2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft

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2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
INSTITUT                 INSTITUT
PRODUKTIONSANLAGEN UND   W E R K Z E U G M A S C H I N E N U N D FA B R I K B E T R I E B
KONSTRUKTIONSTECHNIK     T E C H N I S C H E U N I V E R S I TÄT B E R L I N

                         AUS UNSERER FORSCHUNG

                         2019
                         produktionstechnisches zentrum berlin
2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
Inhalt
           3       Vorwort

           	Geschäftsfelder
           4	Produktionstechnisches Zentrum (PTZ) Berlin
           10	Unternehmensmanagement
           16      Virtuelle Produktentstehung
           24	Produktionssysteme
           32      Füge- und Beschichtungstechnik
           36	Automatisierungstechnik
           42	Ereignisse
           50	Mehr Können                                                                                Vorwort
           51	Impressum
                                                                                                         Digitalisierung und Vernetzung in der ­Industrie     gen Querschnittsthema Additive Fertigung. Er
                                                                                                         schreiten konsequent voran, ein Ende des Trends      wird künftig nicht nur Expertise des Instituts
           mehr Informationen erhalten                                                                   ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Wir regist-   auf diesem Gebiet bündeln und den Kompe-
                                                                                                         rieren, dass die Themen, die unsere Partner in       tenzausbau unterstützen, sondern auch stra-
           Weiterführende Links zu unseren Arti-                                                         diesem Zusammenhang umtreiben, an Komple-            tegische Forschungskoopera­tionen aufbauen.
           keln erhalten Sie in der digitalen Version                                                    xität gewinnen, sodass sie sich nur mit interdis-    Davon werden nicht nur wir, sondern vor allem
           dieses Jahresberichts. Um diesen abzu-                                                        ziplinär aufgestellten Teams bewältigen lassen.      unsere Kunden profitieren. Die Relevanz einer
           rufen, laden Sie sich bitte auf Ihr mobi-                                                     Dass Expertinnen und Experten unterschied-           solchen Position für den Additivbereich zeigt
           les Endgerät eine App zum Scannen von                                                         licher Fachbereiche ein Entwicklungsthema            sich daran, dass Forschungsprojekte zu diesem
           QR-Codes herunter. Über den Code auf dieser                                                   gemeinsam vorantreiben, hat am Produktions-          Thema an diversen Stellen in diesem Jahres-
           Seite gelangen Sie direkt zu unserem Jahresbe-                                                technischen Zentrum (PTZ) Berlin eine lange          bericht vertreten sind – zum Beispiel in den
           richt. Dort stehen ihnen auch sämtliche Artikel                                               Tradition. Mitarbeitende aus Fabrikplanung,          Kontexten Produktentstehung und Fertigung.
           als PDF zum Download zur Verfügung.                                                           Produktentwicklung und Technologie arbei-
                                                                                                         ten hier Hand in Hand. Die enge Verzahnung           Zudem haben im vergangenen Jahr die Akti-
           Alternativ können Sie auch diesen Shortlink                                                   von Grundlagenforschung im IWF der TU Berlin         vitäten des Leistungszentrums »Digitale Ver-
                                                             APP   SCAN   www
           benutzen: http://s.fhg.de/ipk-jb18                                                            und angewandter Forschung im Fraunhofer IPK          netzung« (LZDV) weiter Fahrt aufgenommen.
                                                                                                         erweitert unsere Möglichkeiten zusätzlich.           Zahlreiche Projekte, die in diesem Rahmen durch-
                                                                                                                                                              geführt werden, stellen wir in diesem Bericht vor.
                                                                                                         Dieser disziplin- und institutsübergreifende         Außerdem haben wir die Hannover Messe 2018
                                                                                                         Ansatz wurde 2018 gleich mehrfach unterfüt-          zum Anlass genommen, gemeinsam mit den
                                                                                                         tert. Das Fraunhofer IPK hat nun einen zent-         LZDV-Partnerinstituten FOKUS, HHI und IZM
                                                                                Weitere Informationen:   ralen Ansprechpartner für die institutsweite         einen Demonstrator zu realisieren, der die Ver-
                                                                                 www.ptk2019.de          Koordination von Projektanfragen und For-            netzungs- und Industrie 4.0-Kompetenzen aller
                                                                                                         schungsthemen. Er wird für Themen, die eine          Institute zusammenbringt. Und es geht weiter:
                                                                                                         interdisziplinäre Herangehensweise erfordern,        2019 ist die Geschäftsstelle des LZDV ans Fraun-
                                                                                                         in den verschiedenen Fachbereichen geeig-            hofer IPK gewechselt. Das ermöglicht es uns,
                                                                                                         nete Expertinnen und Forscher identifizieren         den Bedarfen unserer Kunden im Bereich digital
                                                                                                         und zusammenbringen. Gleichzeitig haben wir          integrierte Produktion mit einer noch breiteren
                 XVI. internationales
PTK 2019         produktionstechnisches                                                                  erstmals ein Cross Research Development ein-         Angebotspalette gerecht zu werden.
                 kolloquium
                                                                                                         geführt, durch das ein einzelnes Forschungs-
                                                                                                         thema mit fundamentaler Bedeutung für das
Digital integrierte Produktion                                                                           Institut und unsere Kunden bereichsübergrei-
                                                                                                         fend vorangetrieben wird. Unser erster Cross         Prof. Dr. h. c. Dr.-Ing. Eckart Uhlmann
Lösungen aus Berlin / Brandenburg                                                                        Research Developer widmet sich dem wichti-           Institutsleiter Fraunhofer IPK

                                                                                                                                                                                                              3
12. – 13.09.2019
2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
PTZ auf einen Blick

Profil                                                                                                                                                     Steckbrief PTZ

Im Produktionstechnischen Zentrum Ber-            Research Developern für herausragende The-       und umfasst sowohl die Entwicklung von Pro-              Gründung                  1986
lin (PTZ) sind das Institut für Werkzeug-         men untermauert, was im Themenkomplex            zesstechnologien und Produktionsanlagen als
maschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der             additive Fertigung bereits erprobt wird.         auch deren informationstechnische Modellie-              Gesamtfläche              15 000 qm
Technischen Universität Berlin und das            	Die Struktur des Doppelinstituts                rung. Die Fachgebiete Werkzeugmaschinen
Fraunhofer-Institut für Produktionsanla-          ermöglicht zum einen schnelle Detaillösun-       und Fertigungstechnik, Montagetechnik und
                                                                                                                                                                                      600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
gen und Konstruktionstechnik IPK in einem         gen, zum anderen bietet die interdisziplinäre     Handhabungstechnik, Industrielle Automatisie-           Personal
                                                                                                                                                                                      in Forschung und Dienstleistung
Doppelinstitut zusammengeführt. Auf diese         Zusammenarbeit verschiedener Fachleute die       rungstechnik, Industrielle Informationstechnik,
Weise verbindet das PTZ die universitäre Ein-     Gewähr für umfassende Systemlösungen. Ob          Qualitätswissenschaft, Qualitätsstrategie und
                                                                                                                                                            Betriebshaushalt          33.048.192 €
heit von Forschung und Lehre mit der indust-      produzierende Unternehmen, Dienstleister          Qualitätskompetenz, Fügetechnik, Beschich-
rienahen Anwendungs­orientierung der Fraun-       oder öffentliche Institutionen – unser Haupt-    tungstechnik, Mikro- und Feingeräte, Verfah-
                                                                                                                                                                                      Verbände und Institutionen der öffentlichen
hofer-Gesellschaft. Gleichzeitig sorgt die enge   anliegen ist, die Wettbewerbsfähigkeit unse-     ren und Technologien für hochbeanspruchte
                                                                                                                                                                                      Hand, global operierende Industrie- und
Vernetzung der einzelnen Fachbereiche beider      rer Kunden durch neue und weiterentwickelte      Schweißverbindungen, Tribologie sowie Nach-
                                                                                                                                                            Kunden                    Dienstleistungsunternehmen verschiedener
Institute dafür, dass bei komplexen Forschungs-   technologische Konzepte zu verbessern.            haltige Unternehmensentwicklung arbeiten an
                                                                                                                                                                                      Branchen, kleine und mittelständische
und Entwicklungsthemen Expertinnen und            	Bei seiner Gründung 1904 war das                der »Digitalen Fabrik«. Ihr Ziel ist es, Produktent-
                                                                                                                                                                                      Betriebe
Experten verschiedener Fachdisziplinen ihre       IWF eine der ersten Institutionen produktions-    wicklung, Fertigungsplanung und Produktion
Kompetenzen unkompliziert zusammenbrin-           technischer Lehre und Forschung in Deutsch-       informationstechnisch so abzubilden und zu
                                                                                                                                                            Internationale Märkte     Europa, Asien, Nord- und Südamerika
gen können. So setzen sich Projektteams           land, die Einrichtung eines Versuchsfeldes war    vernetzen, dass Produktentstehungs- und
zunehmend aus Mitgliedern unterschiedli-          wegweisend für die Disziplin. Das Forschungs-    -lebenszyklen durchgängig simuliert, verifiziert
cher Fachbereiche zusammen. Dieser Ansatz         und Lehrangebot orientiert sich an Technologie   und optimiert werden können. Als Institut der                                      http://www.ipk.fraunhofer.de
                                                                                                                                                            Websites
wird künftig durch die Etablierung von Cross      und Management industrieller Fabrikbetriebe      Technischen Universität Berlin bildet das IWF                                      http://www.iwf.tu-berlin.de
                                                                                                    jährlich etwa 200 Studierende im Fach Maschi-
                                                                                                   nenbau aus. Im Master-Studiengang Global Pro-
                                                                                                   duction Engineering, an dem das IWF wesent-
                                                                                                    lich beteiligt ist, werden Studierende aus aller
                                                                                                    Welt für die Herausforderungen der glo­balen
                                                                                                    Industriegesellschaft ausgebildet.                    schung entwickeln wir im Rahmen von Vorlauf-
                                                                                                          Das Fraunhofer IPK betreibt seit 1976 an­­      projekten außerdem innovative Konzepte für die
                                                                                                   ge­wandte Forschung und Entwicklung für die            Produktion von morgen. Auf diesem Weg entste-
                                                                                                   gesamte Prozess­kette produzierender Unterneh-         hende Innovationen überführen wir gemeinsam
                                                                                                   men – von der Produktentwicklung über den Pro-         mit Partnern in marktreife Produkte.
                                                                                                   duktionsprozess, die Instandhaltung von Inves-               Durch die Einbindung in das Leistungszen-
                                                                                                   titionsgütern und die Wiederverwertung von             trum »Digitale Vernetzung« (LZDV) ist das Fraun-
                                                                                                    Produkten bis hin zu Gestaltung und Management        hofer IPK eng mit den übrigen Berliner Fraun-
                                                                                                    von Fabrikbetrieben. Zudem überträgt das Insti-       hofer-Instituten vernetzt. Das LZDV entwickelt
                                                                                                   tut produk­tionstechnische Lösungen in Anwen-          Technologien und Lösungen, die der zunehmen-
                                                                                                   dungsgebiete außerhalb der Industrie, etwa in          den Digitalisierung und Vernetzung aller Lebens-
                                                                                                   die Bereiche Verkehr und Sicherheit. Die enge          bereiche Rechnung tragen. Im Leistungszentrum
                                                                                                   Zusammenarbeit der Geschäftsfelder Unterneh-           forschen die vier Fraunhofer-Institute FOKUS, HHI,
                                                                                                   mensmanagement, Virtuelle Produktentstehung,           IPK und IZM an Basis- und Querschnittstechno-
                                                                                                    Produktionssysteme, Füge- und Beschichtungs-          logien für die Anwendungsbereiche »Vernetzte
                                                                                                   technik sowie Automatisierungstechnik ermöglicht       Industrie und Produktion«, »Vernetzte Mobilität
                                                                                                   die Bearbeitung interdisziplinärer Themen. Unser       und Zukunftsstadt«, »Vernetzte Gesundheit und
                                                                                                   Ziel ist dabei, ökonomische Erwägungen mit den         Medizin« und »Vernetzte kritische Infrastrukturen
                                                                                                    Maximen Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit        und Energie«.
                                                                                                    in Einklang zu bringen. Neben der Auftragsfor-

                                                                                                                                                                                                                                5
2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
Vernetzte Technologien für eine
»Smarte ­Produktionsumgebung«

Das Leistungszentrum »Digitale Vernetzung«         zur durchgängigen Unterstützung der Produk­
ist Innovation Hub für die agile Durchführung      tionsarbeit integriert. Dies ermöglicht kontext-
digitaler Projekte. Als Wegbegleiter der digita-   basiertes Arbeiten von Werker und Instandhalter
len Transformation bieten seine Transferzentren    und multimediale Interaktion und Kooperation
und Labore die Möglichkeit, mit Innovationen       mit dem Anlagensystem. Die Kopplung der
schnell konkrete Ergebnisse zu erzielen. Das       Anlage und Prozesse mit ihren virtuellen digi-
Portfolio reicht von der Unterstützung bei der     talen Abbildern und Modellen erfolgt in Echt-
Implementierung sicherer cyberphysikalischer       zeit. Das reale Anlagenverhalten und der Prozess
Systeme bis zur Realisierung von Anwendungs-       werden über Sensoren digital erfasst, zeitnah
szenarien mit der neuen 5G-Netztechnologie.        ausgewertet und mit virtuellen Modellen kor-
          Für die Hannover Messe 2018 haben        reliert. Durch digitale Assistenz und angepasste
die vier beteiligten Fraunhofer-Institute FOKUS,   Mensch-Technik-Kooperation wird Produktions-
HHI, IPK und IZM eine Anwendungslösung des         arbeit neu gestaltet und der Einsatz von Robo-
digital vernetzten Arbeitens in der Produktion     tern für Fertigungsaufgaben erleichtert. So kön-   KundeNmanagement mit System: Felix Fehlhaber
realisiert. Die »Smarte Produktionsumgebung«       nen kleine und mittelständische Unternehmen
zeigt am Beispiel einer Roboteranlage zur Bear-    künftig mit neuesten Technologien der Digitali-    Felix Fehlhaber ist im Fraunhofer IPK einen ungewöhnlichen Weg gegangen, der ihn in
beitung von Werkstücken, wie neue Digitalisie-     sierung Roboteranwendungen einfach erschlie-       eine Position geführt hat, die es vorher im Institut nicht gab. Der Wunsch, Menschen zu
rungslösungen mit integrierter Bereitstellung      ßen und nutzen.                                    helfen brachte ihn 2010 über ein Studium der technischen Informatik in den damaligen
von Anlagen- und Prozessassistenz ein schnelles    	Derzeit geht das LZDV zwei Jahre nach
                                                                                                      Bereich Medizintechnik des Fraunhofer IPK. Hier arbeitete er zunächst daran, Chirurgen
Einrichten der Bearbeitungsaufgabe unterstüt-      seiner Gründung und nach positiver Evaluierung
                                                                                                      Assistenzsysteme an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Arbeit besser, präziser, zuver-
zen. Hierfür werden die Zukunftstechnologien       durch externe Gutachter aus Wirtschaft und
                                                   Wissenschaft in die zweite Phase. Dabei wech-      lässiger durchführen können – als studentischer, später als wissenschaftlicher Mitarbeiter,
    gestenbasierte Roboterprogrammierung,          selten die Sprecherschaft und Geschäftsstelle      zuletzt als Abteilungsleiter. In dieser Position hat er die Kundenansprache des Bereichs
    digitale Assistenzsysteme für Anlage 		        Anfang 2019 ans Fraunhofer IPK. Das Land Ber-      neu aufgezogen  – und sich damit für ein ganz anderes Tätigkeitsfeld empfohlen. Seit
    und Prozess,                                   lin und die Fraunhofer-Gesellschaft werden bis     Sommer 2017 betreibt Felix Fehlhaber als Assistent der Institutsleitung abteilungsüber-
    Simulation und Synchronisation mit dem         Ende 2020 für die neue Förderphase insgesamt       greifende Projektakquise. Potenziellen Kunden stellt er die Lösungen des Fraunhofer IPK
    digitalen Zwilling,                            sechs Millionen Euro in das Leistungszentrum
                                                                                                      vor und nimmt auf, worin die Herausforderungen der Interessenten liegen. Anschlie-
    Informationsvisualisierung in der              investieren.
                                                                                                      ßend bringt er sie mit passenden Arbeitsgruppen im Fraunhofer IPK zusammen. Seit
    Anlagenumgebung durch Augmented
    Reality und                                    Ansprechpartner                                    Anfang 2019 ist er zudem Leiter der Geschäftsstelle des Leistungszentrums »Digitale
    Überwachung durch Sensorik und                 Eckhard Hohwieler                                  Vernetzung« (LZDV), die 2019 und 2020 ihren Sitz am Fraunhofer IPK hat. Hier bestehen
    Edge-basiertes Zustandsmonitoring              Tel. +49 30 39006-121                              seine Aufgaben darin, die Prozessorganisation des Leistungszentrums voranzubringen
                                                   eckhard.hohwieler@ipk.fraunhofer.de                und dessen Forschungsthemen auf sogenannten »Transferpfaden« – von Vertragsfor-
                                                   www.digitale-vernetzung.org                        schung über Lizensierung und Ausgründung bis zu Gremienarbeit – in Wirtschaft und
                                                                                                      Gesellschaft zu tragen.
                                                                                                           Flüchtig betrachtet scheinen diese Aufgaben von Felix Fehlhabers ingenieurwis-
                                                                                                      senschaftlicher Tätigkeit ziemlich weit entfernt. Doch die Gemeinsamkeiten sind groß.
                                                                                                      »Jeder Softwareentwicklung liegt der Gedanke zugrunde, Prozesse zu optimieren«, sagt
                                                                                                      er. Hier liegt sein Steckenpferd: Ungereimtheiten in Abläufen entdecken und diese neu
                                                                                                      ordnen. Was der Kern seiner Tätigkeit als Softwareentwickler war, bestimmt nun auch
                                                                                                      sein Herangehen an die aktuellen Aufgaben. So hat er als Basis für die institutsüber-
                                                                                                      greifende Kundenakquise zunächst ein Instrument eingeführt, das systematisch erfasst,
                                                                                                      wer im Institut welche Kompetenzen besitzt, wer woran arbeitet und wo die jeweiligen
                                                                                                      Mehrwerte für den Anwender liegen. Dieses Tool wird es künftig erheblich vereinfachen,
                                                                                                      Interessenten schnell an den richtigen Ansprechpartner im Fraunhofer IPK zu vermitteln.

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2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
Das richtige Rezept für die additive Fertigung: André BErgmann

»Essen tun die Leute immer«, lautete die Begründung, mit der André Bergmanns Oma
ihm zu einer Lehre als Koch riet. Ein Rat, dem er folgte, auch wenn die Berufung ihn
später in eine andere Richtung führte. Seit er 2010 an das Fraunhofer IPK kam, ent-            Musterbeispiel für Interdisziplinarität am Fraunhofer IPK:
                                                                                               Innovationsbenchmarking bei CISER
wickelt André Bergmann Rezepte, um die additive Fertigung voranzutreiben. »Als ich
am Institut anfing, waren wir gerade mal zwei wissenschaftliche Mitarbeiter, die den
                                                                                               Ciser ist brasilianischer Marktführer im Bereich   für Schritt in verschiedenen Projekten umgesetzt
Übergang vom Rapid Prototyping, dem schnellen Prototypenbau aus Kunststoffen, zum              Befestigungssysteme. Das Unternehmen fertigt       werden können. Die Innovations-Roadmap wurde
Rapid Tooling, dem Aufbau anwendungsreifer Werkstücke aus metallischen Pulvern                 27.000 unterschiedliche Produkte, um 20.000        von einem professionellen Ideenzeichner erstellt
betrieben«, erinnert er sich. Neun Jahre später arbeiten am Fraunhofer IPK über zwölf          Kunden in über 20 Ländern zu beliefern. Um         und anschließend in eine interaktive App imple-
Mitarbeiter auf diesem Gebiet – und André Bergmann ist seit Dezember 2018 Cross                Ciser bei der Entwicklung neuartiger Kundenlö-     mentiert, um die Kommunikation im Unternehmen

Research Developer, der das Themenfeld »additiv« institutsweit voranbringen soll.              sungen zu unterstützen und somit dessen künf-      zu vereinfachen.
                                                                                               tige Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, führten
     Das Thema ist heiß: Sowohl die Medizintechnik als auch der Werkzeugbau, die
                                                                                               das Fraunhofer IPK und das Fraunhofer Project      Ansprechpartner
Luft- und Raumfahrttechnik und die Turbomaschinenbranche zeigen massives Interesse
                                                                                               Center for Advanced Manufacturing @ ITA, kurz      Jan-Patrick Cap
an der additiven Fertigung anwendungsreifer Bauteile aus Aluminium, Edelstählen oder           FPC@ITA in São José dos Campos ein Innova-         Unternehmensmanagement
Nickel-Basis-Legierungen. Und Berlin hat das Zeug, ein Hot Spot für den Technologie-           tionsbenchmarking durch. Am Fraunhofer IPK         Luiz Guilherme de Souza Schweitzer
zweig zu werden. »Die Region hat einen starken Bezug zur Turbomaschinen-Branche                waren daran die Geschäftsfelder Unterneh-          Produktionssysteme
und viel Kompetenz in IT und Digitalisierung. Das sind ideale Voraussetzungen für Schlag-      mensmanagement und Produktionssysteme              Dr.-Ing. David Carlos Domingos

kraft im Additiv-Bereich«, ist André Bergmann überzeugt. Sein ambitioniertes Ziel als          beteiligt. Als weiterer Partner verstärkte das     Fraunhofer Project Center for
                                                                                               SENAI Innovation Institute for Manufacturing       Advanced Manufacturing @ ITA (FPC@ITA)
Cross Research Developer ist es, langfristige Industriekooperationen aufzubauen, die
                                                                                               Systems aus Joinville das Team. Somit konnte
sich gegen etablierte deutsche Additiv-Zentren behaupten können. Das Fraunhofer IPK
                                                                                               Ciser vom gebündelten Management-Know-             Telefon: +49 30 39006­-304
ist dafür gut aufgestellt. In den letzten Jahren hat das Institut für die additive Fertigung   how und der technologischen Expertise einer        jan­-patrick.cap@ipk.fraunhofer.de
eine dreistufige Prozesskette etabliert, die das Bauteildesign, die eigentliche Fertigung      internationalen Projektgruppe profitieren.
und die Nachbearbeitung sowie Qualitätssicherung umfasst. Sie baut auf dem Selective                 Das Innovationsbenchmarking umfasste
Laser Melting und dem Laser-Pulver-Auftragschweißen auf. »Für diese Verfahren wol-             eine Analyse aktueller Trends in den Bereichen
len wir institutsübergreifend Marktstrategien entwickeln und Komplettpakete anbie-             Materialien, Technologien, Produkte, Dienstleis-
                                                                                               tungen, Marketing und Geschäftsmodelle in der
ten«, fasst André Bergmann zusammen. Denn mit einem Entwicklungspartner, der ein
                                                                                               europäischen Befestigungsindustrie. Nach einer
Bauteil für additive Fertigung auslegen, vorab simulieren, fertigen und anschließend
                                                                                               systematischen Bestandsaufnahme wurden die
nachbearbeiten und vermessen kann, werden Machbarkeit, Aufwand und Kosten in                   Benchmarking-Ergebnisse in einem Innovations-
einer frühen, risikoreichen Phase für den Kunden besser abschätzbar. Darüber hinaus            workshop diskutiert. Während des Workshops
will André Bergmann die Technologieanwender im Einsatz additiver Verfahren schulen,            wurden alle entwickelten Ideen in eine Innova-
angefangen beim Bauteildesign. Denn: »Wer additiv fertigen will, muss zunächst addi-           tions-Roadmap aufgenommen, sodass sie Schritt

tiv denken lernen«, und das werde in der Ingenieursausbildung noch kaum gelehrt.
                                                                                                                                                                                                9
2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
Unternehmens-
management

                                                                                                             »Ich packe meinen Industrie 4.0-Koffer und nehme mit …«:
                                                                                                             Patrick Gering

                                                                                                             Konferenzbesuche, Städtetrips, Projektpitches oder Skifahren in den Bergen – dafür reist
                                                                                                             Patrick Gering gerne und oft um die Welt. Damit er für die unterschiedlichen Anlässe
                                                                                                             gut vorbereitet ist, hat er einen treuen Begleiter immer an seiner Seite: seinen Koffer.
                                                                                                             Patrick Gering ist ein Profi im Packen und hat Skibrille, Laptop, Regenschirm und Akten-
                                                                                                             tasche immer dann griffbereit, wenn sie gebraucht werden.
Ein Koffer aus Berlin                                                                                             So unterschiedlich die Anforderungen an den Koffer auf Reisen sind, so unter-
                                                                                                             schiedlich sind auch die Ansprüche an schlanke Lösungen für die Digitalisierung von
Die Anforderungen an den Mittelstand wach-            werden wiederaufgenommen. Der zweite Use Case          Unternehmen. Das Projekt »Industrie 4.0 aus dem Koffer« des Leistungszentrums »Digi-
sen stetig: immer neue Varianten erzeugen, die        ist die Erzeugung von Prozessdaten zur detaillierten   tale Vernetzung« setzt genau dort an. Patrick Gering arbeitet in dem Projekt an einem
Rückverfolgbarkeit einzelner Produktionsschritte      Analyse von Verfahrensproblemen. Dabei werden
                                                                                                             Koffer, der sich flexibel auf heterogene IT- und Maschinenlandschaften anwenden lässt.
ermöglichen oder den Nachweis von Produkt­            im Kontext der Prozesse und Aufträge Daten erho-
                                                                                                             Vor allem kleine und mittlere Unternehmen können so auf günstige und individuelle
eigenschaften und Prozessbedingungen erbrin-          ben, mit deren Hilfe die Ursachen von Problemen im
gen. Gleichzeitig versprechen Systemanbieter,         Detail analysiert werden können, um sie zu behe-
                                                                                                             Digitalisierungslösungen zugreifen. Nachdem in einem ersten Schritt die Hard- und
diesen Herausforderungen zu begegnen. In der          ben. Der dritte Anwendungsbereich ist die Vor-         Software implementiert wurden, befindet sich die Entwicklung des Koffers nun in der
Regel sind die angebotenen Lösungen jedoch mit        bereitung einer ganzheitlichen Digitalisierung der     abschließenden Phase, in der Patrick Gering mit dem Projektteam ein Workshop-Format
hohen Investitionen sowie unklaren Anforderun-        Unternehmensprozesse. Auf Basis des integrierten       zur Anwendung des Koffers konzeptioniert.
gen an Personal, Zeitbedarf und konkreten Nut-        Prozessmodells wird mithilfe des Koffers ein erster         Neben diversen Projekten in der Abteilung Geschäftsprozess- und Fabrikmanage-
zen verbunden.                                        Digitalisierungsansatz realisiert. Bei dessen Anwen-
                                                                                                             ment verfolgt der wissenschaftliche Mitarbeiter derzeit seine Promotion. Er freut sich,
      Hier setzt der Berliner »Industrie 4.0-Kof-     dung wird ein interaktives Lastenheft erzeugt, das
                                                                                                             dass er am Fraunhofer IPK beides miteinander verbinden kann: »Meine Projekte bauen
fer« an. Die Besonderheit dieses Baukastensystems     eine dauerhafte Digitalisierung vorbereitet.
besteht in der modellbasierten Konfiguration von             Mit dem Koffer wird es gerade kleinen
                                                                                                             immer aufeinander auf und ich habe das Glück, deren Themen für meine Promotion
Sensoren und Maschinenadaptern, AutoID für            Unternehmen möglich, ihre Belegschaft »live« in        weiterverarbeiten zu können. So konnte ich mein Wissen über die letzten Jahre kon-
Produkte und Anlagen sowie deren Nutzung für          die Digitalisierung einzubeziehen, frühzeitig Erfah-   tinuierlich erweitern.« Spezialisiert hat er sich auf die Prozess- und Unternehmensmo-
die Gestaltung auftragsindividueller Prozesse. Das    rungen zu sammeln und die Nutzenpotenziale her-        dellierung. Er wird Unternehmensmodellen so viel Dynamik verleihen, dass diese per
Leistungszentrum »Digitale Vernetzung« (LZDV)         auszuarbeiten, bevor eine umfangreiche Lösung          Knopfdruck zu IT-Systemen werden und die Anforderungen der Unternehmen an Digi-
entwickelte den Koffer unter Federführung des         realisiert wird.
                                                                                                             talisierungslösungen unmittelbar erfüllen.
Fraun­hofer IPK für drei initiale Anwendungsberei-
che. Der erste ist die schnelle Digitalisierung von   Ansprechpartner
auftragsindividuellen Prozessen, die mit Standard-    Patrick Gering
mitteln nur aufwendig umzusetzen wäre. Nach           Tel. +49 30 39006-167
Bearbeitung des Auftrages wird der Koffer wieder      patrick.gering@ipk.fraunhofer.de
eingepackt und die gewohnten Standardprozesse

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2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
Mobile Jobplanung                                    Zukunftsweisende Qualitäts-
für den Meister in der                               organisation für BRP-Rotax
Produktion
                                                     Eine ganzheitlich ausgerichtete Qualitätsorga-
Die Initiative »Industrie 4.0 – Forschung auf        nisation bildet die Basis für die durchgängige
den betrieblichen Hallenboden« des Bundes-           Sicherstellung einer hohen Prozess- und Pro-
forschungsministeriums sollte aufzeigen, wie         duktqualität, von der Kundenanforderung bis
Industrie 4.0-Lösungen gemeinsam mit dem             zum fertigen Endprodukt. Das Fraunhofer IPK
Mittelstand entwickelt und umgesetzt werden          unterstützte die BRP-Rotax GmbH & Co KG
können. Aus über 100 Einreichungen wurde             bei der Konzeption einer zukunftsfähigen und
JUMP 4.0 als eines von elf Projekten zur For-        anforderungsgerechten Qualitätsorganisation.
schungsförderung ausgewählt und ist Ende             In zahlreichen Vor-Ort-Terminen wurden die
2015 mit dem Ziel gestartet, die Hürde zum           Anforderungen aller Gruppen von Stakeholdern
Einstieg in Industrie 4.0 auf ein Minimum zu         systematisch aufgenommen. Auf Basis dieser
senken. Die Kernidee von JUMP 4.0 war es,            Gespräche konnte eine detaillierte Beschreibung
ein System zu entwickeln, das sich das weitrei-      des Ist-Zustandes erfolgen, die auch eine syste-
chende Erfahrungswissen der Meisterinnen und         matische Darstellung der Herausforderungen
Meister in der Fertigung zunutze macht, um es        beinhaltete.
frühzeitig in den Produktionsprozess einfließen               Das Team identifizierte wesentliche
lassen zu können. So sollen Entscheidungen           Anforderungen an die Qualitätsorganisation
zu jeder Zeit auf dem Shop Floor ermöglicht          und überführte sie unter Berücksichtigung
werden.                                              von Best Practices und dem aktuellen Stand
	Mit dem entwickelten JUMP Planner                   der Forschung in ein Soll-Konzept. Dabei wur-
sind die Meister künftig in der Lage, unabhän-       den auch Anforderungen an weitere globale            Gestaltung von Geschäftsmodellen für
giger zu arbeiten, schneller zu reagieren und        Standorte des Projektpartners berücksichtigt.        junge Unternehmen in Luft- und Raumfahrt
vor allem besser Entscheidungen zu treffen, da       Darauf aufbauend wurden in einem zweiten
für alle Störfälle die in der jeweiligen Situation   Schritt Abweichungen von Soll- und Ist-Konzept       Das Leben eines Start-ups beginnt mit einer Idee   eine eigens konzipierte Methode genutzt, die
notwendigen Informationen zur Verfügung              in einer Gap-Analyse festgehalten. In weiteren       und viel Begeisterung. Europäische Start-ups mit   insbesondere auf kleine und mittlere Unterneh-
stehen. Das wiederum hat positive Effekte auf        Vor-Ort-Terminen diskutierte das Team mögliche       Bezug zur Luft- und Raumfahrt haben jetzt die      men zugeschnitten ist und die Analyse, Ent-
Aspekte wie Planbarkeit, Durchlaufzeiten, Pro-       Maßnahmen für die gezielte qualitätsbezogene         Möglichkeit, in ihren frühen Stadien Unterstüt-    wicklung und kontinuierliche Verbesserung
duktivität, Qualität, Liefertreue und vieles mehr.   Entwicklung einzelner Fachbereiche. Die Ergeb-       zung und Mentoring im Rahmen eines von der         von Geschäftsmodellen unterstützt.
Je nach Unternehmen, Aufgabe, Prozess und            nisse wurden priorisiert und zeitlich abgeschätzt,   EU geförderten Projekts zu erhalten.               	Neben der individuellen Beratung stel-
Rolle sind die Parameter und Einflussfaktoren        um eine detaillierte Roadmap zu entwickeln.          	In Kooperation mit neun europäischen              len sechs zweitägige Space Academies einen
für diesen Ansatz sehr unterschiedlich. Daher        Diese gilt es nun umzusetzen.                        Partnern, darunter dem European Business           wesentlichen Bestandteil des Projekts dar.
war ein vollkommen neuer Ansatz notwendig,                                                                Angels Network, der International Association      Diese finden unter anderem in Helsinki, Rom
der sich Methoden und Vorgehensweisen des            Ansprechpartner                                      of Science Parks and Areas of Innovation und       und Sevilla statt. Die Veranstaltungen ermög-
Prozessmanagements zunutze macht. Hierzu             Konstantin Neumann                                   dem European Panel for Space SME Associa-          lichen es den ausgewählten Start-ups, vor Ort
wurden Datenmodelle und Werkzeuge ent-               Tel. +49 30 39006-139                                tions unterstützt der Bereich Unternehmens-        gecoacht zu werden, an Networking-Aktivitäten
wickelt, die Prozessmodelle mit vorhandenem          konstantin.neumann@ipk.fraunhofer.de                 management des Fraunhofer IPK europäische          teilzunehmen und vor Investoren ihr Unterneh-
Expertenwissen anreichern, um so situativ die                                                             Start-ups aus der Luft- und Raumfahrt bei ihren    men zu pitchen.
notwendigen Informationen in der Produktion                                                               Wachstumsplänen. Im Rahmen des Projekts
bereitstellen zu können und Prozesse abzusi-                                                              »SpaceUp« ist das Institut schwerpunktmäßig        Ansprechpartner
chern. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes                                                             für die Gestaltung der Geschäftsmodelle von 60     Erik Steinhöfel
werden 2019 als Buch veröffentlicht.                                                                      jungen Unternehmen verantwortlich. Dazu wird       Tel. +49 30 39006-371
                                                                                                                                                             erik.steinhoefel@ipk.­fraunhofer.de
Ansprechpartner                                                                                                                                              www.spaceupeurope.eu
Patrick Gering
Tel. +49 30 39006-167
patrick.gering@ipk.fraunhofer.de
www.jump40.de

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2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
Assessment und Strategie­entwicklung für Lernfabriken
                                                                                                                                                     NN
Schon seit 2014 führt das Fraunhofer IPK           Interviews mit betriebsinternen Lean-Experten
gemeinsam mit der TU Berlin, der ITCL GmbH         und Entscheidungsträgern ergänzt. Die Ergeb-
sowie einem führenden Pharmaunternehmen            nisse zeigen, dass der hohe Praxisanteil und der
Schulungen zum Thema »Lean Management«             pharmaspezifische Aufbau eine Übertragung in
durch. Dazu wurde eine Lernfabrik mit einer        den Arbeitsalltag stark erleichtern. Die Befrag-
nachgestellten Tablettenproduktion eingerichtet,   ten forderten zudem, in diesem Rahmen mehr
in der die Lerninhalte praktisch und realitäts-    Lean-Themen anzubieten und die Lernfabrik
getreu erprobt werden. Über 2000 Mitarbeite-       um zusätzliche Fachbereiche zu erweitern.
rinnen und Mitarbeiter von der Werksleitung                 Für die neue Strategie der Lernfabrik
bis zum Shopfloor Operator nationaler und          ergibt sich daraus eine klare Richtung: Ergän-
internationaler Standorte konnten so bereits       zung einer Labor- und Administrationsumge-
geschult werden. Das ursprünglich gesteckte        bung, Anbieten von weiteren Spezialkursen und
Ziel von insgesamt 1000 Mitarbeitenden ist         eine noch engere Verknüpfung von Trainings
damit längst übertroffen und ein räumlicher        und Verbesserungsprojekten, um die Lean-
Ausbau der Lernfabrik vorgesehen.                  Implementierung nachhaltig zu unterstützen.        Die Motivation, das Beste zu schaffen: Natalie Petrusch
         Für die Entwicklung einer geeigne-
ten Strategie wurden zunächst der aktuelle         Ansprechpartner                                    Natalie Petrusch hat frische Macarons aus Paris mitgebracht. Sie ist seit August 2018
Zustand und der Nutzen für das beteiligte          Felix Sieckmann                                    wissenschaftliche Mitarbeiterin im Explorationsfeld Qualitätsmanagement und hat seit-
Unternehmen analysiert. Hierzu wurde eine          Tel. +49 30 39006-362                              dem schon halb Europa bereist. Für einen französischen Automobilzulieferer arbeitet
umfassende Umfrage an den deutschen Pro-           felix.sieckmann@ipk.fraunhofer.de
                                                                                                      sie an einer Audit-Strategie, die es den internationalen Produktionsstandorten neben
duktionsstandorten durchgeführt und durch
                                                                                                      einer generellen Vergleichbarkeit zusätzlich ermöglichen wird, sich selbständig konti-
                                                                                                      nuierlich zu verbessern.
                                                                                                            Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen begann Natalie Petrusch bereits als Stu-
                                                                                                      dentin beim Fraunhofer IPK und ist nach Abschluss ihres Wirtschaftsingenieur-Masters
                                                                                                      geblieben. Die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeit zum Thema Lernfabriken und Lean
                                                                                                      Management hat sie bereits auf einer internationalen Konferenz in Israel präsentiert
                                                                                                      und sieht in diesem Themenfeld auch für ihre Promotion noch viel Forschungsbedarf.
                                                                                                      Gute Ideen dafür holt sie sich vor allem aus der Praxis. In der hauseigenen Lernfabrik
                                                                                                      eines führenden Pharmaunternehmens lassen sich Mitarbeiter und Führungskräfte von
                                                                                                      ihr zu Verbesserungsmethoden für den eigenen Arbeitsbereich coachen.
                                                                                                            Der starke Anwendungsbezug ihrer Forschung und die unmittelbare Zusammenar-
                                                                                                      beit mit den Menschen motiviert Natalie Petrusch. »Mit nachhaltigen Konzepten können
                                                                                                      wir Hürden abbauen, um dazu zu motivieren, das Beste sowohl für das Unternehmen
                                                                                                      als auch für sich selbst zu schaffen,« sagt sie.

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2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
virtuelle                                                                                              PLM Professional – Professional in Product
produktentstehung                                                                                      Lifecycle Management

                                                                                                       Der effiziente Umgang mit Produktdaten und Entwicklungswissen ist
                                                                                                       eine der zentralen Herausforderungen in der heutigen Produktentwick-
                                                                                                       lung. Im Rahmen des Product Lifecycle Managements (PLM) befassen
                                                                                                       sich Unternehmen deshalb mit Vorgehensweisen und Werkzeugen für
                                                                                                       die Steuerung und Verwaltung aller produktbezogenen Informationen
                                                                                                       entlang des gesamten Lebenszyklus. Da es aber an Fachkräften mit ent-
                                                                                                       sprechendem Vorwissen und Praxiserfahrung fehlt, besteht derzeit ein
                                                                                                       großer Bedarf an geeigneten Ausbildungen. Die zehntägige Weiter-
                                                                                                       bildung zum »PLM Professional« adressiert diesen akuten Bedarf und
                                                                                                       vermittelt sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Kompe-
                                                                                                       tenzen. Dazu gehören auch Einblicke in die relevanten IT-Systeme. Das
                                                                                                       berufsbegleitende Fraunhofer-Zertifikatsprogramm PLM Professional hat
                                                                                                       den Anspruch, als Gütesiegel für Kompetenz in PLM den Unternehmen
                                                                                                       einen verlässlichen Qualitätsstandard zu bieten. Als Nachweis für die
                                                                                                       erworbenen Kompetenzen erhalten die Teilnehmenden bei bestandener
                                                                                                       Prüfung eine Personenzertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024. In fünf
                                                                                                       Jahren haben bisher rund 120 Teilnehmende aus Firmen vom KMU bis
                                                                                                       zum DAX-Unternehmen den Lehrgang absolviert. Mit 27 Teilnehmern
                                                                                                       setzte sich die Erfolgsgeschichte von PLM Professional im Jahr 2018 fort.
                                                                                                       2019 wird der Kurs erstmalig auch auf Englisch angeboten.

                                                                                                       Ansprechpartner
GESTALTUNG UMWELTSCHONENDER                                                                            Friedrich Halstenberg
PRODUKTE IN MAKERSPACES                                                                                Tel. +49 30 39006-274
                                                                                                       friedrich.halstenberg@ipk.fraunhofer.de
Der globale Trend hin zur dezentralen Pro-         Produktentwicklung bis hin zum angeleiteten         www.plm-professional.de
duktion zeigt sich in der rasant wachsenden        ecoDesign-Sprint reichen die derzeitigen Ange-
Zahl offener Werkstätten, sogenannter Maker-       bote. Ein digitaler Konfigurator soll künftig bei
spaces. Die Nutzergruppe dieser Räume reicht       der Entwicklung von nachhaltigen Produkten
vom privaten Tüftler bis zur Innovationsmana-      unterstützen. Auf einer Plattform werden diese
gerin, die Ausstattung von der Holzwerkstatt       Produkte mit Nachbauanleitungen gesammelt
bis zum High-Tech-Labor, die dort generier-        und vertiefendes Wissen angeboten. Außer-
ten Produkte vom personalisierten Schlüsselan-     dem wird ein Nachhaltigkeitsrundgang für
hänger bis zum funktionalen Prototypen. Die        Makerspaces als Augmented-Reality-Anwen-
Szene zeichnet sich durch ihr gesellschaftliches   dung zu den gängigsten Materialien und Pro-
und ökologisches Bewusstsein aus, doch fehlt       zessen erarbeitet, die der Maker-Szene open
es an Angeboten in dem heterogenen Feld,           source zur Verfügung gestellt wird.
dieses Bewusstsein systematisch für die Pro-
duktentwicklung vor Ort zu erschließen.            Ansprechpartner
	Im Forschungsprojekt »ecoMaker«                   Prof. Rainer Stark, Antje Klemichen,
arbeiten Wissenschaftlerinnen der TU Berlin        Ina Roeder
zusammen mit großen Makerspaces daran,             Tel. +49 30 39006-243 / 449
das kollektive Wissen der deutschen Maker-         rainer.stark@ipk.fraunhofer.de /
Szene zum Thema ökologische Nachhaltig-            antje.klemichen@tu-berlin.de /
keit zu clustern und spezifische Lösungen zu       ina.roeder@tu-berlin.de
erarbeiten. Von Workshops zu nachhaltiger

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2019 AUS UNSERER FORSCHUNG - Fraunhofer-Gesellschaft
Semantische Produktdaten – Ontologie-Netzwerk

Neue Entwicklungen im Projekt Cockpit 4.0

Cockpit 4.0 steht für »CustOmized Collabora-           auch der innovative Aspekt des Projekts: Algo-
tive Knowledge Pilot for Industrial Technology«        rithmen des maschinellen Lernens verleihen der                Vorsicht ist gesund: Sonika Gogineni
und ist ein gemeinschaftliches Forschungspro-          aufgebauten Semantik eine inhärente Intelligenz.
jekt von Fraunhofer IPK, der Brandenburgischen         Dabei liegt der Fokus zunächst auf drei Anwen-                Um innovative Forschungsprojekte mit globalen Firmen zu leiten, braucht es eine sorg-
Technischen Universität und Rolls-Royce Deutsch-       dungsfällen. Erstens wird das Benutzerverhalten               fältige Arbeitsweise und zähe Nerven. Sonika Gogineni hat sich im Laufe ihres Studiums
land. Das Teilprojekt »Semantische Produktda-          analysiert, um mit kontextsensitiven Informati-               beides angeeignet. Zunächst in ihrer Heimat, dem indischen Bundesstaat Bangalore;
ten« wird in enger Zusammenarbeit zwischen             onen zu antworten, noch bevor der Benutzer
                                                                                                                     dann am Produktionstechnischen Zentrum (PTZ) Berlin, wo sie den Masterstudiengang
dem Fraunhofer IPK und Rolls-Royce Deutsch-            sie das nächste Mal anfragt. Zweitens werden
                                                                                                                     Global Production Engineering absolvierte. Die Mischung aus Produktionswissenschaft
land durchgeführt und hat das Ziel, intelligente       Verbesserungsvorschläge automatisch generiert,
Assistenzsysteme für die Kleinserienmontage zu         wobei die Vorschläge und Vorhersagen durch                    und Managementwissenschaft hatte sie nach Deutschland gelockt. Auch heute noch ist
entwickeln. Die Basis bildet eine generische IT-       Untersuchung der miteinander verbundenen                      sie am PTZ, nun als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Informations- und
Architektur, die eine intelligente Datennutzung        strukturierten und unstrukturierten Daten ver-                Prozesssteuerung des Fraunhofer IPK.
ermöglicht. Sie verbindet mithilfe eines semanti-      bessert werden. Schließlich werden neue Parame-                    Eine weitere vorteilhafte Fähigkeit für ihre Arbeit lernte Sonika Gogineni an einem
schen Netzes über Schnittstellen Datensilos hete-      ter und Ergänzungen automatisch beziehungs-                   eher ungewöhnlichen Ort: in der Eishalle. Dort geht sie regelmäßig Eislaufen und übt
rogener Datenquellen und stellt sie für die intelli-   weise semi-automatisch in das Informationsnetz
                                                                                                                     sich dabei in der nötigen Vorsicht: »Wenn ich schneller werde, muss ich immer aufmerk-
gente Datennutzung durch Smart Services bereit.        der Ontologie integriert, wodurch sie sukzessive
                                                                                                                     sam und vorsichtig bleiben, um nicht zu fallen. Auch bei der Arbeit sollte man immer
	Im letzten Jahr wurde ein Demonstrator                selbstlernend ausgebaut wird.
des Assistenzsystems entwickelt, der an einem                                                                        wachsam sein.« Eine gesunde Vorsicht habe sie schon vor so manchem Fehler bewahrt.
                                                       Dieses Projekt wird finanziert durch den Europäischen Fonds
3D-Modell Lebenszyklusinformationen im Kon-            für regionale Entwicklung (EFRE).                                  Von ihrer sorgfältigen Arbeit profitieren Sonika Goginenis Kunden, zum Beispiel
text eines Problemlösungsprozesses visualisiert,                                                                     Rolls-Royce Deutschland. Für den weltbekannten Antriebshersteller hat sie im Projekt
etwa bei einer Bauteilabweichung in der Mon-           Ansprechpartner                                               Cockpit 4.0 semantische Produktdaten gesammelt und systematisiert. Solche Informa­
tage. Die für die Entscheidungsfindung notwen-         Dr.-Ing. Konrad Exner, Sonika Gogineni                        tionen entstehen, wenn man einfache Produktdaten mit Bedeutungen verknüpft. Durch
digen Informationen werden benutzerfreundlich          Tel. +49 30 39006-247 / 175
                                                                                                                     die Semantik werden die Informationen verschiedener Systeme in der Firma miteinan-
auf den Bauteilen des 3D-Modells markiert. Im          konrad.exner@ipk.fraunhofer.de /
                                                                                                                     der in Beziehung gesetzt. Im Endeffekt soll daraus ein Assistenzsystem entstehen, das
Backend ermöglicht die entwickelte Ontologie           sonika.gogineni@ipk.fraunhofer.de
diverse Abfragen zu den mit einer Aufgabe ver-                                                                       bei Problemen mit einem Produkt schnell entdecken kann, an welcher Stelle im Pro-
bundenen Informationen (Entwicklungsdaten,                                                                           duktions-, Montage- oder Auslieferungsprozess das Problem entstanden ist. Dadurch
Ansprechpartner, Entscheidungs­historie, etc.),                                                                      hilft Sonika Gogineni ihren Kunden, Zeit zu sparen, die diese an anderer Stelle sinnvoll
die zur Lösungsfindung benötigt werden. Diese                                                                        einsetzen können.
Informationen werden ebenfalls im Demonstra-
tor angezeigt, was den Nutzer bei der Bearbei-
tung seiner Aufgabe unterstützt.
	Das Assistenzsystem und die Ontolo-
gien werden durch maschinelle Lernfähigkeiten
weiter verbessert, um dem Benutzer intuitiv kon-
textsensitive Informationen zu liefern. Hier liegt

18                                                                                                                                                                                                        19
Bewertung der Reife von
Entwicklungsumgebungen in KMU

Den Reifegrad der Kollaborationsfähigkeit eines Unternehmens im
Bereich Produktentwicklung bestimmen – das ist das Ziel eines Koope-
rationsprojektes zwischen den Fachgebieten Qualitätswissenschaft und
Industrielle Informationstechnik des IWF der TU Berlin. Ziel ist die Erstel-
lung eines dynamischen Referenzmodells, das den Entwicklungsstand
eines KMU hinsichtlich seiner Fähigkeit abbildet, in einem Netzwerk mit
anderen Unternehmen digital Produkte zu entwickeln. Ähnliche Refe-
renzmodelle existieren bereits, bisherige Ansätze betrachten aber meist
nur das einzelne Unternehmen und berücksichtigen dabei Aspekte wie
die Standardisierung der CAD-Methodik, qualitätssichernde Systematiken
oder Prozessoptimierungen. Die neuen und sich verändernden Randbe-
dingungen vernetzter und zunehmend virtueller Produktentwicklung in
Kollaboration mit Entwicklungspartnern und Zulieferern werden über-
                                                                                         Links: 3D-Scan des Demonstrators mit Grundplatte
wiegend noch außer Acht gelassen.
                                                                                         Rechts: gefertigter Demonstrator
       Im Projekt »Dynamisches Referenzmodell der IT- und Prozessqualität
in der digitalen vernetzten Produktentwicklung in KMU« wird das vernetzte
Entwicklungsumfeld, also die Gesamtheit der einflussnehmenden Instanzen,
Modelle, Maßnahmen und Arbeitsweisen betrachtet. Die Qualität der IT-Land-                          Automatisierte Qualitätskontrolle
schaft spielt ebenso eine Rolle wie die der Prozesse in den Unternehmen und                         mit LosgröSSe 1
deren flexible Kollaborationsfähigkeit mit anderen Unternehmen. All diese
Aspekte fließen in ein dynamisches Referenzmodell, mit dem KMU ihren                                Die Inspektion von Produkten ist ein Bereich, der von der fortschreiten-
Entwicklungsstand bezüglich des unternehmensinternen Entwicklungsum-                                den Digitalisierung stark profitieren kann. Das gilt besonders für additiv
feldes und der Kollaborationsfähigkeit in der vernetzten Produktentwicklung                         gefertigte Bauteile, da sie kundenindividualisierte Produkte der Losgröße 1
einschätzen und Handlungsempfehlungen im Sinne eines kontinuierlichen                               ermöglichen, bei denen kein Teil dem anderen gleicht. Eine individuelle
Verbesserungsprozesses (KVP) ableiten können.                                                       Qualitätskontrolle jedes Bauteils würde einen beträchtlichen Aufwand
                                                                                                    bedeuten. Um dem zu begegnen, wurde im Projekt »QualiPro« eine
Das IGF-Vorhaben Nr. 19793N der Forschungsvereinigung Forschungsgemeinschaft Qualität
e.V. (FQS) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen
                                                                                                    automatisierte Lösung entwickelt, durch die der Zeitaufwand für die
Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund              Qualitätsprüfung um mehr als 50 Prozent verglichen mit herkömmlichen
eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
                                                                                                    Verfahren reduziert werden kann. Dazu wird das CAD-Modell aus dem
                                                                                                    PDM-System bereitgestellt und mit Produkt- und Fertigungsinformationen
Ansprechpartner                                                                                     (PMI) versehen, die Fertigungs- und Prüfmaße beinhalten. Das gefertigte
Pascal Lünnemann, Till Blüher                                                                       Bauteil (Ist-Zustand) wird mittels 3D-Scan vermessen und automatisiert
Tel. +49 30 39006-188 / 407                                                                         mit dem CAD-Modell (Soll-Zustand) verglichen. Erforderliche oder neu
pascal.luennemann@ipk.fraunhofer.de / till.blueher@tu-berlin.de                                     entstandene Daten werden aus dem PDM-System geladen beziehungs-
                                                                                                    weise zurückgespielt. Nach dem Soll-Ist-Abgleich liegen das geprüfte
                                                                                                    Endprodukt und die Prüfergebnisse vor. Dabei ermöglicht die Prozesskette
                                                                                                    eine bauteilspezifische Qualitätskontrolle mit Losgröße 1.

                                                                                                    Ansprechpartner
                                                                                                    Stephan Mönchinger
                                                                                                    Tel. +49 30 39006-117
                                                                                                    stephan.moenchinger@ipk.­fraunhofer.de

20                                                                                                                                                                                21
MASCHINENCODE 4.0: PROZESS­
DATEN AUTOMATISIERT ERZEUGEN

Die Nachfrage nach additiven Fertigungsverfah-
ren nimmt weiterhin stark zu. Auch kleine und
mittlere Unternehmen wollen von den Vorteilen
dieser zukunftsträchtigen Technologie profitie-
ren. Oft fehlt jedoch der Zugang zu notwendi-
gem Fachwissen oder der Aufbau von Know-
how wird als nicht wirtschaftlich betrachtet. Die
automatisierte Erzeugung von Maschinencode
direkt aus CAD-Daten oder aus mithilfe von
3D-Scanning gewonnenen Punkte­wolken kann
den Gesamtaufwand erheblich reduzieren. Im
Projekt »iLaP« wurden automatisierte Prozesse
für die Erzeugung, Anpassung und Simulation           Schnell zum virtuellen Modell: Stephan Mönchinger
von Maschinencode speziell für das Laser-Pulver-
Auftragschweißen ent­wickelt. Die Voraussage          Wer ein Problem zu lösen hat, sucht allzu oft nach einfachen Antworten. Nicht so
des Bauprozesses integriert dabei die optimierte      ­Stephan Mönchinger. Der Maschinenbauer, der in der Abteilung modellbasiertes Ent­
Auswahl von experimentell bestimmten Prozess­         wickeln sein wissenschaftliches Zuhause gefunden hat, gibt sich nicht leicht zufrieden:
parametern mit der geeigneten Aufbaustrategie.
                                                      »Ich bin der Meinung, dass es immer noch einen Hintergrund gibt, den man durch genau-
Die automatisierte Erzeugung von NC-Code für
                                                      eres Betrachten ergründen sollte.« Als Schwerpunktthema seiner Forschung kristallisiert
das Laser-Pulver-Auftragschweißen ermöglicht
somit den Einsatz des Verfahrens ohne vertiefte       sich gerade »Scan2CAD« heraus. Bei diesem Verfahren werden mithilfe von 3D-Scans
Fach- und Anlagenkenntnisse, die Einstiegs-           virtuelle Modelle gebildet, zum Beispiel von realen Bauzuständen kundenindividueller
hürde für kleine und mittlere Unternehmen             Bauteile oder Bauräume, aber auch Modelle für MRO-Prozesse. Firmen benötigen sol-
wird gesenkt.                                         che Modelle, um eine Datenbasis zu schaffen, auf deren Grundlage individuelle Indus-
      Das iLaP-Verfahren funktioniert so: Das         trie 4.0-Lösungen für das Engineering und die Produktion entwickelt werden können.
Volumen des Eingangsmodells wird nachgebildet,
                                                           »Wenn unsere Industriepartner ihre Maschinen vernetzen und Produkte intelligent
indem Volumenmodelle einzelner Schweißnähte
                                                      machen wollen, fällt ihnen oft auf, dass sie nicht die nötigen Modelle haben. Weder
erzeugt und zu einem Gesamtmodell zusammen-
gesetzt werden. Die so aufbereitete Geometrie         zu den Produkten und deren Einzelteilen, noch zu den Fertigungsanlagen. Wir können
wird für die automatisierte Erstellung des Schweiß-   ihnen dann dabei helfen, den aktuellen realen Zustand ihres Produktes oder ihrer Anlage
nahtmodells verwendet. Aus ihr wird anschließend      abzubilden, und zwar kostengünstiger und schneller, als das bisher möglich war.« Damit,
der Maschinencode abgeleitet. Dieser wird gra-        so Stephan Mönchinger, sei er wirklich am Puls der Zeit. Das merke er daran, dass immer
fisch simuliert, um vorab Aussagen über das pro-      öfter Kunden mit Scan2CAD-Anfragen auf seine Abteilung zukämen.
duzierte Bauteil treffen zu können. So entsteht
                                                            Stephan Mönchinger liegt die Akquise von Neukunden. Er hat ein gutes Gespür
validierter NC-Code für die Bauteilfertigung in
                                                      für die Bedürfnisse seines Gegenübers. Diese Fähigkeit pflegt er auch außerhalb der
der Anlage. Im Reparaturkontext können anstelle
von CAD-Modellen durch 3D-Scanning erstellte          Arbeitszeit, indem er sich im Berliner Bezirk Reinickendorf politisch engagiert. Er schätzt
Punkte­wolken als Eingangsdaten verwendet wer-        besonders den direkten Austausch mit Menschen, zum Beispiel an Infoständen für
den. Ein defektes Bauteil wird in einem Scan-Pro-     Demos. Auch sein Heimatland Brandenburg möchte er bei der Umsetzung zukunfts-
zess digitalisiert und mit einem vorhandenen Refe-    trächtiger Entwicklungen für den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt
renzmodell verglichen. Das fehlende Volumen wird      unterstützen. Viele Menschen, so Stephan Mönchinger, hätten dort das Gefühl, dass
dann automatisiert dargestellt und in entsprechen-
                                                      ihren Anliegen nicht richtig begegnet wird. Und da kann er einhaken, auch aus eigener
den Maschinencode übersetzt.
                                                      Erfahrung: »Ein großer Teil meines Jobs ist es, zu verstehen, was der Industriepartner

Ansprechpartner                                       möchte und ihm dementsprechend anbieten zu können, was wir in unserem Portfolio
Stephan Mönchinger                                    haben. Denn nicht jeder Kunde braucht immer alles, was wir so mitbringen können.«
Tel. +49 30 39006-117
stephan.moenchinger@ipk.­fraunhofer.de

22                                                                                                                                            23
ProduktionsSysteme

                                                                                                 3D-Röntgenbildgebung zur Qualitätssicherung

                                                                                                 Die 3D-Röntgenbildgebung ermöglicht die            zuverlässiger ausgewertet werden, wodurch
                                                                                                 räumliche Abbildung vom Inneren eines Objekts,     Unsicherheiten reduziert werden. Um den
                                                                                                 ohne dieses mechanisch zu verändern. Der           Anwender bei der Bilddatenauswertung opti-
                                                                                                 Anwendungsbereich reicht dabei von der Dia-        mal zu unterstützen, werden Verfahren aus
                                                       Additiver Aufbau eines Schnittwerkzeugs   gnostik in der Human- und Tiermedizin bis zur      dem Bereich des maschinellen Lernens einge-
                                                                                                 zerstörungsfreien Materialprüfung in der indus-    setzt. Dabei werden die Algorithmen anhand
                                                                                                 triellen Messtechnik. Während einer Bildauf-       von realen Messaufgaben so trainiert, dass die
Additiv gefertigte SChnittwerkzeuge                                                              nahme wird der zu untersuchende Prüfkörper         3D-Daten später eigenständig von der Software
                                                                                                 aus verschiedenen Richtungen durchleuchtet         bearbeitet werden können. So lassen sich bei-
Im Rahmen des Forschungsvorhabens »Toolprint« soll eine neuartige,                               und eine Vielzahl von Röntgenbildern aufge-        spielsweise Materialien im 3D-Datensatz auto-
angepasste additive Prozesskette entwickelt werden, um Werkzeuge                                 nommen. Anschließend wird aus den 2D-Bild-         matisch erkennen und voneinander separieren.
für Produktionsprozesse effizienter und kostengünstiger herzustel-                               daten ein volumetrischer Datensatz berechnet.      Bei einem anschließenden Soll-Ist-Vergleich kön-
len. Demonstriert wird dies am Beispiel eines Schnittwerkzeuges für                              Dieser Vorgang wird als 3D-Rekonstruktion          nen Abweichungen von einem Musterbauteil
Schmiede­produkte. Der Ansatz beruht darauf, mithilfe eines angepass-                            bezeichnet.                                        oder CAD-Modell exakt bestimmt werden.
ten Lichtbogenschweißverfahrens auf einem Basisblock 2,5D-Geometrien                             	Neben der Messung der Röntgen-
additiv zu erzeugen. In Verbindung mit der Herstellung endkonturnaher                            bilder hat die 3D-Rekonstruktion maßgebli-         Ansprechpartner
Geometrien lässt sich so der Nachbearbeitungsaufwand erheblich redu-                             chen Einfluss auf die Bildqualität sowie die       Dr.-Ing. Julian Polte
zieren. Durch den Einsatz des Lichtbogenprozesses wird darüber hinaus                            Berechnungsdauer der Bilddaten. Da es auf-         Tel. +49 30 39006-433
eine gegenüber pulverbasierten Verfahren um bis zu zehnmal höhere                                grund verschiedener physikalischer Prozesse        julian.polte@ipk.­fraunhofer.de
Auftragsrate erzielt.                                                                            in den Projektionsbildern zu Inkonsistenzen
	Die Aufgabe des Fraunhofer IPK in dem Projekt besteht darin,                                    kommt, entstehen während der 3D-Rekonst-
Prozesse für die Nachbearbeitung des additiv hergestellten Rohlings zu                           ruktion Bildstörungen, auch Artefakte genannt.
entwickeln. Seitens der industriellen Kooperationspartner werden im                              Diese wirken sich negativ auf den Kontrast
Vergleich zum »aus dem Vollen fräsen« Zeiteinsparungen um 30 Pro-                                aus und führen zu hellen und dunklen Strei-
zent erwartet. Da zugleich wesentlich weniger Werkstoff benötigt wird,                           fen im 3D-Datensatz. Dadurch kommt es zu
sollten auch die Materialkosten eines Schnittwerkzeugs um 15 Prozent                             einer erhöhten Mess­unsicherheit und einer
sinken.                                                                                          erschwerten Auswertung der Bilddaten durch
                                                                                                 den Anwender.
Ansprechpartner                                                                                  	Das Fraunhofer IPK befasst sich intensiv
Dr.-Ing. Edgar Fries                                                                             mit Algorithmen, die Inkonsistenzen in den Bild-
Tel. +49 30 39006-296                                                                            daten erkennen und korrigieren. Die auf diese
edgar.fries@ipk.fraunhofer.de                                                                    Weise korrigierten Bilddaten können deutlich

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Entwicklung eines
Hochleistungsfräswerkzeugs aus Keramik

Obwohl Keramik-Schaftfräser in einem be­­        Herstellungsaufwands durch eine fertigungs-
stimmten Zeitraum nachweislich einen immens      gerechte Geometriegestaltung sowie der Mög-
höheren Materialabtrag erreichen als konven-     lichkeit des Nachschleifens der Schneidengeo-
tionelle Hartmetallwerkzeuge, werden d
                                     ­ erzeit    metrie ergibt sich eine erhöhte wirtschaftliche
verfügbare Modelle dieses Werkzeugtyps nach      Leistungsfähigkeit. Durch eine beanspruchungs-
wie vor nicht flächen­deckend eingesetzt.        gerecht ausgelegte Makro- und Mikrogeomet-
Hintergrund sind nach aktuellem Stand der        rie wird eine weitere signifikante Vergrößerung
Erkenntnisse vor allem die hohen Herstellungs-   der Zerspanleistung und eine Steigerung der
kosten im ­direkten Vergleich zur erwartbaren    Standzeit um den Faktor 1,3 erreicht. Mit die-
Effizienzsteigerung und Nutzungsdauer. Die       sen neuen Entwicklungsansätzen wird in enger
Lebensdauer der ­Werkzeuge ist hauptsächlich     Zusammenarbeit mit den Firmen Sommertools
deshalb noch ungenügend, weil gegenwärtige       und Ceratizit ein innovatives und absolut neu-
Werkzeuggenerationen sich an Werkzeuggeo-        artiges Hochleistungswerkzeug entwickelt. Das     Vielfältig VErsierter Vollkeramik-Vollprofi: Jaroslaw Kochan
metrien orientieren, die für Metallwerkzeuge     Fraunhofer IPK übernimmt dabei die belas-
entwickelt wurden. Solche nicht schneidstoff-    tungsgerechte Auslegung der Werkzeuge und         Mechatronik und Festkörpermechanik sind die Themen, die Jaroslaw Kochan begeis-
gerechten Geometrien limitieren die werk-        das Schneidendesign. Darüber hinaus wird in       tern. Sie bildeten den Schwerpunkt seines Studiums der Physikalischen Ingenieurwissen-
stoffspezifische Leistungsfähigkeit.             Versuchen am Fraunhofer IPK die Leistungsfä-      schaft, seine Abschlussarbeiten thematisierten den Aufbau eines chromatisch konfokalen
	An diesen Punkten setzt das Entwick­            higkeit der Werkzeuge in industriespezifischen
                                                                                                   Abstandssensors sowie die schwingungsoptimierte Auslegung dynamisch beanspruchter
lungsvorhaben »EHoK« an. Im Zuge des Projekts    Applikationen nachgewiesen.
                                                                                                   Bauteile aus Hochleistungskeramik.
werden ein belastungsgerechtes Grundsubstrat
für den Werkzeugrohling, eine darauf abge-       Ansprechpartner                                        Schon während dieser Zeit führte das effektive Zusammenspiel zwischen Forschung
stimmte keramikgerechte Geometrie und eine       Jaroslaw Kochan                                   und industrieller Anwendung Jaroslaw Kochan ans Fraunhofer IPK. Hier arbeitete er
entsprechend angepasste Fertigung erstmals       Tel. +49 30 39006-148                             als Praktikant mit großem Interesse an der Erstellung einer Simulationsumgebung für
in Relation betrachtet. Aus der Reduktion des    jaroslaw.kochan@ipk.fraunhofer.de                 eine Hardware in the Loop (HIL)-Simulation zur Umsetzung eines innovativen Achs­
                                                                                                   regelungskonzepts für Werkzeugmaschinen mit. Die Möglichkeit der eigenen Gestaltung
                                                                                                   seiner fachlichen Entwicklung und der freie Spielraum überzeugten Jaroslaw Kochan,
                                                                                                   nach seinem Studium wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IPK zu werden.
                                                                                                   Seitdem war er unter anderem betraut mit der Auslegung von Keramikbauteilen, wie
                                                                                                   einer Turbinenschaufel, die im Rahmen des Fraunhofer-Innovationsclusters »Life Cycle
                                                                                                   Engineering für Turbomaschinen« entstand. Außerdem konnte er mit seinem Vorwissen
                                                                                                   im Bereich Mechatronik zur Auslegung eines Fräskopfes beitragen, der zur Ermittlung
                    Aufnahme eines Fräswerkzeugs während einer
                    Versuchsdurchführung                                                           von Schnittkräften instrumentiert ist.
                                                                                                        Aktuell beschäftigt sich Jaroslaw Kochan im Geschäftsfeld Produktionssysteme
                                                                                                   mit Themen wie Fräsbearbeitung und Auslegung keramischer Bauteile im Hinblick auf
                                                                                                   Prozessoptimierung. So kann er zum Beispiel im Rahmen des EHoK-Projektes seine
                                                                                                   Erfahrung in der Auslegung keramischer Bauteile in die Entwicklung vollkeramischer
                                                                                                   Schaftfräser einfließen lassen. Ein anderes Projekt mit Namen BonoKeram, an dem er
                                                                                                   im Zusammenhang mit keramischen Rotoren einer Mikrogasturbine beteiligt ist, befin-
                                                                                                   det sich derzeit in der Bewilligungsphase. Darüber hinaus möchte sich Jaroslaw Kochan
                                                                                                   auf Maschinendynamik bei Bearbeitungsmaschinen spezialisieren und adaptronische
                                                                                                   Systeme zur aktiven Schwingungsunterdrückung bei Werkzeugmaschinen entwickeln.
                                                                                                   Die Vielfältigkeit seiner Aufgaben ist denn auch das, was ihn an seiner Arbeit am Fraun-
                                                                                                   hofer IPK am meisten reizt. Den Ausgleich dazu findet er in seiner Freizeit bei ebenso
                                                                                                   vielfältigen Hobbies wie Windsurfing, Radwandern und Wandern sowie Technik.

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