Ökologie und Konsum - Winter 2013 Nr. 669 4,50 € Zeitung für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen, Umweltfragen

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Ökologie und Konsum - Winter 2013 Nr. 669 4,50 € Zeitung für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen, Umweltfragen
Winter 2013 Nr. 669 4,50 €
Zeitung für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen, Umweltfragen

                         Ökologie und Konsum
Ökologie und Konsum - Winter 2013 Nr. 669 4,50 € Zeitung für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen, Umweltfragen
Schwerpunkt Seite 10

                      Ökologie und Konsum
Inhalt
Gegen eine Welt der Konzerne                                              Schwerpunkt:
von Dieter Koschek		                                          3           Ökologie und Konsum
Direkte Demokratie          		                                4           Der Natur die Treue halten
Projektwerkstatt                                                          von Anton Kimpfler			            10
Solidarität ist alles was und bleibt                                      Kaffeekauf schützt Regenwald
von Lisa Mittendrein			                                       5           von Barbara Wagner			            15
Die Resilienz von Währungen                                               Individuelle Menschenbildung und
von Roland Alton				                                          6           Massensuggestion
Bio- und Projekteladen                                                    von Andreas Pahl				             16
Mitgliederladen!?				                                         7           Naturwesen und Erdheilung
Rundgespräche                                                             eine Buchbesprechung von
Zwischen Haupt und Gliedern		                                 8           Andreas Pahl       			           18
BAF                                                                       Anthroposophie & jedermensch
Harald Gmeiner, Jos Diegel und                                            Woran vieles krankt
Kathrin Lampert, baf			                                       9           von Anton Kimpfler 			           20
                                                                          Eulenspiegels Kulturraum		       22
                                                                          harald gmeiner freies land       24

Wochenendseminar
Freitag, 11. April 2014, 20 Uhr bis Sonntag, 13. April 2014, mittags

Was förderlich wirkt zwischen uns und der Welt
Vom Finden eines schöpferischen Gleichgewichts
Mit Anton Kimpfler (Schriftsteller), Ansgar Liebhart (Psychotherapeut) und Inga Gessinger (Eurythmie). Bei-
träge, psychologische Gesprächsarbeit und eurythmisches Bewegen (leichte Schuhe mitbringen).
Oft pendeln wir heftig zwischen Einseitigkeiten: mal in äußere Turbulenzen gerissen, dann wieder zu sehr in
Eigenprobleme verstrickt. Doch kann auch gelernt werden, eine stets gesündere, ja schönere Mitte dazwisch-
en aufzubauen. Mit liebevollem Herzgehör hängt dies zusammen sowie einem lebendigen Interesse für Zeit-
notwenigkeiten.
Kostenbeitrag 50 Euro, ohne Übernachtung und Verpflegung, Ermäßigung möglich. Übernachtung ist in
unserem Holzhaus mit eigenem Schlafsack im Mehrbettzimmer für 12 Euro pro Nacht möglich. Im Café
besteht die Möglichkeit zum gemeinsamen Mittagessen (Samstag und Sonntag). Frühstück und Abendessen
in Selbstorganisation (Gaststätte oder Selbstversorgerküche). Bitte bei Anmeldung angeben!
Anmeldung: Eulenspiegels Kulturraum, Dorfstr. 25, D-88142 Wasserburg, Tel.: 08382 - 89056

Impressum                                                                 Alle Zahlungen bitte an: Jedermensch-Verlag, Konto-Nr. 13 70 70–206,
Herausgeber: Jedermensch-Verlag, Brutschin & Koschek GbR,
Dorfstr. 25, 88142 Wasserburg(B)                                          Postbank Hamburg (BLZ 200 100 20} .
Vertrieb und Redaktion: Jedermensch-Verlag, Dorfstr. 25,                  Internationale Bankverbindung:
88142 Wasserburg (B), Telefon: 08382/89056                                IBAN DE18 2001 0020 0137 0702 06; BIC PBNKDEFF
Redaktion: Dieter Koschek (ViSdP) und Anton Kimpfler                      Der jedermensch erscheint vierteljährlich, jeweils März, Juni, September
Gestaltung: Dieter Koschek; Titelblatt gestaltet von Klaus Korpiun; die   und Dezember. Einzelexemplare kosten 4.50 €, Abonnement jährlich 18 €
Vorlage dafür und die Skizzen im Inneren stammen von Renate Brut-         (einschl. Porto und Versand).
schin. Handschriften von Barbara Wagner.                                  Druck: digitaldruck leibi, Burlafingerstr. 11, 89233 Neu-Ulm
Freie Mitarbeiter: Alte und neue Freunde des jedermensch und des          Der jedermensch wird auf Umweltschutzpapier gedruckt.
Modell Wasserburg e.V.                                                    Die Auflage beträgt 250. ISSN 0949 – 3247

                                                                                                                         589-53247-0310-1072
                                                                                                                         869-53247-0409-0753
                                                                                                                          weitere Infos: www.leibi.de/klima

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Ökologie und Konsum - Winter 2013 Nr. 669 4,50 € Zeitung für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen, Umweltfragen
Zeitkommentare

Gegen eine Welt der Konzerne!
Die zwischen der EU und den USA angestrebte Han-          ILO-Normen betreffend gewerkschaftlicher Organi-
dels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) ist ein neu-   sationsrechte nicht unterzeichnet. In Teilen der USA
er Angriff auf die öffentlichen Güter und das Selbst-     herrscht eine regelrecht gewerkschaftsfeindliche Po-
bestimmungrecht der Menschen und ihrer Staaten..          litik. Die TTIP könnte bei einer Angleichung entspre-
Die Pläne zur Schaffung der größten Freihandels-          chender Standards eine erhebliche Schwächung der
zone der Welt dient nur den Konzernen. Auch wenn          ArbeitnehmerInnen in der EU bedeuten.
der EU-Kommissar De Gucht die TTIP als eine Art           Kultur: Kulturelle Vielfalt kann es ohne Förderung
kostenloses Konjunkturpaket preist - die zu erwar-        und Schutz nicht geben. Die TTIP gefährdet zum Bei-
tenden Wachstums- und Beschäftigungseffekte sind          spiel die Filmförderung und die Buchpreisbindung.
gering. So geht sogar die freihandelsfreundliche und      Die Kultur nur dort sich entwickeln zu lassen, wo sie
selbst an dem Abkommen interessierte Bertelsmann-         nach Marktkriterien profitabel ist, bedeutet kulturelle
Stiftung beispielsweise für Deutschland je nach Sze-      Verarmung.
nario lediglich von einem Anstieg der Beschäftigung       Öffentliches Beschaffungswesen: Durch eine voll-
um 0,12 bzw. 0,47 Prozent aus – verteilt über einen       ständige Öffnung des öffentlichen Beschaffungs-
Zeitraum von fünfzehn Jahren. Demgegenüber steht          wesens für Anbieter des jeweils anderen TTIP-
vor allem die Gefahr einer weiteren Vertiefung des        Partners würde es künftig schwerer werden, ökolo-
Standortwettbewerbs, einer Verringerung demokra-          gische und soziale Aspekte bei der Auftragsvergabe
tischer Gestaltungsmöglichkeiten und eines Abbaus         einzubeziehen. Genau darauf pocht die EU in den
sozialer und ökologischer Standards. Unsere Be-           Verhandlungen.
sorgnis bezieht sich hauptsächlich auf die folgenden      Die TTIP-Verhandlungen sind daher eine Bedrohung
Bereiche:                                                 für soziale Rechte, Verbraucherschutz und Umwelt.
Investitionsschutz: Laut dem Verhandlungsmandat           Die Verhandlungen werden ohne demokratische
der EU-Kommission soll ein Investitionsschutz-            Kontrolle durchgeführt. Vorbereitet wurden die Ver-
abkommen Teil des Vertrags werden. Konzerne               handlungen von der transatlantischen „High Level
sollen das Recht bekommen, die Vertragsstaaten            Working Group on Jobs and Growth“. Kein einziges
vor einem Schiedsgericht zu verklagen, wenn eine          Mitglied dieser Gruppe hatte ein demokratisches
„direkte oder indirekte Enteignung“ droht. Einerseits     Mandat. Dass ein übergroßer Anteil der externen
wird dadurch eine parallele Rechtsstruktur jenseits       Expertise von Unternehmen und Wirtschaftsverbän-
demokratischer Kontrolle geschaffen, die die Stan-        den kam, während Sozial-, Umwelt- und Verbraucher
dards unseres modernen Rechtssystems untergräbt.          schutzverbände kaum Einfluss nehmen konnten,
Andererseits können Investor-Staat-Klagen demo-           machte ein ausgeglichenes Verfahren zu allseitigem
kratische Entscheidungsspielräume schmälern, wenn         Nutzen völlig unmöglich. Die Verhandlungen selbst
Konzerne entsprechende Regulierungsmaßnahmen              werden seitens der EU von der Kommission geführt,
Umweltstandards, Sozialstandards etc. wegklagen           die hierzu ein wenig konkretes, aber weitreichendes
können.                                                   Mandat des Europäischen Rates erhielt. Demokra-
Finanzmarktregulierung: Die globale Finanzmarkt-          tisch gewählte VertreterInnen der Mitgliedsländer
und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass unregulierte       sind an den Verhandlungen nicht beteiligt. Der Ein-
Finanzmärkte eine Gefahr für Wirtschaft und Gesell-       fluss der Parlamente beschränkt sich allein darauf,
schaft bedeuten. Auch fünf Jahre nach dem Kollaps         dem Verhandlungsergebnis zuzustimmen oder
von Lehman Brothers ist nicht ausgeschlossen, dass        nicht.
weitere Finanzkrisen mit ähnlichen Dominoeffekten         Der aktuelle Prozess zu einer transatlantischen
wie 2007ff eintreten. Viele notwendige Maßnahmen          Freihandelszone ist demokratisch organisierten Ge-
wurden nicht ergriffen. Lediglich einige zaghafte         sellschaften nicht würdig. Die potenziellen Folgen
Ansätze wurden auf den Weg gebracht. Alles deutet         eines ratifizierten Freihandelsvertrages sind äußerst
darauf hin, dass die EU-Kommission es in den Frei-        Besorgnis erregend und widersprechen gesellschaft-
handelsverhandlungen billigend in Kauf nimmt, dass        lichen Interessen fundamental.
diese Ansätze wieder ausgehebelt werden.                  Die TTIP-Verhandlungen müssen sofort gestoppt
Vorsorgeprinzip und Verbraucherschutz: Zwischen           werden.
der EU und den USA gibt es erhebliche Unterschiede        Informieren Sie sich auf der Website von attac:
bei Produktstandards, Kennzeichnungspflichten, Ge-        http://www.attac-netzwerk.de/index.php?id=12920
sundheitsstandards u.v.m. Bei der TTIP-Verhandlung        Protestiert, demonstriert, verbreitet die Informationen
soll eine möglichst weitreichende Angleichung her-        weiter. Wir haben schon mal ein ähnliches Abkom-
beigeführt werden. Die TTIP könnte so dem um-             men, das MAI verhindert. Das wird uns auch ein
weltschädlichen Fracking, gentechnisch veränderten        zweitesmal gelingen.
Nahrungsmitteln u.v.m. Tür und Tor öffnen und die                                                  Dieter Koschek
gesundheitliche Grundversorgung weiter aushöhlen.               Die Informationen stammen von der attac-website
ArbeitnehmerInnenrechte: Die USA haben zentrale
                                                                                                               3
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Zeitkommentare
Bundesweite Volksentscheide
Eine aktuelle Emnid-Umfrage hat ergeben, dass sich 83 Prozent der Wähler/innen von CDU und CSU für
bundesweite Volksentscheide aussprechen. Innerhalb der Gesamtbevölkerung sind 84 Prozent dafür.

Bayern: Bürgerentscheid gegen Olympia                  Berlin: Energietisch-Volksentscheid knapp
                                                       am Zustimmungsquorum gescheitert
Am 10.11.13 stimmten die Bayern in den vier betrof-
fenen Gebieten gleichzeitig über eine Bewerbung        Insgesamt 2.483.756 abstimmungsberechtigte Ber-
für die Olympischen Winterspiele 2022 ab. Bei einer    liner/innen waren am 3. November per Volksent-
hohen Wahlbeteiligung votierten die Bürger/innen       scheid dazu aufgerufen, auf direktdemokratischem
mehrheitlich dagegen. Die Gründe für das Votum der     Wege zu entscheiden, ob die Stadt Berlin wieder
Bürger/innen sind vielseitig. Von herausragender Be-   Betreiber des Berliner Stromnetzes werden soll und
deutung scheint dabei eine Kritik an den Geschäfts-    welche Mitbestimmung die Bürger/innen über ihre
praktiken des Internationalen Olympischen Komitees     Energieversorgung in Zukunft haben werden. Laut
(IOC) gewesen zu sein, mit der die „NOlympia“-Akti-    dem amtlichen Endergebnis stimmten 83 Prozent der
visten für ein „Nein“ bei der Abstimmung warben. Ne-   Teilnehmenden für die Gesetzesvorlage des Energie-
ben dem Vorwurf der intransparenten „Knebelverträ-     tisches. Allerdings wurde das Zustimmungsquorum
ge“ wurde auch auf eine befürchtete Kostenexplosi-     von 25 Prozent nicht erreicht.
on und mögliche Umweltschäden in der sensiblen Al-     „Die Strategie der Berliner Regierung, die Beteiligung
penregion verwiesen. Anderen Einschätzungen nach       durch eine Abkopplung des Abstimmungstermins von
sind die Münchner den stetigen Trubel in ihrer wach-   der Bundestagswahl im September möglichst gering
senden Stadt zunehmend leid und das allgemeine         zu halten, ist damit leider voll aufgegangen“, sagt He-
Interesse an sportlichen Großveranstaltungen halte     lena Stange vom Landesvorstand Mehr Demokratie
sich gegenwärtig ohnehin in Grenzen.                   Berlin/Brandenburg. Wie bei Wahlen auch sollte die
                                                       Mehrheit der abgegebenen Stimmen über Erfolg oder
Erfolg für „Unser Hamburg - Unser Netz“                Misserfolg einer Vorlage entscheiden.“

Die Hamburger haben sich per Volksentscheid mehr-
heitlich dafür ausgesprochen, dass die Hansestadt
ihre Energienetze vollständig zurückkauft. Mit 50,9    Stuttgart erleichtert Volksentscheide
zu 49,1 Prozent der Stimmen erreichte die Initiative
„Unser Hamburg - Unser Netz“ die notwendige Ab-        Die Regierungs- und Oppositionsfraktionen im baden-
stimmungsmehrheit von mehr Ja- als Nein-Stimmen        württembergischen Landtag haben sich nach langen
und auch eine zweite, sehr kritikwürdige Bedingung,    Verhandlungen auf eine Verfassungsänderung zur Er-
wurde erfüllt: Denn die Anzahl der Ja-Stimmen muss     leichterung von Volksentscheiden geeinigt. Dazu ist
größer sein als die Hälfte der Zweitstimmen, die bei   eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig. Ba-
der Bundestagswahl in Hamburg auf die Parteien ab-     den-Württemberg hatte – im Vergleich mit allen ande-
                                                       ren Bundesländern – bislang die höchsten Hürden für
gegeben wurden, die mindestens ein Bundestags-
                                                       Volksentscheide. Für einen gültigen Volksentscheid
mandat erhalten haben. Beispielrechnung: Würden
                                                       musste bislang ein Drittel der eingetragenen Wahlbe-
in Hamburg bei der Bundestagswahl 920.000 Zweit-
                                                       rechtigten ihre Stimme abgeben, das sind in Baden-
stimmen abgegeben und entfielen davon 20.000           Württemberg etwa 2,5 Millionen Menschen. Grüne und
Stimmen auf Parteien, die an der 5%-Hürde schei-       SPD sowie die Oppositionsparteien CDU und FDP wol-
tern, müssten für einen erfolgreichen Volksentscheid   len das Zustimmungsquorum nun auf 20 Prozent der
mindestens 450.001 Ja-Stimmen vorliegen (900 000:      Wahlberechtigten senken. Die Grünen wollten das Quo-
2 = 450 000; Mehrheit: 450.001). Da jedoch auch di-    rum ursprünglich abschaffen und dem bayerischen Vor-
ese zweifelhafte Hürde übersprungen wurde, ergeht      bild folgen. Auch Volksbegehren werden erleichtert:
an Bürgerschaft und Senat nun der Auftrag, die Kon-    Künftig können hierfür sechs Monate Unterschriften ge-
trolle über die Hamburger Strom- und Gasverteil-       sammelt werden und auch außerhalb der Rathäuser.
netze sowie die Fernwärmeversorgung wieder voll-       Außerdem soll es künftig Volksinitiativen geben: Wenn
ständig in die kommunale Hand zu überführen. Die       40 000 Bürger unterschreiben, muss der Landtag das
Netze werden derzeit von E.on und Vattenfall betrie-   gewünschte landespolitische Thema behandeln. Bei
ben. Die Hamburger/innen haben damit beschlossen,      Verfassungsänderungen bleibt es bei einem Zustim-
dass die Energienetze als Instrumente der kommu-       mungsquorum von 50 Prozent. Bei kommunalen Bür-
nalen Energiepolitik und der Energiewende einge-       gerbegehren ist künftig ein Quorum von sieben Prozent
setzt werden sowie die Gewinne aus dem Netzbe-         einheitlich für alle Kommunen vorgeschrieben.
trieb und dem Fernwärmegeschäft in Hamburg blei-       Das Quorum für kommunale Bürgerentscheide wird von
ben sollen.                                            25 Prozent auf 20 Prozent gesenkt.
                                                       aus der F.A.Z., 07.11.2013

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Eulenspiegels Projektwerkstatt

Solidarität ist alles, was uns bleibt
Griechenland befindet sich derzeit in einer erschre-         hilfe: Mit Hilfe der Solidarischen Ökonomie findet nicht
ckenden ökonomischen, politischen und sozialen Situa-        nur materielle, sondern auch immaterielle (psycholo-
tion. Unternehmensschließungen, Entlassungen, Lohn-          gische, soziale) Selbsthilfe statt, und diese Selbsthil-
kürzungen, Privatisierungen, die Streichung öffentlicher     fe ist dabei immer kollektiv. Mit der zunehmenden Ver-
Leistungen und unzählige Steuererhöhungen sind nur           schärfung der Krise gewinnt der Aspekt der Krisenbe-
einige der vielen Elemente von Krise und Austeritätspo-      wältigung innerhalb der Projekte an Bedeutung. Meine
litik, mit denen die GriechInnen tagtäglich zu kämpfen       Einschätzung ist dennoch die, dass die Krisenbewälti-
haben. Die Folgen dieser Politik: Arbeitslosigkeit, Armut,   gung und die Selbsthilfe in den Motiven für die Projekte
gesellschaftliche Desintegration und verstärkter Zulauf      und deren Potenzialen nach wie vor nicht dominieren.
zu rechtsextremen Ideologien.                                In keinem der von mir besuchten Projekte können die
Griechenland erlebt in dieser furchtbaren Krisensituati-     Beteiligten durch die Mitarbeit oder Teilnahme ihren Le-
on gerade das Aufleben einer neuen Bewegung Soli-            bensunterhalt bestreiten – und nur ein Projekt hat dies
darischer Ökonomie. Quer durchs Land entstehen fast          überhaupt zum Ziel. Viele Initiativen leisten einen Bei-
täglich neue Tauschkreise, Gemeinschaftsgärten, Alter-       trag zur Befriedigung ungedeckter materieller Bedürf-
nativwährungen, kooperative Läden, soziale Zentren,          nisse, dies geht aber selten so weit, dass dieser Aspekt
Umsonstläden, selbstverwaltete Cafés und viele andere        der bestimmende ist.
Arten von Projekten.                                         Solidarische Ökonomie ist also in Griechenland auch
Die Solidarische Ökonomie Griechenlands ist in vieler        Selbsthilfe, sie ist jedoch und vor allem viel mehr. Über
Hinsicht besonders, ihre Eigenschaften, Formen, Dy-          die kollektiven Identitäten, die Emanzipation und An-
namiken und Potenziale sind beindruckend. Einige As-         eignung, den Wertewandel, die Bildung neuer Bezie-
pekte treten jedoch als bemerkenswert hervor. Nicht nur      hungen und die Entstehung von Solidarität, die Inspira-
ist das Feld der Solidarischen Ökonomie bunt und viel-       tion und schließlich die Integration von Wirtschaft und
fältig, dies trifft auch auf die einzelnen Projekte zu. In   anderen Lebensbereichen trägt die Solidarische Ökono-
fast allen von mir besuchten Initiativen finden nicht nur    mie ein transformatives Potenzial in sich.
eine oder zwei Aktivitäten statt, sondern viele verschie-    Wie auch die Frage nach dem Bestehen über die Krise
dene. So wird im Gemeinschaftsgarten nicht nur Gemü-         hinaus kann der Beitrag des Feldes zur Transformati-
se angepflanzt, sondern die Mitglieder versuchen mit ih-     on erst im Nachhinein beurteilt werden. Auch wenn ich
rer Tätigkeit auch, Menschen in Not zu unterstützen.         die Selbsthilfe häufig der Transformation gegenüber-
Daneben betreiben sie Informationsarbeit zur biolo-          stelle, so sind diese beiden Potenziale keine Gegen-
gischen Landwirtschaft und Selbstversorgung und set-         sätze. Kollektive Selbsthilfe kann Solidarität und kollek-
zen sich für den Erhalt und Ausbau öffentlicher Räume        tive Identitäten hervorbringen, welche wiederum über
ein. Ein anderes Projekt beginnt wiederum als Alter-         die konkrete Situation hinausgehen und transformatives
nativwährung, eröffnet ein Gemeinschaftszentrum mit          Potenzial haben. Und auch die Transformation, die Ver-
Tauschbasar, macht Öffentlichkeitsarbeit und plant den       änderung bestimmter Lebensbereiche, kann einzelnen
selbstorganisierten Anbau von Obst und Gemüse. Die           Beteiligten helfen, ihre materiellen und immateriellen
verschiedenen Projekte entstehen oft aus einer kon-          Bedürfnisse zu befriedigen.
kreten Idee, reagieren auf die Wünsche des Umfelds,          Viele meiner InterviewpartnerInnen sind jedenfalls fest
wandeln sich aber rasch und erweitern ihre Tätigkeits-       vom transformativen Potenzial ihrer Projekte überzeugt
bereiche.                                                    und äußeren den Wunsch, gemeinsam den Wandel in
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt betrifft die große       Bewegung zu setzen. Sie wollen über ihr konkretes Tun
Bedeutung von Gemeinschaft innerhalb der Solida-             neue alternative Wege aufzeigen und so zur Lösung ge-
rischen Ökonomie. Der Wunsch nach Gemeinschaft ist           sellschaftlicher Probleme beitragen. Oder wie es ein In-
– wenn auch indirekt – eines der am stärksten hervor-        terviewpartner ausdrückt:
tretenden Motive der AkteurInnen im Feld. In den mei-        „Wenn man nicht experimentiert, wenn man nicht ver-
sten Fällen kommen die Beteiligten über die wirtschaft-      sucht eine andere Art zu Leben zu finden, und man ein-
lichen Aktivitäten zu den Projekten – was sie jedoch         fach erwartet, dass etwas von hoch oben herab kommt,
dort hält sind die sozialen Beziehungen und das Gefühl       dann wird es nie passieren.“
der Zugehörigkeit.
Die dritte besondere Eigenschaft der Solidarischen           Lisa Mittendrein, leicht überarbeitetes Kapitel aus dem
Ökonomie in Griechenland ist: ihre Integrationskraft. Die    Buch: Lisa Mittendrein
Zusammenführung von Wirtschaft, Politik und Gemein-          Solidarität ist alles, was uns bleibt
schaft ist eine große Herausforderung und eine Lei-          Solidarische Ökonomie in der griechischen Krise
stung mit besonderem transformatorischen Potenzial.          AG SPAK Bücher I ISBN 978-3-940865-55-7 I 2013 I
Die Geschichte hat gezeigt, dass Projekte alternativen       208 Seiten I 16 € I www.agspak-buecher.de
Wirtschaftens oft nicht über Krisenzeiten hinaus beste-
hen konnten, wenn sie primär der Selbsthilfe dienten.
Eine erste Differenzierung betrifft die Form der Selbst-

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Ökologie und Konsum - Winter 2013 Nr. 669 4,50 € Zeitung für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen, Umweltfragen
Eulenspiegels Projektwerkstatt

Die Resilienz von Währungen
Bernard Lietaer auf Besuch in Vorarlberg                  In Brasilien fand die Regierung den Mut, 200 Banken
Dieter Koschek, der auch Regionale Ansprechperson         bei der Etablierung einer komplementären Währung
für Talente Vorarlberg ist, besuchte den Workshop im      zu unterstützen. In einigen Städten Grossbritanniens
Bildungshaus St. Arbogast in Götzis.                      wie in Bristol etablieren sich tragfähige Komplemen-
Der folgende Text stammt von Roland Alton, der in         tärwährungen. Lietaer hat die Einführung der Torekes
der Allmendagenossenschaft Vorstandsmitglied ist          in Gent begleitet: nur wer Torekes durch Gemeinwe-
und dort für It-Lösungen und das Change Lab zu-           senarbeit verdient, kann einige Quadratmeter Boden
ständig ist.                                              pachten, um dort Gemüse anzubauen: ein echtes
                                                          Bedürfnis vieler migrantischer Familien, die so freiwil-
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat eine systemische     lig aktiv werden.
Ursache: das Festhalten an einem antiquierten Geld-       Das C3 System (Commercial Credit Circuit) schafft
system mit jeweiliger Monopolstellung. Von 1970 bis       seit 2005 in Uruguay oder Brasilien Vertrauen zwi-
2010 crashten 208 Währungen, mit schweren Op-             schen regionalen Unternehmen, die so mehr unter-
fern bei der jeweils betroffenen Bevölkerung. Wo liegt    einander Handel betreiben. Der Handelskreis be-
die Ursache? Mehr als 100 Personen folgten Ber-           zahlt gemeinsam 1% Versicherung für künftige, in-
nard Lietaers Ausführungen bei einer Veranstaltung        terne Verbindlichkeiten an einen externen Versiche-
am 4.11.2013 vor Vorarlberger Ökoprofit Betrieben,        rer (beim C3U in Urugay ist es die Weltbank). Jeder
weitere 40 Personen diskutierten mit ihm tags darauf      Teilnehmer profitiert von 2-3% Skonto bei den Lie-
seine Thesen bei einem Workshop der TALENTE               feranten. Eine Bank ausserhalb des Handelskreises
Akademie. Er besuchte auch die ALLMENDA Genos-            bietet die Möglichkeit die Währung zu wechseln, mit
senschaft, liess sich den aktuellen Stand der emit-       einem Abschlag von 1-2%. Über ein Liegegeld von
tierten Lokalwährungen zeigen und kommentierte di-        etwa 0,5% pro Jahr kann sich das System finanzie-
ese in einem Videostatement.                              ren. Lietaer würde das Konzept, das von der STRO
Zum Beginn des Workshops versucht Lietaer das             Foundation mitentwickelt worden ist, gerne auf euro-
Geldsystem nach dem Muster der Ökologie zu erläu-         päischer Ebene umgesetzt sehen.
tern. Das Kennzeichen eines gesunden Ökosystems           Auf die Frage nach der Relevanz von Bitcoin antwor-
ist die Balance zwischen Effizienz und Resilienz.         tet Lietaer, dass dies technisch interessant umge-
Letztere bezeichnet die Robustheit vor Störungen, in      setzt sei, aber im Wesentlichen der Spekulation mit
der Natur wären das etwa Trockenperioden. Nur mit         einer intransparenten Währung dient.
ausreichender Diversität und Verbindungsfähigkeit         Auf das Kunstprojekt OCCCU (Occupy Currency)
lassen sich Krisen meistern. Das heutige Finanzsy-        von Studierenden der FH Vorarlberg angesprochen,
stem ist jedoch eine Monokultur: zugegebenermaßen         meint er, dass die Verquickung einer Währung mit
ziemlich effizient, aber instabil und anfällig bei Stö-   einem Grundeinkommen eine interessante Idee sei.
rungen etwa bei Blasenbildungen im Markt.                                                            Roland Alton
Was wir brauchen ist eine Mischkultur an Währungen:
regionale Komplementärwährungen, Tauschsysteme
und Zeitbörsen. Idealerweise wird die jeweilige Leit-
währung (US Dollar oder Euro) auch abgelöst von
einer globalen Referenzwährung, wie Lietaer sie mit
dem Terra beschrieben hat. Doch allen globalen Un-
ternehmen und Finanzinstituten ist dieses Thema
zu heiss, man könnte ja die US-Amerikaner vergrä-
men, die viel Energie aufwenden, damit der Dol-
lar die globale Leitwährung bleibt, mit dem etwa das
Barrel Erdöl gehandelt wird. "Währungen müssten           Gemeinwohlökonomie
wie ein Gemeingut organisiert sein, inklusive demo-
                                                          Bodenseee-Oberschwaben
kratischer Kontrolle, wie sie die Nobelpreisträgerin
Elinor Ostrum als eines der sieben Prinzipien lokaler     Anfang Dezember trafen sich die Koordinatoren der
Allmenden beschreibt", meint Lietaer.                     Energiefelder Bodensee-Oberwaben und Vorarlberg
Vorarlberg ist in Europa eine Vorzeigeregion, mit         im Eulenspiegel, um über ein gemeinsames Wirken
einem gut etablierten Tauschkreis und Regionalwäh-        bzw. über Synergieeffekte zu sprechen. Ziel ist es
rungen auf Ebene von Dörfern oder Regionen.               von einander zu lernen!
6
Bio- und Projekteladen

Mitgliederladen!?
Für unseren kleinen Laden suchen wir neue Wege            Die Mitgliedsbeiträge sollen die Grundkosten decken,
des Wirtschaftens, denn die üblichen können wir           also Miete, Nebenkosten und eventuell sogar Löhne.
nicht gehen. Die kleinen Bioläden unter 100 qm müs-       Bei fast allen Mitgliederläden zahlt man ein einma-
sen weichen. Immer mehr BioSupermärkte oder               liges Startdarlehen pro Person: Richtung 50 €, das
große Läden entstehen und bieten eine große Viel-         man bei Austritt wieder zinslos erhält. Die monatli-
zahl an Produkten an. Das können wir mit 60 qm gar        chen Beiträge laufen zwischen 16 und 19 € für die er-
nicht bieten. Seit in Lindau ein großer Laden aufge-      ste Person, die Beiträge für die 2. Person und mehr
macht hat, ist unser Umsatz um 10 Prozent gesun-          sowie für Kinder werden unterschiedlich gehandhabt.
ken und es gab keine Zuwächse mehr.                       Nur in einem Laden unterscheidet sich der Beitrag
Wir arbeiten in unserem Laden sowieso schon ehren-        nach Einkaufsgrößen. Die recherchierten Läden ge-
amtlich, weil wir überzeugt sind, dass die Biolandwirt-   ben einen durchschnittlichen Rabatt von 20 %.
schaft und die kleinen regionalen Landwirte diejeni-      Wir werden in diesem Winter diese Idee erst mit den
gen sind, die die Lebensmittelversorgung der Men-         Mitarbeitern diskutieren, im Eulenspiegel Haustref-
schen, ja letztlich der Menschheit (siehe Welternäh-      fen vorstellen und in einem öffentlichen Treffen dies
rungsbericht) sichern.                                    auch mit interessierten Kundinnen besprechen. Ger-
Wir kommen bisher ohne Zuschüsse und Subventi-            ne können sich auch Leserinnen des jedermenschen
onen aus - doch weil der Umsatz so klein ist, brau-       daran beteiligen.
chen wir neue Ideen. Wir werden die Einbindung in
den Eulenspiegel verdichten und vielleicht gemein-        Unser derzeitiger Vorschlag für einen Mitgliederladen
same Veranstaltungen organisieren. Leider können          lautet:
wir die Öffnungszeiten nicht mit dem Lokal gleichset-     • die Mitglieder erhalten 20 % Rabatt
zen, um Essengehen und Trinken mit dem Einkauf zu         • einmalige zinslose Einlage, die bei Austritt wieder
verbinden.                                                     ausbezahlt wird 50 €
Wir beginnen einen Lieferservice aufzubauen und           • pro erwachsene Person bis 100 €(Verkaufspreis)
Menschen in unserer Umgebung mit unseren Pro-                  Einkauf 10 darüber 15 €, d.h. ab einem Einkauf
dukten zu beliefern.                                           von 50 € beginne ich zu sparen
Wir wollen auch die Identität der Einkäufer mit dem       • pro Haushalt bis 200 € (Verkaufspreis) Einkauf
Laden verstärken. Eine Möglichkeit dazu kann ein               18 darüber 26 €, d.h. ab einem Einkauf von 100 €
Mitgliederladen sein.                                          beginne ich zu sparen.
Mitgliederladen heißt, dass regelmäßige Kunden            Können wir so den zunehmenden Indivualismus in
einen Mitgliedsbeitrag zahlen und dann 20 % Ra-           eine Gemeinschaft führen, die anderes Wirtschaften
batt auf alles erhalten, also Einkaufspreis plus 5 %      für richtig und wichtig hält? Wir werden sehen.
Schwund plus Mehrwertsteuer.                                                                     Dieter Koschek

                                                                                                             7
Rundgespräche

Zwischen Haupt und Gliedern                           Sozialpolitisches Forum 2013
Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können Sie nur in           Inklusion von Menschen mit Handicaps
                    der gedruckten Ausgabe lesen.                  – Trends, Kritik, Alternativen –
                                                      Unsere Tagung fand zu einer Zeit statt, in der die Zei-
                                                  .   chen auf Stigmatisierung, Ausgrenzung und Patho-
                                                      logisierung von abweichendem Verhalten steht.Wir
                                                      sahen durch die Referate, dass die eine Gesellschaft
                                                      nicht mehr einfach zu haben sein wird.
                                                      Schöne Aussichten der Inklusion werden pervertiert:
                                                      Obwohl seit 10 Jahren die ambulanten Dienste ge-
                                                      stärkt werden sollen, steigen die stationären Unter-
                                                      bringungen unaufhörlich. Unser fünfgliedriges Schul-
                                                      system stagniert und verändert sich kaum. Die Be-
                                                      troffenen struktureller Arbeitslosigkeit erleiden eine
                                                      Pathologisierung und Psychologisierung.
                                                      Die deutsche Tendenz der Verwaltung von Erwerbs-
                                                      losigkeit, Armut, Behinderung und Krankheit nimmt
                                                      zu. Dies wurde veranschaulicht durch beispielhafte
                                                      Fälle Betroffener.
                                                      Einher mit dieser Pathologisierung und Bürokratisie-
                                                      rung geht das Kontrollsystem. Die technische veral-
                                                      tete E-Card wird nahtlos in den Überwachungsstaat
                                                      einverleibt.
                                                      Dass die Ausgegrenzten nicht ausgehen, dafür sorgt
                                                      die Entwicklung im neoliberalen Kapitalismus. Wäh-
                                                      rend Arbeitskraft zunehmend nicht gebraucht wird,
                                                      führt dieses Wirtschaftssystem zu Konkurrenz - auch
                                                      um den nutzbaren Boden, was sich gerade in den
                                                      Städten mit steigenden Mieten, Zwangsräumungen
                                                      und Sprengung ganzer Nachbarschaften zeigt.
                                                      Gegenstrategien sind vor allem die Stärkung der
                                                      Selbsthilfekräfte der Betroffenen und die Organisie-
                                                      rung in Gruppen und deren Netzwerke, die sich wie-
                                                      derum vernetzen und eine starke Gegenbewegung
                                                      darstellen.
                                                      Eine Lösung könnte ein Grundeinkommen, parallel
                                                      zu existenzsichernden Löhnen sein. Ein Grundein-
                                                      kommen könnte die aufwendige Verwaltung der Er-
                                                      werbslosen, Kranken und Alten überflüssig machen
                                                      und das Selbstbewusstsein, zumindest das Aushal-
                                                      ten extremer Lebensbedingungen erleichtern.
                                                      Auch wenn dieses Grundeinkommen in existenz-
                                                      sichernder Höhe gegeben sein wird, müssen die
                                                      Leistungen für Menschen in besonderen Lebensla-
                                                      gen erhalten bleiben.
                                                      Die kapitalistische Konkurrenz und Ausgrenzungs-
                                                      gesellschaft muss durch eine solidarische Wirt-
                                                      schaftsweise, die der Bedürfnisbefriedigung, dem
                                                      Gemeinwohl und insbesondere der Erhaltung der
                                                      Naturgrundlagen dient, ersetzt werden. Hier müssen
                                                      Schritte getan werden, die diese lebensbejahende
                                                      Wirtschaftsweise fördert.
                                                      In sechs Arbeitsgruppen wurden Beispiele diskutiert
                                                      und Entwicklungen aufgezeigt.
                                                                                                             dk

8
baf/café

harald gmeiner
freies land
25.November 2013 bis 6. Januar 2014 und 7. März bis 26. April 2014 Café Eulenspiegel
Harald Gmeiner zeigt Landschaften.
Dabei ist „Landschaft“ mehr als eine visuelle Erscheinung. Sie ist ein Topos, ist freies Land, in dem sich äußere
und innere Bilder verschränken.
„das abstrakte werk, das ein konkretes ´herauslesen` verweigert, erfordert ein `hineinsehen`, erwartet ein aktives
schauen, was fantasie,besinnung und selbstbefragung vom betrachter verlangt.“ (cornelia wolf-wieczorek)

selten hat sich eine austellung mir sofort erschlossen, landschaften...landkarten...geisteskarten...geistschaften.
harald gmeiner hat es wunderbar geschafft, die verschiedenen ebenen deutlich zu machen, das konkrete im auge
des künstlers, seine vorstellungskraft, seine erinnerung und - und - seltsam rückwärts meine erinnerung...meine
vorstellungskraft...das konkrete in meinem auge...das freie land...die freiheit des geistes.
was kommt ist die vernichtung der preisliste und das freie spiel des preises zwischen künstler und sammler.........dk
siehe dazu die letzte seite dieses jedermenschen

baf Die beiden Stipendiaten des baf Jos Diegel und Kathrin Lampert (siehe letzter jedermensch) haben mit ih-
ren Präsentationen stark beeindruckt. Jos hat auch zwei Bilder dem Eulenspiegel gewidmet, die Grundbilder hat er
in der ASH gekauft und dann neu gestaltet. Kathrin Lampert hat die „eulenspiegel klanglandschaften“ gestaltet, die
wir hier nicht wiedergeben können, die aber im Internet nachgehört werden können (ichbinbaf.de).

   der baf raum gestaltet
    von Kathrin Lampert                                                                        Jos Diegel

  Bebraeske Wortinstallation mit Phrasenabzug und weiteren wortgewaltigen Klassikern. 11. - 30. Oktober 2013
       Eine manipulierbare Wortinstallation für jedermensch, gestalten von der Gruppe baf und Freunden.
                            Bodensee Art Fund | BAF I mehr Bilder auf ichbinbaf.de
                                                                                                                     9
Ökologie und Konsum

Der Natur die Treue halten
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Ökologie und Konsum

                                                             Einiges in Umorientierung

                                                             Diesen Beitrag von Jürgen Kaminski können Sie nur
                                                                               in der gedruckten Ausgabe lesen.

Nahrung nicht wichtig genug?
Der Satz „Ich habe kein Handy, das kann ich mir
nicht leisten“ existiert nicht - weltweit. Den Satz „Ich
kann mir Biolebensmittel nicht leisten“ spricht man
vom Bildungsbürgertum aufwärts mit traumwandle-
rischer Sicherheit aus, auch wenn man gerade eine
Einkaufstüte randvoll mit überteuertem Junkfood in
der Hand hat.
                        Eva Stegen, Freiburg, Leserbrief
                                     in “die tageszeitung”

                                                                                                            11
Ökologie und Konsum

Schutz vor Krebs                                      Diabetes im Vormarsch
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                                                  .

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Ökologie und Konsum

Verlust an Weltvertrauen                                 Gerade nicht todsicher
In der heutigen Netzwerkgesellschaft wird der Tast-      Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können Sie nur in
sinn immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Viele                           der gedruckten Ausgabe lesen.
sehen im Internethandel, wo die sinnliche Erfahrung
bei der Kaufentscheidung ganz wegfällt, die Zukunft.                                                       .
Nun haben Konsumforscher hervorgehoben, dass
das Anfassen doch eine wichtige Rolle spielt. Ein-
geschweißtes Obst hat schlechte Karten gegenüber
einer Präsentation, die unmittelbaren Zugriff erlaubt.
Ersteres hinterlasse „Unsicherheit und Frust“.
Probanden bekamen Wasser in einem Plastikbecher
gereicht und danach in einem Glas. Aus dem soliden
Gefäß schmeckte dasselbe Wasser “besser”.
All dies veranlasst mich zu der Frage, ob nicht die
steigende seelische Unsicherheit vieler Menschen
auch mit einem Zurückdrängen der Tasterfahrungen
zusammenhängt.
                                      Ansgar Liebhart

Mehr eigener Eiweißpflanzen-
anbau
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                                                                                                         13
Ökologie und Konsum

Ein Leben der Verschwendung
Wir haben unsere alten, spirituellen Götter geopfert und     rungsverhandlungen und routinierter Langeweile wohl
den Tempel dem Gott des Marktes überlassen. Nun              klimatisierter Großraumbüros hin und her. Ständig und
organi­siert dieser Gott uns Wirtschaft und Politik, Leben   immer träumt er von Urlaub, Freiheit und Vertragsab-
und Alltagsgewohnheiten. In Raten und per Kreditkarte        schlüssen, bis eines Tages sein Herz zu schlagen auf-
finanziert er uns den Anschein von Glückseligkeit. Kon-      hört und “Tschüss!” ... Sofort wird es einen anderen
sum scheint der Sinn des Lebens zu sein, und können          Soldaten geben, der das Maul des Marktes füllt und die
wir nicht konsumieren, ­sind wir frustriert, fühlen uns      Gewinnmaximierung sicherstellt.
arm und ausgeschlossen. Wir verbrauchen und hinter-          Die Ursache für die heutige Krise liegt in der Unfähig-
lassen Abfall in solchen Mengen, dass die Wissenschaft       keit der Politik begründet. Die Politik hat nicht begrif-
meint, wir bräuchten drei Planeten, wenn die gesamte         fen, dass die Menschheit das Nationalgefühl noch nicht
Menschheit leben wollte wie ein Mittelschichts-US-Ame-       überwunden hat und sich nur schwer davon lösen kann,
rikaner. Unsere Zivilisation basiert also auf einer verlo-   denn es ist tief verankert in unseren Genen. Den­noch
genen Versprechung. Der Markt stilisiert unseren heu-        ist es heute notwendiger denn je, den Nationalismus zu
tigen Lebensstil zur all­gemeingültigen Kultur, obwohl es    bekämpfen, um eine Welt ohne Grenzen zu schaffen.
niemals für ALLE möglich sein wird, diesen angeblichen       Die größte Herausforderung heute ist, das Ganze im
“Sinn des Lebens” zu finden. Wir ver­sprechen ein Le-        Blick zu haben. Doch die globalisierte Wirtschaft wird
ben der Verschwendung und Freigiebigkeit und stellen         nur von Privatinteressen einiger weniger gesteuert, und
es zukünftigen Generationen und der Natur in Rech-           jeder Nationalstaat hat nur seine eigene Stabilität im
nung. Unsere Zivilisation richtet sich gegen alles Natür-    Blick. Als wäre das nicht schon genug, werden die pro-
liche, Einfache und Schnörkellose.                           duktiven Kräfte des Kapitalismus auch noch gefangen
Aber das Schlimmste ist, dass uns die Freiheit beschnit-     in den Tresoren der Banken, die letztendlich der Aus-
ten wird, Zeit zu haben für zwischenmenschliche Be-          wuchs der Weltmacht sind.
ziehungen, für Liebe, Freundschaft und Familie; Zeit für     Veränderungen sind dringend notwendig, setzen aber
Abenteuer und Solidarität, Zeit, um die Natur zu erfor-      voraus, dass das Leben und nicht die Gewinnmaximie-
schen und zu genießen, ohne dafür Eintritt zu zahlen.        rung kursbestimmend wird. Ich bin allerdings nicht so
Wir vernichten die lebendigen Wälder und pflanzen            naiv zu glauben, dass Veränderungen leicht zu errei-
anonyme Wälder aus Zement; Abenteuerlust begeg-              chen wären. Uns stehen noch viele unnötige Opfer be-
nen wir mit gepflegten Wanderwegen, Schlaflosigkeit          vor. Die Welt von heute ist nicht in der Lage, die Globa-
mit Tablet­ten, Einsamkeit mit Elektronik... Können wir      lisierung zu regulieren, weil die Politik zu schwach ist.
überhaupt glücklich sein, wenn wir uns dem zutiefst          Eine Zeitlang werden wir uns an den mehr oder weni-
Menschlichen entfremdet haben? ·                             ger regionalen Abkommen, die einen Freihandel vor-
Wie benommen fliehen wir vor unserer eigenen Natur,          gaukeln, beteiligen. Dann wird sich zeigen, dass sie in
die das Leben selbst als letzten Grund für das Leben         Wahrheit von notorischen Protektionisten erdacht wur-
definiert, und ersetzen sie durch nur dem Markt dien-        den. Wir lassen uns trösten von wachsenden Indus-
liche Konsu­morientierung. Und die Politik, ewige Mutter     trie- und Dienstleistungszweigen, die sich der Rettung
des menschlichen Schicksals, hat sich längst der Wirt-       der Umwelt widmen. Gleichzeitig wird die skrupellose
schaft und dem Markt unter­worfen.                           Gewinnsucht zum Wohlwollen des Finanzsystems wei-
Nach und nach ist Selbsterhalt zum Ziel von Politik ge-      ter existieren. Weiterhin werden Kriege stattfinden, die
worden, weshalb sie auch die Macht abgab und sich            Fanatismus schüren, bis endlich die Natur unserer Zi-
einzig und allein mit dem Kampf um Regierungsmehr-           vilisation Grenzen setzt. Vielleicht sind meine Vision
heiten beschäftigt. Kopflos marschiert die Menschheit        und mein Menschenbild grausam, aber für mich ist der
durch die Geschichte, alles und jedes kaufend und ver-       Mensch die einzige Kreatur, die in der Lage ist, gegen
kaufend, Mittel und Wege findend, selbst das Unver-          die Interessen der eigenen Spezies zu agieren. Die
käufliche zu vermarkten. Es werden Marketingstrate-          ökologische Krise des Planeten ist die Konsequenz des
gien für Fried­höfe und Beerdigungsunternehmen, ja           überwältigenden Triumphs menschlichen Strebens. Die
selbst für das Erlebnis Schwangerschaft erdacht.Ver-         ökologische Krise wird dem menschlichen Streben aber
marktet wird von Vätern über Müttern, auch Großeltern,       auch ein Ende setzen, wenn die Politik unfähig ist, ei-
Tanten und Onkeln bis hin zur Sekretärin, Autos und          nen Epochenwechsel einzuläuten.
Ferien, alles. Alles, alles ist Geschäft. Marketingkampa-
gnen fallen sogar über unsere Kinder und ihre Seelen         José Mujica, uruguayischer Präsident in seiner Rede
her, um über sie Einfluss auf die Er­wachsenen nehmen        vor der 68. Vollversammlung der Vereinten Nationen im
zu können und sich ein zukünftiges Terrain abzuste-          September dieses Jahres. Karl-Heinz Dewitz hat auf die
cken.                                                        Übersetzung in presente 4/13, der Zeitung der Christ-
Der Mensch unserer Tage taumelt zwi­schen Finanzie-          lichen Initiative Romero hingewiesen.
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Ökologie und Konsum

                                                     Kaffeekauf
                                                        schützt
                                                     Regenwald
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                                                                             15
Ethischer Individualismus

Individuelle Menschenbildung                                                                                         u
Für den Menschen auf seinem Lebensweg und in               Gottesbezug haben könne (wie der Materialismus
seinem Werden auf der Erde ist es letztlich einzig in-     vorschnell fehlinterpretiert), welche er im Gegenteil
teressant, was für Bildungseinflüsse auf ihn einwir-       sehr wohl haben kann und sehr individuell. Sondern
ken und wie förderlich sie für seine werdende Indi-        das Erlebnis der „Stille“ bezeichnet das „Lauschen
vidualität sind. Denn er kann gar nicht anders, als        Gottes“, welcher nur gleichsam auf die Taten des frei-
dieses einzige Individuum zu sein, welches es wahr-        en Menschen wartet.
haftig nur einmal gibt und welches mit keinem ande-        Goethe lässt im „Faust“ nicht nur den freigelassenen,
ren identisch ist und seine ureigenen Erfahrungen          suchenden Menschen auftreten, sondern gibt ihm
macht. Mit „Der Einzige und sein Eigentum“ themati-        auch noch „den Gesellen zu, der reizt und wirkt und
sierte Max Stirner diesen unverwechselbaren Wer-           muss als Teufel schaffen“. Nicht nur in eine neutrale
degang jedes einzelnen Menschen, der sich in kein          Unbestimmtheit wird der Mensch hier entlassen, son-
gleichmachendes Gruppen- oder Gemeinschaftsmo-             dern auch noch in ein Versuchungsszenario (weshalb
dell integrieren lässt, ohne darunter an irgendeiner       die Bitte „führe uns nicht in Versuchung“ berechtigt
Stelle naturgemäß leiden zu müssen. Eine „Gesell-          ist), in ein Experiment: „Und steh’ beschämt, wenn du
schaft“ erwachter Individualitäten ist also immer eine     erkennen musst: ein guter Mensch in seinem dunkeln
Gemeinschaft freier Individuen, und keine abstrakte        Drange ist sich des rechten Weges wohl bewusst!“
Macht, sei es Staat, Kirche oder welches Konstrukt         So belehrt der Schöpfer im „Prolog“ noch seinen
auch immer, kann über ihnen stehen. Diese ab-              „Knecht“ Mephisto über die Gediegenheit des Men-
strakten Institutionen sind Relikte einer Zeit, in der     schen.
der Mensch tatsächlich noch nicht sein freies, indivi-
duelles Ich, zu dem er heute erwachen kann, hat-           Hässliche Schönheit
te, sondern dieses Ich in einem Gruppengeist, einer        Wie steht es nun heute mit dieser Gediegenheit, das
Gruppenseele eingebettet sich befand, deren Spre-          „Bewusstsein des rechten Weges“? Der Mensch
cher ein Häuptling, Anführer und dergleichen war.          kann seine Freiheit und Autonomie nur dann bewah-
Diese Verhältnisse heute in moderner Zeit fortbeste-       ren, wenn er sich nicht zum blinden oder trancear-
hen lassen zu wollen, bedeutet einen Rückschritt in        tigen Mitwirkenden an undurchschauten und unbe-
die Vergangenheit, bedeutet, vor den Gegenwartstat-        wussten Konzepten degradiert. Dazu gehört auch,
sachen die Augen zu verschließen.                          dass er Gedanken oder Gedankensysteme zu hin-
Sehr vielfältig sind die Konzepte, den Menschen            terfragen lernt, die in mannigfaltiger Art auf ihn ein-
auch heute noch zu etwas Individualitätslosem, zu          stürmen, ihn regelrecht umzingeln. Diese Gedanken
einem Gruppentier, einem „Herdenschaf“ machen              können ihm nur dann förderlich sein, wenn sie das
zu wollen. Diese alten Konzepte können allesamt            Werden und die Entfaltung seiner einzigartigen Indi-
demjenigen nicht gefallen, der die Tatsache seiner ei-     vidualität unterstützen. Und derart gibt es viele Kon-
genen und einzigartigen Individualität in sich entdeckt    zepte, die nicht nur den Einzelnen in seiner Einzigar-
hat – er kann sie nicht anders, und das mit Recht, als     tigkeit nicht unterstützen, sondern ihn z.B. mit Wer-
Vernebelung von Tatsachen und Augenstreuerei be-           tungssystemen regelrecht zunichte machen wollen.
trachten. Die freie Individualität kann nichts über sich   Als einfaches Beispiel mögen etwa Schönheitsidea-
gelten lassen, ja sie kann nicht einmal Gott über sich     le genannt sein. Es ist nichts dagegen einzuwen-
gelten lassen, denn sie muss davon ausgehen, dass          den, wenn ein allgemeines Schönheitsideal heraus-
Gott eben diese freie Individualität gewollt hat und       zufinden versucht wird. Wird dieses jedoch dann
seine Oberhoheit sozusagen insofern aufgegeben             als Maßstab für den Einzelnen genommen, dessen
hat, als dass er die freie Entscheidungsfähigkeit die-     sozialer Wert fälschlich daran gemessen wird, wie
ser geschaffenen Individualität vollkommen respek-         nahe er diesem Schönheitsideal in seiner ererbten
tiert und unbeeinflusst gelten lässt. Dieses Seelener-     Erscheinungsform kommt, so wirkt hier irreführend
lebnis verfasste Angelus Silesius schon im 17. Jahr-       eine vollkommene Illusion. Es ist nicht nur für den
hundert im „Cherubinischen Wandersmann“:                   sozialen Wert eines Individuums vollkommen gleich-
“Wir beten, es gescheh’, mein Herr und Gott, dein          gültig, wie nahe er im Detail oder im Ganzen ir-
Wille!                                                     gendeinem Schönheitsideal kommt, sondern es ist
Und sieh: er hat nicht Will’, er ist ein ew’ge Stille.“    auch für eine Gesamtverschönerung der Mensch-
                                                           heit ebenso egal, an welchem Individuum er Bemü-
Es hat dies Erlebnis nichts damit zu tun, dass der         hungen zur Verschönerung anwendet (es muss gar
Mensch deswegen keine Gottesfurcht oder keinen             nicht an sich selbst geschehen!). Obwohl dies eigent-

16
Ethischer Individualismus

und Massensuggestion
lich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, sieht man     Denn das ihm zugrunde liegende Phänomen geht auf
genügend an verzweifelten Versuchen, irgendeinem            künstliche Faktoren zurück wie den Industrialismus,
Schönheitsideal nachzueifern, wie schwach es oft            der vor der Automatisierung einer hohen Zahl billi-
um die Selbstakzeptanz bestellt ist. Und dies ent-          ger Arbeitskräfte bedurfte und diese an den Produkti-
steht aus einer ungenauen Vermischung der ewigen            onsstätten in unnatürlicher Akkumulation zusammen-
Individualität des „Ich bin“ mit der ererbten Körper-       zog, wodurch das ursprünglich natürliche Verhältnis
form, die nur eine zeitlich begrenzte Erfahrungsba-         des Menschen zu den ihn ernährenden Naturreichen
sis zur Verfügung stellt. Das Ich-bin ist hingegen als      (Subsistenzwirtschaft) in zweifacher Hinsicht gestört
ewiger Funke Teil einer überzeitlichen geistigen Welt,      wurde (eine ausführliche Studie dazu gab Jeremy
welche gleichsam nur temporär zum Zwecke der Er-            Rifkin in „Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft“). Die
kenntnis und des Bewusstseinspiegels in die zeitlich        melanesische Insel Tikopia ist ein bekanntes Mu-
begrenzte Form hineintropft. Daher ist aller Schön-         sterbeispiel dafür, dass eine unbeeinflusste Urein-
heitskult nur solange gut, als er in einer spielerischen    wohnerschaft ihre Anzahl über Tausende von Jah-
Form Ausdrucksmöglichkeiten üben lehrt (ähnlich             ren konstant zu halten in der Lage war. Es ist also
einem verlängerten Verkleidungsspiel der Kindheit),         eine völlige Selbsttäuschung, typischerweise wieder
wird aber dort bedenklich und untauglich, wenn er           des egozentrisch-betriebsblinden und erkenntnisre-
ein Individuum zu Selbstzweifeln oder gar Selbsthass        sistenten „Weißen Mannes“, dass native Völker vor
verführt, indem es zu hoch gesteckten und unprak-           allem „Schuld“ an einer vermeintlichen Überbevölke-
tischen Zielsetzungen nicht Genüge tun zu können            rung seien. Der eigene Eingriff in solche jahrtausen-
vermeint. Dies gilt auch ganz allgemein für die Ideale      delang stabilen und naturverträglichen Kulturen wird
des „Erfolgreichen, Glücklichen, Reichen, Beliebten,        dabei vollkommen ausgeblendet, während die eigene
Tüchtigen“ usw. schlechthin. Zeigen sich diese Ideale       zivilisatorische naturausbeutende und naturzerstö-
als „unerreichbar“ für den Einzelnen, so entfalten sie      rende Tätigkeit eigentlich überdeutlich ist.
negative Kraft und beweisen damit nur, dass sie nicht       Unabhängig von der sachlichen Richtigkeit oder Un-
allein förderlich sind. Denn wie sollte derjenige, der      richtigkeit eines Gedankens stellt sich die Frage:
sich „zu dick, zu hässlich, zu schlapp, zu erfolglos“       „Was macht der Gedanke mit mir?“, also welchen
und dergleichen fühlt, jemals mit diesen Idealen mit-       fördernden oder hemmenden Wert hat er in Bezug
halten können? Hier nun gibt z.B. der Darwinismus           auf meine Einzigartigkeit (also die eines Jeden)? Soll
in seiner plumpen und populistischen Variante (die          etwa der darwinistische Auslese-Gedanke dazu füh-
Darwin selbst stets fragwürdig war) noch eins drauf,        ren, dass „ich“ also zu schwach zur durchsetzungs-
indem er das „Schwache, Schlechte“ usw. einem               fähigen Existenz (im sozialen Miteinander) sei und
„natürlichen Ausleseprozess“ unterwirft, ihm also die       daher zu „verschwinden“ habe? Erst unter einer sol-
Daseinsberechtigung abspricht. Es können daher im           chen kernbezogenen Fragestellung entpuppt sich
Seelenleben nicht nur die Selbstvernichtungsgedan-          das Verheerende und Mörderische solcher Gedan-
ken auftreten, sondern es kann darin sogar noch et-         ken, solcher „kreidefressenden Wölfe“, in Bezug auf
was „Berechtigtes“ gesehen werden, was aber voll-           den Menschen. Soll der Überbevölkerungs-Gedanke
kommen illusionär mit der inneren immanenten Exi-           dazu führen, dass ich mich – oder irgendein anderes
stenzberechtigung jedes Einzelnen kollidiert.               Ich sich – auf diesem Planeten überflüssig fühlen
                                                            soll, wie es Malthus, der „christliche Pfarrer“, noch in
„Auslese“ und „Überbevölkerung“                             einer später gestrichenen Passage der Erstausgabe
Ebenso wie der Auslese-Darwinismus ist auch der             „Essay on the Principle of Population“ schreibt:
„Überbevölkerungs“-Gedanke eine Attacke auf das             „Ein Mensch, der in einer schon occupierten Welt ge-
Menschentum schlechthin. Ausgerechnet ein Pfarrer,          boren wird, wenn seine Familie nicht die Mittel hat,
Thomas Malthus, hat ihn aufgebracht, aber ihn sicher        ihn zu ernähren oder wenn die Gesellschaft seine
nicht auf sich selbst bezogen, der nebenbei Anteils-        Arbeit nicht nötig hat, dieser Mensch hat nicht das
eigner und als Dozent noch Kostgänger der lukra-            mindeste Recht, irgend einen Teil von Nahrung zu
tiven britischen Ostindien-Gesellschaft war – nach          verlangen, und er ist wirklich zu viel auf der Erde. Bei
heutigen Begriffen also ein „Schreibtischtäter“. Der        dem großen Gastmahle der Natur ist durchaus kein
Überbevölkerungs-Gedanke, der allein das Maßver-            Gedecke für ihn gelegt. Die Natur gebietet ihm abzu-
hältnis einer menschlichen Besiedelung im Verhält-          treten, und sie säumt nicht, selbst diesen Befehl zur
nis zur gebietsbezogenen landwirtschaftlichen Pro-          Ausführung zu bringen.“
duktivität beschreibt, ist in vieler Hinsicht fragwürdig.   Schnell sollte deutlich werden, dass die von außen

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Ethischer Individualismus

                                                         Naturwesen und                                           E
an den Menschen herantretenden Gedanken sehr             Auch wenn es dem Menschen nicht bewusst ist: Es
„mit Vorsicht zu genießen“ sind, dass sie sorgfäl-       ist das Lebendige, die lebendigen Qualitäten in sei-
tig auf ihre Herkunft und ihren Bezug hin zu prüfen      ner Nahrung, die ihn am Leben erhalten. Auch wenn
sind, und dass sie im Grunde unnütz sind, wenn sie       die zivilisierte Menschheit noch weit von einer Le-
nichts zur Entwicklung und zur Wohlfahrt des nun         benswissenschaft entfernt ist, so sind es wenigstens
einmal existenten individuellen Menschen beitra-         gute und richtige Instinkte, die sie zur Ökologiebe-
gen. So sind die Gedanken der „Auslese der Tüch-         wegung und zum Ausbau der biologischen Landwirt-
tigsten“ sowie der „Überbevölkerung“ beispielswei-       schaft geführt haben. Um das „Od“, den lebendigen
se feindlich gegen das Individuum gesinnt. Es rührt      Äther in den Nahrungsmitteln unmittelbar wahrzuneh-
daher, dass sie aus nicht-menschlichen Bereichen         men, muss man hellsichtig sein. Die Keime dazu lie-
stammen, in denen es kein geistiges Individuum und       gen in jedem Menschen, und er rührt sie an, wenn er
sein immanentes Existenzrecht gibt. Der Darwinis-        etwa vom „Charisma“ oder der „Ausstrahlung“ eines
mus ist der Beobachtung der Naturreiche entnom-          Menschen spricht, die ja physisch nicht sichtbar sind.
men und der Malthus’sche Gedanke der politischen         In der Ernährung äußern sich höhere Qualitäten z.B.
Ökonomie, also einer Bodenwirtschaftsbetrachtung.        im Aroma, im Duft, auch in der natürlichen Haltbar-
Beide berücksichtigen nicht die Realität der geistigen   keit ohne Konservierungsstoffe, in der Sättigungsfä-
Existenz des Menschen, sein ewiges und unzerstör-        higkeit. Das „Verhungern an vollen Tischen“ ist ein
bares „Ich bin“, können also nur dessen Umgebungs-       typisches Zeichen industrieller Massenproduktion
bedingungen thematisieren. Dieses individuelle Ich-      von „Lebensmitteln“, die diesen Namen nicht mehr
bin ist jedoch der essentielle innerste Existenzgrund    verdienen. Ekkehard Wroblowski, ein Eingeweih-
des Menschen, und also muss es selbstverständlich        ter der Erde, unterschied etwa zwischen „Lebens-
zur Ausgangsbasis einer jeglichen Sozialgestaltung       mittel, Nahrung, Futter, Stoff“ – einer stufenweisen
gemacht werden, als einer Gemeinschaft freier Indi-      Skala des Verlustes von Lebenskräften. Durch die
viduen, innerhalb derer es keine mehr oder weniger       industrielle Produktion sind viele Nahrungsprodukte
„daseinsberechtigten“ Individuen geben kann. Pla-        auf die „Futter“-Ebene herabgesunken, wenn nicht
nungen einer Zukunftsvorsorge oder Gegenwarts-           gar – auch durch das reine Stoff-Denken beeinflusst
regelung dürfen niemals gegen ein vorhandenes            – schon völlig auf die lebensschwache bis leblose
Ich-bin gerichtet sein, andernfalls trügen sie nicht-    „Stoff“-Stufe. Es wird dies durch Zusatz von anrei-
menschlichen, unmenschlichen Charakter. (Dies            zenden „Geschmacksverstärkern“, künstlichen Aro-
spricht z.B. nicht gegen eine verantwortungsvolle        mastoffen usw. zu vernebeln und zu vertuschen ver-
„Geburtenkontrolle“, die besser Vermehrungskontrol-      sucht. Jedoch schaffen diese Zusatzstoffe meist ne-
le hieße.)                                               ben dem ersten Problem noch ein zweites, und ste-
                                                         hen vielfach wohl nicht zu Unrecht im Verdacht der
                                         Andreas Pahl    Cancerogenität. All dies nur, um sich über den Rück-
       Der 2. Teil erscheint in der nächsten Ausgabe.    gang der Lebenskräfte in nicht naturgerechter Bear-
                                                         beitung zu betäuben. Ein Aufwachen zur natürlichen
                                                         Lebenswelt wäre besser.
                                                         Die Entwicklung objektiver Hellsehens-Fähigkeiten
                                                         ist gewiss nicht einfach und „von heute auf morgen“
                                                         zu erledigen. Das größte Hindernis ist aber meist
                                                         der Unglaube und die Angst vor den eigenen Fä-
                                                         higkeiten. Möglicherweise sitzen hierbei den Men-
                                                         schen noch Erinnerungen an die eigenen Schand-
                                                         taten tief im Unterbewusstsein, die etwa zum „Un-

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