Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
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Heft 21 / 2022 Auenmagazin Magazin des Auenzentrums Neuburg a. d. Donau In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt
INHALT INHALT Perspektiven Die Zukunft der Esche im Auwald................................................................................................................................. 4 Anna-Katharina Eisen, Barbara Fussi, Susanne Jochner-Oette Naturschutzplanung für Fliessgewässer-Auen unter Klimawandel..................................................................10 Sabine Fink, Christoph Scheidegger Berichte und Projekte Donauarme in der Slowakei – zehn Jahre Bemühungen um Renaturierung.....................................................16 Pavol Surovec Pro Gewässer 2030: Ein neues Aktionsprogramm für Bayern............................................................................21 Thomas Henschel, Wolfgang Kraier, Wolfgang Rieger, Andreas Gorbauch Im Gespräch Interview mit den Stiftern der Stiftung Naturerbe Donau...................................................................................29 Siegfried Geißler Auenbewohner Lebensräume der Flussauen II Altarme und Altwasser.........................................................................................32 Francis Foeckler, Wolfgang Ahlmer Rückblick 43. IAD-Konferenz „Rivers and floodplains in the Anthropocene”....................................................................41 Bernd Cyffka Flusslandschaften – Ökosystemleister – Lernlandschaften. Bildung in Auen: Chancen und Herausforderungen..............................................................................................42 Ulrich Riedl Aus der Forschung Edaphic-Bloom Danube.................................................................................................................................................44 Isabell Becker, Gregory Egger, Erika Schneider, Florian Wittmann Auennews Bernd Cyffka neuer Präsident der IAD......................................................................................................................46 Termine und Veranstaltungen 29.06.–30.06.2022 Symposium‚ „Gewässer- und Auenentwicklung“ in Landau an der Isar. ...................................................................................................................................................46 Beiträge, die nicht ausdrücklich als Stellungnahme des Herausgebers gekennzeichnet sind, stellen die persönliche Meinung der Verfasser / innen dar. Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Rich- tigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Drit- ter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder; aus der Veröffentlichung ist keinerlei Bewertung durch die Redaktion ableitbar! 2 Auenmagazin 21 / 2022
VORWORT Liebe Leserinnen und Leser, „Deutschland gibt für Beseitigung der Hochwasserschäden 30 Milliarden Euro aus“. So lau- tete eine Zeitungsüberschrift nach dem verheerenden Unwetter im Juli 2021. Der Welt- klimarat geht aufgrund des Klimawandels von einer Zunahme von Starkregenereignissen in West- und Mitteleuropa aus, die Hochwasserkatastrophen wahrscheinlicher werden lassen. Natürliche Auen sind unverzichtbar für den Hochwasserschutz. Aufgrund ihrer Standortvielfalt zählen sie zudem zu den Hotspots der Biodiversität. In der Vergangen- heit wurden viele Flussläufe begradigt und eingedeicht. Hochwasser breitete sich nicht mehr in den Auen aus, verbunden mit starkem Verlust an Hochwasserschutz und einem Rückgang der biologischen Vielfalt. Derzeit gibt es viele Aktivitäten, um den Zustand der Auen wieder zu verbessern. Diese Maßnahmen sollten im Sinne „Tue Gutes und rede dar- über“ der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Das vorliegende Heft will hierzu einen Beitrag leisten. Ein Pilz bedroht die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.). Anna-Katharina Eisen und Susanne Jochner-Oette von der Katholischen Universität Eichstätt sowie Barbara Fussi vom Bayerischen Amt für Waldgenetik stellen die Bedeutung der Esche für die Hartholzaue dar. Sie stellen Ergebnisse ihrer Forschung zur Förderung der Eschennaturverjüngung vor, berichten über Resistenzversuche und ziehen erste vorsichtige Schlussfolgerungen zum Erhalt der Esche im Auwald. Bauliche Maßnahmen in den Flusslandschaften beeinträchtigen die Biodiversität. Mit dem Klimawandel ist ein weiterer Störfaktor hinzugekommen. Sabine Fink und Christoph Schei- degger von der Eidgenossenschaftlichen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Land- schaft beschreiben, wie sich mit Hilfe von Lebensraummodellen der Einfluss der Klima änderung auf die Verbreitung von typischen Auenpflanzen darstellen lässt. Pavol Surovec vom slowakischen Landesverband für Naturschutz und Nachhaltige Entwicklung zeigt anhand von mehreren erfolgreichen Best-Practice-Beispielen auf, wie Altgewässer wieder an die Donau angebunden werden können, um die Biodiversität lang- fristig zu erhalten und zu fördern. „Hochwasserschutz bedeutet, Verantwortung zu übernehmen für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen“ so der Bayerische Umweltminister Thorsten Glauber. Die- sen Schutz mit Ökologie und Sozialfunktionen zu verknüpfen, schreibt das neue Bayeri- sche Gewässer-Aktionsprogramm 2030 vor. Thomas Henschel, Wolfgang Kraier, Wolfgang Rieger und Andreas Gorbauch vom Bayerischen Landesamt für Umwelt stellen in ihrem Artikel insbesondere die Rolle der Auen im Programm dar. Ihre Beweggründe, eine private Stiftung zu gründen und das eigene Vermögen dafür be- reitzustellen, erläutern die Stifter der Einrichtung Dr. Maja Gräfin Du Moulin Eckart und Dieter Graf von Brühl in einem Interview mit Siegfried Geißler von der Unteren Natur- schutzbehörde Neuburg-Schrobenhausen. Altgewässer bieten einen abwechslungsreichen Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere. Francis Foeckler, Sachverständiger für Gewässerökologie, und Wolfgang Ahlmer von der Regierung der Oberpfalz gehen in ihrer Abhandlung auf charakteristische Vertreter aus der Pflanzen- und Tierwelt ein und verbinden dies mit einem Plädoyer zum Schutz, Erhalt sowie Wiederherstellung von Altarmen und Altwasser. Zwei Rückblicke auf interessante Veranstaltungen, Personalnachrichten und Neues aus der Forschung sowie der Hinweis auf ein zweitägiges Symposium runden diese Ausgabe ab. Viel Spaß beim Lesen der neuen Ausgabe wünscht Das Redaktionsteam Auenmagazin 21 / 2022 3
PERSPEKTIVEN A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette Die Zukunft der Esche im Auwald 4-9 DIE ZUKUNFT DER ESCHE IM AUWALD Anna-Katharina Eisen, Barbara Fussi, Susanne Jochner-Oette Die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.) zählt aufgrund ihrer Hochwassertoleranz zu einer wichtigen Baumart in Auenwaldökosystemen. Die Esche ist durch das Eschentriebsterben akut gefährdet. An der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und dem Bayerischen Amt für Waldgenetik wird seit 2018 in Verbundprojekten erforscht, welche Auswirkungen des Eschentriebsterbens, unter anderem auch im Auwald, zu beobachten sind. Die Gemeine Esche (Fraxinus excel- vergesellschaftet, darunter 12 Vogel- der Eschen in Mischbeständen absterben sior L.) – eine wertvolle Baumart im arten, 55 Säugetiere, 78 Gefäßpflanzen, (Coker et al. 2019). Es wird angenommen, Auwald 58 Moose, 68 Pilze, 239 wirbellose Tiere dass nur ca. 1–5 % der Eschen weniger an- und 548 Flechten. 44 dieser Arten können fällig sind und keine oder nur geringe Symp Die Forstwirtschaft steht bei der Bewirt- als obligat an die Esche gebundene Arten tome in Bezug auf das Eschentriebsterben schaftung von Auwäldern vor großen Her- bezeichnet werden und kommen nur auf zeigen (Mckinney et al. 2014, RIEGLING et ausforderungen, da wichtige Auwald-Bau- entweder lebenden oder toten Eschen vor. al. 2016) Die hohen Mortalitätsraten wer- marten, neben Esche auch Feldulme (Ulmus den derzeit als eine ernsthafte Bedrohung minor) und Schwarzerle (Alnus glutinosa), für die ökologische Vielfalt in Europa an- durch Krankheiten wie Ulmensterben bzw. Ursachen und mögliche Folgen des gesehen. In der Forstwirtschaft wird auf Erlensterben bedroht sind (LWF 2019). Der Populationsrückgangs der Esche das Eschentriebsterben in den Altbeständen Klimawandel bringt zusätzliche Unsicher- häufig mit Entnahme der stark geschwäch- heiten bzgl. der zukünftigen Eignung un- In den letzten zehn Jahren ist der Bestand ten Eschen reagiert, um einer Holzentwer- serer Auwald- Baumarten, um einer stand- der Esche durch das Eschentriebsterben tung zuvorzukommen (Enderle 2019). In ortgemäßen, ökologisch sinnvollen und bedroht, wodurch gegenwärtig auch ihre Österreich hat sich der Holzeinschlag bis ökonomisch interessanten Waldwirtschaft forstliche Zukunft infrage gestellt wird. Auf- 2015 (im Vergleich zu 2008) versechsfacht gerecht zu werden (Dichtl und Stöger 2020). grund ihres hohen Potenzials ist der Verlust (Heinze et al. 2017), ähnliche Steigerun- Im Zuge des Waldumbaus wurden in den der Esche, gerade in Auwäldern, in welchen gen wurden auch für Deutschland verzeich- 1990er-Jahren viele Eschen gepflanzt, um spezifisch angepasste Baumarten benötigt net (ForstBW 2018). Da die Krankheit bei Mischwaldökosysteme wirtschaftlich und werden, gravierend für die Waldwirtschaft Jungpflanzen eine hohe Letalität aufweist, ökologisch aufzuwerten (Enderle et al. (Dichtl und Stöger 2020). Das Eschentrieb- ist davon auszugehen, dass der Anteil der 2017, Müller-Kroehling und Schmidt 2019). sterben, welches europaweit auftritt, wird Eschen in den folgenden Generationen noch Aufgrund ihres Vorkommens auch in som- durch den invasiven Pilz Hymenoscyphus weiter zurückgehen wird (Timmermann et merwarm geprägten und vergleichsweise fraxineus und sein ungeschlechtliches al. 2011). Ein starker Bestandsrückgang trockenen Klimaregionen, gilt die Esche als Stadium Chalara fraxinea verursacht. Im hätte eine Fragmentierung der Populatio- vielversprechende Baumart im Klimawan- deutschsprachigen Raum wird dieser Erre- nen und eine Schwächung des Pollenflu- del (LWF 2019). Sie besitzt eine hohe Über- ger auch als Falsches Weißes Stengelbe- ges zwischen den windbestäubten Bäumen flutungstoleranz und wurde und wird daher cherchen bezeichnet. Dieser Pilz stammt ur- zur Folge. Somit sind einzelne Bäume und auch in Gebieten mit Hochwassereintritts- sprünglich aus Ostasien und zeichnet sich Eschenpopulationen über die Pollenausbrei- wahrscheinlichkeiten (HQ) von HQ häufig, durch ein invasives Potenzial in Europa aus. tung nicht mehr ausreichend genetisch mit- HQ 100 und HQ extrem angebaut (Brundke und Seine Sporen befallen zunächst die Blätter, einander vernetzt und die fortschreitende Binder 2017). Im Auwald bei Neuburg an Triebe und schließlich das Holz der Eschen, Fragmentierung geht mit einer Verringe- der Donau ist die Gemeine Esche beispiels- was in vielen Fällen in der Folge zu ihrem rung des Genflusses und folglich mit einer weise mit einem Anteil von mehr als 15 % Absterben führt (Enderle 2019). Die ersten Verengung des Genpools einher (Mckinney vertreten (Jochner-Oette et al. 2021). Die Symptome des Eschentriebsterbens wur- et al. 2014). Dadurch wird die Anpassungs- Blätter und Wurzeln der Esche sind leicht den 1992 in Polen festgestellt (Kowalski fähigkeit der Esche negativ beeinflusst. In abbaubar. Da die Esche ihren Blättern vor und Holdenrieder 2009). In der Zwischen- einem gesunden Ökosystem setzen sich im dem Abwurf relativ wenige Nährstoffe ent- zeit wurden der Erreger und seine Auswir- Laufe des evolutionären Anpassungsprozes- zieht, trägt sie zu einem hohen pH-Wert kungen in vielen Wäldern Europas beob- ses diejenigen Genotypen durch, die unter im Boden bei. Das fördert im Allgemeinen achtet, was vielerorts zu einem starken den vorherrschenden Umweltbedingungen das Bodenleben (JNCC 2014). Laut dem Be- Rückgang der lokalen Eschenpopulationen die höchste Fitness aufweisen. Bei der richt des Joint Nature Conservation Com- führte (Hultberg et al. 2020). Simulationen Esche konnte eine Vererbbarkeit der Re- mittee (JNCC 2014) sind ca. 1.058 Spe- zufolge werden in den nächsten 30 Jah- sistenz nachgewiesen werden, die aller- zies mit der Esche oder Eschenwäldern ren in Europa voraussichtlich bis zu 75 % dings vom Reproduktionserfolg und der 4 Auenmagazin 21 / 2022
PERSPEKTIVEN A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette Die Zukunft der Esche im Auwald 4-9 Abb. 1: Eschen (zum Teil befallen vom Eschentriebsterben) im Donau-Auwald bei Marxheim. Mit einer Wuchshöhe von bis zu 40 m ist die Esche einer der höchsten Laubbäume Europas (Foto: Landschaftsökologie, KU-Eichstätt-Ingolstadt) Ausbreitungsfähigkeit der weniger anfälli- von ihr abhängig sind. Es wird geschätzt, werden unter anderem der Paarungserfolg gen Bäume abhängig ist (Semizer-Cuming et dass 69 der mit der Esche assoziierten Ar- und die Eigenschaften von Pollen und Sa- al. 2021). Die Mannbarkeit der Eschen tritt ten wahrscheinlich stark zurückgehen oder men in Abhängigkeit von der Schädigung im Freistand mit 20 bis 30 und im Bestan- aussterben werden (JNCC 2014). Hultberg der Elternbäume untersucht. Während der desschluss mit 30 bis 35 Jahren ein. Eschen- et al. (2020) gehen von bis zu neun zusätzli- Projektlaufzeit (2019–2021) wurde in die- blüten sind zwittrig, wobei jedoch das je- chen Baumarten aus, die notwendig wären, sem Auwald eine rasante Verschlechterung weilige Geschlecht meist auf ein Individuum um alle nicht-obligaten Arten zu erhalten. des Gesundheitszustandes der Eschen fest- reduziert ist. Dieses gleichzeitige Vorkom- Die langfristigen Auswirkungen eines Aus- gestellt. Nach dem sechsstufigen Bewer- men monözischer und diözischer Individuen falls der Esche sind aufgrund von Wechsel- tungssystem von Lenz et al. (2012) galten im wird auch als triözisch (dreihäusig) bezeich- wirkungen in Ökosystemen bisher kaum ab- Jahr 2019 noch 30 % der Eschen als gesund, net (zit. nach Roloff und Pietzarka 1997). zuschätzen. zeigten also einen Blattverlust von weni- Allerdings erhöht sich aufgrund der Triözie ger als 30 %. Im Jahr 2020 waren nur noch der Esche, die Gefahr der Inzucht (Semizer- 15 % und im Jahr 2021 2 % der beobachte- Cuming et al. 2021). Für die Nachzucht von Generhaltung der Esche durch ten Eschen gesund. Dieser sehr starke Befall Pflanzen für zukünftige, stabile Eschenpo- Förderung der Naturverjüngung mit dem Pilz Hymenoscyphus fraxineus, der pulationen ist entscheidend, dass die ge- und Resistenzversuche das Eschentriebsterben verursacht, ist ver- netische Diversität ausreichend hoch ist. mutlich auf den hohen Grundwasserstand Ebenfalls ist zu erwarten, dass dort, wo die An der Katholischen Universität Eichstätt- und die damit verbundenen feuchteren und Esche nicht durch funktional ähnliche Arten Ingolstadt (KU) und dem Bayerischen Amt nährstoffreicheren Böden im Auwald zu- ersetzt wird, lokale Effekte der Bodenver- für Waldgenetik (AWG) wird seit 2018 auch rückzuführen. Das für Auwälder typische sauerung auftreten könnten. Auch die Ver- im Auwald bei Neuburg an der Donau an Mikroklima bietet optimale Bedingungen änderung der Lichtverhältnisse im Bestand den Auswirkungen des Eschentriebsterbens für den Pilz, so dass davon auszugehen ist, wird einen Einfluss auf die Zusammen geforscht, um dazu beizutragen, die Zu- dass dort ein noch höherer Infektionsdruck setzung der Bodenflora haben (JNCC 2014). kunft der Eschen zu sichern. Im Rahmen als im Landwald herrscht. In Anbetracht der Dies hat schwerwiegende ökologische Fol- des Projektes QuoVAPo, das durch das Bay- aktuellen Bedrohung durch das Eschentrieb- gen für die Arten, die von der Esche un- erische Staatsministerium für Ernährung, sterben und um den Fortbestand der Esche terstützt werden bzw. sogar ausschließlich Landwirtschaft und Forsten gefördert wird, zu fördern, ist es wichtig, ihre natürliche Auenmagazin 21 / 2022 5
PERSPEKTIVEN A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette Die Zukunft der Esche im Auwald 4-9 50 (a) 100 (b) 40 80 Anzahl der Eschensämlinge [%] 60 Grasanteil [%] 30 40 20 20 10 0 0 0 10 20 30 40 0 10 20 30 40 Gap Fraction [%] Gap Fraction [%] Abb. 2: Streudiagramm zur Visualisierung der Beziehungen zwischen dem Kronenlückenanteil und dem Anteil der Esche (a) und der Grasbedeckung (b). (Grafik: nach Jochner-Oette et al. 2021) Verjüngung zu stärken. Sie ist das Produkt Artenreichtum und die Deckung der Kraut- Beobachtung, um Falscheinstufungen vor- der natürlichen Auslese, die Möglichkei- schicht aufgenommen, um die Konkurrenz zubeugen. Das AWG hat 2014 in Graben- ten zur Bekämpfung der Krankheit bieten mit Eschensämlingen zu berücksichtigen. stätt eine Klonsammlung mit insgesamt könnte (Metzler et al. 2012). Individuen Die Ergebnisse zeigten, dass die Naturver- 319 Ramets (Wiederholungen der Einzel- der Naturverjüngung, die der inter- oder jüngung der Esche unter schattigen Be- klone) angelegt, um Resistenzversuche un- intraspezifischen Konkurrenz standhal- dingungen begünstigt wird. Die meisten ter einem erhöhten Infektionsdruck durch- ten konnten, könnten resistent gegenüber anderen abiotischen Faktoren wie Boden- zuführen (Fussi 2020). Hauptziel ist es, der Krankheit sein. Eine hohe Sterblichkeit feuchte oder Bodennährstoffe waren sta- Anfälligkeiten möglichst frühzeitig zu er- der Eschen in den betroffenen Gebieten in tistisch nicht mit dem Vorkommen der kennen und resistente Klone zu identifizie- Verbindung mit einer hohen genetischen Naturverjüngung der Esche verbunden. Im ren, deren Samen für die Nachzucht ver- Variation in der sich etablierenden Na- Gegensatz dazu war die reine Grasbede- wendet werden können. Die Fläche liegt an turverjüngung könnte schließlich zu wider- ckung negativ mit dem Blattflächenindex der Tiroler Ache, wo sich der Pilz aufgrund standsfähigeren Eschen führen (Mckinney et und positiv mit dem Kronenlückenanteil der edaphischen und mikroklimatischen Be- al. 2014). In der Regel haben Eschen eine korreliert (siehe Abb. 2). Eine höhere krau- dingungen stark vermehren kann. Die Klone hohe Samenproduktion und eine Regene- tige Vegetationsbedeckung wurde mit ei- stammen von 36 optisch gesunden Bäu- rationsrate von bis zu 150.000 Individuen/ ner Unterdrückung der Eschenverjüngung men aus stark befallenen Beständen. Ab- ha (Tabari und Lust 1999). Die Jungpflanzen in Verbindung gebracht, ein höherer Streu- bildung 3 zeigt den Gesundheitszustand der der Esche sind sehr schattentolerant (Roloff deckungsgrad dagegen mit einer höheren Klonfläche für die Beobachtungsjahre 2014 und Pietzarka 1997). Sie konkurrieren mit Häufigkeit von Eschensämlingen. Die Stu- bis 2018. Der Anteil der symptomlosen und krautigen Pflanzen um Licht, Wasser und die legt nahe, dass Lücken (Gaps), die u. a. gering geschädigten Pfropflinge lag nach Nährstoffe. Daher wurde der Einfluss der durch das Eschentriebsterben entstehen, fünf Beobachtungsjahren zwischen 5 und Lichtverhältnisse auf die Naturverjüngung die Ausbreitung von Gräsern begünstigen 10 %. Einige Ramets haben sich durch die und die Konkurrenz zwischen Eschensäm- und somit die Verjüngung der Esche unter- Bildung neuer Triebe wieder erholt. Eine lingen und krautigen Arten, die im Unter- drücken könnte. In diesem Zusammenhang weitere Versuchsfläche wurde im Jahr 2015 wuchs wachsen, in einer weiteren Studie wird eine rasche waldbauliche Bewirtschaf- mit 24 Nachkommenschaften (818 Säm- im Auwald bei Neuburg an der Donau un- tung (z. B. Aufforstungen mit Auwaldbau- linge) angelegt. Auch hier wurde der Ge- tersucht (Jochner-Oette et al. 2021). An 40 marten) nach dem Absterben von Eschen- sundheitszustand einmal jährlich erhoben. Untersuchungsstandorten wurden lichtbe- Altbäumen empfohlen, um die Verkrautung Jungpflanzen zeigen ihre Anfälligkeit ge- zogene Variablen, wie der prozentuale An- der lichten Stellen zu vermeiden. genüber Krankheiten oft schon etwas frü- teil der Kronenlücken (Gap Fraction) oder her als ältere Bäume. Die Ergebnisse zei- des Blattflächenindex (Leaf Area Index) Neben der Förderung der Naturverjüngung gen, dass langfristig Hoffnung für die Esche mit hemisphärischen Photographien auf- könnte die Züchtung resistenter Bäume besteht, da in jeder Nachkommenschaft genommen sowie weitere Umweltfaktoren in Zukunft eine große Chance für die ge- nach vier Beobachtungsjahren immer noch aus Vegetationserhebungen (Zeigerwerte fährdete Esche darstellen. Allerdings be- symptomfreie Eschenpflanzen vorhanden nach Ellenberg et al. 2001) abgeleitet. Zu- darf es für die Auswahl resistenter Indi- sind (Abb. 4). Die Sammlung zahlreicher we- dem wurden Vegetations parameter wie viduen einer langjährigen und intensiven nig anfälliger Eschen macht die Produktion 6 Auenmagazin 21 / 2022
PERSPEKTIVEN A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette Die Zukunft der Esche im Auwald 4-9 100 80 Anteil Pflanzen [%] 60 40 symptomlos 20 geringe Schäden mittlere Schäden starke Schäden 0 abgestorben 2014 2015 2016 2017 2018 Beobachtungsjahre Abb. 3: Gesundheitszustand der Klone auf der Fläche in Grabenstätt 2014 bis 2018. Die Klassifizierung erfolgte in fünf Stufen (siehe Legende). (Grafik: nach Fussi 2020) 100 80 Anteil Pflanzen [%] 60 40 20 0 1 1 2 3 4 EN 1 15 2 3 6 7 8 9 K1 10 6 K1 4 K1 5 K4 1 K8 0 UR UW 5 6 7 8 M FA M FA M FA M FA M FA M FA M M K M M M M M UW UW UW UW UW UW UW FA M Nachkommenschaften 2015 2016 2017 2018 Abb. 4: Anteil der symptomlosen Pflanzen je Nachkommenschaft auf der Fläche in Grabenstätt in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018; x-Achse mit Namen der Mutterbäume, von denen die Samen geerntet wurden. (Grafik: nach Fussi 2020) und Bereitstellung von hochwertigem Ver- der Auswahl von gesundem und genetisch sterbens in Deutschland zu bekommen. Die mehrungsgut möglich und damit eine Si- variablem Material dar. Professur für Physische Geografie / Land- cherung des Genpools. Ergänzend werden schaftsökologie und nachhaltige Ökosys- die molekular-genetischen Ursachen von tementwicklung an der Katholische Uni- Anfälligkeit und Resistenz untersucht. Im Forschungsprojekte zum Erhalt versität Eichstätt-Ingolstadt arbeitet mit genetischen Labor des AWG wird an der der Esche sieben weiteren Projektpartnern in dem For- Auswahl und Validierung von Resistenzmar- schungsverbund FraxMon zusammen. In kern gearbeitet, welche an den Eschen auf Gleichzeitig geben weitere Forschungspro- diesem Verbund wird besonderes Augen- den Versuchsflächen getestet werden sol- jekte Hoffnung, den Erhalt der Esche zu si- merk auf das Monitoring des Eschentrieb- len. Dies bildet eine wertvolle Grundlage chern. Im Jahr 2020 haben die Bundesmi- sterbens gelegt. Die Wissenschaftler/-innen für die Erforschung von Resistenzmecha- nisterien für Ernährung und Landwirtschaft der KU untersuchen dabei, welche Pflanzen nismen und deren genetische Veranlagung (BMEL) sowie für Umwelt, Naturschutz und eigenschaften der Esche als Frühindikatoren und können Grundlage für Erhaltungsmaß- nukleare Sicherheit (BMU) das Projekt Frax- zur Bewertung der Anfälligkeit gegenüber nahmen der Esche darstellen. Die so entwi- ForFuture bewilligt. Es wird mit 9,16 Mio. € dem Eschentriebsterben herangezogen wer- ckelten und getesteten Marker stellen eine aus dem Waldklimafonds gefördert, mit den können. Das AWG ist mit dem Teilpro- wichtige Unterstützung von Züchtungs- dem Ziel, einen flächendeckenden Über- jekt FraxGen beteiligt. Ziel des Vorhabens programmen bei der Esche hinsichtlich blick über das Ausmaß des Eschentrieb- ist auf Basis der über das gesamte Bundes- Auenmagazin 21 / 2022 7
PERSPEKTIVEN A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette Die Zukunft der Esche im Auwald 4-9 gebiet verteilten Monitoringflächen augen- Gesunde Eschen schützen, Literatur scheinlich vitale Eschen auszuwählen. Die Mischbaumarten nutzen Auslese gesunder Plusbäume wird darüber Brundke, F., Binder, F. (2017): Hochwasser- hinaus auch in weiteren Gebieten mit ho- Da die einst ubiquitäre Esche durch das angepasste Waldbewirtschaftung. In: hem Befallsdruck durchgeführt. Die selek- Eschentriebsterben heute akut gefähr- LWF-Merkblatt Nr. 36, S. 6. tierten Bäume werden vegetativ vermehrt det ist, ist das gemeinsame Ziel aller Pro- Coker,T., Roszypálek, J., Edwards, A., Har- und in Klonsammlungen gesichert. Grund- jekte, diese wertvolle Baumart zu erhal- wood, T. P., Butfoy, L., Buggs, R. J. A. sätzlich werden alle in Deutschland erfass- ten und Maßnahmen zu entwickeln, die sie (2019): Estimating mortality rates of ten Eschen unter Anwendung des zur Ver- künftig wieder verstärkt im Auenökosys- European ash (Fraxinus excelsior) un- fügung stehenden Methodenkatalogs mit tem etablieren. Es steht außer Frage, dass der the ash dieback (Hymenoscyphus standardisierten Verfahren phäno- und ge- die Esche maßgeblich zur Biodiversität bei- fraxineus) epidemic. In: Plants, Peo- notypisiert. Mit Hilfe der Etablierung ei- trägt und ein prägender Bestandteil einer ple, Planet 1 (1), S. 48–58. nes Monitorings, Untersuchungen zur Ge- ganzen Reihe von Waldgesellschaften auf Dichtl, T., Stöger, W. (2020): Auenwald im netik, Züchtung und Phytopathologie sowie Sonderstandorten, wie dem Auwald, ist. Um Klimawandel. Forstliche Forschung an Aspekten des Waldbaues werden im Rah- den Bestandscharakter dieser schützens- Donau und Rhein. In: LWF aktuell 126 men des Demonstrationsprojekts praxis werten Standorte zu erhalten und zur För- (3), S. 28–29. orientierte Strategien für den Umgang mit derung von natürlichen Resistenzbildun- Ellenberg, H., Weber, H., Wirth, W., Düll, R., dem Eschentriebsterben erarbeitet. gen, können Waldbesitzer einen wichtigen Werner, W. (2001): Zeigerwerte von Beitrag zur Generhaltung leisten. Hier- Pflanzen in Mitteleuropa, Scripta Geo- Da die Degeneration der Eschen meist auf für sollten bei Durchforstungsmaßnahmen botanica XVIII (18), 3. Auflage den Erreger des Eschentriebsterbens Hy- gesunde Eschen in ihren Beständen nicht Enderle, R. (2019): An overview of ash (Fra- menoscyphus fraxineus reduziert wird, je- entnommen und dominante Verjüngungs- xinus spp.) and the ash dieback disease doch eine Vielzahl von Faktoren den Ge- pflanzen in ihrem Wuchs gefördert wer- in Europe. In: CAB Reviews 14 (025). sundheitszustand der Eschen beeinflussen, den. Sofern die Eschen aufgrund verringer- Enderle, R. (2019): An overview of ash (Fra- wird seit 2021 ergänzend zu FraxForFuture ter Standfestigkeit kein Risiko darstellen, xinus spp.) and the ash dieback disease in dem Projekt FraxVir untersucht, wie an- sollten auch befallene oder tote Eschen in Europe. In: CAB Reviews 14 (025). fällig Eschen für die Pilzerkrankung sind, nicht gefällt werden, da zahlreiche Arten Enderle, R., Fussi, B., Lenz, H. D., Langer, G., wenn sie bereits virusinfiziert sind. Das Pro- auf ihr Totholz angewiesen sind. Um die Nagel, R., Metzler, B. (2017): Ash die- jekt wird ebenfalls aus dem Sondervermö- Angst der Waldbesitzer vor dem Totalaus- back in Germany: research on disease gen der Förderrichtlinie „Waldklimafonds“ fall zu reduzieren, sollten weitere auenty- development, resistance and manage- vom BMEL und BMU über die Fachagentur pische Mischbaumarten (z. B. Flatterulme, ment options. In: R. Vasaitis und R. En- für Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) Eiche) auf den Flächen eingebracht wer- derle (Hg.): Dieback of European Ash gefördert. Das Ziel der KU ist es, Krankhei- den. Solche Mischbestände können nicht (Fraxinus spp.): Consequences and ten der Esche sowie den Einfluss von abioti- nur den unterschiedlichen Ansprüchen ge- Guidelines for Sustainable Manage- schen Stressfaktoren mit multisensorischen recht werden, sondern zeigen auch eine hö- ment. European Cooperation in Sci- und multitemporalen Daten, die mit Droh- here Resilienz gegenüber invasiven Patho- ence & Technology (COST). Uppsala, nenbefliegungen erhoben werden, bereits in genen. Allerdings sollten gerade Auwälder Sweden. Swedish University of Agri- einem frühen Stadium zu erkennen und ab- sehr achtsam und über mehrere Jahre hin- cultural Sciences. Uppsala, Sewden, zugrenzen. Am Bayerischen Amt für Wald- weg in vielfältige, auetypisch baumarten- S. 89–105. genetik werden genetische Untersuchun- reiche Mischbestände überführt werden, ForstBW (2018): Herausforderung Eschen- gen bei den Eschen durchgeführt, da deren um diesen sensiblen Standorten und ihren triebsterben: Waldbauliche Behand- Erbgut einen wesentlichen Einfluss auf die geschützten Ökosystemen gerecht zu wer- lung geschädigter Eschenbestände. Abwehr der Virusinfektion hat. Dazu sollen den (Müller-Kroehling und Schmidt 2019). Hg. v. Landesbetrieb ForstBW. Stutt- Samen als auch Sämlinge getestet werden. All diese Maßnahmen zusammengenom- gart. Ziel ist die Beantwortung der Frage, ob die men werden uns zukünftig den Erhalt der Fussi, B. (2020): So hat die Esche eine Viren über den Samen und/oder den Pollen Eschen ermöglichen, indem die natürlichen Chance! In: LWF aktuell, Bd. 126 übertragen werden können. Anpassungsprozesse über Naturverjüngung (Wenn der Hahn zu ist – Wald im Tro- und Selektion weiterhin stattfinden können. ckenstress, 3), S. 60–61. Gesunde Eschenpopulationen haben durch Heinze, B., Tiefenbacher, H., Litschauer, R., ihre Anpassungsfähigkeit die größten Chan- Kirisits, T. (2017): Ash dieback in Aus- cen, lange Trockenperioden, den Infektions- tria – history, current situation and druck von Krankheitserregern oder Invasio- outlook. In: R. Vasaitis und R. En- nen von Schädlingen zu überstehen. derle (Hg.): Dieback of European Ash 8 Auenmagazin 21 / 2022
PERSPEKTIVEN A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette Die Zukunft der Esche im Auwald 4-9 (Fraxinus spp.): Consequences and Jahres 2001, Bd. 34. Freising, Ger- Guidelines for Sustainable Manage- many, S. 41–43. ment. European Cooperation in Sci- Rigling, D., Hilfiker, S., Schöbel, C., Meier, ence & Technology (COST). Uppsala, F., Engesser, R., Scheidegger, C. et al. Sweden. Swedish University of Agri- (2016): Das Eschentriebsterben. Bio- cultural Sciences. Uppsala, Sweden, logie, Krankheitssymptome und Hand- S. 33–52. lungsempfehlungen. In: Merkblatt für Hultberg, T., Sandström, J., Felton, A., Öh- die Praxis 57. mann, K., Rönnberg, J., Witzel, J., Roloff und Pietzarka (1997): Fraxinus ex- Cleary, M. (2020): Ash dieback risks celsior. In: Enzyklopädie der Holzge- an extinction cascade. In: Biological wächse – 7. Erg. Lfg. 3/97. Conservation 244, S. 108516. Semizer-Cuming, Chybicki, I., Fnkeldey, R., Jochner-Oette, S., Rohrer, T., Eisen, A.-K., Kjaer, E. D. (2021): Gene flow and re- Tönnes, S. , Stammel, B. (2021): Influ- productive success in ash (Fraxinus ence of Forest Stand Structure and excelsior L.) in the face of ash dieback: Competing Understory Vegetation on restoration and conservation. In: An- Ash Regeneration-Potential Effects of nals of Forest Science 78 (1). Ash Dieback. In: Forests 12 (2), S. 128. Tabari, K. M., Lust, N. (1999): Monitoring of Joint Nature Conservation Committee (JNCC) natural regeneration in a mixed de- (2014): The potential ecological im- ciduous forest. In: Silva Gandavensis pact of ash dieback in the UK. Joint 64 (58–71). Nature Conservation Committee Re- Timmermann, V., Børja, I.; Hietela, A. M., Ki- Kontakt: ports. 483, Peterborough, UK . risits, T., Solheim, H. (2011): Ash die- Anna-Katharina Eisen, M. Sc. Kowalski, T., Holdenrieder, O. (2009): Patho- back: pathogen spread and diurnal Katholische Universität genicity of Chalara fraxinea. In: Forest patterns of ascospore dispersal, with Eichstätt-Ingolstadt Pathology 39 (1), S. 1–7. special emphasis on Norway*. In: EPPO Physische Geographie / Landschafts Lenz, H., Strassner, L., Baumann, M., Baier, Bulletin 41 (1), S. 14–20. ökologie und nachhaltige Ökosystem U. (2012): Boniturschlüssel zur Einstu- entwicklung fung der Vitalität von Alteschen. In: Ostenstraße 14 AFZ – Der Wald 3, S. 18–19. Forschungsprojekte 85072 Eichstätt Lwf (Hrsg.) (2019): Praxishilfe Band I Klima- Tel. +49 8421 93-23074 Boden-Baumartenwahl. S. 89–90 QuoVAPo – Kuratoriumsprojekt: Quo va- Anna-Katharina.Eisen@ku.de Mckinney, L. V., Nielsen, L. R., Collinge, D. B., dis Pollen? Untersuchungen zur (effekti- Thomsen, I. M., Hansen, J. K., Kjaer, E. ven) Pollenausbreitung und Pollen-Samen- Dr. Barbara Fussi D. (2014): The ash dieback crisis: ge- Qualität als Beitrag zur Generhaltung bei Bayerisches Amt für Waldgenetik netic variation in resistance can prove der Esche – https://www.ku.de/eschentrieb- (AWG) a long-term solution. In: Plant Pathol sterben Forstamtsplatz 1 63 (3), S. 485–499. 83317 Teisendorf Metzler; B., Enderle, R., Karopka, M., Töpf- FraxForFuture – Gemeinsam für den Erhalt Tel. +49 8666 9883-44 ner, K., Aldinger, E. (2012): Develop- der Esche: https://www.fraxforfuture.de/ barbara.fussi@awg.bayern.de ment of Ash dieback in a provenance trial on different sites in southern Ger- FraxVir – Verbundvorhaben: Detektion, Cha- Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette many. In: Allgemeine Forst- und Jagd- rakterisierung und Analysen zum Auftreten Katholische Universität zeitung 183 (7), S. 168–180. von Virosen und dem Eschentriebsterben in Eichstätt-Ingolstadt Müller-Kroehling, S., Schmidt, O. (2019): Sonderbeständen von Fraxinus excelsior– Physische Geographie / Landschafts Eschentriebsterben und Naturschutz: Ergänzungsstudie zu FraxForFuture ökologie und nachhaltige Ökosystem 7 Fragen, 7 Antworten. In: ANLiegen entwicklung Natur 41 (1), 145–156. Ostenstraße 14 Nüsslein, S. (2002): Waldbauliche Behand- 85072 Eichstätt lung der Esche. In: Bayerische Landes- Tel. + 49 8421 93-21742 anstalt für Wald und Forstwirtschaft susanne.jochner@ku.de (LWF) (Hg.): LWF-Wissen 34. Beiträge zur Esche. Fachtagung zum Baum des Auenmagazin 21 / 2022 9
PERSPEKTIVEN S. Fink, C. Scheidegger Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel 10-15 NATURSCHUTZPLANUNG FÜR FLIESSGEWÄSSER-AUEN UNTER KLIMAWANDEL Sabine Fink, Christoph Scheidegger Auenlandschaften wurden durch Landnutzung und Flussverbauungen stark eingeschränkt und sind nun durch den Klimawandel einer weiteren Störungskomponente ausgesetzt. Für die Planung von Renaturierungen entlang von Einzugsgebieten ist es wichtig zu wissen, wie sich Szenarien zu verändertem Temperatur- und Niederschlagsregime auf die Verbreitung von typischen Auenpflanzen des Auenweidengebüschs (Salicion elaeagni), Weichholz-Auenwal- des (Salicion albae) und des Hartholz-Auenwaldes (Fraxinion) auswirken. Lebensraummodelle ermöglichen es mit Hilfe von Simulationen zur Ausbreitung der Arten von heutigen Standorten aus in zukünftig verfügbare Lebensräume, Voraussagen zu Refugien in einem Einzugsgebiet zu machen. Die Ergebnisse sind als Ergänzung zu Monitoring- Programmen und Forschungsprojekten bei der Priorisierung der Nutzung des limitierten Raumes entlang der Fließ- gewässer nützlich. Auenschutz in der Schweiz großen Fließgewässern – aufgeführt (Bun- (Bundesamt für Umwelt 2020). Zusätzlich desrat der Schweiz 1992). sind die an Fließgewässer gebundenen Le- Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind fast bensräume vom Klimawandel unmittelbar 90 % der Auenlandschaften in der Schweiz Seit der zweiten Revision des Aueninven- betroffen, wie Berechnungen für hydrolo- verschwunden. Um die verbleibenden Auen tars 2017 sind 326 Objekte inventarisiert, gische Szenarien für Ende des Jahrhunderts zu erhalten, wurde 1992 die Verordnung welche auf einem Anteil von 0,7 % der Lan- zeigen (Bundesamt für Umwelt 2021). zum Schutz von Auengebieten von nati- desfläche vielfältige Ökosystemleistungen onaler Bedeutung in Kraft gesetzt. Im da- übernehmen und Lebensraum für eine Viel- Um langfristig nachhaltige Aufwertungen zugehörigen Inventar sind vielfältige Au- zahl an Arten bieten. Eine Erhebung hat er- zu planen, ist es entscheidend zu wissen, enobjekte – von alpinen Schwemmflächen geben, dass viele Auen von nationaler Be- ob Fließgewässer-Auen auch in Zukunft über See-Auen bis hin zu Auen entlang von deutung einen großen Aufwertungsbedarf Lebensraum für typische Organismen bie- haben, allen voran die Fließgewässer-Auen ten. Besonders wichtig ist dies für sessile Abb. 1: Lebensraum der Pflanzengemeinschaft Auenweidengebüsch am alpinen Fluss Moesa (Zubringer zum Ticino) bei Cabbiolo (Kanton Graubünden) mit ei- ner Deutsche Tamariske (Myricaria germanica) im Vordergrund. (Foto: Sabine Fink) 10 Auenmagazin 21 / 2022
PERSPEKTIVEN S. Fink, C. Scheidegger Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel 10-15 Salix elaeagnos Myricaria germanica Wahrscheinlichkeit Lebensraum 0.0–0.2 0.2–0.4 0.4–0.6 0.6–0.8 0.8–1.0 Abb. 2: Modellierter zukünftiger Lebensraum für zwei Pflanzenarten, Lavendel-Weide (Salix elaeagnos) und Deutsche Tamariske (Myricaria germanica), der Pflanzengemeinschaft Auenweidengebüsch am alpinen Fluss Moesa (Fließrichtung Nord nach Süd), einem Zubringer des Ticino. Während für S. elaeagnos in Zukunft (2090–2100) unter Klimawandel viel Lebensraum vorausgesagt wird (orange-gelb entspricht hoher Wahrscheinlichkeit), wird für M. germanica nur wenig Habitat verfügbar sein (grau bis dunkelrot entspricht tiefer Wahrscheinlichkeit). Ein Pixel im Modell entspricht einer Fläche von 100 x 100 m. Modifiziert nach Fink und Scheidegger 2018. Organismen wie Pflanzen, welche bereits zenart nur bei bestimmten Temperaturen mik gebundene Art Myricaria germanica jetzt durch wiederkehrende extreme Er- oder Niederschlagsregimes vorkommt oder der Lebensraum gemäß den Vorhersagen in eignisse, wie bspw. Hochwasser, lokal vom besondere Anforderungen an den Boden Zukunft noch knapper. Dieses Resultat un- Aussterben bedroht sind, wenn die Le- hat, wie zum Beispiel Wasserdurchlässig- terstreicht die Wichtigkeit einer Planung bensräume ungenügend vernetzt sind, um keit oder Kalkgehalt. zur Erhaltung der typischen Auenarten. Wiederbesiedlungen zu ermöglichen. In al- pinen bis hin zu tieferen Höhenlagen sind Im zweiten Schritt wird die potentielle zu- Nach Erstellen von Potentialkarten, die den in der Schweiz vor allem die gefährdeten künftige Verbreitung der Art unter den ver- aktuellen und zukünftigen Lebensraum ab- Auenweidengebüsche (Salicion elaeagni) änderten Temperatur- und Niederschlags- bilden, können Simulationen zeigen, wie (Delarze et al. 2013) mit der Deutschen Ta- regimes vorausgesagt. Dazu wird der sich die Pflanzen ausgehend von heutigen mariske (Myricaria germanica), Sanddorn Zusammenhang aus dem zuvor beschrie- Vorkommen durch Wind, Wasser oder Tiere (Hyppophaë rhamnoides) und verschie- benen Lebensraummodell auf zukünftige entlang von Fließgewässern ausbreiten und denen Weidenarten (Salix daphnoides, Klimaszenarien angewandt, so dass das die potentiellen Lebensräume besiedeln S. elaeagnos, S. triandra) im Fokus von Re- Potential für zukünftige Habitate abge- könnten. Das Ausbreitungs- und Überle- naturierungsprojekten (Delarze und Gonseth schätzt werden kann. Die Qualität des po- benspotential von Pflanzen unter veränder- 2015, siehe Abb. 1). Die Pflanzengemein- tentiellen zukünftigen Lebensraumes für ten Umweltbedingungen kann eingeschätzt, schaft ist auf dynamische Fließgewässer die Pflanze wird zum Beispiel stark vermin- und die Vernetzung zwischen aktuellen angewiesen und übernimmt zugleich eine dert, wenn die Erwärmung (beispielsweise Schutzgebieten wie Auen von nationaler wichtige Rolle in der Stabilisierung von mittlere Jahrestemperatur) den maxima- Bedeutung und möglichen zukünftigen Ha- Kiesbänken und Ufern (Delarze und Gon- len Wert der aktuellen Vorkommen einer bitaten sichtbar gemacht werden. seth 2015). Art übersteigt. Die Voraussagen für die typischen Arten des Lebensraum in Auengebieten von Modelle zeigen Zusammenhänge auf Auenweidengebüsches in der dynamischen nationaler Bedeutung Zone von alpinen Flüssen zeigen, dass für Modelle, welche die Nische der Pflanzen die Pflanzen sehr unterschiedliche Habitat- Auen von nationaler Bedeutung entlang von unter klimatischen, geologischen und to- verfügbarkeiten zu erwarten sind (Abb. 2, Fließgewässern benötigen Aufwertungen, pographischen Bedingungen beschreiben, vgl. Fink und Scheidegger 2018). Während da u.a. Defizite im Sedimentregime oder bei ermöglichen es uns, das Schicksal von Ar- für einige Weidenarten wie beispielsweise der Landnutzung bekannt sind (Bundesamt ten in Auen unter Klimawandel-Bedingun- Salix elaeagnos unter Klimawandel (Vor- für Umwelt 2020). Die geschützten Auen- gen vorauszusagen. Zuerst wird dazu ein aussage starke Temperaturzunahme und gebiete wurden nun erstmals mit Vegeta- Lebensraummodell erstellt, das die Zusam- Niederschlag saisonal verändert, Szenario tionsanalysen im Rahmen eines nationalen menhänge zwischen den georeferenzierten ohne Klimaschutz gemäß dem fünften Be- Monitorings untersucht (Projekt Wirkungs- Fundmeldungen der Pflanzen in der gan- richt des Iccp (2014) und der Berechnung kontrolle Biotopschutz Schweiz, Bergamini zen Schweiz und Umweltinformationen ih- nach Cordex) in der Modellierung auch in et al. 2020). Auch Potentialkarten können res Lebensraumes statistisch herstellt. So Zukunft viele Nischen vorausgesagt werden, Informationen liefern, ob innerhalb der ge- zeigt sich beispielsweise, dass eine Pflan- wird für die eng an die Fließgewässerdyna- schützten Auenperimeter Lebensraum für Auenmagazin 21 / 2022 11
PERSPEKTIVEN S. Fink, C. Scheidegger Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel 10-15 Einen hohen ökologischen Wert hat der Weichholz-Auenwald aufgrund seiner Be- deutung für uferbrütende Vögel, die in Hohlräumen der Bäume Nistplätze finden, und auch für holzbewohnende Insekten (Delarze und Gonseth 2015). Der Lebens- raum ist aufgrund der Regulierungen der Fließgewässer gefährdet (Delarze und Gon- seth 2015), und auch nach Renaturierungen dauert es mindestens fünfzehn Jahre, bis sich die typische Lebensraumgemeinschaft einstellt (Werth et al. 2012). Daher ist es für die Planung von Renaturierungen innerhalb und außerhalb von Auengebieten von nati- onaler Bedeutung wichtig zu wissen, ob die Arten auch unter veränderten klimatischen Bedingungen geeignete Lebensraumbedin- gungen finden. Die Pflanzengemeinschaft Salicion albae ist in den großen Einzugsgebieten (Inn, Rhein, Abb. 3: Lebensraum der Pflanzengemeinschaft Weichholz-Auenwald im Auengebiet von nationaler Rhône, Ticino) in isolierten Lebensräumen Bedeutung „Rhäzünser Rheinauen“ (Kanton Graubünden) am Hinterrhein. (Foto: Christoph Scheidegger) verbreitet. In diesen Einzugsgebieten wer- den auch die unter aktuellen und zukünfti- die Arten vorhanden ist und ob diese Ge- einer starken Flussdynamik ausgesetzt und gen Temperatur- und Niederschlagsregimes biete das Überleben von gefährdeten Arten besteht daher aus einer Gemeinschaft von modellierten Habitate vorausgesagt (Fink ermöglichen. verschiedenen Weiden- (Salix alba, S. fra- und Scheidegger 2021). Modelle unter Be- gilis, S. myrsinifolia, S. purpurea, S. trian- rücksichtigung von extremem Klimawandel, Für das Schweizer Tiefland ist in Auen von dra, S. viminalis) und Pappelarten (Populus ohne Klimaschutz, CO2-Äquivalenzkonzent- nationaler Bedeutung die Pflanzengemein- alba, P. nigra), welche an jährlich wie- ration RCP 8.5, (siehe IPCC 2021) und mode- schaft des Weichholz-Auenwalds (Salicion derkehrende Hochwasser angepasst sind ratem Klimawandel mit Klimaschutz, CO2- albae) im Fokus, bspw. bei Flussaufwei- (Delarze et al. 2013, Delarze und Gonseth Äquivalenzkonzentration RCP 4.5, zeigen tungen (Rohde 2005). Dieser Waldtyp ist 2015, siehe Abb. 3). für typische Pflanzenarten des Weichholz- 80 70 % Habitatverfügbarkeit innerhalb 60 Auen nationaler Bedeutung 50 40 30 20 10 0 is lba ra lba is a ea a lis ra ale sis cum alba igra alba gilis folia urea ra lis ra le ns icu m nig gil oli ur dr ina ma cin en nd na ma ina ne at sa xa fra nif rp an an at i lus s n alix fra rsini rp ria vimi ca offic od a u lu ulu s Sa li x yrs i u xt ri im lca offi d u l u x u t l h aq pu p ali lixp li xv li d u ho n a q p u pu S l i Sa ix m y p lix Sali x lix d u sr on Po Po S m Sa Sa Sa m um sr Po Po Sa Sa m um cti ot lix nu phyt cti osot o al nu phyt a yo s Sa l a a S l a E pip M So Sym E p i p M y S o S y m Fundmeldungen Habitatverfügbarkeit (moderater Klimawandel) Habitatverfügbarkeit (aktuell) Habitatverfügbarkeit (extremer Klimawandel) Abb. 4: Habitatverfügbarkeit für typische Pflanzenarten des Weichholz-Auenwaldes innerhalb der Auengebiete von nationaler Bedeutung in der Schweiz. Links: Auf weniger als 30 % der Fläche innerhalb der Auenperimeter sind die Arten gemeldet worden, aber das Modell sagt eine größere Fläche an möglichem Lebensraum voraus. Rechts: Voraussagen des verfügbaren Lebensraumes unter moderaten und extremen Klimaveränderungen zeigen, dass deutlich weniger Habitate innerhalb der Auen von nationaler Bedeutung verfügbar sein werden. Modifiziert nach FINK und SCHEIDEGGER 2021. 12 Auenmagazin 21 / 2022
PERSPEKTIVEN S. Fink, C. Scheidegger Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel 10-15 Auenwaldes, dass die Habitatverfügbarkeit innerhalb der heutigen Schutzgebiete in Zu- kunft abnimmt (Abb. 4, siehe auch in Fink und Scheidegger 2021). Abhängig von den individuellen Ansprüchen an den Lebens- raum ist die Abnahme der Habitatverfüg- barkeit innerhalb der Auen von nationa- ler Bedeutung unterschiedlich stark, bspw. auch zwischen verschiedenen Weidenarten (Abb. 4). Für die Naturschutzplanung zur Er- haltung des Weichholz-Auenwaldes muss berücksichtigt werden, dass viele Pflanzen- vorkommen zukünftig nicht mehr an den gleichen Fundorten zu erwarten sind. Zeitlich beschränkte Lebensräume oder langfristige Refugien Bei der langfristigen Planung zur Habitat- verfügbarkeit für typische Arten der Au- envegetation sind räumlich explizite Po- Abb. 5: Hartholz-Auenwald (Fraxinion) an der Mündung der Rhône in den Genfersee im Auengebiet von tentialkarten hilfreich, damit zeitlich nationaler Bedeutung „Les Grangettes“ (Kanton Waadt). (Foto: Sabine Fink) beschränkte Habitate von langfristigen Le- bensräumen unterschieden werden können. ter sind isolierte Habitate, die nicht mehr bestmögliche Voraussetzungen für resilien- Letztere bilden wichtige Refugien, welche an die Auendynamik angebunden sind, von tere Bestände für die Zukunft zu schaffen. den Pflanzenarten ermöglichen, auch unter Absenkungen des Grundwassers betroffen extremen Klimaveränderungen an geeig- (Delarze und Gonseth 2015). Als wichtige neten Standorten zu bestehen. Dies ist be- Lebensräume des Europäischen Smaragd- Einschränkungen bei der Anwendung sonders für Lebensräume mit Wiederkehr- Netzwerkes sind Hartholz-Auenwälder – der Lebensraummodelle zeiten von mehreren Dekaden wichtig, wie wie auch Weichholz-Auenwälder – beson- bspw. den Hartholz-Auenwald mit über 30 ders schützenswerte Habitate (Delarze et Lebensraummodelle sind Voraussagen, die Jahren Entstehungszeit (Werth et al. 2012). al. 2003). langfristige Monitoring-Programme und Feldaufnahmen im Rahmen von Projektar- Für den Hartholz-Auenwald (Fraxinion) Um abzuschätzen, welche Regionen lang- beiten ergänzen können. Bei großräumigen in der Schweiz typische Arten sind Seg- fristig stabile Lebensräume und für Pflan- Planungen bspw. auf Einzugsgebietsebene gen (Carex brizoides, C. pendula, C. remota, zen des Fraxinion Refugien bieten, kann sind lückenlose Vegetationskartierungen C. strigosa) sowie der Riesenschachtelhalm die Habitatverfügbarkeit unter verschiede- aller Auenlebensräume nicht zu bewälti- (Equisetum telmateia, in Delarze und Gon- nen Klimaszenarien verglichen werden. Für gen. Da bieten Lebensraummodelle basie- seth 2015). Auch Arten auf der Roten Liste die Arten der Roten Liste ist die Habitat- rend auf Informationen aus Datenbanken der Gefäßpflanzen bspw. Malaxis mono- verfügbarkeit in Zukunft kleiner als unter gute Alternativen. phyllos und Ulmus laevis sind charakteris- aktuellen klimatischen Bedingungen, und tisch für den Hartholz-Auenwald (Delarze viele Lebensräume könnten unter Bedin- In der Schweiz werden Funddaten im Schwei- und Gonseth 2015, siehe Abb. 5). Viele sel- gungen des Klimawandels nicht langfristig zerischen Informationszentrum für Arten tene Pflanzenarten sind an die Lebensraum- besiedelt werden (Abb. 6). Bei der Planung gesammelt und können für Projektplanun- bedingungen im Hartholz-Auenwald ange- von Renaturierungen in einem Einzugsge- gen bezogen werden (www.infospecies.ch). passt und daher durch die Fragmentierung biet kann diese Information genutzt wer- Da die Informationszentren viele Daten von der Lebensräume und die Waldnutzung be- den: Am Beispiel der Rhône müsste für die freiwilligen Mitarbeitenden wie auch von einträchtigt (Delarze und Gonseth 2015). vier untersuchten Arten (Abb. 6) der Fokus Forschungsprojekten enthalten, muss vor auf dem Mündungsgebiet liegen, da dort der Anwendung der Daten in Modellen eine Hartholz-Auenwälder sind Lebensräume Refugien für einen Teil der Arten voraus- unabhängige Datenkontrolle erfolgen. Die mit einer hohen Strukturvielfalt und einer gesagt sind. Für die bereits auf der Roten Verwendung der Fundkoordinaten in For- hohen Biodiversität, aber sie sind in der Liste verzeichneten Arten, für welche die schungsprojekten bietet auch eine große Schweiz nur noch selten mit einer funk- Habitatverfügbarkeit in Zukunft abnehmen Chance, die von Freiwilligen erarbeitete tionalen Auendynamik vernetzt und daher könnte, müsste die Naturschutzplanung auf Leistung sichtbar zu machen und die Bevöl- stark gefährdet (Delarze et al. 2013). Wei- einer aktuellen Förderung der Art liegen, um kerung für Artenaufnahmen zu gewinnen. Auenmagazin 21 / 2022 13
PERSPEKTIVEN S. Fink, C. Scheidegger Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel 10-15 Carex pendula Malaxis monophyllos Habitatverfügbarkeit Aktuell ja, Zukunft ja Aktuell ja, Zukunft nein Aktuell nein, Zukunft ja Aktuell nein, Zukunft nein Prunus padus Ulmus laevis Abb. 6: Vorausgesagte Veränderungen in der Habitatverfügbarkeit für vier Arten der Pflanzengemeinschaft Fraxinion entlang dem Fluss Rhône (Fließrichtung Nord-Ost nach Westen), bis zur Mündung in den Genfersee. Für zwei Arten, Carex pendula und Prunus padus, sind Refugien vorausgesagt, die das längerfristige Bestehen der Art auch unter Klimawandel ermöglichen könnten. Für Malaxis monophyllos und Ulmus laevis ist die Habitatverfügbarkeit entlang der Rhône und ihren Zubringerflüssen nur unter aktuellen Klimabedingungen vorausgesagt. Ein Pixel im Modell entspricht einer Fläche von 100 x 100 m. Modifiziert nach Fink und Scheidegger 2021. Bei den vorgestellten Lebensraummodellen einer Überbewertung des effektiv verfügba- Lebensraummodelle ermöglichen durch die handelt es sich um statistische Modelle, de- ren Habitats, da sie wichtige Standortfak- Berechnung von Zusammenhängen und ren Güte und Abweichungen mit berechnet toren (bspw. Mikroklima) nicht berücksich- durch Rückschlüsse auf die Wichtigkeit werden. Wie bei allen Modellen sind die be- tigen, die für kleinräumige Vorkommen von der einzelnen Faktoren im Modell, die Ni- rechneten Zusammenhänge abhängig da- Arten wesentlich sind. So wird beispiels- sche der untersuchten Art besser zu ver- von, welche Faktoren zur Beschreibung des weise die Sonneneinstrahlung am Wuchs- stehen. Bei schlecht identifizierbaren oder Habitats angewandt wurden. In den hier sort oder die Bewirtschaftung im Lebens- nur saisonal sichtbaren Arten, wie z. B. Pilze beschriebenen Beispielen sind klimatische, raum einer einzelnen Pflanze nicht in den in Auenlandschaften, können Fundmeldun- geologische und topographische Fakto- vorliegenden Modellen erfasst. Diese Anfor- gen von diversen Jahren gemeinsam in ei- ren berücksichtigt worden, die nicht direkt derungen an das Habitat müssen als zusätz- nem Modell analysiert neue Erkenntnisse durch Bewirtschaftung beeinflussbar sind. liche Faktoren oder Maßnahmen beschrie- liefern. Wenn eine Art noch wenig bekannt Pflanzen in Auengebieten sind stark von der ben werden, die innerhalb von möglichen oder die Vorkommen in einem Habitat rela- Flussdynamik abhängig, welche in den vor- verfügbaren Habitaten vorhanden sein oder tiv neu sind (beispielsweise eingewanderte liegenden Studien nicht direkt berücksich- angewendet werden müssen. Arten), können Lebensraummodelle basie- tigt wurde, aber über die Topographie wie rend auf Fundorten in anderen Regionen bspw. Gefälle indirekt zur Beschreibung des Wichtig für das Überleben einer Pflanze ist Zusammenhänge aufzeigen. Dies ist eine Lebensraumes im Modell beitragen. Mit der auch die Konkurrenz durch andere Pflan- Chance, die Nische von Neobiota in Auen- Publikation von hydrologischen Szenarien zenarten oder die Einbindung in Lebensge- landschaften zu erkennen, wie von Been- unter verschiedenen klimatischen Entwick- meinschaften mit anderen Organismen. Für ken und Senn-Irlet (2016) für Neomyceten lungen (Bundesamt für Umwelt 2021) steht einige Arten von Flechten, die Indikatoren beschrieben. für die Schweiz seit diesem Jahr ein Daten- für autochthone Auenwälder sind (Abb. 7), satz zur Verfügung, der zukünftige Lebens- konnten die Lebensraummodelle mit Da- Bei vielen Renaturierungsprojekten wird raummodelle verbessern könnte. ten zur Waldstruktur entscheidend verbes- das Management von Neobiota bereits bei sert werden (Dymytrova et al. 2016). Für der Planung berücksichtigt. Die mögliche Pilze in Fließgewässernähe ist es jedoch ge- Veränderung der Pflanzengemeinschaften Lebensraummodelle als Chance, die lungen, ohne Informationen zu typischen durch den Klimawandel hingegen ist noch Nische zu charakterisieren Wirtspflanzen Potentialkarten zu erstellen, wenig bekannt. Für die langfristige Planung unter anderem auch für stark von Wirts- sind Szenarien wichtig, um die Resilienz der Großräumige Lebensraummodelle basie- pflanzen abhängige Mykorrhizapilze (Fink typischen Auenarten gegenüber Klimaver- rend auf klimatischen, geologischen und et al. 2021). änderungen abzuschätzen und rechtzeitig topographischen Faktoren führen sicher zu unterstützende Maßnahmen zur Erhaltung der hohen Biodiversität in Auenlebensräu- men treffen zu können. 14 Auenmagazin 21 / 2022
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