Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt

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Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
Heft 21 / 2022

Auenmagazin
   Magazin des Auenzentrums Neuburg a. d. Donau
   In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt
Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
INHALT

                                                                                 INHALT
Perspektiven
     Die Zukunft der Esche im Auwald................................................................................................................................. 4
     Anna-Katharina Eisen, Barbara Fussi, Susanne Jochner-Oette
     Naturschutzplanung für Fliessgewässer-Auen unter Klimawandel..................................................................10
     Sabine Fink, Christoph Scheidegger

Berichte und Projekte
     Donauarme in der Slowakei – zehn Jahre Bemühungen um Renaturierung.....................................................16
     Pavol Surovec
     Pro Gewässer 2030: Ein neues Aktionsprogramm für Bayern............................................................................21
     Thomas Henschel, Wolfgang Kraier, Wolfgang Rieger, Andreas Gorbauch

Im Gespräch
     Interview mit den Stiftern der Stiftung Naturerbe Donau...................................................................................29
     Siegfried Geißler

Auenbewohner
     Lebensräume der Flussauen II Altarme und Altwasser.........................................................................................32
     Francis Foeckler, Wolfgang Ahlmer

Rückblick
     43. IAD-Konferenz „Rivers and floodplains in the Anthropocene”....................................................................41
     Bernd Cyffka
     Flusslandschaften – Ökosystemleister – Lernlandschaften.
     Bildung in Auen: Chancen und Herausforderungen..............................................................................................42
     Ulrich Riedl

Aus der Forschung
     Edaphic-Bloom Danube.................................................................................................................................................44
     Isabell Becker, Gregory Egger, Erika Schneider, Florian Wittmann

Auennews
     Bernd Cyffka neuer Präsident der IAD......................................................................................................................46

Termine und Veranstaltungen
     29.06.–30.06.2022 Symposium‚ „Gewässer- und Auenentwicklung“
     in Landau an der Isar. ...................................................................................................................................................46

     Beiträge, die nicht ausdrücklich als Stellungnahme des Herausgebers gekennzeichnet sind, stellen die
     persönliche Meinung der Verfasser / innen dar. Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Rich-
     tigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Drit-
     ter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder;
     aus der Veröffentlichung ist keinerlei Bewertung durch die Redaktion ableitbar!

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Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser,

„Deutschland gibt für Beseitigung der Hochwasserschäden 30 Milliarden Euro aus“. So lau-
tete eine Zeitungsüberschrift nach dem verheerenden Unwetter im Juli 2021. Der Welt-
klimarat geht aufgrund des Klimawandels von einer Zunahme von Starkregenereignissen
in West- und Mitteleuropa aus, die Hochwasserkatastrophen wahrscheinlicher werden
lassen. Natürliche Auen sind unverzichtbar für den Hochwasserschutz. Aufgrund ihrer
Standortvielfalt zählen sie zudem zu den Hotspots der Biodiversität. In der Vergangen-
heit wurden viele Flussläufe begradigt und eingedeicht. Hochwasser breitete sich nicht
mehr in den Auen aus, verbunden mit starkem Verlust an Hochwasserschutz und einem
Rückgang der biologischen Vielfalt. Derzeit gibt es viele Aktivitäten, um den Zustand der
Auen wieder zu verbessern. Diese Maßnahmen sollten im Sinne „Tue Gutes und rede dar-
über“ der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Das vorliegende Heft will hierzu
einen Beitrag leisten.

Ein Pilz bedroht die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.). Anna-Katharina Eisen und
Susanne Jochner-Oette von der Katholischen Universität Eichstätt sowie Barbara Fussi vom
Bayerischen Amt für Waldgenetik stellen die Bedeutung der Esche für die Hartholzaue
dar. Sie stellen Ergebnisse ihrer Forschung zur Förderung der Eschennaturverjüngung vor,
berichten über Resistenzversuche und ziehen erste vorsichtige Schlussfolgerungen zum
Erhalt der Esche im Auwald.

Bauliche Maßnahmen in den Flusslandschaften beeinträchtigen die Biodiversität. Mit dem
Klimawandel ist ein weiterer Störfaktor hinzugekommen. Sabine Fink und Christoph Schei-
degger von der Eidgenossenschaftlichen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Land-
schaft beschreiben, wie sich mit Hilfe von Lebensraummodellen der Einfluss der Klima­
änderung auf die Verbreitung von typischen Auenpflanzen darstellen lässt.

Pavol Surovec vom slowakischen Landesverband für Naturschutz und Nachhaltige
Entwicklung zeigt anhand von mehreren erfolgreichen Best-Practice-Beispielen auf, wie
Altgewässer wieder an die Donau angebunden werden können, um die Biodiversität lang-
fristig zu erhalten und zu fördern.

„Hochwasserschutz bedeutet, Verantwortung zu übernehmen für die Zukunft und die
nachfolgenden Generationen“ so der Bayerische Umweltminister Thorsten Glauber. Die-
sen Schutz mit Ökologie und Sozialfunktionen zu verknüpfen, schreibt das neue Bayeri-
sche Gewässer-Aktionsprogramm 2030 vor. Thomas Henschel, Wolfgang Kraier, Wolfgang
Rieger und Andreas Gorbauch vom Bayerischen Landesamt für Umwelt stellen in ihrem
Artikel insbesondere die Rolle der Auen im Programm dar.

Ihre Beweggründe, eine private Stiftung zu gründen und das eigene Vermögen dafür be-
reitzustellen, erläutern die Stifter der Einrichtung Dr. Maja Gräfin Du Moulin Eckart und
Dieter Graf von Brühl in einem Interview mit Siegfried Geißler von der Unteren Natur-
schutzbehörde Neuburg-Schrobenhausen.

Altgewässer bieten einen abwechslungsreichen Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere.
Francis Foeckler, Sachverständiger für Gewässerökologie, und Wolfgang Ahlmer von der
Regierung der Oberpfalz gehen in ihrer Abhandlung auf charakteristische Vertreter aus
der Pflanzen- und Tierwelt ein und verbinden dies mit einem Plädoyer zum Schutz, Erhalt
sowie Wiederherstellung von Altarmen und Altwasser.

Zwei Rückblicke auf interessante Veranstaltungen, Personalnachrichten und Neues aus der
Forschung sowie der Hinweis auf ein zweitägiges Symposium runden diese Ausgabe ab.

Viel Spaß beim Lesen der neuen Ausgabe wünscht
Das Redaktionsteam

                                                         Auenmagazin 21 / 2022                3
Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
PERSPEKTIVEN

A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette           Die Zukunft der Esche im Auwald                                                      4-9

DIE ZUKUNFT DER ESCHE IM AUWALD

Anna-Katharina Eisen, Barbara Fussi, Susanne Jochner-Oette

Die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.) zählt aufgrund ihrer Hochwassertoleranz zu einer wichtigen Baumart in
Auenwaldökosystemen. Die Esche ist durch das Eschentriebsterben akut gefährdet. An der Katholischen Universität
Eichstätt-Ingolstadt und dem Bayerischen Amt für Waldgenetik wird seit 2018 in Verbundprojekten erforscht, welche
Auswirkungen des Eschentriebsterbens, unter anderem auch im Auwald, zu beobachten sind.

Die Gemeine Esche (Fraxinus excel-            vergesellschaftet, darunter 12 Vogel-­           der Eschen in Mischbeständen absterben
sior L.) – eine wertvolle Baumart im          arten, 55 Säugetiere, 78 Gefäßpflanzen,          (Coker et al. 2019). Es wird angenommen,
Auwald                                        58 Moose, 68 Pilze, 239 wirbellose Tiere         dass nur ca. 1–5 % der Eschen weniger an-
                                              und 548 Flechten. 44 dieser Arten können         fällig sind und keine oder nur geringe Symp­
Die Forstwirtschaft steht bei der Bewirt-     als obligat an die Esche gebundene Arten         tome in Bezug auf das Eschentriebsterben
schaftung von Auwäldern vor großen Her-       bezeichnet werden und kommen nur auf             zeigen (Mckinney et al. 2014, RIEGLING et
ausforderungen, da wichtige Auwald-Bau-       entweder lebenden oder toten Eschen vor.         al. 2016) Die hohen Mortalitätsraten wer-
marten, neben Esche auch Feldulme (Ulmus                                                       den derzeit als eine ernsthafte Bedrohung
minor) und Schwarzerle (Alnus glutinosa),                                                      für die ökologische Vielfalt in Europa an-
durch Krankheiten wie Ulmensterben bzw.       Ursachen und mögliche Folgen des                 gesehen. In der Forstwirtschaft wird auf
Erlensterben bedroht sind (LWF 2019). Der     Populationsrückgangs der Esche                   das Eschentriebsterben in den Altbeständen
Klimawandel bringt zusätzliche Unsicher-                                                       häufig mit Entnahme der stark geschwäch-
heiten bzgl. der zukünftigen Eignung un-      In den letzten zehn Jahren ist der Bestand       ten Eschen reagiert, um einer Holzentwer-
serer Auwald- Baumarten, um einer stand-      der Esche durch das Eschentriebsterben           tung zuvorzukommen (Enderle 2019). In
ortgemäßen, ökologisch sinnvollen und         bedroht, wodurch gegenwärtig auch ihre           Österreich hat sich der Holzeinschlag bis
öko­nomisch interessanten Wald­wirtschaft     forstliche Zukunft infrage gestellt wird. Auf-   2015 (im Vergleich zu 2008) versechsfacht
gerecht zu werden (Dichtl und Stöger 2020).   grund ihres hohen Potenzials ist der Verlust     (Heinze et al. 2017), ähnliche Steigerun-
Im Zuge des Waldumbaus wurden in den          der Esche, gerade in Auwäldern, in welchen       gen wurden auch für Deutschland verzeich-
1990er-Jahren viele Eschen gepflanzt, um      spezifisch angepasste Baumarten benötigt         net (ForstBW 2018). Da die Krankheit bei
Mischwaldökosysteme wirtschaftlich und        werden, gravierend für die Waldwirtschaft        Jungpflanzen eine hohe Letalität aufweist,
ökologisch aufzuwerten (Enderle et al.        (Dichtl und Stöger 2020). Das Eschentrieb-       ist davon auszugehen, dass der Anteil der
2017, Müller-Kroehling und Schmidt 2019).     sterben, welches europaweit auftritt, wird       Eschen in den folgenden Generationen noch
Aufgrund ihres Vorkommens auch in som-        durch den invasiven Pilz Hymenoscyphus           weiter zurückgehen wird (Timmermann et
merwarm geprägten und vergleichsweise         fraxineus und sein ungeschlechtliches            al. 2011). Ein starker Bestandsrückgang
trockenen Klimaregionen, gilt die Esche als   Stadium Chalara fraxinea verursacht. Im          hätte eine Fragmentierung der Populatio-
vielversprechende Baumart im Klimawan-        deutschsprachigen Raum wird dieser Erre-         nen und eine Schwächung des Pollenflu-
del (LWF 2019). Sie besitzt eine hohe Über-   ger auch als Falsches Weißes Stengelbe-          ges zwischen den windbestäubten Bäumen
flutungstoleranz und wurde und wird daher     cherchen bezeichnet. Dieser Pilz stammt ur-      zur Folge. Somit sind einzelne Bäume und
auch in Gebieten mit Hochwassereintritts-     sprünglich aus Ostasien und zeichnet sich        Eschenpopulationen über die Pollenausbrei-
wahrscheinlichkeiten (HQ) von HQ häufig,      durch ein invasives Potenzial in Europa aus.     tung nicht mehr ausreichend genetisch mit-
HQ 100 und HQ extrem angebaut (Brundke und    Seine Sporen befallen zunächst die Blätter,      einander vernetzt und die fortschreitende
Binder 2017). Im Auwald bei Neuburg an        Triebe und schließlich das Holz der Eschen,      Fragmentierung geht mit einer Verringe-
der Donau ist die Gemeine Esche beispiels-    was in vielen Fällen in der Folge zu ihrem       rung des Genflusses und folglich mit einer
weise mit einem Anteil von mehr als 15 %      Absterben führt (Enderle 2019). Die ersten       Verengung des Genpools einher (Mckinney
vertreten (Jochner-Oette et al. 2021). Die    Symptome des Eschentriebsterbens wur-            et al. 2014). Dadurch wird die Anpassungs-
Blätter und Wurzeln der Esche sind leicht     den 1992 in Polen festgestellt (Kowalski         fähigkeit der Esche negativ beeinflusst. In
abbaubar. Da die Esche ihren Blättern vor     und Holdenrieder 2009). In der Zwischen-         einem gesunden Ökosystem setzen sich im
dem Abwurf relativ wenige Nährstoffe ent-     zeit wurden der Erreger und seine Auswir-        Laufe des evolutionären Anpassungsprozes-
zieht, trägt sie zu einem hohen pH-Wert       kungen in vielen Wäldern Europas beob-           ses diejenigen Genotypen durch, die unter
im Boden bei. Das fördert im Allgemeinen      achtet, was vielerorts zu einem starken          den vorherrschenden Umweltbedingungen
das Bodenleben (JNCC 2014). Laut dem Be-      Rückgang der lokalen Eschenpopulationen          die höchste Fitness aufweisen. Bei der
richt des Joint Nature Conservation Com-      führte (Hultberg et al. 2020). Simulationen      Esche konnte eine Vererbbarkeit der Re-
mittee (JNCC 2014) sind ca. 1.058 Spe-        zufolge werden in den nächsten 30 Jah-           sistenz nachgewiesen werden, die aller-
zies mit der Esche oder Eschen­wäldern        ren in Europa voraussichtlich bis zu 75 %        dings vom Reproduktionserfolg und der

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PERSPEKTIVEN

A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette                  Die Zukunft der Esche im Auwald                                                              4-9

Abb. 1: Eschen (zum Teil befallen vom Eschentriebsterben) im Donau-Auwald bei Marxheim. Mit einer Wuchshöhe von bis zu 40 m ist die Esche einer der
höchsten Laubbäume Europas (Foto: Landschaftsökologie, KU-Eichstätt-Ingolstadt)

Ausbreitungsfähigkeit der weniger anfälli-           von ihr abhängig sind. Es wird geschätzt,            werden unter anderem der Paarungserfolg
gen Bäume abhängig ist (Semizer-Cuming et            dass 69 der mit der Esche assoziierten Ar-           und die Eigenschaften von Pollen und Sa-
al. 2021). Die Mannbarkeit der Eschen tritt          ten wahrscheinlich stark zurückgehen oder            men in Abhängigkeit von der Schädigung
im Freistand mit 20 bis 30 und im Bestan-            aussterben werden (JNCC 2014). Hultberg              der Elternbäume untersucht. Während der
desschluss mit 30 bis 35 Jahren ein. Eschen-         et al. (2020) gehen von bis zu neun zusätzli-        Projektlaufzeit (2019–2021) wurde in die-
blüten sind zwittrig, wobei jedoch das je-           chen Baumarten aus, die notwendig wären,             sem Auwald eine rasante Verschlechterung
weilige Geschlecht meist auf ein Individuum          um alle nicht-obligaten Arten zu erhalten.           des Gesundheitszustandes der Eschen fest-
reduziert ist. Dieses gleichzeitige Vorkom-          Die langfristigen Auswirkungen eines Aus-            gestellt. Nach dem sechsstufigen Bewer-
men monözischer und diözischer Individuen            falls der Esche sind aufgrund von Wechsel-           tungssystem von Lenz et al. (2012) galten im
wird auch als triözisch (dreihäusig) bezeich-        wirkungen in Ökosystemen bisher kaum ab-             Jahr 2019 noch 30 % der Eschen als gesund,
net (zit. nach Roloff und Pietzarka 1997).           zuschätzen.                                          zeigten also einen Blattverlust von weni-
Allerdings erhöht sich aufgrund der Triözie                                                               ger als 30 %. Im Jahr 2020 waren nur noch
der Esche, die Gefahr der Inzucht (Semizer-                                                               15 % und im Jahr 2021 2 % der beobachte-
Cuming et al. 2021). Für die Nachzucht von           Generhaltung der Esche durch                         ten Eschen gesund. Dieser sehr starke Befall
Pflanzen für zukünftige, stabile Eschenpo-           Förderung der Naturverjüngung                        mit dem Pilz Hymenoscyphus fraxineus, der
pulationen ist entscheidend, dass die ge-            und Resistenzversuche                                das Eschentriebsterben verursacht, ist ver-
netische Diversität ausreichend hoch ist.                                                                 mutlich auf den hohen Grundwasser­stand
Ebenfalls ist zu erwarten, dass dort, wo die         An der Katholischen Universität Eichstätt-           und die damit verbundenen feuchteren und
Esche nicht durch funktional ähnliche Arten          Ingolstadt (KU) und dem Bayerischen Amt              nährstoffreicheren Böden im Auwald zu-
ersetzt wird, lokale Effekte der Bodenver-           für Waldgenetik (AWG) wird seit 2018 auch            rückzuführen. Das für Auwälder typische
sauerung auftreten könnten. Auch die Ver-            im Auwald bei Neuburg an der Donau an                Mikroklima bietet optimale Bedingungen
änderung der Lichtverhältnisse im Bestand            den Auswirkungen des Eschentriebsterbens             für den Pilz, so dass davon auszugehen ist,
wird einen Einfluss auf die Zusammen­                geforscht, um dazu beizutragen, die Zu-              dass dort ein noch höherer Infektionsdruck
setzung der Bodenflora haben (JNCC 2014).            kunft der Eschen zu sichern. Im Rahmen               als im Landwald herrscht. In Anbetracht der
Dies hat schwerwiegende ökologische Fol-             des Projektes QuoVAPo, das durch das Bay-            aktuellen Bedrohung durch das Eschentrieb-
gen für die Arten, die von der Esche un-             erische Staatsministerium für Ernährung,             sterben und um den Fortbestand der Esche
terstützt werden bzw. sogar ausschließlich           Landwirtschaft und Forsten gefördert wird,           zu fördern, ist es wichtig, ihre natürliche

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                                    50       (a)                                                                   100       (b)

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    Anzahl der Eschensämlinge [%]

                                                                                                                   60

                                                                                                  Grasanteil [%]
                                    30

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                                    10

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                                                        Gap Fraction [%]                                                                   Gap Fraction [%]

Abb. 2: Streudiagramm zur Visualisierung der Beziehungen zwischen dem Kronenlückenanteil und dem Anteil der Esche (a) und der Grasbedeckung (b).
(Grafik: nach Jochner-Oette et al. 2021)

Verjüngung zu stärken. Sie ist das Produkt                                 Artenreichtum und die Deckung der Kraut-                     Beobachtung, um Falscheinstufungen vor-
der natürlichen Auslese, die Möglichkei-                                   schicht aufgenommen, um die Konkurrenz                       zubeugen. Das AWG hat 2014 in Graben-
ten zur Bekämpfung der Krankheit bieten                                    mit Eschensämlingen zu berücksichtigen.                      stätt eine Klonsammlung mit insgesamt
könnte (Metzler et al. 2012). Individuen                                   Die Ergebnisse zeigten, dass die Naturver-                   319 Ramets (Wiederholungen der Einzel-
der Naturverjüngung, die der inter- oder                                   jüngung der Esche unter schattigen Be-                       klone) angelegt, um Resistenzversuche un-
intraspezifischen Konkurrenz standhal-                                     dingungen begünstigt wird. Die meisten                       ter einem erhöhten Infektionsdruck durch-
ten konnten, könnten resistent gegenüber                                   anderen abiotischen Faktoren wie Boden-                      zuführen (Fussi 2020). Hauptziel ist es,
der Krankheit sein. Eine hohe Sterblichkeit                                feuchte oder Bodennährstoffe waren sta-                      Anfälligkeiten möglichst frühzeitig zu er-
der Eschen in den betroffenen Gebieten in                                  tistisch nicht mit dem Vorkommen der                         kennen und resistente Klone zu identifizie-
Verbindung mit einer hohen genetischen                                     Natur­verjüngung der Esche verbunden. Im                     ren, deren Samen für die Nachzucht ver-
Variation in der sich etablierenden Na-                                    Gegensatz dazu war die reine Grasbede-                       wendet werden können. Die Fläche liegt an
turverjüngung könnte schließlich zu wider-                                 ckung negativ mit dem Blattflächenindex                      der Tiroler Ache, wo sich der Pilz aufgrund
standsfähigeren Eschen führen (Mckinney et                                 und positiv mit dem Kronenlückenanteil                       der edaphischen und mikroklimatischen Be-
al. 2014). In der Regel haben Eschen eine                                  korreliert (siehe Abb. 2). Eine höhere krau-                 dingungen stark vermehren kann. Die Klone
hohe Samenproduktion und eine Regene-                                      tige Vegetationsbedeckung wurde mit ei-                      stammen von 36 optisch gesunden Bäu-
rationsrate von bis zu 150.000 Individuen/                                 ner Unterdrückung der Eschenverjüngung                       men aus stark befallenen Beständen. Ab-
ha (Tabari und Lust 1999). Die Jungpflanzen                                in Verbindung gebracht, ein höherer Streu-                   bildung 3 zeigt den Gesundheitszustand der
der Esche sind sehr schattentolerant (Roloff                               deckungsgrad dagegen mit einer höheren                       Klonfläche für die Beobachtungsjahre 2014
und Pietzarka 1997). Sie konkurrieren mit                                  Häufigkeit von Eschensämlingen. Die Stu-                     bis 2018. Der Anteil der symptomlosen und
krautigen Pflanzen um Licht, Wasser und                                    die legt nahe, dass Lücken (Gaps), die u. a.                 gering geschädigten Pfropflinge lag nach
Nährstoffe. Daher wurde der Einfluss der                                   durch das Eschentriebsterben entstehen,                      fünf Beobachtungsjahren zwischen 5 und
Lichtverhältnisse auf die Naturverjüngung                                  die Ausbreitung von Gräsern begünstigen                      10 %. Einige Ramets haben sich durch die
und die Konkurrenz zwischen Eschensäm-                                     und somit die Verjüngung der Esche unter-                    Bildung neuer Triebe wieder erholt. Eine
lingen und krautigen Arten, die im Unter-                                  drücken könnte. In diesem Zusammenhang                       weitere Versuchsfläche wurde im Jahr 2015
wuchs wachsen, in einer weiteren Studie                                    wird eine rasche waldbauliche Bewirtschaf-                   mit 24 Nachkommenschaften (818 Säm-
im Auwald bei Neuburg an der Donau un-                                     tung (z. B. Aufforstungen mit Auwaldbau-                     linge) angelegt. Auch hier wurde der Ge-
tersucht (Jochner-Oette et al. 2021). An 40                                marten) nach dem Absterben von Eschen-                       sundheitszustand einmal jährlich erhoben.
Untersuchungsstandorten wurden lichtbe-                                    Altbäumen empfohlen, um die Verkrautung                      Jungpflanzen zeigen ihre Anfälligkeit ge-
zogene Variablen, wie der prozentuale An-                                  der lichten Stellen zu vermeiden.                            genüber Krankheiten oft schon etwas frü-
teil der Kronenlücken (Gap Fraction) oder                                                                                               her als ältere Bäume. Die Ergebnisse zei-
des Blattflächen­index (Leaf Area Index)                                   Neben der Förderung der Naturverjüngung                      gen, dass langfristig Hoffnung für die Esche
mit hemisphärischen Photographien auf-                                     könnte die Züchtung resistenter Bäume                        besteht, da in jeder Nachkommenschaft
genommen sowie weitere Umweltfaktoren                                      in Zukunft eine große Chance für die ge-                     nach vier Beobachtungsjahren immer noch
aus Vegetationserhebungen (Zeigerwerte                                     fährdete Esche darstellen. Allerdings be-                    symptomfreie Eschenpflanzen vorhanden
nach Ellenberg et al. 2001) abgeleitet. Zu-                                darf es für die Auswahl resistenter Indi-                    sind (Abb. 4). Die Sammlung zahlreicher we-
dem wurden Vegetations­     parameter wie                                  viduen einer langjährigen und intensiven                     nig anfälliger Eschen macht die Produktion

6                                                                                    Auenmagazin 21 / 2022
Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
PERSPEKTIVEN

A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette                                                                                Die Zukunft der Esche im Auwald                                                                                 4-9

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                           20                                                                                                                                                geringe Schäden
                                                                                                                                                                             mittlere Schäden
                                                                                                                                                                             starke Schäden
                            0                                                                                                                                                abgestorben
                                          2014                              2015                              2016                         2017               2018
                                                                                                   Beobachtungsjahre

Abb. 3: Gesundheitszustand der Klone auf der Fläche in Grabenstätt 2014 bis 2018. Die Klassifizierung erfolgte in fünf Stufen (siehe Legende).
(Grafik: nach Fussi 2020)

                          100

                           80
    Anteil Pflanzen [%]

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                                     1          15          2          3          6          7          8          9     K1        10
                                                                                                                                     6
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                                                                                                    M
                                                                                                            FA
                                                                                                               M        M      K         M    M    M    M    M          UW       UW       UW       UW       UW       UW       UW
                                         FA                                                                                   M
                                                                                                                                         Nachkommenschaften
                                 2015                2016              2017             2018

Abb. 4: Anteil der symptomlosen Pflanzen je Nachkommenschaft auf der Fläche in Grabenstätt in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018;
x-Achse mit Namen der Mutterbäume, von denen die Samen geerntet wurden. (Grafik: nach Fussi 2020)

und Bereitstellung von hochwertigem Ver-                                                                    der Auswahl von gesundem und genetisch                      sterbens in Deutschland zu bekommen. Die
mehrungsgut möglich und damit eine Si-                                                                      variablem Material dar.                                     Professur für Physische Geografie / Land-
cherung des Genpools. Ergänzend werden                                                                                                                                  schaftsökologie und nachhaltige Ökosys-
die molekular-genetischen Ursachen von                                                                                                                                  tementwicklung an der Katholische Uni-
Anfälligkeit und Resistenz untersucht. Im                                                                   Forschungsprojekte zum Erhalt                               versität Eichstätt-Ingolstadt arbeitet mit
genetischen Labor des AWG wird an der                                                                       der Esche                                                   sieben weiteren Projektpartnern in dem For-
Auswahl und Validierung von Resistenzmar-                                                                                                                               schungsverbund FraxMon zusammen. In
kern gearbeitet, welche an den Eschen auf                                                                   Gleichzeitig geben weitere Forschungspro-                   diesem Verbund wird besonderes Augen-
den Versuchsflächen getestet werden sol-                                                                    jekte Hoffnung, den Erhalt der Esche zu si-                 merk auf das Monitoring des Eschentrieb-
len. Dies bildet eine wertvolle Grundlage                                                                   chern. Im Jahr 2020 haben die Bundesmi-                     sterbens gelegt. Die Wissenschaftler/-innen
für die Erforschung von Resistenzmecha-                                                                     nisterien für Ernährung und Landwirtschaft                  der KU untersuchen dabei, welche Pflanzen­
nismen und deren genetische Veranlagung                                                                     (BMEL) sowie für Umwelt, Naturschutz und                    eigenschaften der Esche als Frühindikatoren
und können Grundlage für Erhaltungsmaß-                                                                     nukleare Sicherheit (BMU) das Projekt Frax-                 zur Bewertung der Anfälligkeit gegenüber
nahmen der Esche darstellen. Die so entwi-                                                                  ForFuture bewilligt. Es wird mit 9,16 Mio. €                dem Eschentriebsterben herangezogen wer-
ckelten und getesteten Marker stellen eine                                                                  aus dem Waldklimafonds gefördert, mit                       den können. Das AWG ist mit dem Teilpro-
wichtige Unterstützung von Züchtungs-                                                                       dem Ziel, einen flächendeckenden Über-                      jekt FraxGen beteiligt. Ziel des Vorhabens
programmen bei der Esche hinsichtlich                                                                       blick über das Ausmaß des Eschentrieb-                      ist auf Basis der über das gesamte Bundes-

                                                                                                                              Auenmagazin 21 / 2022                                                                                      7
Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
PERSPEKTIVEN

A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette             Die Zukunft der Esche im Auwald                                                       4-9

gebiet verteilten Monitoringflächen augen-       Gesunde Eschen schützen,                      Literatur
scheinlich vitale Eschen auszuwählen. Die        Mischbaumarten nutzen
Auslese gesunder Plusbäume wird darüber                                                        Brundke, F., Binder, F. (2017): Hochwasser-
hinaus auch in weiteren Gebieten mit ho-         Da die einst ubiquitäre Esche durch das             angepasste Waldbewirtschaftung. In:
hem Befallsdruck durchgeführt. Die selek-        Eschentriebsterben heute akut gefähr-               LWF-Merkblatt Nr. 36, S. 6.
tierten Bäume werden vegetativ vermehrt          det ist, ist das gemeinsame Ziel aller Pro-   Coker,T., Roszypálek, J., Edwards, A., Har-
und in Klonsammlungen gesichert. Grund-          jekte, diese wertvolle Baumart zu erhal-            wood, T. P., Butfoy, L., Buggs, R. J. A.
sätzlich werden alle in Deutschland erfass-      ten und Maßnahmen zu entwickeln, die sie            (2019): Estimating mortality rates of
ten Eschen unter Anwendung des zur Ver-          künftig wieder verstärkt im Auenökosys-             European ash (Fraxinus excelsior) un-
fügung stehenden Methodenkatalogs mit            tem etablieren. Es steht außer Frage, dass          der the ash dieback (Hymenoscyphus
standardisierten Verfahren phäno- und ge-        die Esche maßgeblich zur Biodiversität bei-         fraxineus) epidemic. In: Plants, Peo-
notypisiert. Mit Hilfe der Etablierung ei-       trägt und ein prägender Bestandteil einer           ple, Planet 1 (1), S. 48–58.
nes Monitorings, Untersuchungen zur Ge-          ganzen Reihe von Waldgesellschaften auf       Dichtl, T., Stöger, W. (2020): Auenwald im
netik, Züchtung und Phytopathologie sowie        Sonderstandorten, wie dem Auwald, ist. Um           Klimawandel. Forstliche Forschung an
Aspekten des Waldbaues werden im Rah-            den Bestandscharakter dieser schützens-             Donau und Rhein. In: LWF aktuell 126
men des Demonstrationsprojekts praxis­           werten Standorte zu erhalten und zur För-           (3), S. 28–29.
orientierte Strategien für den Umgang mit        derung von natürlichen Resistenzbildun-       Ellenberg, H., Weber, H., Wirth, W., Düll, R.,
dem Eschentriebsterben erarbeitet.               gen, können Waldbesitzer einen wichtigen            Werner, W. (2001): Zeigerwerte von
                                                 Beitrag zur Generhaltung leisten. Hier-             Pflanzen in Mitteleuropa, Scripta Geo-
Da die Degeneration der Eschen meist auf         für sollten bei Durchforstungsmaßnahmen             botanica XVIII (18), 3. Auflage
den Erreger des Eschentriebsterbens Hy-          gesunde Eschen in ihren Beständen nicht       Enderle, R. (2019): An overview of ash (Fra-
menoscyphus fraxineus reduziert wird, je-        entnommen und dominante Verjüngungs-                xinus spp.) and the ash dieback disease
doch eine Vielzahl von Faktoren den Ge-          pflanzen in ihrem Wuchs gefördert wer-              in Europe. In: CAB Reviews 14 (025).
sundheitszustand der Eschen beeinflussen,        den. Sofern die Eschen aufgrund verringer-    Enderle, R. (2019): An overview of ash (Fra-
wird seit 2021 ergänzend zu FraxForFuture        ter Standfestigkeit kein Risiko darstellen,         xinus spp.) and the ash dieback disease
in dem Projekt FraxVir untersucht, wie an-       sollten auch befallene oder tote Eschen             in Europe. In: CAB Reviews 14 (025).
fällig Eschen für die Pilzerkrankung sind,       nicht gefällt werden, da zahlreiche Arten     Enderle, R., Fussi, B., Lenz, H. D., Langer, G.,
wenn sie bereits virusinfiziert sind. Das Pro-   auf ihr Totholz angewiesen sind. Um die             Nagel, R., Metzler, B. (2017): Ash die-
jekt wird ebenfalls aus dem Sondervermö-         Angst der Waldbesitzer vor dem Totalaus-            back in Germany: research on disease
gen der Förderrichtlinie „Waldklimafonds“        fall zu reduzieren, sollten weitere auenty-         development, resistance and manage-
vom BMEL und BMU über die Fachagentur            pische Mischbaumarten (z. B. Flatterulme,           ment options. In: R. Vasaitis und R. En-
für Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR)          Eiche) auf den Flächen eingebracht wer-             derle (Hg.): Dieback of European Ash
gefördert. Das Ziel der KU ist es, Krankhei-     den. Solche Mischbestände können nicht              (Fraxinus spp.): Consequences and
ten der Esche sowie den Einfluss von abioti-     nur den unterschiedlichen Ansprüchen ge-            Guidelines for Sustainable Manage-
schen Stressfaktoren mit multisensorischen       recht werden, sondern zeigen auch eine hö-          ment. European Cooperation in Sci-
und multitemporalen Daten, die mit Droh-         here Resilienz gegenüber invasiven Patho-           ence & Technology (COST). Uppsala,
nenbefliegungen erhoben werden, bereits in       genen. Allerdings sollten gerade Auwälder           Sweden. Swedish University of Agri-
einem frühen Stadium zu erkennen und ab-         sehr achtsam und über mehrere Jahre hin-            cultural Sciences. Uppsala, Sewden,
zugrenzen. Am Bayerischen Amt für Wald-          weg in vielfältige, auetypisch baumarten-           S. 89–105.
genetik werden genetische Untersuchun-           reiche Mischbestände überführt werden,        ForstBW (2018): Herausforderung Eschen-
gen bei den Eschen durchgeführt, da deren        um diesen sensiblen Standorten und ihren            triebsterben: Waldbauliche Behand-
Erbgut einen wesentlichen Einfluss auf die       geschützten Ökosystemen gerecht zu wer-             lung geschädigter Eschenbestände.
Abwehr der Virusinfektion hat. Dazu sollen       den (Müller-Kroehling und Schmidt 2019).            Hg. v. Landesbetrieb ForstBW. Stutt-
Samen als auch Sämlinge getestet werden.         All diese Maßnahmen zusammengenom-                  gart.
Ziel ist die Beantwortung der Frage, ob die      men werden uns zukünftig den Erhalt der       Fussi, B. (2020): So hat die Esche eine
Viren über den Samen und/oder den Pollen         Eschen ermöglichen, indem die natürlichen           Chance! In: LWF aktuell, Bd. 126
übertragen werden können.                        Anpassungsprozesse über Naturverjüngung             (Wenn der Hahn zu ist – Wald im Tro-
                                                 und Selektion weiterhin stattfinden können.         ckenstress, 3), S. 60–61.
                                                 Gesunde Eschenpopulationen haben durch        Heinze, B., Tiefenbacher, H., Litschauer, R.,
                                                 ihre Anpassungsfähigkeit die größten Chan-          Kirisits, T. (2017): Ash dieback in Aus-
                                                 cen, lange Trockenperioden, den Infektions-         tria – history, current situation and
                                                 druck von Krankheitserregern oder Invasio-          outlook. In: R. Vasaitis und R. En-
                                                 nen von Schädlingen zu überstehen.                  derle (Hg.): Dieback of European Ash

8                                                          Auenmagazin 21 / 2022
Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
PERSPEKTIVEN

A.-K. Eisen, B. Fussi, S. Jochner-Oette                 Die Zukunft der Esche im Auwald                                                 4-9

      (Fraxinus spp.): Consequences and                   Jahres 2001, Bd. 34. Freising, Ger-
      Guidelines for Sustainable Manage-                  many, S. 41–43.
      ment. European Cooperation in Sci-            Rigling, D., Hilfiker, S., Schöbel, C., Meier,
      ence & Technology (COST). Uppsala,                  F., Engesser, R., Scheidegger, C. et al.
      Sweden. Swedish University of Agri-                 (2016): Das Eschentriebsterben. Bio-
      cultural Sciences. Uppsala, Sweden,                 logie, Krankheitssymptome und Hand-
      S. 33–52.                                           lungsempfehlungen. In: Merkblatt für
Hultberg, T., Sandström, J., Felton, A., Öh-              die Praxis 57.
      mann, K., Rönnberg, J., Witzel, J.,           Roloff und Pietzarka (1997): Fraxinus ex-
      Cleary, M. (2020): Ash dieback risks                celsior. In: Enzyklopädie der Holzge-
      an extinction cascade. In: Biological               wächse – 7. Erg. Lfg. 3/97.
      Conservation 244, S. 108516.                  Semizer-Cuming, Chybicki, I., Fnkeldey, R.,
Jochner-Oette, S., Rohrer, T., Eisen, A.-K.,              Kjaer, E. D. (2021): Gene flow and re-
      Tönnes, S. , Stammel, B. (2021): Influ-             productive success in ash (Fraxinus
      ence of Forest Stand Structure and                  excelsior L.) in the face of ash dieback:
      Competing Understory Vegetation on                  restoration and conservation. In: An-
      Ash Regeneration-Potential Effects of               nals of Forest Science 78 (1).
      Ash Dieback. In: Forests 12 (2), S. 128.      Tabari, K. M., Lust, N. (1999): Monitoring of
Joint Nature Conservation Committee (JNCC)                natural regeneration in a mixed de-
      (2014): The potential ecological im-                ciduous forest. In: Silva Gandavensis
      pact of ash dieback in the UK. Joint                64 (58–71).
      Nature Conservation Committee Re-             Timmermann, V., Børja, I.; Hietela, A. M., Ki-    Kontakt:
      ports. 483, Peterborough, UK .                      risits, T., Solheim, H. (2011): Ash die-
                                                                                                      Anna-Katharina Eisen, M. Sc.
Kowalski, T., Holdenrieder, O. (2009): Patho-             back: pathogen spread and diurnal
                                                                                                      Katholische Universität
      genicity of Chalara fraxinea. In: Forest            patterns of ascospore dispersal, with
                                                                                                      Eichstätt-Ingolstadt
      Pathology 39 (1), S. 1–7.                           special emphasis on Norway*. In: EPPO
                                                                                                      Physische Geographie / Landschafts­
Lenz, H., Strassner, L., Baumann, M., Baier,              Bulletin 41 (1), S. 14–20.
                                                                                                      ökologie und nachhaltige Ökosystem­
      U. (2012): Boniturschlüssel zur Einstu-
                                                                                                      entwicklung
      fung der Vitalität von Alteschen. In:
                                                                                                      Ostenstraße 14
      AFZ – Der Wald 3, S. 18–19.                   Forschungsprojekte
                                                                                                      85072 Eichstätt
Lwf (Hrsg.) (2019): Praxishilfe Band I Klima-
                                                                                                      Tel. +49 8421 93-23074
      Boden-Baumartenwahl. S. 89–90                 QuoVAPo – Kuratoriumsprojekt: Quo va-
                                                                                                      Anna-Katharina.Eisen@ku.de
Mckinney, L. V., Nielsen, L. R., Collinge, D. B.,   dis Pollen? Untersuchungen zur (effekti-
      Thomsen, I. M., Hansen, J. K., Kjaer, E.      ven) Pollenausbreitung und Pollen-Samen-
                                                                                                      Dr. Barbara Fussi
      D. (2014): The ash dieback crisis: ge-        Qualität als Beitrag zur Generhaltung bei
                                                                                                      Bayerisches Amt für Waldgenetik
      netic variation in resistance can prove       der Esche – https://www.ku.de/eschentrieb-
                                                                                                      (AWG)
      a long-term solution. In: Plant Pathol        sterben
                                                                                                      Forstamtsplatz 1
      63 (3), S. 485–499.
                                                                                                      83317 Teisendorf
Metzler; B., Enderle, R., Karopka, M., Töpf-        FraxForFuture – Gemeinsam für den Erhalt
                                                                                                      Tel. +49 8666 9883-44
      ner, K., Aldinger, E. (2012): Develop-        der Esche: https://www.fraxforfuture.de/
                                                                                                      barbara.fussi@awg.bayern.de
      ment of Ash dieback in a provenance
      trial on different sites in southern Ger-     FraxVir – Verbundvorhaben: Detektion, Cha-
                                                                                                      Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette
      many. In: Allgemeine Forst- und Jagd-         rakterisierung und Analysen zum Auftreten
                                                                                                      Katholische Universität
      zeitung 183 (7), S. 168–180.                  von Virosen und dem Eschentriebsterben in
                                                                                                      Eichstätt-Ingolstadt
Müller-Kroehling, S., Schmidt, O. (2019):           Sonderbeständen von Fraxinus excelsior–
                                                                                                      Physische Geographie / Landschafts­
      Eschentriebsterben und Naturschutz:           Ergänzungsstudie zu FraxForFuture
                                                                                                      ökologie und nachhaltige Ökosystem­
      7 Fragen, 7 Antworten. In: ANLiegen
                                                                                                      entwicklung
      Natur 41 (1), 145–156.
                                                                                                      Ostenstraße 14
Nüsslein, S. (2002): Waldbauliche Behand-
                                                                                                      85072 Eichstätt
      lung der Esche. In: Bayerische Landes-
                                                                                                      Tel. + 49 8421 93-21742
      anstalt für Wald und Forstwirtschaft
                                                                                                      susanne.jochner@ku.de
      (LWF) (Hg.): LWF-Wissen 34. Beiträge
      zur Esche. Fachtagung zum Baum des

                                                               Auenmagazin 21 / 2022                                                        9
Heft 21 / 2022 - Auenzentrum Neuburg-Ingolstadt
PERSPEKTIVEN

S. Fink, C. Scheidegger         Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel                                   10-15

NATURSCHUTZPLANUNG FÜR FLIESSGEWÄSSER-AUEN UNTER KLIMAWANDEL

Sabine Fink, Christoph Scheidegger

Auenlandschaften wurden durch Landnutzung und Flussverbauungen stark eingeschränkt und sind nun durch den
Klimawandel einer weiteren Störungskomponente ausgesetzt. Für die Planung von Renaturierungen entlang von
Einzugsgebieten ist es wichtig zu wissen, wie sich Szenarien zu verändertem Temperatur- und Niederschlagsregime
auf die Verbreitung von typischen Auenpflanzen des Auenweidengebüschs (Salicion elaeagni), Weichholz-Auenwal-
des (Salicion albae) und des Hartholz-Auenwaldes (Fraxinion) auswirken. Lebensraummodelle ermöglichen es mit
Hilfe von Simulationen zur Ausbreitung der Arten von heutigen Standorten aus in zukünftig verfügbare Lebensräume,
Voraussagen zu Refugien in einem Einzugsgebiet zu machen. Die Ergebnisse sind als Ergänzung zu Monitoring-
Programmen und Forschungsprojekten bei der Priorisierung der Nutzung des limitierten Raumes entlang der Fließ-
gewässer nützlich.

Auenschutz in der Schweiz                   großen Fließgewässern – aufgeführt (Bun-      (Bundesamt für Umwelt 2020). Zusätzlich
                                            desrat der Schweiz 1992).                     sind die an Fließgewässer gebundenen Le-
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind fast                                                 bensräume vom Klimawandel unmittelbar
90 % der Auenlandschaften in der Schweiz    Seit der zweiten Revision des Aueninven-      betroffen, wie Berechnungen für hydrolo-
verschwunden. Um die verbleibenden Auen     tars 2017 sind 326 Objekte inventarisiert,    gische Szenarien für Ende des Jahrhunderts
zu erhalten, wurde 1992 die Verordnung      welche auf einem Anteil von 0,7 % der Lan-    zeigen (Bundesamt für Umwelt 2021).
zum Schutz von Auengebieten von nati-       desfläche vielfältige Ökosystemleistungen
onaler Bedeutung in Kraft gesetzt. Im da-   übernehmen und Lebensraum für eine Viel-      Um langfristig nachhaltige Aufwertungen
zugehörigen Inventar sind vielfältige Au-   zahl an Arten bieten. Eine Erhebung hat er-   zu planen, ist es entscheidend zu wissen,
enobjekte – von alpinen Schwemmflächen      geben, dass viele Auen von nationaler Be-     ob Fließgewässer-Auen auch in Zukunft
über See-Auen bis hin zu Auen entlang von   deutung einen großen Aufwertungsbedarf        Lebensraum für typische Organismen bie-
                                            haben, allen voran die Fließgewässer-Auen     ten. Besonders wichtig ist dies für sessile

Abb. 1: Lebensraum der
Pflanzengemeinschaft
Auenweidengebüsch
am alpinen Fluss Moesa
(Zubringer zum Ticino)
bei Cabbiolo (Kanton
Graubünden) mit ei-
ner Deutsche Tamariske
(Myricaria germanica)
im Vordergrund. (Foto:
Sabine Fink)

10                                                    Auenmagazin 21 / 2022
PERSPEKTIVEN

S. Fink, C. Scheidegger                 Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel                                                       10-15

                                                                            Salix elaeagnos               Myricaria germanica

                                                                                                                                       Wahrscheinlichkeit
                                                                                                                                       Lebensraum

                                                                                                                                             0.0–0.2
                                                                                                                                             0.2–0.4
                                                                                                                                             0.4–0.6
                                                                                                                                             0.6–0.8
                                                                                                                                             0.8–1.0

Abb. 2: Modellierter zukünftiger Lebensraum für zwei Pflanzenarten, Lavendel-Weide (Salix elaeagnos) und Deutsche Tamariske (Myricaria germanica), der
Pflanzengemeinschaft Auenweidengebüsch am alpinen Fluss Moesa (Fließrichtung Nord nach Süd), einem Zubringer des Ticino. Während für S. elaeagnos in
Zukunft (2090–2100) unter Klimawandel viel Lebensraum vorausgesagt wird (orange-gelb entspricht hoher Wahrscheinlichkeit), wird für M. germanica nur
wenig Habitat verfügbar sein (grau bis dunkelrot entspricht tiefer Wahrscheinlichkeit). Ein Pixel im Modell entspricht einer Fläche von 100 x 100 m. Modifiziert
nach Fink und Scheidegger 2018.

Organismen wie Pflanzen, welche bereits                zenart nur bei bestimmten Temperaturen                 mik gebundene Art Myricaria germanica
jetzt durch wiederkehrende extreme Er-                 oder Niederschlagsregimes vorkommt oder                der Lebensraum gemäß den Vorhersagen in
eignisse, wie bspw. Hochwasser, lokal vom              besondere Anforderungen an den Boden                   Zukunft noch knapper. Dieses Resultat un-
Aussterben bedroht sind, wenn die Le-                  hat, wie zum Beispiel Wasserdurchlässig-               terstreicht die Wichtigkeit einer Planung
bensräume ungenügend vernetzt sind, um                 keit oder Kalkgehalt.                                  zur Erhaltung der typischen Auenarten.
Wiederbesiedlungen zu ermöglichen. In al-
pinen bis hin zu tieferen Höhenlagen sind              Im zweiten Schritt wird die potentielle zu-            Nach Erstellen von Potentialkarten, die den
in der Schweiz vor allem die gefährdeten               künftige Verbreitung der Art unter den ver-            aktuellen und zukünftigen Lebensraum ab-
Auenweidengebüsche (Salicion elaeagni)                 änderten Temperatur- und Niederschlags-                bilden, können Simulationen zeigen, wie
(Delarze et al. 2013) mit der Deutschen Ta-            regimes vorausgesagt. Dazu wird der                    sich die Pflanzen ausgehend von heutigen
mariske (Myricaria germanica), Sanddorn                Zusammenhang aus dem zuvor beschrie-                   Vorkommen durch Wind, Wasser oder Tiere
(Hyppophaë rhamnoides) und verschie-                   benen Lebensraummodell auf zukünftige                  entlang von Fließgewässern ausbreiten und
denen Weidenarten (Salix daphnoides,                   Klimaszenarien angewandt, so dass das                  die potentiellen Lebensräume besiedeln
S. elaeagnos, S. triandra) im Fokus von Re-            Potential für zukünftige Habitate abge-                könnten. Das Ausbreitungs- und Überle-
naturierungsprojekten (Delarze und Gonseth             schätzt werden kann. Die Qualität des po-              benspotential von Pflanzen unter veränder-
2015, siehe Abb. 1). Die Pflanzengemein-               tentiellen zukünftigen Lebensraumes für                ten Umweltbedingungen kann eingeschätzt,
schaft ist auf dynamische Fließgewässer                die Pflanze wird zum Beispiel stark vermin-            und die Vernetzung zwischen aktuellen
angewiesen und übernimmt zugleich eine                 dert, wenn die Erwärmung (beispielsweise               Schutzgebieten wie Auen von nationaler
wichtige Rolle in der Stabilisierung von               mittlere Jahrestemperatur) den maxima-                 Bedeutung und möglichen zukünftigen Ha-
Kiesbänken und Ufern (Delarze und Gon-                 len Wert der aktuellen Vorkommen einer                 bitaten sichtbar gemacht werden.
seth 2015).                                            Art übersteigt.

                                                       Die Voraussagen für die typischen Arten des            Lebensraum in Auengebieten von
Modelle zeigen Zusammenhänge auf                       Auenweidengebüsches in der dynamischen                 nationaler Bedeutung
                                                       Zone von alpinen Flüssen zeigen, dass für
Modelle, welche die Nische der Pflanzen                die Pflanzen sehr unterschiedliche Habitat-            Auen von nationaler Bedeutung entlang von
unter klimatischen, geologischen und to-               verfügbarkeiten zu erwarten sind (Abb. 2,              Fließgewässern benötigen Aufwertungen,
pographischen Bedingungen beschreiben,                 vgl. Fink und Scheidegger 2018). Während               da u.a. Defizite im Sedimentregime oder bei
ermöglichen es uns, das Schicksal von Ar-              für einige Weidenarten wie beispielsweise              der Landnutzung bekannt sind (Bundesamt
ten in Auen unter Klimawandel-Bedingun-                Salix elaeagnos unter Klimawandel (Vor-                für Umwelt 2020). Die geschützten Auen-
gen vorauszusagen. Zuerst wird dazu ein                aussage starke Temperaturzunahme und                   gebiete wurden nun erstmals mit Vegeta-
Lebensraummodell erstellt, das die Zusam-              Niederschlag saisonal verändert, Szenario              tionsanalysen im Rahmen eines nationalen
menhänge zwischen den georeferenzierten                ohne Klimaschutz gemäß dem fünften Be-                 Monitorings untersucht (Projekt Wirkungs-
Fundmeldungen der Pflanzen in der gan-                 richt des Iccp (2014) und der Berechnung               kontrolle Biotopschutz Schweiz, Bergamini
zen Schweiz und Umweltinformationen ih-                nach Cordex) in der Modellierung auch in               et al. 2020). Auch Potentialkarten können
res Lebensraumes statistisch herstellt. So             Zukunft viele Nischen vorausgesagt werden,             Informationen liefern, ob innerhalb der ge-
zeigt sich beispielsweise, dass eine Pflan-            wird für die eng an die Fließgewässerdyna-             schützten Auenperimeter Lebensraum für

                                                                   Auenmagazin 21 / 2022                                                                       11
PERSPEKTIVEN

S. Fink, C. Scheidegger                                                                                   Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel                                                                                                                                                                  10-15

                                                                                                                                                                                                                                                        Einen hohen ökologischen Wert hat der
                                                                                                                                                                                                                                                        Weichholz-Auenwald aufgrund seiner Be-
                                                                                                                                                                                                                                                        deutung für uferbrütende Vögel, die in
                                                                                                                                                                                                                                                        Hohlräumen der Bäume Nistplätze finden,
                                                                                                                                                                                                                                                        und auch für holzbewohnende Insekten
                                                                                                                                                                                                                                                        (Delarze und Gonseth 2015). Der Lebens-
                                                                                                                                                                                                                                                        raum ist aufgrund der Regulierungen der
                                                                                                                                                                                                                                                        Fließgewässer gefährdet (Delarze und Gon-
                                                                                                                                                                                                                                                        seth 2015), und auch nach Renaturierungen
                                                                                                                                                                                                                                                        dauert es mindestens fünfzehn Jahre, bis
                                                                                                                                                                                                                                                        sich die typische Lebensraumgemeinschaft
                                                                                                                                                                                                                                                        einstellt (Werth et al. 2012). Daher ist es für
                                                                                                                                                                                                                                                        die Planung von Renaturierungen innerhalb
                                                                                                                                                                                                                                                        und außerhalb von Auengebieten von nati-
                                                                                                                                                                                                                                                        onaler Bedeutung wichtig zu wissen, ob die
                                                                                                                                                                                                                                                        Arten auch unter veränderten klimatischen
                                                                                                                                                                                                                                                        Bedingungen geeignete Lebensraumbedin-
                                                                                                                                                                                                                                                        gungen finden.

                                                                                                                                                                                                                                                        Die Pflanzengemeinschaft Salicion albae ist
                                                                                                                                                                                                                                                        in den großen Einzugsgebieten (Inn, Rhein,
Abb. 3: Lebensraum der Pflanzengemeinschaft Weichholz-Auenwald im Auengebiet von nationaler                                                                                                                                                             Rhône, Ticino) in isolierten Lebensräumen
Bedeutung „Rhäzünser Rheinauen“ (Kanton Graubünden) am Hinterrhein. (Foto: Christoph Scheidegger)                                                                                                                                                       verbreitet. In diesen Einzugsgebieten wer-
                                                                                                                                                                                                                                                        den auch die unter aktuellen und zukünfti-
die Arten vorhanden ist und ob diese Ge-                                                                                                         einer starken Flussdynamik ausgesetzt und                                                              gen Temperatur- und Niederschlagsregimes
biete das Überleben von gefährdeten Arten                                                                                                        besteht daher aus einer Gemeinschaft von                                                               modellierten Habitate vorausgesagt (Fink
ermöglichen.                                                                                                                                     verschiedenen Weiden- (Salix alba, S. fra-                                                             und Scheidegger 2021). Modelle unter Be-
                                                                                                                                                 gilis, S. myrsinifolia, S. purpurea, S. trian-                                                         rücksichtigung von extremem Klimawandel,
Für das Schweizer Tiefland ist in Auen von                                                                                                       dra, S. viminalis) und Pappelarten (Populus                                                            ohne Klimaschutz, CO2-Äquivalenzkonzent-
nationaler Bedeutung die Pflanzengemein-                                                                                                         alba, P. nigra), welche an jährlich wie-                                                               ration RCP 8.5, (siehe IPCC 2021) und mode-
schaft des Weichholz-Auenwalds (Salicion                                                                                                         derkehrende Hochwasser angepasst sind                                                                  ratem Klimawandel mit Klimaschutz, CO2-
albae) im Fokus, bspw. bei Flussaufwei-                                                                                                          (Delarze et al. 2013, Delarze und Gonseth                                                              Äquivalenzkonzentration RCP 4.5, zeigen
tungen (Rohde 2005). Dieser Waldtyp ist                                                                                                          2015, siehe Abb. 3).                                                                                   für typische Pflanzenarten des Weichholz-

                                             80

                                             70
     % Habitatverfügbarkeit innerhalb

                                             60
       Auen nationaler Bedeutung

                                             50

                                             40

                                             30

                                             20

                                             10

                                              0
                                                          is                    lba            ra         lba             is                 a        ea               a        lis        ra          ale             sis cum alba igra alba gilis folia urea                                          ra           lis          ra      le
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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  S y m

                                                                                     Fundmeldungen                                                                                                                                        Habitatverfügbarkeit (moderater Klimawandel)
                                                                                     Habitatverfügbarkeit (aktuell)                                                                                                                       Habitatverfügbarkeit (extremer Klimawandel)

Abb. 4: Habitatverfügbarkeit für typische Pflanzenarten des Weichholz-Auenwaldes innerhalb der Auengebiete von nationaler Bedeutung in der Schweiz.
Links: Auf weniger als 30 % der Fläche innerhalb der Auenperimeter sind die Arten gemeldet worden, aber das Modell sagt eine größere Fläche an möglichem
Lebensraum voraus. Rechts: Voraussagen des verfügbaren Lebensraumes unter moderaten und extremen Klimaveränderungen zeigen, dass deutlich weniger
Habitate innerhalb der Auen von nationaler Bedeutung verfügbar sein werden. Modifiziert nach FINK und SCHEIDEGGER 2021.

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PERSPEKTIVEN

S. Fink, C. Scheidegger           Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel                                              10-15

Auenwaldes, dass die Habitatverfügbarkeit
innerhalb der heutigen Schutzgebiete in Zu-
kunft abnimmt (Abb. 4, siehe auch in Fink
und Scheidegger 2021). Abhängig von den
individuellen Ansprüchen an den Lebens-
raum ist die Abnahme der Habitatverfüg-
barkeit innerhalb der Auen von nationa-
ler Bedeutung unterschiedlich stark, bspw.
auch zwischen verschiedenen Weidenarten
(Abb. 4). Für die Naturschutzplanung zur Er-
haltung des Weichholz-Auenwaldes muss
berücksichtigt werden, dass viele Pflanzen-
vorkommen zukünftig nicht mehr an den
gleichen Fundorten zu erwarten sind.

Zeitlich beschränkte Lebensräume
oder langfristige Refugien

Bei der langfristigen Planung zur Habitat-
verfügbarkeit für typische Arten der Au-
envegetation sind räumlich explizite Po-       Abb. 5: Hartholz-Auenwald (Fraxinion) an der Mündung der Rhône in den Genfersee im Auengebiet von
tentialkarten hilfreich, damit zeitlich        nationaler Bedeutung „Les Grangettes“ (Kanton Waadt). (Foto: Sabine Fink)
beschränkte Habitate von langfristigen Le-
bensräumen unterschieden werden können.        ter sind isolierte Habitate, die nicht mehr        bestmögliche Voraussetzungen für resilien-
Letztere bilden wichtige Refugien, welche      an die Auendynamik angebunden sind, von            tere Bestände für die Zukunft zu schaffen.
den Pflanzenarten ermöglichen, auch unter      Absenkungen des Grundwassers betroffen
extremen Klimaveränderungen an geeig-          (Delarze und Gonseth 2015). Als wichtige
neten Standorten zu bestehen. Dies ist be-     Lebensräume des Europäischen Smaragd-              Einschränkungen bei der Anwendung
sonders für Lebensräume mit Wiederkehr-        Netzwerkes sind Hartholz-Auenwälder –              der Lebensraummodelle
zeiten von mehreren Dekaden wichtig, wie       wie auch Weichholz-Auenwälder – beson-
bspw. den Hartholz-Auenwald mit über 30        ders schützenswerte Habitate (Delarze et           Lebensraummodelle sind Voraussagen, die
Jahren Entstehungszeit (Werth et al. 2012).    al. 2003).                                         langfristige Monitoring-Programme und
                                                                                                  Feldaufnahmen im Rahmen von Projektar-
Für den Hartholz-Auenwald (Fraxinion)          Um abzuschätzen, welche Regionen lang-             beiten ergänzen können. Bei großräumigen
in der Schweiz typische Arten sind Seg-        fristig stabile Lebensräume und für Pflan-         Planungen bspw. auf Einzugsgebietsebene
gen (Carex brizoides, C. pendula, C. remota,   zen des Fraxinion Refugien bieten, kann            sind lückenlose Vegetationskartierungen
C. strigosa) sowie der Riesenschachtelhalm     die Habitatverfügbarkeit unter verschiede-         aller Auenlebensräume nicht zu bewälti-
(Equisetum telmateia, in Delarze und Gon-      nen Klimaszenarien verglichen werden. Für          gen. Da bieten Lebensraummodelle basie-
seth 2015). Auch Arten auf der Roten Liste     die Arten der Roten Liste ist die Habitat-         rend auf Informationen aus Datenbanken
der Gefäßpflanzen bspw. Malaxis mono-          verfügbarkeit in Zukunft kleiner als unter         gute Alternativen.
phyllos und Ulmus laevis sind charakteris-     aktuellen klimatischen Bedingungen, und
tisch für den Hartholz-Auenwald (Delarze       viele Lebensräume könnten unter Bedin-             In der Schweiz werden Funddaten im Schwei-
und Gonseth 2015, siehe Abb. 5). Viele sel-    gungen des Klimawandels nicht langfristig          zerischen Informationszentrum für Arten
tene Pflanzenarten sind an die Lebensraum-     besiedelt werden (Abb. 6). Bei der Planung         gesammelt und können für Projektplanun-
bedingungen im Hartholz-Auenwald ange-         von Renaturierungen in einem Einzugsge-            gen bezogen werden (www.infospecies.ch).
passt und daher durch die Fragmentierung       biet kann diese Information genutzt wer-           Da die Informationszentren viele Daten von
der Lebensräume und die Waldnutzung be-        den: Am Beispiel der Rhône müsste für die          freiwilligen Mitarbeitenden wie auch von
einträchtigt (Delarze und Gonseth 2015).       vier untersuchten Arten (Abb. 6) der Fokus         Forschungsprojekten enthalten, muss vor
                                               auf dem Mündungsgebiet liegen, da dort             der Anwendung der Daten in Modellen eine
Hartholz-Auenwälder sind Lebensräume           Refugien für einen Teil der Arten voraus-          unabhängige Datenkontrolle erfolgen. Die
mit einer hohen Strukturvielfalt und einer     gesagt sind. Für die bereits auf der Roten         Verwendung der Fundkoordinaten in For-
hohen Biodiversität, aber sie sind in der      Liste verzeichneten Arten, für welche die          schungsprojekten bietet auch eine große
Schweiz nur noch selten mit einer funk-        Habitatverfügbarkeit in Zukunft abnehmen           Chance, die von Freiwilligen erarbeitete
tionalen Auendynamik vernetzt und daher        könnte, müsste die Naturschutzplanung auf          Leistung sichtbar zu machen und die Bevöl-
stark gefährdet (Delarze et al. 2013). Wei-    einer aktuellen Förderung der Art liegen, um       kerung für Artenaufnahmen zu gewinnen.

                                                          Auenmagazin 21 / 2022                                                                13
PERSPEKTIVEN

S. Fink, C. Scheidegger                Naturschutzplanung für Fließgewässer-Auen unter Klimawandel                                                   10-15

                                 Carex pendula                             Malaxis monophyllos

                                                                                                                   Habitatverfügbarkeit
                                                                                                                   Aktuell ja,    Zukunft ja
                                                                                                                   Aktuell ja,    Zukunft nein
                                                                                                                   Aktuell nein,  Zukunft ja
                                                                                                                   Aktuell nein,  Zukunft nein
                                 Prunus padus                                     Ulmus laevis

Abb. 6: Vorausgesagte Veränderungen in der Habitatverfügbarkeit für vier Arten der Pflanzengemeinschaft Fraxinion entlang dem Fluss Rhône (Fließrichtung
Nord-Ost nach Westen), bis zur Mündung in den Genfersee. Für zwei Arten, Carex pendula und Prunus padus, sind Refugien vorausgesagt, die das längerfristige
Bestehen der Art auch unter Klimawandel ermöglichen könnten. Für Malaxis monophyllos und Ulmus laevis ist die Habitatverfügbarkeit entlang der Rhône und
ihren Zubringerflüssen nur unter aktuellen Klimabedingungen vorausgesagt. Ein Pixel im Modell entspricht einer Fläche von 100 x 100 m. Modifiziert nach Fink
und Scheidegger 2021.

Bei den vorgestellten Lebensraummodellen             einer Überbewertung des effektiv verfügba-            Lebensraummodelle ermöglichen durch die
handelt es sich um statistische Modelle, de-         ren Habitats, da sie wichtige Standortfak-            Berechnung von Zusammenhängen und
ren Güte und Abweichungen mit berechnet              toren (bspw. Mikroklima) nicht berücksich-            durch Rückschlüsse auf die Wichtigkeit
werden. Wie bei allen Modellen sind die be-          tigen, die für kleinräumige Vorkommen von             der einzelnen Faktoren im Modell, die Ni-
rechneten Zusammenhänge abhängig da-                 Arten wesentlich sind. So wird beispiels-             sche der untersuchten Art besser zu ver-
von, welche Faktoren zur Beschreibung des            weise die Sonneneinstrahlung am Wuchs-                stehen. Bei schlecht identifizierbaren oder
Habitats angewandt wurden. In den hier               sort oder die Bewirtschaftung im Lebens-              nur saisonal sichtbaren Arten, wie z. B. Pilze
beschriebenen Beispielen sind klimatische,           raum einer einzelnen Pflanze nicht in den             in Auenlandschaften, können Fundmeldun-
geologische und topographische Fakto-                vorliegenden Modellen erfasst. Diese Anfor-           gen von diversen Jahren gemeinsam in ei-
ren berücksichtigt worden, die nicht direkt          derungen an das Habitat müssen als zusätz-            nem Modell analysiert neue Erkenntnisse
durch Bewirtschaftung beeinflussbar sind.            liche Faktoren oder Maßnahmen beschrie-               liefern. Wenn eine Art noch wenig bekannt
Pflanzen in Auengebieten sind stark von der          ben werden, die innerhalb von möglichen               oder die Vorkommen in einem Habitat rela-
Flussdynamik abhängig, welche in den vor-            verfügbaren Habitaten vorhanden sein oder             tiv neu sind (beispielsweise eingewanderte
liegenden Studien nicht direkt berücksich-           angewendet werden müssen.                             Arten), können Lebensraummodelle basie-
tigt wurde, aber über die Topographie wie                                                                  rend auf Fundorten in anderen Regionen
bspw. Gefälle indirekt zur Beschreibung des          Wichtig für das Überleben einer Pflanze ist           Zusammenhänge aufzeigen. Dies ist eine
Lebensraumes im Modell beitragen. Mit der            auch die Konkurrenz durch andere Pflan-               Chance, die Nische von Neobiota in Auen-
Publikation von hydrologischen Szenarien             zenarten oder die Einbindung in Lebensge-             landschaften zu erkennen, wie von Been-
unter verschiedenen klimatischen Entwick-            meinschaften mit anderen Organismen. Für              ken und Senn-Irlet (2016) für Neomyceten
lungen (Bundesamt für Umwelt 2021) steht             einige Arten von Flechten, die Indikatoren            beschrieben.
für die Schweiz seit diesem Jahr ein Daten-          für autochthone Auenwälder sind (Abb. 7),
satz zur Verfügung, der zukünftige Lebens-           konnten die Lebensraummodelle mit Da-                 Bei vielen Renaturierungsprojekten wird
raummodelle verbessern könnte.                       ten zur Waldstruktur entscheidend verbes-             das Management von Neobiota bereits bei
                                                     sert werden (Dymytrova et al. 2016). Für              der Planung berücksichtigt. Die mögliche
                                                     Pilze in Fließgewässernähe ist es jedoch ge-          Veränderung der Pflanzengemeinschaften
Lebensraummodelle als Chance, die                    lungen, ohne Informationen zu typischen               durch den Klimawandel hingegen ist noch
Nische zu charakterisieren                           Wirtspflanzen Potentialkarten zu erstellen,           wenig bekannt. Für die langfristige Planung
                                                     unter anderem auch für stark von Wirts-               sind Szenarien wichtig, um die Resilienz der
Großräumige Lebensraummodelle basie-                 pflanzen abhängige Mykorrhizapilze (Fink              typischen Auenarten gegenüber Klimaver-
rend auf klimatischen, geologischen und              et al. 2021).                                         änderungen abzuschätzen und rechtzeitig
topographischen Faktoren führen sicher zu                                                                  unterstützende Maßnahmen zur Erhaltung
                                                                                                           der hohen Biodiversität in Auenlebensräu-
                                                                                                           men treffen zu können.

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