Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo

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Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
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              www.hephatamagazin.de | Das Magazin der Evangelischen Stiftung Hephata | Ausgabe 48 - August 2018

Recht
Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo

Vom Heimbewohner zum Mieter Klaus-Dieter Tichy

Freiheit entziehen – was für ein Gedanke! Alwin Braunsmann

HephataMagazin                                                                                                    || Nr.48
                                                                                                                     August / 18
EINBLICKE - ANSICHTEN - AUSBLICKE
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
Inhalt                                                                                                                                                                                                                    Editorial
HephataMagazin
Ausgabe 48 | August 2018

                                       Editorial                          01     FREIHEIT ENTZIEHEN
                                                                                 - was für ein Gedanke!
                                                                                                           14
                            02                                                   eine Betrachtung von
                                                                                 Alwin Braunsmann

                                       Das BTHG - ein neues System?
                                       von Günther van de Loo
                                                                          02
                                                                                 Freiheit
                                                                                 Text und Bild aus dem
                                                                                                           16
                                                                                                            Liebe Leserin, lieber Leser,
                                                                                 Atelier Strichstärke
                                       Für mehr Teilhabe
                                       Über den Stand der
                                                                          06                                in dieser Ausgabe geht es ganz gewiss mit rechten Dingen zu.                            Auch, wenn das Mühe macht: wir sollten diesen Übergang zur
                                                                                                            Mit dem Bundesteilhabegesetz kommt auf alle Beteiligten nicht                           Normalität begrüßen. Inklusion hat auch eine anstrengende Seite.
                                       Ausführungsbestimmungen                                              weniger zu als die seit Jahrzehnten bedeutendste und tiefgrei-                          Es wäre nicht richtig, darüber nun zu klagen. Geklagt werden
                                       für NRW von Peter Preuß                   Freiheit ist das einzige
                                                                                 was zählt
                                                                                                           17
                                                                                                            fendste Änderung der rechtlichen Grundlagen. Und „auf alle Betei-                       müsste in Zukunft nur, wenn einem Menschen mit Behinderung

  FREIHEIT ENTZIEHEN                                                             ein geistliches Wort von
                                                                                                            ligten“, das heißt nach neuer Rechtslage zu allererst: auf Men-
                                                                                                            schen mit Behinderung und den Bedarf an Assistenz.
                                                                                                                                                                                                    sein verbrieftes Recht auf auskömmliche Assistenz und selbstbe-
                                                                                                                                                                                                    stimmte Lebensgestaltung vorenthalten wird. Geklagt werden
  - was für ein Gedanke!               Betreuungsrecht                           Pfarrer Dr. Harald Ulland
                                                                                                                                                                                                    müsste dann aber richtig. Was heißt: bis zur letzten Instanz.
                                       im Kontext des BTHG
                                       eine Analyse von Sarah Steinfeld
                                                                          08                                                  Dies war für uns Anlass genug, unser Magazin diesmal dem
                                                                                                                              Thema „Recht“ zu widmen. Es kann bei alledem nur um eine              Es grüßt Sie „recht“ freundlich,
                                                                                 FAQ zum Thema
                                                                                 „Freiheitsentziehende
                                                                                                           18                 erste Orientierung gehen. Dabei wird schon jetzt klar: selbst         Ihr Vorstand der Evangelischen Stiftung Hephata
                                                                                                                              wenn wirklich manches besser wird – es wird auf jeden Fall auch
                                                                                 Maßnahmen“                                   alles komplizierter. Das muss wohl so sein. Denn Recht ist immer                                evangelische stiftung

                            14         Die Auswirkungen des               10     von Alwin Braunsmann                         auch eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit. Und je weniger wir                                 HEPHATA
                                       Bundesteilhabegesetzes auf die                                                         mit unseren ureigensten Problemen als Bittsteller vor einer Behör-                                           HEPHATA. unternehmen mensch.
                                       Angebotssituation zur Teilhabe                                                         de stehen möchten, die alles nach ihrem Ermessen entscheidet,
                                       am Arbeitsleben
                                       von Dr. Martin Kaufmann
                                                                                 Namen und Neuigkeiten 		  20                 desto mehr muss uns daran gelegen sein, dass sich auch unsere
                                                                                                                              Probleme in einem nachvollziehbaren Rechtsanspruch spiegeln.
                                                                                                                                                                                                    Dipl.-Kaufmann
                                                                                                                                                                                                    Klaus-Dieter Tichy
                                                                                                                                                                                                                                         Pfarrer
                                                                                                                                                                                                                                         Christian Dopheide

                                                                                                                              Es kommt also viel Arbeit auf uns zu. Vor allem werden diejeni-
                                                                                                                              gen, die die Aufgabe der rechtlichen Betreuung eines Menschen
                                       Vom Heimbewohner zum Mieter
                                       über die Auswirkungen des BTHG
                                                                          12     Aktuelle Termine			       24                 mit Behinderung übernommen haben, öfter als bisher die Initiative
                                       auf das Wohnen - von Klaus-Dieter Tichy                                                ergreifen müssen, um die Rechte ihrer Klienten anzumelden und
                                                                                                                              durchzusetzen. Denn einer helfenden Institution wie Hephata
                                                                                                                              werden zukünftig die Hände mehr gebunden sein als früher. Sie
                                                                                                                              nimmt nicht mehr, wie vielleicht in alter Zeit, Menschen in ihre
                                                                                                                              Obhut. Sie leistet stattdessen Assistenz für Menschen, die, mitunt-
Titelillustration: Marco Houben                                                                                               er vertreten durch ihre rechtlichen Betreuer, selbst entscheiden
Atelier Strichstärke, Hephata Wohnen gGmbH                                                                                    können, wie sie leben möchten. Die aber auch selbst eintreten
                                                                                                                              müssen für ihre Rechte.

                                                                                                                                                                                                                                 HephataMagazin 48 l August 2018 01
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
Das BTHG

                                                                                                                                                                                                                                                                                            © rainbow33 - fotolia
                                                                                                                                             Natürlich steht das Leben nicht still und so   Rehabilitationsträger, kommunalen Spitzen-    Die bisherige Institutionszentrierung wird
                                                                                                                                             wurde die Eingliederungshilfe in den letz-     verbände, Arbeitgeber, Gewerkschaften         also beendet und der Fokus auf die leis-
                                                                                                                                             ten 40 Jahren weiterentwickelt – allerdings    u.a.m. an der Vorbereitung der Reform ein-    tungsberechtigte Person und ihre Wünsche

          – ein neues System?
                                                                                                                                             immer in der gleichen Systematik.              geladen hatte, begann das parlamentarische    und Bedarfe gelegt. Es folgt der Erkenntnis:
                                                                                                                                             Rolf Schmachtenberg verweist aber zu           Verfahren. Im Dezember 2016 wurde das         „Behindert ist man nicht, behindert wird
                                                                                                                                             Recht auf die Vorarbeiten zu dem System-       „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und         man.“ Dahinter steht die Erkenntnis, dass
          Von Günther van de Loo                                                                                                             wechsel, den das BTHG nun vollzieht:           Selbstbestimmung von Menschen mit             sich meine Beeinträchtigung erst in der In-
                                                                                                                                             Die Änderung des Artikel 3 Grundgesetz         Behinderungen (Bundesteilhabegesetz –         teraktion mit meiner Umwelt, die voller Bar-
                                                                                                                                             im Juni 1994 („Niemand darf wegen seiner       BTHG)“ vom Deutschen Bundestag verab-         rieren ist, zur Behinderung entwickelt.
                                                                                                                                             Behinderung benachteiligt werden“), „die       schiedet und sukzessive zwischen dem Tag      So werden alle Fachleistungen zukünftig un-
                                                                                                                                             Einführung des Behindertengleichstellungs-     der Verkündigung und dem 01.01.2023 in        abhängig von einer Wohnform gedacht:
                                                                                                                                             gesetzes und des 9. Buches Sozialgesetz-       Kraft gesetzt.                                Ein Mensch mit Behinderungen ist nicht so
                                                                                                                                             buch (SGB IX) 2001, zuletzt dann die                                                         behindert, dass er ins Heim muss, sondern
                                                                                                                                             Formulierung der UN-Behindertenrechts-         Haben wir es denn nun mit einem               hat das Recht, überall dort zu wohnen, wo
                                                                                                                                             konvention in 2006 und ihre Ratifizierung      Systemwechsel zu tun? Schon hier              er will, so wie jeder andere Mensch auch.
                                                                                                                                             für Deutschland, durch die sie mit Zustim-     diene das klare „Jein!“ als Orientierung.
                                                                                                                                             mung auch des Bundesrates 2009 den                                                           Die bisherige umfassende stationäre Leis-
                                                                                                                                             Rang eines Bundesgesetzes erhielt.“                      Was gilt also nun                   tungserbringung wird damit beendet, auch
                                                                                                                                                                                                    und was ist so anders?                wenn die bestehenden Wohnformen zu-
                                                                                                                                             Diese Schritte bereiteten im Grunde die                                                      künftig als „gemeinschaftliche Wohnform“
                                                                                                                                             Abkehr von der Förderung der Institutionen     Das BTHG                                      weitergeführt werden können. Bedeutsam
                                                                                                                                             und die Ausrichtung auf die einzelne Person    ÎÎ reformiert den 1.Teil des SGB IX hin-      für alle Akteure ist hier, dass eine Trennung
                                                                                                                                             vor. Schmachtenberg verweist darauf, dass         sichtlich des Behinderungsbegriffs, der    der Leistungen erfolgt: Die Eingliederungs-
                                                                                                                                             diese Debatte bei der Einordnung des              Zuständigkeit, dem Verfahren zur Be-       hilfe umfasst die fachliche Unterstützung
                                                                                                                                             BSHG in das SGB XII zwischen 2003 und             darfsfeststellung und bei allgemeinen      (Fachleistungen) nach dem SGB IX; alle
                                                                                                                 Fotos: Udo Leist, fotolia   2005 geführt, aber die Entscheidung noch          Regelungen                                 Leistungen zur Existenzsicherung bleiben
                                                                                                                                             vertagt wurde. Die Arbeits- und Sozial-        ÎÎ löst die Eingliederungshilfe als Fürsor-   Bestandteil der Sozialhilfe (SGB XII). Dies ist
„Was lange währt, wird endlich gut“, weiß der Volksmund zu erzählen. Lange                                                                   ministerkonferenz (ASMK) verfolgte das            gerecht aus dem Sozialhilferecht (SGB      rechtlich zwar logisch (wenn ich krank bin,
hat es gedauert von der Entstehung eines fürsorglichen, auf Institutionen                                                                    Thema aber weiter und führte 2012 zu              XII) und integriert es als neuen 2. Teil   leistet die Krankenkasse, wenn ich materi-
gerichtetes System bis zu einer Reform, die nun den teilhabenden Menschen in                                                                 einem „Grundlagenpapier“ einer Bund-              ins SGB IX als Leistungsrecht              ell bedürftig bin, das Sozialamt), wird von
den Mittelpunkt stellt. Im Dschungel, der sich Leben nennt, kann man den                                                                     Länder-Arbeitsgruppe, welches die Konzep-      ÎÎ trennt die Leistungen zur Teilhabe als     den Leistungsberechtigten aber sicherlich
Atem des Tigers förmlich spüren, der da zum Sprung ansetzen wird.                                                                            tion einer neuen Eingliederungshilfe ent-         so genannte Fachleistungen von den         als bürokratisch erlebt werden und dies aus
Doch der Reihe nach:                                                                                                                         warf.                                             existenzsichernden Leistungen; diese       mehreren Gründen:
                                                                                                                                             Trotzdem war es für die Praxis eine Über-         bleiben Bestandteil der Grundsicherung     Zum einen muss ich jetzt (vermutlich alle
                                                                                                                                             raschung, als der Koalitionsvertrag der gro-      nach SGB II (im Volksmund „Hartz IV“)      zwei Jahre) einen Antrag auf Fachleistungen
ENTSTEHUNG                                                                                                                                   ßen Koalition für die 18. Legislaturperiode       und der Sozialhilfe (SGB XII)              stellen und das so genannte Gesamtplan-
Bis zum BTHG war das Eingliederungs-            Neben dem Gedanken der Fürsorge ist vor      des einzelnen Hilfesuchenden. Damit war         (2013 bis 2017) dann tatsächlich eine echte    ÎÎ regelt alle bisherigen Leistungen (damit   verfahren durchlaufen. Hier werden alle
hilferecht auf die Schaffung von Einrich-       allem der Gedanke an die gesellschaftliche   die Bundesregierung gefordert, ein eigen-       Reform der Eingliederungshilfe ankündigte.        geht nichts gegenüber der alten Rechts-    meine Unterstützungsbedarfe erhoben, be-
tungen (stationär) und Diensten (ambulant)      Ordnung und innere Sicherheit erkennbar.     ständiges Gesetz zu schaffen. Der Auftrag       Die Behindertenrechtskonvention der Ver-          lage verloren) und bestimmt das Zu-        wertet und schließlich Leistungen bewilligt.
fokussiert (Institutionszentrierung). Den Ur-                                                dazu ging (in alter Tradition) an das Bundes-   einten Nationen (UN-BRK) solle umgesetzt,         gangsverfahren zu den Leistungen (also     Wenn ich darüber hinaus auch noch Leis-
sprung hatte dies 1919 in dem „Gesetz, die      Die Fürsorge sollte dem Betteln, Hausieren   ministerium des Innern (Ordnung, Sicher-        der inklusive Arbeitsmarkt gestärkt und die       Antrag, Bedarfsermittlung, Bescheid        tungen zu meiner Existenzsicherung benö-
öffentliche Krüppelfürsorge betreffend“ als     und Stehlen vorbeugen und die öffentliche    heit!), das dann 1955 einen Entwurf vor-        Eingliederungshilfe aus dem System der Für-       usw.)                                      tige, so muss ich diese beim örtlichen Amt
Folge des 1. Weltkriegs, welches auf die        Ordnung wahren.                              legte, der als Bundesozialhilfegesetz (BSHG)    sorge herausgeführt und zu einem moder-        ÎÎ greift in das öffentliche Vertragsrecht    für Grundsicherung (Sozialamt) beantragen.
Schaffung und den Betrieb von Einrichtun-       Die Bundesrepublik führte diese Grundsätze   vom Bundestag aber erst am 04.05.1961           nen Teilhaberecht entwickelt werden.              ein, was insbesondere die Verträge zur     Dies hat zu prüfen, ob die Warmmiete (so
gen für den Personenkreis zentriert war.        weiter, bis das Bundesverwaltungsgericht     verabschiedet wurde und am 01.06.1962                                                             Leistungserbringung betrifft 		            genannte Kosten der Unterkunft zzgl. Hei-
Diese wurden durch die Reichsgrundsät-          1954 in einem Verfahren feststellte, dass    in Kraft trat. Das Thema „Behinderung“          Nach einem intensiven Beratungsprozess, zu        und schließlich                            zung) angemessen ist und bewilligt darü-
ze über Voraussetzung, Art und Maß der          sie nicht mit dem Grundgesetz der Bundes-    findet man jedoch auch dann nicht. Dies         dem das federführende Bundesministerium        ÎÎ ändert grundsätzlich den Einsatz von       ber hinaus den Regelsatz der Sozialhilfe.
öffentlichen Fürsorge (RGr) und die Verord-     republik Deutschland vereinbar seien. Es     änderte sich erst mit der Novelle von 1974,     für Arbeit und Soziales (BMAS) alle Ver-          Einkommen und Vermögen für Einglie-        Aus diesem muss ich meinen täglichen
nung über die Fürsorgepflicht (RFV) aus         erkannte aufgrund höherrangiger Verfas-      als die Eingliederungshilfe für Behinderte      bände der Betroffenen, der Freien Wohl-           derungshilfeleistungen.                    Bedarf an Essen, Trinken, Kleidung usw. be-
dem Jahre 1924 weiterentwickelt.                sungsnormen einen einklagbaren Anspruch      hinzugefügt wurde.                              fahrtspflege, die Sozialversicherungs- und                                                   streiten.

    02 HephataMagazin 48 l August 2018                                                                                                                                                                                                            HephataMagazin 48 l August 2018 03
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
Mit diesem Geld miete ich mich also zu-       weiteren Sozialleistungen feststellen und        Ebenso bleibt der Zugang des bisherigen
künftig in der gewählten Betreuungsein-       darüber einen Bescheid erlassen, gegen den       Personenkreises zu den Leistungen erhalten.
richtung ein und bezahle aus meinem           Widerspruch eingelegt und Klage einge-           Die im Gesetzentwurf vorgesehene Rege-
Regelsatz den täglichen Bedarf selber an      reicht werden kann (Verwaltungsakt).             lung wurde bis zum 01.01.2023 zurück-
den Betreiber der Wohngruppe.                 Für das Verfahren sind Kriterien vorgege-        gestellt. Sie wird zunächst wissenschaftlich
                                              ben wie z.B. Transparenz oder Sozialraum-        untersucht, so dass der Bundestag sie an-
Für eine klare Besserstellung hat das         orientierung, die den Nachteil haben, dass       hand der gewonnenen Erkenntnisse anpas-
BTHG hinsichtlich der Frage nach Ein-         sie juristisch alle als „unbestimmt“ gelten,     sen wird.

                                                                                                                                                                                                                                                                                     © jozsitoeroe - fotolia
kommen und Vermögen hergestellt:              d.h., sie zukünftig nur über die Recht-
Zukünftig muss ein Mensch mit Behinde-        sprechung bestimmt werden (was wieder-           Das Bundesteilhabegesetz ist zwar ein Bun-
rungen erst ab einem jährlichen Brutto-       um voraussetzt, das entsprechend durch           desgesetz; es muss aber dem föderalen
einkommen von derzeit rund 30.000,-- €        Leistungsberechtigte geklagt wird!).             Prinzip entsprechend, durch Landesgesetz-
überhaupt bei Fachleistungen hinzuzahlen.                                                      gebung umgesetzt werden. D.h., dass die
Damit dürfte für viele Menschen die Zuzah-    Da der Leistungsberechtigte zukünftig ge-        Länder ihrerseits Ausführungsgesetze (AG-
lung völlig hinfällig werden. Beim Vermögen   genüber dem Leistungserbringer auch über         BTHG) erlassen müssen, die definieren, wer     Zum Ende der Übersicht (denn mehr             Es wird also der Geduld, aber auch der Be-      Günther van de Loo hat die Stabstelle
wurde bereits die allgemeine Schongrenze      die konkrete Gestaltung der Leistungen hin-      der Träger der Eingliederungshilfe und wie     kann es an dieser Stelle nicht sein) noch     harrlichkeit bedürfen, immer wieder klar zu          für Strategische Entwicklung der
von 2.600,-- € auf 5.000,-- € angehoben.      sichtlich Ablauf, Ort und Zeitpunkt der In-      das so genannte materielle Recht des Bundes    ein Wermutstropfen:                           machen, dass ein neues System entwickelt        Evangelischen Stiftung Hephata inne,
Bezieher von Leistungen der Eingliede-        anspruchnahme entscheidet, wird so man-          umgesetzt wird. In NRW hat der Landtag         Leider hat der Gesetzgeber neben dem Ziel,    werden muss. Entwicklungen durch eine                ist kooptiertes Vorstandsmitglied
rungshilfe oder der Hilfe zur Pflege dürfen   cher bisher mit organisatorischen Sachzwän-      ein solches AG-BTHG im Juni verabschiedet,     die Teilhaberechte von Menschen mit Behin-    Kostenbremse schon am Anfang zu behin-             des Fachverbands Behindertenhilfe
darüber hinaus weitere 25.000,-- € besit-     gen (z.B. Dienstplan) begründete Ablauf          das rückwirkend zum 01.01.2018 in Kraft        derungen zu stärken, noch ein weiteres Ziel   dern, widerspricht dem Geist des Gesetzes.          und Sozialpsychatrie der Diakonie
zen, ab 01.01.2020 insgesamt 50.000,-- €.     überdacht und verändert werden müssen.           getreten ist. Erfreulich ist, dass die Land-   mit auf den Weg gegeben: Brechen der          Der Tiger darf nicht im Sprung zum Bett-                  Rheinland Westfalen Lippe.
Zu beachten ist natürlich, dass Vermögen                                                       schaftsverbände als Träger der Eingliede-      Ausgabendynamik.                              vorleger werden!                                   Er leitet die dortige Arbeitsgruppe
nicht mit Geld gleichzusetzen ist, sondern    Positiv zu bewerten ist, dass die Eingliede-     rungshilfe bestimmt wurden.                                                                                                                              BTHG und ist Mitglied der
alles, was Vermögen ist, wie z.B. ein Auto    rungshilfe auch die Hilfe zur Pflege umfasst.                                                   Dies führt zunächst dazu, dass es unterm                                                          Arbeitsgruppe BTHG des Bundes-
oder anderes.                                 Ursprünglich war eine Vorrangigkeit der          Unklar für die Praxis bleibt, welche Ausbil-   Strich keine Ausweitungen der Leistungen                                                    verbands evangelische Behindertenhilfe
                                              Pflege vorgesehen; es wurde dann aber den        dung vonnöten sein wird, um die die Bedarfe    geben wird. Die schließlich doch zugestan-                                                     sowie Stiftungsrat des Evangelischen
Das oben bereits angesprochene Ge-            Befürchtungen Rechnung getragen, dass            eines Menschen nach der ICF (Internatio-       dene Kostenerhöhung um gut 740 Mio.                                                           Johannesstifts Berlin und Aufsichtsrat
samtplanverfahren ist, das sei gleich         ein solches Vorrang-Nachrangverhältnis zu        nale Klassifikation der Funktionsfähigkeit,    Euro bedeutet auf 29 Mio. Menschen mit                                                      der Paul-Gerhardt-Diakonie gAG, Berlin.
gesagt, aufwändig. Dies ist aber kaum         Lücken in der Bedarfsdeckung führen könnte.      Behinderung und Gesundheit) einzuschät-        Beeinträchtigungen, die theoretisch Ansprü-
zu vermeiden:                                 Das Leitziel „Hilfen wie aus einer Hand“         zen. Ärzte werden es nicht sein, denn diese    che ans BTHG haben können, umgerech-
Es muss die Wünsche des Leistungsberech-      könne besser befolgt werden, wenn die Ein-       „sprechen“ ICD (Internationale statistische    net eine Busfahrkarte pro Monat.
tigten erheben und den gesamten Bedarf        gliederungshilfe die Hilfe zur Pflege umfasse.   Klassifikation der Krankheiten und verwand-
an Eingliederungshilfe, Pflege und ggfs.                                                       ter Gesundheitsprobleme) und nicht ICF.

    04 HephataMagazin 48 l August 2018                                                                                                                                                                                                          HephataMagazin 48 l August 2018 05
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
Für mehr Teilhabe
                                - Stand der Ausführungsbestimmungen für NRW
                                Von Peter Preuß
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Fotos: Udo Leist

                                Das im Dezember 2016 beschlossene Bun-            Mit den im Gesetzentwurf formulierten
                                desteilhabegesetz (Gesetz zur Stärkung der        rechtlichen Regelungen soll das Bundes-
                                Teilhabe und Selbstbestimmung von Men-            teilhabegesetz auf die Situation in Nord-
                                schen mit Behinderungen), kurz BTHG ge-           rhein-Westfalen mit den beiden Landschafts-
                                nannt, löst die Eingliederungshilfe aus der       verbänden Rheinland (LVR) und Westfalen-
                                Sozialhilfe heraus. Sein Ziel ist es, die Teil-   Lippe (LWL) übertragen werden. Das Ziel
                                habe von Menschen mit Behinderungen in            sind einheitliche Lebensverhältnisse in
                                den verschiedenen gesellschaftlichen Berei-       gleich hoher Qualität für alle Menschen mit
                                chen zu verbessern und ihren Anspruch auf         Behinderungen und damit eine deutliche
                                ein selbstbestimmtes Leben mit der not-           Verbesserung der Lebenssituation unab-
                                wendigen Unterstützung zu erfüllen.               hängig von Alter oder Wohnort.
                                                                                                                                 Die klaren Regelungen der Zuständigkeiten
                                        Das Bundesteilhabegesetz                                                                 der Leistungsträger sind notwendig, um
                                            tritt in vier Stufen                                                                 Verzögerungen bei der Gewährung von
                                        von 2017 bis 2023 in Kraft.                                                              Hilfe für Menschen mit Behinderungen als
                                                                                                                                 Leistungsberechtigte zu vermeiden.
                                Die Bundesländer sind verpflichtet, das           Konkret sollen vor allem folgende Ziele mit
                                Gesetz in landesrechtlichen Regelungen            der landesrechtlichen Umsetzung des Bun-       Landesweit sollen ein einheitlicher Zugang
                                umzusetzen.                                       desteilhabegesetzes realisiert werden:         und eine einheitliche Finanzierung der
                                                                                   Die Fachleistungen für erwachsene Men-       Eingliederungshilfe sichergestellt werden.
                                In Nordrhein-Westfalen hat die Landesre-          schen mit Behinderungen sollen künftig bei     Hierbei wird auf bereits vorhandene Zu-
                                gierung im Dezember 2017 den Entwurf              den überörtlichen Trägern, den Landschafts-    ständigkeiten und die in Nordrhein-West-
                                eines Ausführungsgesetzes zur Umsetzung           verbänden, gebündelt werden.                   falen gut ausgebauten Strukturen und An-
                                des Bundesteilhabegesetzes in den Landtag          Die existenzsichernden Leistungen sol-       gebote für Menschen mit Behinderungen
                                eingebracht, der sich derzeit im parlamen-        len grundsätzlich auf der örtlichen Ebene      gesetzt, die hinsichtlich inklusiver Lebens-
                                tarischen Beratungsprozess befindet. Im           verbleiben, unabhängig vom Alter und von       verhältnisse und inklusiver Sozialräume
                                März führte der Ausschuss für Arbeit, Ge-         der Wohnform.                                  weiterentwickelt werden sollen. Die finan-
                                sundheit und Soziales eine Anhörung mit            Für den Bereich der Teilhabe an Arbeit       ziellen Mittel sollen nicht in neue Strukturen
                                Sachverständigen zu dem Gesetzentwurf             („Budget für Arbeit“, „andere Leistungs-       oder Verwaltungen fließen, sondern den
                                durch. Eingeladen waren unter anderem             anbieter“) wird die Zuständigkeit bei den      Menschen zugutekommen.
                                Expertinnen und Experten der Verbände der         Landschaftsverbänden gesehen.                  Im Sinne des Bundesteilhabegesetzes trennt
                                Menschen mit Behinderungen, der Land-              Die neuen Instrumente „Andere Leis-          der Gesetzentwurf die Zuständigkeit für die
                                schaftsverbände, der kommunalen Spitzen-          tungsanbieter“ und „Budget für Arbeit“         Unterstützung, nämlich in die Fachleistungen
                                verbände, der Freien Wohlfahrtspflege NRW         stellen Alternativen zur Beschäftigung in      und die existenzsichernden Leistungen. Die
                                und der Sozialverbände.                           einer Werkstatt für Menschen mit Behinde-      Existenzsicherung soll bei den Kommunen
                                                                                  rung dar.                                      verbleiben.
                                                                                   Die Interessenvertretungen der Men-                                                           Über die Frage der Zuständigkeit für die Früh-   als Träger der Eingliederungshilfe oder ergän-   Peter Preuß MdL ist Sprecher für Arbeit,
                                                                                  schen mit Behinderungen sollen enger in die                                                     förderung von Kindern mit Behinderung im         zend als Träger der Sozialhilfe immer dann                       Gesundheit und Soziales
                                                                                  verschiedenen Prozesse wie zum Beispiel                                                         Vorschulalter, die eine Kindertagesstätte oder   auch Leistungen der Hilfe zur Pflege – unab-                  der CDU-Landtagsfraktion.
                                                                                  die Verhandlung der Rahmenverträge ein-                                                         eine Kindertagespflege besuchen, ist noch        hängig vom Alter und der Wohnform –
                                                                                  gebunden werden.                                                                                zu entscheiden. In der Anhörung im Landtag       erbringen, wenn Menschen mit Behinderung
                                                                                                                                                                                  NRW und den vielfältigen Diskussionen mit        gleichzeitig Eingliederungshilfe erhalten.
                                                                                  Im Kern geht es darum, dass Menschen mit                                                        den Sozialverbänden und Betroffenen zeig-
© Bernd Schälte / Landtag NRW

                                                                                  Behinderungen in Nordrhein-Westfalen ab-                                                        ten sich gewichtige Gründe für die Übertra-      Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass
                                                                                  hängig von ihrer Lebensphase einen einheit-    Die Fachleistungen für erwachsene Men-           gung der Zuständigkeit auf die Landschafts-      mit dem geplanten Ausführungsgesetz zum
                                                                                  lichen Träger für alle Aufgaben der Einglie-   schen mit Behinderungen sollen zukünftig         verbände, um gleichwertige Qualitätsstan-        BTHG für Nordrhein-Westfalen klare Zustän-
                                                                                  derungshilfe erhalten.                         durch die beiden Landschaftsverbände             dards gewährleisten zu können.                   digkeiten und ein vereinfachter Zugang zu
                                                                                                                                 Rheinland und Westfalen-Lippe als die zu-                                                         den Leistungen der Eingliederungshilfe ge-
                                                                                  Die Leistungen der Eingliederungshilfe         ständigen Träger der Eingliederungshilfe er-     Zur Vermeidung von Problemen an der              schaffen werden sollen, um die gesell-
                                Wie es im Entwurf des Ausführungsgeset-           sollen aus einer Hand erfolgen und Men-        folgen. Bei den Kreisen und den kreisfreien      Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe       schaftliche Teilhabe und die Selbstbestim-
                                zes für Nordrhein-Westfalen heißt, entwi-         schen mit Behinderungen zum Beispiel die       Städten verbleibt die Zuständigkeit für Kin-     und Hilfe zur Pflege, die durch den neuen        mung von Menschen mit Behinderungen
                                ckelt das Bundesteilhabegesetz „die Ein-          Teilhabe am Arbeitsleben erleichtern, eine     der und Jugendliche mit Behinderungen bis        Pflegebedürftigkeitsbegriff und dem Teilha-      zu stärken.
                                gliederungshilfe für Menschen mit Behin-          angemessene Schul- und Berufsausbildung        zum Abschluss einer ersten allgemeinen           becharakter der Pflege größer geworden           Es ist noch vor der Sommerpause mit einer
                                derungen zu einer modernen, personen-             ermöglichen oder das Leben außerhalb sta-      Schulausbildung, um keine neue Schnitt-          sind, sollen die Landschaftsverbände und         Entscheidung über den Gesetzentwurf zu
                                zentrierten Teilhabeleistung außerhalb des        tionärer Einrichtungen fördern.                stelle zur örtlichen Jugendhilfe zu schaffen.    die Kreise und kreisfreien Städte entweder       rechnen.
                                Fürsorgesystems Sozialhilfe fort“.

                                    06 HephataMagazin 48 l August 2018                                                                                                                                                                                                                    HephataMagazin 48 l August 2018 07
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
§
BETREUUNGSRECHT
                                     im kontext des BTHG
                                                                                                           Von Sarah Steinfeld
» Welche Veränderungen bringt das BTHG für die Praxis,
d.h. für das Leben eines Menschen mit Behinderung
wirklich mit sich?

    Wird ab 2020 alles anders?

Und worauf muss ich als gesetzlicher Betreuer achten?

    Habe ich neue Aufgaben? «

Die Antwort lautet JA UND NEIN.
JA - denn das BTHG führt insbesondere für      ermitteln hat. Hierfür hat der EGH-Träger ein    Widerspruch beim EGH-Träger eingelegt und
das Leben in stationären Wohnformen zu         Instrument entwickelt, das BEI_NRW. Sind         auf eine neue Gesamtplanung gedrängt
Veränderungen, an deren Umsetzung auch         Bedarfe ersichtlich, für die andere Rehaträger   werden. Verbleibt der Widerspruch erfolg-
ein gesetzlicher Betreuer mitwirken muss.      (z.B. Krankenkassen, gesetzliche Rentenkas-      los, ist zu überlegen, den Rechtsweg zu be-
Aber auch für Menschen in ambulanter           sen, Bundesagentur für Arbeit, Jugendamt)        schreiten.
Betreuung ändert sich das Verfahren und        zuständig sind, so sind diese an dem Ver-
die Leistungen, die ein Mensch mit Behin-      fahren zu beteiligen. Sie haben ihre Stel-       Die zukünftigen Fachleistungen der EGH
derung erhält, haben eine neue Rechts-         lungnahme über den Umfang ihrer Leistung         teilen sich in vier Kategorien auf. Im Rahmen
grundlage und teilweise auch neue Bezeich-     in die Bedarfsermittlung einzubringen.           der Leistungen zur sozialen Teilhabe finden
nungen. Somit sind neue Anträge zu stellen.                                                     sich die wesentlichen Leistungsansprüche,
                                               Die Pflegekasse und das Sozialamt sind           die den Bereich Wohnen und Betreuung
NEIN - denn das tatsächliche Leben ändert      keine Rehaträger. Sie sind aber ebenfalls zu     umfassen. Die bisherigen Leistungen wer-
sich nicht. Der Mensch mit Behinderung         beteiligen, falls Leistungen der Pflegever-      den hier neu beschrieben, wobei der Begriff
wohnt in seiner Wohnform, geht einer           sicherung und/oder existenzsichernde Leis-       der Assistenzleistung in das Gesetz aufge-
Beschäftigung nach und erhält die glei-        tungen erforderlich scheinen. Einer Beteili-     nommen wurde. Dieser umfasst insbesonde-
chen Leistungen, die er vorher auch erhal-     gung dieser Träger muss der Leistungsbe-         re Leistungen für die allgemeine Erledigung
ten hat.                                       rechtigte aber vorab zustimmen.                  des Alltags wie Haushaltsführung, Gestal-
                                                                                                tung sozialer Beziehungen und Lebenspla-
Zukünftig sollen die Leistungen der Einglie-   Da die Ermittlung des Bedarfs ein sehr           nung und Freizeitgestaltung. Die Leistungen
derungshilfe (EGH) personenzentriert ermit-    wichtiger Baustein für die daran anschlie-       können individuell oder nach Zustimmung
telt und erbracht werden. Das heißt, nicht     ßende Leistungsfeststellung ist, sollte der      des Leistungsberechtigten auch an mehrere
der Ort der Leistungen ist maßgebend, son-     gesetzliche Betreuer nach Möglichkeit an         gemeinsam erbracht werden.
dern der Mensch mit Behinderung als Leis-      der Bedarfsermittlung teilnehmen um

                                                                                                                                                                                                                                                                                         © udo leist
tungsberechtigter steht im Mittelpunkt der     sicherzustellen, dass nicht von Anfang an        In diesem Zusammenhang sollte der ge-
Leistungen. Abhängig von seinem Wunsch         Leistungslücken angelegt sind und der            setzliche Betreuer darauf achten, dass die
und Willen und den örtlichen und sozialen      Wunsch und Wille des Leistungsberechtig-         individuelle Lebensplanung des Leistungs-
Voraussetzungen, bekommt er sein Leis-         ten vollumfänglich zur Geltung kommt.            berechtigten ermöglicht wird. Denn der
tungspaket so zusammengestellt, wie es                                                          Leistungsberechtigte entscheidet auf der
für ihn gut und richtig ist.                   Nach Feststellung der Leistungen erlässt der     Grundlage des Gesamtplans über die kon-         Sozialhilfeträger zuständig. Bewohner von     bisherigen Regelungen bei dem Bezug von        Sarah Steinfeld ist Rechtsanwältin und
                                               EGH-Träger einen Gesamtplan. Er ist dem          krete Gestaltung der Leistung hinsichtlich      Gemeinschaftswohnformen erhalten zum          Sozialhilfe weiter, so dass von diesen Ver-           Referentin für Sozialrecht beim
Die rechtliche Grundlage für die EGH ist ab    Leistungsberechtigen zur Verfügung zu stel-      Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Inanspruch-       einen Leistungen zum Lebensunterhalt in       besserungen leider viele Leistungsberech-              Diakonischen Werk Rheinland-
2020 das Sozialgesetzbuch IX. Hierzu wird      len. Auf der Grundlage des Gesamtplans           nahme der Leistung.                             Höhe der Regelbedarfsstufe 2, zum anderen     tigte nicht profitieren.                        Westfalen-Lippe e.V. Sie begleitet den
das Recht der Eingliederungshilfe aus dem      wird die konkrete Leistung per Bescheid be-                                                      die angemessenen Kosten der Unterkunft.                                                       Umsetzungsprozess des BTHG in NRW
Sozialgesetzbuch XII herausgenommen und        willigt. Von der Antragstellung bis zur be-      Wie bisher schon in einer eigenen Wohnung,      Hierzu wird der Leistungserbringer einen      Für einen gesetzlichen Betreuer stellen          für die Diakonie und ist Mitglied des
als eigenständiges Leistungsrecht im Sozial-   willigten Leistung dürfen höchstens zwei         erhält der Leistungsberechtigte ab 2020         neuen Wohn- und Betreuungsvertrag vor-        sich folglich neue Anforderungen und           Rechtsausschusses der Landesarbeitsge-
gesetzbuch IX neu geregelt.                    Monate vergehen.                                 auch in gemeinschaftlichen Wohnformen           legen. Auf dieser Grundlage müssen die        Handlungsbedarfe, die insbesondere ab         meinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.
Ab 2020 muss ein Leistungsberechtigter                                                          (bisher stationäre Einrichtung) von dem         Leistungen bei der Kommune beantragt          Mitte 2019 zu beachten sind.
einen Antrag auf Leistungen der Eingliede-     Sowohl der Leistungsbescheid als auch der        EGH-Träger nur die Fachleistungen der EGH.      werden.                                       Diese sind aber nicht alleine zu bewälti-
rungshilfe stellen. Auf diesen Antrag hin      Gesamtplan sollten von dem gesetzlichen                                                          Die Herauslösung der EGH aus der Sozial-      gen. Der EGH-Träger hat eine umfassen-
muss der EGH-Träger in einem sog. Gesamt-      Betreuer aufmerksam durchgelesen und             Leistungen zum Lebensunterhalt und Woh-         hilfe führt auch zu verbesserten Einkom-      de Beratungspflicht, Beratungsstellen
planverfahren die Bedarfe des Menschen         geprüft werden dahingehend, ob die Leis-         nen werden zwar nach wie vor nach vertrag-      mens- und Vermögensanrechnungen. Der          werden ausgebaut und auch die Mitar-
mit Behinderung als Leistungsberechtigten      tungen fristgerecht und vor allem bedarfs-       licher Regelung vom Leistungserbringer          Leistungsberechtigte hat nur in engen Gren-   beiter der Dienste und Einrichtungen
ermitteln. Neu an dem Verfahren ist, dass      gerecht und umfassend festgestellt wor-          (Träger der Einrichtung) erbracht, für die      zen einen Beitrag zu erbringen und kann       stehen mit Rat und Tat zur Seite.
der EGH-Träger den Bedarf umfassend zu         den sind. Sind Mängel ersichtlich, sollte        Finanzierung ist bei Bedürftigkeit aber der     Vermögen ansparen. Allerdings gelten die

    08 HephataMagazin 48 l August 2018                                                                                                                                                                                                              HephataMagazin 48 l August 2018 09
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
Fotos: Udo Leist

Wird das Bundesteilhabegesetz zu einem verstärkten „Wettbewerb“ – oder konkre-
ter benannt: zu einer Differenzierung und Erweiterung des Angebotes an Teil-
habeleistungen für Menschen mit Behinderungen – führen? Diese Frage bewegt
                                                                                                                                                                                                                                                                    Von Dr. Martin Kaufmann
sicherlich nicht nur Menschen mit Behinderungen sondern auch Werkstatträger.
Dabei ist diese Frage in der Theorie schwerlich zu beantworten. Dennoch lohnt –
mangels bisheriger praktischer Befunde – ein genauer Blick in die Entstehung und
den Inhalt des Gesetzes sowie in die bisherige Anbieter- und Marktstruktur.                              Die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes
WAS BISHER GESCHAH:
Schaut man auf die Ausgangsüberlegungen und insbesondere die
                                                                                                auf die Angebotssituation zur Teilhabe am Arbeitsleben
Motivationen zur Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes, so war                  theoretischer Perspektive mit einem klaren Ja beantwortet werden.                          Rolle spielen. Denn natürlich wurde das Bundesteilhabegesetz als                       (Ein nicht abschließendes und vorübergehendes) FAZIT:
eine der wesentlichen Triebfedern die Erweiterung der Auswahl-                   Denn theoretisch ist davon auszugehen, dass die neuen Rahmen-                              ein Bundesgesetz gestaltet und verabschiedet, die wesentlichen                         Werkstätten werden auch in der Zukunft eine wesentliche Säule in
möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. Und damit etwas                    bedingungen durchaus gute Möglichkeiten zur Etablierung von                                Umsetzungsschwerpunkte liegen jedoch bei den Ländern und                               der Angebotsstruktur der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
auswählbar ist, braucht es naturgemäß eine Angebotssituation, die                neuen Angeboten bieten und somit potentielle andere Anbieter                               den Leistungsträgern.                                                                  sein. Denn auch in Zukunft wird der Rechtsanspruch zur Teilhabe
die Zahl Eins überschreitet. Daher war aus Sicht des Gesetzgebers                den Markt „betreten“ werden. Auch die Ausnahmeregelungen sind                                                                                                                     am Arbeitsleben (im Sinne einer Aufnahmeverpflichtung) nur bei
schnell klar, dass insbesondere die Angebotssituation erweitert                  auf den ersten Blick sicher reizvoll, ermöglichen Sie doch auch klei-                      Bei der Betrachtung einer sich möglicherweise verändernden Ange-                       Werkstätten verwirklicht werden können. Dennoch wird sich einiges
werden muss, indem Alternativen zu bestehenden Angeboten ent-                    neren und spezialisierten Anbietern die Schaffung von Angeboten.                           bots- und Wettbewerbssituation sollte vor allem auch der Perspektive                   verändern. Dies wird sich sowohl auf Seiten der Nachfrager (also der
stehen. Im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben gelangten somit die                                                                                                         der Leistungsberechtigten – also der Menschen mit Behinderungen                        Menschen mit Behinderungen) als auch der Anbieter (also der Leis-
Werkstätten für behinderte Menschen in den Fokus. Dabei wurde                    WAS PASSIERT IN DER PRAXIS?                                                                – ein erheblicher Einfluss zugesprochen werden. Denn diese ent-                        tungserbringer) bemerkbar machen. Für die Werkstätten bedeutet
hinsichtlich der Werkstätten einerseits kritisch, andererseits aner-             Die reine Theorie kann jedoch auch oft müßig sein und zu Schluss-                          scheiden im Rahmen einer tatsächlichen Inanspruchnahme darüber,                        dies, sowohl das eigene Angebot stetig weiterzuentwickeln als auch
kennend festgestellt, dass diese zwar in der Regel in einer Art                  folgerungen führen, die in der wirklichen Welt nicht eintreten. Erst                       ob weitere Angebote von anderen Leistungsanbietern erforderlich                        – sofern sinnvoll – Kooperationen mit anderen Akteuren einzugehen.
Monopolsituation Leistungen erbringen, andererseits jedoch auch                  wenn Theorie auf Praxis trifft, wird es spannend. Leider fehlen je-                        bzw. für sie sinnvoll sind.2 Auch hier wird sich erst mittelfristig zei-               Nicht zu vernachlässigen bei dem Ausblick auf die Zukunft ist die
ein fester und notwendiger Eckpfeiler der bundesweiten Struktur-                 doch zu einem umfassenden Blick in die praktische Situation vor Ort                        gen, ob die in der Szene befürchtete Etablierung von „Werkstatt-                       besondere Rolle der Leistungsträger. Da diese im Sinne einer umfas-
verantwortung sind. Die Vorgaben bei der Schaffung des Bundes-                   – seit erstem Januar 2018 besteht ja die Möglichkeit zur Gründung                          light-Angeboten“ tatsächlich eintrifft, ob es zu einer sinnvollen                      senden Strukturverantwortlichkeit (die Quantität und Qualität bein-
teilhabegesetzes lagen daher darin, das bisherige System nicht                   anderer Leistungsanbieter – schlichtweg empirische Daten. Schenkt                          Erweiterung des Teilhabeangebotes insgesamt kommt oder ein Mix                         haltet) ein Interesse an einer flächendeckenden und hochwertigen
komplett zu verändern, sondern an geeigneten Stellen mehr Alter-                 man den vereinzelnden Rückmeldungen aus Ministerien, von Leis-                             aus Beidem die Realität widerspiegeln wird. Dabei muss jedoch allen                    Leistung haben, sind auch diese als Marktakteure zu verstehen.
nativen und damit Wettbewerb zu fördern.                                         tungsträgern und Leistungserbringern zum Thema jedoch Glauben,                             Akteuren klar sein, dass mit der Etablierung neuer Anbieter und                        Inwiefern sie die dabei zur Verfügung stehenden Möglichkeiten –
                                                                                 so scheint sich die Anzahl der neu gegründeten anderen Leistungs-
Ergebnis dieses Prozesses ist der bereits in Fach- und Praktikerkreisen          anbieter zumindest vorerst im Rahmen zu halten (wobei es hier
oft genannte § 60 SGB IX, der neben den Werkstätten für behin-                   wohl deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern
derte Menschen nun auch die Alternative der anderen Leistungs-                   gibt). Auch eine Aussage, welche Art des Teilhabeangebotes (Leis-
anbieter in das SGB IX einführt. Im Vorfeld war hierbei intensiv                 tungen zum Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich; zum
darüber diskutiert wurden, wer denn nun diese anderen Leistungs-                 Arbeitsbereich; beides; Einzelleistungen) im Fokus neuer Anbieter
anbieter sein sollen und welche Voraussetzungen und Rahmen-                      steht, ist noch nicht zu treffen. Dennoch sollte man dadurch nicht zu
bedingungen sie zu erfüllen haben. Letztendlich ist dabei etwas                  der Schlussfolgerung gelangen, es bliebe alles wie bisher. Viele
entstanden, dass eine hohe Deckungsgleichheit mit den Werk-                      Veränderungen in Markt- und Angebotsgeschehen sind nicht
stätten beinhaltet, an entscheidenden Stellen jedoch bestimmte                   sofort sichtbar, vielmehr zeigen sich diese meist erst retrospektiv
Ausnahmen ermöglicht (u.a. bedarf es keiner förmlichen Anerken-                  im Rahmen von Gesamtbetrachtungen.                                                         neuer Angebote nicht nur die schiere Auswahlmöglichkeit an                             sowohl im rechtlichen wie auch im finanziellen Sinne – entspre-
nung, es gibt keine Mindestplatzzahl und es besteht keine Aufnah-                                                                                                           Optionen verbessert werden sollte. Vielmehr hat das Thema                              chend nutzen, wird sich zeigen. Zu wünschen wäre allen Beteiligten,
mepflicht). Es liegt in der Natur der Sache, dass einige Betrachter              EINE NEUE DYNAMIK ZUM WOHLE ALLER?                                                         Auswahl und Wettbewerb neben einer quantitativen (der Anzahl                           dass eine Veränderung des Angebotes zu einem Wettbewerb führt,
die Fülle der Ausnahmen monieren, während andere sich eine viel                  Klar ist, dass der Gesetzgeber einiges in Bewegung gesetzt hat, um                         der Leistungserbringer) auch eine qualitative Komponente.                              der sich über Aspekte der Relevanz, Qualität und Transparenz defi-
weitreichendere „Entschlackung“ der Regularien erhofft haben.                    die Angebots- bzw. Wettbewerbssituation möglichst positiv zu                                                                                                                      niert und weniger über absolute Kostenpositionen.
Fakt ist, dass der neu geschaffene § 60 SGB IX eine Rechtsgrundlage              stimulieren. Inwiefern dies nun in der Praxis Früchte trägt, hängt                         Inwiefern es in der Zukunft einerseits Gesetzgeber und Kostenträger
bietet, die zumindest theoretisch den Rahmen der Leistungser-                    nicht nur von der Motivation anderer Anbieter ab, sondern auch                             sowie Leistungserbringer gelingen wird, entsprechende Qualitäten                                     Dr. Martin Kaufmann ist Leiter des Berliner Büros der
bringung durch andere Anbieter vorgibt sowie eine mögliche                       von der Perspektive der Leistungsträger (die ja den leistungsrecht-                        sicherzustellen bzw. zu beurteilen als auch so transparent darzu-                                 Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte
Vorausschau auf die sich verändernde Angebots- bzw. Wettbe-                      lichen Rahmen mit den neuen Anbietern erarbeiten und vereinba-                             stellen, dass Menschen mit Behinderungen das für sie passende                             Menschen und Referent für Arbeitswelt. Daher beschäftigt er
werbssituation1 ermöglicht.                                                      ren müssen) als auch von den Leistungsberechtigten (die das neue                           Angebot auswählen können, bleibt abzuwarten.                                                           sich intensiv mit der Begleitung und Umsetzung des
Die eigentliche Ausgangsfrage – nach einer umfassenden Dynami-                   Angebot auswählen müssen). Dabei werden auch wieder unter-                                                                                                                               Bundesteilhabegesetzes und dessen Auswirkungen auf die
sierung der Angebots- und Wettbewerbssituation - kann somit aus                  schiedliche Einstellungen in den Bundesländern und Regionen eine                                                                                                                       Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen.

                                             1 Auf die Frage, inwiefern der Begriff Wettbewerb tatsächlich im klassischen Sinne auf die Situation der Eingliederungshilfe   2 An dieser Stelle muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass sich eine Vielzahl aus Vertretern von Menschen mit Behinderungen als auch den Leistungserbringern ent-
                                             und hier konkret den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben übertragbar ist, kann aufgrund der Knappheit des Artikels         täuscht darüber gezeigt hat, dass einige Teilhabebereiche, in denen aufgrund fehlender rechtlicher Arrangements erhebliche Angebotslücken bzw. Unsicherheiten bestehen – u.
                                             nicht eingegangen werden. Aus Vereinfachungsgründen werden daher beide Bezeichnungen (Angebots- und                            a. Angebote im Hinzuverdienst – nicht von den neuen Regelungen zu anderen Leistungsanbietern profitieren werden. Eine Begründung hierfür ist in der analog zur klassischen
                                             Wettbewerbssituation) zusammen benutzt, gleichwohl diese in der volkswirtschaftlichen Theorie Unterschiede aufweisen           Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen geltenden Mindestbeschäftigungszeit zu finden, die auch im Rahmen von anderen Leistungsanbietern gelten soll.
    10 HephataMagazin 48 l August 2018       und in ihrer Deutung abhängig vom Betrachter (Kunde/Nutzer, Anbieter, Dritte) und des Zeitablaufs sind.
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
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                                                                              Balko
                                                                                                                                                er 7
                                                                                                                                           Zimm m²

Vom Heimbewohner zum Mieter
                                                                                                                                            14.00

Auswirkungen des BTHG
                                                                                                        1
                                                                                                   Bad
                                                                                                        m²
                                                                                                   8.25

                                                                                                                                                       er 6
                                                                                                                        Flur                      Zimm m²
                                                                                                                        23.81 m
                                                                                                                                ²                  15.91

Von Klaus-Dieter Tichy

                                                                                                          2
                                                                                                      Bad
                                                                                                           m²
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    Wohnfläche                     Mischfläche                    Fachleistungsfläche
                                                                                                                  us
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                                                                                                           11                                     Zimm m²
                                                                                                                                                   16.07

                                                                                nt 3
                                                                           rteme
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           Appa 20.73 m²                              6.32 m                                                                                                                             Aufz ug
                                                                                                                                                                                               m²
                                Bad                                                                                                     Flur                                             3.24
                                       ²
                                6.75 m                                                                                                    m²
                                                                                                                                    39.12

                                                                                                                                                               © Bau und Liegenschaften Hephata
                                                                  Flur m²
                                                                  14.73

                       Flur ²                                                                                         ittel
                      5.25
                           m                                                                                    Putzm ²
                                                                                                                                           ebad

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Fotos: © udo leist
                                                                                                                     m
                                                                                                                8.33                 Pfleg   m²
                                                                                          nt   4                                      21.05
                                                                                    rteme
                                                                             Appa
Bad                                                                                 6 m²
     m²                                                                      1 8 .3
5.33

                                                                Bad
                            nt 2                 us              m²
                      rteme                 enha²          5.42
                  Appa 21.71 m²       Trepp   m
                                        10.47

Das Bundesteilhabegesetz führt die Einglie-           WAS ÄNDERT SICH KONKRET?                                  Dazu sind alle Gebäude zu analysieren                                               Die Grundsicherungsbehörde wird prüfen,        Zu guter Letzt soll noch der Fall beleuchtet    Allein in NRW werden für 2020 zehntausen-
derungshilfe aus der Sozialhilfe heraus, was          Stationäre Einrichtungen der Pflege und der               und aufzuteilen in:                                                                 ob die in Rechnung gestellte Warmmiete         werden, dass die Miete oberhalb von 125 %       de Menschen erstmals Anträge auf Grund-
ausdrücklich zu begrüßen ist. Es tritt in meh-        Eingliederungshilfe heißen in NRW EULA –                                                                                                      angemessen ist. Maßstab hierfür sind die       der Basismiete liegt. Der Fall ist durchaus     sicherung und Fachleistungen stellen.
reren Schritten in Kraft. Einige Änderungen           Einrichtungen mit umfassendem Leistungs-                  •• Flächen des persönlichen Wohnbedarfes,                                           von der Grundsicherungsbehörde gezahl-         denkbar, da die als stationäre Einrichtungen    Rechtzeitiges Handeln ist also mehr als
gelten bereits seit Ende 2016, andere seit            angebot. Und dies wird ordnungsrechtlich                     evtl. inklusive anteiliger Gemeinschafts-                                        ten durchschnittlichen Aufwendungen für        gebauten Häuser beachtliche behördliche         geboten.
dem 01.01.2018. Die größten Veränderun-               auch so bleiben. Die zuständigen Behörden                    flächen,                                                                         Warmmiete in Einpersonenhaushalten, um-        Auflagen zu erfüllen hatten. Es seien an die-                        Klaus-Dieter Tichy ist
gen ergeben sich aber ab dem 01.01.2020.              werden auch in Zukunft ihre Aufsicht in ge-               •• Fachleistungsflächen, wie zum Beispiel                                           gangssprachlich auch „Sozialmiete“ ge-         ser Stelle nur die Stichworte Brandmel-                    kaufmännischer Vorstand der
                                                      wohnter Weise wahrnehmen. Nur kennt das                      Therapieräume oder Pflegebäder,                                                  nannt, z.B. 320,00 €. Der Betrag ist von       deanlagen, zweiter Rettungsweg und elek-                Evangelischen Stiftung Hephata.
Dann kommt es zur Trennung der Leistungen.            neue SGB IX gar keine stationären Einrich-                •• Mischflächen, wie beispielsweise Trep-                                           Kommune zu Kommune unterschiedlich             trische Türantriebe genannt.
Auf der einen Seite stehen die Fachleistun-           tungen mehr. Die Fachleistungen der Ein-                     penhäuser, Eingangsbereiche oder Tech-                                           und ist vor Ort zu recherchieren. Übersteigt
gen der Eingliederungshilfe, die nach dem             gliederungshilfe werden unabhängig von                       nikräume, die prozentual den anderen                                             die Warmmiete laut Vertrag diesen Schwel-      Aufwendungen in diesen Bereichen sind
neuen SGB IX als eigenem Leistungsrecht               der Wohnform erbracht und umfassen die                       Bereichen zuzuschlagen sind.                                                     lenwert nicht, wird sie als angemessen         bei der Ermittlung der örtlich angemesse-
außerhalb der Sozialhilfe erbracht werden,            Kosten der Unterkunft und der Lebenshal-                                                                                                      angesehen und als Grundsicherungsleis-         nen Basismiete sicherlich kaum enthalten.
und auf der anderen Seite die Hilfen zum              tung nicht mehr. Die Refinanzierung dieser                Wichtig ist, dass den Bewohnern nur die                                             tung refinanziert.                             Für unsere Betrachtung soll eine Warm-
Lebensunterhalt und die Kosten der Unter-             Kosten fällt dann in die Zuständigkeit der                Flächen des persönlichen Wohnbedarfs ver-                                           Es gibt aber Konstellationen, bei denen        miete von 500,00 € in Rechnung gestellt
kunft.                                                Grundsicherungsbehörden.                                  mietet werden. Die Kosten für die Fachleis-                                         höhere Grundsicherungsleistungen gewährt       werden. Wie vorstehend beschrieben, kön-
In den heutigen stationären Einrichtungen                                                                       tungsflächen müssen direkt vom Eingliede-                                           werden. Umfasst der Mietvertrag auch den       nen bei Vorliegen eines entsprechenden
werden all diese Leistungen aus einer Hand            Das bedeutet, dass rechtzeitig vor dem                    rungshilfeträger refinanziert werden.                                               Haushaltsstrom oder z.B. die Kosten für        Mietvertrages 400,00 € als Grundsicherungs-
erbracht und auch einheitlich finanziert. In          01.01.2020 Anträge auf Grundsicherung                                                                                                         Möblierung, die Instandhaltung des persön-     leistung gewährt werden. Der die 125 %
NRW üblicherweise durch die überörtlichen             zu stellen sind und zwar sowohl für den                   Hat der heutige Bewohner und zukünftige                                             lichen Inventars oder Telefonnutzung, hat      der Basismiete übersteigende Betrag, in un-
Träger der Sozialhilfe. Es ist davon auszuge-         Lebensunterhalt als auch die Kosten der                   Mieter seinen Vertrag in Händen, aus dem er                                         der Gesetzgeber einen 25-prozentigen Auf-      serem Beispiel 100,00 €, ist auf Antrag durch
hen, dass eben diese zu den Eingliederungs-           Unterkunft. Dieser Beitrag befasst sich im                die Höhe der Warmmiete erkennen kann,                                               schlag auf die Basismiete vorgesehen. Aus      den Eingliederungshilfe als Fachleistung zu

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 © pinkomelet - fotolia
hilfeträgern nach dem BTHG bestimmt wer-              Folgenden nur mit den Kosten der Unter-                   muss er Grundsicherungsleistungen für die                                           den 320,00 € werden dann 400,00 €.             gewähren. Auch hier sind die entsprechen-
den. Sie sind aber in Zukunft nur noch für            kunft.                                                    Kosten der Unterkunft beim zuständigen                                              Bei den heutigen stationären Einrichtungen     den Anträge rechtzeitig im Vorhinein zu
die Finanzierung der Fachleistungen der Ein-                                                                    Grundsicherungsamt beantragen. Es sei da-                                           dürfte es die Regel sein, dass die Mietver-    stellen.
gliederungshilfe zuständig und nicht mehr             Die Betreiber der heutigen stationären Ein-               rauf hingewiesen, dass bei der Gewährung                                            träge die entsprechenden Leistungen umfas-
für die Kosten der Lebenshaltung und Unter-           richtungen werden zum 01.01.2020 mit                      von Grundsicherungsleistungen eigenes Ein-                                          sen und der Zuschlag zum Tragen kommt.
kunft. Dafür sind dann die kommunalen                 den Bewohnern bzw. deren gesetzlichen                     kommen Berücksichtigung findet. Im Folg-
Grundsicherungsbehörden zuständig, deren              Vertretern oder Betreuern Mietverträge ab-                enden wird aber von dem Fall ausgegan-
Aufwendungen für Menschen mit Behinde-                schließen. Der Wechsel vom Heimbewohner                   gen, dass kein eigenes Einkommen vorhan-
rung in diesem Falle der Bund refinanziert.           zum Mieter findet dann tatsächlich statt.                 den ist, um den Sachverhalt nicht zu ver-
Dies führt zu einer Entlastung für die kom-                                                                     komplizieren.
munale Familie, was mit dem BTHG auch
intendiert war.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            © nmann77 - fotolia
   12 HephataMagazin 48 l August 2018                                                                                                                                                                                                                                                                        HephataMagazin 48 l Juli 2018 15
Hephata Magazin Recht - Das BTHG - ein neues System? Günther van de Loo
FREIHEIT
ENTZIEHEN
– was für ein Gedanke!
Von Alwin Braunsmann
                                                                                                                                                                                                                                                                        Foto: Volker Sander

Ich möchte meine Freiheit in vollen Zügen genießen! Und dabei            Aber bitte: Schickt mich dann nicht einfach wieder ins Bett, weil     Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hoffentlich kalkulierte Risiken     •• Wer weiß vielleicht noch zusätzliche Ideen, die wir noch
möchte ich auch unvernünftig sein dürfen! Ja, unvernünftig sein,         Nachtruhe ist. Ich bin heute schon fest davon überzeugt, so etwas     ein. So nennt man so etwas. Das muss doch möglich sein …                nicht ausprobiert haben?
sogar wenn ich mir selber damit schaden könnte!                          möchte ich in solchen Situationen nicht hören. Das würde mir nicht                                                                         •• Wie groß ist das Risiko wirklich?
                                                                         gefallen. Vielleicht würde ich dann sogar „renitent“, so nennt man    Sicherlich wird es dann auch Kontrollen und Dokumentationen          •• Was ist mit Haftungsfragen?
Ich möchte rauchen, obwohl ich davon Lungenkrebs bekommen                das in der Fachsprache. Nicht schön!                                  geben, ob alles so gemacht wurde, wie es abgesprochen wurde.         •• Wer kann uns berechtigte Sorgen nehmen?
könnte oder Sahnetorte essen, obwohl ich bereits Diabetes habe.                                                                                Dokumentationen, in denen transparent und für Außenstehende          •• Und diese von Unberechtigten trennen?
Und ich möchte mich frei bewegen, auch wenn ich dabei fallen             Oder mich beschäftigen Gedanken, die in meinem Kopf ihr Unwe-         nachvollziehbar zu lesen sein wird, ob und wie meine Rechte be-      •• Wie bekommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
oder sonst wie zu Schaden kommen könnte!                                 sen treiben, und ich weiß mir gar nicht anders zu helfen, als davor   rücksichtigt wurden. Und regelmäßige Besprechungen, wie ich             Handlungssicherheit (zurück)?
                                                                         weglaufen zu wollen. Oder, oder, oder …                               mich zwischenzeitlich entwickelt habe, ob sich vielleicht Verände-   •• Wer kümmert sich um was?
Ich habe ein Recht darauf! Dieses Recht beschreibt unser Grund-                                                                                rungen ergeben haben, dass bestimmte Maßnahmen, meine                •• Haben wir überhaupt richtig verstanden, was den
gesetz für alle Menschen in seinen ersten beiden Paragrafen. Das         Apropos Laufen. Haben Sie’s gewusst? Viele Menschen laufen gar        Freiheiten ggf. einzuschränken, evtl. nicht mehr notwendig sein         Menschen, um den es uns geht, im Herzen bewegt?
gilt jedenfalls solange ich die Rechte anderer nicht einschränke,        nicht weg! Sie laufen hin! Hin zur Arbeit, die sie früher einmal      müssen. Oder zwischenzeitlich kreative Köpfe neue Ideen hatten
bzw. Gesetze etwas anderes sagen. Und solange ich über mich              hatten, oder hin zur ehemaligen Partnerin, zum ehemaligen Partner.    und evtl. Alternativen entwickelt wurden.                            Auf derlei Fragen suchen wir gemeinsam Antworten.
selber bestimmen kann.                                                   Und suchen den Weg, um dort hin zu kommen. Vielleicht zum Fried-
                                                                         hof, für Außenstehende wirkt das allerdings irgendwie „falsch“.       Und wenn alles nichts hilft? Wenn ich über Tische und Bänke          Und falls gar nichts funktioniert, ja, dann müssen letzten Endes
Gott-sei-Dank kann ich auch vernünftig sein. Doch was ist, wenn                                                                                gehen sollte? Wenn alles nichts nützt? Ja, dann wird wohl am         auch Freiheitsentziehende Maßnahmen beschlossen und umge-
ich mich wie von Sinnen verhalte oder mir ein ärztliches Gutachten                         Wir müssen den Sinn                                 Ende nichts anderes übrig bleiben, als mich in meiner Freiheit zu    setzt werden. So leid es uns tut. Manchmal kommen wir mit unse-
bescheinigt, dass ich nicht (mehr) sogenannt einsichtsfähig bin?            in derartigen Verhaltensweisen suchen und finden,                  beschränken. Aber hoffentlich wird es dann nur wirklich so lange     ren Mitteln eben auch an ein Ende …
                                                                                dann finden wir auch individuelle Lösungen,                    dauern, wie es unbedingt notwendig sein muss, und hoffentlich
Dann werden hoffentlich eine ganze Reihe Menschen um mich                          um Freiheitsentziehende Maßnahmen                           auch nur die Maßnahme, die meine Freiheit am wenigsten ein-          Und Gott-sei-Dank hat sich die Evangelische Stiftung Hephata gera-
versammelt sein, die ihre jeweilige Rolle in meinem Sinne ausfüllen.                          zu vermeiden.                                    schränkt. Wirklich nur als „Ultima Ratio“, wie die Fachleute das     de auch in solchen extremen Situationen des Lebens einen Kompass
Denn dann möchte ich nicht allein sein. Da bin ich mir sicher. In                                                                              nennen. Als letztmögliches Mittel. Ich bin auch jetzt schon davon    gegeben, der uns lenken kann. Der Kernwert „Freiheit“ unseres
solchen Situationen alleine zu sein, ist bestimmt schwierig. Ich möch-   In solchen Lebenslagen bräuchte ich sicherlich ebenfalls einen        überzeugt, dass ich nicht eingeschlossen oder fixiert werden muss,   Leitbildes gibt vor christlichem Hintergrund die Richtung vor, in
te, dass dann Menschen da sind, die sich um mich kümmern. Die            gesetzlich bestellten Betreuer, der statt meiner – aber bitteschön    dass es auch für mich – sollte es irgendwann mal soweit kommen       die wir uns zu bewegen haben. Diese Kernwerte sind für uns
verstehen, was ich eigentlich will. Die sich kreativ Lösungen über-      in meinem Sinne – die Dinge regelt und meine Rechte gegenüber         – andere Lösungen gibt.                                              Verpflichtung und Motivation zugleich.
legen für das, was bei mir los ist. Das wird bestimmt nicht einfach      anderen durchsetzt. So beschreibt es auch der § 1904 BGB.
werden.                                                                                                                                        Gott-sei-Dank arbeite ich in der Evangelischen Stiftung Hephata      Ich gebe zu, bei allen Freiheitsgedanken wünsche ich mir, meine
                                                                         Hoffentlich sind dann dort, wo ich wahrscheinlich leben werde,        Wohnen gGmbH. Warum? Weil wir uns für derartige Situationen          Vernunft zu behalten. Denn wie sagte schon Friedrich Engels:
Vielleicht will ich nachts nicht im Bett bleiben müssen, weil ich        genügend Mitarbeitende, denn die brauche ich sicherlich in sol-       des Lebens ein verbindliches Verfahren gegeben haben. Wir orien-     Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit.
mein Leben lang im Nachtdienst gearbeitet habe und es nicht anders       chen Lebenslagen. Und hoffentlich denken die nicht nur an             tieren uns dabei am sogenannten „Werdenfelser Weg“.
gewohnt bin. Mein Tag-Nacht-Rhythmus könnte „gestört“ sein,              berechtigte Haftungsfragen, falls sie etwas falsch machen. Und        In kritischen Situationen werden alle Beteiligten an einen Tisch
jedenfalls für Außenstehende. Aber für mich wäre dieser Rhythmus         hoffentlich wollen die mich nicht nur gegen alle möglichen und        geholt und dann wird gemeinsam überlegt.                                 Alwin Braunsmann ist Diplom-Psychologe, Psychologischer
vielleicht völlig in Ordnung. Wer weiß? Muss ich mich dann anpas-        unmöglichen Schäden schützen. Hoffentlich haben diese Personen                                                                                   Psychotherapeut und Supervisor (BDP). Er arbeitet in der
sen müssen? An Andere? An Strukturen und Abläufe im Haus?                – gemeinsam mit allen Beteiligten – den Mut, Risiken in meinem        •• Was wäre sinnvoll?                                                     Mobilen Beratung der Hephata Wohnen gGmbH und hat
Oder werde ich so leben können wie ich bin? Vielleicht würde mir         Sinne einzugehen. In meinem mutmaßlichen Sinne handeln, wenn          •• Was können wir tun?                                                   unter anderem am Konzept zum Umgang mit aggressivem
in solchen Situationen ein „Nacht-Café“ helfen, in das ich gehen         nicht mehr deutlich wird, was mein freier Wille sein könnte.          •• Haben wir genügend Alternativen zur Bewältigung der                                      bzw. selbstschädigendem Verhalten und
könnte. Oder vielleicht liest mir eine Mitarbeiterin oder ein Mitar-     Solche juristischen Begrifflichkeiten bekommen eine neue                 Krisen ausprobiert?                                                                           Freiheitsentziehenden Maßnahmen
beiter im Nachtdienst aus der Tageszeitung vor, damit ich auf andere     Bedeutung, wenn ich diese auf mich selbst projiziere. Und wenn        •• Gibt es technische Hilfsmittel, die sinnvollerweise eingesetzt                      in der Hephata Wohnen gGmbH mitgewirkt.
Gedanken komme.                                                          bei solchen Aktionen etwas passieren sollte? Dann gehen „meine“          werden können?

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