HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...

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HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
EINHEIMISCH GENIESSEN
                   EINE BEILAGE VON SCHWEIZER BAUER UND TERRE&NATURE

             HERBSTLICHE
              AROMEN
       Von wiederentdeckten Bibern bis hin zu Weinen und Käsesorten – entdecken Sie mit uns
                    handwerkliche Spezialitäten aus den vier Ecken des Landes.

                                                                                      FOKUS
                                                                           Bio Suisse wird 40 Jahre
                                                                                   alt: ein Rückblick
                                                                                    auf die Anfänge
                                                                                    der Vereinigung

DOSSIER
Ausflug ins
Bio-Tal Puschlav

REPORTAGE
Die Magier des
Reifungsprozesses öffnen
ihren Käsekeller für uns

                                                                                        SEPTEMBER 2021 – FR. 8.–
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Seit 5 Jahren partner-
schaftlich für die
Umwelt unterwegs:
Denner und IP-SUISSE.
Doch damit nicht genug!
HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
EDITORIAL              SB

IMPRESSUM
Beilage zu                 DIE VIELFALT UNSERES
Schweizer Bauer
Nr. 72 / 11.9.2021         LANDES ENTDECKEN

                           D
Terre et Nature
Nr. 39 / 30.9.2021                      ie Schweiz. Eine Willensnation auf der Basis grösserer
VERLAG                                  Freiheiten als in den Nachbarländern, in der sich
Betriebsgesellschaft                    seinerzeit Nachfahren der deutschsprachigen
«Schweizer Bauer»                       Alemannen, der französischsprachigen Burgunder
Dammweg 9, Postfach                     und der italienischsprachigen Langobarden
CH-3001 Bern                            zusammengefunden haben. Diese Kulturräume
Telefon:
+41 (0)31 330 95 00
                                        gliedern sich wiederum in zahlreiche Talschaften und
verlag@schweizerbauer.ch   Bezirke. Nicht nur, aber gerade bei den Traditionen rund um unser
www.schweizerbauer.ch      Essen ist diese Vielfalt auf engem Raum ein grosser Schatz.
PUBLIZISTISCHE
LEITUNG                    Und dabei können wir Menschen aus der Deutschschweiz von der
Daniel Salzmann            Romandie lernen. Denn dort ist der Stolz und die Freude an den
Alexander Zelenka          Spezialitäten der einheimischen Land- und Ernährungswirtschaft
REDAKTION                  vermutlich noch grösser. Darum sind Beiträge über das
Eric Bernier               Unterwallis, wo die Bewegung des Slow Food Touren lanciert hat,
Lila Erard                 und über die Region Locarno/Ascona, wo seit kurzem Biere aus
Clément Grandjean
                           lokalem Reis und Hopfen angeboten werden, ein wichtiger
Blaise Guignard
Claire Müller
                           Bestandteil dieser Beilage, die der «Schweizer Bauer» zusammen
Céline Prior               mit dem Westschweizer Magazin «Terre et Nature» realisiert hat.
Véronique Zbinden
Alexander Zelenka          Eine Reportage führt ins italienischsprachige Puschlav.
LAYOUT                     Dort hat in den letzten Jahren das Label «100 % Val Poschiavo»
Lionel Dominé              eine eindrückliche Dynamik in Gang gesetzt. Mittlerweile
ÜBERSETZUNG                werden im Bergtal Tomaten angebaut, weil die Pizzerien eine
Monika Carruzzo            100 %-Val-Poschiavo-Pizza anbieten wollen. Und unverkrampft
Maya Merkle                wird das Ziel, in wenigen Jahren ein Bio-Tal zu sein, verfolgt.
Beat Niederhauser          Daran freut sich Bio Suisse, der Verband der Biolandwirtinnen
Jakob Sarbach
                           und Biolandwirte, der heuer sein 40-Jahr-Jubiläum feiern kann.
KORREKTUR
Johannes Schwab
                           Manchmal sehen Aussenstehende die Chancen traditioneller
WERBEMARKT                 Produkte fast besser als die Menschen, die mittendrin sind.
Mike Fries
                           Das zeigt sich etwa an den Brüdern Silvan und Claudio Leibacher,
Irene Heynen
                           die der Ostschweizer Tradition des Bibers oder der Biberli neuen,
DRUCK
                           handwerklichen Schwung verleihen. Und an Curdin Janett und
Druckzentrum Bern AG
Auflage 51 000 Ex          Michael Fankhauser, die sich der Vermarktung von Rohmilchkäse
                           verschrieben haben. Lassen Sie sich inspirieren, geniessen Sie,
© Couverture: DR
                           entdecken Sie – ich wünsche Ihnen viel Freude dabei!
                                                         Daniel Salzmann, Chefredaktor n

                                                                                                 3
HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
SB   INHALT

              IN KÜRZE
              Die neusten Regionalprodukte S. 6
              FOKUS
              Bio Suisse feiert ihr 40-Jahr-Jubiläum. Ein Blick auf die Geschichte
              des erfolgreichen Labels S. 9
              REPORTAGE
              Zwei Brüder erfinden das traditionelle Appenzeller Biberli neu S. 14
              DOSSIER
              Auf Entdeckungsreise im Bioland Puschlav S. 17
              REPORTAGE
              Fromage Mauerhofer erhebt die Käseaffinage zur Kunst S. 24
              AUSFLUGSZIELE
              Slow Food Travel im Wallis S. 29
              EINE REISE WERT
              Schätze des Tessins S. 35
              GENIESSEN
              Tour de Suisse mit Bioweinen S. 43
              ADRESSEN
              Unser Produzentenverzeichnis S. 48

                                                                                     © FOTOS DR

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HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
KW 39/21

                                                                 Bauer Oppikofer begutachtet seine Naturaplan-Äpfel

Natürlich.                           Richtig.                                           Gut.
  Weil es natürlich ist, der   Weil es richtig ist, respektvoll und           Weil es gut ist, sich selbst etwas
Umwelt und ihren Ressourcen          achtsam mit der Natur                      Gutes zu tun und das Beste
   Sorge zu tragen. Hier       und ihren Produkten umzugehen                   der Natur mit gutem Gewissen
  und überall auf der Welt.       und nachhaltig zu handeln.                            zu geniessen.
HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
SB      KURZNACHRICHTEN

                 GOÛTS ET TERROIRS
              SIND WIEDER GEGENSTAND
                 EINER AUSSTELLUNG
Nach mehr als einem Jahr reihenweiser Absagen werden
sich Aussteller und Besucher diesen Herbst wieder im
Espace Gruyère in Bulle treffen können, um den Köstlich-
keiten, die der Boden hervorbringt, Ehre zu erweisen. Unter
Einhaltung der geltenden Covid-Massnahmen – nur Ge-
impfte, Getestete und Genesene werden zur Veranstaltung
zugelassen – wird die 21. Aufla e des Salon Suisse des
Goûts et Terroirs stattfinden Dem Grundsatz folgend «so
vollständig wie möglich, aber so vernünftig wie nötig»
mussten die Organisatoren jedoch auf gewisse Animatio-
nen verzichten wie etwa «L’Arène Gourmande» oder
«L’Amuse-Bouche». Als Ehrengast hat Spanien seine Teil-
nahme im Jahre 2022 angekündigt. Aber die beiden natio-
nalen Wettbewerbe «Swiss Bakery Trophy» und «Quali-
tätswettbewerb der besten Schweizer Fleischerzeugnisse»
werden ein reiches Vorführprogramm unter Einbezug des
Publikums bieten.
Vom 28. Oktober bis 1. November 2021 – vorausgesetzt, dass die
Covid-Lage es erlaubt. www.gouts-et-terroirs.ch

                                                                                                            KNACKIGE ÄPFEL
                                                                                                            Anders als andere Kulturen haben die Äpfel
                                                                                                            dem schlechten Wetter des Jahresbeginns
                                                                                                            getrotzt. Der Schweizer Obstverband erwartet
                                                                                                            eine Ernte von nahezu 120 000 Tonnen,
                                                                                                            vergleichbar mit der Ernte von 2020. Indes
                                                                                                            sind Unterschiede zwischen den Sorten und den
                                                                                                            Regionen auszumachen: Bei Gala, Golden
                                                                                                            Delicious und Braeburn sind höhere Erträge zu
                                                                                                            erwarten, bei Boskoop, Idared, Milwa, Elstar
                                                                                                            und Gravensteiner niedrigere. Stark
                                                                                                            heimgesucht durch Frost und Hagel, erwarten
                                                                                                            die Zentralschweiz und der Kanton Bern eine
                                                                                                            sehr magere Ernte beim Kernobst.
DIE WAADTLÄNDER BÄUERINNEN
KREIEREN REZEPTE
Aus Anlass zu ihrem 90. Geburtstag hat der Verband der Waadtländer Bäuerinnen kürzlich eine
Sammlung seiner besten Rezepte publiziert. Ihre Vorgängerwerke aus den Jahren 1991 und 2006
sind vergriffen. Dieses neue Werk mit einer Auflage von 5000 Exemplaren hat zum Ziel, die aadtlän-
der Landwirtschaft zu fördern, indem es die Esskultur mittels 240 Rezepte näherbringt, von denen
nahezu ein Viertel von den 73 Gruppen stammen, welche den Verband bilden. Ebenso einfache wie
originelle Vorschläge aus lokalen Erzeugnissen: so die Devise dieser Sammlung, die süsse und gesalzene
Speisen berücksichtigt. Und nun, sind Sie bereit, ein Tiramisu aus Äpfeln im Glas, eine Sellerie-Piccata,
einen Flan aus wilden Kräutern oder eine Kastaniensuppe zuzubereiten?
www.paysannesvaudoises.ch

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HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
EINE KAMPAGNE, DIE FRÜCHTE
                                                       TRAGEN SOLLTE
                                                       Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2021 zum
                                                       internationalen Jahr der Früchte und Gemüse erklärt. Als wesentliche
                                                       Bestandteile einer gesunden und nachhaltigen Ernährung wird diesen auch in
                                                       unserem Land hohe Bedeutung beigemessen, hat die Schweiz doch
                                                       entschieden, an dieser Initiative teilzunehmen. In Zusammenarbeit mit dem
                                                       Bundesamt für Landwirtschaft führen der Verband Schweizer Gemüseprodu-
                                                       zenten und der Schweizer Obstverband sowie das Bundesamt für Lebensmit-
                                                       telsicherheit und Veterinärwesen eine Kampagne, die zum Ziel hat, die
                                                       Bevölkerung zu erhöhtem Früchte- und Gemüsekonsum anzuhalten. Um die
                                                       breite Öffentlichkeit für diese Thematik zu sensibilisieren, wurde eine
                                                       Internetseite mit den wichtigsten Informationen zu diesem Thema eingerichtet:
                                                       Tägliche Mengen, Nährwert, Wichtigkeit der Variation bezüglich Geschmack
HONIG AUS                                              und Farbe, aber auch Vorzug lokaler und saisonaler Produkte. Dies alles, um
                                                       sich im Alltag gesünder zu ernähren.
DER PIPETTE                                            www.fruechteundgemuesejahr.ch
Zuerst zu trocken, dann zu nass und zu kalt: Das
Frühlings- und das Sommerwetter dieses Jahres
waren zweifellos ungünstig für die Honigproduk-
tion. «Zusätzlich zu einer immer kleineren
Biodiversität und zum Fehlen von Blumen im
Kulturland haben diese klimatischen Ereignisse
lediglich eine Ernte von einigen wenigen
Kilogramm Honig pro Bienenstock erlaubt», klagt
Francis Saucy, Präsident des Westschweizer
Bienenzuchtverbandes. In unserem Land scheinen
das Tessin sowie einige Bergregionen von etwas
mehr Sonnenschein verwöhnt worden zu sein.

           MOLKEREI PRÄSENTIERT SICH
              IN NEUEM GEWAND
Das Val de Bagnes (VS) hat sich jüngst ein neues
Schmuckstück zugelegt, um seine Spezialitäten ins
richtige Licht zu rücken. Die Molkerei von Liddes
verfügt neu über einen Anbau, der die gesamte Ka-
pazität des Veredelungskellers auf heute 4000 Laibe
erhöht. Ebenfalls wurde eine Verkaufsstelle einge-
richtet, die nicht nur den Raclettekäse «Bagnes 4»
zur Geltung bringt, sondern auch andere Käsesorten
der Region sowie eine reichhaltige Auswahl an regio-
nalen Erzeugnissen. Die Arbeiten, die eine Million
gekostet haben, wurden zu gut einem Drittel durch
öffentliche Gelder finanziert die im Rahmen des Re-
gionalentwicklungsprojektes Grand Entremont be-
                                                                                                                                       © FOTOS APAGE/DR

willigt worden waren, und zum Rest durch die
Milchgenossenschaft. Wenn auch verspätet wegen
der Corona-Krise, hat die Einweihung des neuen
Anbaus kürzlich stattgefunden.

                                                                                                                                  7
HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
DIE K ILBI:
    DIE TRADITION
 DER FEINSCHMECKER

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                                                                                                                                       danielquaiser.ch, Bilder: AT
                                                                           Mitglied werden bei
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                                                                          Wir bieten Buchungsplattform
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              DIE KILBI KURZ GEFASST :                                    Schweiz Tourismus und freuen
  Die Kilbi oder „La Bénichon“ ist ein traditionelles Freiburger Fest,    uns auf Ihre Kontaktaufnahme!
Lewelches
   Sapalet im
            Sàrl
              Herbst stattfindet. Man feiert sie mit einem026 924 54 60
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HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
SB

   EINE KNOSPE,
DIE SEIT 40 JAHREN
      SPRIESST
  1981 schlossen sich die Biobetriebe zu einem nationalen
Verband zusammen, um ihre Vision einer umweltfreundlichen
 Landwirtschaft zu entwickeln und zu verteidigen. Bio Suisse
war geboren, und mit ihr ein Label, das aus den Regalen der
     Lebensmittelgeschäfte nicht mehr wegzudenken ist.

                                                               9
HERBSTLICHE AROMEN EINHEIMISCH GENIESSEN - FREIZEIT UND ...
E
          ier, Obst und Gemüse, Fleisch,        regionalen oder sektorialen Strukturen or-    Landbau ... 18 Jahre später. In der Zwischen-
          Milchprodukte, Teigwaren, Wein,       ganisiert, um ihren Marktzugang zu ver-       zeit wurde ein Etikett registriert. Das Logo,
          verarbeitete Produkte ... Alles,      bessern und ihre Produkte zu schützen. In     die berühmte Knospe, war der Ausgangs-
          was in der Schweiz wächst, ge-        den 1970er-Jahren beantragten diese Orga-     punkt für das, was Bio Suisse werden sollte.
          erntet und verarbeitet wird, gibt     nisationen – darunter FiBL, Biofarm, De-      «Das waren Idealisten, die sich sehr für
          es heutzutage in einer von Bio        meter und Progana – beim Bundesamt für        eine nachhaltigere Landwirtschaft einsetz-
          Suisse gelabelten Version, er-        Gesundheit, den Schutz vor Missbrauch,        ten», sagt David Herrmann, Medienbeauf-
kennbar an einem Logo, das den Konsu-           indem sie ihre Produktion als biologische     tragter der Organisation. Bio Suisse agierte
mentinnen und Konsumenten inzwischen            Lebensmittel deklarieren durften.             fast wie eine NGO. Jeder Hof «stellte» etwa
vertraut ist: der berühmten Knospe. Vor         «Eine hochrangige Kommission prüfte den
vierzig Jahren war es jedoch alles andere als   Antrag und kam zu dem Schluss, dass der
einfach, seinen Einkaufskorb mit Produk-        Begriff Bio im Zusammenhang mit Lebens-
ten zu füllen, die die Erde und die Natur       mitteln verboten werden sollte. Das machte        «Bio Suisse wird immer
schonen. Es ist der Entschlossenheit eini-      uns allen Angst», erinnert sich Werner
                                                                                               mehr zu einer Gewerkschaft,
ger Pionierproduzenten zu verdanken, dass       Scheidegger, ein Berner Pionier der Bewe-
sich das Gesicht der Schweizer Landwirt-        gung. Es war ein Schock, der die Biobauern     die gute Arbeitsbedingungen
schaft und die Konsumgewohnheiten so            dazu veranlasste, eine stärkere, formellere         für ihre Mitglieder
tiefgreifend verändert haben.                   Gruppe zu bilden und vor allem Richtlinien           garantieren will.»
                                                für ihr Produktionsmodell zu erarbeiten. Im
VON DEN WURZELN ZUR KNOSPE                      Jahr 1980 wurde dem Bund ein Pflich enheft
                                                                                                         David Herrmann,
Natürlich gab es auch schon vor 1981 Bio-       vorgelegt. Dies führte zur Verabschiedung          Medienbeauftragter Bio Suisse
bauern. Viele von ihnen hatten sich in          der Verordnung über den ökologischen

10
FOKUS                     SB

                                                                                  REGINA FUHRER
                                                                                  SEIT 1994 MITGLIED DES VORSTANDS VON BIO SUISSE UND VON
                                                                                  2001 BIS 2011 PRÄSIDENTIN DES VERBANDS
                                                                                  Wie wurden die Biobauern wahrgenommen,
                                                                                  als Sie im Amt waren, und was denken Sie,
                                                                                  wie sie heute wahrgenommen werden?
                                                                                  Lange Zeit wurden die Biobauern noch als Exoten bezeichnet. Heute werden wir
                                                                                  glücklicherweise als vollwertige Landwirte angesehen.

                                                                                  Als Bio Suisse gegründet wurde, galt sie als
                                                                                  eine Organisation, die sich für eine nachhaltige
                                                                                  Landwirtschaft einsetzt. Heute ist sie eher eine
                                                                                  gewerkschaftliche Organisation. Was halten
                                                                                  Sie von dieser Entwicklung?
                                                                                  Um bei den Konsumenten glaubwürdig zu bleiben, muss Bio Suisse zeigen, dass
                                                                                  ihre Ideale im Mittelpunkt stehen. Die Stärke der Knospe ist, dass der Inhalt des
                                                                                  ökologischen Landbaus in demokratischen Diskussionen definiert wird. Bio Suisse
                                                                                  muss aber auch die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber dem Handel und den
                                                                     © FOTOS DR

                                                                                  Verarbeitern vertreten.

                                                                                  Die Abstimmungen über Pestizide haben
                                                                                  gezeigt, dass die Bioproduzenten gespalten
                                                                                  sind: Einige waren aus kommerziellen Gründen
                                                                                  gegen die Initiativen, die an die Urne kamen.
                                                                                  Gibt es jetzt eine Kluft zwischen den Label-
                                                                                  Landwirten?
                                                                                  Auch unter dem Knospe-Label gibt es Landwirte, die weiter gehen wollen, und
                                                                                  andere, die lieber bei der jetzigen Situation bleiben wollen... Eines ist jedoch klar:
                                                                                  Der ökologische Landbau muss sich weiterentwickeln und neue Ideen wie z. B.
                                                                                  die Agroforstwirtschaft oder die regenerative Landwirtschaft übernehmen.

50 Familien «um», die ihre Lebensmittel in      Verarbeitungspartner», fasst David Herr-                        Marktanteil des ökologischen Landbaus
kleinen Geschäften oder direkt auf dem          mann zusammen. Die eingenommenen Li-                            auch traditionellere Betriebe, den Schritt
Hof kauften.                                    zenzgebühren werden zur Förderung und                           zu wagen. Im Jahr 1996 stellten nicht weni-
                                                Entwicklung der biologischen Landwirt-                          ger als 1500 landwirtschaftliche Betriebe
DIE GROSSVERTEILER VERFÜHRT                     schaft in der Schweiz verwendet. Die Ein-                       auf die Knospe um (siehe Kasten auf Seite
Indem sie einen festen Platz in der schwei-     führung einer Knospe-Lizenz für Verarbei-                       13). Damals gab es mehr als 3600 solcher
zerischen Agrarlandschaft einnahmen,            ter und vor allem der Markteintritt der                         Betriebe, während es bei der Gründung der
sorgten diese Pioniere dafür, dass jene sich    großen Einzelhändler waren wichtige Mei-                        Bio Suisse weniger als 300 waren.
weiterentwickelte und ihre traditionellen       lensteine in dieser Entwicklung. 1993 lan-
Praktiken in Frage stellte, oft ohne eine an-   cierte Coop ihre eigene Marke «Naturaplan»                      EIN VERBAND DER IDEALISTEN
dere Richtschnur als die Erfahrung ihrer        – basierend auf dem Pflich enheft der Knos-                     «Dieser Zuwachs trägt auch dazu bei, dass
Mitglieder – zum Preis von Versuch und          pe – und 1995 folgte die Migros mit ihren                       die Organisation ihre Rolle als Anwältin
Irrtum und einer Innovationsfähigkeit, die      eigenen Standards. «Der Ausbau des                              ihrer Mitglieder festigen kann», sagt David
auch heute noch eine der Stärken der Bio-       Bio-Sortiments ist diesen beiden Giganten                       Herrmann: «Heute arbeiten rund 7500
produzenten ist.                                zu verdanken», sagt Pascal Olivier, Leiter der                  Landwirte nach den Vorgaben der Bio
Von Anfang an hatte der junge Verband auch      französischsprachigen Niederlassung von                         Suisse. Für sie hat die Rolle des Vertriebs
die Aufgabe, die Vermarktung der ökologi-       Bio Suisse. «Und die zunehmende Verfüg-                         und der Verarbeitung stark an Bedeutung
schen Produktion zu unterstützen. «Als          barkeit von Bioprodukten im Supermarktbe-                       gewonnen. Bio Suisse wird damit immer
NGO garantiert sie die Produktion und           reich setzt sich bei den Hard-Discountern                       mehr zu einer Gewerkschaft, die gute Ar-
Verarbeitung gesunder Lebensmittel auf          fort, die in diesem Bereich seit einiger Zeit                   beitsbedingungen für ihre Mitglieder ga-
nachhaltige Weise, als Unternehmen ver-         ein starkes Wachstum verzeichnen.»                              rantieren will.» Der Bio-Markt ist zwangs-
kauft sie Markenrechte an Vertriebs- und        Logischerweise ermutigte der wachsende                          läufig komplexer geworden, da er für

                                                                                                                                                                     11
KULINARISCHE
SCHATZSUCHE IN DEN
SCHWEIZER PÄRKEN

                         Fotos © Biosfera Val Müstair, Tony Oertli und Gaudenz Danuser

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     die wichtigsten Akteure der Lebens-
mittelkette zu einem wirtschaftlich inter-
                                                              EIN PAAR MEILENSTEINE AUF EINER
essanten Segment geworden ist. Die Frage                             40-JÄHRIGEN REISE
der Margen von Händlern und Verarbeitern
ist für Bio Suisse nach wie vor unange-
nehm, denn sie betrifft ihre wichtigsten
                                                                                                1981   Gründung des Verbands Schweizerischer
Absatzkanäle. «Ich denke, das ist ein limi-
tierender Faktor bei der Erreichung unseres
                                                                                                       Bio-Landbau-Organisationen (VSBLO),
Ziels, bis 2025 einen Marktanteil von 25 %                                                             Eintragung der Marke Knospe.
                                                      Verabschiedung der ersten Richtlinien.    1983
zu erreichen», sagt ein Mitarbeiter des Ver-
                                                           Der Verband hat 259 Mitglieder.
bandes, der anonym bleiben möchte.

GEWERKSCHAFT VON IDEALISTEN
Die Bio Suisse, die sich in eine NGO, eine
Gewerkschaft und ein kommerzielles Un-
ternehmen verwandelt hat, hat ihre idealis-
tische und visionäre DNA nicht verloren. Im
Jahr 2008 hat sich der Verband ein neues
Leitbild mit dem Namen «Bioland Schweiz»
gegeben, das darauf abzielt, die gesamte                                                        1992   Der Bund erkennt den ökologischen
Schweizer Landwirtschaft nachhaltig und                                                                Landbau als eine zu fördernde Produktions-
umweltverträglich zu gestalten. In dem                  Einführung von Direktzahlungen für      1993   form an. Erste Verarbeitungsstandards.
Masse, wie das ökologische Modell stärker        ökologische Betriebe. Coop steigt mit seiner
und sichtbarer geworden ist und seine Posi-         Marke Naturaplan in den Biosektor ein.      1995   Auch die Migros beginnt mit Bioprodukten
tion in der Agrarlandschaft (insbesondere
                                                                                                       zu arbeiten, mit eigenen Standards.
durch die Einführung von Direktzahlungen
an zertifizier e Betriebe im Jahr 1993) und in                     VSBLO wird zu Bio Suisse.    1997
den Verkaufsregalen verbessern konnte, hat
es zwangsläufig immer mehr Berufsleute                                                          1998   Die Schweizerische Verordnung über
angezogen, die eher pragmatisch als idealis-                                                           den biologischen Landbau tritt in Kraft.
tisch sind. Das hat manchmal zu Spannun-                                                               Die unabhängige Zertifizierungsstelle Bio
gen zwischen diesen beiden Polen geführt,                                                              Inspecta wird gegründet.
«was wir bei der Abstimmung im Juni 2021            Regina Fuhrer wird die erste Präsidentin    2001
(über die Pestizidinitiative und die Trink-      eines Schweizer Landwirtschaftsverbandes.
                                                                                                2002   Der Umsatz mit Knospe-Produkten erreicht
wasser-Initiative) gesehen haben», sagt Balz      5576 Betriebe sind mit dem Knospe-Label
                                                                                                       1 Milliarde CHF.
Strasser, der heutige Geschäftsführer von                                    ausgezeichnet.
Bio Suisse. «Aber wir haben immer gesagt,
dass Bio Vielfalt bedeutet, auch Meinungs-
vielfalt. Unser Verband hat immer wieder
Diskussionen über seine Ausrichtung ge-
führt, und das müssen wir akzeptieren.»
Dennoch ist der Pionierverein in den vierzig
Jahren seines Bestehens fast unfreiwillig
zum Vorbild für alle geworden, die grund-
                                                                                                                                                        © FOTOS DR

legende Veränderungen in unserer Bezie-
hung zur Erde anstreben. «Für viele Men-                  Der Umsatz mit Knospe-Produkten       2013
schen verkörpert Bio Suisse all ihre                 erreicht 2 Milliarden CHF und 7,1 % des
Hoffnun en und Sehnsüchte für eine besse-                               Lebensmittelmarktes.
re Welt», sagt David Herrmann. «Umwelt-                                                         2015   6031 Betriebe sind mit dem Knospe-
ziele können jedoch nicht allein erreicht                                                              Label ausgezeichnet.
werden. Und Landwirte allein können das
                                                          Die Knospe erreicht einen Umsatz      2017
Lebensmittelsystem nicht verändern. Auch
                                                          von 2,7 Milliarden CHF und einen
die Gesellschaft, der Vertrieb, die Verarbei-                                                   2018   Beträgt der Anteil des Schweizer
                                                                       Marktanteil von 9 %.
tung und die Gastronomie müssen ihren                                                                  Biolandbaus an der landwirtschaftlichen
Teil dazu beitragen und Verantwortung                                                                  Nutzfläche 1 %.
übernehmen. Und der Staat selbst kann
                                                               Bio-Boom: 11 % des Marktes.      2020
diesen Wandel fördern, indem er Nachhal-                                                        2021   7450 Betriebe haben das Knospe-Label.
tigkeitsanforderungen definiert.
                        Blaise Guignard n

                                                                                                                                                   13
Zwei passionierte Handwerker
geben dem traditionellen Biber
seine Einzigartigkeit zurück
Die Appenzeller Lebkuchenspezialität Biber hätte mehr verdient
als ihre industrielle Version. In den Händen der zwei Brüder Silvan
und Claudio Leibacher ist das Schweizer Madeleine zu einer
richtigen Erfolgsgeschichte geworden.

E
         in am Eingang der alten Dorfpost      betrifft behält Claudio lieber für sich:
                                               betrifft,
         aufgehängtes Plakat verkündet         «Wir sind deren drei, die das Rezept ken-
         den neuen Ruf des Ortes: «Bi-         nen.» Die Zutaten sind möglichst Bio und
         ber-Manufaktur». Aus dem un-          aus der Region: Dinkelmehl und Honig
         scheinbaren Postbüro des Dorfes       aus dem Gebiet um Zürich, Milch aus der
         Illnau vor den Toren Zürichs          Nachbarschaft, Zucker aus der Schweiz
         dringt mittlerweile frischer Ge-      etc. Der Teig muss zwei Tage ruhen und
bäckgeruch. Silvan und Claudio Leibacher       unterdessen bereitet man die Füllung zu:
entdeckten diese Örtlichkeiten, als ihnen      «Wir schälen höchstpersönlich unsere fri-
das der Familie gehörende Haus in Wer-         schen Mandeln, und genau dies macht das
matswil eng zu werden begann.                  gewisse Etwas aus!» Die Füllung ist ein
Die beiden Dreissigjährigen befinden sich      gezuckerter Mandelteig, aufgefrischt und
am Anfang einer bemerkenswerten Renais-        ergänzt durch Bio-Zitronenschale und
sance: Das Biberli, gewürztes Süssgebäck       Kirsch.
der Festtage, Proviant auf jeder Schulreise,   Der Teig wird im Walzwerk gepresst, in
urschweizerischer Obstkuchen, gab es           die Form gelegt und dann mit der Füllung
praktisch nur noch in der industriellen        versehen. «Das Basisrezept mit Honig
Version.                                       wurde durch mehrere Varianten ergänzt:
                                               Weisse Gewürzbrötchen mit Anis oder mit
GEHEIMES REZEPT                                Nüssen gefüllte Leckerli, Pralinenhäpp-
Wenig jedoch ausser ihrer appenzellischen      chen, vegane Biberli, wobei der Honig
Herkunft prädestinierte die beiden Brüder      durch Agavensirup und Reis ersetzt
dazu, diesen runden Kuchen mit Kind-
                 aufl ben zu lassen… «Fast
heitsgeruch neu aufleben
jede Bäckerei der Region hatte ihr Rezept»,
sagt Claudio, «aber wir haben vieles aus-
probiert, um dasjenige, das am besten zu
unserer Produktion passte, auf den Punkt
zu bringen.» Historiker von Beruf, wurde
Claudio von der Leidenschaft für diesen
kleinen Fladen aus Mandelteig und seine
einmodellierten Formen ergriffen und ar-
beitete fortan daran, dessen Geheimnisse
zu lüften.
«Alles beginnt in einem grossen Misch-
tank mit Honigsirup, wobei man aufpas-
sen muss, dass man diesen nicht zu stark
erwärmt», erklärt Claudio. «Dann schüt-
tet man alle Zutaten in eine riesige Knet-
maschine: Dinkelmehl mit einem streng
geheim gehaltenen Gewürzgemisch – ja,
es enthält Zimt und Nelken», meint er mit
einem Augenzwinkern. Es folgen Zucker,
Milch und ein wenig Bikarbonat. Was
Details und genaue Mischverhältnisse

14
REPORTAGE                             SB

                 DIE HANDWERKER
                 Claudio Leibacher, 38 (l.), und sein Bruder Silvan,
                 33, landeten nach einigen Umwegen bei der
                 Patisserie. Ersterer ist ursprünglich ein Abenteurer.
                 Fasziniert von den traditionellen Formen, nimmt er
                 nach seinen Studien in Geschichte des Mittelalters in
                 Zürich und Paris die Herausforderung einer neuen
                 Ausbildung zum Bäcker und Holzschnitzer an. Sein
                 Bruder Silvan stösst nach einem Lehrgang in
                 Ökonomie und Marketing im Jahre 2011 zu ihm,
                 zusammen erwecken sie die Biber-Manufaktur zum
                 Leben. Ihre ersten Gewürzbrötchen werden im
                 Kellergeschoss des Familienhauses von Wermatswil
                 ZH gebacken. Das KMU zieht 2017 nach Illnau um
                 und bleibt dabei ein Handwerksbetrieb. Claudio
© REGINA JÄGER

                 kreiert die Formen und wacht über die Herstellung
                 der Kuchen, während Silvan sich um den Verkauf
                 und das Marketing kümmert. Seit 2019 arbeitet
                 auch ihre Schwester Petra, 36, im Betrieb.

                                                                    15
SB    REPORTAGE

                                              Légende

                                                                                                                                                            © FOTOS REGINA JÄGER
     wird. Wir haben die Herstellung der      Demnächst dürfte die Manufaktur auch                   Familienwappenmotiven, die von Claudio
Spezialitäten ohne Gluten in unserer an-      weiche Amaretti lancieren. Diese kleinen               immer sorgfältig geschnitzt wurden, auch
deren Produktionsstätte in Wermatswil         Wunderwerke kann man online bestellen                  – in Anspielung auf die Aktualität – Mo-
behalten, um jegliche Verunreinigung zu       oder in Spezialitätengeschäften – vor al-              tive in Form eines Wunsches mit der ma-
vermeiden», präzisiert der Handwerker.        lem im Raum Zürich – erwerben.                         gischen Dialektformel Bliibxund …
Nun bleibt nur noch das Backen: «Etwa 12      Man findet ab sofort unter zahlreichen                                    Véronique Zbinden n
Minuten bei ca. 230 Grad, je nach Form        Formen mit Blumen-, Tier- oder                         MEHR INFOS www.biber-manufaktur.ch
und Grösse», sagt Claudio.
Der handwerklich hergestellte Biber ist ein
voller Erfolg; das KMU zählt etwa zehn
                                              MITTELALTERLICHE WURZELN
Mitarbeitende bei einer Fabrikation, die      Biber, Biberli, Biberfladen: Drei Namen, die aus der Ostschweiz, aus den beiden Appenzell und St. Galle
wirklich handwerklich bleibt: Claudio         stammen und verwandte Spezialitäten bezeichnen. Die Nuancen betreffen die Grösse, die Form (rund,
schnitzt seine Model aus Birnbaumholz.        quadratisch oder rechteckig, in Modeln gebildet), aber auch den Umstand, ob eine Füllung vorhanden ist
                                              oder nicht. Und nun stellt sich die Frage: St. Gallen oder Appenzell? Ein heikles Thema in den Augen der
ZUSAMMENARBEIT UND VARIATIONEN                Leute, die aus den beiden Regionen stammen. Gemäss gewissen Experten jedoch kommt die Version mit
Letztes Jahr wurden 20 Tonnen hergestellt     Füllung vermutlich aus St. Gallen, während die Gewürzbrötchen ohne Füllung den mittelalterlichen Klöstern
und zwar mit saisonalen Variationen. Im       der Region entstammen dürften. Die Bezeichnung kommt vermutlich vom lateinischen piper – gemäss dem
Sommer wird der Rhythmus langsamer,           Inventar des kulinarischen Erbes der Schweiz – und bedeutet Pfeffer, aber auch die Gesamtheit der
die Produktionsspitze liegt vor den Fest-
                                              Gewürze, welche damals Mode waren. Der Kuchen verdankt diesen – wie auch dem Honig – seine dunkle
tagen, wenn die Lust auf Süsses und Ge-
                                              Farbe: Der Teig muss ruhen, damit die Parfums ihre Wirkung entfalten, präzisiert das nationale Inventar
schenke erwacht. Obgleich diesen Winter
wegen der Pandemie alles komplizierter        der kulinarischen Traditionen. Bei den anderen Zutaten kann es sich um Weizen- oder Dinkelmehl handeln,
war, hat die Belegschaft in Zusammenar-       mit oder ohne Eier, Milch, Zucker, Hefe. Die Füllung kann geschälte Mandeln enthalten, bittere inbegriffen,
beit mit dem bekannten Zürcher Schoko-        Zucker, Wasser, Zesten von Zitrusfrüchten, ja sogar Kirsch. Andernorts bekannt unter der industriell
ladehersteller La Flor einen Adventskalen-    hergestellten Form, bleibt der Biber von November bis Januar das Aushängeschild der Bäckereien in
der für Feinschmecker hervorgebracht.         Appenzell.

16
SB

            BIOLAND
            PUSCHLAV
    Das kleine italienischsprachige Tal in Graubünden
 bereitet gerade eine Premiere in unserem Land vor: Bald
  werden 100 % seiner Landwirtschaftsbetriebe mit dem
Label Bio Suisse zertifizie t sein. Durch die Schaffung von
  kurzen Produktionsketten wird die gesamte regionale
         Agrarproduktion schon jetzt aufgewertet.

                                                              17
© CLAIRE MÜLLER/DR

18
DOSSIER                    SB

D
              ie Valposchiavo oder das          bis in die 1960er-Jahre», berichtet die aus
              Puschlav ist sozusagen eine       dem Jura stammende junge Agronomin.
              Schweiz im Kleinformat, denn      «Um den Ackerbau wiederauferstehen zu
              von einem mittelmeerähnli-        lassen, brauchten wir nur wieder Landma-
              chen Klima gelangt man in         schinen anzuschaffen, denn das Know-how
              nur wenigen Kilometern zu         und das Interesse waren bei allen Landwir-
              einem rauen Alpenklima. Von       ten des Tals immer noch gegenwärtig.»
den Oliventerrassen bis zu den Alpen an
steil abfallenden, von ewigem Schnee be-        GETREIDEANBAU KEHRT ZURÜCK
deckten Hängen ist es nicht weit, nicht mal     2017 konnte Rosalie Aebi rund zehn Land-
20 Minuten Fahrtzeit, die man entlang des       wirte des Tals überzeugen, zur Inwertset-
sprudelnden Flusses Poschiavino, umgeben        zung der lokalen Ernte eine Genossenschaft
von den beiden steilen, das Tal begrenzen-      zu gründen. Seitdem werden ungefähr 15
den Berghängen zurücklegt.                      Hektaren Roggen, Gerste, Brotweizen und
Nicht weit entfernt vom Gebirgsbach, im         Buchweizen, alle Bio-zertifiziert angebaut,
kleinen Weiler Le Prese, begutachtet Rosa-      geerntet und in der Umgebung von Po-
lie Aebi ihre in diesem Monat allmählich        schiavo weiterverarbeitet. «Weizen und
gelb werdenden Dinkelähren. Eine von elf        Dinkel werden an die Bäcker geliefert, die
Hektaren ihres auf 1000 Metern Höhe ge-         verschiedene Brotsorten und das Brascia-
legenen Bio-Hofs bewirtschaftet sie mit         dela, das traditionelle Roggenringbrot, her-
Getreide – Roggen, Dinkel, Weizen – und         stellen», führt Rosalie Aebi aus. Die Roll-
Buchweizen. Für diese Region, die sich          gerste ist für Suppen bestimmt und der
durch karge Böden auszeichnet, wo die           Buchweizen für die Pizzoccheri, beides tra-
Winter sehr hart sein können und die Nie-       ditionelle Spezialitäten aus dem Puschlav
derschläge nicht mehr als 600 mm im Jahr        und aus Graubünden, die auf den Speise-
erreichen, ist dies eine echte agronomische     karten der Restaurants stehen oder in den
Herausforderung. «Im Puschlav hat es            Bäckereien des Tals angeboten werden.
schon immer Ackerkulturen gegeben, sogar        «Die biologische Landwirtschaft passt

                                     Bernina
                                  Hospizhotel

                                                Berninapass
                                  Lago Bianco   2328 m

                                                                                  I TALIE N

                                           Poschiavo

                                                  Le Prese
                                                              Lago di Poschiavo

                                                                       Brusio

                                                              Campascio
Dank Rosalie Aebi,
Biobäuerin und Leiterin
                                                              Campocologno
einer Produktionsgenos-
                                                                                                   © PASCAL ERARD

senschaft, wächst im           Puschlav
Puschlav wieder Getreide
– zur Freude der Bäcker                                                              Tirano
und Gastronomen im Tal.
                                                       I TALIEN

                                                                                              19
EIN URALTES REZEPT:

   GLUTEN UND
   LAKTOSEFREI.
    VISIONÄR.

Jetzt profitieren und Mitglied bei Agrotourismus Schweiz werden
                                                                  Anmeldung
· Ferien auf dem Bauernhof
 Alphütten ∙ Ferienwohnungen ∙                                    Vorname:
 Gruppenunterkünfte ∙ schlafen im
                                                                  Name:
 Stroh ∙ Gästezimmer ∙ Tipi ∙ Camping...

· Gastronomie auf dem                                             Hofname:

  Bauernhof                                                       Adresse:
 Hofbeizli ∙ Catering ∙ Bankette ∙
 Veranstaltungen...                                               PLZ, Ort:

· Erlebnis auf dem Bauernhof                                      Tel. :
 Kinderferien ∙ Ausflüge ∙ Gruppen-
 anlässe ∙ Reitferien ∙ Mithilfe auf dem                          Mail :
 Bauernhof ∙ Wellness...

· Hofläden                                                        Anmeldung Agrotourismus Schweiz:

                          WIR                                     ❍   Ja, ich möchte Mitglied werden bei

                         BIETEN
                                                                      Agrotourismus Schweiz und bitte um Zustellung
                                                                      der Anmeldeunterlagen
                                      tform
                    Buchungsplat                                           per E-Mail
                                        ebseite
                                                                      ❍
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                                                                      ❍    per Briefpost
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                                      ismus!
                     Schweiz Tour
                                                                                               Adresse:
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                                                                                               Brunnmattstr. 21
                                                                                               3007 Bern
                                                                                               info@myfarm.ch

                                                  www.myfarm.ch
DOSSIER               SB

In San Carlo verarbeitet
Toni Giacomelli eine Million
Liter Milch pro Jahr zu
verschiedenen Speziali-
täten. Seine Käserei, die
die Milch von rund 15
Bioproduzenten bezieht,
war in den 1980er die
erste, die in der Schweiz
biologisch zertifiziert
wurde.

                                                                                                                                         © CLAIRE MÜLLER/DR
      hervorragend zu unserem Klima und        werden. An diesem Morgen sind Elmo Za-       muss, mit Chemikalien zu behandeln.»
unserer Bodenbeschaffenheit und ent-           netti und Alice Raselli, die den Landwirt-   Die sehr sonnige und regenarme Region ist
spricht unserer relativ extensiven Bewirt-     schaftsbetrieb Al Canton gemeinsam           hervorragend für den Anbau von Heil-
schaftungsmethode: Hier leben wir mit der      bewirtschaften, mit der Ernte der Gold-      pflanzen geeignet. «Auf 1000 Metern
Natur und nehmen uns nur, was sie her-         melisse beschäftigt. «Die Zeit wird knapp,   Höhe sind die Wachstumszeiten länger als
gibt», fasst die junge Verantwortliche der     am Ende des Vormittags sind Gewitter         im Tal, daher entwickeln die Kräuter viel-
Genossenschaft zusammen, die mittelfris-       vorhergesagt, und Feuchtigkeit wirkt sich    seitigere und intensivere Aromen.» Von
tig die Errichtung einer Sortierstelle und     negativ auf die Qualität der für die Her-    Mai bis Oktober ernten Elmo, Alice und
einer Trocknungsanlage plant, um die Qua-      stellung von Kräutertees bestimmten          ihr Team Minze, Thymian, Eisenkraut,
lität der ausgelieferten Ware zu verbessern.   Blumen aus», vertraut uns Elmo an, der       Lavendel, Kornblumen, Ringelblumen
«In einem weiteren Schritt möchte ich          seine fünf Hektaren aromatischer Kräuter     etc. von Hand und trocknen mithilfe von
meinen Betrieb in Richtung Gemüseanbau         seit über dreissig Jahren nach den Grund-    mit Sonnenenergie erhitzter Luft Dutzen-
weiterentwickeln», fährt Rosalie begeistert    sätzen der biologischen Landwirtschaft       de Säcke mit Blumen und Blättern, die
fort und zeigt auf einige etwas weiter weg     anbaut. «Agronomisch gesehen ist es          im Winter sortiert und in Beutel gefüllt
liegende Reihen von grünem Spargel.            nicht akzeptabel, aromatische Pflanzen       werden.
                                               die man aufgiessen und ziehen lassen
PARADIES DER HEILPFLANZEN                                                                   DAS TAL SPIELT MIT
Auf der Weiterfahrt in Richtung Lago di                                                     Die von Elmo vor mehr als zwanzig Jahren
Poschiavo kann man denn auch Gemüse-                                                        gegründete Marke Al Canton findet man
parzellen sehen, deren Produktion durch                                                     nicht nur in den Regalen von Supermärkten
                                                     «Hier leben wir mit
die Nachfrage aus dem Hotelgewerbe und                                                      der Ostschweiz, 10 % der produzierten
der Gastronomie in den letzten Jahren ge-         der Natur und nehmen uns                  Menge werden auch direkt in der Region
steigert wurde. Aber ins Auge fallen eher           nur, was sie hergibt»                   konsumiert. «Die 4500 Einwohner des
farbenfrohe Ringelblumen-, Lavendel-                   Rosalie Aebi, Landwirtin             Puschlav unterstützen die lokalen Produk-
und Kornblumenfelder, bei deren Anblick                                                     te», was Elmo sehr zu schätzen weiss, der
die Velotouristen regelmässig langsamer                                                     einen Teil seiner Produktion auch an

                                                                                                                                    21
SB     DOSSIER

     die Tausenden von Touristen, die je-                                                   Speisekarte mindestens drei Gerichte, die
des Jahr das Tal durchqueren oder besu-                                                     aus lokalen Rohstoffen hergestellt werden,
chen, verkauft. «Dank ihrer Hotels, Cam-              «Die Hotels der Region                anzubieten», erklärt Francesco Vassella.
pingplätze, Gästezimmer und Ferienhäuser                                                    Der 40-Jährige koordiniert das Projekt zur
verzeichnet die Region 100 000 Übernach-
                                                     bieten lokale Fruchtsäfte              regionalen Entwicklung (PRE) «100 %
tungen pro Jahr», erklärt Kaspar Howald,                 zum Frühstück an.                  (bio) Valposchiavo», von dem die Region
Geschäftsführer der Touristeninformation            Dies ist für meinen Betrieb             seit 2020 profitiert Das gemeinsam vom
des Puschlavs. Für dieses Tal ist die Vielfalt          eine echte Chance.»                 Bundesamt für Landwirtschaft und dem
der lokalen Produktion – Pflanzen Getrei-                                                   Kanton Graubünden finanzier e Projekt
de, Milchprodukte, Fleischerzeugnisse,                  Nicolò Paganini, Landwirt           bündelt die Kräfte der Bauernverbände
Obst und Früchte – ein Glücksfall. Ange-                                                    von Brusio und von Poschiavo, der Bran-
regt von den Akteuren aus der Tourismus-                                                    chenverbände der Valposchiavo und des
und Gastronomiebranche wurde denn auch           Partnern Davide und Sandro entwickelt      regionalen Tourismusbüros. «Unser Ziel
vor fünf Jahren eine eigene Marke, « 100 %       hat, werden nur Zutaten aus der Umgebung   für 2026 ist klar: 100 % der landwirt-
Valposchiavo », gegründet, die nunmehr           verwendet. «Der Ravioli-Verkauf macht      schaftlichen Flächen sollen bis dahin den
150 Produkte aus lokalen und vor Ort ver-        nunmehr 20% meines Umsatzes aus», teilt    Leitlinien von Bio Suisse entsprechen»,
arbeiteten Bio-Rohstoffen zählt.                 uns die Konditorin mit, die Restaurants    erklärt Francesco Vassella. Ein durchaus
Dazu gehören auch die Teigwaren und Kek-         und Geschäfte nicht nur im Tal, sondern    realistisches Vorhaben, denn seit den
se von Giovanna Tosio, Konditorin in Po-         auch im Engadin beliefert.                 2000er-Jahren beträgt deren Anteil schon
schiavo, die seit kurzem ein Ravioli-Sorti-                                                 deutlich über 90 %. «In der Gegend gibt es
ment « 100 % Valposchiavo » anbietet. Ob         UNTERSTÜTZUNG WILLKOMMEN                   seit über 30 Jahren eine echte Biokultur»,
Fleisch, Mehl, Eier, Kräuter, Käse, Gemüse       «Seit 2015 konnten wir ein Dutzend         erwähnt Kaspar Howald. Diese in der
oder Marroni und Kartoffeln, für die etwa        Restaurants der Region überzeugen, eine    Schweiz einzigartige Situation geht vor al-
zwölf Rezepte, die sie gemeinsam mit ihren       Charta zu unterschreiben und auf ihrer     lem auf einen Käsehersteller zurück, der in

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Von Mai bis Oktober
                                                                                                                                       erntet Elmo Zanetti seine
                                                                                                                                       aromatischen Pflanzen und
                                                                                                                                       vertreibt seine Al Canton
                                                                                                                                       Teebeutel in der ganzen
                                                                                                                                       Schweiz. Das Projekt
                                                                                                                                       «100 % Bio» umfasst auch
                                                                                                                                       Verarbeiter. Die Konditorin
                                                                                                                                       Giovanna Tosio hat
                                                                                                                                       beispielsweise damit
                                                                                                                                       begonnen, Ravioli aus
                                                                                                                                       Rohstoffen aus dem Tal
                                                                                                                                       herzustellen.

                                                                                                                  © CLAIRE MÜLLER/DR

den 1980er-Jahren der Erste im Land war,      besser, indem wir Tunnel zum Schutz vor        Mittel in ihren Gärten zu verzichten. Als
der auf Bio umstieg, wodurch alle Milch-      Pilzbefall errichten und alternative Metho-    erste hundertprozentige Bio-Region des
produzenten des Tals angeregt wurden,         den zur Unkrautbekämpfung anwenden.»           Landes würde das Puschlav seinen Pionier-
mitzumachen. «Die Umstellung war für                                                         status bestätigen: «Die Puschlaver hängen
die Landwirte kein Problem, da in unserer     VOM FRÜHSTÜCK BIS ZUR PIZZA                    nicht nur sehr an ihrer Landschaft und ih-
Bergregion praktisch keine Kunstdünger        Nicolò Paganini gibt gerne zu, dass die Ent-   ren Feldern, sie sind auch sehr offen und
eingesetzt werden».                           wicklung des Agrotourismus und des PRE         dynamisch», sagt Kaspar Howald. «Die
Nicolò Paganini war einer der letzten Land-   stark zu seiner Motivation beitragen. «Die     Umstellung auf 100 % Bio wird nicht nur
wirte, der diese Anbaumethode übernahm.       Hotels der Region bieten seither anstelle      zu einer besseren Lebensqualität beitragen,
In Campascio, dem auf 600 Metern Höhe         von Orangensaft lokale Fruchtsäfte zum         sondern uns auch ermöglichen, Arbeits-
liegenden letzten Dorf vor dem italieni-      Frühstück an. Dies ist für meinen Betrieb      plätze zu schaffen und die Attraktivität
schen Veltlin,     wachsen Kiwipflanzen       eine echte Chance», erklärt er. Gut ein        unserer Region für die Touristen aufrecht-
Kaki-, Marroni- und Olivenbäume. «Ich         Drittel seiner jährlichen Früchteproduktion    zuerhalten.»
habe wegen des Klimas begonnen, Beeren-       verarbeitet er selbst. «Übrigens kultivieren   Und wer weiss, vielleicht wird das kleine
früchte anzubauen», erzählt er. So kulti-     wir seitdem auch Tomaten, damit wir die        Tal in Graubünden zu einem Vorbild für die
viert er auf ungefähr 10 Hektaren Himbee-     Nachfrage der Pizzerien bedienen können,       Schweiz. «Mit dieser Initiative zeigt das
ren, Brombeeren und Blaubeeren, angelegt      die 100 %-Valposchiavo-Pizzas anbieten         Puschlav, dass es möglich ist, das Ziel
in rund 70 kleinen Terrassenparzellen.        wollen und dafür lokal hergestellte Toma-      «100 % biologisch» zu erreichen, bemerkt
«Unsere steinigen Böden, die Ausrichtung      tensauce benötigen!»                           Lukas Inderfurth, Leiter Kommunikation bei
unserer Terrassen und der ständige Berg-      In diesem kleinen Tal, das Grosses vorhat,     Bio Suisse. Zuerst ein ganzes Tal, dann ein
und Talwind sind ideale Voraussetzungen       sind noch weitere Projekte in Vorbereitung,    ganzer Kanton (in Graubünden werden schon
für Beerenkulturen.» Aber der Bioanbau        so die Errichtung eines Schlachthofs und       60 % der Betriebe biologisch bewirtschaftet).
stellt auch eine Herausforderung dar.         einer Metzgerei oder Anreize für Privatper-    Warum nicht in der ganzen Schweiz?»
«Nach und nach gelingt es uns immer           sonen, auf die Verwendung synthetischer                                  Claire Müller n

                                                                                                                                                               23
SB     REPORTAGE

Bei Mauerhofer entstehen exklus
2017 haben Michael Fankhauser und Curdin Janett eines der
traditionsreichsten Käsehandelshäuser der Schweiz in Burgdorf BE
wieder zum Leben erweckt. Im Angebot stehen erlesene
Kreationen von Schweizer Käsermeistern. Traditionellerweise reift
der Käse im eigenen Keller heran, bevor er in der ganzen Schweiz
vertrieben wird

 A
               ls Werbeprofis im Raum           erzählt Curdin Janett. Käser wanderten aus,      Michael Fankhauser und
               Genf-Zürich haben Micha-         weil sie anderswo grössere Chancen sehen.      Curdin Janett (v.l.) pflegen
               el Fankhauser und Curdin         In den 1990er-Jahren stoppt die Schweize-        ihre edlen Käselaibe, die
               Janett einen ganz anderen        rische Käseunion die Subventionierung des      zur Reife ein bis drei Jahre
               Weg eingeschlagen als ihre       Handwerks, was dazu führt, dass grosse Fa-     im eigenen Sandsteinkeller
                Grossväter, die ihrerseits      milienunternehmen – wie Mauerhofer                  in Burgdorf BE lagern.
                Milchproduzenten im Em-         1992 – von der Bildfläche erschwinden.
mental und im Graubünden waren. 2017            Was aber treibt die zwei Unternehmer an,
kehrten die Fünfziger zu ihrer ersten Liebe     die Firma über zwanzig Jahren nach ihrem
zurück, als sie das Unternehmen Mauer-          Verschwinden wiederzubeleben? «Die Lie-
hofer wiederbelebten. Sie bieten erlesene       be zum Qualitätskäse und zum regionalen
Schweizer Spezialitäten an, die nach vor-       Handwerk», lautet die spontane Antwort
bildlichen Vorgaben ausgewählt und mit          von Michael Fankhauser. Durch seine Ar-
grösstem Respekt vor dem Traditions-            beit jenseits des Atlantiks wird der ehema-
handwerk zu Ehren der jahrhundertealten         lige Marketingchef einer Uhrenmarke auf
Geschichte des Berner Unternehmens ver-         die schwache Präsenz des Produkts im
edelt werden.

DAS GOLDENE KÄSEZEITALTER
Alles beginnt 1770 im Emmental. Familie
Mauerhofer ist bereits im Leinen- und             «Ich hatte die Befürchtung,
Tuchhandel tätig, als sie sich an der Ver-        dass die Industrialisierung
marktung von regionalem Käse versucht.
Der Erfolg lässt nicht auf sich warten und
                                                      zum Aussterben der
wird bis Anfang des 20. Jahrhunderts fort-        kleinen Handwerksbetriebe
gesetzt. «Zu dieser Zeit hat das Land vom          führen wird. Mithilfe des
Ausland her den Klee entdeckt und den             Marketings wollte ich etwas
Futterbau entwickelt. Dadurch wurde die
Milchproduktion nicht mehr auf die Som-
                                                         dagegen tun.»
mermonate auf der Alp beschränkt, son-
dern war das ganze Jahr über auch im
Flachland möglich. Die Erträge konnten da-
mit deutlich gesteigert werden», erzählt        Ausland aufmerksam. «Die Schweiz ist viel
der geschichtsbegeisterte Michael Fank-         weniger für ihren Käse bekannt als für ihre
hauser. Während des Ersten Weltkriegs           Uhren und die Schokolade. Emmentaler
werden die Produzenten vom Staat fina -         findet man zwar in vielen Ländern, aller-
ziell unterstützt, um die Preisstabilität des   dings wird er dort hauptsächlich industriell
weissen Goldes und die Versorgung der Be-       hergestellt und hat mit dem Original aus
völkerung zu garantieren. Als Folge findet      unseren Bergen rein gar nichts zu tun. Das     grössten Werbeagentur der Schweiz, spielte
ein regelrechter Exportboom von Greyerzer       finden wir schade.» Natürlich treibt ihn       schon länger mit demselben Gedanken.
und Emmentaler statt, wodurch die Schweiz       auch der Wunsch an, die Käsereien aus sei-     «Die massive Industrialisierung dieses
mit ihren Spezialitäten auch über die Gren-     nem Heimattal zu erhalten. «Im Laufe der       Marktzweigs und der starke Preisdruck be-
zen hinaus in aller Munde ist. Im Emmental      Jahre habe ich viele Käsekeller und Han-       schäftigen mich schon, seit ich denken
kommen viele Grossfamilien – später als         delshäuser verschwinden sehen, die wäh-        kann. Ich hatte die Befürchtung, dass die-
Käsebarone bekannt – zu Reichtum und in         rend der Blütezeit erbaut wurden. Daraus       ses Phänomen zum Aussterben der kleinen
den Dörfern entstehen viele kleine Kä-          wurden dann Zahnarztpraxen oder Restau-        Handwerksbetriebe führen wird. Mithilfe
sereibetriebe. «Für mehr als ein Jahrhun-       rants. Ich wollte etwas dagegen tun und die    des Marketings wollte ich etwas dagegen
dert war dieses Gewerbe eine Goldmine.          Tradition der Region in ein neues Licht rü-    tun.» Geleitet von derselben Idee haben die
Dieser Erfolg hat leider nicht angedauert»,     cken.» Curdin Janett, einst CEO der            beiden Männer, die sich zuvor nicht

24
ive Käsespezialitäten

                                                                                                                                            © JEAN-PAUL GUINNARD/DR

 kannten, die Köpfe zusammengesteckt und        Diese müssen sich an strenge, aber ent-        ökologisch verantwortungsbewusstes Bau-
 das Projekt in die Tat umgesetzt.              scheidende Kriterien halten: Artgerechte       ern sowie die Erhaltung und Nutzung alter
                                                Tierhaltung mit regelmässigem Auslauf,         Schweizer Rinderrassen wie des Rätischen
 STRENGE AUFLAGEN                               100% Gras- und Heufütterung, nur frische       Grauviehs. Unser Credo lässt sich in einem
 Heute verkaufen Michael Fankhauser und         Rohmilch aus maximal 10 Kilometern Um-         Satz zusammenfassen: Wir wollen, dass
 Curdin Janett eine ganze Palette an Käse       kreis, pure Natürlichkeit ohne Zusatzstoffe,   unser Käse so hergestellt wird wie vor 100
 aus dem ganzen Land, darunter auch spe-        traditionelles Handwerk, faire Entlohnung      Jahren», meinen die beiden.
 ziell für ihr Sortiment entwickelte Spezia-    der Milchbauern und Qualitätsprüfung
 litäten, die eigens veredelt werden. Dafür     durch Experten.                                ERHALT DES LOKALEN HANDWERKS
 ist das Duo durch die ganze Schweiz ge-        «Wir unterstützen ebenso die Milchverar-       Ganz neue Spezialitäten zu entwickeln und
 reist, um sich mit Käsermeistern zu treffen.   beitung vor Ort, die faire Entschädigung für   auf den Markt zu bringen, war keine

                                                                                                                                       25
SB    REPORTAGE

     einfache Angelegenheit. «Die Produ-       etwa mit einer Salzlake auf Weinbasis –
zenten mussten überzeugt und viele Versu-      abgerieben und regelmässig von Hand ge-
che unternommen werden, bevor in einem         wendet, damit sich die Rinde bilden kann.
grösseren Massstab produzieren werden          Auf diese Weise erreichen sie ihre optimale
konnte. Die Arbeit ist intensiv, aber zu-      Reife und entwickeln ihren subtilen, voll-
gleich unglaublich fesselnd», gestehen die     mundigen Geschmack. «Bei uns dauert der
beiden Käseliebhaber. Sie schätzen den         Reifeprozess zwischen einem und drei Jah-
Kontakt mit den Landwirten auf ihren Hö-       ren. In der Schweiz, wo der Käse oft nur
fen. Aktuell versammelt das Haus Mauer-        wenige Monate ruhen kann, ist dies aus
hofer Produkte von einem Dutzend Käse-         Personal- und Platzgründen selten der Fall.
reien aus dem Bernischen, dem Tessin, dem      Dadurch heben wir uns ab», sagt das Duo,
Graubünden, dem Toggenburg (SG) und            das seinen Angestellten auch gerne unter
den Kantonen Waadt und Freiburg. In we-        die Arme greift. «Jeden Tag entdeckt man
nigen Jahren wurden mehr als 30 Speziali-      neue Dinge. Man fühlt sich wie ein Lehrling
täten entwickelt. Darunter befinden sich       in seinem eigenen Unternehmen!»
die Kreationen Gran Ticino, Original Sim-
mentaler, Fleur de Montagne, Chamembre-        IM REGAL ODER AUF BESTELLUNG
bis oder Zigerklee (siehe Seite 27). «Im 20.   Das Sortiment ist in allen Globus-Ver-
Jahrhundert wurde der Sektor vereinheit-       kaufsstellen der Schweiz erhältlich, ebenso
licht, denn Gruyère und Emmentaler lies-       wie im Online-Shop von Mauerhofer. Be-
sen sich gut exportieren und nahmen nahe-      sonders während der Pandemie wurde dort
zu den gesamten Markt ein. Heute fördern       ein grosser Erfolg verzeichnet. Es ist auch           ORIGINAL
wir die Kreativität der Käser, um auch an-
dere Regionen der Schweiz zu beleuchten.»
                                               möglich, ein Käseabo abzuschliessen. Für
                                               40 Franken im Monat erhalten Sie ein Sor-
                                                                                                  SIMMENTALER
Mit der Absicht, die landwirtschaftlichen      timent von vier oder fünf Stück à 200 g                Dieser Hartkäse wird auf dem
Berufe aufzuwerten, zahlen sie für den Liter   Kuh-, Ziegen-, Schaf- oder Büffelkäse di-               Familienbetrieb Le Sapalet in
Milch einen Franken, gut ein Drittel mehr      rekt zu sich nach Hause. Die Verpackung ist           Rossinière im waadtländischen
als der Industriepreis. «Für die Produzen-     versehen mit dem Markennamen, dem Na-                  Bezirk Pays d’Enhaut von der
ten ist dies ein grosser Vorteil. Inzwischen   men des Käsermeisters sowie dem Herstel-            Familie Henchoz hergestellt. Die
kommen sie auf uns zu, um mit uns zu ar-       lungsdatum des Produkts. Direkt daneben              Milch stammt von einer kleinen
beiten. Wir sind stets auf der Suche nach      ist das Logo des Unternehmens – ein Pfer-          Kuhherde aus Simmentalern. Die
innovativen Handwerkern, um neue Wege          dekarren – abgebildet. «Dank dieses              Zucht dieser uralten Hornkühe wird
der Zusammenarbeit zu schaffen.»               Transportmittels konnten die Käselaibe im       von der schweizerischen Stiftung zur
                                               19. Jahrhundert auf dem Weg ins Ausland
                                                                                                       Erhaltung und Förderung der
OPTIMALE REIFUNG                               von den Kellern zu den Bahnhöfen ge-
                                                                                                  genetischen Vielfalt in Fauna und
Wenn sie sich nicht direkt von den Produ-      schafft werden. Eine schöne Hommage, wie
zenten beliefern lassen, machen sich Mi-       wir finden.                                        Flora Pro Specie Rara unterstützt.
chael Fankhauser und Janett Curdin auf die     Michael Fankhauser und Curdin Janett ha-          Der Original Simmentaler wird bis
Suche nach hochwertigem Käse für die La-       ben auch insbesondere den ausländischen                zu zwei Jahre im Mauerhofer-
gerung in Burgdorf BE, wo sich auch der        Hotellerie- und Gastronomiesektor im Vi-                      Sandsteinkeller gereift.
Sitz des Unternehmens befindet «Das            sier. «Uns ist sehr wohl bewusst, dass die-
kann wöchentlich, monatlich oder einmal        ser Markt eine Nische ist und auch bleibt.»
im Jahr sein, je nach Sorte.» Im Sandstein-    Nächstes Jahr verlegen sie ihre Schätze in
keller des Gebäudes reifen Dutzende Käse-      einen grösseren, traditionellen Keller in
laibe. Weitere Hunderte lagern ein paar Ki-    Sumiswald BE, wo auch eine Verkostungs-
lometer entfernt. Nun folgt eine der           ecke geplant ist, um Abnehmer zu empfan-
wichtigsten Phasen: die sogenannte Affi -      gen und die Schweizer Käsekultur zu teilen.
ge. Sie steht für den Ruf des Unterneh-        «Wir sehen uns nicht nur als Händler, son-
mens. Mehrmals die Woche widmen sich           dern auch als Mitgestalter», halten sie fest.
zwei erfahrene Käsermeister der Pfl ge der                                   Lila Erard n
Laibe. Dabei werden diese – einige Sorten      MEHR INFOS www.fromagemauerhofer.ch

26
FLEUR DE MONTAGNE
Dieser cremige Bio-Weichkäse wurde im Emmental auf einer Höhe von
730 Metern vom Käser Martin Götschi entwickelt. Die angebauten, gepflückten
und getrockneten Kräuter – darunter Kornblume, Ringelblume, Ysop und
Liebstöckel – verleihen dem Käse nebst seiner ungewöhnlichen Farbenpracht
auch die blumig aromatische Rinde, die ebenfalls zum Verzehr geeignet ist.

                                                                              ZIGERKLEE
                                                                              Dieses exklusive Mauerhofer-Produkt ist nach
                                                                              dem Zigerklee benannt. Dieses Bergkraut wird
                                                                              auch zum Würzen des berühmten Schabziger
                                                                              verwendet. Es wird hergestellt im Toggenburg (SG)
                                                                              von Willi Schmid, und dann sechs Monate bis zwei
                                                                              Jahre lang gereift.

                                                                                                  GRAN TICINO
                                                                                 Seinen Geschmack und seine Textur verdankt der
                                                                                  Gran Ticino dem Tessiner Klima und seiner Flora.
                                                                                Zusammen mit seiner für die Region charakteristi-
                                                                                      schen gräulichen Rinde bildet er einen klaren
                                                                                  Kontrast zum Käse nördlich der Alpen. Der Gran
                                                                                   Ticino wird von Giorgio Dazio aus Rohmilch von
                                                                              Hand gefertigt. Wenn die zwanzig Brown-Swiss-Kühe
                                                                               von Bauer Michele im Herbst von der Alp abziehen,
                                                                                           werden unten im Maggiatal exklusiv für
                                                                                               Mauerhofer einige Laibe hergestellt.

                                                                                                                                       © FOTOS DR

                                                                                                                                  27
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ENTSCHLEUNIGEN,
 UM DAS WALLIS
    BESSER ZU
   ENTDECKEN
 Die Slow-Food-Travel-Destinationen haben sowohl
gastronomisch wie landschaftlich sehr viel zu bieten.
Der Kanton Wallis ist diesbezüglich der Pionier in der
  Westschweiz. Eine Übersicht voller Genüsse und
                       Farben.

                                                         29
© DR
Slow Food Travel, eine neue Art,
mit den Sinnen zu reisen
Auf Erlebnisse setzen statt auf simplen Konsum: ein neues touristisches Angebot von Slow Food
taucht jetzt auch in der Schweiz auf. Es schlägt Touren zur Entdeckung der Schätze des Terroirs vor
und verspricht Erinnerungen an unvergessliche Ferien.

S
            eit 35 Jahren engagiert sich die   heutigen Generation entspricht, die reist,     Labels «Hausgemacht» und der Saisonali-
            Slow-Food-Bewegung, die der        um zu erleben, um tief einzutauchen, in-       tät vor und betont die Kommunikation mit
            italienische Journalist und So-    dem sie alle ihre Sinne einsetzt.              den Kunden.
            ziologe Carlo Petrini gegründet    Auf regionaler Ebene verpflich en sich die
            hat, für den einfacheren Zugang    verschiedenen Tourismusakteure, die sich       SANFTERER TOURISMUS
            zu Lebensmitteln, die sowohl       dem Angebot von Slow Food Travel an-           Über die Einhaltung dieser Vorgaben hin-
            bezüglich Geschmack wie auch       schliessen wollen, in einer Charta zu einer    ausgehend, ermutigt Slow Food Travel jede
Gesundheit einwandfrei sind. Durch die In-     Reihe von strengen Richtlinien. Sie ver-       Region, sich das Konzept zu eigen zu ma-
wertsetzung fairer und umweltfreundlicher      pflich et die Produzenten zur Sicherung        chen und Touren zu kreieren, die ihrer ei-
Produktionsweisen rückt diese Bewegung         des Tierwohls, verbietet die Verwendung        genen Identität entsprechen: Es geht nicht
historische Spezialitäten, die den Reichtum    von Pflanzenschu zmitteln, gentechnisch        darum, in jeder Ecke der Schweiz das glei-
des kulinarischen Erbes der Welt verkör-       veränderten Organismen, Zusatzstoffen          che Erlebnis anzubieten, im Gegenteil. Die
pern, wieder in den Vordergrund.               oder synthetischen Farbstoffen und zielt       Besucher aufzuklären und zu sensibilisie-
                                               darauf ab, Abfälle zu reduzieren. Im Bereich   ren für die Erhaltung der biologischen Viel-
EIN ANGEBOT, DAS ZUR ZEIT PASST                der Gastronomie sieht die Charta die För-      falt und des kulturellen Erbes, der Identi-
Aber die Tradition zu achten, heisst nicht,    derung der gastronomischen Kultur der          täten und der lokalen Gastronomie bei
stillzustehen: Ohne die vielfältigen Unter-    Region und der lokalen Produkte, ein-          gleichzeitiger Entwicklung von Verbindun-
stützungsaktionen für die traditionellen       schließlich der Getränke, die Achtung des      gen zwischen beispielhaften Unternehmen
Produkte in 160 Ländern zu vernachlässi-                                                      in verschiedenen Gebieten, das ist das Ziel
gen, hat sich die Bewegung um eine Dimen-                                                     dieses «langsamen» Tourismusansatzes,
sion erweitert, die ein neues touristisches                                                   der auch darauf abzielt, ein nachhaltigeres
Angebot fördern will: Slow Food Travel.                                                       Tourismusmodell zum Blühen zu bringen.
                                                 Dieses Angebot zielt darauf
Hinter diesem Titel verbirgt sich ein inter-                                                  Denn das Abenteuer ist zum Greifen nah:
nationales Projekt, das die Inwertsetzung        ab, das landwirtschaftliche                  In der Westschweiz spielen mehrere Walli-
von Regionen rund um ihr landwirtschaft-        und gastronomische Erbe der                   ser Regionen bereits mit. Gehen wir also
liches und gastronomisches Erbe entwi-            Regionen hervorzuheben.                     los und entdecken diese Genüsse?
ckeln will. Und das einen aktiven Zugang                                                                          Clément Grandjean n
anbieten will, der den Erwartungen der                                                        MEHR INFOS www.slowfood.ch

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