblichen Kosten                   lenstoffspeicher, Erholung und Touris-
zur möglichen Inwertsetzung von Ökosys-                    zur Klimagasminderung.                                     mus, Trinkwasser, gesunde Nahrungsmit-
temleistungen und die Entwicklung von                      In den letzten Jahren ist aber auch in der                 tel, Schutz vor Erosion und Steinschlag,
ökonomischen Instrumenten. Diese er­                       Schweiz einiges in Bewegung geraten.                       Entgiftung von Schadstoffen etc. Letztend-
mög­­­­­­­lichen es, die Ziele des Bio­diver­si­täts­      Grosse Hoffnungen werden in die nationa-                   lich entstehen in den Projektgebieten at-
schutzes in wirtschaftliche Abläufe zu in-                 le Biodiversitätsstrategie gesetzt, die zur-               traktive und intakte Landschaften, in de-
tegrieren. Damit sind sie flexibel und er-                 zeit erarbeitet wird. Eine grüne Revoluti-                 nen die Menschen gerne leben und mit
zielen zugleich Breitenwirkung.                            on verspricht der parlamentarische Ge-                     denen sie sich identifizieren können.
                                                           genvorschlag «Schutz und Nutzung der

HOTSPOT 22 | 2010       Brennpunkt      Vorzeigeprojekte                                                                                                                      5
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Natur- und Kulturlandschaft im Mittelland
       Wenn der Mais der Kreuzkröte weicht
        Roman Graf, Simon Birrer und Lukas Jenni, Schweizerische Vogelwarte, CH-6204 Sempach, roman.graf@vogelwarte.ch

        Die Wauwiler Ebene hat sich dank eines                       anderem grosse Bestände der stark be-                     endete 2008. Bis dahin hatten die artenrei-
        Aufwertungsprojekts vom intensiv ge­                         drohten Kreuzkröte und die grösste Brut-                  chen Wiesen von 2,5 auf 33,6 Hektaren zu-
        nutzten Ackerland zur vielfältigen Land­                     population des Kiebitzes in der Schweiz.                  genommen, die Zahl der Kleingewässer
        schaft gewandelt. Das wichtigste Erfolgs­                    Bereits damals war klar, dass das Gebiet                  stieg von 6 auf 28 (siehe Grafik) und die
        rezept ist der Aufbau und die Pflege ei­                     ein sehr hohes Potenzial für die Biodiversi-              Zahl der Hecken erhöhte sich von 55 auf
        nes Netzwerks, in welchem alle Akteure                       tät aufweist.                                             95. Zu einem besonderen «Bijou» entwi-
        eingebunden sind.                                                                                                      ckelte sich eine 6 Hektaren grosse zusam-
                                                                     Umfangreiche Aufwertungen                                 menhängende Parzelle, die zuvor während
        In der Wauwiler Ebene (Kanton Luzern)                        1995 initiierten die Schweizerische Vogel-                Jahren als Mais­acker genutzt worden war.
        dehnte sich im 19. Jahrhundert eine wei-                     warte Sempach und der Luzerner Natur-                     Diese Parzelle wurde 1997 mit mehreren
        te, von einzelnen Moränenzügen unter-                        und Vogelschutzverband ein Aufwertungs-                   Tümpeln und Gebüschgruppen ausgestat-
        brochene Moorlandschaft aus, welche                          projekt mit dem Ziel, den Anteil an ökolo-                tet und frisch eingesät. Zur Anwendung
        auch mehrere Kleinseen enthielt – darun-                     gischen Ausgleichsflächen von damals nur                  kam eine relativ billige Mischung für Ex-
        ter den Wauwiler See, der ursprünglich                       3,2% deutlich zu erhöhen. Ein wichtiger                   tensivwiesen; etwa alle zehn Meter legte
        etwa 500 Hektaren gross war. Um 1850                         Teil dieses ersten Projekts war nebst der                 der neue Pächter allerdings einen Streifen
        legte der Kanton den See mittels Tieferle-                   Lebensraumaufwertung auch die Informa-                    mit einer artenreichen Wiesenblumenmi-
        gung des Flüsschens Ron trocken. An-                         tion der Bevölkerung. Jäger, Landwirte, Be-               schung an. Seither bewirtschaftet der äus­
        schliessend baute man die bis zu sieben                      hörden, Naturschützer und weitere inter-                  serst motivierte Landwirt die aufgewertete
        Meter mächtigen Torfschichten ab und                         essierte Personen aus der Region erhielten                Fläche nach naturschutzfachlichen Krite-
        nutzte die organische Substanz zum Hei-                      an über 50 Veranstaltungen Informatio-                    rien (u.a. Staffelmahd, partielle Aufrau-
        zen. Nach dem 2. Weltkrieg setzte die                        nen über Ziele und Massnahmen. Der                        ung des Bodens, fachlich korrekte Hecken-
        landwirtschaftliche Melioration ein.                         Fonds Landschaft Schweiz und die Vogel-                   und Tümpelpflege). Zur Brutzeit hielten
        Die Wauwiler Ebene wandelte sich all-                        warte finanzierten das Vorhaben.                          sich dort in den letzten Jahren mehrere
        mählich von der Moorlandschaft zur in-                       2002 gründeten alle Anstössergemeinden,                   Qualität anzeigende Brutvogelarten der
        tensiv genutzten Agrarlandschaft. Obwohl                     die örtlichen Naturschutzvereine und die                  Kulturlandschaft auf, darunter Wachtel,
        empfindliche Torfböden über Seekreide                        Jagdgesellschaften einen Verband mit dem                  Wachtelkönig, Schwarzkehlchen, Neuntö-
        vorherrschen, die für den Ackerbau wenig                     Ziel, dieses erste Aufwertungsprojekt in                  ter, Dorngrasmücke und Grauammer. Für
        geeignet sind, nahmen Äcker 1993 46%                         ein landwirtschaftliches Vernetzungspro-                  einige davon ist eine erfolgreiche Brut
        der Gesamtfläche ein. Naturnahe Lebens-                      jekt nach Öko-Qualitätsverordung (ÖQV)                    nachgewiesen, für die anderen liegt zu-
        räume fanden sich fast nur noch in den                       zu überführen und damit die Finanzie-                     mindest Brutverdacht vor.
        Naturschutzgebieten Hagimoos, Wauwi-                         rung der Ausgleichsmassnahmen zu insti-                   Auch die Naturschutzgebiete konnten
        lermoos und Mauensee. Flora und Fauna                        tutionalisieren. Der Verband betraute die                 stark aufgewertet werden – dies vor allem
        waren bereits stark verarmt. Nach wie vor                    Vogelwarte mit der Projektleitung. Die                    dank grosszügiger Unterstützung aus dem
        gab es aber bedeutende Naturwerte, unter                     erste Umsetzungsphase des ÖQV-Projekts                    kantonalen Naturschutzfonds. Im Natur-
                                                                                                                               schutzgebiet Wauwilermoos schuf der
                                                                                                                               Kanton im Winter 2009/2010 rund vier
       Lebensräume in der Wauwiler Ebene in den Jahren 1987 (grün) und 2008 (dunkelrot). Die Bilanz ist bei den massge-        Hektaren neue Flachwasserzonen, deren
       benden Lebensraumtypen positiv. Einzig die Hochstammobstbäume (in der Grafik nicht enthalten) haben um fast die         Wasserstand über den Betrieb des Meliora-
       Hälfte abgenommen. Quelle: Schweizerische Vogelwarte Sempach                                                            tionspumpwerks reguliert werden kann
                                                                                                                               (siehe Foto). Im Hagimoos liess der Kanton
       Wildkrautfluren/Brachen (n)                       1987
                                                                         2008                                                  zudem zwei grosse Teiche ausheben, und
     Wildkrautfluren/Brachen (ha)                                                                                              am Mauensee legten Landwirte und der lo-
                                                                                                                               kale Naturschutzverein mehrere Kleinge-
             Artenreiche Wiesen (n)
                                                                                                                               wässer an.
            Artenreiche Wiesen (ha)

                 Feuchtgebiete (ha)
                                                                                                                               Erfolgreiches Netzwerk
                                                                                                                               Die wichtigste Grundlage für diesen Erfolg
        Weiher, Tümpel, Teiche (n)                                                                                             ist ein Netzwerk, in welches alle Akteure
       Weiher, Tümpel, Teiche (ha)                                                                                             eingebunden sind, vor allem Exponenten
                                                                                                                               der Landwirtschaft, Verantwortliche in
Krautsaum an Fliessgewässern (ha)
                                                                                                                               den Gemeinden, örtliche Naturschutzver-
                                      0         10              20            30            40             50             60   eine, die Strafanstalt Wauwilermoos mit

        6                                                                                                                                                HOTSPOT 22 | 2010
HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
Böden bald einmal Manganmangel ein,
                                                                                                             welcher zu einem lückigen, blumenlosen,
                                                                                                             niedrigwüchsigen Bestand aus Wiesenris-
                                                                                                             pengras und Behaarter Segge führt. Zur-
                                                                                                             zeit bereitet der Trägerverband Versuche
                                                                                                             vor, um auf solchen Standorten Pfeifen-
                                                                                                             graswiesen zu etablieren.
                                                                                                             Die oben als vorbildlich geschilderte Kom-
                                                                                                             munikation ist ein schwieriges, mit Stol-
                                                                                                             persteinen gespicktes Feld. Leider wird hin
                                                                                                             und wieder in der Hitze des Gefechts ver-
                                                                                                             säumt, alle Partner adäquat einzubezie-
                                                                                                             hen. Leidtragende sind manchmal die Na-
                                                                                                             turschützer vor Ort, manchmal die Land-
                                                                                                             wirte, aber des öfteren auch die Projektlei-
                                                                                                             tung selbst.
                                                                                                             Erschwerend für die vollständige Errei-
                                                                                                             chung der Naturschutzziele ist die immer
                                                                                                             noch bestehende amtliche Trennung von
                                                                                                             Landwirtschaft und Naturschutz. Zwar ar-
                                                                                                             beiten die entsprechenden Amtsstellen im
                                                                                                             Kanton Luzern sehr gut zusammen und
                                                                                                             sind Anfang 2010 zu einer Abteilung fusio-
         Die neuen Pumpteiche im Naturschutzgebiet Wauwiler Moos werten das Gebiet für Amphibien, Wat- und   niert, aber die gesetzlichen Vorgaben ver-
         Wasservögel deutlich auf. Foto: Amtsstelle für Natur- und Landschaftsschutz, Kanton Luzern.         hindern so manche sinnvolle Massnahme.
                                                                                                             Beispielsweise werden Landwirte für das
                                                                                                             Anlegen von temporären Tümpeln noch
ihrem grossen Landwirtschaftsbetrieb, die               liefert durch ihre Forschungstätigkeit im            immer bestraft, indem man ihre landwirt-
kantonalen Jagd-, Landwirtschafts- und                  Gebiet auch immer wieder wissenschaftli-             schaftliche Nutzfläche reduziert.
Naturschutzbehörden sowie die Vogelwar-                 che Grundlagen, die direkt dem Natur-                Trotz dieser Schwierigkeiten konnten be-
te. Die auftretenden Probleme werden im                 schutz zugute kommen. So hat sie in                  deutende Erfolge realisiert werden, was
Netzwerk jeweils rasch angegangen. bis-                 mehrjährigen Versuchen die Ursachen für              sich auch in den Reaktionen der Ziel- und
her gelang es stets, konstruktive Lösungen              den vormals miserablen Bruterfolg der                Leitarten des Projekts manifestiert: Bis
zu finden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist              Kiebitze erforscht und daraus neuartige              2008 haben die Feldhasenbestände in der
auch die personelle Kontinuität. Seit nun-              Schutzmethoden entwickelt.                           Wauwiler Ebene um 34% zugenommen,
mehr 15 Jahren gab es kaum personelle                                                                        während sie in 16 über die Schweiz verteil-
Wechsel an den Schaltstellen. In dieser                 Aus Fehlern lernen                                   ten Vergleichsgebieten um 23% abgenom-
Zeit ist es gelungen, viel gegenseitiges Ver-           Natürlich gibt es bei solch grossen Projek-          men haben. Feldgrillen und Grosse Gold-
trauen aufzubauen.                                      ten auch Dinge, die weniger optimal lau-             schrecken konnten dank der neu geschaf-
Von Vorteil ist zudem, dass mit der Vogel-              fen. Zu Beginn der Umsetzungsarbeiten                fenen Saumstrukturen und Extensivwie-
warte eine starke Institution massgeblich               scheiterte manches Teilprojekt an man-               sen weite Teile der Ebene wieder besie-
im Projekt involviert ist. Ihr Engagement               gelnder Erfahrung. Buntbrachen entwi-                deln, und die Ringelnatter schaffte un-
half, finanzielle Engpässe zu mildern,                  ckelten sich kurz nach der Ansaat in reine           längst den Sprung in den vorher verwais-
wenn beispielsweise ein sinnvolles Projekt              Blacken-Bestände, neu angelegte Waldsäu-             ten östlichen Teil des Gebiets. Weil immer
nicht in den Rahmen der ÖQV passte und                  me in übermannshohe Brennesseldickich-               wieder neue Gewässer geschaffen werden
deshalb vom Staat nicht finanziert werden               te, und einzelne Kleingewässer hatten                konnten, stiegen die Bestände von Kreuz-
konnte. Auch unkonventionelle Ideen wie                 kaum je Wasser. Diese Probleme hat man               kröte und Kleiner Pechlibelle, welche auf
der Anbau von Rohrkolben als Agrarroh-                  inzwischen in den Griff bekommen. Als                Pioniergewässer angewiesen sind, und
stoff auf überschwemmtem Kulturland                     besondere Herausforderung erwies sich                selbst der Brutbestand des vom Ausster-
lassen sich mit einem allgemein aner-                   die Ansaat von Blumenwiesen auf den de-              ben bedrohten Kiebitzes hat sich verdop-
kannten Forschungsinstitut im Hinter-                   gradierten Seekreideböden. Bei ausblei-              pelt.
grund leichter lancieren. Die Vogelwarte                bender Düngung stellt sich auf solchen

HOTSPOT 22 | 2010    Brennpunkt      Vorzeigeprojekte                                                                                                  7
HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
Gewässerrenaturierung
Mehr Raum, mehr Qualität
Bertrand von Arx, Service de la conservation de la nature et du paysage, Kanton Genf, CH-1205 Genf, bertrand.vonarx@etat.ge.ch

Seit einigen Jahren verfolgt der Kanton        Daraufhin wurde nach Wegen und Mit-
Genf eine ambitionierte Politik zur Förde­     teln gesucht, um die Situation zu verbes-
rung der Biodiversität. Im Zentrum der         sern. Es sollten nicht nur bestehende Na-
Bemühungen stehen die Fliessgewässer           turwerte bewahrt werden; vielmehr woll-
und die Flachmoore. Bisher wurden über         te man auch neue Feuchtgebiete anlegen,
15 Kilometer Gewässerläufe sowie 25            um so die Bestände der auf diese Lebens-
Hektaren Feuchtgebiete renaturiert.            räume angewiesenen Tier- und Pflanzen-
                                               arten im Kanton zu stärken.
Rund 15 Prozent der Fläche des Kantons         Zunächst galt es, den Ist-Zustand der auf-
Genf sind Gewässer. Dazu gehören der           zuwertenden Flächen zu erheben. Die Pa-
Genfer Anteil am Lac Léman sowie 300 Ki-       lette der Massnahmen umfasst einerseits
lometer Bäche und Flüsse, die sich zum         punktuelle Eingriffe, mit denen natürli-
Teil in einem schlechten ökomorphologi-        che Dynamik, die in der verbauten Land-
schen Zustand befinden. Ende der 1990er-       schaft nicht mehr zum Zug kommt, reak-
Jahre lancierte der Kanton Genf zusam-         tiviert wird, und andererseits regelmässi-
men mit Partnern mehrere Programme             ge Unterhaltsarbeiten, welche die Ent-
zur Revitalisierung von Fliessgewässern        wicklung noch funktionierender Lebens-
sowie zur Aufwertung und Pflege der            räume zielgerecht lenken. Neophyten, die
Feuchtgebiete. Diese Lebensräume sollen        auf der schwarzen Liste der Schweizeri-
ihre ökologischen Funktionen wieder voll-      schen Kommission zur Erhaltung der
umfänglich erfüllen, besser in die Land-       Wildpflanzen (SKEW) stehen, werden prä-
schaft integriert und über ein Netz ver-       ventiv und aktiv bekämpft. Bestandteil
schiedener Gewässerökosysteme mitein-          der Unterhaltskonzepte ist zudem die Be-
ander verbunden werden. Damit wird             sucherlenkung. Beim Unterhalt der Natur-
auch der Schutz von Menschen und Sach-         reservate ist Pro Natura der wichtigste
werten vor Hochwasser deutlich erhöht.         Partner der kantonalen Behörden. Die Na-
Zudem will man der Bevölkerung neue Er-        turschutzorganisation ist seit 1928 aktiv
holungsgebiete verfügbar machen.               beim Schutz und der Pflege biologisch
Das Kantonsparlament hat für das Vorha-        vielfältiger Flächen.
ben bedeutende finanzielle Mittel bereit-      Der Kanton setzt Projekte nur mit Zustim-      wurde deutlich, dass für grössere Vorha-
gestellt. Über das Programm «Natur und         mung der Landeigentümer, der Bewirt-           ben nebst den rein technischen auch die
Landschaft» im Rahmen des Neuen Fi-            schafter (v.a. Landwirte) sowie der betrof-    sozialen Aspekte gebührend beachtet wer-
nanzausgleichs zwischen Bund und Kan-          fenen Anwohner um. Diese werden noch           den müssen: Es muss viel Zeit und Kraft in
tonen (NFA) sowie über das Stabilisie-         vor Beginn des Vernehmlassungsverfah-          Verhandlungen mit den zahlreichen Part-
rungsprogramm zur Milderung der Wirt-          rens an Informationsveranstaltungen und        nern investiert werden, um eine für alle
schaftskrise stellte auch der Bund Gelder      Ortsbegehungen ins Bild gesetzt. Für be-       Seiten befriedigende Lösung zu erreichen.
zur Verfügung.                                 sonders heikle Vorhaben werden Begleit-        Die Seymaz wurde in der Vergangenheit
                                               gruppen gebildet, in denen die lokalen Be-     kanalisiert. Die angrenzenden Landwirt-
Gemeinsam Lösungen suchen                      hörden, die Landeigentümer und -bewirt-        schaftsflächen wurden dabei entwässert
Die letzten grossen Moore Genfs wurden         schafter sowie interessierte Organisatio-      und dem Einfluss regelmässiger Überflu-
in der Zwischenkriegszeit zerstört. Ende       nen mitreden können. Die Betroffenen           tungen entzogen. Das Gelingen des Pro-
des 20. Jahrhunderts waren nur noch Re-        sind so immer auf dem aktuellen Wissens-       jekts hing deshalb von der Bereitschaft der
likte übrig, die dank des Einsatzes visionä-   stand, können strittige Fragen rechtzeitig     Bauern ab, dem Bach durch den Abbau der
rer Naturfreunde unter Schutz gestellt         aufwerfen und gemeinsam mit den Pro-           Dämme ein Stück Freiheit zurückzugeben
und mehr schlecht als recht unterhalten        jektverantwortlichen Lösungen erarbei-         und eine temporäre Überflutung einzel-
wurden. Daneben existierten in bewalde-        ten.                                           ner Parzellen zuzulassen. Doch nur der
ten Gebieten noch ein paar als «Réserves                                                      Flusslauf war in öffentlichem Besitz; die
biologiques forestières» geschützte Feucht­-   Soziale Aspekte beachten                       angrenzenden Parzellen musste der Kan-
biotope.                                       Die Erfolge können sich sehen lassen. Ein      ton von den privaten Eigentümern erwer-
Bei der systematischen Umsetzung der           Beispiel dafür ist das Projekt zur Renatu-     ben. Um die Verkaufsverhandlungen zu
Pflegekonzepte ab 2003 offenbarte sich         rierung der Haute Seymaz und die Wie-          erleichtern und den Kulturlandverlust auf
der desolate Zustand dieser Lebensräume.       dervernässung ihrer Feuchtgebiete. Hier        ein Minimum zu begrenzen, wurde die Sa-

8                                                                                                                        HOTSPOT 22 | 2010
HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
nässung erleichterten den Entscheid.
                                                                                                                     Um den Erfolg nach Abschluss der Gestal-
                                                                                                                     tungsarbeiten dauerhaft zu gewährleis-
                                                                                                                     ten, werden auch bei diesem Projekt genü-
                                                                                                                     gend finanzielle Mittel benötigt. Vor allem
                                                                                                                     gilt es, eine zu rasche Vegetationsentwick-
                                                                                                                     lung zu verhindern. Mehrere Pflegeein-
                                                                                                                     griffe pro Jahr während der Vegetationspe-
                                                                                                                     riode sind am Anfang unumgänglich,
                                                                                                                     auch wenn diese mit Störungen verbun-
                                                                                                                     den sind.

                                                                                                                     Fortsetzung folgt …
                                                                                                                     Allein 2009 hat der Kanton sieben grössere
                                                                                                                     Projekte realisiert. Um das angestrebte
                                                                                                                     Netz renaturierter Feuchtbiotope vervoll-
                                                                                                                     ständigen zu können, müssen die nötigen
                                                                                                                     Mittel bereitgestellt werden.
                                                                                                                     Trotz zahlreicher Erfolge gilt es auch in
                                                                                                                     Zukunft, Hindernisse zu überwinden.
                                                                                                                     Schwierig ist vor allem die Beschaffung
                                                                                                                     der Flächen, die für gute Projekte benötigt
                                                                                                                     werden. Sie liegen grösstenteils im Land-
                                                                                                                     wirtschaftsgebiet. Die Bodenqualität der
Marais des Douves vor, während und nach den Renaturierungsarbeiten. Die – teils angesäte – Feuchtgebietsvegetation   potenziellen Naturschutzflächen ist oft
besiedelte das Terrain rasch. Doch Achtung: Auch Neophyten wie die Goldrute finden hier geeignete Standortbedin-     gering, weshalb sie vielfach im Visier von
gungen. Fotos: Service de la conservation de la nature et du paysage, Kanton Genf                                    landwirtschaftlichen Meliorationen ste-
                                                                                                                     hen. Um den Flächenbedarf zu minimie-
                                                                                                                     ren und gleichzeitig eine bessere Vernet-
nierung zahlreicher Drainagen in den wei-                    lich wachsen, entwickelte sich mit der                  zung der Biodiversitäts-Reservoirs zu er-
ter entfernten Parzellen in das Projekt in-                  Zeit ein vor allem für Amphibien und Li-                reichen, wird man deshalb künftig auch
tegriert und über dieses finanziert. Bei                     bellen wertvoller Waldweiher. Als man                   bestehende naturnahe Strukturen aufwer-
den Finanzen hat sich gezeigt, dass auch                     wegen fehlender Mittel den Unterhalt des                ten müssen. Und schliesslich braucht es
für die Zeit nach Abschluss der Bauarbei-                    Wasserlochs aufgab, eroberte der Wald                   zusätzlich zur bisher geleisteten Kommu-
ten noch genügend Ressourcen bereitge-                       das Terrain zurück. Es blieb das alte Was-              nikationsarbeit im Rahmen der einzelnen
stellt werden müssen, und zwar für die                       serloch, umgeben von einer Feuchtzone                   Projekte weitere Anstrengungen, um die
technische Feinjustierung (z.B. die Was-                     mit Relikten der Flora und Fauna, die einst             Bevölkerung und die Politik für den Na-
serstandsregulierung), die Regelung sozia-                   den Wert dieses Biotops ausgemacht hat-                 turschutz zu sensibilisieren und die Ak-
ler Fragen und die periodischen Unter-                       te.                                                     zeptanz für weitere Vorhaben zu erhöhen.
haltsarbeiten.                                               Mit Hilfe von Methoden der Geomatik, na-                Mittelfristig sollen für sämtliche Projekte
                                                             mentlich des digitalen Geländemodells,                  Wirkungskontrollen durchgeführt wer-
Wiederbelebtes Wasserloch                                    wurde das Vergrösserungspotenzial für                   den. Diese erfolgen anhand von Zielarten.
Die Renaturierung der Marais des Douves                      die Feuchtzone bestimmt. Das Einzugsge-                 Deren Zahl darf nicht allzu gross sein, und
im Wald von Versoix offenbarte das oft in                    biet erwies sich zudem als gross genug,                 die Auswahl erfolgt in Abstimmung mit
der Landschaft verborgene ökologische                        um eine ausreichende Wasserversorgung                   Projekten des Bundes und der Nachbarge-
Potenzial, das es zu nutzen gilt, damit ein                  zu gewährleisten. Vor Projektstart muss-                biete in Frankreich. Die Ergebnisse wer-
Projekt seine volle Wirkung entfalten                        ten allerdings noch die Kollegen aus dem                den es erlauben, Fehlentwicklungen zu
kann. Hier hatte man in den 1970er-Jah-                      Forstamt davon überzeugt werden, dass                   korrigieren – sofern sich die Ursachen da-
ren zur Entwässerung der umliegenden                         ein öffentliches Interesse an einer Rodung              für eruieren lassen.
Flächen und als Löschwasserreservoir eine                    dieser Staatswaldfläche und ihrer Gestal-
Vertiefung gegraben. Über dem lehmigen                       tung als Feuchtgebiet besteht. Die schlech-
Boden, auf dem die Bäume nur kümmer-                         te Bodenqualität und die periodische Ver-

HOTSPOT 22 | 2010        Brennpunkt       Vorzeigeprojekte                                                                                                     9
HOTSPOT - Vorzeigeprojekte Biodiversität: Forschung und Praxis im Dialog Informationen des Forum Biodiversität Schweiz 22 | 2010 ...
Kulturlandschaft im Alpenraum
Mehr beraten als kontrollieren
Franziska Andres, Trifolium, CH-7000 Chur, und Karl Ziegler, Forstamt Ausserdomleschg, CH-7417 Paspels, mail@trifolium.info

Im Domleschg wurde 1994 ein Projekt zur
Erhaltung und Aufwertung der reichhalti­
gen Kulturlandschaft gestartet. Freiwilli­
ge Bewirtschaftungsverträge, die ge­
samtbetriebliche Beratung, gesicherte
Finanzen, eine aktive Trägerschaft und
die Vielfalt an begleitenden Projekten
waren ausschlaggebend für den Erfolg
des Unternehmens.

Das Domleschg ist vor allem für seine
Burgen und Schlösser bekannt. Weniger
bekannt ist der ausserordentliche Reich-
tum der Kulturlandschaft. Die Hänge sind
geprägt durch trockene Steppengrashal-
den, magere, von Trockenmauern einge-
fasste Obstgärten und ehemalige Acker-
terrassen; Heckenreihen säumen Wiesen                       Blick auf das Domleschg. Im Hintergrund der Piz Beverin. Fotos Franziska Andres
und Wege. Die vielfältige Kulturlandschaft
bietet Lebensraum für zahlreiche Tier-
und Pflanzenarten, die im Schweizer Mit-       Die im Jahre 2002 festgelegten und teil-                  sechs Jahren die Hecken zu pflegen, ver-
telland selten geworden sind, beispielswei-    weise ehrgeizigen Ziele sind heute zu 84%                 brachte Wiesen zu entbuschen, Hoch-
se Wendehals, Gartenrotschwanz, Espar-         erreicht (siehe Grafik). Rund 70 Betriebe                 stammobstbäume zu pflanzen oder Tro-
settenbläuling und Dingel. Die Intensivie-     und damit 90% der Landwirte im Dom­                       ckenmauern zu reparieren. Bei jedem
rung der Landwirtschaft seit den 1950er-       leschg beteiligen sich an dem Projekt. Für                Landwirt sind die Ziele im Vertrag schrift-
Jahren führte allerdings auch im Dom­          die dritte Betriebsphase des Vernetzung-                  lich festgelegt. Er kann jährlich die geleis-
leschg zu einer schleichenden Verarmung        projekts (2008 bis 2013) wurde das Leitbild               teten Arbeiten melden und verrechnen.
der Kulturlandschaft.                          überarbeitet. Die Ziele weichen im Kern                   Die Finanzierung erfolgt über die ÖQV
                                               nicht wesentlich von jenen der beiden vor-                und das Natur- und Heimatschutzgesetz.
Neue Dynamik dank ÖQV                          angegangenen Betriebsphasen ab.                           Ein weiterer wichtiger Faktor für den bis-
Im Rahmen eines Kulturlandschaftpro-                                                                     herigen Erfolg des Projekts war das Be-
jekts wurde dieser negativen Tendenz er-       Das Erfolgsrezept                                         mühen der Fachleute, mit den Landwirten
folgreich entgegen gesteuert. Esther           Kernstück des Kulturlandschaftprojekts                    eng zusammenzuarbeiten, eigene Initiati-
Bräm, Agronomin aus Scharans, erstellte        waren von Anfang an freiwillige Verträge,                 ven der Landwirte zu unterstützen, Wahl-
1994 im Auftrag der Region ein Land-           welche die gesamte Betriebsfläche umfas-                  möglichkeiten aufzuzeigen und schwer-
schaftsleitbild. Anhand von Erhebungen         sen. Im Zusammenspiel mit einer fundier-                  punktmässig mehr zu beraten als zu kon­
bei drei Testbetrieben wurde gleichzeitig      ten Beratung konnten die Landwirte ihre                   trollieren. Eine Stärke des Projekts ist zu-
ein Umsetzungs- und Finanzierungskon-          Verträge direkt mitgestalten. Dieses Mo-                  dem die aktive Trägerschaft, welche die
zept erarbeitet. Im Jahr 2001, am Ende der     dell für die Zusammenarbeit von Natur-                    Zielerreichung des Projekts mitverfolgt
ersten sechs Projektjahre, die der Fonds       schutz und Landwirtschaft wird vom Amt                    und ankurbelt.
Landschaft Schweiz finanzierte und an          für Natur und Umwelt (ANU) und seinen                     Seit Projektbeginn begleitet eine achtköp-
dem sich 40 Betriebe beteiligt hatten, trat    Auftragnehmern seit Inkrafttreten der                     fige Arbeitsgruppe das Unternehmen. Die-
die neue Öko-Qualitätsverordnung (ÖQV)         ÖQV in ganz Graubünden angewendet.                        se besteht zurzeit aus einem betroffenen
in Kraft. Sie gab dem Projekt neue Dyna-       Ziel ist eine Bewirtschaftung, die naturna-               Landwirt, einem Förster, zwei Vertretern
mik, indem es in ein Vernetzungsprojekt        he Biotope und traditionelle kulturland-                  der Regionalplanung, der Präsidentin des
gemäss den ÖQV-Richtlinien umgewan-            schaftliche Elemente bewahrt und trotz-                   Obstvereins Mittelbünden, einem Vertre-
delt werden konnte. Das Kulturland-            dem zeitgemäss ist.                                       ter der landwirtschaftlichen Beratung, ei-
schaftsprojekt Domleschg war eines der         Wichtig sind eine standortgerechte, abge-                 nem Vertreter des Amtes für Natur und
ersten Vernetzungsprojekte, welche beim        stufte Intensität der Bewirtschaftung und                 Umwelt, einer Vertreterin von Pro Natura
Bund eingereicht wurden. Dies sicherte         eine regelmässige Pflege der wertvollen                   und der Projektleitung. So können sich die
für längere Zeit höhere Beiträge an die        Elemente. Die Landwirte verpflichten sich                 antreibenden Kräfte koordiniert für ihre
Landwirtschaftsbetriebe.                       zudem, in der Projektphase von jeweils                    Anliegen einsetzen.

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                                                            800

                                                            600

                                                            400

                                                            200

                                                              0

                                                                                                                                                                                                              (m)
                                                                                                                                                                                                                 )
                                                                                                                                                                                                                )
                                                                                                                                                                                (a)

                                                                                                                                                                                                            (Stk)
                                                                                                                                                 (a)
                                                                                                                          )
                                                                                          a)

                                                                                                                                                                                                            (m )
                                                                                                                                                                                                  entbu dorte
                                                                                                                                                                 (a)
                                                                                                                                         )

                                                                                                                                                                                                Pflan äume
                                                                                                         (ha)
                                                                          (ha)

                                                                                                                                                                                                      uern 2
                                                                                                                                                                                                           ge (a
                                                                                                                                                                                                        scht (a
                                                                                                                        sen (a

                                                                                                                                    en (a
                                                                                        sen (h

                                                                                                                                                                            borde
                                                                                                                                                    n

                                                                                                                                                               ume

                                                                                                                                                                                                       äune
                                                                                                                                              rache
                                                                                                        eiden
                                                                     iesen

                                                                                                                                                                                                     zung
                                                                                                                                                                                                    nstan

                                                                                                                                                                                                     npfle

                                                                                                                                                                                                    obstb
                                                                                                                                  efläch
                                                                                                                   bstwie

                                                                                                                                                            rautsä
                                                                                   e Wie

                                                                                                                                                                                                 Holzz
                                                                                                                                                                               n

                                                                                                                                                                                                enma
                                                                                                                                             Buntb
                                                                   sive W

                                                                                                  sive W

                                                                                                                                                                         rasse

                                                                                                                                                                                               Hecke
                                                                                                                                                                                           e

                                                                                                                                                                                             stamm
                                                                                                                                 Streu

                                                                                                                                                                                      Trock
                                                                                                                 sive O
                                                                                 tensiv

                                                                                                                                                         hte K

                                                                                                                                                                                          Trock
                                                                                                                                                                       hte Te
                                                                  Exten

                                                                                                 Exten

                                                                                                                                                                                        Hoch
                                                                                                                                                        gemä
                                                                                                                Exten
                                                                                   in

Ziegen halten die Landschaft offen.

                                                                                                                                                                     gemä
                                                                             Wenig

                                                                                                                                                     Spät

                                                                                                                                                                 Spät

Jede der neun Gemeinden, welche im Kul-                   Projektziele und deren Erreichung in der ersten Phase des Vernetzungsprojekts 2002–2007. Grün: Ziel 2002–2007;
turlandschaftsprojekt mitmacht, hat ei-                   Dunkelrot: Ziel zu mindestens 80% ereicht; Orange: Ziel nicht erreicht.
nen Kulturlandschaftsdelegierten, wel-
cher regelmässig Informationen über das                   nungsmerkmale. Vor rund 50 Jahren stell-  orten nach Entbuschungsmassnahmen
Projekt erhält. Die Gemeinden finanzieren                 te der Gutshof Canova die letzten Apfel-  besonders geeignet. Bereits 1998 entstand
die laufenden Betreuungskosten des Pro-                   schachteln her. Sie wurden im 19. Jahr-   die Idee, das Gebiet Spunda mit Ziegen zu
jekts. Dank dieser Beiträge können lau-                   hundert der Luxus-Hotellerie verkauft     nutzen. Ab Herbst 2007 wurden 2,8 Hekta-
fend neue Projekte entwickelt und umge-                   und sogar bis nach Sankt Petersburg an    ren Haselbuschwald aufgelichtet und be-
setzt werden. Inzwischen ergänzen weite-                  den Zarenhof exportiert.                  weidet. Die heute noch bestehenden Tro-
re Landschaftsprojekte das Vernetzungs-                   Im Jahr 2006 wurde für Zoja ein Grund-    ckenstandorte konnten so miteinander
projekt, wie die beiden folgenden Beispie-                konzept erarbeitet und die Vernetzungsar- vernetzt und verarmte Flächen wieder in
le zeigen. Die Vielfalt der Landschaftsele-               beit mit der Landwirtschaft geleistet. Fürartenreichere überführt werden.
mente ermöglicht es, immer wieder neue                    Vertrieb und Marketing entstand eine ei-  Damit die Anliegen des Forstes, der Jagd,
spannende Themen aufzugreifen und so-                     gene Homepage (www.zoja-viamala.ch).      der Landwirtschaft und des Naturschutzes
mit das Projekt lebendig zu halten.                                                                 optimiert werden können, arbeiteten die
                                                          Ziel war es, im ersten Jahr 1000 Apfelkist-
                                                          chen zu verkaufen. Da die Nachfrage grös­ Projektverantwortlichen zusammen mit
Zoja, die Apfeldegustationsschachtel                      ser ist als das Angebot, wurde dieses Zielden Landwirten unter Einbezug aller Be-
Das milde, nebelfreie Klima machte die                    problemlos erreicht. Limitierend für den  teiligten ein Weidereglement aus. Der Be-
Region einst zu einem der wichtigsten                     Verkauf sind die Mengen der zur Verfü-    weidungsdruck konnte so lokal erhöht
Obstanbaugebiete der Schweiz. Noch heute                  gung stehenden alten Apfelsorten.         und der Wildwechsel möglichst intakt ge-
gedeihen hier über 120 Apfelsorten. Zwi-                                                            halten werden.
schen 1961 und 1991 reduzierte sich der                   Ziegen fressen Sträucher                  Durch das Projekt sollten keinerlei Kon-
Baumbestand allerdings um die Hälfte.                     Ursprünglich dominierten im Gebiet flikte mit der Erfüllung der Schutzfunkti-
Um die Obstgärten zu erhalten und zu                      Spun­­
                                                               da gemähte, artenreiche Halbtro- on des Waldes entstehen. Die mosaikarti-
fördern, wurde ein alter Wirtschaftszweig                 ckenrasen das Landschaftsbild. Seit den ge Verteilung von offenen und geräumten,
wiederbelebt:    die   Apfeldegus­ta­tions­               1950er-Jahren werden allerdings immer aufgelichteten und bewaldeten Flächen
schach­tel Zoja. Diese enthält sechs bis                  mehr Flächen nicht mehr bewirtschaftet. stellt sicher, dass keine grossflächigen An-
neun Apfelsorten. Beigelegte Kärtchen er-                 Dies hat zur Folge, dass das Gebiet lang- riss- oder Durchflusszonen für Schneerut-
zählen von der Geschichte der seltenen                    sam mit Haselsträuchern zuwächst.         sche entstehen. Zudem wirkt sich eine
Äpfel und deren charakteristischen äusse-                 Ziegen sind aufgrund ihrer Eigenart, Grasnarbe, welche durch eine angepasste
ren, inneren und geschmacklichen Erken-                   Sträucher und Jungbäume zu verbeissen, Beweidung kurz gehalten wird, positiv auf
                                                          für ein Offenhalten von Trockenstand­­  - die Hangstabilisierung aus.

HOTSPOT 22 | 2010         Brennpunkt   Vorzeigeprojekte                                                                                                                                                              11
Regionales Landschaftskonzept
Unser Lebensraum: vielfältig und vernetzt
Heinrich Schiess, Projektbearbeiter des Landschaftskonzepts Neckertal, CH-9125 Brunnadern, schiess.buehler@bluewin.ch

Das Landschaftskonzept Neckertal be­          dern entlang von ökologisch wertvollem          hängig davon, ob dieser durch Nichtnut-
zweckt die ökologische Aufwertung drei­       Grünland (z.B. Magerweiden, Magerwie-           zung oder als Folge forstlicher Massnah-
er Gemeinden. Im Fokus steht die gesam­       sen, Streurieder und Hochmoore) sowie           men zustande kommt. Noch viel ausge-
te Landschaft. Besonderes Augenmerk           die Wiederherstellung von vorratsarmen,         prägter werden die zahlreichen Neben-
gilt den Kontaktlebensräumen zwischen         lichten Beständen («Magerwald») auf be-         und Lichtbaumarten unterdrückt, was
geschlossenem Wald und dem Offenland.         sonders trockenen, nassen, sauren oder          sich bezüglich Vielfalt beispielsweise im
                                              rutschenden Böden. Auf diesen Sonder-           Fall der insektenreichen Eichen, Föhren,
Nach mehreren Jahren Vorarbeit wurde          standorten sind die Holzsortimente quali-       Birken, Weiden und Zitterpappeln beson-
am 1. Januar 2007 das Landschaftskonzept      tativ schlecht, die Erträge gering und die      ders nachteilig auswirkt. Das Artenspekt-
Neckertal offiziell aus der Taufe gehoben.    Kosten für die Nutzung hoch. Gleichzeitig       rum an Pflanzen und Tieren, die durch ei-
Trägergemeinden sind Oberhelfenschwil,        ist das Potenzial für die Vielfalt gross. Bei   ne dichte Baumschicht ausgeschlossen
Neckertal und Hemberg im Kanton St. Gal-      einer ausbleibenden Nutzung geht die            werden, weitet sich in der Strauchschicht
len. Die Grundidee klang verheissungs-        Vielfalt allerdings über kurz oder lang         und in der Krautschicht nochmals enorm.
voll: Ein Projekt, das in der ganzen Land-    selbst auf den waldfeindlichsten Standor-       Auch besonnter, offener (nicht kultivier-
schaft, in allen Lebensräumen und für je-     ten verloren. Das Auslichten ist deshalb        ter) Boden, der bei Waldauslichtungen re-
de Artengruppe die Vielfalt fördert. Ganz     sowohl ökologisch dringend notwendig            gelmässig entsteht und in der gesamten
so einfach war es dann allerdings doch        als auch – mit der Defizitdeckung durch         heutigen Landschaft Mangelware ist, stellt
nicht. Als motivierende Vision und als in-    das Landschaftskonzept – ökonomisch in-         ein überaus wertvolles Element dar.
haltliches Oberziel hat die Idee jedoch       teressant. Gefördert werden in erster Linie     In allen diesen Belangen schufen die ur-
auch heute noch Bestand. Die Initianten       Lichtbaumarten wie Föhren, Eichen, Zit-         sprünglichen gemischten Waldnutzungen
gaben ihrem Projekt folgende Grundsätze       terpappeln und Birken; unter den Sträu-         eine vollkommen andere Situation als die
mit auf den Weg:                              chern sind es vor allem Weiden, Schwarz-        heutige Nutz- und Wertholzproduktion.
> Die Mitwirkung von Bewirtschaftern          dorn und Weissdorn, die allesamt für die        Der Wald gilt heute als Hort der ökologi-
   und Waldbesitzern ist in jedem Fall        Biodiversität eine zentrale Rolle spielen.      schen Sicherheit, weil seine Arten prozen-
   freiwillig.                                Ein Spezialfall sind die ehemaligen Föh-        tual am wenigsten gefährdet sind. Das
> Die ökologischen Ziele sind fachlich gut    ren-Weidewälder, eine Kombinations-Nut-         stimmt wohl für die übriggebliebenen, so-
   abgestützt und werden für jedes Teil-      zung zwischen Holzproduktion und Land-          genannten «Waldarten», nicht aber für
   projekt vertraglich festgehalten.          wirtschaft, die in vielen Kulturlandschaf-      viele besondere Pflanzen und Tiere.
> Die Vertragspartner erhalten faire, at­     ten eine grosse Rolle gespielt hat und auch
   trak­tive Beiträge.                        für das Toggenburg typisch ist. Mit der         Aufwertungen im Kulturland
> Zweckgebundene Mittel von aussen er-        Rationalisierung der Landnutzung ver-           Die zweite Hauptmassnahme des Land-
   zeugen im wirtschaftlich peripheren        schwanden die Föhrenweiden entweder             schaftskonzepts gilt den Baumpflanzun-
   Tal ein substanzielles Angebot an Ar-      im Stammholzwald oder sie wurden der            gen auf der landwirtschaftlichen Nutzflä-
   beit und Verdienst.                        Landwirtschaft zugeschlagen, was meist          che. Bis Ende 2009 setzten die interessier-
> Die enge Zusammenarbeit mit den Be-         den Verlust der Bäume zur Folge hatte. In       ten Grundeigentümer rund 1600 Hoch-
   hörden und allen involvierten Interes-     vielen Fällen begegnet man heute nur            stamm- und Einzelbäume, die im Rahmen
   sengruppen, vor allem mit den Förs-        noch den nach der Aufgabe der Bewei-            des Projekts stark verbilligt abgegeben
   tern, ist eine Selbstverständlichkeit.     dung in den Hochwald integrierten Föh-          werden konnten. Auch für das Ausholzen
> Die wichtigsten Stossrichtungen sind        ren. Die strukturelle Wiederherstellung         einwachsender Magerweiden, die Anlage
   das Wiederverbinden von Offenland          dieses speziellen Lebensraums lohnt sich        neuer Hecken, Teiche und weiterer Ele-
   und Wald, die Extensivierung und die       sowohl aus ökologischer als auch aus kul-       mente bietet das Projekt Finanzhilfen an.
   De-Rationalisierung der Bewirtschaf-       tureller und landschaftlicher Sicht.            Knapp die Hälfte der rund 300 Landwirt-
   tung sowie die Konzentration auf Ob-       Ziele und Massnahmen des Landschafts-           schaftsbetriebe in den drei Gemeinden
   jekte mit vorgegebenen Qualitäts- und      konzepts im Wald basieren auf der oft be-       nimmt an genehmigten oder geplanten
   Potenzialkriterien.                        legten negativen Korrelation zwischen           ÖQV-Vernetzungsprojekten teil. Das Land-
> Die Öffentlichkeitsarbeit wird stark ge-    Vielfalt und Holzvorrat. So wird der            schaftskonzept spielte hier die Rolle des
   pflegt.                                    Höchststand der Artenvielfalt in den mit-       Geburtshelfers.
                                              teleuropäischen Wäldern mit der Periode         Eine ökomorphologische Bewertung der
Schwerpunkt Wald                              des tiefsten Holzvorrates in Verbindung         Gewässer hat einen allgemein sehr guten
Eine der Schwerpunktmassnahmen ist das        gebracht. Nur schon bei den bestandesbil-       Zustand festgestellt. Für Aufwertungs-
Auslichten von Wald. Dazu zählt das (Wie-     denden Bäumen sinkt die Artenzahl mit           massnahmen ist ein Konzept in Arbeit.
der-)Auflösen von geschlossenen Waldrän-      steigendem Holzvorrat, und zwar unab-

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