Klug und kühn - Evang.-ref. Kirchgemeinde Herisau
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magnet Post CH AG Kirchenblatt für die Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden beider Appenzell AZB 9100 Herisau Mai 2021 Nr. 5 108.Jahrgang sung e u e K irc henverfas N n d u n g z u r Diskussio Klug und kühn Ein la Seite 15 mehr auf
Biblische Betrachtung Maria – Vorbild der Lesekultur … und «Empfängerin» von Gottes Wort Haben Sie gewusst, dass Maria, die Mutter von Je- sus, im Mittelalter zum Vorbild des Lesens, zur Bü- cherliebhaberin und zur höchst gebildeten Frau geworden ist, so dass sie sogar zum Leitbild aller Universitätsprofessoren werden konnte? Auf diese «Entdeckung» bin ich gestossen, als ich der Frage nachgegangen war, warum Maria – zusammen mit dem Jesuskind und einem Buch auf ihrem Schoss – auf meinem Testatbuch der Universität Basel zu finden ist. Doch, wie ist aus der einfachen Frau aus Nazareth eine Bücherliebhaberin geworden? Wie ist sie zum Le- sen gekommen? Am Anfang steht «ein unscheinbares, literarisch und theologisch aber folgenreiches Detail», wie der Mittel- alterhistoriker Klaus Schreiner feststellte. Ein Mönch Miniatur namens Otfried erweiterte nämlich in seinem um 860 aus einem flämischen n. Chr. abgefassten Evangelienbuch die Biographie von Stundenbuch Maria dahingehend, dass er sie beim Besuch des Engels (Flucht nach singend die Psalmen lesen liess: «Der Engel betrat das Ägypten, um erhabene Gemach und fand sie voll Trauer, den Psalter 1475; Le in Händen, den sie von Anfang bis Ende zu singen Maître du pflegte». Für Otfrids Erzählvariante gibt es keinerlei Livre de prières de Belege, weder in der Bibel (vgl. Lk 1, 26–38), noch bei Dresde, Bru- den Kirchenvätern, noch in den apokryphen Evange- xelles, KBR, lien. Otfried war an dieser Stelle innovativ. Er förderte ms. IV 315, damit, wohl weder ahnend noch beabsichtigend, die f. 105 vo-106). Lesekultur. Seine Schilderung löste eine doppelte Ent- wicklung aus: Zum einen avancierte Maria zur Protago- 46– 55) lese, bekommt dieser poetisch-revolutionäre nistin und Galionsfigur einer zentralen abendländi- Text eine grosse Tiefendimension: Fast jeder Ausdruck schen Kulturtechnik, dem Lesen, zum andern gehörte hat eine Parallele im Alten Testament. Auch wenn Ma- fortan auch das Lesen heiliger Schriften zur Nachfolge ria wohl nie lesen gelernt hat, wird sie in der Bibel als Mariens. Maria stand damals im Zentrum der christli- Frau des Wortes geschildert, als Hörerin, Wahrneh- chen Frömmigkeit. In der Bildkunst wurde sie in allen merin und Empfängerin von Worten («des Wortes» möglichen und unmöglichen Situationen als Lesende auch), über die sie nachdachte (Lk 1,29; 2,19) und dargestellt, sei es im Kindsbett oder auf dem Rücken verinnerlichte. Worte können prägen und formen; des Esels während der Flucht nach Ägypten. Besonders Worte können die (göttliche) Welt erschliessen, die Frauen profitierten von dieser Entwicklung. Es gehörte Welt deuten, eine neue Zukunft eröffnen und dem Le- bald zur adligen Frauenbildung des Mittelalters wie ben Sinn und Richtung geben. Worte helfen, Empfin- Maria den lateinischen Psalter lesen zu können. Aber dungen zu ordnen und die eigene Berufung herauszu- auch nichtadlige lesehungrige Frauen konnten sich mit hören. Maria vertraute der göttlichen Verheissung, ih- ihrem Wunsch, lesen zu dürfen, auf Maria berufen und rer persönlichen und der für alle Bedürftigen, weil sie ihr Tun mit der lesenden Maria rechtfertigen, was al- um die Geschichte von der Befreiung aus der ägypti- lerdings längst nicht allen Männern gefiel … schen Sklaverei wusste. Diese Hoffnung richtete sie Die Lesefähigkeit von Maria galt übrigens schon vor auf, schenkte ihr Würde und machte sie zur Poetin, zur Otfried als gewiss. Die Gelehrten stellten sich vor, Ma- Wortschöpferin des Magnificats – einem Lied, in dem ria hätte sich von Jugend auf in die Schriften der Tora, auch die Worte anderer Frauen wie Lea, Mirjam oder der Propheten und in Davids Psalmen vertieft. Wenn Hanna mitklingen ( 1. Mose 30,13; 2. Mose 15,20; 1. ich heute – als Gedankenexperiment – vor diesem Hin- Sam 2)! tergrund Marias grandiosen Lobgesang (vgl. Lk 1, Irina Bossart, Pfarrerin in Stein MAGNET Nr.5/2021 2
Editorial Impressum Liebe Leserin, Kirchenblatt für die Evan- gelisch-reformierten Kirch- lieber Leser gemeinden beider Appenzell (erscheint monatlich) In dieser Nummer stehen die Frauen im Mittelpunkt. Das Jubi- Herausgegeben im Auftrag der Synode der Evangelisch- läum «50 Jahre Frauenstimmrecht» möchten auch wir nicht reformierten Landeskirche einfach so an uns vorbeigehen lassen. Als Kirche sowieso, wo beider Appenzell dieses Thema erst recht eine eigene Brisanz erhält. Redaktionskommission Judith Husistein, Stein (jh); Es muss einem schon klar sein, dass in Sachen Kirche ohne Isabelle Kürsteiner, Walzenhau- die Frauen nicht mehr allzu viel laufen würde. Ein Blick auf die Heinz Mauch-Züger, Redaktor sen (iks); Jonathan Németh, St.Gallen (jn); Annette Spitzen- Zusammensetzung von Kirchenvorsteherschaften macht deut- berg, Reute-Oberegg (as); lich, wie die Realität daherkommt. Karin Steffen, Schachen bei Reute (ks); Lars Syring, Präs., Die «göttliche Ordnung» war auch schon Thema im Magnet. Bühler (sy) Und selbstverständlich gibt es immer noch einige Wenige, die Redaktion sich mit der Aufhebung dieser Ordnung schwertun. Heute ist Heinz Mauch-Züger (hmz) Steinbruggen diese «Ordnung» durch das Thema «Ehe für Alle» höchst 9063 Stein gefährdet. Es ist manchmal schon zum Verzweifeln – auch als Tel. 071 278 74 87 magnet@ref-arai.ch Mann – wenn man miterleben muss, wie Menschen in eine Magnet-Download «Ordnung» gezwängt werden und ihr Leben organisieren www.ref-arai.ch müssen, um nicht aufzufallen, nicht bedrängt zu werden. Produktion Appenzeller Druckerei AG, Weiblichkeit ist in dieser Ausgabe jedoch viel weiter gemeint 9100 Herisau als «Frausein». Lassen Sie sich etwas irritieren zum Begriff Adressänderungen melden Sie bitte direkt der örtlichen «Jungfräulichkeit» und erweitern Sie Ihre Denkvorstellungen in Kirchgemeinde der Auseinandersetzung mit den Marias des neuen Testamen- WEMF tes. Zu katholisch? Macht nichts, man kann immer voneinan- Beglaubigte Auflage 3300 Magnet online der lernen und zudem ist die gemeinsame Geschichte immer www.magnet.jetzt noch länger als diejenige der Trennung. Es ist irgendwie wie mit den Appenzellern, vielleicht kommt man ja mal wieder zusammen. Dann heisst es Unterschiede und Ungleichheiten zu respektieren. Ich weiss, das machen wir gar nicht gerne. Der Sektierer in uns findet immer einen Grund, etwas und jeman- den auszuschliessen. Religiös, politisch, geschlechtlich, ethnisch. 50 Jahre Frauenstimmrecht. Ein Denk-mal darüber nach, wo immer noch Abwertung und Einschränkung praktiziert wird. Migration, Lohngleichheit, Leistungsprimat, Produktivität, Sozialfälle undundund. Diese Nummer will erinnern und ermutigen. Männer sind mitgemeint. Die Frauen sind da. Sie waren bereits bei diesem Jesus da und danach ebenfalls.Und wir Männer tun gut daran, das zu respektieren. Geben wir uns gemeinsam die Chance über Geschlechter, Ethnien, Ideologien und Generationen hin- aus, die Dinge anzupacken, die jetzt notwendig sind. Weil Kir- che nicht anders kann, solange sie ihre Herkunft ernst nimmt. Titelbild: Vorlage Schwarzweissfoto von demonstrierenden Frauen in Viel pfingstlich befreienden Mai wünscht Ihnen! Bern. Landesmuseum Zürich: Um- fassende Infos zu Frauenrollen und -rechten noch bis 18. Juli 2021! Bildbearbeitung: Jonathan Németh 3 MAGNET Nr.5/2021
Thema Eine Treiberin von Ungleichheit denkt nach Ich spielte mit Puppen. Als ich mir als Fünfjährige ein Puppen-Baby wünschen durfte, musste es dunkel- häutig sein – und ein Junge. Zum Schuleintritt bekam ich einen gelben Schulthek, das galt als normal. Meine Schwester hingegen wollte einen «Felltöni», was für Mädchen nicht in Frage kam. Unsere Eltern beschafften ihr trotzdem einen. Er war etwas feiner gearbeitet als die Bubentönis. Sie war zufrieden da- mit. So wuchs ich auf. In einer sechsköpfigen Familie. Als Älteste war ich noch nicht dreijährig, als die Kleinsten Dass es ein Nachteil sein konnte, weiblich zu sein, … bis ins Er- zur Welt kamen. Zwei Jungs. Nie hatte ich einen Nach- diese Erkenntnis holte mich erst im Berufsleben ein; in wachsenen- leben hinein. teil wahrgenommen, als Mädchen geboren worden zu der Zusammenarbeit mit männlichen Kollegen in Kom- Ziel muss sein. Gab es Momente, in denen ich lieber ein Junge missionen und Fachgremien. Sie weckte mich auf. Ich es sein: gewesen wäre? Die Knaben spielten besser Fussball erinnere mich gut, dass ich zuerst mich dafür verant- Gleichheit und rannten schneller die 80 Meter. Damit konnte ich wortlich machte: weil ich mich zu wenig klar ausdrü- beim Lohn, leben. Nein, ein Bub wollte ich nie sein. cken konnte, nicht genügte. Irgendwann lernte ich Gleichheit Mein Interesse an den Jungs aber war gross. Mir ge- aber, dass mein Defizit nicht nur selbstverschuldet war. beim Respekt und Verschie- fiel der Hübscheste, der Gescheiteste, der Kreativste. Ich habe keine Bassstimme und formulierte weniger denartigkeit Ungleichheit Mit den Buben und Mädchen, die beim Auswählen des ultimativ. Die Hose, die ich trug, war interessanter als als Chance für als Mittel der Völkerball-Teams regelmässig übrigblieben, hatte ich die Sätze, die ich sprach. Das durfte nicht sein. Was ein besseres Herabsetzung bestenfalls Mitleid. Wir waren elitär und mitunter ge- tun? Die Vorfälle analysieren. Das Unbehagen formulie- Zusammen- zieht sich von mein. Es ging um Rangordnungen. Als mir eine Mit- ren. Korrekt und bestimmt bleiben. Das fällt nicht im- leben. der Kind- schülerin auf dem Pausenhof Brillenschlange nachrief, mer leicht. Es braucht einen langen Atem. Und es Quelle: hmz heit … Quelle: hmz verprügelte ich sie. braucht Vorbilder: Frauen, die Ähnliches kennen. Bei Männern müssen vier oder fünf von zehn Krite- rien erfüllt sein, ehe sie entscheiden, ehe sie sich gut finden, ehe sie etwas tun. Bei Frauen seien es acht oder neun, sagte mir dereinst eine Unternehmerin, von der ich gern lerne. Meine späten Erfahrungen mit Ungleichheit haben mir die Augen geöffnet für meine eigene Rolle gegen- über den Mitschülerinnen und Mitschülern, die beim Auswählen des Völkerball-Teams regelmässig übrigblie- ben. Ich verschaffte meiner Wut über die Brillen- schlange mit einer Tracht Prügel Luft. Eine kindliche Reaktion. Doch längst nicht allen ist es möglich, emp- fundenes Unrecht zum Ausdruck zu bringen. Es braucht viel Aufmerksamkeit und ein gutes Gespür, den verschiedenen Begabungen, Neigungen und (Ge- schlechter-)Unterschieden der Menschen im eigenen Heute denke ich häufig über diese Erfahrungen nach. engeren oder weiteren Umfeld adäquat zu begegnen. In meiner Kindheit und Jugend verlief der Graben Aber es lohnt sich! nicht zwischen den Geschlechtern, auch nicht zwi- Heidi Eisenhut, schen sozialen Schichten, sondern zwischen den Bega- Leiterin Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden bungen. Ich selbst war eine Treiberin dieser Ungleich- heit. MAGNET Nr.5/2021 4
Thema Die Reformierten – weiblich geführt? Ich kann mich noch gut an den Sonntagsausflug, den Rita Famos – ich mit meiner Tochter, Mutter und Schweigermutter an der Spitze gemacht habe, erinnern: Als drei Generationen von der Refor- mierten der Frauen besuchten wir vor vier Jahren den Film «Die Schweiz – göttliche Ordnung». Obwohl der Film sehr unterhalt- gelingt es sam war, verliessen meine Tochter und ich auch sehr ihr, die nachdenklich den Saal. kantonalen Kirchen auf die Heraus- Es ist noch nicht lange her, dass wir Frauen noch keine forderungen politische Stimme hatten. Es ist die Generation unserer der Zukunft Mütter und Grossmütter, die noch unter den klaren, zu einen? engen Rollenzuteilungen litten. Meine Mutter und Ich wurde in den vielen Interviews oft gefragt, was ich Schwiegermutter konnten uns Einiges aus ihrem Le- anders machen würde als meine männlichen Vorgän- ben erzählen und wir wagten ein Experiment. Würden ger. Weiblicher Führungsstil? Eine schwierige Frage. ihre Männer uns verraten, was sie damals gestimmt Noch vor dem Geschlecht entscheiden die Persönlich- hatten. Was sie sagten, erstaunte uns: Sie wüssten es keit und der Erfahrungshintergrund darüber, wie man nicht mehr. führt und das Amt gestaltet. Die vielbesagten ersten Wir lieben unsere Väter und Grossväter und konn- 100 Tage im Amt habe ich nun hinter mir. Bisher habe ten ihnen diese Schummelei vergeben. Vielleicht war ich viele Menschen kennengelernt, oft nur auf einem es ihnen unangenehm, dass sie es sich damals nicht Bildschirm: Ich habe eine grosse Vielfalt gesehen, eine vorstellen konnten, dass Frauen die Gesellschaft auch sehr engagierte Kirche wahrgenommen und viel Ener- anders mitgestalten als durch Kindererziehung und das gie und Begeisterung gespürt. Unser Netzwerk zu se- sich Kümmern um das Wohlergehen aller Familienmit- hen, das Potenzial, das wir haben, wenn wir uns zu- glieder. sammentun, ist beeindruckend. Meine Aufgabe sehe Ja, wir waren nachdenklich, aber eigentlich auch ich auch darin, dieses Netzwerk zu stärken, zur Gel- hoch erfreut, weil wir feststellten, wie viel sich in den tung zu bringen. Entsprechend ist auch mein Füh- letzten 50 Jahren getan hat. Und stellvertretend für alle rungsstil: mit Empathie, Teamwork, einem Gespür für Frauen, die auch für uns damals die Rechte erstritten, offene Fragen und mit klaren Worten. umarmten wir unsere Mütter / Grossmütter. Ist das nun typisch weiblich? Ich hoffe, dass dies in Nicht nur für uns Frauen war das, was in dieser stil- der Kirche bald keine Kategorie mehr sein wird, weil len Revolution ins Rollen gekommen ist ein Segen, wir in der Gleichstellung und ihrer Selbstverständlich- auch für die Männer. Mein Mann konnte sich dank keit ein grosses Stück vorangekommen sein werden. dem Jobsharing, das wir stets lebten, anders entfalten Und weil wir in der Kirche erfahren haben, dass ge- in seiner Vaterrolle und die gute Beziehung, die er mischte Teams in Kirchgemeinden, Kantonalkirchen heute zu unseren mittlerweile erwachsenen Kindern und in der EKS innovativer, offener und kreativer sind. hat, fusst auch auf dieser intensiven Vaterzeit. Rita Famos Auch für uns als Kirche hat sich in den letzten 50 Jahren in Sachen Gleichstellung viel getan. Seit meiner Rita Famos studierte Theologie in Bern, Halle (DDR) Wahl zur Präsidentin sind wir Reformierten nun die und Richmond (USA). Nach ihrer Ordination arbei- erste grosse Religionsgemeinschaft der Schweiz mit ei- tete sie als Gemeindepfarrerin in Uster und Zürich- ner Frau an der Spitze. Damit zeigen wir, dass wir als Enge. Von 2009 bis 2011 war sie Sprecherin des reformierte Kirche unserem Credo «ecclesia semper Worts zum Sonntag beim Schweizer Radio und Fern- reformanda» (die Kirche muss stets reformiert werden) sehen (SRF). Seit 2013 ist sie Abteilungsleiterin Spe- gerecht werden, uns bewegen und entwickeln können. zialseelsorge der Evangelisch-reformierten Landes- Auch hier sind wir heutige Reformierte (Frauen und kirche des Kantons Zürich. Famos folgte im Mai 2020 als Präsidentin der Schweizer Reformierten Männer) Erben und Erbinnen von so vielen Frauen, die auf Gottfried Locher. Famos ist verheiratet mit dem sich mit hartnäckiger, manchmal auch zermürbender Theologen und Juristen Cla Famos und hat zwei Kin- Arbeit für die Gleichstellung der Frauen in der Kirche der. Quelle: Wikipedia eingesetzt haben. 5 MAGNET Nr.5/2021
Thema Maria Magdalena – von der Anführerin zur Verführerin Maria als erste Apostelin wird von sieben Dämonen berichtet, die ausgetrieben In einem sind sich alle vier Evangelien einig: Maria worden seien. Sieben als heilige Zahl kann für eine Magdalena war die erste Zeugin der Auferstehung. Bei ganzheitliche, befreiende Heilung ihrer Seele von Be- Johannes ist sie sogar die Einzige, bei den anderen lastendem stehen. Die so Geheilte wird selbst zur Hei- Evangelien wird sie begleitet von weiteren Frauen. Das lenden. Unterwegs mit dem sehen wir auf der Darstellung von Hildesheim aus dem Salböl wird dieses zu ihrem At- Albanispsalter, 12. Jh: Maria verkündigt den anderen tribut auf ihren Darstellungen. Aposteln die Auferstehung Christi, sie wird dadurch Sie wird zu einer Frau, die zur «Apostola Apostolorum», zu derjenigen, die den Wunden heilt, zur geheilten andern Gesandten selbst gesandt ist und sie beauftragt. Heilerin. Auch unter dem Maria von Magdala hatte eine her- Kreuz stehend wird Maria Mag- ausragende Stellung. Neben Petrus dalena bereits mit Salbgefäss gehörte sie zu den Anführern der dargestellt und erscheint als ersten Christen in Jerusalem. Es grosse Trauernde, eindrücklich gab sogar ein apokryphes kopti- auf dem hier nicht gezeigten sches Evangelienfragment (ein Bild des Isenheimer Altars. Die Evangelium, das nicht in den Ka- untenstehende Abbildung ist non aufgenommen wurde), das ih- eine Darstellung, die ich beson- ren Titel trägt. Wäre sie nicht wich- ders liebe und zugleich ziem- tig gewesen, wäre ihr kein Evange- lich einzigartig ist, denn bei ihr lium gewidmet worden. Daraus steht nicht nur das Salbgefäss, möchte ich einen kurzen Abschnitt sondern sie wird dargestellt als Lesende. Das Bild zitieren, der durchaus etwas von stammt von Rogier van der Weyden und entstand um den Auseinandersetzungen in der 1435. Das heisst, sie wird auch dargestellt als Studie- ersten christlichen Gemeinde wi- rende, die aufgrund von ihrer Bildung wiederum an- derspiegeln könnte, in denen es dere lehren kann, war es doch damals keineswegs um Führungsansprüche auch von selbstverständlich, lesen zu können, für Frauen schon Frauen ging. Petrus fügte hinzu: gar nicht. «Ist es möglich, dass der Erlöser so mit einer Frau geredet hat, über Maria Magdalena, die grosse Geheimnisse, die wir nicht kennen? Sollen wir unsere Sünderin Gewohnheiten ändern und alle auf diese Frau hö- In der Tradition begann eine ren? … » Da weinte Maria. Sie sprach zu Petrus: «Mein Vermischung. In der Legenda Bruder Petrus, was geht in deinem Kopf vor? Glaubst aurea des Jacobus Voragine (13. du, ich hätte mir ganz allein in meinem Sinn diese Vi- Jh) wurde Maria aus Magdala sion ausgedacht oder ich würde über unseren Erlöser gleichgesetzt mit der namenlo- Lügen verbreiten?» Da ergriff Levi das Wort: «Petrus, sen Frau in Lk 7, 36ff, von der du bist schon immer aufbrausend gewesen, und jetzt berichtet wird, dass sie Jesu Füs- sehe ich, wie du dich gegen diese Frau ereiferst, so wie se salbt und Jesus ihr Tun recht- es unsere Widersacher tun.» fertigt und ihre Sünden vergibt, Das Fragment endet damit, dass alle auf Levi (und somit und dazu wurde sie vermischt Maria) hören und das Evangelium verkünden. mit Maria, der Schwester der Marta und des Lazarus. So Maria Magdalena, die Heilerin wurde aus Maria Magdalena Biblisch wissen wir, dass sie nach dem Ort benannt ist, die grosse Sünderin, eine ver- aus dem sie stammt (Magdala am See Genezareth), dh. führerische, reiche, ausschwei- sie war nicht verheiratet. Gemäss Lk 8, 1–3 gehörte sie fende Frau. Sie soll dreissig zu den vermögenden Frauen, die Jesus nicht nur nach- Jahre ein Büsserleben in der folgten, sondern auch finanziell unterstützten und es Wüste geführt haben, wodurch MAGNET Nr.5/2021 6
Thema sie dann doch noch Vergebung gefunden habe und als fährlichkeit nicht näher als 500 m nähern dürfen. Die Beispiel gelte dafür, dass auch schwere Sünden verge- einzige erlaubte Frau ist die – Sie erraten es – Jungfrau ben werden können. Ein Beispiel für die Büsserin ist Maria auf ihren Ikonen. Die gemäss Tradition (nicht die Statue von Donatello aus dem Jahr 1455, in der sie gemäss Bibel) reine und damit asexuelle heilige Jung- deutlich vom Tode gekennzeichnet ist. frau. Die Frau entweder als Heilige oder als Hure. Maria Magdalena, die Verführerin Ein sehr problematisches Bild von Maria Magdalena zeigte sich in dieser Linie entsprechend auch, indem Maria Magdalena war die erste Maria Magdalena immer stärker als grosse Verführerin Zeugin der Auferstehung. dargestellt wurde. Oft gibt es eine Vermischung beider Traditionen, da sieht man sie dann barbusig verlockend und gleichzeitig mit einer Geissel in der Hand oder Doch die johanneische Begegnung Jesu mit Maria Mag- aber sie ist halbnackt mit langen Haaren und einem dalena im Garten zeigt eine neue Ordnung der Ge- flehenden Blick gen Himmel wie bei Tizian. Ganz schlechter. Anstelle des verbotenen Baumes im Garten nackt ist sie schliesslich mit wallend roten Haaren auf Eden tritt das Kreuz als Lebensbaum. Jesus, der ver- dem Gemälde von Jules Joseph Lefebvre von 1876. meintliche Gärtner, und Maria Magdalena als erste Zeugin der Auferstehung bilden ein neues Auferste- hungspaar, in dem eine Neuordnung der Geschlechter durchaus angelegt ist. Da ist es nur folgerichtig, dass sie zur Apostola Apostolorum wurde, zur Verkünderin, Zeugin, Anführerin. Dass sie auch dazu inspirierte, ihr eine Liebesbezie- hung mit Jesus anzudichten oder gemäss Dan Brown in seinem Thriller «Sakrileg» eine Ehe mitsamt Nachkom- men, gehört zur modernen esoterischen Legendenbil- dung. Und heute? Heute entdecke ich Maria Magdalena gerne wieder als Führerin in der ersten Gemeinde, als spirituelle Auto- rität, als starke Frau, die eine unkonventionelle Biogra- phie hatte, als Frau, deren Carearbeit einen hohen Stellenwert hatte. Und ich sehe, dass es ihr erging wie unzähligen anderen Frauen: Ihr herausragender Bei- trag wurde bald marginalisiert und überdeckt von frag- würdigen Bildern und Überlagerungen. Was schon da- Von dieser Tradition inspirieren mals offensichtlich zu Spannungen führte, nämlich liess sich Edvard Munch mit eine partnerschaftliche Leitung, gleichberechtigt zwi- seinem Bildnis «Die Sünde» schen Männern und Frauen, angestossen von Jesus, von 1902. Auf diesem Bild der einen unkonventionellen Umgang mit Frauen sieht man eine rothaarige, pflegte, ist heute immer noch aktuell in Kirche, Politik grünäugige Frau mit leicht ir- und Ökonomie. Jesus nannte das, was kommt und rem Blick und nacktem Busen. schon da ist, das Reich Gottes. Angesichts der weltwei- Eine klare Analogie zu den Por- ten Herausforderungen, die die Menschheit bedrohen, traits von Maria Magdalena als wird es Zeit, dass wir partnerschaftlich dahin aufbre- Verführerin. Da ist die Glei- chen. Heutige Maria Magdalenas gibt es genug, wir chung schnell gemacht: Frau = brauchen nur auf sie zu hören. Sünde = Sexualität = böse. Und Annette Spitzenberg damit wären wir bei der Urge- schichte. Die Eva als Verführerin zur Sünde, die Schlange als Symbol für die Sexualität. Ein Bild der Frau, wie es bis heute auf dem Berg Athos gelebt wird, dem sich Frauen aufgrund ihrer Ge- 7 MAGNET Nr.5/2021
Thema Anpacken mit Freude Dieser Bericht wird ihren vielen Tätigkeiten niemals gerecht, denn sie würden ein Buch füllen. Noch viel mehr gäbe es zu schreiben von ihrer ehrenamtlichen Arbeit auf lokalem, nationalem und internationalem Parkett für und mit Frauen. Die Rede ist von der Ju- ristin Jessica Kehl, Grub AR. «Es war und ist keine Erwerbstätigkeit», stellt Jessica Kehl zu Beginn des Gesprächs fest. Das Geld für die Familie verdiente ihr Mann als Arzt. Die Familie war das erste und wichtigste Team. Es ermöglicht ihr Tätig- keiten ehrenamtlich auszuüben und sich für Men- schenrechte, insbesondere auch Frauenrechte einzu- setzen. Aus kirchlicher Sicht war dabei die dreijährige, internationale Arbeit als KEM Delegierte bei der CE- VAA wichtig. Kompetente Teams und Wertschätzung Doch wie schafft eine einzige Person ein solches Pro- gramm? Die Antwort folgt rasch. Jessica Kehl vertraut terschaftsversicherung und die Finanzierung für Kin- Tambanevana darauf, gute Teams zu finden. Dabei beachtet sie, dass der-Betreuung 2003. Wichtig waren auch die Frauen- www.tambane- vana.ch ist die Mitglieder Expertinnen der zu vertretenden Positi- wache und die erste Tour-de-Suisse-féministe von Hei- eine Herzens- onen sind. Das bringt Nachhaltigkeit. Zudem gilt insbe- den nach Genf. Als Delegierte bei der UNO war Jessica angelegenheit sondere für das Arbeiten im Ausland die regelmässige Kehl in Genf und heute in Rom für die International für die Juristin Präsenz vor Ort. «Nicht um die Frauen zu kontrollie- Alliance of Women mit 41 Mitgliedorganisationen Jessica Kehl. ren, sie waren und sind die Expertinnen, vielmehr um weltweit tätig. Ebenso wie ihren Einsatz zu wertschätzen.» Ein sehr wichtiger viele andere Herzenssache Projekte ist Teil! Viele andere Arbeiten wurden im Homeoffice er- es nachhaltig ledigt. Die Initialzündung für frauenpolitisches Engage- Logisch, dass die Feministin im wahren Sinne, heisst und wird von ment fand im Albert-Schweitzer-Spital Lambaréne in das Wort doch «die Frauenseite unterstützend», sich Expertinnen Gabun statt. Sie baute die Kinderbetreuung für Knaben auf Anfrage auch für das Projekt einer Fachfrau für Ge- vor Ort und Mädchen auf. Erfolgreich, zusammen mit den sundheit aus Zimbabwe einsetzte. Kreativ wie frau ist, geführt. Müttern. Das Projekt aus dem Jahre 1979 besteht bat sie die Gäste ihrer anstehenden Hauseinweihung Quelle: jk heute noch. in Grub, auf Geschenke zu verzichten und dafür Geld für den Verein Tambanevana Schweiz zu spenden. Gleichstellung und Nachhaltigkeit 1990 konnte der Verein beginnen und bis heute fördert Nachhaltigkeit ist ein weiteres Zeichen der Aktivistin dieser die Erziehung und Gesundheit von unterprivile- Jessica Kehl. Was sie anpackt, tut sie mit Freude. Nach gierten Kindern in Murewa / Zimbabwe. Natürlich dem Umzug der Familie nach Heiden waren dies die freut es die Gruberin, dass ihre Tochter inzwischen das Asylbewerberbetreuung, die lokalen Einsätze im Präsidium übernommen hat. 3. Weltladen, beim Frauenkaffee in Heiden oder als Gründungsmitglied des Forums Frau AR und der femi- Richterin ohne Wahlkompetenz nistischen Juristinnen Ostschweiz. Sie setzte sich Aussergewöhnlich für die feministische Juristin war ebenso bei der Totalrevision 1995 der Kantonsverfas- ihre Wahl als zweite Richterin ins Kantonsgericht; sung für Frauenrechte ein, war Mitglied der Kommis- 1987, nämlich zwei Jahre bevor sie als Frau in Appen- sion für Gleichstellung und auf nationaler Ebene Mit- zell Ausserrhoden das Stimm- und Wahlrecht erhielt. glied, Präsidentin wie auch Geschäftsstellenleiterin Ein Unding? Ganz überzeugte Juristin akzeptierte sie des Schweizer Verbandes für Frauenrechte (SVF). das Gesetz, begann aber mit Gleichgesinnten, alle lega- len Hebel für Frauenrechte in Bewegung zu setzen. Meilensteine für Frauen Sieben Jahre später wählte sie eine Landsgemeinde mit Im SVF freute sie sich besonders über das Gleichstel- Frauenbeteiligung zur Oberrichterin, ein Amt das sie lungsgesetz 1996, im Strafrecht u.a. die Entkriminali- bis 2011 innehatte. sierung des Schwangerschaftsabbruchs 2002, die Mut- Isabelle Kürsteiner MAGNET Nr.5/2021 8
Thema Werdet Jungfrau! Maria, die Mutter von Jesus, ist das Vorbild. Sie Für unsere Auslegung ist das Stichwort Jungfrau wich- trägt etwas aus heiliger Geistkraft in sich. In ihr tig. Die Jungfrau ist in der mystischen Tradition jemand, wächst etwas. Wie genau sie mit diesem Heiligen der keine Bilder von Gott hat. Der alle Bilder beiseite Geist in Kontakt gekommen ist, deutet die Bibel nur gelegt hat. Weil er weiss, dass unsere Bilder Gott nicht vorsichtig an. Aber die Konsequenz ist deutlich. fassen können. Eine solche Jungfrau kann aus dem Geist empfangen. Erst wenn ein Mensch aller Bilder Damit wir als Leserinnen und Leser der Evangelien ledig ist, ist er frei für Gott. Und jetzt geht es um die verstehen, was da passiert ist, fügt Matthäus für uns ein Geburt Gottes in der Seele eines Menschen. Und der Jesaja-Zitat ein: «Seht, die Jungfrau (im hebräischen Name des Kindes jeder Gottesgeburt ist «Immanuel». Original steht: junge Frau) wird schwanger werden Gott ist mit uns! und einen Sohn gebären und sie werden ihn beim Na- Maria und Josef schlittern durch Marias Erfahrung men Immanuel rufen, das bedeutet: Gott ist mit uns.» in eine heftige Beziehungskrise. Während Maria einen In Maria sieht er diese Prophezeiung erfüllt. Sie ist für Schritt weiter ist, hinkt Josef ihr hinterher. Er muss ihn die Jungfrau, in deren Seele der Heilige Geist wirkt. seine eigene Erfahrung machen. Als er sie verlassen Meister Eckardt nimmt diesen Gedanken auf und will, begegnet ihm ein Engel, der ihm weiterhilft. Dass beschreibt zwei geistige Kräfte, die in der Seele eines er danach zwar bei seiner Verlobten bleibt, sie aber bis «Bringt Gott Menschen am Werk sind, wenn es zu so einer Gottes- zur Geburt nicht «erkennt», spricht Bände. Dieses «er- zur Welt: Die geburt kommt. «In dieser Kraft ist Gott allzumal grü- kennen» meint Eins-werden, vereinen mit allen Sin- Gottesgebä- nend und blühend in aller Freude. Da ist so herzliche nen. Mit dem Hirn genauso wie mit dem Körper. Erst rerin. Ikone Freude und so unbegreiflich grosse Freude, dass nie- wenn beide ihre Gottesgeburt hatten, können sie wie- aus der Kir- mand genug davon sagen kann.» Und: «In dieser Kraft der ihren Weg miteinander gehen. Können sie eins che der Stille in Hamburg- ist Gott ohne Unterlass glimmend und brennend mit all werden. Weil sie erfahren haben, dass es letztlich Altona (D).» seinem Reichtum, mit all seiner Süssigkeit und mit all keine Trennung gibt. Und dass sie so auch Eins sind in Quelle: sy seiner Wonne.» Gott. Und das Schöne ist, all das gibt es auch für uns. Die Weihnachtsgeschichte bereitet auch unsere Gottesge- burt vor. Was Maria und Josef erlebt haben, das ist auch für uns vorgesehen. Auch wir können Jungfrauen wer- den, die offen werden für Gott. Die alle Bilder von ihm oder ihr zur Seite legen. Und so frei werden. Angelus Silesius hat dieses Potenzial in dem bekannten Vers verdichtet: «Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bleibst noch ewiglich verloren.» Und wie sich die Gottesgeburt dann konkretisiert, das ist so vielfältig wie wir Menschen es sind. Jeder Mensch macht seine eigene Erfahrung. Deine ist an- ders als meine. Wenn ich beim Unterricht andeute, was ich mit Gott erlebt habe, dann ist das vielleicht interessant. Aber es bleibt belanglos, solange die Schü- lerinnen und Schüler das nicht mit ihrem eigenen Le- ben verknüpfen können. Noch einmal Angelus Silesius: «Ich muss Maria sein und Gott aus mir gebären, soll er mir ewiglich die Seligkeit gewähren.» So eine Gottesgeburt hat erhebliche Konsequenzen. Für unsere Beziehungen. Aber auch für uns selbst. Weil wir mit grosser Klarheit uns selbst erkennen und so endlich frei werden. Auch von uns selbst. Diese Ver- änderung macht manchen Angst. Nach der Gottesge- burt wird aus der Jungfrau eine Frau oder ein Mann. Sie sind frei und in die Verantwortung gerufen. Sie sind Gott und sich selbst ganz nah. Lars Syring 9 MAGNET Nr.5/2021
Thema Der lange Kampf ums Frauenstimmrecht Kürzlich streifte ich durch die Brockenstube meines In Ausserrhoden wurde das Frauenstimmecht an der Vertrauens, auf der Suche nach nichts Bestimmtem, Landsgemeinde 1989 doch noch angenommen. In In- als ein nahezu quadratisches, grossformatiges Bild nerrhoden brauchte es dazu 1990 eine Staatsrechtli- mein Interesse auf sich zog. Weshalb strecken da che Beschwerde von Frauen und Männern. Aus mei- Männer ihren Arm in die Höhe? Mein erster Ge- ner nicht repräsentativen Umfrage, lasse ich hier danke ging Richtung Nationalsozialismus, weshalb Frauen zu Wort kommen, die die letzten Ablehnungen ich nähertrat. Entstehungsdatum 1984. Hmm … des Frauenstimmrechts an den Landsgemeinden in Geoge Orwells bedrückendem Zukunftsroman vom Trogen und Appenzell miterlebt haben. Und übrigens, totalitären Überwachungsstaat galt mein zweiter Ge- das geschichtsträchtige Bild von Gret Zellweger ziert danke. heute unsere gute Stube. Erst der dritte Blick schaffte Klärung: Die Teufner So haben wir es erlebt Künstlerin Gret Zellweger hat die Landsgemeinde «Ich weiss noch genau, wie ich 1990 in Appenzell mit 1984 mit einem Holzdruck auf das Papier gebannt. meinen Kolleginnen in unserer Stammbeiz sass und am Landsgemeinde 1984 in Trogen. Da war ich dabei, Fernseher mitverfolgte, wie das Frauenstimmrecht ein- kommt es mir in den Sinn. Als 14-jähriges Mädchen mal mehr abgelehnt wurde. Obwohl wir es fast erwar- hoffte ich damals auf Ablehnung des Frauenstimm- tet hatten, waren wir sehr enttäuscht und frustriert. Ich rechts. Mir wurde erklärt, bei Annahme des Frauen- fühlte eine grosse Ohnmacht, wie ein Ankämpfen ge- stimmrechts werde die Landsgemeinde abgeschafft. gen Windmühlen. Wir Frauen waren abhängig vom Und das wollte ich nicht. Doch wie erging es den Goodwill der Männer. Sie waren am längeren Hebel Frauen damals, die Mitten im Leben standen, die arbei- und wir konnten nichts dagegen tun. Sehr frustrierend. teten, Kinder grosszogen, eine eigene Meinung hatten? Ich konnte nicht verstehen, dass ich als Ur-Innerrhode- Gret Zellwe- gers Bild der Männer im Ring entstand im Jahr 1984, als in Trogen das Frauenstimm- recht ein letztes Mal abgelehnt wurde. Quelle: ks MAGNET Nr.5/2021 10
Thema rin weniger Rechte besass als ir- «Meine Mutter, meine beiden Schwes- gendein zugezogener Mann! Als tern und ich besuchten immer ge- berufstätige junge Frau bezahlte meinsam mit dem Vater die Landsge- ich meine Steuern und trotzdem meinde und gingen auch gemeinsam wurden mir im Kanton die wieder nach Hause. Dieser Tag war Grundrechte, die politische Mit- für uns also nicht der typische Män- bestimmung verweigert. Ich nertag. 1984 hatte ich meine erste konnte im Vorfeld noch so gute Arbeitsstelle in Buchs, als Wochenauf- Argumente vorbringen. Die enthalterin verbrachte ich jedoch je- Männer konnten sich nicht in des Wochenende Zuhause in Hundwil. die Lage der Frauen versetzen. Damals stand es nach den vergange- Oft hörte ich in der Diskussion: nen Ablehnungen zur Debatte, ob das «Ich verstehe dich schon irgend- Stimmrecht für Frauen überhaupt wie, aber …». Mit einer Gruppe noch komme oder ob es von Bundes- von rund 100 Männern und bern aufgezwungen werden würde. Frauen haben wir dann nach die- Heute bin ich stolz, dass es die Aus- ser Landsgemeinde eine Staats- serrhoder 1989 doch noch geschafft rechtliche Beschwerde einge- haben. Aber 1984 war ich natürlich reicht. Wir fochten die Verlet- enttäuscht. Ich hätte es sehr begrüsst, zung der Grundrechte beim Bun- wenn das Frauenstimmrecht bereits desgericht an und haben Recht bekommen. Bei mir 1984 angenommen worden wäre. Dass bei Annahme herrschte grosse Freude und sicher auch Genugtuung – des Frauenstimmrechts, die Landsgemeinde abgeschafft insbesondere wurde aber auch mein Glaube an unseren würde, stand in der damaligen Diskussion meiner Mei- Rechtsstaat gestärkt, welcher dieser Art von Ungleich- nung nach zu fest im Vordergrund. Als Hundwilerin behandlung klar und seriös begründet entgegentrat. Aufgewachsen bin ich in einem Umfeld von starken Frauen. Es war ihnen immer wichtig, eine gewisse Selb- Dieser Tag war für uns also nicht ständigkeit zu bewahren, was mich sicher geprägt hat. Durch den Beruf meines Vaters, er war Redaktor beim der typische Männertag. Volksfreund und kurz auch Hauptmann des Bezirks Ap- penzell, habe ich schon als Kind viel von der Politik war es mir aber bewusst, welche Bedeutung die Tradition mitbekommen. Heute bin ich beruflich als ausgebildete der Landesgemeinde hatte. Als ich vor kurzem den Film Sozialarbeiterin in leitender Funktion tätig und Kan- «Männer im Ring» schaute, erinnerte ich mich wieder, tonsrätin in Appenzell Ausserrhoden. Frauen scheinen wie es damals war. Die damals dargelegten Argumente die gleichen Rechte wie Männer zu haben. Im gesell- lösen im Nachhinein schon Erstaunen aus! schaftlichen Leben zeigt sich jedoch, dass noch in vie- Aufgewachsen in einer politischen Familie habe ich len Bereichen Ungleichheit besteht. mein Stimmrecht bei Bundesvorlagen und in der Ge- Andrea Zeller, Jg. 1963, Lutzenberg, aufgewachsen in Appenzell meinde immer wahrgenommen, hatte auch nie das Ge- fühl, benachteiligt zu sein. Bundesvorlagen und Abstim- mungen, welche die Gemeinde betrafen, haben mich Im gesellschaftlichen Leben zeigt eben mehr interessiert. Ich war damals noch sehr jung und nicht gleich aktiv, wie heute als Gemeinde- und Kan- sich, dass noch in vielen Bereichen tonsratspräsidentin. Als ich auch an der Landsgemeinde Ungleichheit besteht. das erste Mal teilnehmen durfte, sind wir, eine Gruppe aus Frauen und Männern, gemeinsam mit den Fahrrä- dern Richtung Trogen gefahren. Bis heute ist es mir sehr wichtig, vor allem auch junge Menschen zu motivieren, ihr Stimmrecht wahrzunehmen. Margrit Müller-Schoch, Jg. 1962, Hundwil 11 MAGNET Nr.5/2021
Thema «Meine Enttäuschung war 1984 gross, in den Kantonen Basel und Aargau denn für mich, meinen Mann und und in Speicher meine zum Teil schon erwachsenen «Ja, die Landsgemeinde 1984. Kinder war das Frauenstimmrecht un- Ich war damals in Trogen nicht bestritten. In dieser Zeit habe ich In- dabei, aber das Resultat hat serate und Leserbriefe gesammelt, mich schon enttäuscht. Schau- welche ich vor Kurzem meiner Enke- rig! Das Frauenstimmrecht lin weitergegeben habe. Sie studiert wurde schon wieder abgelehnt. Jura und interessiert sich sehr für Im Vorfeld wurde so viel darü- diese turbulente Zeit. Heute muten ber geschrieben und so stark da- die skurrilen Leserbriefe, die Aussa- für gekämpft. Ich glaube jedoch, gen und Argumente von damals gs- die Männer waren nicht grund- pässig an. Vor der nächsten Abstim- sätzlich gegen die Frauen, son- mung 1989 nahm ich im Pro-Lager an dern «nur» gegen die Frauen im einer Radiosendung teil. Da wurde Ring. Mein Mann Heinz, damals hitzig diskutiert und bei einer allfälli- Gemeindepräsident und Kan- gen Annahme des Frauenstimm- tonsrat, war natürlich gegen das rechts sogar mit dem Gewehr gedroht. Frauenstimmrecht, aber ich Die Fronten waren damals sehr ver- hätte mich schon gefreut. An härtet. Die Annahme des Frauen- kommunalen und nationalen stimmrechts habe ich 1989 dann am Fernseher mitver- Abstimmungen habe ich immer teilgenommen, da er- folgt, gemeinsam mit Frauen meiner Familie. Auf den schien es mir nicht mehr als recht, auch an kantonalen ersten Blick war klar, dass die Annahme auf der Kippe stand. Aber dann hiess es: Angenommen. Endlich! Meine Erleichterung war gross. Es war für mich immer Das Resultat hat mich schon klar, dass ich meine Rechte und auch Pflichten wahr- nehmen möchte. Zuerst ist dann mein Mann in die enttäuscht. Politik eingestiegen und das war gut so. Später habe auch ich mich im Gemeinderat und in Kommissionen Abstimmungen teilnehmen zu dürfen. Aufgewachsen engagiert. Gemeinsam führten wir unseren Bauernbe- bin ich in einem nicht sehr politischen Umfeld. Mein trieb und zwischendurch konnte ich in meinem ur- Vater hatte, wie damals üblich, das Sagen in der Familie. sprünglichen Beruf als Lehrerin Stellvertretungen Als meine Mutter viel zu früh verstarb, habe ich im Al- übernehmen.» ter von 16 Jahren den Haushalt für meine Geschwister Erika Graf-Stahlberger, Jg. 1937, Heiden, aufgewachsen und den Vater geführt. Damals übernahm ich jedoch eine grosse Verantwortung, konnte dafür aber keine Ausbildung machen. Wir lebten auf einen Bauernhof, Es war für mich immer klar, dass weit abgelegen, ohne Strom und fliessend Wasser. Das hat mich sehr geprägt. Später habe ich mit meiner Ar- ich meine Rechte und Pflichten beit im Service etwas dazu verdienen können und wahrnehmen möchte. mich bis zur Heirat mit meiner älteren Schwester im Haushalt abgewechselt. Ich war immer sehr gerne Hausfrau und Mutter, habe mich dann aber gerne auch gemeinnützig engagiert, war Gründungsmitglied des Gemeinnützigen Vereins Grub und später habe ich meinen Mann im Büro mit seiner Versicherungsagen- tur unterstützt. Heute ist das Stimmrecht für Frauen selbstverständlich und darüber bin ich froh.» Verena Keller-Breu, Jg. 1945, Grub Zusammenstellung Karin Steffen MAGNET Nr.5/2021 12
Thema Hommage 2021 Gertrud Kurz Das Projekt «Hommage 2021» würdigt anlässlich des 50-jährigen Frauenstimm- und Wahlrechts weib- liche Persönlichkeiten, welche sich für Chancengleich- heit stark gemacht haben. Für Appenzell Ausser- rhoden wurde dafür die «Schweizer Flüchtlingsmut- ter» Gertrud Kurz gewählt. In den Gassen der Berner Altstadt ist zurzeit das Por- trait der gebürtigen Lutzenbergerin Gerturd Kurz-Hohl (1890–1972) zu sehen. Die Freilicht-Ausstellung «Hommage 2021» macht die Biografien von Frauen sichtbar, die sich für eine Schweiz mit gleichen Rech- ten für alle eingesetzt haben. Gertrud Kurz kümmerte sich um Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs gezwungen waren, in die Schweiz zu fliehen. Sie rief 1937 die Hilfsorganisa- tion «Flüchtlingshilfe der Kreuzritter» ins Leben, die 5e der Kantonsschule Trogen. Die Schülerinnen und Gertrud Kurz später in Christlichen Friedensdienst (CFD) umbe- Schüler haben Gertrud Kurz auserkoren, um bei der wird an der Hommage nannt wurde. Die überzeugte Christin war Sozialarbei- «Hommage 2021» den Kanton Appenzell Ausserrho- 2021 in Bern terin, Rechtsberaterin und Seelsorgerin – alles zugleich den zu repräsentieren. «Sie legte für dieses wichtige geehrt. und alles, ohne je eine Ausbildung darin gemacht zu und gerade auch heute noch aktuelle Thema der Quelle: zVg. haben. Der Mut von Gertrud Kurz fasziniert bis heute: Flüchtlingshilfe wichtige Grundsteine in Gesellschaft «Uns beeindruckt, dass Gertrud Kurz sogar versucht und Politik», sind sich die Jugendlichen sicher. hat, den Bundesrat zu überreden, die Grenzen für Die Art wie Gertrud Kurz in Lutzenberg aufgewach- Flüchtlinge nicht zu schliessen», berichtet die Klasse sen ist, war für ihr humanitäres Handeln ausschlagge- bend. Sie blieb stets eng mit dem Appenzellerland ver- bunden und organisierte sogenannte Versöhnungsse- minare im «Sonneblick» Walzenhausen. Erst kürzlich wurde dort ein neues Asylzentrum in Betrieb genom- Begründung Schulklasse Auswahl Ausstellung men. Der Geschäftsleiter der Stiftung «Sonneblick», «Gertrud Kurz-Hohl fasziniert uns aufgrund ihrer Adrian Keller, ist überzeugt, dass Gertrud Kurz noch Beharrlichkeit. Zeitlebens setzte sie sich für heute ein Vorbild ist: «Es braucht Menschen wie Ger- Flüchtlinge ein und schreckte nicht vor dieser trud Kurz, die mit offenen Ohren auf die geflüchteten schwierigen Arbeit zurück. Mit Herzblut und vol- Menschen zugehen und zwischen verschiedenen Nati- ler Überzeugung engagierte sie sich für die Flücht- onen vermitteln.» Als ehemaliges Stiftungsratsmitglied linge. Uns beeindruckt dabei, dass Gertrud Kurz- des «Sonneblicks» hat Gertrud Kurz die Ausrichtung Hohl sogar versucht hat, den Bundesrat während der Stiftung wesentlich mitgeprägt. Heute lebt das Ge- des Zweiten Weltkrieges zu überreden, die Gren- dankengut der «Flüchtlingsmutter» auch in der Stif- zen für Flüchtlinge nicht zu schliessen. Zudem tung Gertrud Kurz weiter. Sie unterstützt Projekte, war sie eine weltoffene Frau, die für ihre Zeit sehr welche die Teilhabe und Anerkennung von Personen human dachte. Sie gründete eine Hilfsorganisa- fördern, die aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt sind. tion und legte für dieses wichtige und gerade auch Umso wichtiger sind Migrations- und Integrationspro- heute aktuelle Thema der Flüchtlingshilfe wich- jekte – so wie sie Gertrud Kurz schon vor Jahren tige Grundsteine in Gesellschaft und in Politik.» durchgeführt hat. Daniela Dürr Klasse 5e, Kantonsschule Trogen. Lehrperson: Fabienne Carniello Kontakt Stiftung Gertrud Kurz – www.gertrudkurz.ch Quelle: zVg. 13 MAGNET Nr.5/2021
Thema Klug und kühn Die Rolle der Religion in der Schweizer Frauengeschichte Nonnen und Diakonissen im Gesundheits- und Sozi- «Ziel der albereich, feministische Aufbrüche in der katholi- Ausstellung ist es, die schen und evangelischen Kirche sowie Theologinnen Geschichte in der Frauenbewegung: Das und vieles mehr wird in der Frau in der neuen Ausstellung «Klug und Kühn – Frauen der modernen schreiben Geschichte» im Historischen und Völker- Schweiz zu kundemuseum St. Gallen beleuchtet. beleuchten», sagt Marina Widmer Aktueller könnte die Forderung der Zürcher Katholikin vom Archiv und Frauenrechtlerin Getrud Heinzelmann nicht sein: für Frauen-, 1962 verlangte sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil matisieren», sagt Marina Widmer. So gehe es einerseits Geschlechter- die Frauenordination und die Gleichstellung der Ge- darum, feministische Aufbrüche in der katholischen und Sozial- schlechter in der katholischen Kirche. Damit kam sie und evangelischen Kirche aufzuzeigen. Andererseits geschichte Ostschweiz. einer Aufforderung von Papst Johannes XXIII. nach, würdige die Ausstellung die Arbeit der Orden und Di- Quelle: Regina Wünsche und Anregungen bei der vorbereitenden akonissen und zeige auf, was diese für den Sozialstaat Kühne, St. Gallen Kommission zu deponieren. Am Zweiten Vatikani- sowie den Gesundheits- und Sozialbereich sowie den schen Konzil wurde Heinzelmanns Eingabe zwar nicht Bildungsbereich etwa in der Mädchenbildung beigetra- weiterverfolgt, dafür sorgte sie aber weltweit für Auf- gen haben. «Unser Sozialstaat baut auf deren Leistung sehen. Vor allem in den USA fand die Forderung Hein- auf. Ohne all dieses Engagement hätten hunderte von zelmanns enorme Beachtung. In der Schweiz setzte Arbeitskräften in diesen Bereichen gefehlt», sagt sie. sich Getrud Heinzelmann an vorderster Front für das Frauenstimm- und Wahlrecht ein. Als dieses im Feb- Engagement zahlreicher Frauen ruar 1971 eingeführt wurde, war Heinzelmanns Ziel Die Ausstellung richtet sich an alle, die Lust haben, für die rechtliche Gleichstellung der Frauen noch lange sich auf überraschende Geschichten, Porträts und ver- nicht erreicht. Sie forderte zusammen mit einem Initi- gessene Aspekte einzulassen. «Mein persönlicher Hö- ativkomitee, einen Gleichstellungsartikel in der Bun- hepunkt der Ausstellung ist, aufzeigen zu können, wie desverfassung zu verankern. viel Frauen schon daran gearbeitet haben, dass es den Frauen heute besser geht», sagt Marina Widmer. Die Rolle der Frau beleuchten «Wenn davon den Besucherinnen und Besuchern der Getrud Heinzelmann ist eines der 78 Porträts gewidmet, Ausstellung einiges im Gedächtnis bleibt und sie etwas die als Teil der aktuellen Ausstellung «Klug und Kühn – auf den Weg mit nach Hause nehmen, dann ist mein Frauen schreiben Geschichte» im Historischen und Völ- Ziel erreicht.» Nina Rudnicki (mit freundlicher Genehmigung kerkundemuseum St. Gallen zu sehen sind. «50 Jahre der Zeitschrift «Pfarreiforum».) Frauenstimmrecht wollten wir zum Anlass nehmen, viel tiefer zu graben und weiter zurückzuschauen. Ziel war Wanderausstellung und Rahmenprogramm es, die Geschichte der Frau in der modernen Schweiz «Klug und Kühn – Frauen schreiben Geschichte» zu beleuchten», sagt Marina Widmer, Geschäftsleiterin dauert bis zum 19. September. Die Wanderaus- des Archivs für Frauen-, Geschlechter- und Sozialge- stellung im Historischen und Völkerkundemu- schichte Ostschweiz und Kuratorin der Ausstellung. seum St. Gallen wird von zahlreichen Veranstal- «Klug und Kühn» beginnt daher im Jahr 1848, als tungen begleitet. Diese entstanden in Koopera- die Schweiz gegründet wurde. Nebst den Porträts zeigt tion mit dem Literaturhaus Wyborada, dem Ki- die Ausstellung eine Chronologie von 1830 bis heute nok, Teamfeminist900 Palace sowie dem Runden zu den Themen Recht, Politik und soziale Rechte und Tisch der Religionen St. Gallen und Umgebung Institutionen und vergleicht sie mit den Nachbarlän- und der Christlich-jüdischen Arbeitsgemein- dern. Ein weiterer Fokus liegt auf den Bereichen Poli- schaft, die Teil der interreligiösen Dialog- und Ak- tik, Arbeit, Körper, Bildung, Recht, Kultur und öffentli- tionswoche sind. Im Oktober zieht die Ausstel- cher Raum sowie Religion. «Gerade vor 174 Jahren lung weiter ins Stadtmuseum Rapperswil. Alle war Religion einer der dominierenden Aspekte im All- Veranstaltungen und Infos zur Ausstellung finden tag unserer Gesellschaft. Die Rolle der Religion wollten sich auf www.klug-und-kuehn.ch. wir im Rahmen der Ausstellung daher unbedingt the- MAGNET Nr.5/2021 14
Weitblick Kirchenverfassung Vernehmlassung Gottesdienste Einladung zur Diskussion Schwägalp Kapelle Achtung Zeitangabe falsch! Am 11. März 2021 hat der Kir- chenrat die Vernehmlassung zum Entwurf der Kirchenverfas- Red. In der Agenda des Magnet April sung eröffnet. 2021 wurde die Zeitangabe nicht an- gepasst! Ihre Anmeldung nehmen wir bis Der Kirchenrat lädt Sie zur Dis- Die Gottesdienste beginnen jeweils um zum 4. Mai entgegen, info@ref- kussion zum Verfassungsentwurf 9.30 Uhr und nicht, wie fälschlicher- arai.ch oder T 071 340 04 55. ein und dankt Ihnen für Ihre Stel- weise in der Agenda aufgeführt, um lungnahme bis zum 4. Juni 2021. 9.45 Uhr. Weitere Informationen finden Sie Wir entschuldigen uns für den Fehler auf der Webseite der Landeskir- und wünschen Ihnen einen bereichern- che, www.ref-arai.ch. den Gottesdienstbesuch! Am Mittwoch, 5. Mai 2021, um 19.00 Uhr bietet der Kirchenrat eine virtuelle Informationsver- anstaltung an und steht Ihnen für die Beantwortung Ihrer Fra- gen zur Verfügung. KiK-Sommerlager 2021 10. bis 17. Juli 2021 Kinder von 7 bis 12 Jahren sind herz- Kosten? lich eingeladen eine spannende, vielfäl- CHF 200.– für das erste Kind. Für jedes tige Erlebniswoche im Bündnerland zu weitere Kind CHF 170.– inklusive Rei- verbringen! se. Wenn es Ihnen aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, für den vol- len Lagerpreis aufzukommen, können Sie es bei der Anmeldung vermerken oder Sie nehmen mit mir Kontakt auf. Anmeldung Für das Lager ab sofort an: Fachstelle Kinder Jugend Familie Gaby Bürgi Gsell, Oberdorfstrasse 49, 9100 Herisau T. 071 277 54 21 (nur für Rückfragen) Mail: gaby.buergi@ref-arai.ch Die Anmeldungen werden nach Ein- gangsdatum berücksichtigt! Falls vom Bund eine Durchführung aufgrund der Corona-Krise nicht mög- lich ist, werden wir uns umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen. Die nötigen Informationen zum Lager werden Mitte Juni zugestellt. 15 MAGNET Nr.5/2021
Weitblick Vormerken! Hingehen! Kleiner Frühling, klarer Fall! An Pfings- Der Garten ist bestellt, lassen Sie sich ten auf nach Appenzell zum vielfältigen treiben und inspirieren, graben Sie tie- Buch Kunst Fest mitten im Dorf. Mit fer und zeichnen Sie die Horizonte neu. geballter Kraft gibt’s einen Blick auf 30 Wir freuen uns auf ein schönes Fest! Jahre Frauenstimmrecht AI und 50 Jah- Ihre Kulturstation Appenzell re «schweizweit». Aufdecken, Hinter- fragen, Andenken, Rückblicken und Vi- sionieren! Endlich Der Weg zur Mitbestimmung Am 7. Februar 1971 stimmten die genberger, Adrienne Corboud, Fanni Schweizer Männer nach mehreren ge- Fetzer, Fina Girard, Serpentina Hagner, scheiterten Plebisziten endlich mehr- Gardi Hutter, Cloé Jans, Anne-Sophie heitlich für das allgemeine Stimm- und Keller, Bea Knecht, Elisabeth Kopp, Zita Wahlrecht für Frauen. 50 Jahre danach Küng, Lea Lu, Andrea Maihofer, Samira ziehen 25 Frauen Bilanz und schauen Marti, Christa Rigozzi, Ellen Ringier, zurück und nach vorne. Wie steht es Isabel Rohner, Irène Schäppi, Christine um die Gleichberechtigung von Män- Schraner Burgener, Regula Stämpfli, nern und Frauen in Politik, Wirtschaft, Katja Stauber, Petra Volpe und Nathalie Kultur und Öffentlichkeit heute? Was Wappler. wurde erreicht, wo gibt es Handlungs- bedarf? «50 Jahre Frauenstimmrecht» Die Autorinnen versammelt Texte und Interviews von Dr. Isabel Rohner, geboren 1979 in und mit bekannten Schweizer Frauen St. Gallen, ist die Biografin der feminis- aller politischer Couleur und jeden Al- tischen Pionierin Hedwig Dohm (1831– ters, die sich aus ihren ganz unter- 1919) und Mitherausgeberin der Editi- schiedlichen Perspektiven mit den The- on Hedwig Dohm. men Wahlrecht, Demokratie und Gleichberechtigung befassen. Es geht Irène Schäppi, geboren 1978 in St. Gal- um die Geschichte und Gegenwart, len, hat an der Universität Zürich Ger- aber vor allem um die Zukunft der manistik und Publizistik studiert. Seit Gleichberechtigung – denn es gibt noch 2009 leitet sie das Beautyressort von immer zu tun! Mit Porträts, Gesprä- «20 Minuten Friday» und gehört damit chen und Beiträgen von Viola Amherd, zu den wichtigsten Vertreterinnen des Kathrin Bertschy, Margrith Bigler-Eg- Schweizer Lifestylejournalismus. MAGNET Nr.5/2021 16
Weitblick Leser schreiben Damit’s groovt im Gottesdienst (Magnet April 2021) Achtung Satire: «Auf der hölzernen Kir- gefangen mit seinen grossartigen Cho- führungen, musikalisch und theolo- chenbank sitzend bemühen Sie sich der rälen der Reformatoren und Johann Se- gisch, und vor allem: sie zu singen, zu Predigt (…) zu folgen. Anschliessend bastian Bachs, nur eine Tradition von singen, zu singen! An einem Wochen- stimmt die Organistin ein Lied an, wel- 500 Jahren … Ausser man gehe natür- tag, wann’s den Beteiligten eben am ches Sie noch nie gehört haben. Der lich davon aus, die Kenntnis dieser Lie- besten passt? Oder eine halbe Stunde Text scheint gut zur Predigt zu passen – der – oder doch der wichtigsten unter vor dem Gottesdienst? Wenn Pfarrper- die Melodie ist (…) eine Zumutung.» ihnen – falle vom Himmel. Das ist aber sonen (die gesangbuchmässig auch Denn eine realistische Beschreibung ei- nicht einmal in der sogenannten Popu- nicht immer so fest im Sattel sitzen), nes Gottesdienstbesuchs kann das ja lärmusik der Fall. Die kirchlichen An- Kirchenmusiker, Chorsänger und ande- wohl nicht sein. Klar: die Bänke sind zeigen sind voll von Präsentationen da- re besonders musikaffine Laien in der aus Holz. Dafür gibt’s meist aber Kissen. zu, zu Projekten und Workshops aller Gemeinde am gleichen Strick ziehen, Dass die Predigt nur Mühe macht – Art – wozu hat man denn einen Beauf- dann wette ich: dann groovt’s auch mit schade, aber nicht unbedingt die Regel, tragten! einem der vielen tollen Kirchenlieder oder? Und dass man beim angestimm- Einen Beauftragten für klassische aus dem Gesangbuch! Wie wäre es, ten Lied nur den Text kennt, nicht aber oder traditionelle Kirchenmusik gibt es wenn wir die gegenwärtige Pandemie- die Melodie, ist erst recht unwahr- meines Wissens nicht. Anscheinend zeit nutzten, um da und dort eine ent- scheinlich (bei mir ist’s umgekehrt). Al- geht man davon aus, dass alle – Kir- sprechende kleine Workshopreihe vor- les in allem also eine ziemlich schräge chenleitung, Pfarrer, Kirchenmusiker – zubereiten, um dann aus voller Kehle Darstellung, die mit der Wirklichkeit dafür verantwortlich sind. Was dann, loszulegen, wenn’s endlich wieder er- wenig gemein hat. wie die Erfahrung zeigt, dazu führt, laubt ist? Übrigens: ein paar Gospel dür- Im Magnet-Artikel «Wenn’s groovt dass sich niemand ernsthaft verant- fen dann gerne auch dabei sein. im Gottesdienst» wird eine Misere des wortlich fühlt. Man hat ja schliesslich herkömmlichen Gemeindelieds be- auch noch Anderes zu tun! Daher gibt Gottlieb F. Höpli (Teufen) ist Kolumnist schrieben, aus der es nur einen einzi- es auch keine Workshops, und genau und Hilfsorganist in diversen St. Galler gen Ausweg gibt: den Groove der zeit- genommen nicht einmal mehr einen Stadtkirchen. gemässen populären Kirchenmusik, am Ort, wo diese Choräle und Lieder geübt liebsten ein Gospel oder sonst ein «ak- und gesungen werden. Konfirmanden- Die Redaktion freut sich über Reaktionen tueller populärer Song» – wie die Wort- unterricht? Welche Pfarrerin, welcher Pfarrer verlangt und kontrolliert noch von Leserinnen und Lesern. Die Veröffentli- wahl zeigt, am liebsten auf Englisch. Wie das «traditionelle Kirchenlied» die Kenntnis der wichtigsten Lieder? chung der Zuschriften ist abhängig vom vor- des Evangelisch-reformierten Gesang- Sooo unbeliebt macht man sich dann handenen Platz. Anonyme Zuschriften wer- buchs mit seinen hunderten von Lie- doch lieber nicht. den nicht veröffentlicht. Kürzungen bleiben dern und Chorälen vor dem anschei- Und welche Kirchgemeinde stellt at- der Redaktion vorbehalten Die Ansichten nend unausweichlichen Aussterben be- traktive Möglichkeiten zur Verfügung, der Leserzuschriften müssen nicht mit den- wahrt werden soll, darüber erfahren den Schatz dieser Choräle und Lieder jenigen der Redaktion übereinstimmen. wir kein einziges Wort. Ist ja auch, an- zu bergen, spannende thematische Ein- 17 MAGNET Nr.5/2021
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