Erziehung und Wissenschaft - Macht-Zocker Bund-Länder-Poker um die Bildung
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Erziehung und Wissenschaft Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW 2/2005 Macht-Zocker Bund-Länder- Poker um die Bildung
GASTKOMMENTAR Jetzt sind die Länder gefordert Föderalismusreform hat nicht an Dringlichkeit verloren Mit dem ergebnislosen Ende gänge und Abschlüsse. Ob der Länder einzugehen. Die- ter. Sie rufen für die soziale der Föderalismuskommis- die Frage der Studienge- se engen Maßstäbe wurden Abfederung ihrer Alleingän- sion darf die Modernisie- bühren dazu gehört, hätte nun durch die Karlsruher ge jetzt nach dem Bund, ob- rung der bundesstaatlichen bis zum Urteil des Bundes- Entscheidung zum Studien- wohl das Bundesverfas- Ordnung nicht einfach von verfassungsgerichts ausge- gebührenverbot erneut be- sungsgericht diese Aufgabe der Tagesordnung abgesetzt klammert werden können. stätigt: Das Verfassungsge- eindeutig den Ländern zuge- werden. Außerdem war der Bund be- richt sieht auch in diesem wiesen hat. Die Kommission ist vorläu- reit, große Teile der Mittel Fall die Gesetzgebungskom- Dies alles zeigt: Die Gründe fig an den Maximalfoderun- für den Hochschulbau auf petenz bei den Ländern. für die Reform des Föderalis- gen der Länder im Bereich die Länder zu übertragen Das Studiengebühren-Urteil mus und gerade auch des Bildung und Wissenschaft (s. Seite 12/13) und die Ge- hat in Bezug auf die Ausei- Bildungsföderalismus haben gescheitert. Die Länder sind meinschaftsfinanzierung auf nandersetzung in der Fö- nicht an Dringlichkeit verlo- mit ihren Forderungen sehr Vorhaben und Großgeräte deralismuskommission aller- ren. weit gegangen, obwohl es von überregionaler Bedeu- dings keine grundsätzlich Die Fraktionen von Grünen Foto: imago durchaus gute Gründe gibt, tung zu reduzieren. Trotz neue Situation geschaffen. und SPD haben vorgeschla- zu fragen, ob sich der Bil- dieser Kompromissangebote Doch es stellt den Bildungs- gen, die Debatte in einen dungsföderalismus in der haben vor allem die unions- föderalismus und die Länder Kreis von hochschul- und Krista Sager, bisherigen Form bewährt geführten Länder die Bera- vor eine Bewährungsprobe. bildungspolitischen Sach- Fraktionsvorsit- hat. tungen an der Bildungs- und Sie müssen in den nächsten verständigen zu verlagern, zende Bündnis PISA, die OECD-Bildungs- Hochschulpolitik zum Plat- Monaten ihre Koordina- um aus der festgefahrenen 90/Die Grünen im Bundestag studie zeigen, dass das deut- zen gebracht. tionsfähigkeit unter Beweis Situation herauszukommen. sche Bildungssystem im in- Ihre Forderungen zielten stellen. Und zwar, indem sie Ein zentrales Stichwort soll- ternationalen Vergleich darauf, dem Bund jede Mit- die ihnen vom Verfassungs- te in diesem Zusammen- schlecht abschneidet. Lang- wirkungs- und Mitfinanzie- gericht zugesprochene Kom- hang die Autonomie der Bil- wierige Abstimmungspro- rungsmöglichkeit zu entzie- petenz bei den Studienge- dungseinrichtungen und zesse in der Kultusminister- hen. So sollte die verfas- bühren gemeinsam verant- nicht allein die Kompetenz- konferenz sind für notwen- sungsrechtliche Grundlage wortungsvoll ausüben. Wir verteilung sein. Diesen Vor- dige Reformen nicht förder- für die Arbeit der Bund-Län- Grünen sehen nach wie vor schlag haben die Vertreter lich. der-Kommission im Bereich im gebührenfreien Erststudi- der Länder bislang abge- Trotzdem hat der Bund – an- Bildung entfallen. Sonder- um die beste Voraussetzung, lehnt. ders als manche Länderver- programme zur Förderung um bildungspolitische Ziele, Nun ist es an den unionsre- treter behaupten – nicht ver- des wissenschaftlichen mehr Studienanfänger, kür- gierten Ländern, deutlich zu sucht, seine Kompetenzen Nachwuchses, ein gemeinsa- zere Studienzeiten und eine machen, wie es ihrer Ansicht im Bildungsbereich auszu- mes internationales Hoch- größere Anzahl von Hoch- nach weiter gehen kann. Die weiten. Im Gegenteil: Die schulmarketing für den Wis- schulabsolventen, zu errei- Modernisierung der bundes- Seite des Bundes hat weitge- senschaftsstandort Deutsch- chen. Nun ist es an den Län- staatlichen Ordnung darf hende Angebote in die Ver- land und die Förderung der dern, wenigstens einen Rege- nicht an den Hindernissen handlungen eingebracht: mathematischen Kompe- lungsrahmen zu finden, der scheitern, die sie eigentlich Der Bund war bereit, auf die tenz durch das SINUS-Pro- soziale Benachteiligung ver- beseitigen sollte. Das über- Rahmengesetzgebung für gramm (s. Seite 16) sollten hindert und junge Men- greifende Ziel eines hand- das Hochschulwesen zu ver- nicht mehr möglich sein. schen nicht davon abhält, lungsfähigeren deutschen zichten und seine Kompe- Auch die finanzielle Unter- ein Studium aufzunehmen. Föderalismus muss weiter tenz auf die Bereiche zu be- stützung der Ganztagsschu- Einen Rahmen, der den wei- verfolgt werden. schränken, die für die Mobi- len (s. auch Seite 18) wäre teren Abbau von Studien- Krista Sager lität von Studierenden und künftig ohne verfassungs- platzkapazitäten stoppt, ei- Wissenschaftlern von zen- rechtliche Basis gewesen. ner Verstärkung der unglei- traler Bedeutung sind: Zu- Das Urteil des Bundesverfas- chen Lastenverteilung zwi- sungsgerichts zur Juniorpro- schen den Ländern entge- fessur im vergangenen Som- genwirkt und die Mobilität mer hatte die Länder zu die- der Studierenden erhält. sen Maximalpositionen er- Die ersten Reaktionen lassen mutigt. Es legte für die Ge- allerdings vermuten, dass setzgebungskompetenz des ein Rückfall in bildungspoli- Bundes engste Maßstäbe an tische Kleinstaaterei zu be- und zwang den Bund schon fürchten ist. Besonders ab- damals, im Hochschulwesen surd sind die Forderungen weitgehend auf die Wünsche einiger Gebührenbefürwor- 2 E&W 2/2005
INHALT Gastkommentar Rückzug in NN Seite 2 die Schre- bergärten – Auf einen Blick oder der Seite 4 Blick der Mi- nisterpräsi- Impressum denten reicht Seite 4 nur bis zu ih- rer Landes- Cartoon: Thomas Plaßmann Titel: Föderalismusdebatte grenze: Nach 1. Rückzug in die Schrebergärten Seite 6 dem vorläu- 2. KJHG: E&W-Interview figen Schei- mit Prof. Johannes Münder Seite 10 tern der Fö- 3. Hochschulen: deralismusre- Auf dem Weg in die Kleinstaaterei Seite 12 form – Zank- 4. Streitpunkt Hochschulbau: apfel war die Kassieren ohne Auftrag Seite 13 Bildung – sind die Verhandlungen über die Neuverteilung der Bund-Länder-Kom- 5. Mobilität: petenzen wieder ins Hinterzimmer verlegt worden. Max Loewe und Klara Fall zeigen Bürokratie erschwert den Wechsel Seite 14 in ihrem Beitrag Konsequenzen für das Bildungswesen auf, wenn die Länder auf ih- 6. Erfolgreiche BLK-Projekte: rer alleinigen Zuständigkeit beharren. Der Machtpoker geht weiter. Deutschland Stein ins Wasser geworfen . . . Seite 16 begibt sich auf den Weg in die Kleinstaaterei. Während man anderen Ortes über die 7. Ganztagsprogramm: Schaffung eines europäischen Hochschulraumes nicht nur nachdenkt, sondern Eine Schule für alle in Templin Seite 18 auch darauf hinarbeitet, wollen die Länder offensichtlich in Brüssel mit dem Bund als 17-stimmiger Chor auftreten. Das Studiengebühren-Urteil Ende Januar schwächt PISA-Nachlese: Benachteiligte den Bund und macht die Länder nicht kompromissbereiter – von einer gemeinsa- 1. Zwei plus drei gleich sieben Seite 19 men nationalen Strategie ist man weiter denn je entfernt. 2. DJI-Studie: Sie wollen Bildung Schwerpunkt Föderalismus Seite 6 und haben wenig Chancen Seite 20 3. Lost generation? Seite 22 Internationales PISA-Nachlese: Ab dieser Ausgabe wird E&W sukzessive einigen Fragen, die sich Europa Macht Frieden Seite 23 aus der zweiten PISA-Studie ergeben, nachgehen. Wir beginnen mit den Mathema- tikkompetenzen der so genannten Risikoschüler. Prof. Werner Blum, Mitglied des Landesverbände PISA-Konsortiums, plädiert für eine gezielte individuelle Unterstützung der Ju- Bildungskahlschlag in Hessen und Hamburg gendlichen und sieht einen erheblichen Veränderungsbedarf für den Mathema- 1. Kein Wolf(f) im Schafspelz mehr Seite 24 tikunterricht. Auch die beiden anderen Beiträge befassen sich mit Bildungsbenach- 2. Wer nicht zahlt, bleibt außen vor Seite 27 teiligten. Eine aktuelle Stu- die des Deutschen Jugend- Weiterbildung Instituts München, in der Branchentarifvertrag Seite 28 Hauptschüler aus Migran- tenfamilien befragt worden Tarifpolitik sind, stellt fest: Sie wollen Auf der Zielgeraden Seite 29 Bildung und haben wenig Chancen. Eine lost genera- Schule tion also? Dies muss und darf Foto: Inge Werth Deutsch-jüdische Geschichte: nicht so sein. Ursula Herdt E&W-Interview mit Georg Heuberger Seite 30 schlägt ein Bündel von So- fort-Maßnahmen vor. Recht und Rechtsschutz Seiten 19 bis 22 Seite 31 Anschlagtafel Seite 32 Bildungskahlschlag in den Ländern: Mit dieser Ausgabe starten wir eine Serie mit bildungspolitischen Berichten aus den Bundesländern. Wo und wie wird dort Bil- Leserforum dung abgebaut? Wo gehen Reformen zu Lasten der Beschäftigten? Verschärfen sich Seite 33 Auslese und Chancenungleichheit? In welchen Bildungsbereichen werden Angebo- te reduziert und Privatisierung eingeführt? Den Auftakt machen Hessen und Ham- Diesmal burg. Seiten 24 bis 28 Seite 40 auch im Internet unter www.gew.de E&W 2/2005 3
AUF EINEN BLICK Nur noch 140 Foto: dpa GEW-Gewerkschaftstag Einstellungen Eigentlich hatte der Berliner Mitteilung des Wahlausschusses Verlierer Bildungssenator Klaus Böger (SPD) angekündigt, zum Gemäß den „Richtlinien des Wahlausschusses“ und der Ausschreibung für die sind die Kinder Schuljahr 2005/2006 1000 durch Wahlen zu besetzenden Ämter auf dem bevorstehenden Gewerkschaftstag Der Volksentscheid in Sach- Lehrerinnen und Lehrer in vom 23. bis 27. April 2005 in Erfurt in „E+W“ und in den Landeszeitungen der sen-Anhalt zur Wiederein- den Schuldienst einzustel- GEW hat der Wahlausschuss die eingegangenen Wahlvorschläge auf ihre Gültig- führung des Rechtsanspru- len. Diese Zahl wurde auf keit überprüft und gibt sie mit Zustimmung der Kandidatinnen und Kandidaten ches auf Ganztagsbetreuung 750 reduziert, jetzt sollen al- bekannt. für alle Kinder ist an der zu lenfalls 140 neue Kollegin- niedrigen Beteiligung ge- nen und Kollegen eine Stelle 1. Geschäftsführender Vorstand: scheitert. 60,5 Prozent der bekommen. Mit einer Pro- Wählerinnen und Wähler testaktion am 9. Februar sa- Vorsitzende/Vorsitzender: Ulrich Thöne (vorgeschlagen durch den Landesver- votierten für die Rückkehr gen die jungen Lehrerinnen band Berlin und die Fachgruppenausschüsse Gesamtschulen und Gymnasien) zum alten Rechtsanspruch. und Lehrer symbolisch Die Wahlbeteiligung von „Tschüss, Herr Böger – uns Arbeitsbereich Finanzen: Petra Grundmann (vorgeschlagen durch die Landesver- knapp 27 Prozent war jedoch reicht’s!“ und beginnen, Stel- bände Thüringen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bayern, Sachsen, Meck- zu gering, da für einen Er- lenangebote aus anderen lenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und den Fachgruppenausschuss So- folg des Referendums die Ja- Bundesländern anzuneh- zialpädagogische Berufe) Stimmen von mindestens men. Die Berliner GEW un- einem Viertel aller Wähler terstützt die Aktivitäten. Arbeitsbereich Frauenpolitik: Anne Jenter (vorgeschlagen durch die Landesver- notwendig gewesen wäre. bände Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg) Die Volksinitiative „Für ein Dr. Larissa Klinzing (vorgeschlagen durch die Landesverbände Saarland, Meck- kinder- und jugendfreund- lenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt sowie den Bundesseniorenausschuss und liches Sachsen-Anhalt“, an Impressum den Bundesfrauenausschuss) der die GEW maßgeblich be- teiligt ist, hatte den Volksent- Erziehung und Arbeitsbereich Angestellten- und Beamtenpolitik: Heiko Gosch (vorgeschlagen scheid mit der Sammlung Wissenschaft Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · durch den Landesverband Baden-Württemberg) von über 275 000 Unter- 57. Jg. Ilse Schaad (vorgeschlagen durch die Landesverbände Berlin und Sachsen) schriften möglich gemacht Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Deutschen Ge- (siehe E&W 4/2004). werkschaftsbund. Vorsitzende: Dr. Eva- Maria Stange. Redaktion: Ulf Rödde Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit: Norbert Hocke (vorgeschla- „Verlierer sind die Kinder. (verantwortlich), Helga Haas-Rietschel. gen durch die Landesverbände Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Rund 40 Prozent werden die Redaktionsassistenz: Renate Körner Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Würt- Kitas mittags verlassen müs- Postanschrift der Redaktion: temberg und den Fachgruppenausschuss Sozialpädagogische Berufe) sen – und wissen nicht war- Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M., Telefon (0 69) 7 89 73-0, um“, sagte GEW-Landes- Telefax (0 69) 7 89 73-202. Organisationsbereich Schule: Marianne Demmer (vorgeschlagen durch die Lan- vorsitzender Thomas Lipp- E-Mail: Renate.Koerner@gew.de Internet: http://www.gew.de desverbände Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Hol- mann. „Gewonnen haben Redaktionsschluss ist der 10. eines jeden Monats. stein, Sachsen, Berlin, Baden-Württemberg und die Fachgruppenausschüsse Re- wir die Erfahrung, dass ein Erziehung und Wissenschaft erscheint alschulen, Schulaufsicht/Schulverwaltung sowie Grund- und Hauptschulen) breites Bündnis lange und er- elfmal jährlich, jeweils am 5. des Monats mit Ausnahme der Sommerferien. folgreich zusammen arbei- Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Organisationsbereich Hochschule: Gerd Köhler (vorgeschlagen durch die Lan- ten kann.“ Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nicht- mitglieder beträgt der Bezugspreis jähr- desverbände Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Holstein, Es war der erste Volksent- lich € 7,20 zuzüglich € 11,30 Zustellge- bühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der Sachsen, Baden-Württemberg und den Fachgruppenausschuss Hochschule und scheid in der Geschichte Landesverbände Bayern, Berlin, Bran- Forschung) Sachsen-Anhalts. Bis März denburg, Bremen, Hessen, Mecklen- burg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, 2003 hatten alle Eltern einen Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und Organisationsbereich Berufliche Bildung und Weiterbildung: Dr. Stephanie Rechtsanspruch auf Ganz- Thüringen werden die jeweiligen Lan- deszeitungen der E&W beigelegt. Odenwald (vorgeschlagen durch die Landesverbände Hamburg, Schleswig-Hol- tagsbetreuung. Dieser gilt in- Für unverlangt eingesandte Manuskrip- te und Rezensionsexemplare wird kei- stein, Berlin, Baden-Württemberg und die Fachgruppenausschüsse Gewerbliche zwischen nur noch für Fami- ne Verantwortung übernommen. Die Schulen, Kaufmännische Schulen und Erwachsenenbildung) lien, in denen Vater und mit dem Namen des Verfassers gekenn- zeichneten Beiträge stellen nicht unbe- Mutter berufstätig sind. Ar- dingt die Meinung der Redaktion oder 2. Bundesschiedskommission beitslose haben nur noch ei- des Herausgebers dar. Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm nen Anspruch auf Halbtags- Verlag GmbH, Goldammerweg 16, 45134 Essen; Drei ständige Mitglieder und drei stellvertretende Mitglieder: betreuung für ihre Kinder. Verantw. f. Anzeigen: Mathias Müller, Tel. (02 01) 8 43 00-0, Telefax (02 01) 47 25 90, Dr. Anne Ratzki, vorgeschlagen durch den Landesverband Nordrhein-Westfalen Jetzt drohen anzeigen@stamm.de; z. Z. gültige Anzeigenpreisliste Nr. 35 Walter Gottschalk, vorgeschlagen durch den Landesverband Niedersachsen Studiengebühren vom 1. 1. 2005; Anzei- Peter Pape, vorgeschlagen durch den Landesverband Hamburg genschluss am 5. des Vormonats. Druck: Letzte Meldung: Das Bundes- apm AG, Kleyerstraße 3 Tilman Boehlkau, Vorsitzender des Wahlausschusses verfassungsgericht hat das Ver- 64295 Darmstadt. E&W wird auf Annett Lindner, stellvertretende Vorsitzende des Wahlausschusses bot von Studiengebühren kas- chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. ISSN Henricke Schneider-Petri, Berichterstatterin des Wahlausschusses siert. E &W berichtet ausführ- 0342-0671 lich in der nächsten Ausgabe. 4 E&W 2/2005
AUF EINEN BLICK 50 000 Unterschrif- Sachsen: 7500 Leh- ten nicht erreicht rerstellen streichen Das Volksbegehren in Berlin Das Land Sachsen plant, in Foto: dpa ist gescheitert. Die Initiative den nächsten fünf Jahren et- „Volksbegehren soziales Ber- wa 7500 von 33 000 Lehrer- lin“ hat es nicht geschafft, die Künftig gibt es mehr Betreuungsplätze für unter Dreijährige. stellen abzubauen. Außer- notwendigen 50000 gültigen dem sollen bis 2009 rund 100 Unterschriften zu sammeln. Kinderbetreuung kann ausgebaut werden von 456 Mittelschulen und Knapp 47000 von rund 52000 etwa 25 der 144 Gymnasien eingereichten Unterschriften Die Betreuungsangebote für Kinder, die jünger als drei Jahre geschlossen werden. Kultus- wurden für gültig erklärt. Die sind, können jetzt ausgebaut werden. Der Bundestag hat den minister Steffen Flath (CDU) Initiative, die die GEW im Einspruch des Bundesrates gegen das Tagesbetreuungsausbau- begründete diese Pläne mit Sommer mit initiiert hat, hatte gesetz (TAG) zurückgewiesen. Damit ist das Gesetz zum 1. Ja- sinkenden Schülerzahlen. dem Berliner Senat vorgewor- nuar in Kraft getreten. Die Länder und Kommunen hatten Nach neuen Prognosen sol- fen, eine unsoziale Sparpolitik sich hauptsächlich gegen die Finanzierungsmodalitäten ge- len die Schülerzahlen bis zu betreiben. Sie forderte die wandt. Das TAG verpflichtet die Kommunen, bis 2010 2012 um mehr als 120 000 auf Rücknahme von Sparbe- 230 000 neue Krippenplätze einzurichten. Damit wird eine 390 000 zurückgehen. 1996 schlüssen, etwa die Lohnsen- Versorgungsquote von rund 20 Prozent erreicht. Finanziert gab es in Sachsen noch kungen im öffentlichen Dienst werden soll der Ausbau der Kinderbetreuung durch Ein- 780 000 Schülerinnen und oder die Erhöhung der Kita- sparungen, die die Kommunen durch die Zusammenlegung Schüler. Hohe Abwande- Gebühren (s. E&W 9/2004). von Arbeitslosen und Sozialhilfe erzielen. rungszahlen und ein starker Geburtenrückgang sind die Zweiter Bildungsweg Ursachen dieser Entwick- lung. Die Stellen sollen über- vor dem Aus wiegend durch Teilzeitarbeit Der Stuttgarter Landtag der Lehrerinnen und Lehrer plant, die jährlichen Förder- abgebaut werden. Die GEW mittel in Höhe von 16 Mil- lehnt dies ab. Wegen wach- lionen für Abendschulen sender Anforderungen an die um bis zu 25 Prozent zu kür- Lehrerinnen und Lehrer gebe zen. Dies bedroht die Exis- es keine Grundlage, mit der tenz des Zweiten Bildungs- Landesregierung über Teil- wegs. zeitvereinbarungen zu ver- In Baden-Württemberg besu- handeln, sagte Landesvorsit- chen derzeit rund 6000 zende Sabine Gerold. Sie Schülerinnen und Schüler 18 schlug vor, die sinkenden Abendgymnasien, 39 Abend- Schülerzahlen für die quali- realschulen sowie vier Kol- tative Verbesserung des Lern- ping-Kollegs in ausschließ- angebots zu nutzen. Auf zur Bildungsmesse nach Stuttgart lich privater Trägerschaft durch Volkshochschulen, Bis Klasse 6 Die Bildungsmesse didacta oder „Globalisierung“ (3. Kommunen oder Kirchen. gemeinsam lernen öffnet vom 28. Februar bis März) – täglich kostenlose Die 16 Millionen Euro staat- 4. März in Stuttgart ihre To- Beratung von Personalrä- licher Förderung sollen in Mecklenburg-Vorpommerns re. Rund 800 Aussteller wer- ten und zu Versorgungsan- zwei Schritten auf knapp elf Schülerinnen und Schüler den auf der europaweit größ- sprüchen. Zusätzlich bietet Millionen Euro im Jahr 2006 lernen künftig bis zum Ende ten Bildungsmesse vertreten die Bildungsgewerkschaft an gekürzt werden. Das bedeu- der sechsten Klasse gemein- sein, darunter Schulbuchver- beiden Ständen Informatio- tet beispielsweise für Gym- sam. Die SPD will den Start- lage und Lehrmittelherstel- nen, Gesprächsmöglichkei- nasialschüler eine Gebüh- schuss hierfür im Schuljahr ler. Informationen und An- ten und Materialien zu ak- renerhöhung von etwa 180 2006/2007 geben. Später soll gebote gibt es zu allen Bil- tuellen bildungspolitischen Euro auf rund 1200 Euro das Modell bis zur achten dungsbereichen: Kindergar- Themen an. Und nicht zu jährlich. Klasse ausgedehnt werden. ten, Schule, Hochschule, vergessen: Vom Messe-Trubel Die Möglichkeit, auf dem Damit sind die ursprünglich Ausbildung, Beratung und können sich Besucherinnen Zweiten Bildungsweg Schul- zum kommenden Schuljahr Weiterbildung. und Besucher in den Cafes abschlüsse unentgeltlich geplanten rund hundert Mit zwei Ständen präsentiert auf den GEW-Ständen erho- nachzuholen, wäre faktisch Schulschließungen zunächst sich die GEW auf der didacta len. Mit vertreten am Stand abgeschafft. Die angeblich vom Tisch. GEW-Landes- 2005. sind: der DGB mit seinem „hohe Durchlässigkeit“ des vorsitzende Annett Lindner Auf dem GEW-Aktionsstand Projekt workshop zukunft, die baden-württembergischen wertete die Entscheidung der in Halle 4.1, Stand 117, und im Büchergilde und der Süddeut- Bildungssystems, die Kultus- SPD auch als Erfolg der Bil- Kitabereich gibt es neben ei- sche Pädagogische Verlag. ministerin Annette Schavan dungsgewerkschaft, die sich nem wechselnden Programm Weitere Informationen: (CDU) nicht müde wird her- für eine längere gemeinsame – z. B. zu den Themen „Ge- http://www.gew.de/Bil- vorzuheben, wird damit Schulzeit aller Kinder stark sunde Ernährung“ (1. März) dungsmesse_2005.html drastisch eingeschränkt. gemacht hatte. E&W 2/2005 5
Rückzug in die S Bund-Länder-Streit: Der Blick reicht nur bis zur eigenen Landesgrenze Karikaturen: Thomas Plaßmann 6 E&W 2/2005
Schrebergärten Ende Dezember vergangenen Jahres ist Bund-Länder-Streit um Zuständigkei- die lang und heiß diskutierte Födera- ten. Es geht um Macht, nicht um Inhal- te. Die Ministerpräsidenten lassen die lismusreform um die Neuordnung der unterschriftsreife Bund-Länder-Verein- Kompetenzen von Bund und Län- barung über das 1,9-Milliarden-Pro- dern am Streitpunkt Bildung geschei- gramm zur Förderung der Spitzenfor- tert. Die Verhandlungen sind damit schung an den Hochschulen vor Weih- zunächst wieder ins Hinterzimmer nachten platzen. Die weitere Zukunft verlegt worden. Der Ausgang des der Bund-Länder-Kommission für Bil- dungsplanung und Forschungsförde- Machtpokers zwischen Bund und rung (BLK) ist ungewiss. Projekte wie Ländern ist also noch offen. Doch die Vier-Milliarden-Euro-Hilfe des Bun- selbst wenn der Status quo bleibt, ver- des zum Aufbau von Ganztagsschulen suchen die Länder vermutlich, den soll es nicht mehr geben. Bundesweit Bund in Bildungsfragen zu blockie- wirksame Bildungsprogramme passen minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nicht in die Philosophie von Wettbe- vertreten. Schon bei diesen Gesprächen ren, wo immer sie können. Offensicht- werbsföderalismus und einem Länder- schien für einige Länder der Rückzug lich sind die Ministerpräsidenten Bildungsmonopol. des Bundes aus der Bildungspolitik aus- nicht in der Lage, über ihre Landes- Die gemeinsame Bildungsplanung von gemachte Sache. grenzen hinauszudenken. Jedes Land Bund und Ländern – ohnehin im Bildungspolitiker aller Bundestagsfrak- händelt die Bildung häufig nach eige- Grundgesetzartikel 91b nur eine dürfti- tionen hatten das Vorgehen in dieser nem Gusto. Auf Kosten der Schüler, ge Kann-Vorschrift – gilt den Kultusmi- „Kungelrunde“ mit größtem Argwohn nistern als ungeliebtes „Einfallstor des verfolgt. Mit der Einsetzung der ge- Studierenden und Beschäftigten. Bundes in ihre alleinigen Gestaltungs- meinsamen Föderalismus-Kommission kompetenzen.“ Und weil die Länder of- von Bundestag und Bundesrat wurde Satire oder Realsatire? Wir schreiben das fenbar auch untereinander wenig Inte- die Debatte dann aus dem Hinterzim- Jahr 2025. Die Länder haben sich bei der Fö- resse an bundesweiter Bildungskoordi- mer ins Parlament geholt. Doch den Bil- deralismusreform durchgesetzt und verfügen nierung haben, wird von den Minister- dungspolitikern – gleich welcher Frak- endlich über das ersehnte Gesamt-Monopol präsidenten die Stellenzahl im Sekreta- tion – gelang es nicht, auch nur einen po- bei der Bildung. Es herrscht Wettbewerbs-Fö- riat der Kultusministerkonferenz kräftig litisch gewichtigen Vertreter in der Fö- ❞ Der Zu- stand der deralismus pur. Die Republik ist geteilt in ar- zusammengestutzt. deralismus-Kommission zu platzieren. me und reiche Länder. Bei der Schulausstat- Ein ganzes Jahr lang hatte die von Bun- Bei den Ländern stand von Anfang an deutschen tung und der Unterrichtsversorgung, aber destag und Bundesrat eingesetzte Fö- das klare Ziel im Vordergrund, den oh- Schulen, so auch bei den Lehrergehältern klaffen von deralismuskommission über einen neu- nehin mageren Einfluss des Bundes bei wie er sich im Bundesland zu Bundesland Welten. Schüler, en Aufgabenzuschnitt von Bund und der Bildung noch mehr zurückzudrän- zweiten die mit ihren Eltern aus einem SPD-geführ- Ländern und die dafür notwendigen gen. Bereits im frühen Stadium der PISA-Test ten Land in die Unionsdomänen Bayern Verfassungsänderungen beraten. Es Kommissionsarbeit signalisierte der offenbart, ist oder Baden-Württemberg umziehen, müssen ging um erheblich mehr als nur um die Bund seine Bereitschaft, mit Ausnahme kein Argu- zunächst zum Intelligenztest. Der Gymnasi- Bildung. Der Bund wollte die Zahl der weniger Kernbereiche auf das Hoch- albesuch bleibt ihnen dort in der Regel ver- zustimmungspflichtigen Gesetze im schulrahmengesetz (HRG) ganz zu ver- ment, den wehrt. Und weil auch nach dem siebten PI- Bundesrat deutlich reduzieren und da- zichten. Auch die Gemeinschaftsaufga- Ländern in SA-Durchgang im Jahr 2018 Deutschland bei wieder mehr politischen Hand- be Hochschulbau und die damit ver- noch mehr noch immer im unteren Mittelfeld verharrt, lungsspielraum gewinnen. Die Länder bundene Bund-Länder-Mischfinanzie- Bildungs- haben die Kultusminister die weitere deutsche hingegen wollten ihre Gestaltungsho- rung sollten entfallen. Dabei hatte das bereichen die Beteiligung an dem weltweiten Schultest ab- heit neu definieren, die sie durch immer damit verbundene Begutachtungssys- Allein-Ver- gesagt. Der bayerischen Landesregierung mehr Bundesgesetze in den vergange- tem durch den Wissenschaftsrat bisher antwortung war es besonders ein Dorn im Auge, dass nen drei Jahrzehnten und vor allem auch finanzschwachen Bundesländern zuzuspre- Südtiroler und Tessiner Schüler stets besser durch die zunehmende Zahl von EU- ein Minimum an Erneuerung bei Hoch- chen. ❝ abschnitten als die eigenen. Wegen mangeln- Rahmenregelungen gefährdet sehen. schulbauten und Forschungsgroßgerä- Franz Müntefering der Finanzkraft haben bereits sechs Bundes- Die 16 Bundesländer wollen sich auch ten garantiert (s. auch Seite 13). (SPD), Vorsitzender länder ihre Hochschulen geschlossen. In den in einem zusammenwachsenden Euro- Zwischen den beiden Kommissionsvor- der Föderalismus- zehn anderen Ländern sind 85 Prozent der pa gegenüber Berlin und Brüssel als ei- sitzenden, SPD-Partei- und Fraktions- kommission Studienplätze allein Landeskindern vorbe- genständige politische Einheiten be- chef Franz Müntefering (SPD) und Bay- halten. Die Abiturientenquote hat sich in- haupten. erns Ministerpräsident Edmund Stoiber zwischen in fast allen Bundesländern bei 20 (CSU), bestand anfangs Einvernehmen Prozent eingependelt – wie sie schon 20 Jahre „Kungelrunde“ in den 90ern darüber, dass alle Themen, über die kei- zuvor in Bayern üblich war. Wegen fehlender Erste Vorüberlegungen und Planspiele ne Einigung erzielt werden konnte, von eigener Hochschulabsolventen muss die deut- der Länder dazu hatte es bereits Mitte dem Verhandlungspaket „abgesprengt“ sche Wirtschaft inzwischen jeden zweiten der 90er Jahre gegeben. 2002/2003 tagte werden sollten. Als einige Unionsländer Akademiker in Polen, Russland oder Asien im Verborgenen monatelang eine Ar- in der Schlussphase der Beratungen anwerben. beitsgruppe, der auf Länderseite Bay- dann jedoch die Alles-oder-Nichts-Stra- Abwegig? Kaum. Statt des gemeinsa- erns damaliger Staatskanzlei-Chef Er- tegie ausriefen und das gesamte Reform- men Aufbruchs zu einer zweiten großen win Huber (CSU) und sein Bremer Kol- paket wegen der fehlenden Einigung bei Bildungsreform erlebt die Öffentlich- lege Reinhard Hoffmann (SPD) angehör- der Bildung vorläufig scheitern ließen, keit dieser Tage einen abenteuerlichen ten. Der Bund war durch Kanzleramts- war sicherlich schon Vorwahlkampf für E&W 2/2005 7
FÖDERALISMUS das Jahr 2006 im Spiel. Hessens Regie- Kritiker eines Länder-Bildungsmono- beitsmarkt die Qualifikationsanforde- rungschef Roland Koch (CDU) hatte die pols führen an: Den Bundesländern rungen. Fast alle Staaten, die mit Devise ausgegeben, dass der Kanzler fehlt es nach den Erfahrungen der ver- Deutschland auf dem Weltmarkt kon- nicht noch einmal im Wahlkampf mit gangenen drei Jahrzehnte sowohl an kurrieren, haben Universitäts- und einem so populären Bildungsthema wie Sinn als auch an Kraft, sich auch nur Fachhochschulausbildung gewaltig aus- der Ganztagsschule punkten dürfe. annähernd auf eine nationale Strategie gebaut. Im OECD-Mittel schließen in der Bildungspolitik zu verständigen. heute 32 Prozent eines Altersjahrganges Keine nationale Strategie Der Blick reicht stets nur bis zur eigenen ein Studium ab, in Deutschland dage- Müntefering hatte der Forderung von Landesgrenze. Der föderale Wettbewerb gen nur 19 Prozent. In den deutschen Unions- wie SPD-geführten Bundeslän- der Bundesländer untereinander scheint Schulen stagniert der Übergang zur dern nach einem völligen Rückzug des den Landespolitikern wichtiger als eine gymnasialen Oberstufe seit 15 Jahren. Bundes aus der Bildungspolitik in letz- gemeinsame Bildungsoffensive. Denn Wegen des Geburtenrückganges ist ein ter Minute die Stirn geboten. Müntefe- auch nach Veröffentlichung des zweiten Mangel an qualifizierten Fachkräften ring zeigt dabei mit dem Finger auf die internationalen PISA-Tests ist offen, wie vorprogrammiert. Die Antwort der vielen, seit Jahrzehnten ungelösten Bil- der Wirtschafts- und Sprachraum Bun- KMK steht dazu seit Jahren aus. dungsprobleme, vor allem aber auf die desrepublik Deutschland gemeinsam fehlende Chancengleichheit. Seine auf die zunehmenden Qualifikations- Beispiel Chancengleichheit: PISA I und These: Der Zustand der deutschen anforderungen im globalen Wettbewerb PISA II haben erneut deutlich gemacht: Schulen, so wie er sich im zweiten PISA- reagieren soll. Dabei liegen die Fragen In keinem anderen vergleichbaren Staat Test offenbart, ist kein Argument, den dazu seit langem auf dem Tisch: der Welt ist der Bildungserfolg so ab- Ländern in noch mehr Bildungsberei- hängig vom Einkommen und der Vor- chen die Allein-Verantwortung zuzu- Beispiel Bildungsbeteiligung: In allen bildung der Eltern wie in Deutschland. sprechen. Industrienationen steigen auf dem Ar- Seit drei Jahrzehnten liegen dazu robus- 8 E&W 2/2005
FÖDERALISMUS den KMK-Prognosen die Abbrecher- zahl schlicht fortgeschrieben. Für die Kultusminister scheint das Problem er- ledigt, wenn die jungen Menschen die Schule verlassen. Die Bundesagentur für Arbeit wendet jährlich viele Millio- nen Euro auf, damit wenigstens ein Teil der Jugendlichen den Schulabschluss nachholt und doch noch einen Berufs- einstieg schafft. Beispiel Studiengebühren: Kippt das bun- desweite Gebührenverbot vor dem Ver- fassungsgericht, wollen einige Länder so- fort Gebühren erheben, andere weiterhin vor Weihnachten wieder an den Ver- nicht. Ein bundesweit praktikables Sti- handlungstisch zurückzukehren, man- pendiensystem ist in weiter Ferne. Län- gelt es nicht. Doch beim Thema Bil- der, die an der Gebührenfreiheit festhal- dung ist bisher keine Bewegung in Sicht. ten wollen, befürchten Überlaufeffekte Befürchtet wird: Bleibt es beim Status und planen Landeskinderregelungen. quo, werden die Ministerpräsidenten al- lein aus Prinzip in den nächsten Mona- Offener Ausgang ten jede Bildungsinitiative des Bundes Der Ausgang des Streits um die Födera- blockieren – auch wenn sie noch so lismusreform ist offen. An Beschwörun- sinnvoll erscheint. gen, nach dem vorläufigen Scheitern Max Loewe,Klara Fall GEW zur Föderalismusreform Eckpunkte zur Neuordnung von Bund- Länder-Kompetenzen Die GEW hat Eckpunkte zur Reform Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. der bundesstaatlichen Ordnung in ● Unser föderales System muss euro- patauglich sein. Bildung, Wissenschaft und Forschung ● Die gemeinsame Bildungsplanung vorgelegt – hier einige Auszüge: und Forschungsförderung hat sich be- Eine Reform der bundesstaatlichen währt und muss in Art. 91b Grundge- Zuständigkeiten muss das Ziel haben, setz (GG) als verpflichtender Auftrag die Qualität des gesamten nationalen in der Verfassung verankert werden. Bildungs-, Wissenschafts- und For- Ein föderales System benötigt ein ge- schungssystems zu verbessern. We- meinsames Koordinierungsgremium te empirische Daten vor. Antwort der sentliches Kriterium ist für uns dabei die Gleichheit der Bildungschancen – von Bund und Ländern. Insbesondere ist der Schul- und Kulturbereich als ❞ Der fö- derale Wett- KMK: Fehlanzeige. unabhängig von regionalen, sozialen, wesentliches Element im lebenslangen bewerb der geschlechts- oder herkunftsbedingten Bildungsprozess mit den übrigen Bil- Bundeslän- Beispiel Schulqualität: Die Kultusminister Unterschieden. Im internationalen dungsphasen zu verzahnen. Die Bund- der unterei- haben sich nach PISA schnell auf bun- Vergleich wird dieses Verfassungsziel in Länder-Kommission für Bildungspla- desweite Bildungsstandards verständigt. Deutschland besonders unzureichend nung und Forschungsförderung (BLK) nander Bei der tatsächlichen Umsetzung in den erreicht. Es widerspräche dem Geist sollte deshalb zu einem wirksamen In- scheint den Schulen sind aber noch viele Fragen of- der Verfassung, Grundwerte aufzuge- strument der gesamtstaatlichen Bil- Landespoli- fen. Bei der Entwicklung der Bildungs- ben, nur weil ihre Verwirklichung un- dungsplanung ausgebaut werden. tikern wichti- standards und auch beim Aufbau eines vollkommen und schwierig ist. ● Die Qualität unseres Bildungs- und ger zu sein bundesweiten Instituts zur Qualitätsent- Die Neuordnung unseres föderalen Wissenschaftssystems ist entscheidend als die ge- wicklung (IQB) wurde der Bund von den Systems muss sich daher an folgenden für die Zukunftsfähigkeit Deutsch- meinsame Ländern bewusst ausgesperrt. Eine Fol- Leitlinien orientieren: lands. Zur Sicherung und Entwicklung Bildungs- ge: Das neue Institut an der Humboldt- ● Die Herstellung gleichwertiger Le- der Qualität brauchen wir einen natio- offensive ❝ Universität dümpelt aus Kostengründen bensverhältnisse in Deutschland ist ei- nalen Rahmen, der internationale Er- mit gerade mal 20 Stellen vor sich hin. ne der wesentlichen Kernaufgaben des fordernisse berücksichtigt sowie einen Das nationale Institut der Niederlande kooperativen Föderalismus und ein zu regelmäßig erstellten nationalen Bil- hat für diese Aufgabe 300 Stellen. erhaltender verfassungsrechtlicher dungsbericht. Bildung, Wissenschaft Grundsatz höchsten Ranges. Bildung und Forschung müssen auch zukünftig Beispiel Schulabbrecher: Jahr für Jahr ver- ist wesentliche Voraussetzung für die und verstärkt in gemeinsamer Verant- lassen rund zehn Prozent eines Jahrgan- Persönlichkeitsentwicklung, für beruf- wortung von Bund und Ländern ko- ges die Schule ohne Abschluss. Anstatt liche, soziale, politische und kulturelle operativ weiterentwickelt werden. Gegenmaßnahmen einzuleiten, wird in E&W 2/2005 9
FÖDERALISMUS Das KJHG bleibt vorerst in Bun- deskompetenz. Ansonsten hätten Familien bei Um- zügen alt aus- gesehen: Dann hätte etwa Brandenburg eine Tagesbetreuung für unter Drei- jährige garan- tiert, Bayern je- doch nicht. Foto: David Ausserhofer „Die Länder hätten Rechtsansprüche reduziert“ Zum KJHG im Bund-Länder-Poker: E&W-Interview mit Johannes Münder Bei der Föderalismuskommission zur E &W: Was sollte nach den Vorstellungen der und Jugendliche im KJHG reduziert. Reform der Bund-Länder-Kompeten- Föderalismuskommission beim KJHG geän- Ein Beispiel: Grundsätzlich gilt das Kin- dert werden? der- und Jugendhilfegesetz zwar für zen stand auch das KJHG zur Dis- Münder: Die ursprüngliche Idee der Minderjährige, aber es gibt Situationen kussion. Streitpunkt war, ob das Ge- Länder war, dass der Bund nicht mehr für junge Menschen über 18, in denen setz, in dem Fragen der Kinder- und die Zuständigkeit für das Kinder- und Ju- sie der elterlichen Unterstützung bedür- Jugendhilfe geregelt werden, seinen gendhilferecht hat, sondern die Länder fen. Bleibt diese aus, wird im Einzelfall bundeseinheitlichen Rahmen behält die Regelungskompetenz dafür erhalten. die Kinder- und Jugendhilfe tätig. Dies E &W: Was für ein Interesse steckt dahinter? und Ähnliches ist gesetzlich geregelt Foto: Privat oder in Länderzuständigkeiten zer- Münder: Beispielsweise wollten Länder und wäre bei alleiniger Zuständigkeit fällt. E &W sprach mit dem Sozial- wie Bayern und Baden-Württemberg, der Länder – wie Gesetzesinitiativen im Prof. Johannes und Zivilrechtler Prof. Johannes dass die Leistungsdichte des Kinder- Bundesrat zeigten – in Frage gestellt Münder lehrt an Münder von der TU Berlin. und Jugendhilfegesetzes zurückgenom- worden. der TU Berlin. men wird. Auch andere Länder bringen E &W: Dann wären Hilfsprozesse an Län- E &W: Worin besteht das verfassungsrechtli- immer wieder Anträge in den Bundesrat dergrenzen gestoppt und soziale Leistungen che Problem beim KJHG? ein, die eine Reduzierung der Leistun- nach Ortsrecht erbracht worden? Münder: Das KJHG geht über die gen verlangen. Münder: So ungefähr. Wenn ein Ju- Kompetenzzuständigkeit des Bundes E &W: Also stehen haushaltspolitische Über- gendlicher von Rheinland-Pfalz nach im Bereich der öffentlichen Fürsorge für legungen hinter dem Kompetenzgezänk? Baden-Württemberg umgezogen wäre, Kinder und Jugendliche hinaus, wenn Münder: Ja. Manche Länder wollten hätte er unter Umständen dort keine der Bildungsbereich im klassischen Sin- am liebsten die Kinder- und Jugendhil- oder andere Leistungen erhalten, z. B. ne hier mit einbezogen wird. fepolitik je nach Haushaltslage ihrer Unterstützungsleistungen für die Per- E &W: Inwiefern? Kommunen gestalten. Das wäre natür- sönlichkeitsentwicklung, etwa einen Münder: Wenn man zum Beispiel den lich äußerst problematisch unter dem Platz in einer Jugendwohngemeinschaft Kita-Bereich nicht vornehmlich als Be- Gesichtspunkt der Chancengleichheit oder Beratungs- und Berufsausbildungs- treuungsangebot auslegt, sondern mög- und es hätte erhebliche Ungleichge- angebote. licherweise sogar im schulischen Sinne wichte zwischen den Kommunen, den E &W: Das hätte im Prinzip auch die Mobi- ausschließlich als Bildungsangebot, Städten und Ländern geschaffen. lität von Familien sehr beeinträchtigt. wird es eng für die Regelungskompetenz E &W: Was wäre passiert, wenn die Länder Münder: Ja. Deutlich können Sie das des Bundes. Bildung ist nach dem fö- ihre Vorstellungen, nach haushaltspoliti- z. B. bei der Kindertagesbetreuung nach- deralistischen Prinzip Ländersache. schem Gusto Kinder- und Jugendhilfepolitik vollziehen. Wir haben dort zurzeit einen Bayern hat z. B. sein Kindergartengesetz zu betreiben, durchgesetzt hätten? Rechtsanspruch. Das so genannte Tages- ganz bewusst dem Bildungsbereich zu- Münder: Sie hätten möglicherweise die ausbaubetreuungsgesetz (TAG) erweitert geordnet. ganzen Rechtsansprüche für Kinder dies bundeseinheitlich. Bei einer födera- 10 E&W 2/2005
FÖDERALISMUS len Zuständigkeit hätten die Länder das Münder: Die Kinder- und Jugendhilfe, dann alleine regeln können. Das hätte also das KJHG, bleibt in Bundeskompe- bedeutet, dass in einem Land der Rechts- tenz. Der Widerspruch der Sozialver- anspruch für die Betreuung der unter bände, der GEW, des Bundesjugend- Dreijährigen garantiert gewesen wäre, in rings und zahlreicher Rechtswissen- einem anderen Land eben nicht. schaftler haben hier das Schlimmste ver- E &W: Warum haben die Länder letztlich hindern können. Es gibt allerdings ein die Finger davon gelassen? „Aber“: Das hat im Prinzip mit der Kin- Münder: Das KJHG hat eine große der- und Jugendhilfe nicht unmittelbar Nähe zu einigen anderen Gesetzen, bei etwas zu tun, wird sich aber auf diese denen völlig unstrittig ist, dass sie nur auf auswirken. Der Behördenaufbau und Bundesebene zu regeln sind. Beispiels- die Verwaltungsorganisation sollen Län- weise das Familienrecht des Bürgerlichen derangelegenheit sein. Dieser Beschluss Gesetzbuchs (BGB). Die Einschränkung wird wohl Bestand haben. des Rechts der elterlichen Sorge, wenn E &W: Welche konkreten Auswirkungen das Kindeswohl gefährdet ist, ist dort ge- kann dies für die Klientel haben? das Interessante. Es gibt zahlreiche Öff- regelt. Was daraufhin das Jugendamt zu Münder: Das Jugendamt könnte abge- nungsklauseln im Gesetz, die besagen, tun hat, im KJHG. In diesem Falle wären schafft und Teil eines allgemeinen So- dass Näheres Ländersache ist. Aber die- aber bei allen 16 Bundesländern 16 Ge- zial- und Fürsorgeamtes, in anderen se Öffnungsklauseln haben bis auf eine setze nötig, die dies identisch regeln müs- Kommunen vielleicht Teil eines eigenen Ausnahme (Kindertageseinrichtungen sten. Sehr kompliziert. Auch beim Ju- Bildungsamtes werden. Die Folge ist, in den neuen Bundesländern) nie dazu gendstrafrecht ist völlig unstrittig, dass es dass die konzentrierte Aufgabenwahr- geführt, dass von den Ländern mehr rea- ein einheitliches Strafrecht in der Bun- nehmung für Kinder und Jugendliche lisiert worden ist als das Bundesgesetz desrepublik geben muss und auch das geschwächt wird. vorsieht. Bislang haben die Länder Handeln der Jugendämter (im KJHG ge- E &W: Haben die Länder nicht bereits im ihren Spielraum nie über das KJHG hin- regelt) einheitlich sein muss. bundeseinheitlichen Rahmen genug Hand- ausgehend genutzt. E &W: Was ist zurzeit der letzte Stand der lungsspielräume? Kommission? Münder: Die haben sie. Und das ist ja Interview: Helga Haas-Rietschel
FÖDERALISMUS Karikatur: Thomas Plaßmann Auf dem Weg in die Kleinstaaterei Bundeskompetenzen sollen im Hochschulbereich abgebaut werden Man muss es erst einmal verstehen: das Hochschulrahmengesetz sollte nur Doch die ZVS vergibt nur noch in fünf In ganz Europa sollen gemeinsame noch vier Essentials enthalten, sagt Bun- Fächern die Studienplätze – und auch desbildungsministerin Edelgard Bul- dort nur zu 40 Prozent. Sehr viel häufi- Studienabschlüsse gelten, der Hoch- mahn (SPD): Für Hochschulzugang, ger gibt es örtliche Zulassungsbeschrän- schul- und der Forschungsraum Euro- Abschlüsse, Qualitätssicherung und kungen, für die gar keine bundeseinheit- pa wachsen zusammen, zunehmend Dienstrecht sollte noch ein bundesein- liche Regelung besteht. Für die Studien- fallen Entscheidungen, die die Hoch- heitlicher Rahmen vorgegeben werden. bewerber bleibt unverständlich, warum schulen betreffen, in Brüssel. Da wäre Übrig blieben von diesen vier Kernbe- sie sich an mehreren Hochschulen mehr Gemeinsamkeit zwischen den 16 reichen bei Abbruch der Verhandlungen gleichzeitig bewerben müssen, und das in der Föderalismuskommission noch auch noch zu unterschiedlichen Bedin- Ländern und dem Bund notwendig. Zulassung und Abschlüsse. gungen. Deutschland verliert jedoch den An- Noch schwieriger ist der Hochschulzu- schluss an Europa, weil es sich auf den Auf Kosten der Studierenden gang für diejenigen, die über den Zwei- Weg in die Kleinstaaterei begibt. Das Wozu braucht man eigentlich bundes- ten Bildungsweg kommen oder eine be- widerspiegelt den egoistischen Macht- einheitliche Regelungen? rufliche Ausbildung absolviert haben. Zum Beispiel für den Hochschulzu- Sie müssen sich mit 16, von Land zu hunger der Landesfürsten und ihrer gang: Bisher regelt das Hochschulrah- Land unterschiedlichen, Zugangsrege- Provinzen. mengesetz, wie Studienplätze in den lungen auseinander setzen. So geht die bundesweit zulassungsbeschränkten Prinzipienreiterei der Föderalisten letzt- D ie Wissenschaftsminister Fächern vergeben werden. Um die Zu- lich auf Kosten der Studienbewerber, von CDU und CSU lassungsbedingungen gibt es ein ständi- der Transparenz und der Chancen- möchten den gemeinsa- ges Hickhack: Sollen die Hochschulen gleichheit. men rechtlichen Rahmen nach eigenem Gusto entscheiden dür- „Der Zugang zu den Hochschulen darf für die Hochschulen, das fen? Oder soll es nach Abiturnote und doch nicht in Bayern anders geregelt Hochschulrahmengesetz, Wartezeiten gehen? Drei Jahre lang sein als in Brandenburg. Die Abschlüs- ersatzlos streichen. konnten sich die Länder nicht auf ein se, die man an einer Hamburger Univer- Die Bundesregierung wollte den Forde- gemeinsames Verfahren in der Dort- sität erwirbt, müssen gleichwertig sein rungen der Ministerpräsidenten entge- munder Zentralstelle (ZVS) einigen – zu denen in Nordrhein-Westfalen, und genkommen. Die Gemeinschaftsauf- das zeugt nicht gerade davon, dass die eigentlich auch zu denen in Brüssel oder gabe Hochschulbau sollte auf einige Länder untereinander zu einvernehmli- Paris“, kommentiert GEW-Vorsitzende Großprojekte beschränkt werden. Und chen Lösungen in der Lage sind. Eva-Maria Stange. 12 E&W 2/2005
FÖDERALISMUS möglich, einen qualifizierten Informati- ker als Wissenschaftlichen Angestellten an seine Universität zu bekommen, Kassieren ohne Auflage meint Thomas Behrens, Kanzler der Uni- versität Greifswald. Streitpunkt Hochschulbau Auch der Status der Doktoranden unter- 1970 wurde der Hochschulbau zur Gemeinschaftsauf- scheidet sich von Land zu Land: Sind sie „Wissenschaftliche Mitarbeiter“ oder gabe erklärt, weil die Zahl der Studierenden gesteigert, „Studierende“, haben sie ein Recht auf neue Studienplätze geschaffen und neue Hochschulen ge- rasche Begutachtung oder sind sie von gründet werden sollten. In der Föderalismusdebatte Laune und Arbeitslust ihres Doktorva- gehört der Hochschulbau zu den strittigen Punkten in ters abhängig? In einigen Ländern ist den Bund-Länder-Verhandlungen. Die Länder wollen Doch wie sollen die Abschlüsse künftig der Anspruch von Mitarbeitern auf zwar das Geld des Bundes kassieren – jedoch ohne Auf- geregelt werden? Qualifikationsstellen geregelt, sich in Bis zum Jahr 2010 sollen alle Studi- ihrer Arbeitszeit weiterzuqualifizieren. lagen. engänge auf Bachelor und Master umge- Nicht so in Sachsen, wo René Krempkow „Das wäre eine Katastrophe für die beiden Hochschulen in stellt sein. Um diese europaweit gelten- von der bundesweiten Promovierenden- Mecklenburg-Vorpommern und natürlich auch für die an- de Vorgabe zu erfüllen, brauche man Initiative auf einer Mitarbeiterstelle ar- deren Hochschulen“, schätzt Thomas Behrens den eigent- kein Bundesgesetz, darauf könnten sich beitet. Hier brauche man bundesweite lich schon vereinbarten Kompromiss der Föderalismus- die Länder auch so verständigen, argu- Mindeststandards, fordert er. Stattdes- kommission ein. Der sah nämlich vor, die „Gemein- mentiert Wissenschaftsminister Peter sen ist eine einschlägige Vorschrift aus schaftsaufgabe Hochschulbau“ aus dem Grundgesetz zu Frankenberg (CDU) aus Baden-Würt- dem HRG wieder gestrichen worden, streichen. „Die beiden Universitäten Rostock und Greifs- temberg. Tatsächlich gehen die Länder um den Ländern freie Hand zu geben. wald haben jede Menge Bauvorhaben. Schließlich haben ganz unterschiedlich an diese Umstel- Das ist aus GEW-Sicht nicht akzepta- wir einen riesigen Nachholbedarf “, meint der im letzten lung heran: In Nordrhein-Westfalen soll bel. Köhler: „Es ist vollkommen unzeit- Jahr neu ernannte Kanzler der Universität Greifswald. Ge- sie 2008 abgeschlossen sein, während gemäß, denn im Rahmen des Bologna- rade ist in Greifswald der Grundstein gelegt worden für der hessische Ministerpräsident Roland Prozesses bemühen wir uns inzwischen den Ausbau des Universitätsklinikums. Kostenpunkt: 150 Koch (CDU) seinen Hochschulen frei- längst um einen europaweiten Dokto- Millionen Euro. Würde die Mitfinanzierung durch den stellt, ob und wann sie die Umstellung randen-Status.“ Bund wegfallen, hieße das, dass in der Landeskasse für an- anpacken. Er will gegen ein vom Bund Peter Frankenberg bestreitet nicht, dass dere Bauvorhaben der Universitäten nichts mehr übrig finanziertes Unterstützungsprogramm es einheitliche Regeln für die Hoch- bleibt. bei der Umstellung auf die neuen Ab- schulzulassung und die Anerkennung Manfred Ehrhardt, Generalsekretär des Stifterverbands für schlüsse klagen. Baden-Württemberg von Abschlüssen geben muss, wenn die deutsche Wissenschaft, glaubt dagegen, es stehe doch und Hamburg wollen den Zugang zum man die Mobilität von Studierenden jeder Landesregierung frei zu entscheiden, wie viel Geld sie Masterstudium per Gesetz beschrän- und wissenschaftlichem Personal erhal- in die Hochschulen steckt. Thomas Behrens bezeichnet ken. Nordrhein-Westfalen will dagegen ten und fördern will. „Was wir an Ge- solche Argumentation als zynisch. „Bei uns in Mecklen- den Fachhochschulen verbieten, allzu meinsamkeit brauchen, können wir un- burg-Vorpommern sind Tourismus und Bildung die einzi- viele Masterstudiengänge anzubieten. tereinander vereinbaren“, sagt er. Dazu gen Wachstumsbranchen. Wir werden nur dann zu halb- Auf Länderebene blühen Bürokratis- könnten die Länder Staatsverträge ab- wegs gleichwertigen Lebensbedingungen in dieser Repu- mus und kleinkarierte Regelungen, die schließen. Doch diese müssten jeweils blik kommen, wenn wir die Universitäten und Hochschu- den Studierenden den Überblick er- einstimmig von allen 16 Ländern unter- len weiter stärken.“ Doch dazu fehlt dem Land allein die schweren. „Unser föderales System zeichnet und dann noch von den jewei- Kraft. muss europatauglich werden. Da brau- ligen Parlamenten auch beschlossen Die Expansionsphase von Neugründungen sei abgeschlos- chen wir mehr Mobilität und Durchläs- werden. Während Niedersachsens Mi- sen, meint dagegen Hannelore Kraft, Wissenschaftsministe- sigkeit und keine neuen, sys- nisterpräsident Christian Wulff (CDU) rin in Nordrhein-Westfalen, die „Gemeinschaftsaufgabe“ temwidrigen Barrieren“, so GEW- die Kultusministerkonferenz wegen ih- daher überholt. Hochschulexperte Gerd Köhler. rer Unbeweglichkeit und ihres Bürokra- Peter Gaehtgens, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Noch gilt ein bundeseinheitliches tismus aushebeln möchte, hofft Fran- (HRK), hält es dagegen für widersinnig, wenn zum Beispiel Dienstrecht für die Hochschulen. Es kenberg also auf ein noch viel unbeweg- an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rhein- räumt den Ländern Spielräume bei der licheres Instrument der Koordinierung. land-Pfalz in beiden Ländern tolle Rechenzentren gebaut Verteilung von Leistungszulagen ein. Im europäischen Ministerrat der Bil- würden: „Das wäre reine Geldverschwendung.“ Neben der Abgesehen davon, dass sich die Besol- dungsminister sitzen auf der deutschen notwendigen bundesweiten Planung durch eine gemeinsa- dung zwischen Ost und West unter- Bank immer zwei Verhandlungsführer: me Baufinanzierung zwingt der Bundeszuschuss die Lan- scheidet. die Bundesbildungsministerin und ein desregierungen, wirklich etwas in den Ausbau der Hoch- Anfang der 70er Jahre wurde ein bun- Vertreter der Kultusministerkonferenz. schulen zu investieren. Natürlich wollen die Landesregie- deseinheitliches Dienstrecht eingeführt. Die Situation ist schwierig genug – sie rungen eigentlich nicht auf das Geld des Bundes verzich- Damals wollten die Länder verhindern, führt oft zu deutschen „Enthaltungen“ ten, der bisher ihre Bauvorhaben zur Hälfte finanziert hat. dass sie in der Konkurrenz um die da- und verhindert, dass aus Deutschland Nur: Sie wollen das Geld ohne Auflagen direkt auf ihr Kon- mals knappen Lehrerinnen und Lehrer eigene Initiativen in Brüssel eingebracht to erhalten. Wedig von Heyden, Generalsekretär des Wissen- die Preise hochtreiben. Heute wollen sie werden. Wie soll es künftig aussehen, schaftsrats, kann sich allerdings nicht vorstellen, dass dieses das einheitliche Dienstrecht kippen. wenn der Bund alle Kompetenzen ab- Geld am Ende für die Hochschulen bereitsteht: „Wir wer- Mit der Folge, dass die Bezahlung eines gibt? Wird dann die EU, oder zumin- den über noch weniger Geld verfügen. Und es dann noch Hochschullehrers sich nicht an seiner dest der Ministerrat, um die 16 Bundes- schwerer haben, im weltweiten Wettbewerb zu bestehen.“ Leistung orientiert, sondern an seinem länder erweitert? Eine absurde Vorstel- KHH Dienstort. Schon heute sei es fast un- lung. Karl-Heinz Heinemann E&W 2/2005 13
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