Infektionen, die von Gefäßkathetern ausgehen
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Editorial Bundesgesundheitsbl 2017 · 60:141–142 Mardjan Arvand1 · Martin Mielke2 DOI 10.1007/s00103-016-2511-8 1 Fachgebiet 14, Angewandte Infektions- und Krankenhaushygiene, Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017 2 Abteilung für Infektionskrankheiten, Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland Infektionen, die von Gefäßkathetern ausgehen In dieser Ausgabe des Bundesgesund- Gefäßkatheter sind ein häufiger Be- Jahre 2002 dar [3]. Sie hat zum Ziel, heitsblatts findet sich eine umfangreiche standteil medizinischer Behandlung. den aktuellen Stand des medizinischen aktualisierte Empfehlung der Kommissi- Blutstrominfektionen, die von Gefäßka- Wissens darzustellen und häufig gestellte on für Krankenhaushygiene und Infek- thetern ausgehen, gehören zu den sechs Fragen zu berücksichtigen. Zur Präven- tionsprävention zur Prävention von Ge- häufigsten NI und stellen eine beson- tion dieser Infektionen bei intensivmedi- fäßkatheter-assoziierten Infektionen. ders schwere Manifestationsform dieser zinisch behandelten Frühgeborenen liegt Nosokomiale Infektionen (NI) ma- Gruppe von Infektionen dar. In der natio- eine eigene Empfehlung vor. Dem An- chen einen erheblichen Teil der Krank- nalen Prävalenzstudie zu nosokomialen spruch an heutige Empfehlungen ent- heitslast durch Infektionen in entwickel- Infektionen und Antibiotikaanwendung sprechend wurde die vorliegende Lite- ten Industrieländern aus. Ihr Stellenwert aus dem Jahr 2011 wurde für die pri- ratur gesichtet und umfangreich zitiert. nimmt durch den häufigeren Einsatz märe Sepsis eine Prävalenz von 6,1 % Dem Leiter sowie den Mitgliedern der invasiver diagnostischer und thera- festgestellt [1]. Arbeitsgruppe sei an dieser Stelle für die peutischer Verfahren, den Anstieg des Prävalenz- und Inzidenzdaten sind Berücksichtigung der rasant gestiegenen Durchschnittsalters der Bevölkerung, Indikatoren für die Häufigkeit, geben Zahl der wissenschaftlichen Publikatio- die Zunahme der Multimorbidität und jedoch selbst keine Auskunft über die nen zu diesem Thema gedankt. durch die Behandlung von Patientinnen Gesamtbelastung durch die Erkrankung Die Empfehlung ist in zwei Teile und Patienten1 mit beeinträchtigter Im- (burden of disease). Diese wird u. a. gegliedert. Im ersten Teil werden zu- munabwehr weiter zu. Hinzu kommt die zusätzlich beeinflusst durch die auf die nächst der Hintergrund (Gefäßkatheter Entwicklung von Antibiotikaresistenzen Infektion zurückzuführenden zusätzli- als Quelle von Infektionen, Charakteri- bei wichtigen Erregern der NI, was die chen Krankenhausverweiltage, Thera- sierung des Risikos), die Epidemiologie therapeutischen Optionen einschränkt. piekosten, evtl. folgende Einschränkung und die Risikofaktoren bzw. Risikopopu- Ein substanzieller Teil der NI kann durch der Erwerbsfähigkeit (disability), sowie lationen für Gefäßkatheter-assoziierte geeignete Präventionsmaßnahmen ver- in schweren Fällen durch die erkran- Infektionen sowie wichtige beeinfluss- mieden werden. In Deutschland werden kungsbedingte Verkürzung der Lebens- bare Faktoren und Maßnahmen zur gemäß § 23 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erwartung (years of life lost). In einer Beherrschung des Risikos dargestellt. entsprechende Empfehlungen von der aktuellen Studie, die vom European Cen- Darauf basierend werden schließlich Kommission für Krankenhaushygiene tre for Disease Prevention and Control die Empfehlungen für die Prävention und Infektionsprävention (KRINKO) (ECDC) in Kooperation mit dem RKI von Infektionen bei nicht getunnelten erarbeitet und vom Robert Koch-Insti- durchgeführt wurde und die sich mit zentralvenösen Kathetern in einem ei- tut (RKI) herausgegeben. Eine stringente der Frage der Gesamtbelastung durch genen Kapitel zusammengefasst. Der Umsetzung der empfohlenen Maßnah- NI befasste, wurde die primäre Sep- zweite Teil der Empfehlung widmet sich men kann wesentlich zur Senkung von sis als die NI mit der zweithöchsten der Prävention von Infektionen in Zu- Infektionsraten und damit zur Pati- Gesamtbelastung identifiziert [2]. Die sammenhang mit der Anwendung von entensicherheit beitragen. Dies ist das primäre Sepsis machte zusammen mit periphervenösen Verweilkanülen und ausdrückliche Ziel der Empfehlungen. der nosokomialen Pneumonie ca. 60 % arteriellen Kathetern. der Krankheitslast der sechs häufigsten Neu sind zwei informative Anhänge. NI aus. Diese Anhänge sind als Hilfestellungen Die neue Empfehlung der KRINKO intendiert und haben einen anderen Stel- 1 Wenn jeweils nur entweder die männliche zur Prävention von Infektionen, die von lenwert als die Empfehlungen der Kom- oder die weibliche Form verwendet wird, ist das der sprachlichen Übersichtlichkeit geschuldet Gefäßkathetern ausgehen, stellt eine Ak- mission. Dies ist durch den Hinweis „In- und stellt keine Diskriminierung des jeweils tualisierung der Empfehlungen aus dem formativer Anhang“ und den Verzicht anderen Geschlechts dar. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017 141
Editorial auf ein Kapitel „Empfehlungen“ deutlich den Einrichtungen, in denen Gefäßka- Gefäßkatheter-assoziierter Infektionen. Empfeh- lung der Kommission für Krankenhaushygiene gemacht worden. theter zum Einsatz kommen, helfen, In- undInfektionspräventionamRobertKoch-Institut. Der erste informative Anhang befasst formationen zum sachgerechten Vorge- Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung sich mit Fragen zur Blutkulturdiagnostik, hen bei der Prävention von Infektionen in Gesundheitsschutz 25(11):907–924 4. Berenholtz SM, Lubomski LH, Weeks K et al (2014) die eine wichtige Grundlage für die Sur- übersichtlicher und verlässlicher Form zu Eliminating central line-associated bloodstream veillance von Blutstrominfektionen dar- finden und die präventiven Maßnahmen infections: a national patient safety imperative. stellt. Diese Fragen betreffen zum Beispiel zum Wohle des Patienten umzusetzen. Infect Control Hosp Epidemiol 35(1):56–62 5. Pronovost P, Needham D, Berenholtz S et al (2006) das Verständnis und die Limitationen der An intervention to decrease catheter-related Definitionen von Blutstrominfektionen, bloodstream infections in the ICU. N Engl J Med wie sie zur Infektionssurveillance ver- 355(26):2725–2732 wendet werden. Des Weiteren geht es bei den kontrovers diskutierten Fragen um die IndikationzurBlutkulturdiagnos- Mardjan Arvand tik, das konkrete Vorgehen (patientennah und im mikrobiologischen Labor) und die Interpretation der Befunde. Der An- hang dient der Übersicht über verschie- dene Aspekte der Blutkulturdiagnostik im Rahmen der Betreuung von Patien- Martin Mielke ten mit Gefäßkathetern. Er hat nicht den Anspruch, die Leitlinien der Fachgesell- Korrespondenzadresse schaften zu ersetzen. Empfehlungen sind nur so gut wie ihre Prof. Dr. med. M. Arvand Umsetzung. Nicht zuletzt geht aus den Fachgebiet 14, Angewandte Arbeiten von Pronovost et al. und Be- Infektions- und Kranken- haushygiene, Robert Koch- renholtz et al. hervor, dass der Effekt von Institut Empfehlungen durch gezielte Maßnah- Nordufer 20, 13353 Berlin, men zu deren Implementierung verbes- Deutschland sert werden kann [4, 5]. Im zweiten infor- ArvandM@rki.de mativen Anhang befasst sich die Kom- Prof. Dr. med. M. Mielke mission mit Hinweisen zur Implementie- Abteilung für Infektions- rung der Präventionsmaßnahmen. Diese krankheiten, Robert Koch- Befassung entspricht auch Schlussfolge- Institut rungen aus dem Bericht der Bundesre- Nordufer 20, 13353 Berlin, gierung über nosokomiale Infektionen Deutschland MielkeM@rki.de und Erreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen aus dem Jahre 2014: Interessenkonflikt. M. Arvand und M. Mielke geben „Es ist wünschenswert, dass Aspekte der an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Implementierung der evidenzbasierten Empfehlungen und Ansätze zu ihrer Er- leichterung bereits bei der Erarbeitung der Empfehlungen in den Kommissio- Literatur nen beim RKI berücksichtigt werden“. In 1. Nationales Referenzzentrum für Surveillance von diesem Anhang werden wichtige Aspek- nosokomialen Infektionen (NRZ) (2011) Deutsche Nationale Punkt-Prävalenzstudie zu nosokomi- te, die für eine erfolgreiche Implemen- alen Infektionen und Antibiotika-Anwen- tierung von besonderer Bedeutung sind, dung 2011. Abschlussbericht. http://www. z. B. Präventionsbündel, Schulung und nrz-hygiene.de/fileadmin/nrz/download/PPS- Abschlussbericht-Stand05-08-2013final.pdf. Zu- Training, Checklisten und Strategien zur gegriffen: 10.1.2017 Änderung der persönlichen Einstellung, 2. Cassini A, Plachouras D, Eckmanns T et al (2016) des konkreten Verhaltens und der insti- Burden of six Healthcare-associated infections on european population health: estimating tutionseigenen Sicherheitskultur bespro- incidence-based disability-adjusted life years chen. throughapopulationprevalence-basedmodelling Wir hoffen, dass diese Empfehlungen study. PLOS Med 13(10):e1002150 3. Kommission für Krankenhaushygiene und In- den Leitern sowie den Mitarbeitern in fektionsprävention (KRINKO) (2002) Prävention 142 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017
Empfehlungen Bundesgesundheitsbl 2017 · 60:171–206 DOI 10.1007/s00103-016-2487-4 Online publiziert: 16. Januar 2017 Prävention von Infektionen, die © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017 von Gefäßkathetern ausgehen Teil 1 – Nichtgetunnelte zentralvenöse Katheter Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund und Risikocharakterisierung 1.5.17. Wechselintervall von Infusionssystemen (Aspekt der 1.1. Gefäßkatheter als Quelle von Infektionen Infektionsprävention!) 1.2. Inhaltliches Spektrum der Empfehlung, Evidenzkategorien und 1.5.18. Zubereitung/Herstellung von intravenösen Arzneimitteln/ Bezug zu weiteren Empfehlungen Infusionslösungen (Aspekt Infektionsprävention!) 1.3. Bedeutung der Prävention, Präventionsziele 1.5.19. „Geschlossene“ Infusionsbeutel ohne Luftfilter 1.4. Epidemiologie, Risikofaktoren 1.5.20. Spülung und Block 1.4.1. Abhängigkeit vom Kathetertyp 1.5.21. Heparin-imprägnierte Katheter, Heparin-Infusion 1.4.2. Daten aus dem KISS 1.5.22. Bakterien- und Endotoxinfilter 1.4.3. Pädiatrische Intensivstationen (PICU), pädiatrische Kardiochi- 1.5.23. Antimikrobielle Blocklösungen zur CRBSI-Prävention rurgie 2. Surveillance 1.4.4. Patienten mit ausgedehnten Verbrennungen/Verbrühungen 2.1. Surveillance von CABSI und CRBSI 1.4.5. Patienten außerhalb der Intensivstation 2.2. Kontinuierliche Surveillance senkt Infektionsraten 1.4.6. Heimparenteral ernährte Patienten, Heimantibiotikatherapie 2.3. Qualität von Surveillance-Daten 1.4.7. Erregerexposition und Infektionsausbrüche durch Wasser für 3. Empfehlungen den menschlichen Gebrauch 3.1. Schulung: Vermittlung von Wissen und Training von Fähigkeiten 1.4.8. Letalität, Kosten 3.2. Maßnahmen bei Anlage eines ZVK (maximale Barrieremaßnahmen 1.4.9. Personalausstattung und Hautantiseptik) 1.5. Kritische Kontrollpunkte und präventive Maßnahmen 3.3. Ultraschallunterstützte Anlage von Gefäßkathetern 1.5.1. Händehygiene 3.4. Bestmöglicher Anlageort für ZVK 1.5.2. Schulung: Vermittlung von Wissen und Training von 3.5. Mehrlumenkatheter Fähigkeiten 3.6. Verband an der Kathetereintrittsstelle: Antisepsis und Verbands- 1.5.3. Maximale Barrieremaßnahmen (MBP) bei der ZVK-Anlage wechselintervalle 1.5.4. Simulatortraining der ZVK-Anlage 3.7. Chlorhexidin-freisetzende Verbände am ZVK 1.5.5. Ultraschallunterstützte Anlage von Gefäßkathetern 3.8. Antiseptische Ganzkörperwaschung von Intensivpatienten 1.5.6. Bestmöglicher Anlageort für ZVK 3.9. Liegedauer, Katheterwechsel, Wechsel über einen Führungsdraht 1.5.7. Peripher eingeführte zentrale Venenkatheter (PICC) 3.10. Antiseptisch oder antibiotisch imprägnierte ZVK 1.5.8. Single- vs. Multilumenkatheter, mehrere ZVK bei einem 3.11. Übergeordnete Empfehlungen (unabhängig vom Kathetertyp) Patienten 3.11.1. Nadelfrei zugängliche Konnektionsventile (NFC) 1.5.9. Verband an der Kathetereintrittsstelle 3.11.2. Manipulation und Antisepsis an Hubs und Zuspritzstellen 1.5.10. Verbandswechselintervall 3.11.3. Wechselintervall von Infusionssystemen (Aspekt der 1.5.11. Antisepsis an der Katheterinsertionsstelle Infektionsprävention) 1.5.12. Antiseptische Ganzkörperwaschung von Intensivpatienten 3.11.4. Zubereitung/Herstellung von intravenösen Arzneimitteln/ 1.5.13. Liegedauer, Katheterwechsel, Wechsel über einen Infusionslösungen (Aspekt Infektionsprävention!) Führungsdraht 3.11.5. Bakterien- und Endotoxinfilter 1.5.14. Antiseptisch oder antibiotisch imprägnierte ZVK 3.11.6. Antimikrobielle Blocklösungen 1.5.15. Nadelfrei zugängliche Konnektionsventile (NFC) 3.12. Surveillance und Konsequenzen erhöhter Infektionsraten 1.5.16. Manipulation und Antisepsis an Hubs und Zuspritzstellen Literatur Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017 171
Empfehlungen 1. Hintergrund und Konnektionsstellen am Infusionssys- 1.2. Inhaltliches Spektrum der Risikocharakterisierung tem mit den Händen des Behand- Empfehlung, Evidenzkategorien lungsteams [21–24], und Bezug zu weiteren 1.1. Gefäßkatheter als Quelle von 5 kontaminierte i. v. Medikamente, In- Empfehlungen Infektionen fusate [25–27], 5 kontaminierte Spül- oder Blocklösun- Die hier vorgelegte Empfehlung aktuali- Gefäßkatheter sind ein häufiger Bestand- gen [28, 29], siert die Empfehlung von 2002 [55] mit teil medizinischer Behandlung [1–3]. Mit 5 Kontamination der Eintrittsstelle (z. B. folgenden Einschränkungen: ihrer Anwendung sind jedoch auch Risi- mit respiratorischen Sekreten des be- 5 zur Prävention von nosokomialen In- ken für die Sicherheit der Patienten ver- atmeten Patienten bei Position des fektionen bei intensivmedizinisch be- bunden [4, 5]. Hierzu gehören vor allem Katheters in der V. jugularis) [30] bei handelten Frühgeborenen wurde 2007 lokale und systemische Infektionen, insbe- Durchfeuchtung oder Ablösung des eine eigene Empfehlung erarbeitet sondere Blutstrominfektionen (BSI)1 [6]. Verbandes [31] oder beim nicht sach- [56], auf deren jeweils aktuellste Fas- Die hier betrachteten BSI sind mit dem gerecht durchgeführten Verbands- sung hier verwiesen wird, Gebrauch von Gefäßkathetern assoziiert wechsel [32–34], 5 zur Infektionsprävention beim Ein- (CABSI)2 oder der Gefäßkatheter (bzw. die 5 Vermehrung residenter Bakterien an satz dauerhaft implantierter, getun- Eintrittsstelle) ist durch eine gezielte mi- der Eintrittsstelle bei Nachlassen der nelter Katheter mit subkutanem Cuff krobiologische Diagnostik3 als Quelle der Wirkung von Antiseptika [35], die bei vom Typ Broviac/Hickman oder voll Infektion gesichert (Infektionen, die vom der Anlage oder beim Verbandswech- implantierter Katheter vom Typ Port Gefäßkatheter ausgehen; CRBSI)4 [7–11]. sel aufgebracht wurden [36–39], liegen detaillierte Empfehlungen der Als transkutan in den Blutkreislauf ein- 5 Kontamination von ungeschützten onkologischen Fachgesellschaften vor gebrachte medizinische Hilfsmittel (Fremd- Luer-Lock-Verbindungen mit Flüssig- [57–59], auf die ebenfalls verwiesen materialien, Devices) sind Gefäßkatheter keiten (Wasser z. B. bei der Körper- wird. kritische Medizinprodukte, die vor Ge- pflege, Schweiß beim fiebernden Pa- brauch steril verpackt und so gelagert wer- tienten) [40], Die Definition der Kategorien, die den den, dass es nicht zu einer Kontamination 5 Kontamination des intravasal gelege- KRINKO-Empfehlungen zugrunde gelegt des Medizinprodukts kommen kann. Wie nen Katheteranteils bei hämatogener werden, sind nachfolgend in . Tabelle 1 andere Devices können Gefäßkatheter im Streuung, ausgehend von einem ande- aufgeführt. Laufe ihres Gebrauches mit Krankheitser- ren Infektionsfokus oder nach Trans- Es ergeben sich mannigfache Bezüge regern (v. a. Bakterien, viel seltener: Can- lokation (von den Schleimhäuten). zu weiteren Empfehlungen der KRINKO, dida spp.) kontaminiert und anschließend z. B. zur Infektionsprävention bei Injekti- besiedelt werden. Als Quelle einer solchen Beim Übergang von einer Kontaminati- onen und Punktionen [26], bei der Auf- Verunreinigung der äußeren und/oder der on zu einer langfristigen Besiedlung des bereitung von Medizinprodukten [61], zur inneren Oberfläche (Hub5, Lumen) des Ka- Katheters spielen Biofilme pathogenetisch Händehygiene [62] und zum Hygienema- theters kommen z. B. in Betracht [12–14]: eine herausragende Rolle. Sie werden von nagement [63]. 5 Kontamination des Katheters bei der nahezu allen hier relevanten Erregerspe- Für einige Maßnahmen im Kontext der Anlage [15–18], z. B. durch eine unzu- zies an der Grenze zu Fremdmaterialien Prävention von gefäßkatheterassoziierten reichende Antisepsis der Haut an der ausgebildet [13, 41–43]. Biofilme können Infektionen liegen keine Hinweise aus kli- Punktionsstelle [17, 19] oder die Ver- der erfolgreichen Behandlung von CRBSI nischen Studien, sondern lediglich klini- wendung eines zu klein dimensionier- entgegenstehen, weil die eingesetzten An- sche Erfahrungen aufseiten der Anwender ten sterilen Lochtuchs zur Abdeckung tiinfektiva im Biofilm enthaltene Erreger vor. Nach sorgfältiger Prüfung verschiede- der Punktionsstelle [20], nicht sicher abtöten [44–47]. ner Optionen des praktischen Vorgehens 5 jeglicher Kontakt der Eintrittsstelle, Kulturunabhängige molekularbiolo- durch die KRINKO werden solche Maß- des Katheterhubs oder der Zuspritz-/ gische Analysen von Biofilmen aus Ge- nahmen hier mit dem Zusatz „bewährte fäßkathetern zeigen komplexe Gemein- klinische Praxis“ ausgewiesen. Dies meint 1 Hier wird bewusst nicht von „Sepsis“ gespro- schaften („Ökosysteme“) von zahlreichen keine neue Kategorie des Evidenzgrades, chen, weil nicht alle Blutstrominfektionen die Bakterienspezies, die mit den üblichen sondern entspricht lediglich einer Exper- klinischen und laborchemischen Kriterien einer diagnostischen Methoden zum Teil nicht tenmeinung. Sepsis erfüllen. 2 Katheterassoziierte Blutstrominfektion, engl. detektiert werden [48–50]. „catheter-associated…“ Keineswegs jede Kontamination des 1.3. Bedeutung der Prävention, 3 Siehe hierzu Informativer Anhang 1 dieser Katheters führt zu einer langfristigen Ko- Präventionsziele Empfehlung. lonisation und nicht jede Kolonisation 4 Wahrscheinlich/gesichert vom Gefäßkatheter wird zur Quelle einer Infektion des Pa- Mit dem Einsatz von Gefäßkathetern ur- ausgehende Infektion: engl. „catheter-related…“ 5 „Hub“ bezeichnet die in der Regel mechanisch tienten. Auch hier scheint die kolonisie- sächlich verbundene Infektionen sind verstärkte Luer-Lock-Verbindung zwischen dem rende Erregerspezies eine wichtige Rolle nach heutigem Wissensstand in der Mehr- Katheter und dem Infusionssystem. zu spielen [51–54]. zahl keine schicksalhaften Ereignisse, die 172 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017
Tab. 1 Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2010) 20.000 nosokomiale primäre7 Sepsisfälle [60] pro Jahr, von denen die meisten bei Pa- Kategorie IA Diese Empfehlung basiert auf gut konzipierten systematischen Reviews oder tienten mit Gefäßkathetern auftreten [84]. einzelnen hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien. Allein auf Intensivstationen in Deutsch- Kategorie IB Diese Empfehlung basiert auf klinischen oder hochwertigen epidemiologischen land ereignen sich jährlich mind. 8400 Studien und strengen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitun- ZVK-assoziierte Sepsisfälle [85, 86]. In gen. einer noch aktuelleren Analyse der Daten Kategorie II Diese Empfehlung basiert auf hinweisenden Studien/Untersuchungen und stren- von 2009–2013 [87] wurde für die ZVK- gen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen. assoziierte primäre Sepsis (CABSI8) im Kategorie III Maßnahmen, über deren Wirksamkeit nur unzureichende oder widersprüchliche ICU-KISS (776 ICU) eine Inzidenzrate Hinweise vorliegen, deshalb ist eine Empfehlung nicht möglich. von 1,08 pro 1000 Anwendungstage und Kategorie IV Anforderungen, Maßnahmen und Verfahrensweisen, die durch allgemein im STATIONS-KISS (52 Stationen) eine geltende Rechtsvorschriften zu beachten sind. Inzidenzrate von 1,94 pro 1000 Anwen- dungstage ermittelt (p < 0,001). vor allem besonders kranke, multimorbi- untersucht, die vor 2005 erschienen sind 1.4.3. Pädiatrische de Patienten betreffen und für deren Auf- [14]. Hiernach variiert die Inzidenz von Intensivstationen (PICU), treten vorwiegend patientenspezifische CRBSI in Abhängigkeit von der Art des pädiatrische Kardiochirurgie Risikofaktoren verantwortlich sind [64]. Gefäßkatheters zwischen 0,1 pro 100 Ka- Zu den Populationen im Krankenhaus Vielmehr handelt es sich zum größeren theter für periphere Kunststoffverweil- mit hohen Infektionsraten zählen die Pa- Teil (in bis zu 70 %) [65] um unerwünsch- kanülen und 22,5 pro 100 Katheter für tienten auf pädiatrischen Intensivstati- te Ereignisse, die durch die konsequente getunnelte zentrale Gefäßkatheter (z. B. onen (PICU) [88–90]. Vor allem in US- Umsetzung präventiver Maßnahmen bei vom Typ Broviac/Hickman). In metho- amerikanischen Studien wurden hohe der Anlage (Insertion) und bei der Pflege disch sorgfältig durchgeführten, vor 2005 Infektionsraten aus PICU berichtet, z. B. (Erhaltung) von Gefäßkathetern vermeid- publizierten Studien lag die Infektionsra- 13,8 pro 1000 Anwendungstage bei Yog- bar sind [6, 66–75]. te pro 1000 Anwendungstage [14] bei 0,6 araj et al. [91]. Elward und Fraser [92] fan- Das wichtigste in diesem Kontext re- (95 %-Konfidenzintervall CI95 0,2–0,9) den eine CABSI-Inzidenzrate von 9 pro levante Präventionsziel ist die möglichst für periphervenöse Venenverweilkanülen 1000 Anwendungstage. Wylie et al. [93] vollständige Vermeidung von nosokomi- aus Kunststoff und bei 2,9 (CI95 2,7–3,2) untersuchten Risikofaktoren für CABSI alen Infektionen, die von Gefäßkathetern für nichtgetunnelte, nicht mit Antibiotika/ in einer Fallkontrollstudie. Ein signifi- ausgehen. Dieses Präventionsziel dient Antiseptika beschichtete zentrale Venen- kant erhöhtes Risiko fand sich bei Kin- vorrangig dem Patientenschutz. katheter (ZVK) [14]. Diese Daten stam- dern mit einer Liegedauer des ZVK über Sekundäre Ziele aufseiten der behan- men aus der Zeit vor der Einführung von 14 Tage (Odds Ratio OR 18,4), wiederhol- delnden Institutionen und der Kostenträ- CABSI-Präventionsbündeln. ter ZVK-Anlage (OR 8,6), Gastrostomie ger sind die Reduktion des zusätzlichen (OR 3,5), parenteraler Ernährung (OR diagnostischen und therapeutischen Auf- 1.4.2. Daten aus dem KISS 3,1) und Erythrozytentransfusionen (OR wandes sowie der Behandlungskosten Aus dem Krankenhaus-Infektions-Sur- 2,6). Niedner et al. [94] untersuchten die und die Vermeidung zusätzlicher statio- veillance-System (KISS) stehen für Inzidenzrate von CABSI in 29 US-ameri- närer Behandlungstage (z. B. auf der In- Deutschland Daten zur Häufigkeit der kanischen PICU; die mediane Inzidenz- tensivstation). Darüber hinaus wird durch katheterassoziierten Sepsis6 (CABSI) zur rate lag bei 3,1 pro 1000 Anwendungs- die Vermeidung von CRBSI auch der em- Verfügung (839 beteiligte Intensivstatio- tage. Bei 99 % der Patienten wurde eine pirische und der gezielte Einsatz von An- nen, Stand KISS-Referenzdaten 2014). Die CABSI erst nach dem 7. Anwendungstag tibiotika reduziert [76]. ZVK-assoziierte Sepsisrate beträgt dem- des ZVK diagnostiziert; das Risiko stieg nach auf Intensivstationen in Deutsch- danach um 0,27 % pro Tag. Das Risiko ei- 1.4. Epidemiologie, Risikofaktoren land im Mittel mindestens 1,1 Sepsisfälle ner CABSI war niedriger bei Anlage des pro 1000 ZVK-Tage [83]. ZVK in der V. jugularis (Hazard Ratio 1.4.1. Abhängigkeit vom Für Deutschland ergeben sich hieraus Kathetertyp (geschätzte absolute Zahl der Ereignisse) 7 Bei der sekundären Sepsis stammen die in der Die Häufigkeit von CRBSI ist abhängig Blutkultur nachgewiesenen Erreger aus einem vom Kathetertyp, der Anwendungsdau- anderen Infektionsfokus (z.B. Wundinfektion, er („Liegedauer“), wahrscheinlich auch Beatmungspneumonie, Harnwegsinfektion) vom Anlageort [77] und von patienten- oder aus dem Gastrointestinaltrakt (Transloka- spezifischen Risikofaktoren [21, 78–82]. tion, v.a. bei hochgradig immunsupprimierten Patienten). Maki et al. haben die Infektionsrate ver- 8 Im KISS-System werden gefäßkatheterassozi- schiedener Gefäßkatheter bei Erwachse- 6 Beachte die Surveillance-Definitionen unter: ierte Infektionen (CABSI) erfasst (siehe Definiti- nen in einer Metaanalyse von 200 Studien http://www.nrz-hygiene.de. onskriterien). Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017 173
Empfehlungen HR 0,43, CI95 0,30–0,95). Im KISS liegt nem deutschen Zentrum für Brandver- auf peripheren Stationen in 10 US-ame- die ZVK-assoziierte Sepsisrate auf PICU letzte eine CABSI-Rate von 8,9 pro 1000 rikanischen Kliniken nach CDC-Defini- im Mittel bei 1,9 BSI pro 1000 ZVK-Tage ZVK-Tage [106]. Bei Weber et al. [107] lag tionen und fanden Infektionsraten (IR) und ist damit deutlich höher als der Mit- die CABSI-Rate vor Einführung Minocy- zwischen 0,2 und 4,2 pro 1000 Anwen- telwert aller anderen am KISS beteiligten clin/Rifampicin-imprägnierter Katheter dungstage (Median 2,5). Vonberg et al. ICU (s. o.) [83, 95, 96]. Leider ist die Zahl bei 10,8 (2005) und 15,0 (2006) pro 1000 [114] fanden zwischen 2002 und 2004 der am KISS regelmäßig oder kontinuier- Anwendungstage. im Device-KISS (Daten aus 77 Nicht- lich teilnehmenden PICU noch zu gering Die mittlere ZVK-assoziierte Sepsis- ICU aus 42 Kliniken in Deutschland) 4,3 (Stand 28. 3. 2014 n = 21). Zum Teil mag rate bei Patienten auf ICU für Schwer- CABSI pro 1000 Anwendungstage. Mar- dies daran liegen, dass es sich häufig nicht brandverletzte liegt in den USA und in schall et al. ermittelten auf internistischen um „reine“ PICU, sondern um gemisch- Deutschland bei 3,4 (Sepsisfälle pro 1000 Stationen eine IR von 5,7 pro 1000 An- te NICU/PICU-Abteilungen handelt [97]. ZVK-Tage) und damit etwa dreifach hö- wendungstage [115]. Nach den Ergebnis- Die Surveillance-Daten von PICU unter- her als der Mittelwert aller ICU [108, 109]. sen der KISS-Module beträgt in Deutsch- scheiden sich in vielfacher Hinsicht (An- land die ZVK-assoziierte Sepsisrate10 auf wendungsraten, Infektionsraten, Vertei- 1.4.5. Patienten außerhalb der Intensivstationen 1,1 Sepsisfälle pro 1000 lung der Infektionen, Erreger) von den Intensivstation ZVK-Tage verglichen mit einer ZVK-as- Daten anderer ICU [96, 98] und sollen Die meisten Interventionsstudien zur Re- soziierten Sepsisrate von 1,9 auf periphe- daher separat analysiert werden. Bei kin- duktion ZVK-assoziierter BSI zielen auf ren Stationen [83, 118]. Nicht alle Studien derkardiochirurgischen Intensivpatien- die Vermeidung dieser unerwünschten zeigen signifikante Unterschiede zwischen ten (PCICU) sind CRBSI postoperativ Ereignisse auf Intensivstationen (ICU) [6, ICU und Nicht-ICU [81]. akut lebensbedrohliche Infektionen [89, 110–112] ab. Zusammengefasst ist der Einschluss 99]. Costello et al. beschrieben vor In- Allerdings kommen ZVK auch auf von Patienten mit ZVK auf „Nicht-ICU“ tervention eine CABSI-Rate von 7,8 pro „Nicht-ICU“ zum Einsatz. Obwohl der sowohl bei der Infektions-Surveillance als 1000 Anwendungstage [100]; bei Bezzio Anteil der Patienten mit einem ZVK und auch bei Interventionsstudien zur Sen- et al. [101] (n = 153 PCICU-Patienten) lag somit der Anteil der ZVK-Tage an al- kung der Infektionsraten von erheblichem die Inzidenz bei 9,8 % (bezogen auf 205 len Patiententagen (Anwendungsrate) in Interesse [82, 115, 116, 119–121]. ZVK) und die Inzidenzrate bei 11,7 auf „Nicht-ICU“ niedriger ist, werden ins- 1000 ZVK-Tage. gesamt mehr ZVK außerhalb von Inten- 1.4.6. Heimparenteral ernährte sivstationen verwendet [113–116]. Einige Patienten, Heimantibiotikatherapie 1.4.4. Patienten mit ausgedehnten Patienten werden von der ICU mit einem Heimparenteral ernährte Patienten sind Verbrennungen/Verbrühungen liegenden ZVK auf andere Stationen ver- vorübergehend oder langfristig auf eine Patienten mit ausgedehnten Verbrennun- legt (15 % bei Zingg et al. [81]). ZVK wer- parenterale Zufuhr komplexer Ernäh- gen und Verbrühungen, die in speziellen den auch außerhalb der Intensivstation rungslösungen (TPE) angewiesen, die Behandlungseinheiten therapiert werden angelegt, z. B. zur Chemotherapie [38], nur über einen zentralvenösen Zugang müssen, haben ein deutlich erhöhtes Risi- zur Supportivtherapie/parenteralen Er- verabreicht werden können [122, 123]. ko für CRBSI [102, 103]. Nicht selten sind nährung bei komplexen gastrointestinalen Meist findet die TPE im häuslichen Um- von solchen Verletzungen Kinder betrof- Erkrankungen oder nach abdominalchir- feld aus Gründen der Lebensqualität als fen und die Auswahl einer geeigneten Ein- urgischen Eingriffen [81] oder zur Hämo- zyklisierte Infusion (z. B. über Nacht) stichstelle kann durch das Verbrennungs- dialyse [116]. statt; oft werden die Infusionen von den muster begrenzt sein. Tatsächlich ist in einigen Studien die Patienten selbst oder ihren Angehöri- Der femorale Zugangsweg scheint un- absolute Zahl der ZVK [113] und der gen angeschlossen und überwacht [124, ter diesen speziellen Umständen eine si- ZVK-Tage auf „peripheren“ Stationen 125]. Hieraus ergeben sich spezielle As- chere Alternative zu sein [104]. Die me- deutlich höher als in allen ICU dersel- pekte z. B. der Schulung, die den Rahmen chanisch sichere und sterile Abdeckung ben Klinik [81, 82]. Vor diesem Hinter- dieser Empfehlung überschreiten [123, der Eintrittsstelle ist bei diesen Patienten grund ist nachvollziehbar, dass die meis- 126]. Piper et al. fanden bei Säuglingen mitunter schwierig zu realisieren9. Zwi- ten gefäßkatheterassoziierten Sepsisfälle mit parenteraler Ernährung über einen schen verschiedenen Zentren gibt es er- pro Jahr in Deutschland außerhalb von peripher eingeführten ZVK (PICC) eine hebliche Unterschiede in Bezug auf die ICU auftreten [84, 85]. Auch nach einer Infektionsrate von 4,3 pro 1000 Anwen- Insertion und die Erhaltung von ZVK aktuellen Analyse der ICU-KISS- und der dungstage [125]. Die meisten Patienten bei Brandverletzten [105]. In 24 Monaten STATIONS-KISS-Daten von 2009–2013 mit Langzeit-TPE nutzen hierzu keinen Surveillance fanden Gastmeier et al. in ei- ist die Inzidenzrate der ZVK-assoziierten konventionellen nichtgetunnelten ZVK, primären Sepsis (CABSI) auf „peripheren sondern einen Broviac- oder Port-Kathe- Stationen“ höher als auf den Intensivsta- ter [126, 127]. Cotogni et al. fanden bei 9 Solche Zentren therapieren auch Patienten mit systemischer Epidermolysis bullosa, schwe- tionen [87]. heimparenteral ernährten Krebspatienten rem Erythema exsudativum multiforme oder an- Son et al. [117] evaluierten in einem deren ausgedehnten toxischen Hautreaktionen. multizentrischen Survey Infektionsraten 10 Gepoolter arithmetischer Mittelwert. 174 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017
die niedrigsten Infektionsraten für PICC kanter Einfluss von CABSI auf die Morta- tung und die Kostenträger. In US-ame- [122]. Bei Patienten mit Langzeit-TPE lität der Patienten nachweisen [139, 140]. rikanischen Studien werden zusätzliche stammt ein höherer Anteil der bei Sepsis Bei PICU-Patienten mit CRBSI fan- Kosten pro Ereignis von bis zu 45.000 in der Blutkultur nachgewiesenen Erreger den Slonim et al. [141] eine Letalität US-Dollar angegeben [67, 141, 147–150], aus dem Gastrointestinaltrakt (Transloka- („attributable mortality“) von 13 %. Mit wobei sich die Methoden der Kostenkal- tionsbakteriämie) [127]. Viele Jugendliche einer erhöhten Letalität ist bei zuvor be- kulation in den entsprechenden Studien oder Erwachsene mit Mukoviszidose (zys- reits kritisch kranken Patienten mit Mul- stark unterscheiden [151]. In einer aktu- tischer Fibrose) [128] werden regelmäßig tiorganversagen, Polytrauma11 [142], bei ellen Untersuchung aus Deutschland wur- zu Hause über periphervenöse Katheter hochgradig immunsupprimierten Patien- den pro Ereignis durchschnittliche Mehr- oder über Ports mit Antibiotika behan- ten [88, 89], bei hohem Lebensalter [143] kosten in Höhe von ca. 20.000 € ermittelt delt. Bei BSI in dieser Patientengruppe sowie beim Nachweis von S. aureus [142], [152]. finden sich in etwa 9 % die gleichen Er- von bestimmten gramnegativen Infekti- Einen bedeutenden Einfluss auf die reger in der Blutkultur, mit denen die Pa- onserregern oder von Candida spp. in der Mehrkosten hat die Verlängerung des tienten in den Atemwegen besiedelt/infi- Blutkultur zu rechnen. Dies gilt insbeson- Aufenthaltes auf einer Intensivstation ziert sind [129]. dere, wenn der Katheter nicht zeitnah ent- [110, 153]. Bei den PICU-Patienten mit fernt wird oder wenn aufgrund spezieller nosokomialer BSI waren dies zwischen 1.4.7. Erregerexposition und Resistenzen die initiale Therapie nicht 6,5 [154] und 14 Tage [141]. Bei Tarrico- Infektionsausbrüche durch Wasser wirksam ist [144, 145]. Kaye et al. [143] ne et al. [155] (erwachsene ICU-Patienten, für den menschlichen Gebrauch untersuchten in einer Fallkontrollstudie Italien) waren 78 % der Mehrkosten von Trinkwasser, das nicht steril filtriert oder den Verlauf von 830 nosokomialen BSI 9154 € pro Fall durch die Verlängerung anderweitig aufbereitet wurde, kann op- bei Patienten, die älter als 65 Jahre waren, des Aufenthaltes auf der ICU um im Mit- portunistische Infektionserreger enthal- und verglichen deren Verlauf mit 830 Pa- tel 9 Tage bedingt. In der genannten Un- ten [130–132]. Wenn Trinkwasser bei tienten gleichen Alters ohne BSI (medi- tersuchung aus Deutschland wurde eine der Pflege von Patienten mit Gefäßka- anes Alter 74 Jahre). Der häufigste Erre- mittlere Verlängerung des Aufenthaltes thetern eingesetzt wird, kann es mit der ger war S. aureus (35 %), in 2/3 handelte auf ICU für Erwachsene von 7 Tagen ge- ungeschützten Eintrittsstelle des Gefäß- es sich um MRSA und 81 % der nosoko- funden [152]. katheters, mit dem Katheterhub oder Zu- mialen BSI waren mit einem ZVK asso- Zusammengefasst ist die Vermeidung spritzstellen am Infusionssystem in Kon- ziiert. Die Sterblichkeit innerhalb von 90 von CRBSI aus der Sicht der Kostenträ- takt kommen. Dadurch kann der Katheter Tagen lag in der BSI-Gruppe signifikant ger ein gesundheitsökonomisch sehr na- kontaminiert/besiedelt werden und es höher (49 % vs. 33 %; OR = 2,1; p < 0,001). heliegendes Ziel [154]. Zu bedenken ist kann sich nachfolgend eine CRBSI ausbil- Die mittlere Verlängerung der Liegedauer auch, dass die Patienten mit einer solchen den [40, 133–135]. Indirekt können Infek- lag in der BSI-Gruppe bei 10 Tagen. Eine Komplikation Behandlungsplätze bele- tionserreger aus kontaminiertem Wasser aktuelle Metaanalyse unterstreicht (trotz gen, die ggf. bereits für die Behandlung entweder durch Spritzwasser (kontami- der Heterogenität der insgesamt 18 ein- weiterer Patienten vorgesehen sind. Dies nierte Oberflächen) [136] oder über die geschlossenen Studien; 1976 CABSI-Fäl- gilt besonders in ICU mit hohem Anteil Hände des Pflegepersonals in i. v. Medi- le, 17 von 19 Studien aus ICU, meist ge- postoperativer Patienten. Shannon et al. kamente und Infusate gelangen [137]. mischte Patientenpopulationen), dass die [148] errechneten den zusätzlichen Ver- primäre gefäßkatheterassoziierte Sepsis dienstausfall („loss of operations“) aus 1.4.8. Letalität, Kosten das Mortalitätsrisiko der Patienten signi- der Perspektive der Klinik anhand von Die Letalität von CRBSI kann nicht allge- fikant erhöht [146]. Besonders ausgeprägt 54 erwachsenen CRBSI-Patienten mit mein angegeben werden, weil sie von der war dieser Zusammenhang in den Studi- 1,45 Mio. US-Dollar (ca. 27.000 US-Dol- medizinischen Ausgangssituation des in- en, in denen weniger als 30 % aller CABSI lar/CRBSI). dividuellen Patienten (Komorbiditäten), durch Koagulase-negative Staphylokok- von der Pathogenität des Erregers und ken (CoNS) verursacht wurden (OR 4,71; 1.4.9. Personalausstattung von der Frage abhängt, ob die empirisch CI95 1,54–14,39). Die meisten Untersuchungen zur Frage verabreichte Therapie angemessen (wirk- Die Entwicklung einer katheterassozi- nach einem Zusammenhang zwischen sam) war [86, 138]. ierten Sepsis hat – neben der Gefahr weit- personeller Besetzung und Infektionsri- Der Effekt einer CABSI auf die Morta- reichender individueller Folgen für den siko konnten eine Assoziation zwischen lität ist – neben dem Erkrankungsschwe- Patienten – auch eine hohe wirtschaftliche der personellen Besetzung im Pflegebe- regrad und weiteren Risikofaktoren auf- Relevanz für die medizinische Einrich- reich und dem Risiko für CABSI nach- seiten der Patienten – unter anderem vom weisen [156–161]. Erreger abhängig (z. B. niedriges Risiko 11 Bei Niven et al. [142] erhöhte sich die adjus- Nicht nur die Zahl der Pflegekräfte eines tödlichen Ausgangs bei CABSI, die tierte Odds Ratio für einen tödlichen Ausgang pro Patient ist relevant, sondern auch der bei Polytraumapatienten durch eine nosokomi- durch Koagulase-negative Staphylokok- ale BSI um den Faktor 5,8 (CI95 1,1–30,8; p = 0,04); Ausbildungsstand der vorhandenen Mit- ken, CoNS, verursacht werden). Demnach die medianen Behandlungskosten stiegen bei arbeiter [156]. In einigen Arbeiten wirkte ließ sich nicht in allen Studien ein signifi- den Patienten mit nosokomialer BSI um 53%. eine höhere Qualifikation der Pflegenden Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017 175
Empfehlungen protektiv in Bezug auf die Infektionsraten dem Hintergrund der signifikant höheren 1.5.3. Maximale Barrieremaßnah- [162–165]. Hingegen wurde bislang kein Inzidenzrate von CABSI auf Normalstati- men (MBP) bei der ZVK-Anlage Zusammenhang zwischen der Arzt-Pati- onen [87] gelten die gleichen Überlegun- Unter MBP bei Anlage eines ZVK („ma- ent-Ratio und der CABSI-Rate festgestellt gen auch außerhalb der Intensivstation. ximum barrier precautions“, MBP) wird [162]. Hierzu wurde 2015 eine Stellungnahme verstanden, dass sich Mitarbeiter, die ei- Einige Studien belegen, dass ein höhe- verschiedener Fachgesellschaften publi- nen ZVK anlegen, nach dem Anlegen rer Anteil an Pflegekräften, die nicht fest ziert, auf die an dieser Stelle ausdrücklich einer Haube und eines Mund-Nasen- der jeweiligen Station zugeordnet sind, verwiesen wird [167]. Schutzes und nach der hygienischen Hän- sondern dort nur vorübergehend aushel- dedesinfektion (Basishygiene) steril ein- fen, das Risiko von CABSI signifikant er- 1.5. Kritische Kontrollpunkte und kleiden (langärmliger steriler Kittel mit höht [157, 163, 166]. Dies kann z. B. da- präventive Maßnahmen Bündchen, sterile Handschuhe) und nach ran liegen, dass die stationsintern in der der Hautantisepsis die Umgebung des In- Routine implementierten Präventions- 1.5.1. Händehygiene sertionsareals großflächig mit einem ste- standards von diesen Mitarbeitern nicht Die hygienische Händedesinfektion vor rilen Lochtuch abdecken [1–3]. in gleicher Weise beherrscht werden. Die jeder Manipulation an einem Gefäßka- In der Originalarbeit von Raad et al. Beschäftigung von nicht permanent ange- theter (Eintrittsstelle, Hub, Infusionssys- [181] (siehe nächster Abschnitt) kam in stelltem Pflegepersonal (z. B. auf der Basis tem, Zuspritzstellen, Konnektionsventile der Gruppe mit MBP ein den gesamten von Leiharbeitsverträgen) ist mit einem usw.) und vor der Zubereitung von Medi- Körper des Patienten bedeckendes Tuch erhöhten Risiko für nosokomiale Infekti- kamenten, die für die i. v. Verabreichung zur Anwendung, bei dem im Bereich der onen assoziiert [167, 168]. verordnet wurden, ist ein entscheiden- Punktionsstelle eine transparente adhäsi- Chronische Arbeitsüberlastung ist ein der Bestandteil der Infektionsprävention ve Folie eingearbeitet war. Ob die Abde- Risikofaktor für nosokomiale Infektionen [173–176]. Auf die Empfehlung zur Hän- ckung des gesamten Patienten tatsächlich (NI), wobei gezielte Untersuchungen zu dehygiene der KRINKO [62] wird aus- ausschlaggebend ist, kann bislang nicht den CRBSI hierzu nicht vorliegen [169]. drücklich verwiesen. entscheiden werden. Das Abdeckloch- Der Zusammenhang zwischen Pflege- Einige Studien konnten einen direkten tuch soll mindestens so dimensioniert schlüssel und CRBSI-Rate ist dynamisch, Zusammenhang zwischen einer verbes- sein, dass es nicht zu einer Kontaminati- d. h., das erhöhte Risiko für BSI in Zeiten serten Compliance in Bezug auf die Hän- on des patientenfernen sterilen Endes des schlechter Personalbesetzung ist bei einer dedesinfektion und einer reduzierten Rate Seldinger-Drahtes beim Vorschieben über Verbesserung des Pflegeschlüssels reversi- von CABSI darstellen [21, 22, 177]. Nur die Führungskanüle kommen kann [82]. bel [157, 162]. Es existieren bislang keine durch eine sehr engmaschige aktive Su- Dieses Vorgehen (MBP) wurde erst- Untersuchungen zu einem optimalen Stel- pervision können anhaltend hohe Hände- mals 1994 in einer prospektiv randomi- lenschlüssel in Hinblick auf die Vermei- desinfektionsraten mit einer Compliance sierten Studie von Raad et al. [181] sys- dung von Komplikationen inklusive CRB- über 60 %12 erreicht werden [21, 23, 24, tematisch untersucht, wobei die hier SI. Hier besteht auch das Problem, dass 174, 178–180]. eingeschlossenen Patienten (n = 176 mit CRBSI mit einer zeitlichen Latenz vom MBP und n = 167 Kontrollen) nahezu auslösenden Ereignis (z. B. fehlende Hän- 1.5.2. Schulung: Vermittlung alle eine onkologische Grunderkrankung dedesinfektion und fehlende Desinfektion von Wissen und Training von hatten bzw. immunsupprimiert waren. des Katheterhubs vor Manipulation) auf- Fähigkeiten In der Kontrollgruppe traten signifikant treten und es daher schwierig ist, einen di- Sowohl die Indikationsstellung und An- mehr CRBSI auf und zwar in der Mehr- rekten Zusammenhang zu belegen [170]. lage (Insertion) eines Gefäßkatheters als zahl (67 %) in den ersten 2 Monaten nach Bei Hugonnet et al. [157] war die Risiko- auch die Erhaltungspflege erfordern ein der Insertion des Katheters. reduktion (in einer multivariaten Regres- breites Wissen über die hiermit verbun- Durch die konsequente Umsetzung sionsanalyse) am größten, wenn eine In- denen Risiken und den Hintergrund/die von MBP bei Anlage eines ZVK konnte tensivpflegekraft pro Schicht nicht mehr Evidenz infektionspräventiver Maßnah- in einigen Studien die Rate von CRBSI sig- als 2 ICU-Patienten betreute. CRBSI sind men. Außerdem müssen auch alle hierbei nifikant gesenkt werden [15, 82, 149, 182]. nicht die einzigen kritischen Komplika- erforderlichen Tätigkeiten eingeübt/trai- Bei Young et al. [183] führte die Umstel- tionen, die vermehrt auftreten, wenn zu niert werden. Das Thema Schulung wird lung von einem ZVK-Anlageset mit rela- wenig gut ausgebildetes Pflegepersonal im Informativen Anhang 2 zu dieser Emp- tiv kleiner Abdeckung und Povidonjod verfügbar ist [162, 164, 171, 172]. Inso- fehlung ausführlich diskutiert. 10 % auf ein anderes, ebenfalls kommerzi- fern sollte für jede ICU aus Gründen der ell erhältliches Set mit großer Abdeckung Patientensicherheit ein Stellenschlüssel in und Chlorhexidin (CHX) 2 %/Isopropa- Abhängigkeit von der Patientenzahl und nol 70 % zu einer signifikanten Abnahme dem zu erwartenden Pflegeaufwand defi- der Infektionsrate (von 11,3 auf 3,7 pro niert werden. Aus der Sicht der KRINKO 12 Bezogen auf die direkte Beobachtung der 1000 Anwendungstage, p < 0,01). sind hier die Empfehlungen der zuständi- korrekten Durchführung bei allen „5 Indikatio- Eine multizentrische Studie aus Japan gen Fachgesellschaften wegweisend. Vor nen“. [184] mit prospektiver Randomisierung 176 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017
allgemeinchirurgischer Patienten zeigte 1.5.4. Simulatortraining der ZVK- eine Studie mit pädiatrischen Intensivpati- jedoch keinen signifikanten Unterschied Anlage enten vor [197]. Es gibt lediglich eine Studie, zwischen MBP und dem Gebrauch ledig- Nicht zuletzt der zunehmende Einsatz von in der gezielt die CRBSI-Rate in Abhängig- lich eines kleineren Lochtuchs und ste- ultraschallgestützten Punktionstechniken keit von der Frage untersucht wurde, ob bei riler Handschuhe (zusätzlich zur Hän- hat das Interesse an neuartigen Schu- der ZVK-Anlage Ultraschall unterstützend dedesinfektion und zur Hautantisepsis). lungsmethoden mithilfe von Simulatoren zum Einsatz kam. Diese Studie zeigt kei- Dies ist umso erstaunlicher, weil die mitt- geweckt. So konnten Barsuk und Mitar- nen Unterschied in Bezug auf die BSI-Rate lere Liegedauer in beiden Gruppen nur beiter bei Einsatz eines kombinierten Si- [198]. Die Anforderungen der Hygiene ba- 14 Tage betrug und die MBP vor allem mulator-/Ultraschalltrainings eine Re- sieren ausschließlich auf rationalen Überle- auf die Vermeidung früher CRBSI ab- duktion arterieller Punktionen und einen gungen. Zusätzlich zu der gebotenen Des- zielt13. In einer prospektiven, nichtran- besseren Performancescore, nicht jedoch infektion von Ultraschallköpfen zwischen domisierten Kohortenstudie von Lee weniger Pneumothoraxereignisse errei- zwei Patienten ist bei ultraschallgeführten et al. [182] erwies sich der Einsatz von chen [186–188]. Punktionen [26] ein steriler Überzug auf- MBP bei ZVK-Anlage in der multivari- Der konkrete Einfluss des Simulations- zuziehen, wenn der Schallkopf die Punkti- aten Analyse als signifikanter protektiver trainings auf die Infektionsrate ist – aus onsstelle direkt berührt oder während der Faktor. methodischen Gründen – schwer nachzu- Punktion mit der Nadel in Kontakt kommt. Einige erstmals in den USA erprob- weisen und bisher nicht abschließend er- Der Schallkopf und das Zuleitungskabel te Präventionsbündel fokussieren stark forscht. In einer 2011 durchgeführten Me- müssen eine sterile Ummantelung erhal- auf die Katheteranlage und nutzen dabei taanalyse von 20 bis dahin erschienenen ten. Wird nichtsteriles Schallleitungsmedi- auch MBP [6, 16, 68, 111, 112]. Dies ge- Studien ergaben sich zwar Verbesserungen um verwendet, darf es hierdurch nicht zur schieht anhand einer Checkliste, die bei technischer Qualitätsindikatoren (Anzahl Kontamination der Nadel oder des Punkti- Anlage von der assistierenden Pflege- der Nadelpassagen) und eine Reduktion onsgebietes kommen. Dies ist z. B. gewähr- person ausgefüllt wird. Bei Nichtbeach- der Pneumothoraxrate, nicht aber weniger leistet, wenn der Schallkopf entfernt vom tung soll der assistierende Mitarbeiter arterielle Punktionen oder eine Senkung Punktionsgebiet auf die Haut aufgesetzt die ZVK-Anlage unterbrechen [20]. Die- katheterassoziierter Infektionen durch si- wird. Wird Schallleitungsmedium direkt ses Verfahren stellt den korrekten Ablauf mulatorbasierte Schulungen [189, 190]. an der Punktionsstelle benötigt, ist alkoho- sicher (unmittelbare Überprüfung und Demgegenüber beschreiben Latif und Mit- lisches Hautdesinfektionsmittel oder steri- Dokumentation der Compliance). Inter- arbeiter eine Verbesserung der aseptischen les Ultraschallgel zu verwenden. nationale Guidelines zur Prävention von Technik bei ultraschallgestützter Punktion BSI empfehlen den Einsatz maximaler bei Verwendung einer kombinierten Schu- 1.5.6. Bestmöglicher Anlageort für Barrierevorkehrungen bei ZVK-Anlage lung aus Lehrveranstaltung und Simu- ZVK [5, 66, 67] (analog IB oder II der KRIN- latortraining gegenüber einer reinen Lehr- KO) [60]. veranstaltung, ohne jedoch Infektionsraten Jugularis-, Subclavia- oder Femoralis- In Abhängigkeit von den lokalen Gege- anzugeben [191]. Insgesamt 3 Studien [82, katheter. Die individuelle Behandlungs- benheiten ist für die Implementierung der 192, 193] berichten über eine Reduktion situation und die Erfahrung des für die MPB ein „ZVK-Wagen“ hilfreich [168], von CABSI nach Einführung eines simu- ZVK-Anlage akut verantwortlichen Mit- in dem alle für die Anlage von ZVK be- latorbasierten Schulungskonzeptes. Vor al- arbeiters kann die Auswahl der „am bes- nötigten Materialien, Medizinprodukte lem die herausragende Studie von Zingg et ten geeigneten Anlageorte“ für ZVK a pri- und Antiseptika enthalten sind [20, 66, al. [82] macht den Nutzen, aber auch den ori einschränken [199]. Endpunkte der in 68]. Dieser Wagen soll so gestaltet/sor- Aufwand eines solchen Programms deut- diesem Kontext diskutierten Studien wa- tiert sein, dass alle Materialien zum einen lich. Zusammengefasst kann der Einsatz ren immer CABSI oder CRBSI. schnell gefunden und zum anderen zeit- von Simulatoren in der Ausbildung von In einer prospektiven Beobachtungs- nah und vollständig wieder aufgefüllt wer- Ärzten zur ZVK-Anlage hilfreich sein. studie zeigte sich kein Unterschied der den können. Kim et al. vergleichen dies Auch hier müssen Verfügbarkeit und Auf- Infektionsrate zwischen den 3 häufigsten mit dem „Werkzeugwagen“ eines Mecha- wand gegenüber dem zu erwartenden Nut- Anlageorten für ZVK, V. subclavia, V. ju- nikers an seinem Arbeitsplatz: Wenn hier zen abgewogen werden. gularis und V. femoralis [200]. In einem ein wichtiges Werkzeug fehlt, wird der ge- systematischen Review mit Metaanalyse, samte Herstellungsprozess unnötig aufge- 1.5.5. Ultraschallunterstützte in das 2 randomisierte kontrollierte Stu- halten [185]. Anlage von Gefäßkathetern dien (RCT) und 8 Kohortenstudien ein- Die Steuerung einer Gefäßpunktion durch geschlossen wurden, zeigte sich kein sig- punktionsbegleitende Ultraschalluntersu- nifikanter Unterschied zwischen den drei chung ist mit einer Verringerung des Risi- Zugangswegen [201]. Allerdings wurden 13 In dieser Studie erfolgte die Hautantisepsis kos von Fehlpunktionen assoziiert. Durch in diese Metaanalyse die Studien von Lo- mit Povidonjod 10% oder CHX 0,5%, weil in Ja- pan höher konzentriertes CHX wegen des Risikos klinische Studien konnte dies für Katheter- rente [202–204] und Nagashima [205] von Überempfindlichkeitsreaktionen nicht zuge- punktionen an der Vena jugularis interna nicht eingeschlossen, die eine höhere In- lassen ist. belegt werden [194–196]. Hierzu liegt auch zidenz von CRBSI bei femoralem im Ver- Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017 177
Empfehlungen gleich zum jugulären Zugangsweg fan- Einfluss der Tracheostomie. Einige Stu- spektiven Kohortenstudie14 bei Intensiv- den. Auch der RCT von Merrer et al. [206] dien untersuchten, ob das Vorhanden- patienten keinen Vorteil für PICC nach- zeigte im Vergleich V. femoralis versus V. sein einer Tracheostomie das Risiko weisen (2,1 pro 1000 Kathetertage). Eine subclavia eine höhere Infektionsrate beim einer CABSI in Abhängigkeit vom Anla- Fallkontrollstudie von 2013 [222] zeig- femoralen Zugangsweg. geort des ZVK erhöht [78]. Nach Lorente te ebenfalls keinen Vorteil von PICC Hingegen konnten Timsit et al. [207] in et al. haben Patienten mit Tracheostomie (CABSI-Rate 3,1 pro 1000 Kathetertage). einer kombinierten Analyse von 2 RCT im ein signifikant erhöhtes CABSI-Risiko Ajenjo et al. [223] wiesen auf einen wei- Vergleich von femoralem (bei Liegedauer (11,25 vs. 1,43 pro 1000 Anwendungstage; teren wichtigen Punkt hin: Zwar war die unter 4 Tagen) und jugulärem Zugangs- OR 7,99; p < 0,001), und zwar insbesonde- PICC-assoziierte Infektionsrate auf ICU weg keinen Unterschied nachweisen. re dann, wenn der ZVK in der V. jugula- für Erwachsene signifikant höher als auf Auch bei kurzzeitiger Katheterisierung ris angelegt wird [30, 215]. Mit Tracheo- „peripheren“ Stationen (4,79 vs. 2,79 pro der V. femoralis über im Mittel 2,7 Tage stoma war beim Subclaviakatheter die 1000 Anwendungstage), 73 % aller PICC- konnte in einer prospektiven Studie kein CABSI-Rate niedriger als beim Femora- assoziierten BSI traten jedoch außerhalb Unterschied der Infektionsrate nachge- liskatheter [216] und beim Femoraliska- der ICU auf. Neuere Studien bei Erwach- wiesen werden [208]. Gowardman et al. theter niedriger als beim Jugulariskathe- senen untersuchten vor allem nichtinfek- fanden ebenfalls kein erhöhtes Risiko in ter [30]. Auch ein sogenannter posteriorer tionsbedingte Komplikationen von PICC Abhängigkeit vom Anlageort eines kon- Zugangsweg zur V. jugularis bei der ZVK- und fanden ein signifikant erhöhtes Ri- ventionellen ZVK [209]. Anlage konnte dieses Problem nicht lö- siko für Thrombosen, Thrombophlebiti- In der prospektiven Präventionsbün- sen [217]. den, Katheterfehllagen und Dislokatio- delstudie von Zingg et al. war der femo- nen [218, 224, 225]. rale Zugangsweg kein unabhängiger Risi- 1.5.7. Peripher eingeführte zentrale Zwei Studien beschreiben PICC-asso- kofaktor für CABSI [82]. Zu dem gleichen Venenkatheter (PICC) ziierte Komplikationen bei pädiatrischen Ergebnis kam eine Untersuchung mit Dop- Beim PICC wird eine peripher gelegene Patienten. Levy et al. [226] untersuchten pellumenkathetern, die bei dialysepflichti- Vene (z. B. in der Ellenbeuge) punktiert den Verlauf bei 279 PICC bei 221 Patien- gen Patienten eingesetzt werden [210]. und über diesen Zugang ein hierfür ge- ten. Die mittlere Verweildauer der Kathe- Eine Metaanalyse von Parienti et al. eigneter Katheter in die korrekte zentral- ter lag bei 30 Tagen. Im Verlauf wurden [211], in die 10 Studien eingeschlossen venöse Position vorgeschoben. In der Li- 9,3 % akzidentiell gezogen; 13,6 % muss- wurden, kam zu dem Ergebnis, dass der teratur der letzten 10 Jahre gewinnt man ten wegen anderer mechanischer Pro- Zugangsweg über die V. subclavia mög- den Eindruck, dass in den USA PICC zu- bleme entfernt werden und bei 13,6 % licherweise ein geringeres CABSI-Risiko nehmend häufig eingesetzt wurden. Mög- kam es zu einer Infektion, z. B. Phlebitis aufweist; allerdings sei die wissenschaftli- licherweise war dies so, weil ältere Studi- in 4,6 % (1,5 pro 1000 PICC-Tage), Infek- che Evidenz hierfür noch nicht eindeutig en einen infektionspräventiven Vorteil für tion der Eintrittsstelle in 3,5 % (1,1 pro [212]. In einer später folgenden multizen- PICC nahelegten [14, 218]. 1000 PICC-Tage) und CABSI und CRBSI trischen prospektiv randomisierten Studie In einer 2004 publizierten spanischen zusammen in 5,7 % (1,8 pro 1000 PICC- bei erwachsenen Intensivpatienten konn- Multicenterstudie waren PICC mit einem Tage). Weitere 5,3 % aller PICC wurden ten Parienti et al. [77] nachweisen, dass der geringeren CABSI-Risiko assoziiert [78]. bei einem Infektionsverdacht gezogen, der Anlageort (V. jugularis vs. V. subclavia vs. Gunst et al. [219] fanden bei chirurgi- sich später nicht bestätigte. Jumani et al. V. femoralis) mit dem Risiko eines kom- schen Langzeitintensivpatienten in einer [227] untersuchten in einer Kohortenstu- binierten Endpunktes (CRBSI, Thrombo- nichtrandomisierten Studie ebenfalls eine die mit 2574 PICC bei 1807 Kindern Risi- sen, mechanische Komplikationen, v. a. niedrigere Infektionsrate bei PICC. kofaktoren für PICC-assoziierte Kompli- Pneumothorax) assoziiert war. Die Anla- In einer systematischen retrospektiven kationen. Bei 21 % wurde der PICC nicht ge in der Vena subclavia war sowohl aus Übersicht der bis 2006 publizierten Studi- elektiv entfernt: Dislokation 4,6 %, Infek- der Perspektive der Infektionsprävention en [14] waren die CABSI-Raten für PICC tion (inkl. Eintrittsstelle) 7,3 %, Okklusion als auch in Bezug auf das Risiko throm- mit 0,8 (0,4–1,3) pro 1000 Anwendungs- 3,7 %, Phlebitis 1,2 % und PICC-assoziier- botischer Komplikationen günstig, aller- tage sehr gering. In einem vergleichenden te Thrombose 0,5 %. Vor allem die zu weit dings kam es hier bei der Katheteranlage Review [220] war die Infektionsrate bei periphere Lage der Katheterspitze prädis- häufiger zu einem Pneumothorax. Verbrennungspatienten mit PICC deut- ponierte zu Komplikationen. Bei Kindern gibt es keinen Hinweis auf lich niedriger als die Rate bei Patienten eine erhöhte Infektionsrate von Femora- mit anderen ZVK (0 vs. 6,6 pro 1000 Ka- liskathetern [102, 104, 213, 214]; aller- thetertage). dings ist im Windelbereich zum Schutz Hingegen konnte die Arbeitsgruppe der Eintrittsstelle der Einsatz von semi- von Safdar und Maki [221] in einer pro- permeablen Folienverbänden mit zusätz- 14 Retrospektive Auswertung der Patienten mit licher Zugsicherung obligat. PICC (115 Patienten, 251 PICC; mittlere Liege- dauer 11 Tage) aus zwei anderen prospektiv ran- domisierten Studien zum Einsatz von Biopatch™. 178 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2 · 2017
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