Messen in Deutschland und China - AUSEINANDER - Horizont
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m areport HORIZONT 13-14 /2021 1. APRIL 2021 + MESSEN AUSSTELLUNGEN LIVE-KOMMUNIKATION AUSEINANDER Messen in Deutschland und China FOTO: MESSE MÜNCHEN; KOELNMESSE AUSGELEUCHTET AUSPROBIERT AUSGEZEICHNET Nutzerverhalten auf digitalen Events Wie GDD neue Chancen ergreift Was Alpina am Netz begeistert
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 34 EDITORIAL TOP-THEMEN Please Action „Wir können Dinge FOTO: HYUNDAI MOTOR COMPANY Frühling in Sicht? Für die Messebranche ist der in weiter Ferne, in sehr weiter so- besser auf den Punkt gar. Wer im März Hoffnung geschöpft hatte auf einen baldigen Re-Start des seit über einem Jahr ausgelockten Wirt- schaftszweiges, der wurde von den Ergeb- bringen, besser erzählen, nissen der jüngsten Ministerpräsidenten- konferenz ob der Einfallslosigkeit über- rascht. Nach mehr als einem Jahr Pande- mie gehen von der Bund-Länder-Runde wer wir sind und was nach wie vor keinerlei Ideen aus jenseits von ‚Auf oder zu‘. Angesichts der aktuel- PRAXIS len pandemischen Entwicklung ist nun MEDIATECTURE: Was passiert aktuell mit eher davon auszugehen, dass der Lock- der Kommunikation im Raum? 50 wir machen, unsere down bis in den Sommer in Kraft bleiben wird, in welcher Form auch immer. Ein FOT: JÜRGEN BINIASCH klares Signal aus der Politik wäre dennoch hochwillkommen, zumal die Branche Lö- Mitarbeiter vorstellen, sungsansätze für einen Re-Start erarbeitet hat. Selbst der sonst eher zurückhaltende Verband der deutschen Messewirtschaft Auma reagierte nach der letzten Minister- die die Besucher nur präsidentenrunde für seine Verhältnisse ungewöhnlich scharf. „Die deutsche Mes- sewirtschaft – ausstellende Unterneh- men, Veranstalter und Messedienstleister aus Mails kennen. – hatte von der Ministerpräsidentenkon- ferenz am 22. März 2021 eine Perspektive für ihren Re-Start erwartet“, ließ Ver- PRAXIS bandsgeschäftsführer Jörn Holtmeier AUSBAU: Studiolösungen spiegeln Bedarf an 40 Minuten nur für uns. verlauten. Erneut sei die Chance vertan Bewegtbildern 54 worden, ein Signal nicht nur an die Mes- severanstalter, sondern auch an die aus- FOTO: APPLE stellenden Unternehmen zu senden. Das ist extrem intensiv.“ Derweil werden Veranstaltungen wei- ter abgesagt und umgeshiftet – teils schon bis in den Oktober 2023. Auf dem Spiel steht die Rolle des Messeplatzes Deutsch- land, bis zum Ausbruch der Corona-Pan- demie internationaler Messeplatz Num- mer 1 – wenn auch aus dieser Tatsache in den letzten Jahren viel zu wenig Kapital geschlagen wurde. Dafür nehmen die Hiobsbotschaften zu: Die Branche fährt durch die Absagen allein im 1. Halbjahr weiter große Verluste ein. Das Virus ent- BRAND SPACES puppt sich als Worst-Case-Szenario mit FREIRAUM CAMPUS: Orte für das gemein- multiplen Auswirkungen auch auf das same Arbeiten 56 „Ökosystem Messe“, sprich: Hotellerie, Gastronomie, Reisen, Dienstleistungen und viele andere Dinge mehr. Allein in Hannover ging die Zahl der Übernach- tungen um 50 Prozent zurück. Bis erste Messen stattfinden, wird es dauern. Viel- leicht geht es nach dem Sommer vorsich- ist ein Sonderteil von HORIZONT, tig wieder los mit den Veranstaltungen. Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Action please. Chefredaktion m+a report: Christiane Appel Telefon 069/7595-1907 E-Mail: christiane.appel@dfv.de Henrik Rutenbeck, Redaktion: FOTO: ERIK MOSONI Dr. Gwen Kaufmann Christiane Appel GDD-Marketingdirektor Anzeigenverkauf: Chefredakteurin Seiten 46/47 Margitta Jahreis m+a report Anzeige
märkte FOTO: HEIKO STAHL / NÜRNBERG MESSE HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 35 IN WARTESTELLUNG Eine Ministerpräsidentenkonferenz folgt der nächsten – mit für die Veranstaltungsbranche ernüchternden Ergebnissen ohne Öffnungsperspektive Die Messeabsagen und Verschiebungen licht. Zusätzlich war im Rahmen unter- Von Christiane Appel W reichen mittlerweile bis in den Oktober. schiedlicher Studien das überaus geringe „Bund und Länder können nicht immer Risiko nachgewiesen worden, dem Teil- ir müssen immer nur Entscheidungen mit drei bis vier Wo- nehmer von Veranstaltungen begegnen. stärker den Ein- chen Zeithorizont treffen“, kritisiert der Die Messebranche war ebenfalls in Vor- druck gewinnen, Verbandsgeschäftsführer. „Sie haben leistung gegangen: Sie legte jüngst ein dass es schlicht ebenso die Verpflichtung, auch Lösungen Leistungspaket aus acht Bausteinen zum keinen politischen für Branchen zu finden, die lange Vor- Gesundheitsschutz auf Messen vor, basie- Willen zum Han- laufzeiten für ihre Leistungen haben.“ rend auf den Erfahrungen aus dem deln gibt“, urteilt Tom Koperek, Initiator Gerade die Messewirtschaft mit ihrer ho- Herbst 2020 – in einem kurzen Zeitfens- von #AlarmstufeRot, nach den Beschlüs- hen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ter waren da Messen erlaubt. Zu diesen sen der jüngsten Bund-Länder-Kon- für die Exportnation Deutschland brau- Bausteinen gehören die systematische ferenz am 22. März – zumal in der Vor- che Planungssicherheit. Holtmeier: „Wir Überprüfung der Einhaltung von Ab- lage zur Ministerpräsidentenkonferenz brauchen einen Plan der Politik für den standsregeln und Maskenpflicht ebenso (MPK) das Wort „Messe“ nicht einmal Messe-Neustart, der die heute schon ab- wie die vorübergehende Begrenzung der vorkam. Wer nach dem vergangenen Co- sehbaren positiven Effekte der Impf- und Besucherzahl entsprechend der genutz- rona-Krisengipfel Anfang März leise Teststrategie berücksichtigt.“ Denn jetzt ten Fläche und die Sicherung der Kon- Hoffnung geschöpft hatte, es könnte nun träfen Veranstalter und Unternehmen taktnachverfolgung. Holtmeier: „Jetzt vielleicht doch einen vorsichtigen Weg Entscheidungen, die die 2. Jahreshälfte fehlt nur noch die Entscheidung der Poli- aus dem Lockdown geben und auf po- 2021 betreffen. Allein im 3. Quartal 2021 tik, Messen auf dieser Basis wieder grund- sitive Signale gewartet hatte, landete wie- sind über 80 Messen geplant. Deren sätzlich zuzulassen, denn der Stillstand der jäh auf dem Boden der Tatsachen. Durchführung dürfe nicht durch ausblei- der Branche dauert jetzt mit kurzer Un- Auch Jörn Huber, Vorsitzender des Fa- bende Entscheidungen der Politik gefähr- terbrechung genau ein Jahr mit schwer- mab Kommunikationsverbandes, ist ent- det werden, betont er. wiegenden Folgen für die gesamte Wirt- täuscht: „Niemand würde ernsthaft ver- Die vollmundig angekündigte Öff- schaft.“ Der Auma-Geschäftsführer hatte suchen, ein Unternehmen im Zweiwo- nungsstrategie ertrinke „in einem Meer im Vorfeld der jüngsten MPK von Bund chentakt zu steuern. Wir als Wirtschafts- operativer Fehler“, klagt der Fachverband und Ländern gefordert, die Business- zweig sind jedoch politisch dazu Famab. Statt der in Aussicht gestellten Plattform Messe wieder als eigene Kate- gezwungen, unsere Maßnahmen, Visio- Öffnungen rudere die Politik, getrieben gorie zu betrachten und im Rahmen ihrer nen und Hoffnungen von MPK zu MPK von Inzidenzen und kurzfristigen Hand- Beschlüsse wieder zulassen. M aufrechtzuerhalten oder zu verwerfen. lungshorizonten, zurück. „Wir sind län- Dabei bräuchten wir vor allen anderen ger im Lockdown als jeder andere Sek- essen seien als Branchen- endlich ein verbindliches Signal aus der tor“, so Famab-Vorstandsmitglied Huber. marktplätze und als Inno- Politik.“ Huber zur Frustration in der Nun müsse die Veranstaltungswirt- vations- und Kooperati- Branche: „Unsere Produkte und Dienst- schaft aufs Neue hinnehmen, dass der onsplattformen ein wich- leistungen lassen sich nun mal nicht zwi- seit über einem Jahr bestehende Lock- tiger Faktor für die kurz- und mittelfristi- schen zwei MPKs planen oder gar umset- down weiter verlängert wird. Die Regie- ge Erholung der deutschen Wirtschaft. zen.“ Die Messewirtschaft hatte ebenfalls rung müsse aber endlich die Verant- Gerade kleine und mittelständische eine andere Erwartungshaltung. „Aus- wortung übernehmen und dafür sorgen, Unternehmen brauchen vor allem auch stellende Unternehmen, Veranstalter und dass die finanziellen Rettungsmittel ihre regionalen und nationalen Messen Messedienstleister hatten von der Minis- im sechstgrößten Wirtschaftszweig mit als Absatz- und Vertriebsplattform. Über terpräsidentenkonferenz am 22. März einer Million Beschäftigten ankommen. 50 Prozent der ausstellenden Unterneh- 2021 eine Perspektive für ihren Re-Start Dies beinhaltet auch ein Überbrückungs- men haben bisher messbare wirtschaft- erwartet“, sagt Jörn Holtmeier, Ge- programm IV. liche Einbußen durch die Absage von T schäftsführer des Verbandes der deut- Messen erlitten. Die Messeveranstalter schen Messewirtschaft Auma. „Erneut rotz der in den zurückliegenden und ihre Dienstleister hatten 2020 Um- wurde aber die Chance vertan, hier ein März-Tagen ansteigenden Inzi- satzrückgänge von über 70 Prozent Signal nicht nur an die Messeveranstalter, denzen wurden die Beschlüsse zu verzeichnen. sondern auch an die ausstellenden Unter- der MPK in der Veranstaltungs- „Wir sind maßlos enttäuscht von den nehmen zu senden, die auf ihre Bran- wirtschaft mit Spannung erwartet. Die Ergebnissen der MPK“, so Tom Koperek, chenplattformen gerade in wirtschaftlich vom Sektor seit Monaten geforderte Ein- #AlarmstufeRot. „Die Branche muss sich schwierigen Zeiten angewiesen sind.“ beziehung von Schnell- und Selbsttests in nicht vorwerfen, nicht alles in ihrer Seit über einem Jahr befindet sich die Verbindung mit ausgereiften Hygiene- Macht Stehende getan zu haben, um der Messewirtschaft – mit kurzer Unterbre- konzepten hätte eine vorsichtige Wieder- Regierung gute Gründe für einen siche- chung im Herbst 2020 – im Lockdown. zulassung von Veranstaltungen ermög- ren Neustart zu geben.“
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 36 FOTO: MESE FRANKFURT Viel Licht in China: Die Shows laufen wieder, darunter auch die Prolight + Sound Guangzhou BLAUPAUSE CHINA Pragmatismus über Perfektionismus Vorbildfunktion: In China strömen Aussteller und Besucher wieder sicher auf Messen. Was lässt sich daraus für den deutschen Markt ableiten? sätzlich sei davon auszugehen, dass, wenn Veranstaltern noch etwas beibringen zu talitäre Regime gedeutet wird, ist die we- I Von Gwen Kaufmann es in Deutschland eine Öffnung von Mes- können, wenn es darum geht, wie Messen niger individualistische Gesellschaftsord- sen gäbe, auch hierzulande von allen Be- in China funktionieren, auch mit der be- nung, wie sie generell in Asien besteht, für n China jährt sich in wenigen Wo- teiligten ein hohes Maß von Verantwor- sonderen Ausnahmesituation einer Pan- Udo Traeger ein zentraler Faktor. In Chi- chen ein Ereignis, auf das Messe- tung dafür sorgen würde, dass behördli- demie.“ Seiner Einschätzung nach ist es na steht weniger der Einzelne im Vorder- Deutschland noch sehnlichst war- che Vorgaben eingehalten würden, so die in China gelungen, einen sehr attraktiven grund. „Es geht nicht nur um die eigene tet: der Tag, an dem konkrete Maß- Überzeugung von Udo Traeger, der über Mix aus dem deutschen und dem briti- Gesundheit, sondern auch um die Ge- gaben der Regierung verabschie- rund 30 Jahre Erfahrung im internationa- schen Messe-Modell zu kreieren und die- sundheit des anderen“, beschreibt er die det wurden, unter denen Messen len Messegeschäft verfügt. sen in die eigene Kultur zu integrieren. Einstellung. Entsprechend werde bei- zu Corona-konformen Bedingun- Woran liegt es genau, dass China der Ein hohes Maß an Professionalität ist spielsweise das Tragen von Mund-Nasen- gen sicher stattfinden dürfen. Am 9. Mai Neustart so gut gelungen ist und Besu- zur Selbstverständlichkeit geworden, ge- Masken zum Schutz anderer nicht als Zu- 2020 hat Peking Regularien erlassen, wie cher wie Aussteller ohne Vorbehalte wie- paart mit Pragmatismus. Eine gute Aus- mutung empfunden, sondern im Sinne Messen wieder ihre Tore für Aussteller der auf Messen kommen? Lässt sich das gangslage, um nach dem Lockdown das der Gemeinschaft akzeptiert und prakti- und Besucher öffnen dürfen. Seit Juni auf Deutschland übertragen? Um diesen Messegeschäft wieder hochzufahren. ziert. Ähnlich sieht es aus, wenn etwa für 2020 sind Hunderte Events unterschied- Fragen auf den Grund zu gehen, lohnt Dass es so gut gelungen ist, dafür gibt es Temperaturmessungen angestanden wer- lichster Veranstalter, darunter diverse sich ein Blick auf die Entwicklung von drei zentrale Faktoren: den muss. „In China ist das kein Problem, 1Kulturelle Prägung deutsche Messegesellschaften, in ganz Messen in China. „Das Reich der Mitte man ist geduldiger“, erklärt Traeger. China unter diesen Auflagen durchge- hat in absoluter Höchstgeschwindigkeit Dem pflichtet Michael Kruppe bei. führt worden, ohne dass es zu Corona- gelernt, wie das Format Messe funktio- Der Geschäftsführer des Shanghai New Ausbrüchen gekommen ist. niert“, umreißt Udo Traeger. Der Sinolo- International Exhibition Center (SNIEC) Die Hygienekonzepte, die in China ge hat beobachtet, welch eine steile Lern- Die kulturelle Prägung spielt eine gewich- war bei jeder der über 80 Veranstaltun- ausgearbeitet wurden und erfolgreich kurve in China genommen wurde, und tige Rolle für den Erfolg bei der Eindäm- gen, die in der 2. Jahreshälfte 2020 in sei- Anwendung finden, stehen analog auch ist überzeugt: „Wir können heute nicht mung der Pandemie. Während mit west- ner Location zu Gast waren, selbst auf in Deutschland zur Verfügung. Grund- mehr davon ausgehen, den chinesischen licher Brille oftmals vor allem auf das to- ● Fortsetzung auf Seite 38
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 38 ● Fortsetzung von Seite 36 schaftsbetrieb zu stoppen, gründlich da- FOTO: KOELNMESSE dem Gelände unterwegs. „Höchstens eine nebenging. Handvoll Gäste habe ich ohne Maske ge- Deutschland hingegen sieht Traeger troffen. Und auch das war kein Problem: da ganz anders aufgestellt: „In Deutsch- Nach einer kurzen freundlichen Erinne- land wurde beispielsweise die Grippe im- rung haben alle sofort eine Mund-Nasen- mer unterschätzt, auch das ist eine negati- Bedeckung angelegt“, so der Manager, ve Voraussetzung für die Handhabung der seit über 30 Jahren in China lebt. Wa- der Pandemie, die zuvor immer weit ge- rum in Deutschland so viel Aufhebens nug entfernt war, gewesen.“ Das Bewusst- um das Tragen von Masken gemacht wer- sein in der breiten Bevölkerung, dass sich de, kann er nicht nachvollziehen, seien auch in einem fortschrittlichen Land wie die Vorteile schließlich so offensichtlich Deutschland ein Virus bedrohlich aus- und das individuell zu erbringende Opfer breiten kann, sei nicht vorhanden gewe- so gering. sen. Der Wunsch des Messeprofis, der fe- 2 Vorerfahrung derführend im Aufbau des Messe-Portfo- lios der Messe Frankfurt in China war: „Man kann nur hoffen, dass in Deutsch- land aus der Pandemie gelernt wird, so China wurde von der Corona-Pandemie wie es in Asien durch den Sars-Ausbruch nicht so vollkommen unvorbereitet er- Learnings gab.“ 3 Digitalisierung wischt, wie es in Deutschland der Fall war. Konnte sich Deutschland offenbar nicht wirklich vorstellen, jemals von einer Epi- demie geschweige denn Pandemie betrof- fen zu sein, war die Ausgangslage in Chi- Was auf den ersten Blick paradox er- Udo Traeger na eine andere. Ganz konkret hat der Ausbruch der scheint, gereicht Chinas Messemarkt zu einem Vorteil: der hohe Grad der Digita- Seit 1992 ist der studierte Sinologe Udo Sars-Epidemie 2003 Land und Bevölke- lisierung des Handels. „China ist schon Traeger in der Messewirtschaft tätig. rung dafür sensibilisiert, wie essenziell sehr stark im E-Commerce, auch in Ver- Seine internationalen Kompetenzen hat konsequentes Handeln in einer solchen zahnung mit dem lokalen Handel“, er- er für die Messe Frankfurt, die Buch- Situation ist. Ebenso, wie ausreichend klärt Sinologe Traeger. Die Nutzung digi- messe und die Koelnmesse genutzt, bevor er sich 2012 als Exhibition Schutzausrüstung sofort zur Verfügung taler und sozialer Medien sei im Alltag Doctors selbstständig gemacht hat. zu haben. Als Lerneffekt folgte daraus ei- selbstverständlich, ebenso wie das Bezah- Der Fokus seiner Beratung liegt in der ne höhere Grund-Alarmbereitschaft so- len per Smartphone. Eine Trennung von Strategieentwicklung. Seit 2018 enga- wohl aufseiten der Behörden wie auch der beruflicher und privater Nutzung von giert er sich außerdem für Nachhaltig- Bevölkerung, eine aufkommende Ge- Netzwerken findet kaum statt. Es beste- keit im Veranstaltungswesen und ist sundheitskrise ernst zu nehmen. Auch hen keine Berührungsängste, sondern im Partner der Agentur 2bdifferent. Das wenn der Start in Wuhan – und das ist die Gegenteil erfahren die Vorteile der Tech- Wissen aus rund 30 Jahren Messewirt- schaft gibt er zudem als Dozent an der Kehrseite des politischen Systems – aus Beratung, Vergleiche und Beurteilung gehen auf nologie mehr als bereitwillig breite Nut- Dualen Hochschule Baden-Württem- Angst vor der Verantwortung, den Wirt- einer Präsenzmesse effizient von der Hand zung. Somit geht die Digitalisierung der berg weiter. Einlass per „Gesichtsabdruck“? A ls eine wichtige Komponen- teren Abgleich zur Verfügung. Ein solches den gesetzlichen Vorgaben der te für abgesicherte Einlass- Verfahren wird beispielsweise zur Ent- DSGVO, weil sie standardmäßig zu- kontrollen zu Messen gelten sperrung von Smartphones angeboten. nächst deaktiviert ist und aktiv zuge- in China Systeme zur Ge- Als größte Hemmschwelle der stimmt werden muss. sichtserkennung. Im Reich der Mitte Nutzung von Face-ID in Deutschland Um eine solche Einwilligung zu er- Michael Kruppe ist diese Technologie breit im Einsatz und akzeptiert, in Deutschland fand gelten Datenschutzbedenken. Das eigene Gesicht vermessen und diese In- halten, muss zuvor umfassend über den Sinn und Umfang der Nutzung Der gebürtige Norddeutsche ist seit sie bisher wenig Verwendung. formationen in Form eines biometri- der biometrischen Daten informiert 1988 in verschiedenen Rollen und Die Vorteile von Face-ID liegen auf schen Token speichern zu lassen, bei dem werden. Im Falle von Events gehört Städten, aber immer in China heimisch. der Hand: Es ist eine schnelle und kon- Gedanken ist vielen nicht ganz wohl. dazu auch die Information, wie nach Anfang 2014 hat er die Geschäfts- taktlose Möglichkeit, um Personen Die Gesetzgebung hat für solche sensi- Ende der Veranstaltung mit dem bio- führung des Shanghai New Interna- tional Exhibition Center SNIEC über- eindeutig identifizieren zu können. blen Daten klare Anforderungen und metrischen Token verfahren wird. nommen, das als eines der am stärksten Für die Zutrittskontrollen zu Messen Regularien formuliert. Für die Verarbei- Zutrittssysteme mit Gesichtserken- ausgelasteten Messegelände der Welt und Veranstaltungen in Pandemie- tung biometrischer Informationen greift nung konnten sich vor Ausbruch gilt. Es ist ein Deutsch-Chinesisches Zeiten sind das zwei besonders wichti- in Deutschland die Datenschutz-Grund- der Corona-Pandemie in Deutschland Joint Venture unter Beteiligung der ge Vorteile, die zur Reduzierung eines verordnung DSGVO, die eine ausdrück- noch nicht breit etablieren. Die zu- Deutschen Messe, Messe Düsseldorf Infektionsrisikos beitragen können. liche Einwilligung in die Verarbeitung sätzlichen Vorteile, die sie zur Sicher- und Messe München. Im 2. Halbjahr Zum einen kann es zu keiner Anste- für einen festgelegten Verwendungs- heit von Veranstaltungen beitragen 2020 wurden 83 Messen durchgeführt, zu denen in Summe 3,5 Millionen ckung kommen, wenn keine Kontakt- zweck fordert. Durch ein Opt-in-Verfah- können, bringen möglicherweise Besucher kamen – ohne einen einzigen flächen berührt werden müssen. Noch ren entspricht die Gesichtserkennung nun die Wende. KF Corona-Fall. Das entspricht etwa der stärker zum Tragen kommen die Vor- Hälfte des vor der Pandemie geplanten teile der Technologie allerdings in der FOTO: MESSE FRANKFURT Volumens. Hallen zu füllen liegt Kruppe: Zuordnung von Testergebnissen. Wer- Mit seiner Heavy Metal Band Shang- den im Zugangsbereich eines Events High Voltage hat er sich eine stetig Corona-Testungen durchgeführt und wachsende Fanbase erarbeitet. das negative Ergebnis an das biome- trische Gesichtsprofil der Person ge- koppelt, ist eine Weitergabe des Nega- tiv-Befunds faktisch ausgeschlossen. In der praktischen Umsetzung kann die Gesichtserkennung in die Vorab-Registrierungen der Teilneh- mer eingebunden werden, beispiels- weise durch das Hochladen eines Fotos zum Abschluss der Online-Anmel- dung. Durch dieses Bild wird das bio- metrische Profil errechnet und ein so- genannter biometrischer Token der Person erstellt. Dieser Vorgang dauert wenige Sekunden, das Foto muss dafür nicht systemseitig gespeichert werden. Lediglich der Token steht für den spä- Zutritt nur mit passendem biometrischen Token: Gesichtserkennung als Einlasskontrolle
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 39 Messen in China schon seit geraumer FOTO: KOELN MESSE Zeit, auch durch Kooperationen mit den Handelsplattformen, in Riesenschritten voran. Die Kantonmesse wurde beispiels- weise komplett in den virtuellen Raum verlegt und hat gut funktioniert. In Deutschland hingegen wird mit digital verlängerten Handelsplattformen eher gefremdelt. Das hat den Schritt in den virtuellen Raum als ernst genomme- ne Alternative zum Geschäftemachen erschwert. Als Konsequenz gestaltet sich auch die Entwicklung digitaler Geschäfts- modelle für Veranstalter mehr als zäh. Das sieht in China anders aus. Vor allem die beiden weltgrößten privaten Messe- veranstalter Informa Markets und Reed Exhibitions wissen die Vorteile der breiten Digitalisierung für sich zu nutzen. In beiden Konzernen stellen Messen ei- nen Geschäftsbereich dar, auf den zen- trale Kompetenzen angewendet werden, nämlich: Data Analytics. Ausgehend von den Daten, die Aussteller und Be- Ob vor Ort oder online: In China werden Geschäfte über alle Kanäle gemacht, auch hybrid und mixed mode sucher hinterlassen, sind längst Angebote und Services mit einem Preisschild ent- deutlich ausgebaut worden. Ein klares bis dato pro Messehalle begrenzt, um Be- vermutet. SNIEC hatte im Durchschnitt wickelt worden. Und zwar für virtuelle, Signal an Anleger, aber auch Kunden, sucherströme zu entzerren und Klum- 20 bis 25 Prozent weniger Aussteller zu hybride und reine Präsenzveranstaltun- wo diese Anbieter die Zukunft der Messe pungen zu vermeiden. Ausländische Be- verzeichnen als bei den jeweiligen Vorver- gen. Dass beide Unternehmen darin sehen: In ihrer Sicht kann es offenbar sucher sind aufgrund von Quarantäne- anstaltungen. Für das Handling unter die Zukunft sehen, manifestiert sich in keine Angebote mehr ohne digitale bestimmungen Mangelware. Aber das ist Pandemie-Bedingungen nicht unbedingt den jeweiligen Spitzenetagen. Durch die Komponenten geben. China bietet mit in China kaum ein Problem, denn das von Nachteil, denn so ist auch das Auf- Corona-Pandemie mussten die nicht- seinem hohen Digitalisierungsgrad und Land und seine Provinzen sind sich selbst kommen an Anlieferungen und Mitar- staatlichen Anbieter stark Federn lassen frühem Restart für Veranstalter optimale Markt genug. Unterstützt wird das durch beitern für den Aufbau reduziert und mit und unter dem Druck der Börse extreme Bedingungen, um digitale Geschäfts- die Wirtschaftspolitik Chinas, die auf Hygieneregeln einfacher zu handhaben. Verschlankungen vornehmen. Das wurde modelle weiterzuentwickeln. zwei Kreisläufe setzt und durch hohe In- Trotzdem freuen sich bei SNIEC wie den aber sowohl bei Informa wie auch Doch selbst wenn das Gras in China vestitionen in den Hochtechnologiesek- anderen Geländen in China und auch bei Reed für eine Neuaufstellung der grüner scheint: Auch dort gelten nach wie tor den Binnenmarkt stärkt. Deutschland alle darauf, wieder den Vor- Führungsriege genutzt. Die Kompeten- vor Beschränkungen, was das zugelassene In den Ausstellerzahlen hat sich die Pandemie-Trubel orchestrieren zu kön- zen im Bereich datenbasierter Geschäfts- Besuchervolumen betrifft. Auf 50 Prozent Pandemie ebenfalls niedergeschlagen, nen, der zum „echten“ Messefeeling ein- modelle sind hier wie dort noch einmal der maximal möglichen Kapazität ist es doch in einem geringeren Ausmaß als fach dazugehört. Anzeige
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 40 FOKUSSIERUNG Überraschung macht den Erfolg aus Wolf Lotter, Gründungsmitglied des Wirtschaftsmagazins Brand Eins, über Digitalisierung, Transformation, Wissensökonomie, Zusammenhänge – und darüber, was Messen damit zu tun haben tungswirtschaft und auch die Politik. Die Und wie weit die Entwicklung schon wo- fällt nur bei Präsenzveranstaltungen an. Von Christiane Appel Fokussierung auf den Umstand, alles anders ist? Gerade beim Thema Hybrid Und deshalb ist alles andere außer der E wird wieder so werden wie es war, wenn sehen wir ja, dass es gelingt, für die Kun- Idee, etwas hybrid zu machen, für mich ine wichtige Aufgabe für die Ver- das Virus verschwunden ist, ist einfach den dauerhaft Events zu machen, bei de- nicht o.k. anstaltungswirtschaft sieht der falsch. Die Chance ist, diese Krise als nen es nicht nur darum geht, die Stamm- Wirtschaftsessayist darin, das Wendepunkt zu begreifen und aufzuhö- kundschaft zu bespielen, sondern immer Heißt das, wir leiden alle an dem er- Große und Ganze zusammenzu- ren, alten Illusionen hinterherzulaufen. wieder neue Leute zu requirieren und zu weiterten Austausch? Die Lernfähigkeit bringen. Dabei unbedingt zu vermeiden Es ist Zeit, die neue Zeit anzunehmen – interessieren – vielleicht nur zu einem mit den digitalen Systemen ist nicht so, ist das Bilden von Silos. Weshalb nicht die- die Zeit der Digitalisierung, der Virtuali- Abschnitt dessen, was man tut. Aber sie wie sie sein soll? se Krise als Wendepunkt begreifen und sierung und vor allen Dingen des Nutzens werden angesprochen in einem Netzwerk Exakt. Märkte sind Gespräche. So steht es aufhören, alten Illusionen hinterherzulau- von Wissen als ökonomische, gesell- des Interesses und der gemeinsamen Be- im Cluetrain Manifest von 1999, ein sehr fen? Nichts ist gefährlicher als die Erfolge schaftliche und kulturelle Ressource. Das dürfnisbefriedigung. Es geht nicht da- kluges Stück über die Wissensgesellschaft. von gestern. Technologie sollte genutzt Weitermachen in Routinen bringt nicht rum, dass wir alle tolle Websites basteln, Das heißt schon mal, dass die einen nicht werden, Menschen zusammenzubringen. weiter. Die Transformation, die Frage des dass es große Bildschirme gibt, über die nur spielen und die anderen nicht nur Es ist Zeit, die Zeit der Digitalisierung an- Übergangs der Industrie- zur Wissens- wir Werbe- oder Marketingbotschaften konsumieren. Aber viele Messen und zunehmen, die der Virtualisierung und gesellschaft, geht uns alle an. Die Auto- bei den Messen verbreiten, sondern es Events sind genauso gemacht. Sie sind als vor allen Dingen die des Nutzens von Wis- matisierung in die digitalen Bereiche wird geht darum, Technologie dazu zu nutzen, Konsumerlebnis gedacht. Das führt al- Wolf Lotter sen als ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Ressource. Routinearbeiten überflüssig machen. Das wissen wir, verdrängen es aber. Menschen zusammenzubringen. Das ist etwas ganz Entscheidendes. lerdings dazu in einer Gesellschaft, die immer mehr personalisiert, individuali- ist Buchautor, Essayist und siert, auch immer größere Ansprüche hat Keynoter mit dem Schwerpunkt Ist die Coronakrise das Problem oder ist Was wird wichtiger werden? Messemenschen reden von Stammes- und sich unterscheiden möchte, dazu, Transformation von der Industrie das eigentliche Problem das, was über Eben genau die Dinge zu tun, die in einer treffen, von Lagerfeuern, von der Fear dass man sich nicht mehr verstanden zur Wissensgesellschaft. Der die Pandemie hinausgeht? Netzwerkökonomie völlig normal sind: of missing out. fühlt. Man geht in immer kleinere 58-Jährige ist Gründungs- mitglied des Wirtschaftsmaga- Die Pandemie geht vorbei. Aber was da- eine Verbindung herzustellen zwischen Ich habe vor etwa zehn Jahren in Brand Grüppchen rein, in Bubbles oder Silos, zins Brand Eins, wo er seit mehr bei übersehen wird, ist, dass wir in einem dem Angebot, das man hat, und den je- Eins zum Thema Eventindustrie ge- wie diese Organisationen heißen, die sich als zwei Jahrzehnten die Ein- Prozess stecken, den wir vielfach noch weiligen Bedürfnissen der Kunden. Das schrieben und dafür auch mit Kai Hat- gegenseitig bestätigen – mit allen negati- leitungen (Leitessays) verfasst. nicht verstanden haben: die Transforma- Wort „jeweilig“ ist hier wichtig. Ich bin tendorf gesprochen (damals Bereichslei- ven Konsequenzen. Die führen dazu, dass Seine aktuellen Bücher sind tion von der Industrie- zur Wissensgesell- mir nicht so sicher, ob das in der Branche ter Unternehmenskommunikation Mes- wir nicht mehr in der Lage sind, sehr viele „Innovation. Streitschrift für schaft. Die Messe-und Eventbranche ist angekommen ist. Mir scheint, dass dort se Frankfurt, heute CEO des Messewelt- Leute zu erreichen. Wenn man positiv barrierefreies Denken“ (2018) ein Teil der Wissensökonomie, die sich sehr oft mit viel technischer Formalität verbands UFI, Anm. der Redaktion). Er denkt, könnte man auch sagen, man und „Zusammenhänge. Wie wir lernen, die Welt wieder zu aber an den Regeln und an der Kultur der gearbeitet wird, aber die Individualisie- hat mir damals gesagt, Messen sind eines müsste die Strategie umlenken darauf, verstehen“ (2020), beide Edition Industriegesellschaft orientiert. Bevor ich rung in ihrem Wesen noch nicht verstan- der ältesten Geschäftsmodelle der Welt. mit relativ vielen dieser Gruppen zu agie- Körber Hamburg. auf Ihre Frage tiefer eingehe, oute ich den ist. Es geht darum, die kleinen Be- Denn eine Messe ist nichts anderes als ein ren, Beziehungen zu pflegen und zu ver- mich als großer Fan der amerikanischen reiche zu bespielen, fast herunter bis zur Erlebnis, das Menschen haben wollen – suchen, das Große und Ganze zusam- Fernsehserie „West Wing“ und beschrei- Personalisierung. Das heißt, man hat wie das Lagerfeuer, an dem sie zusam- menzubringen mit dem Detail. be eine Szene, die mir dazu einfällt, in der nicht mehr diese großen Events, die ja menkommen und sich austauschen. Das der fiktive Präsident einen harten Tag ge- eigentlich nur mehr für die eigene Bran- Geschäft, um das es hier eigentlich geht, Können wir das? habt hat – wie die Branche derzeit viele che gemacht werden. Und die auch nur ist Kommunikation und Austausch. Mit- Wie gesagt: Personalisierung liegt uns harte Tage hat. Er fragt seinen Assisten- für die, sie sich regelmäßig austauschen einander zu reden verbindet, orientiert, nicht. Die Organisationskultur ist stark in ten, ob er denn den Unterschied kenne wollen, etwa einmal im Jahr. macht sicherer und bringt uns weiter. Das Routinen. Das ist das Problem. zwischen einem Pessimisten und einem ist es, worum es eigentlich geht: persönli- Optimisten. Der Assistent verneint und Das sind Bedürfnisse! cher Austausch. Es ist die Individualisie- Transformation, die gut funktioniert, bittet Mr. President um Aufklärung. Der Ja, aber das ist nicht genug. Ich frage rung, die die Wissensgesellschaft aus- ist doch das Thema Hybrid. auf West Wing antwortet: „Der Pessimist mich: Wissen die Event- und Messeleute macht. Auf neudeutsch: das Netzwerken. Hybrid ist vernünftig. Weil es nicht sagt: Schlimmer kann es nicht werden“, eigentlich, was sie wissen? Das ist eine „entweder-oder“ sagt, sondern „sowohl der Optimist sagt: „Doch, das geht.“ Ausgangsfrage in der Wissensgesellschaft. Bei Online-Veranstaltungen können als auch“. Das ist die Erfolgsformel in Sie stammt übrigens von Heinrich von wir uns auch unterhalten. einer Welt, von der es viele Bedürfnisse Sie sind … Pierer, einst Siemens-Manager, der vor Stimmt, aber wir unterhalten uns nicht gibt, die man nicht mit einer Konfekti- … in diesem Sinne verhalten optimis- vielen Jahren festgestellt hat: „Weiß Sie- auf dem Level, auf dem wir positive Über- onsgröße abdecken kann. Hybrid schafft tisch. Wir müssen diese Transformation mens eigentlich, was es weiß?“ Will sagen: raschungen erleben. Das heißt, dass man uns zusätzliche Vorteile. Das ist etwas, das bewältigen und die Zeichen der Zeit end- Ist denn eigentlich klar, wozu wir in der zufällig nach/bei einer Veranstaltung je- das Bewährte von heute mitnimmt in die lich verstehen. Das betrifft die Messe- Lage sind? Wissen wir eigentlich, in wel- mandem begegnet, der etwas völlig Neues Zukunft und daraus etwas Neues schafft – branche genauso wie die Industrie, die chem technologischen, gesellschaftli- erzählt oder genau das Gegenteil. Dieser auch wenn wir noch nicht genau wissen, Produktionswirtschaft, die Dienstleis- chen, soziologischen Umfeld wir stehen? Lernprozess, dieses zufällige Mitnehmen, was das sein wird.
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 41 FOTO: WOLFPRESSE Mastermind und Wirtschafts- essayist Wolf Lotter. Sie sind kein großer Freund von Online- setzung. Wenn ich nach den Bedürfnissen wort. Im Grunde hat man uns schon mal Eine Messe, auf der alle präsentieren kön- Veranstaltungen? frage, wissen möchte, was jemand gerade beigebracht: Uns gibt es, weil es Touris- nen, was sie haben, wird es nicht mehr Es kommt darauf an. Es gab viele, die braucht oder was ich für ihn tun kann. mus geben muss, weil die Hotels ausge- geben, glaube ich. Das ist überholt. Was es mich nicht überzeugt haben. Aber das gilt Und umgekehrt natürlich auch. Der Mes- bucht sein müssen, weil die Restaurants geben wird, ist der Austausch, das Inte- auch für Präsenzveranstaltungen. Und sebesucher von heute möchte auch Teil- Besucher brauchen, eine Haltestelle für resse, die Neugier – also das Momentum, was meine Erfahrungen angeht: Ich hatte nehmer sein. Er möchte mitgestalten. Da den ICE und so weiter. in dem Innovationen drinstecken. Ich im letzten Jahr das Vielfache an „Präsenz“ muss man Konzepte nicht nur grundsätz- glaube weiter, dass es wichtig ist, diese beim Publikum gegenüber dem Jahr da- lich überarbeiten, sondern neue Konzep- Sie meinen, diese Argumentation führt Überraschungsfähigkeit zu einer Norma- vor mit Präsenzveranstaltungen. Präsenz te und neue Möglichkeiten des Zusam- dazu, dass man nicht mehr fokussiert ist lität zu machen. Es müsste ja auch mög- im Internet. Und wunderbare Diskussio- menkommens entwickeln. auf das, was man eigentlich will? lich sein, auf Messen und im Eventbereich nen, auch weil die Hemmschwelle, etwas Ja, so ist es. Wenn der politische Wille da viel mehr Partizipation zuzulassen. Mes- zu fragen und eigenes Wissen einzubrin- Warum tun wir das alles nicht? ist, baut man seine Gelände, seine Hallen, sebesucher sind nicht mehr nur konsu- gen, bei den Teilnehmern online nicht so Weil wir unsere Illusionen bewahren seine Haltestelle und macht weiter wie mistisch. Messen sollten all diese Über- hoch ist wie in einem Saal voller Leute, wo wollen. Woody Allen hat mal die Ge- immer. Das ist eine Form von Planwirt- raschungsfähigkeiten noch mal betonen, man aufstehen, zum Mikro gehen und schichte eines Mannes erzählt, der zum schaft. Mit den Märkten und den Interes- noch mal fördern, noch mal damit nach dann auch noch klar formulieren muss. Arzt geht: „Herr Doktor, Sie müssen mir sen der Menschen hat das nichts zu tun. vorne gehen. Das ist nicht jedermanns Sache. Online helfen“. Der Arzt fragt: „Was ist denn Man muss sich wieder auf harte Wirt- ist lockerer, und das ist gut so. Daran los?“ „Mein Bruder glaubt, er sei ein schaftsfaktoren, auf die Interessen des Wie sieht denn Ihre Idealvorstellung „Hybrid schafft uns muss man natürlich auch interessiert Huhn.“ „Dann müssen wir ihn einweisen Marktes fokussieren, nicht auf die irgend- einer Messe aus? sein, und ich glaube, dass die ganze Bran- lassen.“ „Auf gar keinen Fall – ich brauche welcher Shareholder. Marktinteressen Ich wünsche mir Messen als Orte der zusätzliche Vorteile. che etwas davon hat, wenn sie anfängt, die Eier.“ Wenn man mit einer ganz sind die Interessen der Menschen, die Vielfalt, als Orte der Perspektiven, als Or- Das ist etwas, das auch in diesen Kategorien zu denken, und sagt: „Erweitern wir unser Spektrum“. bestimmten Methode Erfolg hat, warum soll man etwas ändern? Erfolge von ges- kommen und dafür bezahlen, dass es das Event gibt. Das sind die Interessen, um te der Orientierung, die Zusammenhän- ge klarmachen. Die Welt ist unglaublich das Bewährte von Transformation macht es möglich, dass tern führen dazu, dass wir in der Trans- die es uns immer gehen muss. komplex. Und ich gehe auf eine Messe, heute mitnimmt in wir Komplexität positiv nutzen. Diesen formation, in der Veränderung unsere weil ich eine Orientierungsentscheidung die Zukunft und Kontext müssen wir sehen. Es geht nicht Wagenburgen aufbauen und daraus auf Context is King? treffen muss. Dabei hilft mir jemand, weil nur um die Inhalte, die wir verbreiten, alles schießen, was anders ist, was inno- Ja. Es geht wirklich um die Zusammen- er sein Wissen verstanden hat und er- daraus etwas Neues sondern den Inhalt, den wir jeweils ver- vativ ist. Und das Digitale war schon im- hänge, in denen wir handeln. Die muss klären kann. Die meisten wissen heute schafft – auch breiten. Das ist ein großer Unterschied. mer suspekt, ist bis heute vielen suspekt man klarmachen und sich klarmachen. etwas, und die anderen erklären etwas. wenn wir noch nicht geblieben. Dass bis heute keine vernünfti- Und das auch mit anderen teilen. Man Aber die beiden haben nicht viel mitei- Apropos Präsenz: Im vergangenen Jahr gen Geschäftsmodelle entwickelt wurden, muss die Leute fragen, was sie brauchen, nander zu tun. genau wissen, was war die Event- und Messeszene wenig liegt nicht nur daran, dass das Internet fragen, was ihr Bedürfnis ist und mit ih- das sein wird“ bis kaum präsent. lange eine Gratiskultur hatte. Das ist doch nen kommunizieren. Nochmals: Märkte Wir müssen wieder besser kommuni- Wolf Lotter Das stimmt. Im Internet, im Web, bei deshalb so, weil viele aus der Präsenz- sind Gespräche. Das ist auch der ent- zieren? Veranstaltungen ist sie kaum wahrge- kultur gesagt haben, mit diesem Netz- scheidende Satz. In einem guten Ge- Ja, in menschlichen Gesprächen und nommen worden. Die großen Häuser werkkram wollen wir nichts zu tun ha- spräch sind Sie hoffentlich überrascht, Dimensionen, in überschaubaren Di- hielten die Füße ruhig. Dabei gibt es un- ben, also den Eiermann gemacht haben. vielleicht sind Sie auch verärgert oder er- mensionen. Die Disruption geht ins zählige Möglichkeiten, etwas zu tun und Es gibt ja viele, die intensive Erfolge ein- freut, je nachdem, wo Sie stehen in dieser Kleinteiligere, aber auch in intensivere sich zu profilieren. Den Messeveranstal- fahren. Aber es gibt immer noch zu viele, Branche, aber im Kern geht es darum, Kundenbeziehungen. Damit ist nicht tern könnte man glatt zurufen: „Wo seid die beleidigt in ihren Silos sitzen und sich dass Ihnen in einem Gespräch vieles pas- gesagt, dass die ganze Branche zusam- ihr? Kommt raus, macht was, tut was, nicht ändern wollen. Und zu viele, die siert. Und wenn das Gespräch von vorn- menbricht. Aber es wird sich grundle- dann werdet ihr nicht disruptiert, dann anderen im Wege stehen. herein feststeht, wenn Sie wissen, es ist gend etwas ändern müssen: von einer werdet ihr nicht negativ überrascht, son- alles gut designt, es ist cool, alles schön – eher Predigtveranstaltung hin zu einer dern gestaltet das, was möglich ist – und Es gibt viele, die überzeugt sind, nach all das ist wichtig, aber es geht bei Events Gesprächssituation, wo man am Tisch das ist immer der beste Weg aus der Kri- der Krise werde alles wieder so wie vor- um Überraschungen, die man nicht ver- sitzt und sich miteinander austauscht se.“ Man tut derzeit gar nichts. Und das ist her. Das hoffen ja nicht nur Messever- gisst. Um die Momente, mit denen man und den jeweils neuen Kontext herstellt. natürlich das Schlechteste, wenn Verän- anstalter, auch ihre Eigentümer, die nicht gerechnet hat, an die man ein Leben Es steht uns gut zu Gesicht, wenn wir derung passiert. Länder und Kommunen. lang denkt, die sich einprägen und unsere darüber reden, wie wir aus der Krise Die Politik macht sich immer was vor. Fantasie anregen. Daraus nähren sich rauskommen, wie wir weitermachen. Beim Netzwerken ist die Begegnung das Und andere leider auch. Ich habe vor vie- Kreativität und Innovation. Deshalb Wir sollten erkennen, wie sich die Welt eigentliche Event? len Jahrhunderten Kulturmanagement brauchen wir sie. schon entwickelt, sich das Publikum ver- Ja, das Ereignis ist bereits der Kern der studiert. Das Erste, was wir als junge Stu- ändert hat. Dann kann eigentlich nichts Markenbildung, der Kern des Marktes. denten gelernt haben, war das Wort „Um- Aber Messen sind doch per se auch Aus- mehr schiefgehen. Ganz ohne Auspro- Das ist das Gespräch, die Auseinander- wegrentabilität“ – ein klassisches Wiesel- tausch! bieren aber wird es nicht gehen.
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 42 DIGITALE MESSEN Orte für Zuschauer oder Akteure? Digitale Messen sind längst keine Verlegenheitslösungen mehr. Hat sich auch das Verhalten der Nutzer geändert? Wie nutzen sie die Angebote? E in vollständig digitaler Messe- tion der Messe Berlin wurden ohne gro- die des Verbandes der deutschen Messe- ler der ITB Berlin NOW im März 2021 zyklus ist die aktuelle Realität. ßen Verlust an Teilnehmern vollständig wirtschaft Auma im Januar 2021 zeigte, sind ein Benchmark, der zunächst Was machen Teilnehmer ei- digital gestreamt. Messeevents mit großer dass 17 Prozent der Aussteller weiterhin schlicht den Bedarf der Kontinuität von gentlich, wenn sie sich darauf Videoaffinität wie die Gamescom der nur eine zeitliche Überbrückung durch Branchentreffen klar benennt. Dabei sind einlassen? Wie gewinnen Koelnmesse erreichten sogar Rekord- digitale Messen sehen. Allerdings sehen die digitalen Plattformen nicht nur für Aussteller ihre Aufmerksam- reichweiten mit über zehn Millionen Fans weitere 69 Prozent ein zukünftiges Zu- Großaussteller relevant, sondern bieten keit? Wie kommt es zu persönlichen Tref- (Unique User) auf ihrer Plattform. Letz- sammenspiel von On-Site und On-Line, gerade auch kleinen Partnern neue Mög- fen und Interaktion? Was Aussteller und tere vereinte vielseitige redaktionelle und das auch als hybride Messe bezeichnet lichkeiten, durch Eigeninitiative budget- Veranstalter daraus lernen können, um in Studioregie moderierte Streams sowie wird. unabhängig erfolgreich zu sein. Die mehr Wert auf digitalen Messepräsenzen Game-Videos der Aussteller als Twitch- Die digitalen Messen sind entspre- Messeauftritte werden tendenziell demo- zu schaffen. Content – 24 Stunden am Tag. chend Realität. Es gilt, sie nicht mehr im kratisiert, da die Präsentationsflächen Die Autoren Bewusst gewählte, spezifische Platt- Community-orientierte Formate wie die NamesCon oder das Cloudfest wid- Grundsatz infrage zu stellen. Vielmehr ist die Frage, worin die Lehren aus einem standardisierter sind. Die Größe und der Aufbau des Standes spielen eine kleinere formen. Ein Jahr ausgefallener Messen meten sich zudem dem Dialog-/Interak- Jahr digitaler Messen für die Zukunft be- Rolle, dafür rücken die individuellen Ak- Prof. Dr. Thomas Bauer und Kongresse liegt hinter uns, ohne tionsbedürfnis unter Teilnehmern, unter- stehen. Antworten hierauf generieren tivitäten der Vertriebsteams in den Vor- FOTO: MATHIS LEICHT PHOTOGRAPHY ist Studiengangleiter BWL – dass die von der Veranstaltungsbranche stützt durch virtuelle Tische zum Ken- Mehrwert für digitale Veranstaltungen dergrund und machen einen Großteil des Messe-, Kongress- und ersehnte Perspektive der vollständigen nenlernen und Verweilen im offenen Ge- selbst sowie für das künftige hybride Zu- Erfolges digitaler Messeauftritte aus. Wie Event-Management an der Rückkehr zu Präsenzformaten klar spräch. Weitere konsumentenorientierte sammenspiel mit klassischen Veranstal- verhalten sich Aussteller hier, um heraus- Dualen Hochschule Baden- abzusehen ist. Die wirtschaftlichen Aus- Formate sind bereits in Vorbereitung, die tungsformaten. zustechen, und was macht erfolgreiche Württemberg (DHBW) Ravensburg. wirkungen sind für die Akteure der dann potenziell sogar Direktvermarkter Aussteller aus? Sein Forschungsinteresse sind Ge- Live-Kommunikation verheerend und mit integrierten E-Shops ausstatten. Wie nutzen Aussteller und Teilnehmer Der Blick auf die Besucher ist ebenso schäftsmodelle und aktuelle Entwick- dennoch herrscht in der Branche kein das digitale Angebot? Beobachtetes quantitativ und qualitativ zu leisten. Zei- lungen von Veranstaltungsformaten Stillstand. Virtuelle Formate sind bei Wo stehen wir also? Trotz durchaus Nutzerverhalten der Akteure wird ana- gen Teilnehmerzahlen bereits eine ent- im Zuge der Digitalisierung. zahlreichen B2B-Fachveranstaltungen an vorzeigbarer Erfolge des ersten Messezy- lysiert, um die Chancen der digitalen sprechende Akzeptanz, sich auf Neues die Stelle von Präsenzveranstaltungen klus bleiben auch Zweifel. Das Messe- Welt weiter zu ergreifen, ob aus Not oder einzulassen? Ganz klar, ja. Der Games- Felix Josephi ist Geschäfts- getreten – zahlreiche digitale Lösungen erlebnis ist ein anderes – die persönlichen als Tugend. Insgesamt ist völlig akzepta- com gelang die beeindruckende Reich- führer der Digital- und Hy- werden bleiben. Der zweite digitale Begegnungen sowie die Demonstration ble bis teilweise sogar überraschende Ak- weitensteigerung durch die Öffnung der briden Event-Agentur Pira- Messezyklus ist bereits in Vorbereitung der physischen Produkte fehlen. Eine Stu- zeptanz zu vermelden. Die 3513 Ausstel- Fachmesse für die breite Gaming Com- texinKöln.IndieserRolleist und es ist Zeit, aus den Erfahrungen der FOTO: PIRATEX er Veranstalter von Konfe- Erstveranstaltungen zu lernen – unab- ABBILDUNG: R+T DIGITAL renzen und Events im Start-up-Um- hängig davon, ob die digitalen Formate feld (Pirate Summit) und aktuell digi- im Herbst erneut den rein virtuellen taler Veranstaltungspartner für Kun- Ersatz darstellen oder als hybride Ver- den wie Henkel, BW International, längerung fortbestehen. Nürnbergmesse und Dechema. Die Lehren aus den digitalen Messen sind so vielseitig wie die genutzten Platt- Timo Kargus ist Chief Re- formen und die digital zusammentreffen- venue Officer beim Event- den Branchen. Konsumgütermessen mit FOTO: WORL HOSTING DAYS management-Unterneh- klarem Produktfokus wie die Ispo Mün- men WorldHostingDays, chen wurden teilweise analog auf Online- Köln. Er organisiert mit Na- Marktplätzen präsentiert, im Falle der mesCon und Cloudfest internationale Plattform Nextrade der Messe Frankfurt Kongresse und Events für die Webhos- sogar mit ganzjähriger Orderfunktion für ting- und Internet-Branche und reali- Aussteller der Messen Heimtextil, Am- sierte zuletzt vor allem die digitale biente und Paperworld. Ausstellungsori- Umsetzung der Veranstaltungen. entierte Formate wie die R+T digital der Landesmesse Stuttgart mit 299 Ausstel- lern aus 23 Ländern oder die Biofach / Vivaness eSpecial der Nürnbergmesse mit sogar 1443 Ausstellern aus 82 Ländern fokussierten analog zum klassischen Messegeschehen den Dialog auf digitalen Ständen oder auf umfassenden interakti- ven Profilen. Hier stand der direkte Aus- tausch von Ausstellern und Besuchern im Fokus, unterstützt durch plattformseiti- ges Matchmaking. Kongressorientierte Formate wie die Smart Country Conven- Digitaler Messestand auf der R+T digital auf der Plattform meetyoo
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 43 munity. Allerdings konnte auch im rei- 4pm-8pm UTC gewählt, um Zeitzonen ABBILDUNG: INTEL nen Fachbesucherkontext der Smart von Indien bis zur US-Westküste die Teil- Country Convention als Messekongress nahme zu ermöglichen. Darüber hinaus für die digitale Zukunftsfähigkeit der öf- wurde das Programm durch zwei regio- fentlichen Verwaltung der Teilnehmer- nale Tracks für Südasien (5am-9am UTC) kreis wachsen, indem schlicht eine deut- und Amerika (9pm-12am UTC) mit lo- lich höhere regionale Streuung erzielt kalen Partnern erweitert, um den Nut- wurde als für das Präsenzformat üblich. zern Inhalte zu ihren präferierten Be- Diese Reichweitensteigerungen werden suchszeiten zu präsentieren und sie nicht dauerhaft als Messenutzen für Aussteller vollständig in die Region des Veranstal- in das Portfolio dieser Veranstaltungen ters zu zwingen. Bei den Veranstaltungen übergehen. konnten 50 Prozent (September 2020) Wurden diese Besucher jedoch aus rei- und 30 Prozent (Januar 2021) hochrele- ner Neugier und ohne Kosten kurz auf die vanter First-Timer identifiziert werden, Plattform geführt, um diese auch schnell die noch nie ein NamesCon-Event in Prä- wieder zu verlassen, oder ist wirklich rele- senz besuchten und aktiv an der Online- vanter Veranstaltungsnutzen entstanden? Veranstaltung teilnahmen. Regionale Tracks und die große Zahl neuer Teil- 1 Nutzerbedürfnisse äußern sich in der Akzeptanz digitaler Formate. Die nehmer werfen dabei direkt die Frage nach dem Bedarf für veränderte Inhalte auf. Abstimmung mit den Füßen findet im digitalen Raum per Mausklick statt – wahrscheinlich noch brutaler als in der Präsenz, da Gewohnheits- oder Gefällig- 2 Der Content wird nachgefragt und zur wichtigen Säule. Wenn sich keitsbesuche in der Anonymität digitaler Besucher einmal für eine Veranstaltung Messebesuche mangels Sichtbarkeit entschieden haben, stellen Veranstalter schlicht unterlassen werden. Umgekehrt fest, dass sich Teilnehmer sehr affin für sind jedoch die Hürden der (mehr- digitale Kongressinhalte zeigen. Diese tägigen) Teilnahme durch den Wegfall Orientierung hin zu übergreifenden In- der Reisetätigkeit gesunken. Dabei wird halten und Wissenstransfer ist durchaus deutlich, dass segmentspezifische Besu- Ausstellerprofil von Intel beim Cloudfest 2021 auf der Plattform Hubilo neu, führten Messekongresse bislang cherpräferenzen konsequent bedient doch eher ein Schattendasein gegenüber werden können. main-Investoren, konnten bei zwei digi- tung im September 2020, außerhalb des dem Geschehen in den Hallen und an Gerade bei internationalen Veranstal- talen Veranstaltungen im September typischen Veranstaltungszyklus, wurde Ausstellerständen. tungen bietet die digitale Umsetzung ein 2020 und im Januar 2021 die Teilnehmer- hier während der Pandemie eine Erweite- Hierbei ist zu beobachten, dass Wert großes Potenzial, neue Teilnehmergrup- zahlen der vergangenen Präsenzveran- rung geschaffen, die von Ausstellern und auf Qualität gelegt wird, wobei diese rela- pen zu erschließen. Zum einen durch re- staltungen übertroffen, aber vor allem Besuchern angenommen wurde. Zudem tiv zu den Erwartungen zu beurteilen ist. gionale Entzerrung, aber auch durch zeit- auch neue Teilnehmer erreicht werden. wurde der Kongress auch regional und Bei einem Kreativkongress wie Adobe liche Verlängerung. Bei der NamesCon Traditionell kamen bisher etwa 1000 Teil- zeitlich an die Nutzerbedürfnisse ange- Max wird mehr Wert auf die Produkti- Online, der digitalen Umsetzung eines in- nehmer im Januar in den USA zusam- passt. Für beide Veranstaltungen wurde onsqualität der Beiträge gelegt und damit ternationalen Fachkongresses für Do- men. Mit einer vorgezogenen Veranstal- die Kernzeit des Kongresses von ● Fortsetzung auf Seite 44 Anzeige
märkte HORIZONT 13-14/2021 1. April 2021 44 ● Fortsetzung von Seite 42 tiger Bestandteil. Die Messe Biofach / Vi- ABBILDUNG: BIOFACH / VIVANESS auch mehr pre-recorded, während bei ei- vaness eSpecial hat dies eindrucksvoll ge- nem Fachkongress wie der NamesCon zeigt – an drei aufeinanderfolgenden hochwertige Live-Panel höhere Aufmerk- Tagen wurden mehr als 500000 Chat- samkeit erfahren. Zahlen des NamesCon- Nachrichten zwischen den knapp 15000 Kongresses zeigen, dass zwei Drittel (69,8 Teilnehmenden versandt. Prozent) der Teilnehmer an Sessions teil- Dieses Aktivitätsniveau ist jedoch genommen und aktiv auf der Plattform nicht selbstverständlich, obwohl der Me- kommuniziert haben. Darüber hinaus chanismus prinzipiell offensichtlich ist. nahmen mehr als die Hälfte der Teilneh- Aktion startet Reaktionen, die zum Dia- mer (52,1 Prozent) an allen drei Veran- log und zu verschiedensten Interaktionen staltungstagen aktiv teil und verfolgten in heranwachsen. Allerdings muss der Me- Summe zehn oder mehr Kongressbeiträ- chanismus in Gang gebracht und initiiert ge (52,8 Prozent). Dies ist nicht notwen- werden. Dies kann schon durch einfache digerweise repräsentativ für alle Formate, Anstöße erreicht werden – ein Chat ne- illustriert jedoch die gegenüber physi- Digitale Messe Biofach / Vivaness eSpecial auf der Plattform talque ben einem Livestream kommt beispiels- schen Messen noch größere Relevanz, weise in Gang, wenn der Veranstalter als sich für alle potenziellen Besucher sicht- „Konversationsstarter“ agiert, konkrete ABBILDUNG: BIOFACH / VIVANESS bar als Aussteller/Sponsor durch Kon- Fragen erstellt und so den Teilnehmen- gressbeiträge inhaltlich einzubringen. den Austausch ohne Barrieren anbietet. Für Aussteller ist ein Investment in die Ferner ist es für jeden Teilnehmer eigenen Beiträge wichtig und kann den wichtig, Nähe und Anwesenheit der Ver- Anstoß zu weiteren Gesprächen bilden. anstalter, Aussteller und anderen Teilneh- mer zu erleben, wenn er sich selbst nach Es gilt, die digitalen 3 Buhlen um Aufmerksamkeit wie in sozialen Medien. Der Erfolg auf vir- der Logik der Co-Creation einbringen möchte. Die Biofach / Vivaness eSpecial hat erfolgreich sogenannte Jump-In- Möglichkeiten auszureizen, um tuellen Kongressen hängt für Teilnehmer Discussions eingeführt, welche den Teil- sich ideal an die und Aussteller stark davon ab, wie diese nehmenden die Möglichkeit geben, selbst Nutzerbedürfnisse kommunizieren. Im digitalen Umfeld Themen direkt an andere Teilnehmer anzupassen. müssen die Akteure noch stärker als auf zu adressieren und gemeinsam in den physischen Messen selbst aktiv werden – Austausch zu gehen. Während beispiels- hier kann man von Social-Media-Mana- Roundtable des Ausstellers Bioland beim Biofach / Vivaness eSpecial auf der Plattform talque weise der Aussteller Bioland mit 24 selbst gern lernen. Die Voraussetzungen sind initiierten Roundtables, an denen sich ähnlich und die Vertriebsmitarbeiter ABBILDUNG: NAMESCON 15 bis 105 Teilnehmer in Videocalls ein- buhlen um die Aufmerksamkeit der Teil- wählten, bereits großen Erfolg hatte nehmer. Direkte und einfache Sprache (1055 Teilnehmer insgesamt), konnten sowie Click-Baiting und Persuasive-De- Teilnehmer-initiierte Jump-In-Discussi- sign-Techniken sind wichtig und richtig. ons (durch Teilnehmer frei erstellbare Die Sichtbarkeit muss über das Ausstel- Diskussionstische) Hunderte weitere lerprofil hinausgehen. Verschiedene „Ex- Akteure der Messe mit dem Aussteller Die Teilnehmerliste clusive Partner“ der Embedded World in Verbindung bringen. ist die größte 2021 Digital konnten während zusätzli- Kontaktdatenbank cher Lunch Sessions, welche übergeord- Fazit. Im zweiten Zyklus digitaler Messen der Industrie. net an alle Teilnehmenden ausgespielt bahnen sich kaum vollständige Platt- Sie muss aktiv wurden, auf ihre Inhalte und Profile auf- formwechsel an. Es wird jedoch klarer, merksam machen und einen Besuch die- dass Aussteller, Teilnehmer und Veran- genutzt werden. ser mit „Incentivierungs-Aktionen“ ver- stalter ein einheitliches Zielkriterium ha- binden. ben: Interaktion. Nur wenn sich Teilneh- Die Basis des individuellen Aussteller- Teilnehmerkommunikation des Fachkongresses NamesCon Online mer und Aussteller auf der Plattform be- dialogs bietet dann das eigene Profil. Um gegnen oder zumindest Information aus- interessant zu sein, muss dieses aussage- getauscht wird, kann Mehrwert generiert ABBILDUNG: ISPO MÜNCHEN kräftig und freundlich gestaltet werden. werden. Interaktion und Teilhabe korre- Noch wichtiger ist aber die eigene Ak- lieren signifikant mit der Verbleibedauer tivität auf der Veranstaltung. Durchfors- auf der digitalen Veranstaltung. ten der Teilnehmerliste, aktive Kommu- Veranstalter mit mehreren digital nikation, Nachhaken bei Zuschauern der durchgeführten Messen und Events opti- Dialog ist der eigenen Kongressbeiträge sowie die mieren schon heute. Sie räumen Ausstel- Schlüssel zum freundliche Ansprache von Besuchern ler-Tischen eine prominentere Platzie- der eigenen Stände – alles ist durch die rung ein, reduzieren anonyme Streams Veranstaltungserfolg, digitalen Funktionalitäten vereinfacht, zugunsten Roundtable Sessions im trans- messbar in muss aber eigeninitiativ umgesetzt wer- parenten Face-to-Face-Modus und schu- verschiedenen den. Es gilt, Vertriebsteams zu schulen, len Aussteller mit Webinaren und Tutori- Kennzahlen denn die Teilnehmerliste ist die größte als. Die Differenzierung von Aussteller- zur Interaktion. Kontaktdatenbank der Industrie – sie paketen erfolgt nicht mehr über Fläche sollte stärker als eine Outbound-Liste be- oder Standbau, sondern über erweiterte trachtet werden, wofür geeignete Tech- Interaktionsfunktionalität wie direkte Vi- niken der aktiven Ansprache anzuwen- Ausstellerpräsenz im Stream der Ispo München auf der Plattform Foursource deocall-Funktionen hin zu wichtigen den sind. Die Stände sind in der Kon- Leads sowie das Einstellen von eigenen sequenz die Landing Pages, die den Teil- ab. Im Gegensatz zu physischen Veran- Insgesamt konnten während der Chill- Diskussionsräumen und inhaltlichen nehmern die Hintergründe geben und staltungen, wo viele verschiedene Ein- venta eSpecial sogar 100000 Instant-Mes- Beiträgen. Somit steigen die Möglichkei- durch die einheitliche Form einfacher drücke die Akteure leiten, erlebt der Teil- sages und 1200 Videocalls unter den 6800 ten, die wertvollsten Kontakte gezielt zu verdaubar machen. Veranstalter arbeiten nehmende eine digitale Veranstaltung zu- Teilnehmern gezählt werden. adressieren und die größte (Live-)Kon- ihrerseits daran, die Teilnehmer aktiv nächst alleine am Bildschirm. Um diese Insbesondere die direkte Sichtbarkeit taktdatenbank der Branche effektiv zu be- dorthin zu leiten durch Call-to-Actions in „digitale Einsamkeit“ abzubauen, wur- der Teilnehmenden, welche in Live- arbeiten. Chats der Kongressbeiträge, an der Social den interaktive Formate in den vergange- stream-Formaten nicht immer gegeben Der Veranstaltungserfolg startet digi- Wall oder durch Gewinnspiele. Die 30 nen Monaten erfolgreich etabliert. ist, unterstützt Veranstalter und Referen- tal noch deutlich früher und benötigt Mitarbeiter, die beispielsweise der Aus- Die Einbindung der Teilnehmenden ten, digital persönliche Nähe und Kontakt mehr Proaktivität – zielmarktspezifische steller Microsoft auf der Embedded auch in inhaltliche Formate untermauert aufzubauen. Im Unterschied zur physi- Angebote, laute und breit aufgestellte di- World Digital am digitalen Stand hatte, dies. Anstelle von reiner „One-to-many“- schen Eventplanung bedarf es einer cho- gitale Kommunikation, relevanten und müssen erst einmal ausgelastet werden. Inhaltsvermittlung, wie es ein Livestream reografierten digitalen Wegeleitung der spezifisch aufbereiteten Content, aktives Aussteller und Veranstalter müssen hier ermöglicht, haben einige Veranstalter Teilnehmenden. Was spontan und zufällig Werben um Aufmerksamkeit auf der kooperieren, um erfolgreich zu sein. und Aussteller die Inhalte gezielt in klei- in der digitalen Umgebung erscheint, Plattform, die Anbahnung von Interakti- neren Gruppen von bis zu 30 Teilneh- muss im Vorfeld von den Veranstaltern on und das persönliche Treffen – ob letzt- 4 Persönliche Treffen sind auch in menden vermittelt und damit Sichtbar- keit mit Video und Ton sowie direkten geplant und koordiniert werden. lich auf der Plattform selbst oder auf der Präsenzveranstaltung. Neue Kompeten- der digitalen Welt ein wichtiger Bau- stein. Insbesondere im 1. Quartal 2021 hat sich die Bedeutung von menschlicher Austausch zwischen den Vortragenden und Zuhörenden ermöglicht. Dabei konnten die erfolgreichsten Aussteller bei 5 Digitale Interaktion ermöglichen und fördern. Im digitalen Raum ist eine zen von Messebauern und Agenturen sind nötig, um Aussteller digital erfolg- reich zu machen und die zur Verfügung Sichtbarkeit im digitalen Umfeld als Er- Messeveranstaltungen wie der Chillventa „One-Solution“-Plattform, welche neben gestellten Instrumente konsequent zu folgsfaktor gezeigt. Der Erfolg einer digi- eSpecial und Embedded World Digital Inhalten, Produktkatalogen und Ausstel- nutzen – der individuelle Veranstaltungs- talen Veranstaltung hängt maßgeblich insgesamt zwischen 800 und 1300 Leads lerprofilen auch ein hohes Maß an Inter- erfolg liegt auch am PC in den eigenen von der Einbindung der Teilnehmenden in individuellen Gesprächen betreuen. aktion ermöglicht und fördert, ein wich- Händen.
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