Jahresheft der DAV Sektion Bergbund e.V - Rosenheim - Bergbund Rosenheim

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Jahresheft der DAV Sektion Bergbund e.V - Rosenheim - Bergbund Rosenheim
TOURENBLADL
2 Jahresheft der
0 DAV Sektion
1 Bergbund e.V.
8 Rosenheim

              Ausbildung
        Bergradln - Hochtouren
   Skitouren - Bergsteigen - Klettern
Jahresheft der DAV Sektion Bergbund e.V - Rosenheim - Bergbund Rosenheim
Jahresheft der Sektion
       Bergbund e.V.
       Rosenheim des
 Deutschen Alpenvereins e.V.

Kontakt:     Pia Lukas
             Eichenholzstr. 8b
             83026 Rosenheim
             Tel.: 08031/400247
             bergbund@gmx.de
             www.bergbund.de

V.i.S.d.P:   Markus Tiefenthaler
             Tel.: 08031/66782
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SEKTION BERGBUND E.V. ROSENHEIM DES DAV
JAHRESHEFT 2018

Liebe Bergbundler, liebe Leserinnen und Leser,
nach einem ereignisreichen Jahr 2016 mit den Großprojekten „Erneuerung des Kreuzes
auf der Hochsalwand“ und der „Sanierung des Weges in der Reindlscharte“ verlief das
Jahr 2017 etwas weniger ereignisreich, aber nicht langweilig.
Der Bergbund ist heuer 70 Jahre alt geworden. Dieses Jubiläum wurde auf der Mitteralm
mit einer Bergmesse gebührend gefeiert. Für mich war es besonders schön, die Feier mit
den vielen anwesenden Gründungsmitgliedern zusammen zu feiern.
Für 2017 hatten wir uns die Sanierung des Aiplwegs vorgenommen. Zu den geplanten
Arbeitstouren fanden sich leider zu wenig Freiwillige, so dass das Vorhaben nicht umge-

setzt werden konnte. In Eigeninitiative hat Friedl Bruckbauer mit seinem Einsatztrupp den
Weg vom Arzmoos in Richtung Aiplweg und den Kammweg am Wildalpjoch hergerichtet.
Herzlichen Dank für Euren Einsatz. Am 9. Juni 2018 ist eine Arbeitstour zum Ausschnei-
den des Stockhangs geplant. Zur Erhaltung der Almkulturlandschaft und auf ein griabiges
„Après-Ausschneiden“ ist jeder gerne eingeladen.
Auf der Mitteralm hat Alfons Maier die Terrasse erneuert. Die Arbeiten konnten durch den
frühen Wintereinbruch nicht mehr ganz fertig gestellt werden. Die neue Terrasse ist grös-
ser und vor allem ebenerdig. Toni Tatzel, unser Hüttenwirt, hat die Arbeitskraft der Helfer
durch die kulinarische Versorgung sichergestellt. Da die Wendelsteinbahn während der
Arbeiten an der Baustelle nicht immer gefahren ist, hat sich der Mail Sepp spontan bereit
erklärt, viele Tonnen Material mit seinem Bulldog auf die Mitteralm zu fahren. Zudem hat
Stefan Jenuwein 3 Tage seiner Freizeit für die ehrenamtlichen Arbeiten an der Terrasse
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SEKTION BERGBUND E.V. ROSENHEIM DES DAV
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investiert. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die genannten und alle anderen
Helfer.
Unser Touren- und Kursprogramm wird rege in Anspruch genommen. Aufgrund des
schneearmen Winters sind einige Skitouren ins „Wasser“ gefallen, aber alle stattfinden-
den Touren konnten unfallfrei durchgeführt werden. Im Jahr 2017 konnten weitere Tou-
renführer in den Bereichen Wandern, Skibergsteigen und als Klettertrainer ausgebildet
bzw. hinzugewonnen werden. Unser Verein wächst nach wie vor und zählt im November
2217 Mitglieder. Auch hier ein Dankeschön an unsere Tourenführer und Fachübungslei-
ter, ohne die kein Programm und keine Kurse möglich wären.
Martina Stauch ist als 2. Vorsitzende im Laufe des Jahres zurückgetreten. Diesen Posten
hat Andreas Bruckbauer kommissarisch übernommen. Herzlichen Dank für Deinen Ein-
satz und die gute Zusammenarbeit.
Am 4. Mai 2018 findet die nächste Hauptversammlung mit Wahl des Vorstandes statt.
An dieser Stelle sage ich Danke an alle, die sich ehrenamtlich im Bergbund Rosenheim
eingebracht haben.
Wir wünschen Euch viele schöne Touren und vor allem ein sicheres neues Bergjahr.

Pia Lukas
Erste Vorsitzende
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JAHRESHEFT 2018

              SEKTION BERGBUND E.V. ROSENHEIM
              DES DEUTSCHEN ALPENVEREINS E.V.

             Einladung zur Jahreshauptversammlung

     Liebe Mitglieder,

     Zur Jahreshauptversammlung am

                          04. Mai 2018, 1930 Uhr

     im Happinger Hof ergeht herzliche Einladung.

                            Tagesordnung
                •        Begrüßung durch die 1. Vorsitzende
                •        Geschäftsbericht
                •        Kassenbericht
                •        Bericht der Kassenprüfer
                •        Tourenbericht
                •        Hüttenbericht
                •        Jugendarbeit
                •        Aussprache zu den Berichten
                •        Entlastung der Vorstandschaft
                •        Wahlen zu Vorstandschaft und Beirat
                •        Ehrung langjähriger Mitglieder

     Auf Euer zahlreiches Erscheinen freut sich
     Die Vorstandschaft
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                                    STANDPLATZ
Ich bin dieses Jahr so wenig mit dem Bergradl gefahren, wie schon lange nicht mehr.
Hauptsächlich, weil ich viel zu Fuß in den Bergen unterwegs war. Als ich mich dann an
einem schönen Oktobertag doch mal in den Sattel schwang und Richtung Schuhbräualm
radelte, stach mir am Beginn der Auffahrt ein funkelnagelneues, überwiegend in Rot ge-
haltenes, Verbotsschild für Bergradler in die Augen. „Das Befahren von Wegen und Wie-
sen ist verboten!“. Ein ähnliches Schild habe ich dann im November im Gebiet der Hoch-
platte entdeckt und es besteht Grund zu der Annahme, dass es noch viel mehr derartige
lokale Verbote gibt. Bergradln wird nach einer längeren Zeit der Ruhe mit der Zunahme
der E-Bikes wieder ein Streitthema. Einige Veröffentlichungen (OVB, Panorama) in der
letzten Zeit verstärken diesen Eindruck. Mit dem E-Bike ist es nun auch vielen nicht ganz
so konditionsstarken Radlern wieder möglich, Auffahrten zu bewältigen, die ihnen vorher
verwehrt waren, so dass schlicht die Zahl der Bergradler wieder zunimmt. Ich kann mich
auch des Eindrucks nicht erwehren, dass der oder die eine oder andere einer gewissen
Bequemlichkeit hier Raum gibt! Natürlich sehe ich auch den Nutzen für diejenigen, die
auf Grund körperlicher Einschränkungen ansonsten nicht mehr in der Lage wären, in den
Bergen unterwegs zu sein.
Was auch immer die persönliche Motivation ist: Fakt bleibt, dass der Druck auf Natur und
Mitmensch zunimmt. Nun lässt sich wohl trefflich darüber diskutieren, was zum Befahren
geeignet ist und was nicht mehr, wo die persönliche Freiheit des einen zu Lasten anderer
geht, oder wo die Grenzlinie zwischen dem Genuss an der Natur und der Instrumentali-
sierung der Natur verläuft. Aber die ganze Diskussion wird nicht weiterkommen, wenn
nicht von allen Seiten Kompromisse eingegangen werden. Dabei sind aber einige Positio-
nen, wie man so schön sagt, meiner Meinung nach „nicht verhandelbar“:

•   Der Naturschutz hat höchste Priorität. Wer die Berge nur als Sportgerät betrach-
    tet und nicht bereit ist, Einschränkungen seiner sportlichen Freiheit zum Schutz der
    Natur zu akzeptieren, soll die Angebote der vielen Liftbetreiber nutzen und sich auf
    den diversen, eingerichteten Downhill-Strecken vergnügen.

•   Die Menschen, die in den Bergen ihren Lebensunterhalt verdienen, dazu gehö-
    ren in erster Linie die Almbauern, verdienen Respekt und Rücksichtnahme.
    Auch Sie sind natürlich aufgefordert, dem Bedürfnis der anderen ein gewisses Wohl-
    wollen entgegenzubringen, aber am Ende des Tages ist es ihr Eigentum, das wir
    nutzen. Daher also im Zweifelsfall Verzicht üben oder nach Möglichkeit vorher das
    Gespräch suchen.

•   Unter den Naturnutzern, also unter uns Bergsteigern, sollte Rücksichtnahme
    eine Selbstverständlichkeit sein. Wir alle nutzen gemeinsam Wege und Infrastruk-
    tur in den Bergen. Eine Infrastruktur, die auch von uns allen mit erheblichen Kosten
    und Mühen Instand gehalten wird. Wer sich von den Mühen persönlich überzeugen
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     will, ist herzlich dazu eingeladen, an unserer nächsten Wegebaumaßnahme teilzu-
     nehmen.

•    Was überhaupt nicht geht: Der ungenehmigte oder nicht abgesprochene Bau
     oder Ausbau vorhandener oder neuer Anlagen (Wege, Schanzen usw.), weder
     für Fußgänger noch für Mountainbiker. Dazu gehören auch nicht abgesprochene
     Markierungsarbeiten, die im Zweifelsfall andere Bergwanderer gefährden können.
Nur der großzügigen Festlegung des Betretungsrechts in Artikel 27 der Bayerischen Ver-
fassung ist es zu verdanken, dass wir viele Freiheiten genießen, die in anderen Ländern
neidvoll betrachtet werden. Wir sollten das Beste geben, um genau diese Freiheit nicht
zu gefährden. Und wie immer ist dies natürlich meine Meinung.

                                                               Die Mitteralm
                                                              Treffpunkt im
                                                            Sommer und Winter
                                                      Ruhetage Mo/Di, bei Skibetrieb und
                                                      an Feiertagen geöffnet. So. ab 1700
                                                      geschl. 1.5. - Anf. Nov. nur Mo. Ru-
                                                      hetag. Tel.: 08034/2760
                                                      www.mitteralm-wendelstein.de

      Rosenmontag, 12.02.18
      Faschingsgaudi mit Musik
        Josefi-Tag, 19.03.18
    Hüttengaudi mit Musik ab 1100
    Kirchweihsonntag, 21.10.18
         Ganserl-Essen mit
     musikalischer Unterhaltung
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                    ZWEI BERGVOGLER-TAGE IM MAI 2017
                        Von Maria Brunheim und Klaus Mieslinger

Natürlich schreibe ich nicht von jeder Kartiertour Tagebuch. Sondern nur hin und wieder,
wenn ich mir die Zeit dafür nehmen will und die Tour in irgendeiner Weise besonders
beeindruckend war.
Der Wetterbericht im Radio sagte für gestern, Samstag 6.5., freundlich und sonnig vo-
raus, mit Wolkenfeldern, die keine Auswirkung haben – und für Sonntag 7.5. war ge-
mischtes Wetter vorhergesagt worden, mit häufigeren Regenphasen. Dasselbe für Mon-
tag 8.5.
Klaus hatte gestern und heute frei, sodass wir unbedingt wieder eine Kartiertour mit
Übernachtung machen wollten. Wenigstens der Samstag würde sich gut für allerlei Be-
obachtungen eignen. Vorgesehen war, falls es sich nicht über Nacht einregnet, dass wir
heute (Sonntag) früh eine längere Kartierstrecke gehen, v. a. im Almflächenbereich er-
neut nach Zitronenzeisig Ausschau halten und in einem anderen Bereich einen Adler-
horst, von dem Klaus schon länger Kenntnis hat, genauer betrachten, um zu sehen, ob er
heuer benutzt wird.
Klaus notiert bei jeder Tour, zu welcher Uhrzeit wir vom Parkplatz losgegangen und zu
welcher wir wieder beim Auto angekommen sind. Seine Zeiten auf den Vogelbeobach-
tungszetteln betreffen also immer Beginn und Ende der zu Fuß zurückgelegten Strecke.
Gestern (Sa 6.5.) begann unsere Kartierstrecke am Parkplatz Urschlau hinter Ruhpolding
und führte in größerem Zick-Zack mehr oder weniger auf Pfaden durch den Bergwald
aufwärts in Hauptrichtung zur Haaralm mit Abstecher zum Lochköpfel. Das Gelände ist
steil und felsig, z.T. älterer Bergwald mit Tanne, Fichte, Buche und Lärche als Hauptar-
ten.
                                                Es hatte noch Schneereste, die sehr nass
                                                waren und nicht überall umgangen wer-
                                                den konnten. Am Lochköpfel machten wir
                                                Mittagspause, weil man von dort eine
                                                gute Rundumsicht hat, sowohl zur Haar-
                                                almschneid als auch zum Hochgern, Ha-
                                                senpoint bis Hochscharten und Gurnwand
                                                sowie zum darunter liegenden Röthel-
                                                moos. Das Lochköpfel hat zunächst einen
                                                schmalen, wild-felsigen Grat mit Bäumen,
                                                liegendem Totholz und Gebüsch. Dort
                                                konnten wir uns für die Mittagsmahlzeit
provisorisch einrichten. Der Köpfelgipfel (1300Hm) liegt etwas tiefer und ist ein eigenstän-
diger Fels mit einer kleinen Gipfelfläche. Von dort haben wir uns auch noch gründlich mit
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den Ferngläsern umgesehen. Bei Hörndlwand 1 Alpendohle. Beim Rückweg zu den
Rucksäcken fanden wir eine ziemlich abgenutzte Adlerschwingenfeder.
Nach der Mittagspause gingen wir weglos unterhalb des Lochköpfelgrates durch Wald
mit viel liegendem Totholz: umgehen oder darüber steigen! Wir wollten nach einem Platz
Ausschau halten, an dem wir mein Grünhotel aufstellen können, ohne von irgendwoher
von irgendjemandem gesehen zu werden. Schneller als gedacht war dieser Platz gefun-
den: neben sehr dicken, hohen, alten Fichten mit beeindruckenden Wurzeln an steilem
Waldhügel ist eine fast ebene grasige Fläche, die an den erhabenen Stellen bereits
schneefrei war. Einige herab gefallene Aststücke mussten wir zur Seite räumen und
schon war ein guter Platz fürs Zeltchen bereit. Die ganze Zeit rief ein Raufußkauz am
Waldrand in der Nähe!
Zunächst deponierten wir die vollen Rucksäcke an einer der dicken Fichten, um die
nächsten Stunden zum Herumstreifen über Haaralm und Haaralmschneid gepäckfrei zu
nutzen. Das Zelt aufzubauen hatte keine Eile, weil die mittelgrauen Wolken, die sich von
Westen her mehrten und allmählich näher kamen, noch zu hoch und zu weit entfernt wa-
ren, um bedrohlich zu wirken.
Ungefähr 3 Stunden waren wir herumstreifend unterwegs. Besonders gefreut hat uns die
wiederholte Beobachtung eines Dreizehenspechts, der in einem absterbenden Fichten-
wäldchen auf der ansonsten fast baumlosen, steil geneigten oberen Haaralm-Fläche an
wechselnden toten Bäumen pickte, an denen noch Rindenreste hängen. Dieses Wäld-
chen bot einen besonderen Anblick: die meisten der stehenden Fichten mittleren Alters
sind abgestorben und ebenso viele tote bereits umgestürzt. So gut wie kein einziges jun-
ges Bäumchen wächst darunter, denn offensichtlich weiden die sommerlichen Rinder
auch innerhalb dieses Wäldchens und fressen jeden Jungwuchs weg. In absehbarer Zeit
wird von diesem Wäldchen kein lebender Baum mehr übrig sein…
Der Dreizehenspecht hatte, bevor wir dort
hinkamen, an einer Fichte „geringelt“:
horizontal immer auf derselben Höhe ein
kleines Loch neben dem anderen in die
Rinde gehackt, wodurch aus den Löchern
Harztröpfchen austreten. Diese mag an-
scheinend der Specht als Nahrungser-
gänzung lecken! Wo er die Löcher gepickt
hat, ist die Rinde etwas zerhackt, man
sieht das frische Rotbraun als waage-
rechte Streifen um den ansonsten grauen
Stamm. Und nicht nur einen solchen
Streifen mit Löchern, sondern viele übereinander.
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Geringelte Stämme haben wir schon öfter gesehen, doch das Harz war jeweils schon
eingetrocknet. Gestern waren die Tröpfchen noch so frisch, dass sie in den Löchern
glänzten.
                                                 Als wir am langen, felsig-zerklüfteten
                                                 Grat der Haaralmschneid angekommen
                                                 waren, suchte Klaus als Erstes per
                                                 Fernglasblick den älteren Adlerhorst,
                                                 der sich in einem längeren, quer liegen-
                                                 den Felsriegel befindet. Dieser Horst ist
                                                 zwar zu sehen, doch nicht „begrünt“,
                                                 also heuer nicht benutzt.
                                                  Wir betrachteten länger das tiefe Tal
                                                  zwischen uns und dem Hochfelln, in
                                                  welchem die Nesselauer Schneid eine
                                                  das Tal in 2 längliche Halbtäler trennen-
de felsig-grasige Wand bildet. Dahinter befindet sich die Thoraualm. Links des Hochfelln
der Weißgrabenkopf, den ich aus dieser Perspektive noch nicht kenne und deshalb nicht
erkannt habe. Das Halbtal unter uns, vor der Nesselauer Schneid, wird von einem zur
Zeit kräftigen Bach gespeist und ist im flacheren Bereich sehr sumpfig, die grasigen Hän-
ge überall zu den Graten hin sehr steil.
Östlich der Haaralmschneid sahen wir uns länger die weiter entfernten Gipfel und Ge-
birgsstöcke an, die zum Teil wunderschön von kräftig gelber Abendsonne beleuchtet wur-
den und sich überwiegend „weiß“ zeigten: Dachstein… Reiteralm… Hocheisspitze…
Watzmann… Steinernes Meer. Weil das gelbe Abendsonnenlicht dort auf schnee-weiße
Flächen traf, leuchtete es rein und saftig.
Sehr gute Sicht war gestern den ganzen Tag! Das haben wir öfter eingehend genutzt
zum ausgiebigen Weit- und Nahsehen.
Unmittelbar neben dem östlichen Ende der Haaralmschneid befindet sich ein schlanker
Felsriegel, der so zerklüftet und zerfressen aussieht wie ein ausgefranster Kamm oder
eine uralte, vom Rost zerfressene Säge mit rudimentären Zahnsegmenten. Dieser ganz
eigenartige Felsriegel heisst Kratzelschneid. Kratzelschneid! Welch ein wunderbar tref-
fender Name! Er tönt so kratzig in meinem Gehör und so unglaublich zutreffend auf das,
was ich von diesem Felsriegel sehen konnte, dass ich diesen Namen die ganze Zeit vor
mich hin gesagt habe, um ihn immer wieder zu hören… Klaus ist früher diesem Fels zu
Leibe gerückt und oben gelandet, weil er wissen wollte, ob es geht und immer wieder
gerne Neufels entdeckt.
Obwohl wir wussten, dass uns ein sehr rutschiger Abstieg bevorstehen würde, gingen wir
gestern Abend doch den ganzen Haaralmschneidgrat entlang bis zum Gipfel. Unterwegs
ein beglückender Anblick: auf dem spärlichen Wipfel einer wettergegerbten Fichte saß
ziemlich gemütlich und sich gelassen umsehend ein schöner Birkhahn. In der Fichte un-
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terhalb, auf einem langen Ast im oberen Drittel, hockte die dazugehörende Birkhenne.
Klaus versuchte, sie zu fotografieren – ein seltener Anblick, dass Hahn und Henne so
nah nebeneinander in Bäumen sitzen! Nachdem die Fotos gemacht waren, gingen wir
behutsam weiter und ich hörte im Weggehen den Birkhahn leise fauchen. Es ist Balz-
zeit… Später, beim Abstieg vom Gipfel, hörten wir einen weiteren Birkhahn fauchen.
Noch vor der Abenddämmerung kamen wir bei unseren Rucksäcken an und bauten das
Zelt auf. Während ich es sturmfest verspannte und innen einrichtete, holte Klaus Wasser
an einer nahen Quelle und setzte den Kocher in Gang, um Suppe zu kochen. Im Zelt
kochen wir mit diesem Kocher nicht mehr, denn er ist alt und hat manchmal unvorherseh-
bare Zicken, wie z.B. beim Aufheizen plötzlich eine hohe Stichflamme.
Während ich das Zelt einrichtete, rief und rief der Raufußkauz, kaum 50m von mir ent-
                                               fernt. Und oberhalb von mir, ca. 80m ent-
                                               fernt auf dem steilen Waldhügel, rief ein
                                               Kuckuck. Auch hörte ich zwischendurch
                                               einen Waldbaumläufer sein kurzes, zierli-
                                               ches Frühlingslied singen. Richtige Wald-
                                               musik also, untermalt vom Schruppge-
                                               sang der Ringdrosseln. Zwischen den
                                               Wurzeln und Steinen unter den dicken
                                               Fichten gab es genügend Sitzgelegenhei-
                                               ten und Ablagen für unser Abendessen.
                                               Klaus achtet darauf, dass die Kocherflam-
men durch einen dicken Stamm verdeckt sind, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu len-
ken. Gegen Ende der Dämmerung waren wir fertig mit der Mahlzeit. Der Raufußkauz (der
sich immer in Deckung hielt) rief immer wieder, flog anscheinend einen Halbkreis um
unseren Zeltplatz zum Waldhügel hinauf und rief von dort oben weiterhin. Ich freute mich
bereits auf diese Nachtmusik!
Nicht lange, nachdem wir uns in unsere gemütlichen Schlafsäcke verkrochen hatten und
einschlafen wollten, fing es an, windig zu werden und ein bisschen zu regnen. Klaus
schlief bald und ich hörte dem Wind zu. Er wurde immer lauter und immer heftiger. Das
Rauschen in den großen Fichten war sogar ein beruhigendes Geräusch, ich vertraute auf
ihre uralte Kraft und Stabilität. Doch der Wind, der die Zelthaut rüttelte und die Zweige
rauschen ließ, entwickelte sich allmählich zum leichten Sturm und trieb die Regenwolken,
die vom Allgäu heraufzogen, energisch auf uns zu. Bald regnete es intensiv und zeitwei-
se heftig. Alles zusammen war so laut, dass ich lange nicht einschlafen konnte, obwohl
ich sehr müde war. Bei meinem letzten Trip aus dem Zelt sah ich, dass wir ganz und gar
im Nebel steckten!
Beruhigend war für mich, dass ich letzten Herbst einige Nähte ein zweites Mal ausgiebig
abgedichtet hatte. Ich ging deshalb gestern Nacht inmitten des Wetterlärms gelassen
davon aus, dass jetzt die Nähte wirklich dicht sind. Nachdem das Zelt mit uns jahrelang
einige heftige Wetter gut überstanden hatte, waren die Nähte in den Apsiden nicht mehr
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überall dicht, sodass es bei Starkregen an einigen Stellen nach innen tropfte – über dem
Kopfende und über den beim Eingang abgestellten Bergschuhen. Ich musste bei jedem
stärkeren Regen immer wieder die Tropfen abwischen bzw. die darunter befindlichen
Pfützen aufsaugen – Klaus hat nichts davon gemerkt. Ja natürlich, er hat geschlafen und
ich habe dafür gesorgt, dass keine Tropfen auf sein Gesicht fallen oder seinen Schlaf-
sack durchnässen. Witzig, dass ein Mann die ganze Zeit behauptet, es sei doch nichts
los – nur, weil er schläft und ich die ganze Zeit dafür sorge, dass er vom Durchtropfen
verschont bleibt…
                                            Schließlich bin ich doch eingeschlafen und
                                            habe bis in den Vormittag hinein tief und
                                            fest und sehr gut geschlafen. Dass es
                                            praktisch die ganze Nacht intensiv gereg-
                                            net hat, habe ich unbewusst mitbekommen
                                            und voller Gewissheit, dass die Nähte dicht
                                            sind, selig weiter geschlafen. Siehe da, am
                                            Morgen war im Zelt alles trocken, außer
                                            ein bisschen Kondens (wir zelten immer
                                            ohne Innenzelt, deshalb muss ich das Kon-
dens abwischen, damit wir bei Berührung der Zelthaut innen nicht nass werden).
Heute Vormittag regnete es noch immer so sehr, dass wir nach kurzem Besprechen des
weiteren Vorgehens jede gestern noch für heute früh gehegte Ambition aufgaben und
uns wieder zum Schlafen umdrehten. Ich konnte zunächst nicht schon wieder schlafen
und habe mein mitgenommenes Alpin-
lehrbuch aus dem Rucksack geholt, um
darin weiter zu lesen. Diesmal erneut ge-
nauer über Sicherung auf Gletschertouren
und was alles gewusst, beachtet und ge-
konnt werden muss, wenn man einen
Spaltensturz halten können will und wie
man sich selbst aus einer Spalte rettet,
sofern draußen jemand eine Fixierung
gebaut hat. Klaus und ich gehen immer
nur zu zweit, deshalb ist das Thema Si-
chern auf Gletschern zumindest für mich
eine hirnreibende Angelegenheit…
Nach dem Lesen konnte ich noch eine Weile herrlich schlafen. Als wir wieder wach wur-
den, war es Mittag. Es sah überhaupt nicht so aus, als würde der Regen in absehbarer
Zeit nachlassen. Deshalb gaben wir uns einen Ruck und beschlossen, einzupacken und
zur Jagdhütte unterhalb der Haaralm zu gehen, um dort unser Frühstück und gleichzeitig
das Mittagessen einzunehmen. (Theoretisch nennt man das Brunch, doch es war etwas
zu schlicht, um dieses Wort dafür zu verwenden).
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Das Einpacken von Zeug und Zelt ist bei Dauerregen eine kleine Herausforderung, mit
der wir allerdings inzwischen so vertraut sind, dass wir uns nur überwinden müssen –
dann geht’s. Zuhause ist dann allerdings
die Nachbereitung aufwändig, weil manch-
mal der Beutel mit dem tropfnass einge-
packten Zelt nicht optimal im Rucksack
verstaut ist, sodass noch manches Andere
nass wird, während wir heimgehen und –
fahren. Erfreulich war, dass die Jagdhütte
ein großes Vordach über dem Eingangs-
bereich hat, sodass wir auf trockenen Stu-
fen sitzen und auf einem seitlichen Tisch-
chen bequem kochen konnten. So war die
Mahlzeit erholsam und wir konnten uns bei wärmender Suppe und Tee gestärkt auf die
nächste Stunde im Regen einstellen.
Eine Bergvogel-Kartiertour kann immer wieder so verlaufen, dass man an einem Tag
sehr viel bemerkt und beobachtet und am nächsten aus Wettergründen ohne weitere
Daten heimfährt. Weil ich seit 9 Jahren beim Bergvögelkartieren meistens mit Klaus mit-
gehe und mich in mehrfacher Hinsicht nützlich mache und bewähre, kann ich bilanzieren,
dass ca. 50% unserer tatsächlich im Berg verbrachten Zeit mit Warten auf Wetterbesse-
rung vergeht. Weil wir durch Übernachtungen im Freien jeweils mindestens 2 Tage und
mindestens eine Nacht vor Ort sind, können wir auch kurze Phasen von Wetteraufhellun-
gen nutzen.
Maria

Nach diesem eher beschaulichen Teil folgen einige Beobachtungsergebnisse aus mei-
nen drei Jahrzehnten Vogelkartierung in den östlichen Chiemgauern und 13 Jahren Mo-
nitoring häufiger Brutvögel in einer Bergwaldfläche. Anhand meiner Datensammlung
komme ich zu folgender Einschätzung der Verhältnisse:
Erhebliche Schwankungen im Bergvogelbestand, verursacht durch natürliche Ereignisse
- vor allem durch lange anhaltende Regenphasen sowie durch Borkenkäferbefall - sind
normal. Aber auch die Art und Weise der Bewirtschaftung der Wälder und Almflächen hat
einen erheblichen Einfluss auf die Bestände der Bergvögel.
Während bei den Waldvogelarten die Anzahl aller Vogelreviere leicht ansteigt, ist auf den
Almflächen der Trend eindeutig rückläufig.
Bei der Almbewirtschaftung wirkt sich die Wald-/Weide-Trennung stark dezimierend auf
die gesamte Artenvielfalt aus: indem die Waldflächen ausgezäunt werden, entsteht eine
scharfe Grenzlinie zwischen Wald und Weide. Dadurch ergibt sich eine abrupte Licht-/
Schattengrenze und infolge dessen ein starker Rückgang der Blumen, Insekten, Reptilien
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und Vögel, die auf lichte, lückig und unregelmäßig bewachsene Randbereiche angewie-
sen sind.
Durch die zunehmende, intensive Düngung auf Almflächen verschwinden viele Blumen-
                                           arten, die auf magere (= nährstoffarme)
                                           Standorte angewiesen sind und nur dort
                                           gedeihen können. Indem die Magerwie-
                                           senblumen durch düngerliebende Blumen-
                                           arten und Gräser verdrängt werden bzw.
                                           einfach eingehen, weil sie keine Nährstoff-
                                           gaben vertragen, fehlt den auf sie ange-
                                           wiesenen Insekten die Nahrungsgrundla-
                                           ge, und dies wiederum wirkt sich unmittel-
                                           bar auf die Vogelarten aus, die sich von
                                           diesen Insekten ernähren. Auch die Sa-
men der Magerwiesenblumen und Magerwiesengräser sind für die Almvögel von hoher
Bedeutung, und von diesen speziellen Samen gibt es durch hohe Düngergaben und star-
ken Viehbesatz immer weniger.
Auch der vielerorts intensiver gewordene Bergtourismus greift häufig störend und vertrei-
bend in die Vogel- und Wildbestände ein. Während bei einem Wanderer die Tiere meis-
tens Zeit zum Ausweichen haben, ist bei plötzlich auftauchenden Radfahrern, Skifahrern
und Gleitschirmfliegern nur noch panikartige Flucht möglich. Dies gilt ganz besonders für
die Dämmerungsphasen morgens und abends!
Klaus

Ich möchte doch noch einiges ergänzen.
Lichte, lückig und unregelmäßig bewachsene Saumstrukturen im Übergangsbereich zwi-
schen Bergwald und Almflächen sind z.B. für etliche Falterarten und ihre Entwicklungs-
stadien, für Eidechsen, Schlangen, für Ameisen, Käfer, Spinnen, Wildbienen, Hummeln,
Grashüpfer, Zitronenzeisig, Auer-, Hasel-, Birkhuhn, auch für Gämse, Reh und Rotwild
wichtige Lebensbereiche. Fehlen diese Saumstrukturen, suchen sich viele dieser Arten
woanders entsprechende Bereiche und finden sie oft nicht… sie weichen großräumig
aus, verschwinden also im bisherigen Gebiet – oder der Fortpflanzungserfolg wird gering
und erlischt schließlich ganz.
Die heutige Bewirtschaftung der Almflächen besteht aus einer ganzen Kette von proble-
matischen Elementen: 1) der natürliche, menschliche Wunsch nach Wohlstand und reich-
lich gutem Essen führte dazu, dass Landwirte größere Mengen an Milch und Fleisch er-
zeugen müssen. 2) Rinderrassen, die höhere Milch- und/oder Fleischleistung bringen,
werden nicht nur im Tal gehalten, sondern auch auf Almen gesömmert = schwerere Tiere
= gewaltige Trittschäden, die die Bodenerosion fördern und die ursprüngliche, empfindli-
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che Vegetation sowie auch Vogelnester mit Gelege oder Jungvögeln zerstören (einige
Bergvogelarten nisten unter Grasbüscheln und in kleinen Vertiefungen am Boden). 3) Die
gegenüber früher stark angestiegene Anzahl der gesömmerten Rinder und ihre größere
Körper-Masse erfordert mehr proteinhaltiges Futter. Also wird auch dort gedüngt, wo im-
mer sich in der Folge von Wegebau Almflächen düngen lassen = der Gülleüberschuss
aus den Tallagen kann „sinnvoll“ untergebracht werden… :-( Nicht nur Gülle, auch chemi-
scher Dünger wird ausgebracht, wo man noch halbwegs angenehm hingelangt. Dies ist
bezogen auf die Artenvielfalt einer Almfläche ein absolut schädlicher Eingriff und sollte
ganz und gar unterbleiben!
Eine etwas bescheidenere Lebensweise gerade auch bezüglich unserer täglichen Nah-
rungsmenge sowie die Entscheidung, nur noch biologisch angebaute Lebensmittel aus
der Region und näher angrenzenden Gebieten zu kaufen, damit die im Bio- und Demeter
-Landbau geförderte Artenvielfalt durch jeden von uns unterstützt wird, ist aus meiner
Sicht ein ganz wichtiger und entscheidender Beitrag zu mehr Respekt gegenüber unserer
eigenen Lebensgrundlage. Ganz nebenbei dient dies auch deiner und meiner Gesund-
heit!
Denn: wir leben zu üppig und glauben, dies wäre gut für uns – doch es macht uns krank
und zerstört z.B. durch die oben genannten Entwicklungen auch die Artenvielfalt auf den
Almflächen – und dies kann doch nicht im Sinne von Bergfreunden sein!!!
Maria
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                   SKIDURCHQUERUNG LECHTALER ALPEN
                         5 Tage zwischen Gramai und Namlos

                                  Von Markus Stadler

Das "Entscheidungstraining Lawinen" führt uns in diesem Jahr in die Lechtaler Alpen.
Unsere Vermieter in Gramais empfangen uns am Anreisetag sehr herzlich. In der mit 48
Einwohnern kleinsten Gemeinde Österreichs ist unser Hausherr nicht nur Bergwachtob-
mann und Getränkewart der Feuerwehr, sondern auch Obmann des Heimatmuseums.
Seine Sammelleidenschaft spiegelt sich deutlich in der Einrichtung des Hauses wider.
Nach einigen netten Gesprächen, dränge ich zur Eile - wir wollen ja das perfekte Wetter
und die guten Schneeverhältnisse noch für eine Tour nutzen. Lawinenwarnstufe 2 ist
angesagt mit Fokus auf Triebschnee und einem Altschneeproblem oberhalb 2400 m. Das
Schafkar ist bereits stark verspurt, also ziehen wir zur Landschaftsspitze.
                                                Ein überschaubarer Talmarsch bringt
                                                uns unter die Steilstufe des Kars. Der
                                                Aufstieg durch die enge Latschenrinne
                                                geht zu Fuß schneller als mit Ski, da-
                                                nach betreten wir ein herrliches, unver-
                                                spurtes Kar. An einem steileren Hang
                                                hat vor einigen Tagen ein Locker-
                                                schneerutsch ein kleines Schneebrett im
                                                Triebschnee ausgelöst. Obwohl sich die
                                                Situation inzwischen entspannt haben
                                                müsste, halten wir am Hang daneben
Abstände. Ideales Skigelände bringt uns im Anschluss unter den steilen Abschlusshang.
Wir sind nun auf 2200 m, die Hangneigung liegt im oberen Teil über 35 Grad. Frischer
Triebschnee ist nicht erkennbar, allerdings sieht man deutlich die ungleiche Verteilung
von schneeärmeren und schneereicheren Abschnitten anhand herausschauender Fel-
sen. Wir entscheiden, den Hang in Abständen zu gehen und die schneearmen Bereiche
möglichst zu meiden. Schorsch zieht in gleichmäßigen Spitzkehren hinauf in die Scharte,
ich gehe als vorletzter. Kurz vor der Ab-
schlussrinne grabe ich mit der Hand
kurz in die Schneedecke. Über der
griesligen Basis befindet sich eine im
Auflösen befindliche Kruste, ganz ast-
rein ist das nicht mehr. Die ersten sind
bereits oben in der Scharte und die Rin-
ne fühlt sich auch für mich wieder soli-
der an. Am Tag danach geht in ähnli-
cher Höhenlage und Exposition - nur
zwei Kilometer Luftlinie entfernt - ein
eindrucksvolles Schneebrett ab.
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Der Nachmittag ist schon stark
fortgeschritten, wir belassen es bei
der Gratscharte. In der Abfahrt
befahren wir den Hang einzeln.
Unverspurte Pulverhänge bringen
uns an die Latschenzone, wo wir
vom Genuss- in den Gaudimodus
umschalten. Unter den rot glühen-
den Gipfeln gleiten wir im letzten
Abendlicht hinaus nach Gramais.
Eine kurze Pause und die obligato-
rische Abschlussbesprechung des
Tages trennen uns jetzt noch von dem wohlverdienten Abendessen im Gasthof Alpenro-
se. Beim Rückweg zur Unterkunft präsentiert sich die umgebende Bergwelt im silbernen
Mondlicht. Fast schon kitschig wirkt davor die angeleuchtete Kirche von Gramais.
Am Sonntag verabschieden wir uns nach einem üppigen Frühstück von unseren Vermie-
tern und der Zivilisation. Die nächsten beiden Nächte werden wir im Winterraum verbrin-
gen. Beim Aufstieg in Richtung Kogelseescharte machen die Lechtaler ihrem Beinamen
"Latschentaler Alpen" alle Ehre. Der aufliegende Schnee drückt die meterhohen Krumm-
holzäste in die Trasse des schmalen Sommerwegs. Hier gäbe es für den noch zu grün-
denden Fremdenverkehrsverein Gramais sogleich die erste Herkulesaufgabe zu meis-
tern. Mit einer gut ausgeschnittenen Schneise ergäbe sich eine schicke Skitour. So aber
sind wir froh, hier nicht mehr abfahren zu müssen.
                                                   Im Talschluss hinter dem Kogelsee
                                                   beschließen wir, die Schneedecke
                                                   heute systematischer zu untersu-
                                                   chen als am Vortag. An drei ver-
                                                   schiedenen Stellen graben wir
                                                   Schneeprofile, von denen sich nur
                                                   an einem, das kleinräumigem Wind-
                                                   einfluss ausgesetzt war, im Block-
                                                   test ein (gestufter) Bruch erzeugen
                                                   lässt. Ansonsten finden wir keine
                                                   markanten Schwachschichten. Ent-
                                                   spannt steigen wir hinauf in die felsi-
ge Scharte und fahren nach Osten ab. Zum Vergleich zeige ich den Teilnehmern hier
noch ein Schneeprofil eines der Sonneneinstrahlung ausgesetzten Südosthangs.
Die Hanauer Hütte ist heute leer, am Vortag teilten sich 29 Leute 16 Schlafplätze. Der
Winterraum ist der pure Luxus. Ein großer, heller Aufenthaltsraum, gemütliche Lager mit
Kuscheldecken, ein guter Ofen und Holz in bester Qualität, sogar Wasser gibt es wenige
Minuten von der Hütte entfernt, so dass uns das Schneeschmelzen erspart bleibt.
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Am Montag steht eine sehr abwechslungsreiche Etappe auf dem Plan. Die vielen Touren-
geher vom Wochenende haben den Aufstieg zur Kogelseespitze breit ausgetreten. Abge-
fahren sind allerdings alle über die Ostflanke, so dass wir den Südhang für uns alleine
                                                     haben. Trotz der sonnigen Ausrich-
                                                     tung ist der Schnee noch pulvrig
                                                     und wir malen schöne Zöpferl in den
                                                     Hang. Am Gufelsee ziehen wir die
                                                     Felle erneut auf und steigen in Rich-
                                                     tung Steinkarspitze. An einer hart-
                                                     geblasenen Querung rutscht Berni
                                                     kurz weg und knickt sich den Ski-
                                                     stock ab. "So ein Mist!" schimpft er -
                                                     und das ist noch untertrieben. Die
                                                     nächsten, anspruchsvollen Etappen
                                                     sind mit nur einem Skistock kaum
vorstellbar.
Nach kurzem Brainstorming, welche Möglichkeiten uns bleiben, zückt er sein Taschen-
messer und fängt an, damit den Alustock zu ritzen. "Wenns an Kaas schneidt, dann
schneidts des a!" bemerkt er lakonisch. Als die Kerbe tief genug ist genügt ein kurzes
Hebeln und der Stock bricht glatt an der neuen Sollbruchstelle. Das gleiche folgt noch am
unteren Bruchstück, so dass nun das untere Rohr mit Spitze und Teller in das obere Rohr
hineingeschoben und mit Tape und Kabelbinder fixiert werden kann. Der Weiterweg ist
gesichert.
Über eine perfekt angelegte Auf-
stiegsspur erreichen wir den Nord-
ostgrat der Steinkarspitze. Von der
Scharte an seinem Beginn soll es
eine Übergangsmöglichkeit zur
Steinseehütte geben, wie mir ein
Gebietskenner verraten hat. Der
Blick hinab durch die Rinne ist be-
eindruckend. Ich inspiziere die ers-
ten Meter und entscheide, dass es
für unsere Gruppe sicher machbar
ist.
Nach einem kurzen Abstecher zum Gipfel schnallen wir die Ski an den Rucksack und
steigen einige sehr steile Meter ab. Ich ziehe die Ski an, muss aber nach 40 Metern fest-
stellen, dass noch eine Felsstufe kommt. Kurz darauf ist endgültig fahrbares Gelände
erreicht und in wechselhaftem Schnee schwingen wir hinab in Richtung Hütte. Beim
Wegweiser im Karboden hat jeder einen anderen Plan für die letzten Meter zur Unter-
kunft. Letztendlich treffen wir uns dann aber alle in der gleichen Mulde und steigen mit
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Fellen hinauf zur Steinseehütte. Der mit Alpenvereinsschloss versperrte Winterraum ist
zwar nicht so luxuriös wie an der Hanauer Hütte, jedoch voll in Ordnung. Wasser gibt es
leider keines, aber auf dem großen Herd schmelzen wir mit vielen Töpfen im Akkord
Schnee. Die Holzvorräte sind überschaubar, so dass wir eine alte Holzpalette zerlegen.
Heute ist der Hunger in Summe anscheinend größer, da die gleiche Menge Nudeln wie
am Vortag ohne Mühe vertilgt wird.
                                                         Die Königsetappe folgt am
                                                         Dienstag. Von der Hütte stei-
                                                         gen wir nach Osten hinauf zur
                                                         "Verborgnen Gratscharte". Die
                                                         letzten Meter stapfen wir zu
                                                         Fuß über einige Felsen, kön-
                                                         nen aber in der Scharte die Ski
                                                         anschnallen. Es folgt ein toller
                                                         Nordosthang mit bestem Pul-
                                                         verschnee. Jeder erkennbaren
                                                         Unebenheit weichen wir tun-
                                                         lichst aus, da die Einsinktiefe in
                                                         dem von unten aufgebauten
Pulverschnee so tief ist, dass man sonst jeden verschneiten Felsblock erwischt. Rupert's
Ski kann ein Lied davon singen. Die gewaltige Kerbe nimmt fast einen halben Reparatur-
stab auf. Eine kurze steile Querung und das überraschend einfache Mitterjöchle bringen
uns ins Brunnkar.
In der brütenden Hitze schwitzen wir ins Brunnkarjöchle, wo es sich an den sonnigen
Felsen gemütlich Brotzeit machen lässt. Berni und Rupert beschließen, auf den Gipfel zu
verzichten, der Rest der Truppe macht sich über den steilen Osthang auf den Weg zum
Großen Schlenker. Am Skidepot wechseln wir auf Steigeisen und über ausgesetzte Bän-
der und durch steile Rinnen klettern wir auf den höchsten Punkt. Die Aussicht an diesem
glasklaren Traumtag ist gigantisch. Vom Ortler im Süden über den Säntis im Westen, die
Tannheimer Alpen im Norden und die Zugspitze im Osten befinden wir uns inmitten des
unendlichen Gipfelmeeres.
Inzwischen hat sich die Sonne vom Pausenplatz unserer beiden Kollegen verzogen und
wir beeilen uns mit Abstieg und Abfahrt. Das riesige Nordkar ins Fundaistal ist laut
Skitourenführer Lechtaler Alpen von Dieter Elsner eine der besten Abfahrten der Region,
entsprechend hoch sind die Erwartungen. Leider hat der Wind hier ziemlich gewütet und
unsere vom Pulverschnee der letzten Tage verwöhnten Ski weigern sich, entspannt hin-
abzuwedeln. Je tiefer wir kommen, desto eingefahrener sind die Hänge. Im Buckelpisten-
style geht es in den Talgrund, wo nochmals ein kurzer Gegenanstieg fällig wird, bevor wir
nach Boden hinabschwingen.
Erneut bringt die Quartiersuche etwas Spannung in den fortgeschrittenen Tag. "Heute
Ruhetag" verkündet ein Schild an der Tür des Gasthauses Bergheimat - dem einzigen
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am Ort. Plan B: Wir klingeln am erstbesten, bewohnt erscheinenden Haus und erkundi-
gen uns nach Zimmervermietern. Die freundliche Dame schickt uns zu Rosi und Arthur.
Elli überzeugt Rosi in ihrer gewinnenden Art sofort von unseren inneren Werten (die äu-
ßeren waren nach zwei Winterraumübernachtungen weniger vorteilhaft) und wir dürfen
hierbleiben. Damit wäre aber das Verpflegungsproblem noch nicht gelöst. Es hat nämlich
nicht nur der örtliche Gasthof geschlossen, auch die "Gemütlichkeit" im Nachbardorf
Bschlabs, die sogar Taxiservice bieten würde macht heute Pause. Arthur bietet uns da-
her an, uns sein Auto zu leihen, mit dem wir abends ins Lechtal hinabfahren können.
Nachdem Angelika bereits am Vortag
abreisen musste, sind wir für die Ab-
schlussetappe nur noch zu fünft. Wir
steigen anfangs sehr gemütlich hinauf
ins Hahntennjoch. Die Passstraße ist im
Sommer ein beliebtes Motorradziel,
während der Wintersperre herrscht hier
wohltuende Ruhe. Eine breite Sommer-
wegtrasse zieht über steile, latschenbe-
wachsene Südhänge ins Steinjöchle.
Jenseits bricht die Scharte steil nach
Norden ab. Wir beschließen, die ersten Meter abzusteigen, bevor wir die Ski anschnallen.
Windgepresster Schnee wechselt sich mit Pulverschnee ab.
Unterhalb der Anhalter Hütte werden das letzte Mal die Steigfelle aufgezogen. Einen kur-
zen Blick in den Winterraum riskieren wir ebenfalls noch, um festzustellen, dass auch hier
ein angenehmer Platz zum Übernachten und Kochen angeboten wird. Spätestens am
Kromsattel betreten wir endgültig das Terrain einer der wenigen Lechtaler Modetouren.
Eine ausgefahrene Buckelpiste führt zum Gipfel des Tschachaun hinauf. Am höchsten
Punkt erhalten wir exklusiven Einblick in die steile Ostflanke der Namloser Wetterspitze,
die ebenfalls schon ungewöhnlich stark verspurt ist.
Uns steht die finale Abfahrt noch bevor. Die Schneequalität im Falselfeiltal wäre durchaus
gut, wenn nicht hunderte alter, verfestigter Spuren den Hang zieren würden. So holpern
wir hinab zum Talboden und im halfpipeähnlich ausgefahrenen Graben ins Brentersbach-
tal. Gemütlich lassen wir es nun nach Namlos hinauslaufen, unterstützt von gelegentli-
chen Doppelstock-Schüben. Bevor wir die Heimreise antreten können, holen Berni und
Schorsch das Auto aus Gramais - der Rest verbringt die Wartezeit derweil im überhitzten
Gasthaus bei Kaffee und Marillenstrudel. Das einhellige Fazit zu den fünf Tagen
schwankt ob des genialen Wetters, der guten Schnee-Bedingungen und der tollen Grup-
pe irgendwo zwischen heller Begeisterung und Euphorie. Daran ändert auch die Tatsa-
che nichts, dass die Ausbildungseinheiten aufgrund der ausgefüllten Tage und der über-
wiegend soliden Lawinenverhältnisse nicht allzu üppig ausgefallen sind. In jedem Fall
dürfte es nachfolgenden Unternehmungen in diesem Winter schwer fallen, die Lechtaler-
Durchquerung als Saisonhighlight zu toppen.
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                      GRANDE TRAVERSATA DELLE ALPI
                                         TEIL I
                                Von Markus Tiefenthaler

Gleich vorweg geschickt: Es kann, muss sich hier aber nicht um eine Geschichte mit Fort-
setzungen handeln.
                                                             Die Grande Traversata delle
                                                             Alpi, kurz GTA, erstmals
                                                             1986 von Werner Bätzing in
                                                             einem zweiteiligen Führer-
                                                             werk beschrieben, führt
                                                             über 1000 km vom Nufenen
                                                             Pass immer entlang der
                                                             italienisch-schweizerischen

                                                              Grenze im Piemont bis ans
                                                              Meer nach Ventimiglia. Die
                                                              Idee zu dieser Weitwande-
                                                              rung entstand in den 70er
Jahren in Turin aus dem Bedürfnis, für die Bevölkerung in den aussterbenden Alpentä-
lern entlang der Route eine Möglichkeit zum Broterwerb zu schaffen, nachdem die Land-
wirtschaft in den hochgelegenen Tälern oft keine Überlebensmöglichkeit mehr bot. Den-
noch sollte diese uralte Kulturlandschaft erhalten bleiben. Nach Bätzing sind die Alpen ja
kein Naturraum, sondern ein vom Menschen geschaffener Lebensraum. Die Vielfalt der
Pflanzen und Lebensformen wurde ermöglicht durch den Einfluss der Rodung und Be-
weidung. In den ursprünglich vorhandenen Wäldern hätten wesentlich weniger Pflanzen
eine Lebensmöglichkeit gefunden. Daher wandern wir überall in den Bergen der Alpen
kaum mehr in einem natürlichen Lebensraum, und dies völlig unabhängig von den neu-
zeitlichen „Errungenschaften“ wie Liftbetrieben und Funparks.
Gerade das italienische
Piemont mit einem deutlich
milderen Klima wie auf der
Nordseite der Alpen, er-
laubt eine dauerhafte Be-
wirtschaftung und Besie-
delung in Höhen bis an die
2000-Meter-Grenze.      Al-
men finden sich bis auf
über 2400 Meter. Erste
Besiedelungsspuren datie-
ren zurück bis auf das Jahr
5500 v. Chr. und um 1000
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n. Chr. war die Gegend bereits sehr dicht besiedelt, da sowohl die Verhältnisse für die
Landwirtschaft günstig waren, als auch Bodenschätze abgebaut und verarbeitet wurden
und nicht zuletzt der Handel über die Alpenpässe eine lukrative Einnahmequelle war. Im
                                                            ausgehenden       Mittelalter
                                                            (13. und 14. Jahrhundert)
                                                            erfolgte dann eine weitere
                                                            Besiedelung     aus     dem
                                                            schweizerischen       Wallis
                                                            durch deutsch sprechende
                                                            Walliser, die Jahrhunderte-
                                                            lang für eine enge Verflech-
                                                            tung über die Grenzen hin-
                                                            weg sorgten. Noch heute
                                                            finden sich wenige Reste
                                                            deutsch sprechender Ge-
                                                            meinden in dem Gebiet.
Die beginnende Industrialisierung aber führte zu einer massiven Abwanderung der Bevöl-
kerung. Manche Gemeinden büßten 90%, ja sogar bis zu 100% ihrer Einwohner ein. Lee-
re Dörfer und Weiler und eine verfallende Infrastruktur waren die Folge. In den Bergen
selbst begannen die Almen zu verbuschen und die Wege zu verwachsen. Die GTA sollte
durch gezielte Förderung der Übernachtung in den Dörfern in einfachen Unterkünften und
Verpflegung der Wanderer vor Ort eine Einkommensquelle schaffen und auch jüngeren
Leuten einen Verbleib ermöglichen. Soweit dies heute, fast 50 Jahre nach den ersten
Überlegungen, beurteilt werden kann, war die Geschichte ein Erfolg, besonders auch,
weil in den letzten Jahren die Idee der Weitwanderung wieder deutlich mehr Menschen
anspricht als Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre.
Soweit also die Vorerklärungen. In gewisser Weise hatte uns ein erster Besuch im Pie-
mont bereits 2012, als wir einige Etappen der GTA mit den Kindern gegangen waren,
infiziert. Immer wieder haben andere Urlaubspläne den Gedanken GTA in den Hinter-
grund geschoben, aber er war
immer da. In diesem Jahr haben
wir nun den Einstieg gepackt
und sind 11 Etappen vom Nufe-
nenpass bis nach Villadossola
gewandert. Technisch ist die
GTA für einen trittsicheren Berg-
steiger eine einfache Angele-
genheit und wer nur nach Gip-
feln strebt, wird nicht recht
glücklich werden, denn fast alle
Gipfel müssen als Zusatz ins
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Programm aufgenommen werden. Wer aber großzügige Überschreitungen, wechselnde
Ausblicke und (oft) extrem ruhige Wege liebt, der ist auf der GTA gut aufgehoben. Für
uns der einzige Wermutstropfen ist die lange Anreise, so dass mindestens 8 Tage Zeit
sein sollten, damit sich der Aufwand rentiert.
Da alle diese Vorausset-
zungen bei uns im August
2017       zusammentrafen,
kurbelten wir bei strömen-
dem Regen am 19.08 von
Rosenheim in die Schweiz.
Wir hatten die Route über
Engadin, Julier, Albula und
Splügen nach Airolo der
eintönigen Kilometerfresse-
rei auf der Autobahn vorge-
zogen. Je weiter wir nach
Westen kamen, um so
freundlicher wurde das Wetter und in Airolo schien die Sonne von einem wolkenlosen
Himmel (zeitgleich fegte der Sturm am Chiemsee das Musik-Festival hinweg). Dank der
guten Infrastruktur des Personennahverkehrs (die natürlich ihren Preis hat), konnten wir
schon bald einen Postbus besteigen, der uns auf den Nufenenpass brachte. Die Wande-
rung konnte beginnen. Da wir vorhatten, bei Gelegenheit im Freien zu übernachten und
wegen fehlender Reservierungen vielleicht auch dazu gezwungen wären, hatten wir
Schlafsack und Iso-Matte dabei, so dass unsere Rucksäcke ein gerade noch komfor-
tables Gewicht von 15 Kilo aufwiesen. Ein nicht unerheblicher Teil davon war Brotzeit für
die ersten 4 Tage. Diese ersten 11 Etappen ab Nufenen werden von Bätzing noch als
Zustieg zum GTA bezeichnet, weil die eigentliche Wegführung ursprünglich ab dem Lago
                                                            Maggiore bis nach Madon-
                                                            na della Gurva führte. Die-
                                                            ser Teil ist aber nicht mehr
                                                            gut markiert und in Stand
                                                            gehalten, so dass der Start
                                                            in Nufenen die heute ge-
                                                            bräuchliche     Wegführung
                                                            darstellt und im Rother
                                                            Wanderführer auch be-
                                                            schrieben ist. Wie gesagt,
                                                            das Wetter war herrlich,
                                                            aber ein strammer und kal-
                                                            ter Nordwind begleitete uns
in den nächsten Tagen, der uns neben einigem Klappern in der Kälte auch eine hervorra-
gende Fernsicht bescherte.
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Da es bereits nach Mittag geworden war, marschierten wir unverzüglich los in Richtung
der weithin sichtbaren Windkraftanlagen am Griessee. Die meisten großen Seen der
nächsten Tage waren Stauseen zur Energiegewinnung. Bereits in den ersten Jahren des
letzten Jahrhunderts hatte der steigende Energiehunger der Großstadt Turin zum Bau
von Staudämmen und Anlagen bis auf über 2700 Meter Meereshöhe geführt. Nur die
Gletscher boten dem Bau der Anlagen Halt. So wurden Tatsachen geschaffen, die noch
                                                         heute das Landschaftsbild
                                                         stark beeinflussen. Nur in
                                                         wenigen Bereichen war der
                                                         regionale Widerstand der
                                                         Bevölkerung so stark, dass
                                                         der Bau verhindert werden
                                                         konnte. Andererseits ist ja
                                                         die Energiegewinnung aus
                                                         Wasserkraft so schlecht
                                                         wieder nicht, ein echtes
                                                         Dilemma in dem man sich
                                                         hier als Bergsteiger und
                                                         Naturfreund befindet. Und
hat man die Staumauer einmal passiert, so kann man der tollen Farbe der Seen durch-
aus einen gewissen Reiz nicht absprechen.
Zum Eingehen ist eine etwas gemütlichere Etappe vorgesehen, die über 600 HM Aufstieg
und 680 HM Abstieg vom Nufenenpass über den Griesspass auf italienisches Gebiet und
weiter über die Alpe Bättelmatt zum Rifugio Città di Busto führt. Immer im Blick dabei der
Griessgletscher und das 3374 Meter hohe Blinnenhorn. Der Wirt auf der Hütte verzog
etwas das Gesicht, als wir ohne Reservierung an seiner Schank standen, aber es klappte
dann doch mit der Übernachtung und dem Abendessen. Im Gegensatz zu den ersten
Etappen 2012 machten wir schnell die Erfahrung, dass in dem Gebiet deutlich mehr
Wanderer unterwegs waren. Eine Begehung in einer größeren Gruppe ohne Reservie-
rung könnte zu Problemen führen. Und bei Temperaturen nahe der 0 Grad Grenze war
ein Freilager nicht sehr erstrebenswert. Wie auf fast allen Hütten in der Folge war die
Bewirtschaftung gut und die Hüttenwirte sehr freundlich und hilfsbereit. Um es nochmal
zu sagen: diese ersten Etappen unterscheiden sich von den weiteren insofern, als es
eigentlich Ziel der GTA ist, im Tal zu übernachten und Hütten zu meiden, da diese ja eine
eigene Infrastrukturunterstützung über die Alpenvereine haben. Zu empfehlen ist an die-
ser Stelle eine erste Übernachtung auf der Cap. Corno-Gries und dann weiter direkt zum
Rif. Margaroli, da der Einstieg über den Stausee wegen Steinschlaggefahr offiziell ge-
sperrt ist.
Bereits am ersten Tag fielen uns die in diesem Bereich sehr schroffen Gipfelbereiche auf.
Kaum einer der Berge hier bietet einen einfachen Zustieg. Grund hierfür ist das langsam
verwitternde Kristallin, aus dem die Berge hier aufgebaut sind. Aber gut anzuschauen
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sind die Grate, Türme und Spitzen allemal. Genauso wie die zahlreichen natürlichen
Seen, Bäche und Wasserfälle. Und trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit standen noch
                                                   viele Blumen in voller Blüte. Die
                                                   Artenvielfalt war beeindruckend
                                                   und auch seltenere Arten konnten
                                                   entdeckt werden, so der prächtige
                                                   Hauswurz.
                                                   Zeitig am Morgen der Start in die
                                                   nächste Etappe. Obwohl: allzu
                                                   früh ist ein Aufbruch nicht möglich,
                                                   will man auf die Annehmlichkeit
                                                   des Frühstücks nicht verzichten,
                                                   denn vor 700 Uhr ist in den Hütten
                                                   nichts zu bekommen. Na ja,
manchmal wäre der Verzicht kein großer Unterschied zum italienischen Frühstück gewe-
sen.
Wie in den folgenden Tagen öfter begann der Tag mit einem längeren Abstieg, diesmal
zum Stausee Lago di Morasco, der umrundet wurde, bevor wir wieder aufstiegen zum
Passo di Nefelghiu. Hier hatten wir unser Tagesziel schon vor Augen, den Lago Vannino
und das Rifugio Margaroli. Die Scharte erreichte eine Höhe von 2583m und wird um-
rahmt von knapp 3000 Meter hohen Gipfeln. In beide Richtungen rauschten Bäche zu Tal
und füllten die Stauseen. Üppige Blumenpracht entfaltete sich entlang der Ränder. Plötz-
lich begannen die Murmeltiere der Reihe nach zu warnen und wenige Sekunden später
zog knapp unter uns ein Adler den Talkessel entlang. Aber bevor ich noch reagieren
konnte und den Fotoapparat aus der Tasche hatte, war er bereits wieder verschwunden.
Nach der Welle von Pfiffen wusste er, dass hier für ihn nichts mehr zu holen war. In den
nächsten Tagen konnten
wir aber immer wieder
Adler beobachten, wenn
auch meist in großer Ent-
fernung. Und völlig klar
ist: Bergsteigen und Tier-
fotografie vertragen sich
nicht wirklich.
Weiter ging es in den
folgenden Tagen über die
Scatta Minoia zur Alpe
Devero und dann über
den Passo di Valtendra
zur Alpe Veglia. Beide Almen sind seit hunderten von Jahren bewirtschaftet und teilen
sich auf mehrere kleine Almsiedlungen auf. Im Bereich der Alpe Veglia wurden zu den
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Hochzeiten über 1000 Rinder gehütet, heute sind es noch ca. 150. An die Stelle der Vieh-
haltung ist der Tourismus als Einnahmequelle getreten. Während die Alpe Devero mit
dem Auto allgemein erreichbar ist, muss man zur Alpe Veglia einen Fußweg von mindes-
tens 1 Std. in Kauf nehmen. Daher wird die Alpe Devero zunehmend mit Ferienhäusern
bebaut, auch Hotels und einen Campingplatz findet man dort. All dies fehlte auf der Alpe
Veglia. Dennoch ist anzunehmen, dass beide Standort nun wieder ein gutes Auskommen
bieten. Vor der Alpe Devero hatten wir eine kleine Variante eingebaut, indem wir den
Weg über mehrere Almen weit oberhalb des Lago di Devero dem Weg am Stausee ent-
                                                             lang vorzogen. Eine gute
                                                             Wahl aus unserer Sicht.
                                                              Kurz vor der Alpe Veglia
                                                              bauten wir einen weiteren
                                                              kleinen Umweg über den
                                                              Lago Bianco ein. Wäh-
                                                              rend wir noch vor dem
                                                              Pass immer im dichten
                                                              Hangnebel      unterwegs
                                                              waren, trübte seither kei-
                                                              ne Wolke mehr den Him-
                                                              mel und der Anblick des
                                                              3500 Meter hohen Monte
Leone mit seiner steilen Nordost-Seite über der Alp war den Umweg wohl wert.
Angekommen an der Alpe Veglia auf dem Refugio Citta di Arona zuerst wieder Gejam-
mere, weil wir nicht reserviert hatten. Die Hütte sei total voll und überhaupt könne er noch
gar nichts sagen. Wir übten uns also in Geduld, konnten uns aber die Wartezeit nicht mal
mit einem Cappo verkürzen, weil der Wirt völlig den Überblick verloren hatte. Erst nach
einer Stunde die Info, dass es vielleicht gehen könnte. Wir bekamen ein Quartier in ei-
nem Zimmer mit 12 Lagern zugewiesen und waren am Ende des Tages völlig alleine
darin. Nun gut. Dafür gab es als Nachspeise wunderbaren Joghurt mit erntefrischen Hei-
delbeeren direkt von der Alm nebenan.
Für die nächsten Tage war nun die Entscheidung zu treffen, ob wir auf der Bätzing-Route
in Italien bleiben, oder die Variante aus dem Rother weitergehen sollten, die uns für 2
Tage in die Schweiz führen würde. Wir haben uns für das Letztere entschieden, wobei
sich die Entscheidung insgesamt als gut herausgestellt hat, auch wenn sie tiefe Spuren in
unserem Urlaubsbudget hinterlassen hat. Grund dafür war die etwas günstigere Auftei-
lung der Tagesetappen, wir hatten hier die Möglichkeit einen quasi Ruhetag mit nur 3
Stunden Gehzeit einzulegen, wohingegen auf der italienischen Variante drei harte Tage
mit jeweils 8-9 Stunden Gehzeit angestanden hätten. Wie wir im Nachhinein auch erfah-
ren haben, war die Entscheidung gut, denn eine der Hütten war bereits geschlossen und
das hätte uns vor einige logistische Probleme gestellt.
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