Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung

 
WEITER LESEN
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
Erziehung
und Wissenschaft
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW          2/2005

                                           Macht-Zocker
                                           Bund-Länder-
                                           Poker um
                                           die Bildung
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
GASTKOMMENTAR

Jetzt sind die Länder gefordert
 Föderalismusreform hat nicht an Dringlichkeit verloren

                                 Mit dem ergebnislosen Ende      gänge und Abschlüsse. Ob       der Länder einzugehen. Die-     ter. Sie rufen für die soziale
                                 der Föderalismuskommis-         die Frage der Studienge-       se engen Maßstäbe wurden        Abfederung ihrer Alleingän-
                                 sion darf die Modernisie-       bühren dazu gehört, hätte      nun durch die Karlsruher        ge jetzt nach dem Bund, ob-
                                 rung der bundesstaatlichen      bis zum Urteil des Bundes-     Entscheidung zum Studien-       wohl das Bundesverfas-
                                 Ordnung nicht einfach von       verfassungsgerichts ausge-     gebührenverbot erneut be-       sungsgericht diese Aufgabe
                                 der Tagesordnung abgesetzt      klammert werden können.        stätigt: Das Verfassungsge-     eindeutig den Ländern zuge-
                                 werden.                         Außerdem war der Bund be-      richt sieht auch in diesem      wiesen hat.
                                  Die Kommission ist vorläu-     reit, große Teile der Mittel   Fall die Gesetzgebungskom-      Dies alles zeigt: Die Gründe
                                 fig an den Maximalfoderun-      für den Hochschulbau auf       petenz bei den Ländern.         für die Reform des Föderalis-
                                 gen der Länder im Bereich       die Länder zu übertragen       Das Studiengebühren-Urteil      mus und gerade auch des
                                 Bildung und Wissenschaft        (s. Seite 12/13) und die Ge-   hat in Bezug auf die Ausei-     Bildungsföderalismus haben
                                 gescheitert. Die Länder sind    meinschaftsfinanzierung auf    nandersetzung in der Fö-        nicht an Dringlichkeit verlo-
                                 mit ihren Forderungen sehr      Vorhaben und Großgeräte        deralismuskommission aller-     ren.
                                 weit gegangen, obwohl es        von überregionaler Bedeu-      dings keine grundsätzlich        Die Fraktionen von Grünen
                   Foto: imago

                                 durchaus gute Gründe gibt,      tung zu reduzieren. Trotz      neue Situation geschaffen.      und SPD haben vorgeschla-
                                 zu fragen, ob sich der Bil-     dieser Kompromissangebote      Doch es stellt den Bildungs-    gen, die Debatte in einen
                                 dungsföderalismus in der        haben vor allem die unions-    föderalismus und die Länder     Kreis von hochschul- und
Krista Sager,                    bisherigen Form bewährt         geführten Länder die Bera-     vor eine Bewährungsprobe.       bildungspolitischen Sach-
Fraktionsvorsit-                 hat.                            tungen an der Bildungs- und    Sie müssen in den nächsten      verständigen zu verlagern,
zende Bündnis                    PISA, die OECD-Bildungs-        Hochschulpolitik zum Plat-     Monaten ihre Koordina-          um aus der festgefahrenen
90/Die Grünen
im Bundestag                     studie zeigen, dass das deut-   zen gebracht.                  tionsfähigkeit unter Beweis     Situation herauszukommen.
                                 sche Bildungssystem im in-      Ihre Forderungen zielten       stellen. Und zwar, indem sie    Ein zentrales Stichwort soll-
                                 ternationalen Vergleich         darauf, dem Bund jede Mit-     die ihnen vom Verfassungs-      te in diesem Zusammen-
                                 schlecht abschneidet. Lang-     wirkungs- und Mitfinanzie-     gericht zugesprochene Kom-      hang die Autonomie der Bil-
                                 wierige Abstimmungspro-         rungsmöglichkeit zu entzie-    petenz bei den Studienge-       dungseinrichtungen und
                                 zesse in der Kultusminister-    hen. So sollte die verfas-     bühren gemeinsam verant-        nicht allein die Kompetenz-
                                 konferenz sind für notwen-      sungsrechtliche Grundlage      wortungsvoll ausüben. Wir       verteilung sein. Diesen Vor-
                                 dige Reformen nicht förder-     für die Arbeit der Bund-Län-   Grünen sehen nach wie vor       schlag haben die Vertreter
                                 lich.                           der-Kommission im Bereich      im gebührenfreien Erststudi-    der Länder bislang abge-
                                 Trotzdem hat der Bund – an-     Bildung entfallen. Sonder-     um die beste Voraussetzung,     lehnt.
                                 ders als manche Länderver-      programme zur Förderung        um bildungspolitische Ziele,    Nun ist es an den unionsre-
                                 treter behaupten – nicht ver-   des wissenschaftlichen         mehr Studienanfänger, kür-      gierten Ländern, deutlich zu
                                 sucht, seine Kompetenzen        Nachwuchses, ein gemeinsa-     zere Studienzeiten und eine     machen, wie es ihrer Ansicht
                                 im Bildungsbereich auszu-       mes internationales Hoch-      größere Anzahl von Hoch-        nach weiter gehen kann. Die
                                 weiten. Im Gegenteil: Die       schulmarketing für den Wis-    schulabsolventen, zu errei-     Modernisierung der bundes-
                                 Seite des Bundes hat weitge-    senschaftsstandort Deutsch-    chen. Nun ist es an den Län-    staatlichen Ordnung darf
                                 hende Angebote in die Ver-      land und die Förderung der     dern, wenigstens einen Rege-    nicht an den Hindernissen
                                 handlungen eingebracht:         mathematischen Kompe-          lungsrahmen zu finden, der      scheitern, die sie eigentlich
                                 Der Bund war bereit, auf die    tenz durch das SINUS-Pro-      soziale Benachteiligung ver-    beseitigen sollte. Das über-
                                 Rahmengesetzgebung für          gramm (s. Seite 16) sollten    hindert und junge Men-          greifende Ziel eines hand-
                                 das Hochschulwesen zu ver-      nicht mehr möglich sein.       schen nicht davon abhält,       lungsfähigeren deutschen
                                 zichten und seine Kompe-        Auch die finanzielle Unter-    ein Studium aufzunehmen.        Föderalismus muss weiter
                                 tenz auf die Bereiche zu be-    stützung der Ganztagsschu-     Einen Rahmen, der den wei-      verfolgt werden.
                                 schränken, die für die Mobi-    len (s. auch Seite 18) wäre    teren Abbau von Studien-                            Krista Sager
                                 lität von Studierenden und      künftig ohne verfassungs-      platzkapazitäten stoppt, ei-
                                 Wissenschaftlern von zen-       rechtliche Basis gewesen.      ner Verstärkung der unglei-
                                 traler Bedeutung sind: Zu-      Das Urteil des Bundesverfas-   chen Lastenverteilung zwi-
                                                                 sungsgerichts zur Juniorpro-   schen den Ländern entge-
                                                                 fessur im vergangenen Som-     genwirkt und die Mobilität
                                                                 mer hatte die Länder zu die-   der Studierenden erhält.
                                                                 sen Maximalpositionen er-      Die ersten Reaktionen lassen
                                                                 mutigt. Es legte für die Ge-   allerdings vermuten, dass
                                                                 setzgebungskompetenz des       ein Rückfall in bildungspoli-
                                                                 Bundes engste Maßstäbe an      tische Kleinstaaterei zu be-
                                                                 und zwang den Bund schon       fürchten ist. Besonders ab-
                                                                 damals, im Hochschulwesen      surd sind die Forderungen
                                                                 weitgehend auf die Wünsche     einiger Gebührenbefürwor-
 2   E&W 2/2005
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
INHALT

 Gastkommentar                                          Rückzug in
NN                                           Seite 2    die Schre-
                                                        bergärten –
 Auf einen Blick                                        oder       der
                                             Seite 4    Blick der Mi-
                                                        nisterpräsi-
 Impressum                                              denten reicht
                                             Seite 4    nur bis zu ih-
                                                        rer Landes-

                                                                                                                                               Cartoon: Thomas Plaßmann
 Titel: Föderalismusdebatte                             grenze: Nach
1. Rückzug in die Schrebergärten             Seite 6    dem vorläu-
2. KJHG: E&W-Interview                                  figen Schei-
   mit Prof. Johannes Münder                 Seite 10   tern der Fö-
3. Hochschulen:                                         deralismusre-
   Auf dem Weg in die Kleinstaaterei         Seite 12   form – Zank-
4. Streitpunkt Hochschulbau:                            apfel war die
   Kassieren ohne Auftrag                    Seite 13   Bildung – sind die Verhandlungen über die Neuverteilung der Bund-Länder-Kom-
5. Mobilität:                                           petenzen wieder ins Hinterzimmer verlegt worden. Max Loewe und Klara Fall zeigen
   Bürokratie erschwert den Wechsel          Seite 14   in ihrem Beitrag Konsequenzen für das Bildungswesen auf, wenn die Länder auf ih-
6. Erfolgreiche BLK-Projekte:                           rer alleinigen Zuständigkeit beharren. Der Machtpoker geht weiter. Deutschland
   Stein ins Wasser geworfen . . .           Seite 16   begibt sich auf den Weg in die Kleinstaaterei. Während man anderen Ortes über die
7. Ganztagsprogramm:                                    Schaffung eines europäischen Hochschulraumes nicht nur nachdenkt, sondern
   Eine Schule für alle in Templin           Seite 18   auch darauf hinarbeitet, wollen die Länder offensichtlich in Brüssel mit dem Bund
                                                        als 17-stimmiger Chor auftreten. Das Studiengebühren-Urteil Ende Januar schwächt
 PISA-Nachlese: Benachteiligte                          den Bund und macht die Länder nicht kompromissbereiter – von einer gemeinsa-
1. Zwei plus drei gleich sieben              Seite 19   men nationalen Strategie ist man weiter denn je entfernt.
2. DJI-Studie: Sie wollen Bildung                       Schwerpunkt Föderalismus Seite 6
   und haben wenig Chancen                   Seite 20
3. Lost generation?                          Seite 22
 Internationales                                        PISA-Nachlese: Ab dieser Ausgabe wird E&W sukzessive einigen Fragen, die sich
Europa Macht Frieden                         Seite 23   aus der zweiten PISA-Studie ergeben, nachgehen. Wir beginnen mit den Mathema-
                                                        tikkompetenzen der so genannten Risikoschüler. Prof. Werner Blum, Mitglied des
 Landesverbände                                         PISA-Konsortiums, plädiert für eine gezielte individuelle Unterstützung der Ju-
Bildungskahlschlag in Hessen und Hamburg                gendlichen und sieht einen erheblichen Veränderungsbedarf für den Mathema-
1. Kein Wolf(f) im Schafspelz mehr       Seite 24       tikunterricht. Auch die beiden anderen Beiträge befassen sich mit Bildungsbenach-
2. Wer nicht zahlt, bleibt außen vor     Seite 27                                                             teiligten. Eine aktuelle Stu-
                                                                                                              die des Deutschen Jugend-
 Weiterbildung                                                                                                Instituts München, in der
Branchentarifvertrag                         Seite 28                                                         Hauptschüler aus Migran-
                                                                                                              tenfamilien befragt worden
 Tarifpolitik                                                                                                 sind, stellt fest: Sie wollen
Auf der Zielgeraden                          Seite 29                                                         Bildung und haben wenig
                                                                                                              Chancen. Eine lost genera-
 Schule                                                                                                       tion also? Dies muss und darf
                                                                                                           Foto: Inge Werth

Deutsch-jüdische Geschichte:                                                                                  nicht so sein. Ursula Herdt
E&W-Interview mit Georg Heuberger            Seite 30                                                         schlägt ein Bündel von So-
                                                                                                              fort-Maßnahmen vor.
 Recht und Rechtsschutz                                                                                       Seiten 19 bis 22
                                             Seite 31
 Anschlagtafel
                                             Seite 32   Bildungskahlschlag in den Ländern: Mit dieser Ausgabe starten wir eine Serie mit
                                                        bildungspolitischen Berichten aus den Bundesländern. Wo und wie wird dort Bil-
 Leserforum                                             dung abgebaut? Wo gehen Reformen zu Lasten der Beschäftigten? Verschärfen sich
                                             Seite 33   Auslese und Chancenungleichheit? In welchen Bildungsbereichen werden Angebo-
                                                        te reduziert und Privatisierung eingeführt? Den Auftakt machen Hessen und Ham-
 Diesmal                                                burg. Seiten 24 bis 28
                                             Seite 40

         auch im Internet unter www.gew.de

                                                                                                                              E&W 2/2005   3
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
AUF EINEN BLICK

                                                                                                                               Nur noch 140

                                                                                                                   Foto: dpa
GEW-Gewerkschaftstag
                                                                                                                               Einstellungen
                                                                                                                               Eigentlich hatte der Berliner
Mitteilung des Wahlausschusses                                                  Verlierer                                      Bildungssenator Klaus Böger
                                                                                                                               (SPD) angekündigt, zum
Gemäß den „Richtlinien des Wahlausschusses“ und der Ausschreibung für die
                                                                                sind die Kinder                                Schuljahr 2005/2006 1000
durch Wahlen zu besetzenden Ämter auf dem bevorstehenden Gewerkschaftstag       Der Volksentscheid in Sach-                    Lehrerinnen und Lehrer in
vom 23. bis 27. April 2005 in Erfurt in „E+W“ und in den Landeszeitungen der    sen-Anhalt zur Wiederein-                      den Schuldienst einzustel-
GEW hat der Wahlausschuss die eingegangenen Wahlvorschläge auf ihre Gültig-     führung des Rechtsanspru-                      len. Diese Zahl wurde auf
keit überprüft und gibt sie mit Zustimmung der Kandidatinnen und Kandidaten     ches auf Ganztagsbetreuung                     750 reduziert, jetzt sollen al-
bekannt.                                                                        für alle Kinder ist an der zu                  lenfalls 140 neue Kollegin-
                                                                                niedrigen Beteiligung ge-                      nen und Kollegen eine Stelle
1. Geschäftsführender Vorstand:                                                 scheitert. 60,5 Prozent der                    bekommen. Mit einer Pro-
                                                                                Wählerinnen und Wähler                         testaktion am 9. Februar sa-
Vorsitzende/Vorsitzender: Ulrich Thöne (vorgeschlagen durch den Landesver-      votierten für die Rückkehr                     gen die jungen Lehrerinnen
band Berlin und die Fachgruppenausschüsse Gesamtschulen und Gymnasien)          zum alten Rechtsanspruch.                      und Lehrer symbolisch
                                                                                Die Wahlbeteiligung von                        „Tschüss, Herr Böger – uns
Arbeitsbereich Finanzen: Petra Grundmann (vorgeschlagen durch die Landesver-    knapp 27 Prozent war jedoch                    reicht’s!“ und beginnen, Stel-
bände Thüringen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bayern, Sachsen, Meck-    zu gering, da für einen Er-                    lenangebote aus anderen
lenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und den Fachgruppenausschuss So-          folg des Referendums die Ja-                   Bundesländern        anzuneh-
zialpädagogische Berufe)                                                        Stimmen von mindestens                         men. Die Berliner GEW un-
                                                                                einem Viertel aller Wähler                     terstützt die Aktivitäten.
Arbeitsbereich Frauenpolitik: Anne Jenter (vorgeschlagen durch die Landesver-   notwendig gewesen wäre.
bände Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg)                                 Die Volksinitiative „Für ein
Dr. Larissa Klinzing (vorgeschlagen durch die Landesverbände Saarland, Meck-    kinder- und jugendfreund-
lenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt sowie den Bundesseniorenausschuss und        liches Sachsen-Anhalt“, an                          Impressum
den Bundesfrauenausschuss)                                                      der die GEW maßgeblich be-
                                                                                teiligt ist, hatte den Volksent-                Erziehung und
Arbeitsbereich Angestellten- und Beamtenpolitik: Heiko Gosch (vorgeschlagen     scheid mit der Sammlung                         Wissenschaft
                                                                                                                                Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung ·
durch den Landesverband Baden-Württemberg)                                      von über 275 000 Unter-                         57. Jg.
Ilse Schaad (vorgeschlagen durch die Landesverbände Berlin und Sachsen)         schriften möglich gemacht                       Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung
                                                                                                                                und Wissenschaft im Deutschen Ge-
                                                                                (siehe E&W 4/2004).                             werkschaftsbund. Vorsitzende: Dr. Eva-
                                                                                                                                Maria Stange. Redaktion: Ulf Rödde
Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit: Norbert Hocke (vorgeschla-   „Verlierer sind die Kinder.                     (verantwortlich), Helga Haas-Rietschel.
gen durch die Landesverbände Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen,        Rund 40 Prozent werden die                      Redaktionsassistenz: Renate Körner
                                                                                                                                Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann
Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Würt-        Kitas mittags verlassen müs-                    Postanschrift der Redaktion:
temberg und den Fachgruppenausschuss Sozialpädagogische Berufe)                 sen – und wissen nicht war-                     Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M.,
                                                                                                                                Telefon (0 69) 7 89 73-0,
                                                                                um“, sagte GEW-Landes-                          Telefax (0 69) 7 89 73-202.
Organisationsbereich Schule: Marianne Demmer (vorgeschlagen durch die Lan-      vorsitzender Thomas Lipp-                       E-Mail: Renate.Koerner@gew.de
                                                                                                                                Internet: http://www.gew.de
desverbände Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Hol-      mann. „Gewonnen haben                           Redaktionsschluss ist der 10. eines
                                                                                                                                jeden Monats.
stein, Sachsen, Berlin, Baden-Württemberg und die Fachgruppenausschüsse Re-     wir die Erfahrung, dass ein                     Erziehung und Wissenschaft erscheint
alschulen, Schulaufsicht/Schulverwaltung sowie Grund- und Hauptschulen)         breites Bündnis lange und er-                   elfmal jährlich, jeweils am 5. des Monats
                                                                                                                                mit Ausnahme der Sommerferien.
                                                                                folgreich zusammen arbei-                       Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im
Organisationsbereich Hochschule: Gerd Köhler (vorgeschlagen durch die Lan-      ten kann.“                                      Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nicht-
                                                                                                                                mitglieder beträgt der Bezugspreis jähr-
desverbände Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Holstein,       Es war der erste Volksent-                      lich € 7,20 zuzüglich € 11,30 Zustellge-
                                                                                                                                bühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der
Sachsen, Baden-Württemberg und den Fachgruppenausschuss Hochschule und          scheid in der Geschichte                        Landesverbände Bayern, Berlin, Bran-
Forschung)                                                                      Sachsen-Anhalts. Bis März                       denburg, Bremen, Hessen, Mecklen-
                                                                                                                                burg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz,
                                                                                2003 hatten alle Eltern einen                   Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und
Organisationsbereich Berufliche Bildung und Weiterbildung: Dr. Stephanie        Rechtsanspruch auf Ganz-                        Thüringen werden die jeweiligen Lan-
                                                                                                                                deszeitungen der E&W beigelegt.
Odenwald (vorgeschlagen durch die Landesverbände Hamburg, Schleswig-Hol-        tagsbetreuung. Dieser gilt in-                  Für unverlangt eingesandte Manuskrip-
                                                                                                                                te und Rezensionsexemplare wird kei-
stein, Berlin, Baden-Württemberg und die Fachgruppenausschüsse Gewerbliche      zwischen nur noch für Fami-                     ne Verantwortung übernommen. Die
Schulen, Kaufmännische Schulen und Erwachsenenbildung)                          lien, in denen Vater und                        mit dem Namen des Verfassers gekenn-
                                                                                                                                zeichneten Beiträge stellen nicht unbe-
                                                                                Mutter berufstätig sind. Ar-                    dingt die Meinung der Redaktion oder
2. Bundesschiedskommission                                                      beitslose haben nur noch ei-                    des Herausgebers dar.
                                                                                                                                Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm
                                                                                nen Anspruch auf Halbtags-                      Verlag GmbH, Goldammerweg 16,
                                                                                                                                45134 Essen;
Drei ständige Mitglieder und drei stellvertretende Mitglieder:                  betreuung für ihre Kinder.                      Verantw. f. Anzeigen: Mathias Müller,
                                                                                                                                Tel. (02 01) 8 43 00-0,
                                                                                                                                Telefax (02 01) 47 25 90,
Dr. Anne Ratzki, vorgeschlagen durch den Landesverband Nordrhein-Westfalen      Jetzt drohen                                    anzeigen@stamm.de; z. Z. gültige
                                                                                                                                Anzeigenpreisliste Nr. 35
Walter Gottschalk, vorgeschlagen durch den Landesverband Niedersachsen          Studiengebühren                                 vom 1. 1. 2005; Anzei-
Peter Pape, vorgeschlagen durch den Landesverband Hamburg                                                                       genschluss am 5. des
                                                                                                                                Vormonats. Druck:
                                                                                Letzte Meldung: Das Bundes-                     apm AG, Kleyerstraße 3
Tilman Boehlkau, Vorsitzender des Wahlausschusses                               verfassungsgericht hat das Ver-                 64295 Darmstadt.
                                                                                                                                E&W wird auf
Annett Lindner, stellvertretende Vorsitzende des Wahlausschusses                bot von Studiengebühren kas-                    chlorfrei gebleichtem
                                                                                                                                Papier gedruckt.              ISSN
Henricke Schneider-Petri, Berichterstatterin des Wahlausschusses                siert. E &W berichtet ausführ-                                             0342-0671
                                                                                lich in der nächsten Ausgabe.
 4   E&W 2/2005
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
AUF EINEN BLICK

50 000 Unterschrif-                                                                                             Sachsen: 7500 Leh-
ten nicht erreicht                                                                                              rerstellen streichen
Das Volksbegehren in Berlin                                                                                     Das Land Sachsen plant, in

                                                                                                    Foto: dpa
ist gescheitert. Die Initiative                                                                                 den nächsten fünf Jahren et-
„Volksbegehren soziales Ber-                                                                                    wa 7500 von 33 000 Lehrer-
lin“ hat es nicht geschafft, die   Künftig gibt es mehr Betreuungsplätze für unter Dreijährige.                 stellen abzubauen. Außer-
notwendigen 50000 gültigen                                                                                      dem sollen bis 2009 rund 100
Unterschriften zu sammeln.         Kinderbetreuung kann ausgebaut werden                                        von 456 Mittelschulen und
Knapp 47000 von rund 52000                                                                                      etwa 25 der 144 Gymnasien
eingereichten Unterschriften       Die Betreuungsangebote für Kinder, die jünger als drei Jahre                 geschlossen werden. Kultus-
wurden für gültig erklärt. Die     sind, können jetzt ausgebaut werden. Der Bundestag hat den                   minister Steffen Flath (CDU)
Initiative, die die GEW im         Einspruch des Bundesrates gegen das Tagesbetreuungsausbau-                   begründete diese Pläne mit
Sommer mit initiiert hat, hatte    gesetz (TAG) zurückgewiesen. Damit ist das Gesetz zum 1. Ja-                 sinkenden Schülerzahlen.
dem Berliner Senat vorgewor-       nuar in Kraft getreten. Die Länder und Kommunen hatten                       Nach neuen Prognosen sol-
fen, eine unsoziale Sparpolitik    sich hauptsächlich gegen die Finanzierungsmodalitäten ge-                    len die Schülerzahlen bis
zu betreiben. Sie forderte die     wandt. Das TAG verpflichtet die Kommunen, bis 2010                           2012 um mehr als 120 000 auf
Rücknahme von Sparbe-              230 000 neue Krippenplätze einzurichten. Damit wird eine                     390 000 zurückgehen. 1996
schlüssen, etwa die Lohnsen-       Versorgungsquote von rund 20 Prozent erreicht. Finanziert                    gab es in Sachsen noch
kungen im öffentlichen Dienst      werden soll der Ausbau der Kinderbetreuung durch Ein-                        780 000 Schülerinnen und
oder die Erhöhung der Kita-        sparungen, die die Kommunen durch die Zusammenlegung                         Schüler. Hohe Abwande-
Gebühren (s. E&W 9/2004).          von Arbeitslosen und Sozialhilfe erzielen.                                   rungszahlen und ein starker
                                                                                                                Geburtenrückgang sind die
                                                                   Zweiter Bildungsweg                          Ursachen dieser Entwick-
                                                                                                                lung. Die Stellen sollen über-
                                                                   vor dem Aus                                  wiegend durch Teilzeitarbeit
                                                                   Der Stuttgarter Landtag                      der Lehrerinnen und Lehrer
                                                                   plant, die jährlichen Förder-                abgebaut werden. Die GEW
                                                                   mittel in Höhe von 16 Mil-                   lehnt dies ab. Wegen wach-
                                                                   lionen für Abendschulen                      sender Anforderungen an die
                                                                   um bis zu 25 Prozent zu kür-                 Lehrerinnen und Lehrer gebe
                                                                   zen. Dies bedroht die Exis-                  es keine Grundlage, mit der
                                                                   tenz des Zweiten Bildungs-                   Landesregierung über Teil-
                                                                   wegs.                                        zeitvereinbarungen zu ver-
                                                                   In Baden-Württemberg besu-                   handeln, sagte Landesvorsit-
                                                                   chen derzeit rund 6000                       zende Sabine Gerold. Sie
                                                                   Schülerinnen und Schüler 18                  schlug vor, die sinkenden
                                                                   Abendgymnasien, 39 Abend-                    Schülerzahlen für die quali-
                                                                   realschulen sowie vier Kol-                  tative Verbesserung des Lern-
                                                                   ping-Kollegs in ausschließ-                  angebots zu nutzen.
Auf zur Bildungsmesse nach Stuttgart                               lich privater Trägerschaft
                                                                   durch Volkshochschulen,                      Bis Klasse 6
Die Bildungsmesse didacta          oder „Globalisierung“ (3.       Kommunen oder Kirchen.                       gemeinsam lernen
öffnet vom 28. Februar bis         März) – täglich kostenlose      Die 16 Millionen Euro staat-
4. März in Stuttgart ihre To-      Beratung von Personalrä-        licher Förderung sollen in                   Mecklenburg-Vorpommerns
re. Rund 800 Aussteller wer-       ten und zu Versorgungsan-       zwei Schritten auf knapp elf                 Schülerinnen und Schüler
den auf der europaweit größ-       sprüchen. Zusätzlich bietet     Millionen Euro im Jahr 2006                  lernen künftig bis zum Ende
ten Bildungsmesse vertreten        die Bildungsgewerkschaft an     gekürzt werden. Das bedeu-                   der sechsten Klasse gemein-
sein, darunter Schulbuchver-       beiden Ständen Informatio-      tet beispielsweise für Gym-                  sam. Die SPD will den Start-
lage und Lehrmittelherstel-        nen, Gesprächsmöglichkei-       nasialschüler eine Gebüh-                    schuss hierfür im Schuljahr
ler. Informationen und An-         ten und Materialien zu ak-      renerhöhung von etwa 180                     2006/2007 geben. Später soll
gebote gibt es zu allen Bil-       tuellen bildungspolitischen     Euro auf rund 1200 Euro                      das Modell bis zur achten
dungsbereichen: Kindergar-         Themen an. Und nicht zu         jährlich.                                    Klasse ausgedehnt werden.
ten, Schule, Hochschule,           vergessen: Vom Messe-Trubel     Die Möglichkeit, auf dem                     Damit sind die ursprünglich
Ausbildung, Beratung und           können sich Besucherinnen       Zweiten Bildungsweg Schul-                   zum kommenden Schuljahr
Weiterbildung.                     und Besucher in den Cafes       abschlüsse       unentgeltlich               geplanten rund hundert
Mit zwei Ständen präsentiert       auf den GEW-Ständen erho-       nachzuholen, wäre faktisch                   Schulschließungen zunächst
sich die GEW auf der didacta       len. Mit vertreten am Stand     abgeschafft. Die angeblich                   vom Tisch. GEW-Landes-
2005.                              sind: der DGB mit seinem        „hohe Durchlässigkeit“ des                   vorsitzende Annett Lindner
Auf dem GEW-Aktionsstand           Projekt workshop zukunft, die   baden-württembergischen                      wertete die Entscheidung der
in Halle 4.1, Stand 117, und im    Büchergilde und der Süddeut-    Bildungssystems, die Kultus-                 SPD auch als Erfolg der Bil-
Kitabereich gibt es neben ei-      sche Pädagogische Verlag.       ministerin Annette Schavan                   dungsgewerkschaft, die sich
nem wechselnden Programm           Weitere Informationen:          (CDU) nicht müde wird her-                   für eine längere gemeinsame
– z. B. zu den Themen „Ge-         http://www.gew.de/Bil-          vorzuheben, wird damit                       Schulzeit aller Kinder stark
sunde Ernährung“ (1. März)         dungsmesse_2005.html            drastisch eingeschränkt.                     gemacht hatte.
                                                                                                                                                 E&W 2/2005   5
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
Rückzug in die S
Bund-Länder-Streit: Der Blick reicht nur bis zur eigenen Landesgrenze

                                                                        Karikaturen: Thomas Plaßmann

     6   E&W 2/2005
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
Schrebergärten
Ende Dezember vergangenen Jahres ist              Bund-Länder-Streit um Zuständigkei-
die lang und heiß diskutierte Födera-             ten. Es geht um Macht, nicht um Inhal-
                                                  te. Die Ministerpräsidenten lassen die
lismusreform um die Neuordnung der
                                                  unterschriftsreife Bund-Länder-Verein-
Kompetenzen von Bund und Län-                     barung über das 1,9-Milliarden-Pro-
dern am Streitpunkt Bildung geschei-              gramm zur Förderung der Spitzenfor-
tert. Die Verhandlungen sind damit                schung an den Hochschulen vor Weih-
zunächst wieder ins Hinterzimmer                  nachten platzen. Die weitere Zukunft
verlegt worden. Der Ausgang des                   der Bund-Länder-Kommission für Bil-
                                                  dungsplanung und Forschungsförde-
Machtpokers zwischen Bund und                     rung (BLK) ist ungewiss. Projekte wie
Ländern ist also noch offen. Doch                 die Vier-Milliarden-Euro-Hilfe des Bun-
selbst wenn der Status quo bleibt, ver-           des zum Aufbau von Ganztagsschulen
suchen die Länder vermutlich, den                 soll es nicht mehr geben. Bundesweit
Bund in Bildungsfragen zu blockie-                wirksame Bildungsprogramme passen          minister Frank-Walter Steinmeier (SPD)
                                                  nicht in die Philosophie von Wettbe-       vertreten. Schon bei diesen Gesprächen
ren, wo immer sie können. Offensicht-
                                                  werbsföderalismus und einem Länder-        schien für einige Länder der Rückzug
lich sind die Ministerpräsidenten                 Bildungsmonopol.                           des Bundes aus der Bildungspolitik aus-
nicht in der Lage, über ihre Landes-              Die gemeinsame Bildungsplanung von         gemachte Sache.
grenzen hinauszudenken. Jedes Land                Bund und Ländern – ohnehin im              Bildungspolitiker aller Bundestagsfrak-
händelt die Bildung häufig nach eige-             Grundgesetzartikel 91b nur eine dürfti-    tionen hatten das Vorgehen in dieser
nem Gusto. Auf Kosten der Schüler,                ge Kann-Vorschrift – gilt den Kultusmi-    „Kungelrunde“ mit größtem Argwohn
                                                  nistern als ungeliebtes „Einfallstor des   verfolgt. Mit der Einsetzung der ge-
Studierenden und Beschäftigten.                   Bundes in ihre alleinigen Gestaltungs-     meinsamen Föderalismus-Kommission
                                                  kompetenzen.“ Und weil die Länder of-      von Bundestag und Bundesrat wurde
Satire oder Realsatire? Wir schreiben das         fenbar auch untereinander wenig Inte-      die Debatte dann aus dem Hinterzim-
Jahr 2025. Die Länder haben sich bei der Fö-      resse an bundesweiter Bildungskoordi-      mer ins Parlament geholt. Doch den Bil-
deralismusreform durchgesetzt und verfügen        nierung haben, wird von den Minister-      dungspolitikern – gleich welcher Frak-
endlich über das ersehnte Gesamt-Monopol          präsidenten die Stellenzahl im Sekreta-    tion – gelang es nicht, auch nur einen po-
bei der Bildung. Es herrscht Wettbewerbs-Fö-      riat der Kultusministerkonferenz kräftig   litisch gewichtigen Vertreter in der Fö-     ❞  Der Zu-
                                                                                                                                          stand der
deralismus pur. Die Republik ist geteilt in ar-   zusammengestutzt.                          deralismus-Kommission zu platzieren.
me und reiche Länder. Bei der Schulausstat-       Ein ganzes Jahr lang hatte die von Bun-    Bei den Ländern stand von Anfang an          deutschen
tung und der Unterrichtsversorgung, aber          destag und Bundesrat eingesetzte Fö-       das klare Ziel im Vordergrund, den oh-       Schulen, so
auch bei den Lehrergehältern klaffen von          deralismuskommission über einen neu-       nehin mageren Einfluss des Bundes bei        wie er sich im
Bundesland zu Bundesland Welten. Schüler,         en Aufgabenzuschnitt von Bund und          der Bildung noch mehr zurückzudrän-          zweiten
die mit ihren Eltern aus einem SPD-geführ-        Ländern und die dafür notwendigen          gen. Bereits im frühen Stadium der           PISA-Test
ten Land in die Unionsdomänen Bayern              Verfassungsänderungen beraten. Es          Kommissionsarbeit signalisierte der          offenbart, ist
oder Baden-Württemberg umziehen, müssen           ging um erheblich mehr als nur um die      Bund seine Bereitschaft, mit Ausnahme        kein Argu-
zunächst zum Intelligenztest. Der Gymnasi-        Bildung. Der Bund wollte die Zahl der      weniger Kernbereiche auf das Hoch-
albesuch bleibt ihnen dort in der Regel ver-      zustimmungspflichtigen Gesetze im          schulrahmengesetz (HRG) ganz zu ver-
                                                                                                                                          ment, den
wehrt. Und weil auch nach dem siebten PI-         Bundesrat deutlich reduzieren und da-      zichten. Auch die Gemeinschaftsaufga-        Ländern in
SA-Durchgang im Jahr 2018 Deutschland             bei wieder mehr politischen Hand-          be Hochschulbau und die damit ver-           noch mehr
noch immer im unteren Mittelfeld verharrt,        lungsspielraum gewinnen. Die Länder        bundene Bund-Länder-Mischfinanzie-           Bildungs-
haben die Kultusminister die weitere deutsche     hingegen wollten ihre Gestaltungsho-       rung sollten entfallen. Dabei hatte das      bereichen die
Beteiligung an dem weltweiten Schultest ab-       heit neu definieren, die sie durch immer   damit verbundene Begutachtungssys-           Allein-Ver-
gesagt. Der bayerischen Landesregierung           mehr Bundesgesetze in den vergange-        tem durch den Wissenschaftsrat bisher        antwortung
war es besonders ein Dorn im Auge, dass           nen drei Jahrzehnten und vor allem         auch finanzschwachen Bundesländern           zuzuspre-
Südtiroler und Tessiner Schüler stets besser      durch die zunehmende Zahl von EU-          ein Minimum an Erneuerung bei Hoch-          chen. ❝
abschnitten als die eigenen. Wegen mangeln-       Rahmenregelungen gefährdet sehen.          schulbauten und Forschungsgroßgerä-           Franz Müntefering
der Finanzkraft haben bereits sechs Bundes-       Die 16 Bundesländer wollen sich auch       ten garantiert (s. auch Seite 13).           (SPD), Vorsitzender
länder ihre Hochschulen geschlossen. In den       in einem zusammenwachsenden Euro-          Zwischen den beiden Kommissionsvor-           der Föderalismus-
zehn anderen Ländern sind 85 Prozent der          pa gegenüber Berlin und Brüssel als ei-    sitzenden, SPD-Partei- und Fraktions-               kommission
Studienplätze allein Landeskindern vorbe-         genständige politische Einheiten be-       chef Franz Müntefering (SPD) und Bay-
halten. Die Abiturientenquote hat sich in-        haupten.                                   erns Ministerpräsident Edmund Stoiber
zwischen in fast allen Bundesländern bei 20                                                  (CSU), bestand anfangs Einvernehmen
Prozent eingependelt – wie sie schon 20 Jahre     „Kungelrunde“ in den 90ern                 darüber, dass alle Themen, über die kei-
zuvor in Bayern üblich war. Wegen fehlender       Erste Vorüberlegungen und Planspiele       ne Einigung erzielt werden konnte, von
eigener Hochschulabsolventen muss die deut-       der Länder dazu hatte es bereits Mitte     dem Verhandlungspaket „abgesprengt“
sche Wirtschaft inzwischen jeden zweiten          der 90er Jahre gegeben. 2002/2003 tagte    werden sollten. Als einige Unionsländer
Akademiker in Polen, Russland oder Asien          im Verborgenen monatelang eine Ar-         in der Schlussphase der Beratungen
anwerben.                                         beitsgruppe, der auf Länderseite Bay-      dann jedoch die Alles-oder-Nichts-Stra-
Abwegig? Kaum. Statt des gemeinsa-                erns damaliger Staatskanzlei-Chef Er-      tegie ausriefen und das gesamte Reform-
men Aufbruchs zu einer zweiten großen             win Huber (CSU) und sein Bremer Kol-       paket wegen der fehlenden Einigung bei
Bildungsreform erlebt die Öffentlich-             lege Reinhard Hoffmann (SPD) angehör-      der Bildung vorläufig scheitern ließen,
keit dieser Tage einen abenteuerlichen            ten. Der Bund war durch Kanzleramts-       war sicherlich schon Vorwahlkampf für
                                                                                                                                          E&W 2/2005     7
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
FÖDERALISMUS

                 das Jahr 2006 im Spiel. Hessens Regie-     Kritiker eines Länder-Bildungsmono-          beitsmarkt die Qualifikationsanforde-
                 rungschef Roland Koch (CDU) hatte die      pols führen an: Den Bundesländern            rungen. Fast alle Staaten, die mit
                 Devise ausgegeben, dass der Kanzler        fehlt es nach den Erfahrungen der ver-       Deutschland auf dem Weltmarkt kon-
                 nicht noch einmal im Wahlkampf mit         gangenen drei Jahrzehnte sowohl an           kurrieren, haben Universitäts- und
                 einem so populären Bildungsthema wie       Sinn als auch an Kraft, sich auch nur        Fachhochschulausbildung gewaltig aus-
                 der Ganztagsschule punkten dürfe.          annähernd auf eine nationale Strategie       gebaut. Im OECD-Mittel schließen
                                                            in der Bildungspolitik zu verständigen.      heute 32 Prozent eines Altersjahrganges
                 Keine nationale Strategie                  Der Blick reicht stets nur bis zur eigenen   ein Studium ab, in Deutschland dage-
                 Müntefering hatte der Forderung von        Landesgrenze. Der föderale Wettbewerb        gen nur 19 Prozent. In den deutschen
                 Unions- wie SPD-geführten Bundeslän-       der Bundesländer untereinander scheint       Schulen stagniert der Übergang zur
                 dern nach einem völligen Rückzug des       den Landespolitikern wichtiger als eine      gymnasialen Oberstufe seit 15 Jahren.
                 Bundes aus der Bildungspolitik in letz-    gemeinsame Bildungsoffensive. Denn           Wegen des Geburtenrückganges ist ein
                 ter Minute die Stirn geboten. Müntefe-     auch nach Veröffentlichung des zweiten       Mangel an qualifizierten Fachkräften
                 ring zeigt dabei mit dem Finger auf die    internationalen PISA-Tests ist offen, wie    vorprogrammiert. Die Antwort der
                 vielen, seit Jahrzehnten ungelösten Bil-   der Wirtschafts- und Sprachraum Bun-         KMK steht dazu seit Jahren aus.
                 dungsprobleme, vor allem aber auf die      desrepublik Deutschland gemeinsam
                 fehlende Chancengleichheit. Seine          auf die zunehmenden Qualifikations-          Beispiel Chancengleichheit: PISA I und
                 These: Der Zustand der deutschen           anforderungen im globalen Wettbewerb         PISA II haben erneut deutlich gemacht:
                 Schulen, so wie er sich im zweiten PISA-   reagieren soll. Dabei liegen die Fragen      In keinem anderen vergleichbaren Staat
                 Test offenbart, ist kein Argument, den     dazu seit langem auf dem Tisch:              der Welt ist der Bildungserfolg so ab-
                 Ländern in noch mehr Bildungsberei-                                                     hängig vom Einkommen und der Vor-
                 chen die Allein-Verantwortung zuzu-        Beispiel Bildungsbeteiligung: In allen       bildung der Eltern wie in Deutschland.
                 sprechen.                                  Industrienationen steigen auf dem Ar-        Seit drei Jahrzehnten liegen dazu robus-
8   E&W 2/2005
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
FÖDERALISMUS

                                              den KMK-Prognosen die Abbrecher-
                                              zahl schlicht fortgeschrieben. Für die
                                              Kultusminister scheint das Problem er-
                                              ledigt, wenn die jungen Menschen die
                                              Schule verlassen. Die Bundesagentur
                                              für Arbeit wendet jährlich viele Millio-
                                              nen Euro auf, damit wenigstens ein Teil
                                              der Jugendlichen den Schulabschluss
                                              nachholt und doch noch einen Berufs-
                                              einstieg schafft.

                                              Beispiel Studiengebühren: Kippt das bun-
                                              desweite Gebührenverbot vor dem Ver-
                                              fassungsgericht, wollen einige Länder so-
                                              fort Gebühren erheben, andere weiterhin      vor Weihnachten wieder an den Ver-
                                              nicht. Ein bundesweit praktikables Sti-      handlungstisch zurückzukehren, man-
                                              pendiensystem ist in weiter Ferne. Län-      gelt es nicht. Doch beim Thema Bil-
                                              der, die an der Gebührenfreiheit festhal-    dung ist bisher keine Bewegung in Sicht.
                                              ten wollen, befürchten Überlaufeffekte       Befürchtet wird: Bleibt es beim Status
                                              und planen Landeskinderregelungen.           quo, werden die Ministerpräsidenten al-
                                                                                           lein aus Prinzip in den nächsten Mona-
                                              Offener Ausgang                              ten jede Bildungsinitiative des Bundes
                                              Der Ausgang des Streits um die Födera-       blockieren – auch wenn sie noch so
                                              lismusreform ist offen. An Beschwörun-       sinnvoll erscheint.
                                              gen, nach dem vorläufigen Scheitern                              Max Loewe,Klara Fall

                                               GEW zur Föderalismusreform
                                                 Eckpunkte zur Neuordnung von Bund- Länder-Kompetenzen
                                               Die GEW hat Eckpunkte zur Reform            Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
                                               der bundesstaatlichen Ordnung in            ● Unser föderales System muss euro-
                                                                                           patauglich sein.
                                               Bildung, Wissenschaft und Forschung
                                                                                           ● Die gemeinsame Bildungsplanung
                                               vorgelegt – hier einige Auszüge:            und Forschungsförderung hat sich be-
                                               Eine Reform der bundesstaatlichen           währt und muss in Art. 91b Grundge-
                                               Zuständigkeiten muss das Ziel haben,        setz (GG) als verpflichtender Auftrag
                                               die Qualität des gesamten nationalen        in der Verfassung verankert werden.
                                               Bildungs-, Wissenschafts- und For-          Ein föderales System benötigt ein ge-
                                               schungssystems zu verbessern. We-           meinsames Koordinierungsgremium

te empirische Daten vor. Antwort der
                                               sentliches Kriterium ist für uns dabei
                                               die Gleichheit der Bildungschancen –
                                                                                           von Bund und Ländern. Insbesondere
                                                                                           ist der Schul- und Kulturbereich als
                                                                                                                                      ❞ Der fö-
                                                                                                                                      derale Wett-
KMK: Fehlanzeige.                              unabhängig von regionalen, sozialen,        wesentliches Element im lebenslangen       bewerb der
                                               geschlechts- oder herkunftsbedingten        Bildungsprozess mit den übrigen Bil-       Bundeslän-
Beispiel Schulqualität: Die Kultusminister     Unterschieden. Im internationalen           dungsphasen zu verzahnen. Die Bund-        der unterei-
haben sich nach PISA schnell auf bun-          Vergleich wird dieses Verfassungsziel in    Länder-Kommission für Bildungspla-
desweite Bildungsstandards verständigt.        Deutschland besonders unzureichend          nung und Forschungsförderung (BLK)
                                                                                                                                      nander
Bei der tatsächlichen Umsetzung in den         erreicht. Es widerspräche dem Geist         sollte deshalb zu einem wirksamen In-
                                                                                                                                      scheint den
Schulen sind aber noch viele Fragen of-        der Verfassung, Grundwerte aufzuge-         strument der gesamtstaatlichen Bil-        Landespoli-
fen. Bei der Entwicklung der Bildungs-         ben, nur weil ihre Verwirklichung un-       dungsplanung ausgebaut werden.             tikern wichti-
standards und auch beim Aufbau eines           vollkommen und schwierig ist.               ● Die Qualität unseres Bildungs- und       ger zu sein
bundesweiten Instituts zur Qualitätsent-       Die Neuordnung unseres föderalen            Wissenschaftssystems ist entscheidend      als die ge-
wicklung (IQB) wurde der Bund von den          Systems muss sich daher an folgenden        für die Zukunftsfähigkeit Deutsch-         meinsame
Ländern bewusst ausgesperrt. Eine Fol-         Leitlinien orientieren:                     lands. Zur Sicherung und Entwicklung       Bildungs-
ge: Das neue Institut an der Humboldt-         ● Die Herstellung gleichwertiger Le-        der Qualität brauchen wir einen natio-     offensive ❝
Universität dümpelt aus Kostengründen          bensverhältnisse in Deutschland ist ei-     nalen Rahmen, der internationale Er-
mit gerade mal 20 Stellen vor sich hin.        ne der wesentlichen Kernaufgaben des        fordernisse berücksichtigt sowie einen
Das nationale Institut der Niederlande         kooperativen Föderalismus und ein zu        regelmäßig erstellten nationalen Bil-
hat für diese Aufgabe 300 Stellen.             erhaltender       verfassungsrechtlicher    dungsbericht. Bildung, Wissenschaft
                                               Grundsatz höchsten Ranges. Bildung          und Forschung müssen auch zukünftig
Beispiel Schulabbrecher: Jahr für Jahr ver-    ist wesentliche Voraussetzung für die       und verstärkt in gemeinsamer Verant-
lassen rund zehn Prozent eines Jahrgan-        Persönlichkeitsentwicklung, für beruf-      wortung von Bund und Ländern ko-
ges die Schule ohne Abschluss. Anstatt         liche, soziale, politische und kulturelle   operativ weiterentwickelt werden.
Gegenmaßnahmen einzuleiten, wird in
                                                                                                                                      E&W 2/2005   9
Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
FÖDERALISMUS

Das KJHG bleibt
vorerst in Bun-
deskompetenz.
Ansonsten hätten
Familien bei Um-
zügen alt aus-
gesehen: Dann
hätte etwa
Brandenburg eine
Tagesbetreuung
für unter Drei-
jährige garan-
tiert, Bayern je-
doch nicht.

                                                                                                                                                                             Foto: David Ausserhofer
                                   „Die Länder hätten
                                   Rechtsansprüche reduziert“
                                    Zum KJHG im Bund-Länder-Poker: E&W-Interview mit Johannes Münder

                                   Bei der Föderalismuskommission zur            E &W: Was sollte nach den Vorstellungen der    und Jugendliche im KJHG reduziert.
                                   Reform der Bund-Länder-Kompeten-              Föderalismuskommission beim KJHG geän-         Ein Beispiel: Grundsätzlich gilt das Kin-
                                                                                 dert werden?                                   der- und Jugendhilfegesetz zwar für
                                   zen stand auch das KJHG zur Dis-
                                                                                 Münder: Die ursprüngliche Idee der             Minderjährige, aber es gibt Situationen
                                   kussion. Streitpunkt war, ob das Ge-          Länder war, dass der Bund nicht mehr           für junge Menschen über 18, in denen
                                   setz, in dem Fragen der Kinder- und           die Zuständigkeit für das Kinder- und Ju-      sie der elterlichen Unterstützung bedür-
                                   Jugendhilfe geregelt werden, seinen           gendhilferecht hat, sondern die Länder         fen. Bleibt diese aus, wird im Einzelfall
                                   bundeseinheitlichen Rahmen behält             die Regelungskompetenz dafür erhalten.         die Kinder- und Jugendhilfe tätig. Dies
                                                                                 E &W: Was für ein Interesse steckt dahinter?   und Ähnliches ist gesetzlich geregelt
                    Foto: Privat

                                   oder in Länderzuständigkeiten zer-
                                                                                 Münder: Beispielsweise wollten Länder          und wäre bei alleiniger Zuständigkeit
                                   fällt. E &W sprach mit dem Sozial-            wie Bayern und Baden-Württemberg,              der Länder – wie Gesetzesinitiativen im
Prof. Johannes                     und Zivilrechtler Prof. Johannes              dass die Leistungsdichte des Kinder-           Bundesrat zeigten – in Frage gestellt
Münder lehrt an                    Münder von der TU Berlin.                     und Jugendhilfegesetzes zurückgenom-           worden.
der TU Berlin.                                                                   men wird. Auch andere Länder bringen           E &W: Dann wären Hilfsprozesse an Län-
                                   E &W: Worin besteht das verfassungsrechtli-   immer wieder Anträge in den Bundesrat          dergrenzen gestoppt und soziale Leistungen
                                   che Problem beim KJHG?                        ein, die eine Reduzierung der Leistun-         nach Ortsrecht erbracht worden?
                                   Münder: Das KJHG geht über die                gen verlangen.                                 Münder: So ungefähr. Wenn ein Ju-
                                   Kompetenzzuständigkeit des Bundes             E &W: Also stehen haushaltspolitische Über-    gendlicher von Rheinland-Pfalz nach
                                   im Bereich der öffentlichen Fürsorge für      legungen hinter dem Kompetenzgezänk?           Baden-Württemberg umgezogen wäre,
                                   Kinder und Jugendliche hinaus, wenn           Münder: Ja. Manche Länder wollten              hätte er unter Umständen dort keine
                                   der Bildungsbereich im klassischen Sin-       am liebsten die Kinder- und Jugendhil-         oder andere Leistungen erhalten, z. B.
                                   ne hier mit einbezogen wird.                  fepolitik je nach Haushaltslage ihrer          Unterstützungsleistungen für die Per-
                                   E &W: Inwiefern?                              Kommunen gestalten. Das wäre natür-            sönlichkeitsentwicklung, etwa einen
                                   Münder: Wenn man zum Beispiel den             lich äußerst problematisch unter dem           Platz in einer Jugendwohngemeinschaft
                                   Kita-Bereich nicht vornehmlich als Be-        Gesichtspunkt der Chancengleichheit            oder Beratungs- und Berufsausbildungs-
                                   treuungsangebot auslegt, sondern mög-         und es hätte erhebliche Ungleichge-            angebote.
                                   licherweise sogar im schulischen Sinne        wichte zwischen den Kommunen, den              E &W: Das hätte im Prinzip auch die Mobi-
                                   ausschließlich als Bildungsangebot,           Städten und Ländern geschaffen.                lität von Familien sehr beeinträchtigt.
                                   wird es eng für die Regelungskompetenz        E &W: Was wäre passiert, wenn die Länder       Münder: Ja. Deutlich können Sie das
                                   des Bundes. Bildung ist nach dem fö-          ihre Vorstellungen, nach haushaltspoliti-      z. B. bei der Kindertagesbetreuung nach-
                                   deralistischen Prinzip Ländersache.           schem Gusto Kinder- und Jugendhilfepolitik     vollziehen. Wir haben dort zurzeit einen
                                   Bayern hat z. B. sein Kindergartengesetz      zu betreiben, durchgesetzt hätten?             Rechtsanspruch. Das so genannte Tages-
                                   ganz bewusst dem Bildungsbereich zu-          Münder: Sie hätten möglicherweise die          ausbaubetreuungsgesetz (TAG) erweitert
                                   geordnet.                                     ganzen Rechtsansprüche für Kinder              dies bundeseinheitlich. Bei einer födera-
 10 E&W 2/2005
FÖDERALISMUS

len Zuständigkeit hätten die Länder das         Münder: Die Kinder- und Jugendhilfe,
dann alleine regeln können. Das hätte           also das KJHG, bleibt in Bundeskompe-
bedeutet, dass in einem Land der Rechts-        tenz. Der Widerspruch der Sozialver-
anspruch für die Betreuung der unter            bände, der GEW, des Bundesjugend-
Dreijährigen garantiert gewesen wäre, in        rings und zahlreicher Rechtswissen-
einem anderen Land eben nicht.                  schaftler haben hier das Schlimmste ver-
E &W: Warum haben die Länder letztlich          hindern können. Es gibt allerdings ein
die Finger davon gelassen?                      „Aber“: Das hat im Prinzip mit der Kin-
Münder: Das KJHG hat eine große                 der- und Jugendhilfe nicht unmittelbar
Nähe zu einigen anderen Gesetzen, bei           etwas zu tun, wird sich aber auf diese
denen völlig unstrittig ist, dass sie nur auf   auswirken. Der Behördenaufbau und
Bundesebene zu regeln sind. Beispiels-          die Verwaltungsorganisation sollen Län-
weise das Familienrecht des Bürgerlichen        derangelegenheit sein. Dieser Beschluss
Gesetzbuchs (BGB). Die Einschränkung            wird wohl Bestand haben.
des Rechts der elterlichen Sorge, wenn          E &W: Welche konkreten Auswirkungen
das Kindeswohl gefährdet ist, ist dort ge-      kann dies für die Klientel haben?          das Interessante. Es gibt zahlreiche Öff-
regelt. Was daraufhin das Jugendamt zu          Münder: Das Jugendamt könnte abge-         nungsklauseln im Gesetz, die besagen,
tun hat, im KJHG. In diesem Falle wären         schafft und Teil eines allgemeinen So-     dass Näheres Ländersache ist. Aber die-
aber bei allen 16 Bundesländern 16 Ge-          zial- und Fürsorgeamtes, in anderen        se Öffnungsklauseln haben bis auf eine
setze nötig, die dies identisch regeln müs-     Kommunen vielleicht Teil eines eigenen     Ausnahme (Kindertageseinrichtungen
sten. Sehr kompliziert. Auch beim Ju-           Bildungsamtes werden. Die Folge ist,       in den neuen Bundesländern) nie dazu
gendstrafrecht ist völlig unstrittig, dass es   dass die konzentrierte Aufgabenwahr-       geführt, dass von den Ländern mehr rea-
ein einheitliches Strafrecht in der Bun-        nehmung für Kinder und Jugendliche         lisiert worden ist als das Bundesgesetz
desrepublik geben muss und auch das             geschwächt wird.                           vorsieht. Bislang haben die Länder
Handeln der Jugendämter (im KJHG ge-            E &W: Haben die Länder nicht bereits im    ihren Spielraum nie über das KJHG hin-
regelt) einheitlich sein muss.                  bundeseinheitlichen Rahmen genug Hand-     ausgehend genutzt.
E &W: Was ist zurzeit der letzte Stand der      lungsspielräume?
Kommission?                                     Münder: Die haben sie. Und das ist ja                Interview: Helga Haas-Rietschel
FÖDERALISMUS

                Karikatur: Thomas Plaßmann

                      Auf dem Weg in die Kleinstaaterei
                                             Bundeskompetenzen sollen im Hochschulbereich abgebaut werden

                      Man muss es erst einmal verstehen:                 das Hochschulrahmengesetz sollte nur        Doch die ZVS vergibt nur noch in fünf
                      In ganz Europa sollen gemeinsame                   noch vier Essentials enthalten, sagt Bun-   Fächern die Studienplätze – und auch
                                                                         desbildungsministerin Edelgard Bul-         dort nur zu 40 Prozent. Sehr viel häufi-
                      Studienabschlüsse gelten, der Hoch-
                                                                         mahn (SPD): Für Hochschulzugang,            ger gibt es örtliche Zulassungsbeschrän-
                      schul- und der Forschungsraum Euro-                Abschlüsse, Qualitätssicherung und          kungen, für die gar keine bundeseinheit-
                      pa wachsen zusammen, zunehmend                     Dienstrecht sollte noch ein bundesein-      liche Regelung besteht. Für die Studien-
                      fallen Entscheidungen, die die Hoch-               heitlicher Rahmen vorgegeben werden.        bewerber bleibt unverständlich, warum
                      schulen betreffen, in Brüssel. Da wäre             Übrig blieben von diesen vier Kernbe-       sie sich an mehreren Hochschulen
                      mehr Gemeinsamkeit zwischen den 16                 reichen bei Abbruch der Verhandlungen       gleichzeitig bewerben müssen, und das
                                                                         in der Föderalismuskommission noch          auch noch zu unterschiedlichen Bedin-
                      Ländern und dem Bund notwendig.                    Zulassung und Abschlüsse.                   gungen.
                      Deutschland verliert jedoch den An-                                                            Noch schwieriger ist der Hochschulzu-
                      schluss an Europa, weil es sich auf den            Auf Kosten der Studierenden                 gang für diejenigen, die über den Zwei-
                      Weg in die Kleinstaaterei begibt. Das              Wozu braucht man eigentlich bundes-         ten Bildungsweg kommen oder eine be-
                      widerspiegelt den egoistischen Macht-              einheitliche Regelungen?                    rufliche Ausbildung absolviert haben.
                                                                         Zum Beispiel für den Hochschulzu-           Sie müssen sich mit 16, von Land zu
                      hunger der Landesfürsten und ihrer
                                                                         gang: Bisher regelt das Hochschulrah-       Land unterschiedlichen, Zugangsrege-
                      Provinzen.                                         mengesetz, wie Studienplätze in den         lungen auseinander setzen. So geht die
                                                                         bundesweit      zulassungsbeschränkten      Prinzipienreiterei der Föderalisten letzt-

                D
                                    ie Wissenschaftsminister             Fächern vergeben werden. Um die Zu-         lich auf Kosten der Studienbewerber,
                                    von CDU und CSU                      lassungsbedingungen gibt es ein ständi-     der Transparenz und der Chancen-
                                    möchten den gemeinsa-                ges Hickhack: Sollen die Hochschulen        gleichheit.
                                    men rechtlichen Rahmen               nach eigenem Gusto entscheiden dür-         „Der Zugang zu den Hochschulen darf
                                    für die Hochschulen, das             fen? Oder soll es nach Abiturnote und       doch nicht in Bayern anders geregelt
                                    Hochschulrahmengesetz,               Wartezeiten gehen? Drei Jahre lang          sein als in Brandenburg. Die Abschlüs-
                      ersatzlos streichen.                               konnten sich die Länder nicht auf ein       se, die man an einer Hamburger Univer-
                      Die Bundesregierung wollte den Forde-              gemeinsames Verfahren in der Dort-          sität erwirbt, müssen gleichwertig sein
                      rungen der Ministerpräsidenten entge-              munder Zentralstelle (ZVS) einigen –        zu denen in Nordrhein-Westfalen, und
                      genkommen. Die Gemeinschaftsauf-                   das zeugt nicht gerade davon, dass die      eigentlich auch zu denen in Brüssel oder
                      gabe Hochschulbau sollte auf einige                Länder untereinander zu einvernehmli-       Paris“, kommentiert GEW-Vorsitzende
                      Großprojekte beschränkt werden. Und                chen Lösungen in der Lage sind.             Eva-Maria Stange.
12 E&W 2/2005
FÖDERALISMUS

                                           möglich, einen qualifizierten Informati-
                                           ker als Wissenschaftlichen Angestellten
                                           an seine Universität zu bekommen,
                                                                                        Kassieren ohne Auflage
                                           meint Thomas Behrens, Kanzler der Uni-
                                           versität Greifswald.
                                                                                         Streitpunkt Hochschulbau
                                           Auch der Status der Doktoranden unter-       1970 wurde der Hochschulbau zur Gemeinschaftsauf-
                                           scheidet sich von Land zu Land: Sind
                                           sie „Wissenschaftliche Mitarbeiter“ oder
                                                                                        gabe erklärt, weil die Zahl der Studierenden gesteigert,
                                           „Studierende“, haben sie ein Recht auf       neue Studienplätze geschaffen und neue Hochschulen ge-
                                           rasche Begutachtung oder sind sie von        gründet werden sollten. In der Föderalismusdebatte
                                           Laune und Arbeitslust ihres Doktorva-        gehört der Hochschulbau zu den strittigen Punkten in
                                           ters abhängig? In einigen Ländern ist        den Bund-Länder-Verhandlungen. Die Länder wollen
Doch wie sollen die Abschlüsse künftig     der Anspruch von Mitarbeitern auf
                                                                                        zwar das Geld des Bundes kassieren – jedoch ohne Auf-
geregelt werden?                           Qualifikationsstellen geregelt, sich in
Bis zum Jahr 2010 sollen alle Studi-       ihrer Arbeitszeit weiterzuqualifizieren.     lagen.
engänge auf Bachelor und Master umge-      Nicht so in Sachsen, wo René Krempkow        „Das wäre eine Katastrophe für die beiden Hochschulen in
stellt sein. Um diese europaweit gelten-   von der bundesweiten Promovierenden-         Mecklenburg-Vorpommern und natürlich auch für die an-
de Vorgabe zu erfüllen, brauche man        Initiative auf einer Mitarbeiterstelle ar-   deren Hochschulen“, schätzt Thomas Behrens den eigent-
kein Bundesgesetz, darauf könnten sich     beitet. Hier brauche man bundesweite         lich schon vereinbarten Kompromiss der Föderalismus-
die Länder auch so verständigen, argu-     Mindeststandards, fordert er. Stattdes-      kommission ein. Der sah nämlich vor, die „Gemein-
mentiert Wissenschaftsminister Peter       sen ist eine einschlägige Vorschrift aus     schaftsaufgabe Hochschulbau“ aus dem Grundgesetz zu
Frankenberg (CDU) aus Baden-Würt-          dem HRG wieder gestrichen worden,            streichen. „Die beiden Universitäten Rostock und Greifs-
temberg. Tatsächlich gehen die Länder      um den Ländern freie Hand zu geben.          wald haben jede Menge Bauvorhaben. Schließlich haben
ganz unterschiedlich an diese Umstel-      Das ist aus GEW-Sicht nicht akzepta-         wir einen riesigen Nachholbedarf “, meint der im letzten
lung heran: In Nordrhein-Westfalen soll    bel. Köhler: „Es ist vollkommen unzeit-      Jahr neu ernannte Kanzler der Universität Greifswald. Ge-
sie 2008 abgeschlossen sein, während       gemäß, denn im Rahmen des Bologna-           rade ist in Greifswald der Grundstein gelegt worden für
der hessische Ministerpräsident Roland     Prozesses bemühen wir uns inzwischen         den Ausbau des Universitätsklinikums. Kostenpunkt: 150
Koch (CDU) seinen Hochschulen frei-        längst um einen europaweiten Dokto-          Millionen Euro. Würde die Mitfinanzierung durch den
stellt, ob und wann sie die Umstellung     randen-Status.“                              Bund wegfallen, hieße das, dass in der Landeskasse für an-
anpacken. Er will gegen ein vom Bund       Peter Frankenberg bestreitet nicht, dass     dere Bauvorhaben der Universitäten nichts mehr übrig
finanziertes Unterstützungsprogramm        es einheitliche Regeln für die Hoch-         bleibt.
bei der Umstellung auf die neuen Ab-       schulzulassung und die Anerkennung           Manfred Ehrhardt, Generalsekretär des Stifterverbands für
schlüsse klagen. Baden-Württemberg         von Abschlüssen geben muss, wenn             die deutsche Wissenschaft, glaubt dagegen, es stehe doch
und Hamburg wollen den Zugang zum          man die Mobilität von Studierenden           jeder Landesregierung frei zu entscheiden, wie viel Geld sie
Masterstudium per Gesetz beschrän-         und wissenschaftlichem Personal erhal-       in die Hochschulen steckt. Thomas Behrens bezeichnet
ken. Nordrhein-Westfalen will dagegen      ten und fördern will. „Was wir an Ge-        solche Argumentation als zynisch. „Bei uns in Mecklen-
den Fachhochschulen verbieten, allzu       meinsamkeit brauchen, können wir un-         burg-Vorpommern sind Tourismus und Bildung die einzi-
viele Masterstudiengänge anzubieten.       tereinander vereinbaren“, sagt er. Dazu      gen Wachstumsbranchen. Wir werden nur dann zu halb-
Auf Länderebene blühen Bürokratis-         könnten die Länder Staatsverträge ab-        wegs gleichwertigen Lebensbedingungen in dieser Repu-
mus und kleinkarierte Regelungen, die      schließen. Doch diese müssten jeweils        blik kommen, wenn wir die Universitäten und Hochschu-
den Studierenden den Überblick er-         einstimmig von allen 16 Ländern unter-       len weiter stärken.“ Doch dazu fehlt dem Land allein die
schweren. „Unser föderales System          zeichnet und dann noch von den jewei-        Kraft.
muss europatauglich werden. Da brau-       ligen Parlamenten auch beschlossen           Die Expansionsphase von Neugründungen sei abgeschlos-
chen wir mehr Mobilität und Durchläs-      werden. Während Niedersachsens Mi-           sen, meint dagegen Hannelore Kraft, Wissenschaftsministe-
sigkeit und keine neuen, sys-              nisterpräsident Christian Wulff (CDU)        rin in Nordrhein-Westfalen, die „Gemeinschaftsaufgabe“
temwidrigen Barrieren“, so GEW-            die Kultusministerkonferenz wegen ih-        daher überholt.
Hochschulexperte Gerd Köhler.              rer Unbeweglichkeit und ihres Bürokra-       Peter Gaehtgens, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz
Noch gilt ein bundeseinheitliches          tismus aushebeln möchte, hofft Fran-         (HRK), hält es dagegen für widersinnig, wenn zum Beispiel
Dienstrecht für die Hochschulen. Es        kenberg also auf ein noch viel unbeweg-      an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rhein-
räumt den Ländern Spielräume bei der       licheres Instrument der Koordinierung.       land-Pfalz in beiden Ländern tolle Rechenzentren gebaut
Verteilung von Leistungszulagen ein.       Im europäischen Ministerrat der Bil-         würden: „Das wäre reine Geldverschwendung.“ Neben der
Abgesehen davon, dass sich die Besol-      dungsminister sitzen auf der deutschen       notwendigen bundesweiten Planung durch eine gemeinsa-
dung zwischen Ost und West unter-          Bank immer zwei Verhandlungsführer:          me Baufinanzierung zwingt der Bundeszuschuss die Lan-
scheidet.                                  die Bundesbildungsministerin und ein         desregierungen, wirklich etwas in den Ausbau der Hoch-
Anfang der 70er Jahre wurde ein bun-       Vertreter der Kultusministerkonferenz.       schulen zu investieren. Natürlich wollen die Landesregie-
deseinheitliches Dienstrecht eingeführt.   Die Situation ist schwierig genug – sie      rungen eigentlich nicht auf das Geld des Bundes verzich-
Damals wollten die Länder verhindern,      führt oft zu deutschen „Enthaltungen“        ten, der bisher ihre Bauvorhaben zur Hälfte finanziert hat.
dass sie in der Konkurrenz um die da-      und verhindert, dass aus Deutschland         Nur: Sie wollen das Geld ohne Auflagen direkt auf ihr Kon-
mals knappen Lehrerinnen und Lehrer        eigene Initiativen in Brüssel eingebracht    to erhalten. Wedig von Heyden, Generalsekretär des Wissen-
die Preise hochtreiben. Heute wollen sie   werden. Wie soll es künftig aussehen,        schaftsrats, kann sich allerdings nicht vorstellen, dass dieses
das einheitliche Dienstrecht kippen.       wenn der Bund alle Kompetenzen ab-           Geld am Ende für die Hochschulen bereitsteht: „Wir wer-
Mit der Folge, dass die Bezahlung eines    gibt? Wird dann die EU, oder zumin-          den über noch weniger Geld verfügen. Und es dann noch
Hochschullehrers sich nicht an seiner      dest der Ministerrat, um die 16 Bundes-      schwerer haben, im weltweiten Wettbewerb zu bestehen.“
Leistung orientiert, sondern an seinem     länder erweitert? Eine absurde Vorstel-                                                               KHH
Dienstort. Schon heute sei es fast un-     lung.              Karl-Heinz Heinemann
                                                                                                                                     E&W 2/2005 13
Sie können auch lesen