KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...

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KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT
                              2019

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KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
INHALTS-
                                                                                                             VERZEICHNIS
                                                                         		            Für mehr Selbstbewusstsein
                                                                          Alfred Riedl der ländlichen Räume                                  02

                                                                         		            Die liebe Not
                                                                          Walter Leiss mit den Normen                                        08

                                                                                   Sonja Ottenbacher    Vizepräsidentinnen im Gemeindebund
    Der „Kommunale Zukunftsbericht“ ist eine Publikation des                     Roswitha Glashüttner   Mein Weg an die Spitze               16
    Österreichischen Gemeindebundes, die jährlich erscheint.
                                                                         		              100 Jahre Frauenwahlrecht
    Er ist ein offener publizistischer Thinktank, in dem Menschen aus     Sibylle Hamann Das Ende des Duldens                                24
    vielen unterschiedlichen Bereichen über Zukunftsfragen für
    Gemeinden nachdenken. Kontroversielle Meinungen und Beiträge                       Evelyn Regner    Sozialer Wohnbau
    sind dabei erwünscht, nicht jeder Beitrag entspricht der Meinung                  Michaela Kauer    im europäischen Spannungsfeld        32
    oder Position des Österreichischen Gemeindebundes.
                                                                         		             Regionale Entwicklung
    Dieser Bericht hat eine Auflage von rund 3.500 Stück in gedruckter    Gerald Mathis Ignoranz der Politik spaltet das Land                40
    Form und ergeht so an zahlreiche Meinungsträger/innen und
    Meinungsbildner/innen in unserem Land.                               		            Die Zukunft
                                                                          Simon Rosner des ländlichen Arbeitsmarkts                          48

                                                                         		                Chancen & Grenzen
                                                                         Christian Härting der Zusammenarbeit                                62

                                                                         		             Ein Plädoyer für den
                                                                          Verena Konrad kulturellen Wert des Gebauten                        70

                                                                         		              Wohnraummodelle für junge Erwachsene
                                                                          Johann Lefenda im ländlichen Raum                                  76

                                                                                                        Mit intelligenter Verschwendung
                                                                                  Nikolaus Lienbacher   die Welt retten                       82

    Titelbild: Bernhard Wimmers Aufnahme des Skywalks in der              Der Österreichische Gemeindebund
                                                                         		                                                                  90
               Gemeinde Hohe Wand hat sich unter fast 1.200 beim
               Fotowettbewerb des Österreichischen Gemeindebundes         Was unsere Gemeinden leisten
                                                                         		                                                                  102
               eingereichten Fotos durchgesetzt. Dieses Foto wurde von
               den Kommunalnet-User/innen zum schönsten Foto gewählt.     Impressum, Bild- und Quellennachweis
                                                                         		                                                                  104

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KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
FÜR MEHR SELBSTBEWUSSTSEIN
                                                      DER LÄNDLICHEN RÄUME

                                      Stadt gegen Land? Stadtregio-       mehr Orte, die sich mit innova-      Mit der allgegenwärtigen Verfüg-
                                      nen gegen ländliche Regionen?       tiven Ideen neues Leben einge-       barkeit und Vernetzung von Infor-
                                      Glasfaser und schnelles Internet    haucht haben. Dass diese Ent-        mationen zu jeder Zeit an jedem
                                      auch am Land? Oder doch ländli-     wicklung nicht einfach ist und es    Ort scheint die Welt immer mehr
                                      che Räume aufgeben, was deut-       kein Patentrezept dafür gibt, das    zu einem „globalen Dorf“ zusam-
                                      sche Wissenschaftler schon für      im Waldviertel genauso gilt wie      menzuschrumpfen. Ob in Wien
                                      den Osten Deutschlands emp-         in der Südoststeiermark, ist klar.   oder in Andau, ob in Salzburg
                                      fohlen haben? Als Kommunalpo-       Aber die Entwicklungen rund um       oder in Gramais – der Wohnort
                                      litiker heißt es heute, besonders   uns zeigen, dass gerade im länd-     ist heute nicht mehr relevant,
                                      wachsam zu sein und dagegen-        lichen Raum auch viele Chancen       wenn es um Information, Aus-
                                      zuhalten: Die Landgemeinden,        liegen, die es in den nächsten       tausch und Teilhabe geht. Und
                                      die ländlichen Regionen sind        Jahren zu nutzen gilt.               die fortschreitende Digitalisie-
                                      heute mehr denn je gefordert,                                            rung, die Verfügbarkeit schneller
                                      sich in der täglichen politischen   Heutzutage verschwimmen die          Internetanschlüsse, wird auch
                                      Debatte Gehör zu verschaffen.       Grenzen zwischen Stadt und           immer mehr Menschen die Mög-
                                      Wenn Ökonomen offen über das        Land immer stärker. Die „Speck-      lichkeit bieten, dort zu arbeiten,
                                      Aufgeben der Peripherie nach-       gürtel“ rund um die Städte           wo sie leben wollen.
                                      denken, weil sich deren Erhalt      wachsen immer mehr ins weite
                                      wirtschaftlich nicht lohne, gilt    Land hinaus, mit all den Her-        Betrachtet man das Zusammen-
                                      es, besonders selbstbewusst         ausforderungen, die durch den        wachsen der Ballungsräume
                                      aufzutreten. Denn bei der Frage     Zuzug entstehen. Man muss            in den letzten Jahren und Jahr-
                                      der ländlichen Räume geht es        heute im politischen Alltag die      zehnten, so sieht man, dass die
                                      um eine Existenzfrage für die       Regionen rund um die Städte als      Menschen die Nähe zur Stadt
                                      Gemeinden, für die Bürgerinnen      „Regiopole“ sehen: Räume und         als Arbeitsplatz und die Gemein-
                                      und Bürger.                         Gemeinden, die auf eine Stadt        de am Land als Lebensort schät-
                                                                          hin ausgerichtet sind. Denn öf-      zen und lieben gelernt haben.
                                      Wir sehen es deutlich, wenn wir     fentlicher Verkehr und auch gut      Mit all den unterschiedlichen
    Bgm. Mag. Alfred Riedl            in die Städte und Gemeinden bli-    ausgebaute Straßennetze ver-         Herausforderungen, die durch
    Präsident des                     cken: Das Leben pulsiert nicht      binden Städte und Regionen und       den Zuzug in den Regionen ent-
    Österreichischen Gemeindebundes   nur in den Städten. Immer mehr      schaffen damit eng verknüpfte        stehen, spüren wir, dass diese
                                      Gemeinden in den ländlichen Re-     Ballungsräume.                       Entwicklung noch lange nicht zu
                                      gionen blühen auf. Es gibt immer                                         Ende ist. Im Gegenteil: Ich bin
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KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
FÜR MEHR SELBSTBEWUSSTSEIN
                                                                                                                               DER LÄNDLICHEN RÄUME

    davon überzeugt, dass viel mehr      unseres Landes. Gleichzeitig       gender Flächen. Die Bürgermeis-    auf der anderen Seite immer we-      Grund auf bestimmt. In der Ver-     zur Fertigungsstraße liefern und
    Menschen als heute eigentlich        kommen die Vorzüge des Land-       terinnen und Bürgermeister sind    niger bereit, sich für andere zu     gangenheit hat man dort gelebt,     mit Robotern das neueste Auto
    am Land leben wollen, wenn           lebens immer öfter direkt in die   hier besonders in der Pflicht,     engagieren. Die Bürger verlieren     wo es Arbeit gab und wo man         vom Band schicken. Man kann
    sie auch dort arbeiten könnten.      Stadt: von begrünten Hausfas-      verantwortungsbewusst mit den      auch immer mehr die Geduld mit       geboren wurde. Im Mittelalter       diese Entwicklung jetzt gut oder
    Oder, wenn ihnen dort, wo sie le-    saden und Dächern über städti-     Ressourcen umzugehen.              der Politik: Sie rufen zwar nach     etwa wanderte nur etwa ein Pro-     schlecht finden. Klar ist aber:
    ben, Angebote aus den Städten        sche Imkerei bis hin zu „Urban                                        tiefgreifenden Reformen, geben       zent der Bevölkerung vom ange-      Sie hat bereits begonnen und
    rasch geliefert werden und sie       Gardening“.                        90 Prozent der Weltbevölkerung     aber denen, die sie regieren, kei-   stammten Territorium aus und        wird sich immer schneller fort-
    diese in der Nähe auch selbst                                           konzentrieren sich auf Metropol-   ne Zeit für die Umsetzung.           blieb das ganze Leben lang dort,    setzen, ob wir wollen oder nicht.
    erreichen können.                    Klar ist, dass Städte und Regi-    regionen und „Megastädte“ mit                                           wo es die Arbeit verlangte. Die
                                         onen unterschiedliche Heraus-      zig Millionen Einwohnern. Mit      Aber gerade in den kleineren Ge-     Konzentration von Wirtschaft, In-   Mit dem Fortschritt verändert
    Diese Veränderungen werden           forderungen und auch verschie-     dem Blick auf diese Metropolen     meinden, im ländlichen Raum,         dustrie, Absatzmarkt und Dienst-    sich auch unsere Arbeitswelt.
    sich nicht aufhalten lassen:         dene Aufgaben haben. Dennoch       wirken unsere Herausforderun-      finden die Menschen noch die         leistungsangeboten haben aus        Gab es 2004 noch zwei Prozent
    Wenn wir nur zehn Jahre zurück-      gilt es, Metropolregionen ge-      gen, unsere Diskussionen zwi-      Gemeinschaft, die sie in den         Dörfern und Siedlungen im Lauf      Telearbeitsplätze, arbeiteten im
    denken, dann hat es in diesen        meinsam zu denken. Denn die        schen den Ballungsräumen und       Städten immer stärker vermis-        der Jahrhunderte Städte und         Jahr 2016 schon 16–20 Prozent
    zehn Jahren mehr Innovationen        Menschen denken schon lange        den Regionen, vergleichsweise      sen. Dort, wo Brauchtumsver-         Großstädte geformt.                 der Arbeitnehmer weltweit ganz
    und technischen Fortschritt ge-      nicht mehr in Gemeindegrenzen      unbedeutend. Dennoch sind un-      eine, Feuerwehren und Sport-                                             oder teilweise von zu Hause aus.
    geben als in den 70 Jahren da-       und sind heute mobiler denn je.    sere 2.096 Bürgermeisterinnen      vereine zu regelmäßigen Festen       Aber vieles, was diese urbane       Dank des Fortschritts können
    vor. Und in den letzten Jahren hat   Wenn wir etwa über die Finanzie-   und Bürgermeister tagaus, tag-     laden und Heurigen und Wirts-        Konzentration bisher gerecht-       die Menschen immer öfter dort
    es auch gegenüber dem „Land“         rung der Kommunen diskutieren,     ein gefordert. Wir spüren, dass    häuser die Menschen zusam-           fertigt hat, ist heute auf jedem    arbeiten, wo sie leben wollen.
    einen Einstellungswandel gege-       müssen alle Seiten die unter-      sich unsere Welt, unsere Wer-      menbringen, findet man heute         Smartphone vereint. Die alte        Man wird nicht mehr 40 Stunden
    ben. War man vor zwanzig, drei-      schiedlichen Bedürfnisse und       te immer mehr verändern. Die       noch die Heimat, die so viele su-    Ökonomie der Produktion vor Ort     an einem Ort im Büro verbrin-
    ßig Jahren noch ein „Provinzler“,    Anforderungen berücksichtigen.     Digitalisierung schreitet voran    chen. Aber auch diese Heimator-      in Verbindung mit einem nahen       gen, sondern über Cloud-Syste-
    wenn man eine Stunde von der         Klar ist aber auch, dass Gemein-   und bestimmt unser Arbeiten,       te sind gefordert, auf die neuen     Absatzmarkt ist heute schon         me mit den Kollegen kommuni-
    nächsten mittleren und größe-        den in den „Speckgürteln“ auch     unser Zusammenleben immer          Entwicklungen zu reagieren, die      längst überholt. Die digitale       zieren und international vernetzt
    ren Stadt entfernt gewohnt hat,      immens gefordert sind, was         mehr. Obwohl die digitalen Mög-    zum Beispiel die Digitalisierung     Ökonomie bricht alte Strukturen     arbeiten.
    so ist das Landleben heute zum       den Flächenbedarf für die vielen   lichkeiten die Menschen immer      mit sich bringt.                     auf. Handelszentren und der sta-
    Sehnsuchtsort vieler Städter         Menschen betrifft, die am Land     rascher und schneller vernetzen,                                        tionäre Handel werden immer         Junge Menschen bevorzugen
    geworden. Das Zweithaus, die         leben wollen. Hier braucht es      nehmen Individualismus und         Die Entstehung der Metropolen        mehr durch den Onlinehandel         immer mehr das Leben auf dem
    Zweitwohnung am Land, zählt          auch in Zukunft einen besonne-     Egoismus zu und fordern unsere     und Städte ist eng verknüpft mit     abgelöst und Industriebetriebe      Land. Sie suchen nach Sinn in
    heute fast schon zur Grundaus-       nen Umgang mit dem zur Verfü-      gewachsenen Gemeinschaften.        Handel, Handwerk und Industri-       können durch künstliche Intel-      der Arbeit, beim Konsum und
    stattung der bürgerlichen Mittel-    gung stehenden Boden wie auch      Die Menschen verlangen immer       alisierung. Die Arbeit hat lange     ligenz Autoteile aus der ganzen     beim Tourismus. Damit gibt es
    schicht in den größeren Städten      die sinnvolle Nutzung brach lie-   mehr nach Solidarität, sind aber   das Leben der Menschen von           Welt zum richtigen Zeitpunkt        mehr Chancen der Re-Regio-
4                                                                                                                                                                                                                           5
KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
FÜR MEHR SELBSTBEWUSSTSEIN
                                                                                                                              DER LÄNDLICHEN RÄUME

    nalisierung der Wirtschaft. Der     Im Jahr 1980 waren weltweit           Oberösterreich anführen, wo       sie haben, das Beste machen.
    Wunsch zum Einkauf direkt beim      400 Millionen Touristen unter-        abwechselnd ganze Regionen        Damit sie gemeinsam mit ihren
    Produzenten hat auch schon          wegs. Im Jahr 2030 werden es          erfolgreich touristisch neu ge-   Bürgerinnen und Bürgern ihre
    in Österreich Unternehmer auf       schon zwei Milliarden Reisende        dacht werden und auch dement-     Kommunen gestalten können
    die Idee gebracht, Kunden und       sein. Dabei konzentrieren sich        sprechend investiert wird. Das    und damit auch den ländlichen
    Produzenten noch enger zu ver-      heute 95 Prozent der Touristen        beginnt bei interessanten Aus-    Regionen, den Kraftzentren un-
    netzen und direkt ab Hof die ge-    auf fünf Prozent aller Reisezie-      stellungen, geht über gastrono-   seres Landes, neue Chancen
    wünschten Produkte zu liefern.      le. Jede Region, jede Stadt und       mische Angebote und reicht bis    und Perspektiven geben.
                                        jedes Dorf muss sich die Frage        zum Ausbau des Radwegenetzes
    Um Arbeiten von zu Hause aus zu     stellen, was sie für Touristen ein-   im Umkreis der Landesausstel-
    erleichtern und neue Start-ups      zigartig macht. Seien es histori-     lung. Ganze Regionen schließen
    in der Peripherie zu ermöglichen,   sche Wurzeln, die Landschaft,         sich dabei zusammen, ziehen an
    brauchen wir auch eine flächen-     Brauchtum, Kultur, Kunst oder         einem Strang, gewinnen neues                                       Alfred Riedl, 65,
    deckende digitale Infrastruktur,    die Menschen: Touristisches           Selbstbewusstsein und stärken
    die dem steigenden Bedarf nach      Potenzial hat jede Gemeinde in        ihre regionale Identität.                                          ist Präsident des Österreichi-
    Download- und Uploadleistun-        unserem Land.                                                                                            schen Gemeindebundes und
    gen nachkommt. Glasfaser ist                                              Für die Zukunft gilt nun: Mehr                                     seit 29 Jahren Bürgermeister
    deswegen auch klar ein Ele-         Damit einhergehend ist natürlich      Mut für neue Ideen. Mehr ge-                                       seiner Heimatgemeinde Gra-
    ment der Daseinsvorsorge, wie       auch der Ausbau der Infrastruk-       stalterische Spielräume für die                                    fenwörth in Niederösterreich.
    Wasser, Kanal und Strom. Zur        tur wichtig. Denn ohne Verkehr-       Regionen. Und mehr (Eigen-)
    Finanzierung soll etwa ein Glas-    sanbindung sind auch alle guten       Verantwortung für die Gemein-
    faserfonds, wie der Wasserwirt-     touristischen Ideen nicht zu er-      den. Die Gemeinden brauchen
    schaftsfonds, eingerichtet wer-     reichen und damit uninteres-          sich nicht zu Sklaven des Zeit-
    den, damit die Gemeinden nicht      sant. Das ist auch eine wichtige      geistes zu machen und jeder
    alleine dastehen.                   Verantwortung der Politik: Impul-     vermeintlichen „Innovation“ der
                                        se in den Regionen zu setzen, In-     Städte hinterherhecheln. Mit
    Mit dem Blick auf die steigen-      frastrukturen zu optimieren und       einer gehörigen Portion Selbst-
    den Tourismuszahlen weltweit        die Bewohner der Provinz vom          bewusstsein und Selbstvertrau-
    wird klar: Der ländliche Raum       gemeinsamen touristischen Pro-        en müssen die Gemeinden und
    in unserem Land hat noch eini-      jekt zu überzeugen. Beispielhaft      ländlichen Räume ihre Chancen
    ges an Potenzial, obwohl schon      kann ich hier die Landesausstel-      erkennen und aus den Res-
    vieles erfolgreich genutzt wird.    lungen in Niederösterreich oder       sourcen und Möglichkeiten, die
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DIE LIEBE NOT
                                                                                      MIT DEN NORMEN
                                  Unser ganzes Leben besteht           Während der einzelne Bürger im       einen wird das Zustandekom-
                                  aus Normen. Wir schreiben auf        Alltag die Normen kaum spürt,        men der Normen abseits der
                                  genormtem Papier mit einem           obwohl sie omnipräsent sind,         gesetzlichen Wege kritisiert,
                                  genormten Bleistift oder Kugel-      haben sie für die Wirtschaft eine    zum anderen werden Normen
                                  schreiber und stecken einen          ganz wichtige Funktion: Sie ma-      sehr oft in Gerichtsverfahren als
                                  Brief in ein genormtes Kuvert,       chen die Erzeugung effizienter       Richtschnur (Stand der Technik)
                                  der vom Empfänger aus einem          und in weiterer Folge auch kos-      von Sachverständigen herange-
                                  genormten Postkasten heraus-         tengünstiger. Daher ist es in der    zogen und nicht mehr auf den
                                  geholt wird. Über diese kleinen      Praxis vor allem die Wirtschaft,     Einzelfall eingegangen. Beides
                                  Dinge hinaus ist auch festgelegt,    die sich sehr aktiv am Normie-       führt dazu, dass die Grenzen
                                  wie wir bauen, wie wir unsere Ab-    rungsprozess beteiligt: Nur rund     zwischen Normen und Gesetzen
                                  wasserwirtschaft organisieren        fünf Prozent aller normierenden      zunehmend verschwinden.
                                  und vieles mehr.                     Organisationen sind Universitä-
                                                                       ten, Schulen oder die Forschung.     Das Besondere an Normen ist,
                                  Fast 23.000 Normen haben in          Bund, Länder und Gemeinden           dass sie nämlich weder vom Ge-
                                  Österreich Gültigkeit. Rund sie-     machen fast sieben Prozent der       setzgeber als Gesetz noch von
                                  ben Prozent sind rein nationale      über 2.100 teilnehmenden Or-         Verwaltungsbehörden als Ver-
                                  Normen. Der Rest ist aufgrund        ganisationen aus. Überwiegend        ordnung erlassen wurden. Jede
                                  der Globalisierung entweder in-      große und einige kleine Unter-       Baubehörde wendet sie jedoch
                                  ternational (ein Prozent) oder       nehmen hingegen stellen fast         in den Bauverfahren an, weil in
                                  europäisch (92 Prozent). Dazu        80 Prozent der Experten für Nor-     vielen Baugesetzen steht, dass
                                  kommen mit 0,3 Prozent die so-       mierungsgremien.                     nach dem „letzten Stand der
                                  genannten DIN-Normen. Dabei                                               Technik“ gebaut werden soll.
                                  handelt es sich um freiwillige       Während Normen für viele Tei-        Als einzige Richtschnur dienen
                                  Normen, die vom Deutschen Ins-       le der Wirtschaft und damit am       hier nur die Normen. Kommt es
                                  titut für Normen erstellt wurden.    Ende auch für die Bürger sehr        zu Gerichtsverfahren, setzt sich
                                  Die Zahl der nationalen Normen       positiv sind, weil sie Technik ei-   auch kein Sachverständiger über
Dr. Walter Leiss                  ist seit einigen Jahren wieder       ner breiten Bevölkerungsschicht      sie hinweg. Gestützt auf die Ver-
Generalsekretär des               leicht rückläufig, weil internati-   zugänglich machen, häufen sich       kehrssicherungspflichten oder
Österreichischen Gemeindebundes   onale Normen rein österreichi-       gleichzeitig die Klagen über die     Bauwerkshaftung nach § 1319
                                  sche ersetzen.                       „Normenwut“. Diese läuft vor         ABGB wird von den Gerichten
                                                                       allem auf zwei Ebenen ab: Zum        geurteilt, ob Gebäude ordnungs-
                                                                                                                                                9
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Normenwesen
 Das Normwesen imim  Überblick
                  Überblick

                                                                 Erste Norm

20 ‐ 350 €                                                      1921

                                                                                Metrische
                                                                                Gewinde
kostet eine Norm (in Paketen                  Euro               ÖNORM                                                                                                                                                     DIE LIEBE NOT
1 kann sich dies bis
  Euro senken)
                                      kostet es, sich an der
                                      Normung zu beteiligen      M 1501                                                                                                                                                 MIT DEN NORMEN

                                 4%
Normierende                                 aller
                                                                                                                                                                     gemäß errichtet und erhalten
                                                                                                                                                                     werden. Maßstab für die ge-
                                                                                                                                                                                                          Gleichzeitig werden Normen er-
                                                                                                                                                                                                          arbeitet, die immer weitreichen-
                                                                                                                                                                                                                                             vorprogrammiert. Beispielswei-
                                                                                                                                                                                                                                             se neue Stiegen wegen geänder-
Organisationen:                             ÖNORMEN                                                                                                                  richtlichen Entscheidungen ist       dere Folgen für die Gesellschaft   ter Stufenhöhe, neue Geländer

                                                                      3.000
                                                                                                                                                                     die Beurteilung durch Sachver-       haben: Die Ö-Norm B 1300 wird,     oder ein Fenstertausch und eine

                                                               Fast
                                         sind gesetzlich                                                                                                             ständige. Für diese ist der Stand    vereinfacht gesagt, so verstan-    Wärmedämmung etc., weil der
                                                                                                                                                                     der Technik, d. h., die Einhaltung   den, dass alle Gebäude jeweils     bisherige Zustand nicht mehr
                                         verbindlich                                                                                                                 der aktuellen Normen, relevant.      dem Stand der Technik entspre-     den Normen entspricht. Dass

    ternehm                                                     Normen sind dem                                                                                      Dabei wird auf den Unterschied       chen und laufend adaptiert wer-    damit dem für das Bauverfahren

   n
                                                                                                                                                                     zwischen Stand der Technik und       den müssen.                        geltenden Grundsatz, dass ein

    80%                                                         Bereich „Bauen“
               en

                                                                                                                                                                     Normen nicht mehr eingegan-                                             Objekt dem Zustand entspre-

                                 7%
U

                                            rein nationale                                                                                                           gen. Für die Haftung ist es nicht    „Daraus resultieren zahlreiche     chen müsse, wie es bewilligt

                                                                zuzurechnen
                                                                                                                                                                     entscheidend, ob das Vorhaben        Prüf-, Kontroll- und Überwa-       wurde, widersprochen wird, stört

                                                                                            Quelle: austrian-standards.at. Grafik: Putzkers Grafikteam/Max Fabigan
                                            Normen                                                                                                                   dem Gesetz entspricht, sondern       chungspflichten, um für den si-    nicht.

                                 22.751
                                                                                                                                                                     ob die Normen eingehalten sind.      cheren Zustand des Gebäudes
                                                                                                                                                                                                          Sorge zu tragen und den vom        Der „Häuslbauer“ wird davon
    son
          s t . 7%                                                                                                                                                   Eine Lösung für diesen Teu-          Gebäude ausgehenden Gefah-         weniger betroffen sein, aber

                                                                      Meistverkauft:
                                                                                                                                                                     felskreis scheint nicht in Sicht.    ren entgegenzuwirken sowie         eine    besondere   Bedeutung

                                 Normen gesamt                                                                                                                       Zum einen bräuchte es wahr-          erkennbare Gefahren zu verhin-     kommt dem im großvolumigen

                                                                      ÖNORM
                                                                                                                                                                     scheinlich eine grundsätzliche       dern“, heißt es auf der Home-      Bau zu. Man darf gespannt sein,
       7% Gemeinden,                                                                                                                                                 Entrümpelung der fast 3.000          page des TÜV.                      wie in Wien der überwiegende
         Länder, Bund                                                                                                                                                Normen allein im Baubereich,                                            Altbestand an Häusern saniert

                                                                      B 2110
                                                                                                                                                                     außerdem eine Definition, was        Eine Menge an Form- und Re-        wird und welche Kosten dann
                                                                                                                                                                     unter „Stand der Technik“ zu         gelblättern wurde entwickelt,      auf die Mieter und Eigentümer

 4.146                            4.343
                                                                                                                                                                     verstehen ist, und zum anderen       um diesen Vorgaben zu ent-         zukommen.
                                                                                                                                                                     bräuchte es hier eine gesetz-        sprechen. Diese unterstützen
                                                                            Allgemeine.
                               2018
                     2017

                                                                                                                                                                     liche Klarstellung, ob wirklich      zwar den Eigentümer oder die       Die zweite Dimension der Pro-
                                                                Vertragsbestimmungen                                                                                 immer der Stand der Technik zu
                                                                                                                                                                     beurteilen ist oder ob vielmehr
                                                                                                                                                                                                          Hausverwaltung, zeigen aber
                                                                                                                                                                                                          gleichzeitig auch auf, dass die
                                                                                                                                                                                                                                             bleme in der Normensetzung
                                                                                                                                                                                                                                             passiert im Prozess selbst. Da
 Anstieg der Teilnehmenden in Komitees und                            für Bauleistungen                                                                              auf den Einzelfall eingegangen       Gebäude nicht mehr dem Stand       Normen ähnlich wie Recht be-
                                                                     Werkvertragsnorm                                                                                werden müsste.                       der Technik – was sie auch nicht   handelt werden, in einzelnen Ge-
 Arbeitsgruppen                                                                                                                                                                                           müssen – entsprechen. Kost-        richtsverfahren sogar den Geset-
                                                                                                                                                                                                          spielige Sanierungen sind damit    zen übergeordnet werden, muss
                                                                                                                                                                                                                                                                                11
KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
Wie
  WieNormen     entstehen
      Normen entstehen

     In diesen Phasen
     kann sich jede/r
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                                    en
                                                                                              Pr
                                                                                                o
                                                                                            ko jek
                                                                                              mm ta
                                                                                                                                                                                                                                                                                  DIE LIEBE NOT
                                  er
                               isi                                                               en ntra
                                                                                                                                                                                                                                                                               MIT DEN NORMEN

                                                         Id
                              a                                                                    tie

                                                           ee
                                                                Pr                                    r
                            u

                                                                  oj

                                                             ,

                                                                                                          g
                          kt

                                                                    ek
                        fa

                                                                                                         en
                                                                      tan
                      ar

                                                                         tra
                    ed

                                                                            g
                  iB

                                                                                                                                                                                                                           man sich die Frage stellen, ob       überschritten. Diese Norm stellt     sches Defizit zu erkennen. In der

                                                                                                                  Ko
                be

                                                                                                                                                                                                                           sich hier nicht ein juristisches     sich mit ihrem Inhalt über Lan-      Praxis jedoch schon: Denn hin-

                                                                                                                    mi
              rm

                                                                                                                      tee
                                                                                                                                                                                                                           Paralleluniversum aufgetan hat.      des- und Bundeskompetenzen.          ter einem Normvorschlag steht
            No

                                                                                                                                                                                                                                                                Neben einer drastischen Kos-         in der Regel ein konkretes Inter-

                                                                                                                       era
                                                                                                                                                                                                                           In manchen Fällen verschwim-         tensteigerung für die Gemein-        esse. Auch die Erarbeitung über-

                                                                                                                          rbei
                                                                                                                                                                                                                           men offenbar für die Normenge-       de hätte die Beweislastumkehr        nehmen, wie eingangs schon

                                                                                                                              tet No
                                                                                                                                                                                                                           ber selbst die Grenzen zwischen      außerdem eine Verlangsamung          ausgeführt, hauptsächlich Ver-
                                                                                                                                                                                                                           Gesetz und Norm, wie dies jüngst     von Genehmigungsverfahren zur        treter der Wirtschaft. Es sind

                                                                                                                                    rmvorschlag
                                                                                                                                                                                                                           bei der ÖNORM S 2411, in der es      Folge.                               zwar zu einem geringen Prozent-
       Erfahrungen
        einbringen

                                                                                                                                                                                                                           um die Identifikation und Bewer-                                          satz auch die Öffentlichkeit und
                                                                                                                                                                                                                           tung von Risiken im Boden von        Um sich eine Meinung dazu zu         die Wissenschaft daran betei-
                                                                                                                                                                                                                           Liegenschaften geht, der Fall ist.   bilden, lohnt sich ein Blick auf     ligt, doch fehlen der öffentlichen

                                                                                                                                                  Quelle: austrian-standards.at. Grafik: Putzkers Grafikteam/Max Fabigan
                                                                                                                                                                                                                           Dabei werden von Gemeinden           die Entstehung von Normen.           Hand die Ressourcen, dies flä-
                                                                                                                                                                                                                           umfangreiche Erhebungen und          Grundsätzlich kann nämlich           chendeckend zu tun. Anders ist
                                                                                                                                                                                                                           deren Dokumentation im Zuge          jede und jeder eine Idee für eine    dies bei Gesetzen, wo gewählte
                                                                                                                                                                                                                           von Widmungsverfahren pro Par-       Norm einreichen. Anschließend        Vertreter des Volkes über Geset-
                                                                                                                                                                                                                           zelle verlangt, was bisher kein      kann die Allgemeinheit den Pro-      ze verhandeln und versuchen,

                                                                                                                          rf
                                                                                                                         en
                                                                                                                                                                                                                           Baugesetz vorschreibt und eine       jektantrag kommentieren, in          alle Meinungen zu einem Thema

                                                                                                                       twu
                                                                                                                     tier
                                                                                                                                                                                                                           Beweislastumkehr zu Ungunsten        weiterer Folge bildet sich ein       einzuholen. Natürlich muss auch

                                                                                                              ko rmen
                                                                                                                   en
                                                                                                                                                                                                                           der Gemeinden bedeuten würde.        Komitee und erarbeitet einen         hier am Ende eine Entscheidung
                No

                                                                                                                mm
                                                                                                                                                                                                                           Bisher müssen solche Analysen        Normvorschlag, der wiederum          gefällt werden, die nicht immer

                                                                                                                No
                  rm

                                                                                                                                                                                                                           bei Bedarf nämlich die Grund-        kommentiert werden kann. In ei-      allen gefällt.
                     wi

                                                                                                                                                                                                                           stückseigentümer selbst vorneh-      nem Komitee kann jeder kosten-
                        rd

                                                                                                                                                                                                                           men.                                 los mitwirken und seine Experti-     Der nächste demokratiepolitisch
                       an

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                                de                                                                                                                                                                                         Mit dieser Norm wird nicht           wird die Norm finalisiert und        men anders als Gesetze nicht
                                     t
                                                                                                    rt
                                                                                               lisie                                                                                                                       nur die Wertsteigerung durch         publiziert und kann von allen,       frei zugänglich sind. Das be-
                                                                                            ina                                                                                                                            die Widmung privatisiert und         die sie kaufen, angewendet wer-      deutet, wenn eine Gemeinde
                                                                                          df
                                         No
                                           rm                                          wir                                                                                                                                 das gesamte Kosten- und Haf-         den. Nach einiger Zeit kann die      beispielsweise selbst über die
                                              wird
                                                   publiziert                   Norm                                                                                                                                       tungsrisiko auf die Gemeinden        Norm aufgrund der Erfahrungen        Normen bei einem Bauprojekt
                                                                                                                                                                                                                           übertragen, sondern auch die         aktualisiert werden. Hier ist kein   Bescheid wissen möchte, dann
                                                                                                                                                                                                                           Kompetenz der Normengebung           grundlegendes demokratiepoliti-      kostet dies einmal ordentlich:
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KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
ag

                                                                                                                      i
                                                                                                                    be
                                                                                                                   rm
                                                                                                                 No
                                                                                                                              DIE LIEBE NOT
                                                                                                                           MIT DEN NORMEN
     Die Spannweite reicht hier von       grieren? Wahrscheinlich nicht,       des Handeln, denn die Auswir-
     20 bis 350 Euro pro Norm. Na-        da weder Politik noch der öffent-    kungen und Unzufriedenheiten
     türlich gibt es mittlerweile Pake-   liche Dienst über so viele Ex-       wachsen. Ein erster Schritt ist

                                                                                                           Erfahrungen
     te für Klein- und Mittelunterneh-    perten verfügen. Daher ist eine      zumindest getan: Austrian Stan-

                                                                                                            einbringen
     men und sogar für Gemeinden.         Einbindung der Experten aus der      dards hat in Zusammenarbeit
     Aber der Grundsatz, dass Ge-         Praxis sinnvoll, effizient und hat   mit der Wirtschaftskammer Ös-
     setze den Bürgern kostenlos          auch in der Vergangenheit durch-     terreich das „Dialogforum Bau“
     zugänglich sein sollen, wird         aus erfolgreich funktioniert.        gestartet, in dem eine erste
     bei Normen nicht angewendet.         Normen schaffen eine gewisse         Bestandsaufnahme der fast
     Dies ist der Tatsache geschul-       Sicherheit, setzen Standards         3.000 Baunormen mit dem Ziel
     det, dass das Normungsinstitut       und dadurch können Entwick-          der Reduktion erfolgt ist. Auch
     Austrian Standards neben einer       lungsprozesse schneller und          eine erste Annäherung an das
     staatlichen Förderung auch ei-       effizienter abgewickelt werden.      Thema Haftungen ist erfolgt. Es                   Walter Leiss, 61,
     gene Einnahmequellen braucht,        Es geht eher darum, eine klare       bleibt zu hoffen, dass es hier
     um sich und seine Tätigkeiten        Abgrenzung zwischen Normen           nicht beim reinen Reden bleibt,                   ist seit 2011 Generalsekretär
     auf österreichischer und interna-    und Gesetzen zu finden und ein       sondern auch wirkungsvolle                        des Österreichischen Gemein-
     tionaler Ebene zu finanzieren.       „Zuviel“ zu verhindern.              Maßnahmen erarbeitet werden.                      debundes.
                                                                               Denn wie oben beschrieben: Fin-
     Wäre es daher ein Ansatz, die        Die Ausführungen machen deut-        den manche dieser Normen wirk-
     Normengebung komplett in den         lich: Lösungen sind schwer zu        lich Anwendung, dann haben wir
     Gesetzgebungsprozess zu inte-        finden, aber es braucht dringen-     größere Probleme.

                                                                                                                    No

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                                                                                                                      rm
KOMMUNALER ZUKUNFTSBERICHT 2019 - Der Österreichische ...
VIZEPRÄSIDENTINNEN                   IM GEMEINDEBUND
                                            MEIN WEG                                 AN DIE SPITZE
                                            Als ich 1993, nach 15 Jahren                „Könntest Du dir vorstellen, mir
                                            in der Stadt Salzburg, wieder               als Bürgermeisterin nachzufol-
                                            in meine Heimat Stuhlfelden                 gen?“ Mit diesen überraschen-
                                            zurückgezogen bin, um eine ei-              den Worten bat mich Lang-
                                            gene Praxis für Psychotherapie              zeit-Bürgermeister Rudi Hakel im
                                            aufzumachen, waren sehr we-                 Frühjahr 2018, seine Nachfolge
                                            nige Frauen in unserer Region               im Bürgermeisteramt der Stadt
                                            in der Kommunalpolitik tätig.               Liezen anzutreten. Er beabsich-
                                            Meinen Einstieg in die Kommu-               tigte zum damaligen Zeitpunkt,
                                            nalpolitik habe ich nur der Frage,          der Kommunalpolitik nach mehr
                                            warum in unserer Gemeinde so                als 18 Jahren als Bürgermeister
                                            wenige Frauen politisch tätig               „Adieu“ zu sagen. Überraschend
                                            sind, in einer gemütlichen Run-             waren seine Worte für mich
                                            de zu verdanken. Die Antwort                deshalb, da ich mich beruflich
                                            lautete, dass ich mich gleich               bereits in Pension befand und
                                            selbst bewerben sollte. Da ich              plante, mein Leben und meine
                                            niemand bin, der nur redet und              Zukunft stärker der Familie zu
                                            dann nichts tut, habe ich 1998              widmen.
                                            begonnen, mich politisch zu en-
                                            gagieren. 1999 konnten wir bei              Ich habe meine Entscheidung
                                            den Gemeinderatswahlen ein                  für das Bürgermeisteramt nach
                                            Mandat gewinnen. So wurde ich               reiflichen Überlegungen mit viel
                                            – ohne jegliche politische Erfah-           Zuversicht und Freude getroffen.
                                            rung – nicht nur Gemeinderats-              Vom ersten Moment an war für
                                            mitglied, sondern gleich Vizebür-           mich klar, diese große Aufgabe
                                            germeisterin.                               und Verantwortung mit Kontinui­
                                                                                        tät und neuen Ideen für unsere
     Bgm. Sonja Ottenbacher                 Ich muss ehrlich zugeben: An-               Stadtgemeinde im Gleichklang       Bgm. Roswitha Glashüttner
     Vizepräsidentin des Österreichischen   fangs war natürlich alles neu               zu besetzen.                       Vizepräsidentin des Österreichischen
     Gemeindebundes                         und für mich fast unverständlich,                                              Gemeindebundes
                                            wofür eine Gemeinde alles zu-               Langeweile und Stillstand sind
                                            ständig ist. Aber ich hatte große           zwei Begriffe, die in meinem
16                                                                                                                                                                17
VIZEPRÄSIDENTINNEN                                                                                                                                         IM GEMEINDEBUND
     MEIN WEG                                                                                                                                                       AN DIE SPITZE
     Freude an dieser Tätigkeit und       die Wahl gegen einen Gegenkan-      tion bleibt einem Bürgermeister    Leben wenig Platz finden. Mein       deutende Unternehmen. In der         Was habe ich aus all den Heraus-
     bekam viel Unterstützung von         didaten mit 81 Prozent.             oft auch nur die Hilflosigkeit.    Alltag war – und ist es jetzt mehr   damaligen VOEST Alpine und da-       forderungen gelernt? Aufgaben
     den Kollegen in der Gemeinde-                                            Meine Erfahrung zeigt aber: Am     denn je – immer mit Aufgaben         nach in der Firma Plansee konn-      formen und mit seinen Aufgaben
     vertretung und großen Zuspruch       Seither arbeite ich mit Überzeu-    Ende geht es ums Zusammen-         ausgefüllt, die mich geformt und     te ich als Chefsekretärin meinen     kann man wachsen – wenn man
     aus der Bevölkerung. Im Pinzgau      gung und noch immer mit gro-        halten und Zusammenarbeiten.       geprägt haben, die aber auch         Beitrag zum Erfolg leisten. Ich      dies zulässt!
     war es damals eine richtige Rari-    ßer Freude als Bürgermeisterin,     Das prägt eine Gemeinde und        viele positive Eindrücke hinter-     erhielt in weiterer Folge auch die
     tät, als Frau in der vorderen Rei-   obwohl ich festhalten möchte,       ihre Bewohner.                     lassen haben. So konnte ich in       Chance für eine berufliche Wei-      Die Gemeindepolitik hat mich
     he zu stehen.                        dass es trotz meiner Vorerfah-                                         all den Jahren viele Kontakte        terentwicklung und war letztlich     schon als junge Frau und Mutter
                                          rung als Vizebürgermeisterin        Was braucht es also, um dieses     knüpfen, ein Netzwerk aufbau-        als Sachbearbeiterin in der Ar-      interessiert. Durch die Tätigkeit
     Als sich mein Vorgänger 2003         kaum vorstellbar ist, welches       umfangreiche     Aufgabenspekt-    en, die unterschiedlichsten Be-      beitsvorbereitung tätig.             als Betriebsrätin hatte ich schon
     – nach 36 Jahren an der Spitze       Ausmaß dieses Amt mit sich          rum zu bewältigen? Aus meiner      gegnungen mit Menschen erle-                                              früh Kontakt zu Funktionärin-
     – dazu entschieden hat, nicht        bringt. „Learning by doing“ wäre    Sicht stellen kompetente und       ben und auch eigene Akzente          Soziale Gerechtigkeit und deren      nen und Funktionären, die sich
     mehr zu kandidieren, wurde ich       wohl die beste Beschreibung,        loyale Mitarbeiter/innen, Fach-    setzen.                              Durchsetzung standen für mich        im Interesse der Gemeinde für
     von der Bevölkerung und auch         denn es gibt so viele verschie-     kräfte zur Beratung, aber auch                                          immer im Vordergrund, daher          die Bevölkerung einsetzten. So
     von einigen Mandataren gefragt,      dene Aufgabengebiete, auf die       eine Gemeindevertretung, in        Als jüngstes von drei Kindern        engagierte ich mich auch über        sagte ich im Jahr 1994 zu, bei
     ob ich nicht als Bürgermeis-         man nicht vorbereitet sein kann.    der – über die Parteigrenzen       wuchs ich in einem sozialdemo-       13 Jahre lang als Betriebsrätin.     der nächsten Gemeinderatswahl
     terin kandidieren wolle. Man         Finanzen, Infrastruktur, Kinder-    hinaus – zusammengearbeitet        kratischen Umfeld auf, in dem        Dieses Engagement war die            zu kandidieren, jedoch – wegen
     muss dazu sagen, dass es zu          betreuung, Pflege sowie Raum-       wird, wo Wertschätzung gelebt      Disziplin und Verantwortung be-      Basis dafür, dass ich mich mit       meiner noch zu versorgenden
     dem Zeitpunkt noch keine ein-        ordnung, Gewerbe, Arbeits- und      und Zusammenhalt gezeigt wird,     sonders wichtig waren. Gestärkt      47 Jahren entschloss, beruflich      Kinder – an nicht wählbarer Stel-
     zige Bürgermeisterin im ganzen       Wohnmöglichkeiten zu schaffen       die zentralen Faktoren dar. Wenn   durch meine Familie wurde der        noch einmal durchzustarten, um       le.
     Bundesland Salzburg gab. Ei-         – das alles heißt es anzugehen      das funktioniert, kann man auf     Grundstein für mein politisches,     in der Funktion der ÖGB-Regio-
     gentlich war ich auch nicht die      und zu bewältigen.                  kommunaler Ebene sehr viel und     aber auch soziales Interesse         nalsekretärin für den gesamten       Der entscheidende Schritt für
     Wunschnachfolgerin meines Vor-                                           sehr rasch etwas bewirken. Die     und schließlich für meine Le-        Bezirk wirken zu können. Diese       meine politische Zukunft wur-
     gängers, der schon einen Mann        Vor allem aber sind es die sozia­   sogenannte Bürgernähe wird in      benslaufbahn gelegt. Neben al-       Tätigkeit durfte ich bis zu mei-     de bald gesetzt, als ich im Jahr
     für den Posten auserkoren hatte.     len, emotionalen Bereiche, die      den Gemeinden ausnahmslos          len beruflichen und politischen      ner Pensionierung im Jahr 2014       1998 zur Gemeinderätin ange-
     Bei Umfragen in der Bevölkerung      oft eine große Belastung darstel-   gelebt und gepflegt, da man ja     Agenden musste ich als allein-       ausüben. Nebenbei wurde mei-         lobt wurde und ich das Sozial-
     und Diskussionen in der Frakti-      len. Akutsituationen bei Katas­     immer Ansprechperson vor Ort       erziehende Mutter von drei Kin-      ne Rolle in der Kommunalpolitik      referat übernehmen durfte. Für
     on kam aber klar heraus, dass        trophen, Tragödien im Ort, Ver-     ist.                               dern permanent den Spagat zwi-       gestärkt, und ehrenamtliche Tä-      mich war immer schon wichtig,
     die Bevölkerung mich als Kandi-      luste und Krankheiten und vieles                                       schen Beruf und Familie finden.      tigkeiten für die Volkshilfe und     die Menschen im Mittelpunkt zu
     datin wollte. Mit diesem starken     mehr, brachten auch mich als        Überregional ist mir die Vernet-                                        das Rote Kreuz sind für mich bis     sehen. Bei der Gemeinderats-
     Rückhalt wurde ich als Kandida-      ausgebildete Psychotherapeutin      zung aber ebenso wichtig. Frü-     Mein beruflicher Weg führte          heute nicht wegzudenken.             wahl im Jahr 2000 erhielt ich
     tin aufgestellt und gewann 2004      oft an die Grenzen. In der Situa-   her war ich Bezirksleiterin der    mich in für unsere Region be-                                             das Stadtratsmandat und seit
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VIZEPRÄSIDENTINNEN                                                                                                                                       IM GEMEINDEBUND
     MEIN WEG                                                                                                                                                     AN DIE SPITZE
     ÖVP-Frauen und Bezirksobfrau          kann man nicht immer wissen,       sieht, dass sich die Anzahl der    2011 war ich als 1. Vizebürger-    serer Gesellschaft einsetzen,      der Vizepräsidentin anzutreten?
     der ÖVP in unserer Region, eh-        was auf einen zukommt. Aber        weiblichen Gemeindevorsitzen-      meisterin an der Seite von Bür-    Zusammenhalt und Vertrauen         Als Bürgermeistern habe ich nun
     renamtlich führe ich nach wie vor     man wird es auch nie erfahren,     den in Österreich seit 2004 fast   germeister a. D. Rudi Hakel in     vermitteln zu können und Verant-   die Chance, Teil dieses wichti-
     die Funktionen der Bezirksleite-      wenn man es nicht ausprobiert.     verdreifacht hat.                  der Stadtregierung.                wortung für unsere Stadt über-     gen Gremiums zu sein und so
     rin des Salzburger Bildungswer-       Daher möchte ich allen den Mut                                                                           nehmen zu dürfen.                  überregional mitgestalten zu
     kes und des Vorstandsmitglieds        geben, einfach einmal „Ja“ zu      Als sich Präsident Alfred Riedl    Das Amt der Bürgermeisterin                                           können. Mich inspiriert auch die
     sowie der Aufsichtsratsstellver-      sagen und auszuprobieren, ob       entschieden hat, zwei weibliche    habe ich am 2. Jänner 2018 mit     Mit dem Amt der Bürgermeis-        Rolle, die ich als Frau – in einem
     treterin von Pro Mente Salzburg       es einen nicht doch erfüllt, die   Vizepräsidentinnen in den Vor-     der Zusage angetreten, dass ich    terin ist man natürlich auch in    durchwegs männerbesetzten Be-
     aus. Mein erster Schritt in die In-   eigene Umgebung zu gestalten.      stand aufzunehmen, habe ich        mich weiterhin und verstärkt für   vielen Gremien vertreten. Dazu     reich – mit all meinen Erfahrun-
     teressenvertretung der Gemein-                                           es als Anerkennung gesehen,        diese Stadt und ihre Menschen      gehört auch der Österreichische    gen und Fähigkeiten einnehmen
     den erfolgte 2014 in Salzburg,        Der Österreichische Gemein-        gefragt zu werden, so eine Posi-   mit Freude und mit voller Kraft    Gemeindebund als bedeutende        kann.
     wo ich in den Vorstand des Ge-        debund unterstützt seit vielen     tion zu übernehmen. Es ist mir     einsetzen werde, mit Möglich-      Interessensvertretung der Ge-
     meindeverbands gewählt wurde.         Jahren sehr stark das Anlie-       ein Anliegen, zu zeigen, dass      keiten, zu gestalten, nach guten   meinden. Für mich heißt dies,      Ich möchte an dieser Stelle
                                           gen, mehr Frauen für die Kom-      das Amt als Bürgermeisterin bei    Lösungen für die Herausforde-      die Gemeinden in allen Belangen    auch anderen Frauen gezielt Mut
     Warum ich mich nun für das Amt        munalpolitik zu gewinnen. Ge-      all den Unsicherheiten und gro-    rungen unserer Stadt zu suchen     bei der Gesetzgebung im Bund       zusprechen und sie bestärken,
     der Vizepräsidentin des Öster-        meindebund-Präsident Helmut        ßen Herausforderungen etwas        und bestmögliche Entscheidun-      und in den Ländern bestmöglich     dass sie die gleichen Chancen
     reichischen    Gemeindebundes         Mödlhammer unterstützte mich       ganz Spannendes und Schönes        gen zu treffen. Dabei liegt mir    zu vertreten, Herausforderungen    haben, wenn es darum geht, ein
     entschieden habe, ist ganz klar       2007 bei der Organisation des      ist und die Menschen spüren,       besonders am Herzen, weiterhin     anzunehmen und gemeinsam           Amt, so wie es etwa das Bürger-
     zu beantworten: Ich habe „Ja“         ersten Bürgermeisterinnentref-     wenn man mit Wertschätzung,        das Vertrauen der Bevölkerung      Lösungen mit einem kompe-          meisteramt ist, anzunehmen.
     gesagt, als ich gefragt wurde.        fens. Seither haben die jährli-    Echtheit und Verbundenheit die     zu gewinnen sowie das Gemein-      tenten Team zu entwickeln und      Wichtig dabei ist, dass die Struk-
     Es war für mich eine Ehre, dass       chen Zusammenkünfte, um sich       Arbeit macht. Ich möchte ge-       same zu fördern und in den Vor-    umzusetzen. Dass ich nun auch      turen für eine frauenfreundliche
     ich mich künftig für Österreichs      auszutauschen, zu diskutieren,     meinsam mit unseren Vertretern     dergrund zu stellen!               die Möglichkeit habe, im Öster-    Besetzung von politischen Äm-
     Gemeinden stark machen kann.          um Mut zu machen, immer in         der Gemeindeverbände aller                                            reichischen Gemeindebund als       tern angepasst und die Frauen
     Mit der Zusage für dieses Amt         einem anderen Bundesland           Bundesländer für die Gemein-       Natürlich ist der Alltag einer     Vizepräsidentin mitwirken zu       bei ihrer Organisation und letzt-
     möchte ich aber auch ein Zei-         stattgefunden. Nicht nur für uns   den mitreden und mitbestimmen      Bürgermeisterin nicht immer        dürfen, zeugt nicht nur von gro-   endlich in ihrer Funktion unter-
     chen für alle Frauen setzen,          Bürgermeisterinnen persönlich,     dürfen, um das Beste für die       eine einfache Aufgabe, und die     ßem Vertrauen, sondern bedeu-      stützt werden.
     die gefragt werden, in die Kom-       sondern auch in der medialen       kommunale Ebene zu erreichen.      Erfahrungen der letzten Mona-      tet auch Zutrauen, und das er-
     munalpolitik einzusteigen. Wir        Aufmerksamkeit sind die drei       Denn es ist nicht nur unsere       te haben mir gezeigt, dass die-    füllt mich mit großer Freude und   Erschwerend kommt oft hinzu,
     überlegen oft und berechtigter-       Tage einmal im Jahr ein wich-      Aufgabe, sondern auch unsere       ses Amt mit der Überwindung        macht mich stolz.                  dass die Erwartungshaltung an
     weise, ob sich das neben all den      tiges Zeichen. Wichtig ist mir     Pflicht, verantwortungsbewusst     von Hürden verbunden ist. Der                                         Bürgermeisterinnen anders ist
     Verpflichtungen, die wir ohnehin      auch, dass man nicht immer nur     und behutsam mit den Men-          Lohn dafür ist die Genugtuung,     Was motiviert mich, neben mei-     als an die männlichen Kollegen.
     schon haben, ausgeht. Natürlich       jammert, sondern auch einmal       schen und unseren Gemeinden        sich für die Menschen in un-       nem ausgefüllten Alltag das Amt    So wird viel mehr Augenmerk auf
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VIZEPRÄSIDENTINNEN                                                                                                                                     IM GEMEINDEBUND
     MEIN WEG                                                                                                                                                   AN DIE SPITZE
     umzugehen, die uns anvertraut      sind, aber dafür werden sie nicht                                    ihr Äußeres und ihren Stil bei der   Daher mein Appell, an Euch, lie-
     sind.                              gebaut.“ – Politiker sind beque-                                     Führung des Amtes gelegt. Aber       be Frauen: Traut Euch das zu!
                                        mer, wenn sie sich ruhig verhal-                                     wir alle sind Menschen mit un-       Denn Frauen und Männer sind
     Und so wird mich auch weiterhin    ten, aber dafür werden sie nicht                                     terschiedlichen Schicksalen, Zu-     gleichermaßen für alle Tätigkei-
     mein Motto begleiten: „Schiffe     gewählt!                                                             gängen und Möglichkeiten, und        ten bestimmt, dies auch, oder
     sind sicherer, wenn sie im Hafen                                                                        es sollte daher selbstverständ-      sogar besonders, in der Kommu-
                                                                                                             lich sein, auch Frauen in den        nalpolitik, der Basis der Demo-
                                                                                                             Mittelpunkt zu stellen.              kratie!

                                                                            Sonja Ottenbacher, 58,                                                                                   Roswitha Glashüttner, 62,

                                                                            ist seit 2004 Bürgermeiste-                                                                              ist seit 2018 Bürgermeisterin
                                                                            rin der Gemeinde Stuhlfelden                                                                             der Stadt Liezen in der Steier-
                                                                            im Bundesland Salzburg. Von                                                                              mark. 1998 erfolgte ihr Ein-
                                                                            2009 bis 2013 war sie im                                                                                 stieg in die Kommunalpolitik
                                                                            Salzburger Landtag tätig, seit                                                                           als Gemeinderätin, 2011 wur-
                                                                            2014 ist sie im Vorstand des                                                                             de sie zur Vizebürgermeisterin
                                                                            Salzburger Gemeindeverban-                                                                               angelobt. Seit März 2019 ist
                                                                            des. Seit März 2019 ist sie                                                                              sie außerdem Vizepräsidentin
                                                                            außerdem      Vizepräsidentin                                                                            des Österreichischen Gemein-
                                                                            des Österreichischen Gemein-                                                                             debundes.
                                                                            debundes.

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100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT
                                           DAS ENDE DES DULDENS

                            Große historische Entwicklungen     Die traditionelle Ordnung aus          mit 40.000 Beschäftigten zum
                            spielen sich immer auch im Klei-    Friedenszeiten war kaputt. Milli-      größten Industriebetrieb der ge-
                            nen ab. Auf den Straßen der Dör-    onen Familien waren zerrissen.         samten Monarchie. Jede Woche
                            fer, in der Kirche, im Wirtshaus,   Es gab neue Prioritäten, neue          wurden hier bis zu sieben Milli-
                            in den Familien. Auch dass Frau-    Nöte. Damit verschob sich auch         onen Schuss Infanteriemunition
                            en vor 100 Jahren das Recht er-     das Verhältnis zwischen Män-           und zusätzlich bis zu 107.000
                            kämpften, in der neu gegründe-      nern und Frauen – mit weitrei-         Schuss schwere Artilleriemuniti-
                            ten Republik endlich wählen zu      chenden politischen Folgen.            on erzeugt.
                            dürfen, war keine isolierte poli-
                            tische Entscheidung. Es war das     Zunächst hatte der Krieg einen         Die Nachfrage nach ungelernten
                            Ergebnis dramatischer gesell-       rasanten       Industrialisierungs-    Arbeitskräften war deswegen rie-
                            schaftlicher und wirtschaftlicher   schub gebracht. Im niederöster-        sig. Doch die meisten Männer,
                            Umwälzungen, die überall in Ös-     reichischen Industrieviertel etwa      die arbeitsfähigen zumindest,
                            terreich Tag für Tag im Kleinen     gab es seit dem 19. Jahrhundert        waren im Feld und lagen in den
                            stattfanden. Am Beispiel einiger    schon       Baumwollspinnereien,       Schützengräben.       Deswegen
                            niederösterreichischer Gemein-      Elektroindustrie und Lokomotiv­        mussten die Frauen an die Werk-
                            den möchte ich den Ereignissen      fabriken. Mit der fieberhaften         bänke. „Die Front ist die Domä-
                            von damals hier nachspüren.         Aufrüstung der Armee setzte nun        ne jeden waffenfähigen Mannes,
                                                                ein wahrer Boom ein. Auf dem           während die für das Heer arbei-
                            Als der Erste Weltkrieg seinem      Flugfeld von Wiener Neustadt           tende Frau den Soldaten des
                            Ende zuging, und die Zivilbe-       wurde die Luftfahrt erprobt, die       Hinterlandes darstellt“, prokla-
                            völkerung bereits den dritten       traditionellen Textilfabriken stell-   mierte das Kriegsministerium
                            Hungerwinter in Folge erlebte,      ten auf Uniformen und Stiefelher-      1915. Bauerntöchter, Handwer-
                            müssen viele bereits geahnt         stellung um, die Region wurde          kergattinnen, Soldatenwitwen,
                            haben, dass eine bittere Nieder-    zum Zentrum der Rüstungsin-            Mägde, arbeitslos gewordene
                            lage bevorstand – und nachher       dustrie. In Blumau, bei Dynamit        Dienstmädchen – sie alle gingen
                            nichts mehr so sein würde wie       Nobel, wurde Sprengstoff pro-          nun in die Fabrik. Nähten dort
                            vorher. Der Krieg hatte nicht nur   duziert, in Hirtenberg Patronen,       Uniformen, schraubten Gewehr-
     Mag.a Sibylle Hamann   die Landkarte Europas und vie-      in Berndorf Blech, Draht, Kon-         teile zusammen. Sie sortierten
     Journalistin in Wien   le Grenzen verschoben. Er hatte     serven und Blechnäpfe für die          verwertbare Altstoffe wie Me-
                            auch das wirtschaftliche Gefüge     Soldaten im Feld. Die k.u.k. Mu-       tall, Papier, sogar Knochen und
                            der Monarchie radikal verändert.    nitionsfabrik Wöllersdorf wuchs        Haare.
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100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT
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                                                                                                                          Im Vergleich der Bundesländer       Jugendliche blieben im Wachs-       dort, wo der Arbeitskräfteman-
                                                                                                                          stieg in Niederösterreich der       tum zurück.“ Die unpraktische       gel besonders krass war, Frau-
                                                                                                                          Frauenanteil an der gesamten        Kleidung – speziell „die weiten     en nämlich aus weit entfernten
                                                                                                                          Arbeiterschaft am meisten: Vor      Röcke, die sich häufig in den Ma-   Gegenden herangeschafft und
                                                                                                                          dem Krieg war er noch bei einem     schinen verfingen“ – stellte ein    mussten dann auf dem Werks-
     Luftaufnahme der k.u.k. Munitionsfabrik Wöllersdorf um 1916. Das halbrunde Gebäude ist das einzige, das heute noch   Viertel gelegen, bis Kriegsende     zusätzliches Risiko dar.            gelände schlafen. Das machte
     steht. Dort ist eine Firma für Systembauteile aus Beton untergebracht.                                               stieg er auf 40 Prozent. Die Be-                                        sie noch verwundbarer. „In Bara-
                                                                                                                          triebe konnten damit sogar ihre     Besonders gefährlich war die        cken, wo Strohsack neben Stroh-
                                                                                                                          Profite erhöhen, denn trotz glei-   Arbeit in den Munitionsfabriken.    sack lag, drei Arbeiterinnen auf
                                                                                                                          cher Produktivität wurden Frauen    Blausäure, ein Bestandteil von      zweien, oft bei offenen Türen,
                                                                                                                          grundsätzlich schlechter bezahlt    Sprengstoffen, ist hochgiftig.      um den patrouillierenden Sol-
                                                                                                                          als Männer.                         Und auch die Explosionsge-          daten die Möglichkeit zu geben,
                                                                                                                                                              fahr war groß: Am 18. Septem-       die Schlafräume zu überwachen.
                                                                                                                          „Beim Deckeldrehen für Wurf-        ber 1918, wenige Wochen vor         Gesunde lagen bei Kranken, Ver-
                                                                                                                          minen bekommen männliche            Kriegsende, brannte eine Ferti-     wahrloste neben Reinlichen“,
                                                                                                                          Dreher einen Taglohn von zehn       gungshalle in der Wöllersdorfer     schrieb Popp. Zu essen gab es
                                                                                                                          Kronen, Frauen acht Kronen bei      Munitionsfabrik      vollkommen     bloß „schlechten schwarzen Kaf-
                                                                                                                          derselben Leistung“, klagte eine    aus. 423 Arbeiterinnen, die         fee, schlechtes Brot, Kraut, Rü-
                                                                                                                          zeitgenössische Ausgabe der Ar-     meisten von ihnen zwischen 15       ben, Bohnen.“ Das sogenannte
                                                                                                                          beiterinnen-Zeitung.                und 25 Jahre alt, erstickten oder   „Kriegsleistungsgesetz“ machte
                                                                                                                                                              verbrannten qualvoll. Es war die    diese Frauen zeitweise de facto
                                                                                                                          Die Frauen in den Fabriken ar-      größte zivile Katastrophe der       zu Zwangsarbeiterinnen: In den
                                                                                                                          beiteten zwölf oder 13 Stunden      Monarchie, mit mehr Toten als       für den Krieg wichtigen Unter-
                                                                                                                          am Tag, auch sonntags, viele        der Ringtheaterbrand, der 1881      nehmen galt Streikverbot, jeder
                                                                                                                          nachts, um tagsüber ihre Kinder     die Residenzstadt Wien erschüt-     Widerstand wurde mit Arrest-
                                                                                                                          betreuen zu können. Die Histo-      tert hatte.                         strafen belegt.
                                                                                                                          rikerin Gertrude Langer-Ostraw-
                                                                                                                          sky schreibt: „Die körperliche      Die Frauenrechtlerin Adelheid       All das musste weitreichende
                                                                                                                          Schwerstarbeit,    Lärm     und     Popp machte die schrecklichen       Folgen für das Familienleben
                                                                                                                          Schmutz führten zu Erschöp-         Lebens- und Arbeitsbedingun-        haben. Denn wer den ganzen
                                                                                                                          fungszuständen,      Blutarmut,     gen der Arbeiterinnen zum po-       Tag in der Fabrik steht, kann
     Erzeugung der Granathülsen in der Metallwerkstätte in Wöllersdorf.                                                   Tuberkulose und Fehlgeburten;       litischen Thema. Oft wurden         nicht kochen, Kinder und alte
26                                                                                                                                                                                                                                   27
Elendsquartier
                                                                            zur Zeit des
                                                                                                                          100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT
                                                                            Ersten Weltkriegs
                                                                                                                                DAS ENDE DES DULDENS
                                                                            die täglich zigtausende Portio-      etwas zum Tauschen zu haben?         Berufsschranken zu überwin-          der Organisation und Verteilung
                                                                            nen Essen ausgaben – in Baden        Was verkaufen wir, was behalten      den“, schreibt die Historikerin      völlig überfordert. Die Qualität
                                                                            etwa, in Herzogenburg, Sto-          wir, wenn nichts mehr zum Es-        Gertrude Langer-Ostrawsky. „Sie      der Lebensmittel wurde immer
                                                                            ckerau, Krems, Oberhollabrunn        sen da ist? Soll man die Kinder      hatten umfassendere Entschei-        schlechter, die Kalorienzuteilun-
                                                                            und Leesdorf. Diese Küchen           wegschicken, bei wem könnten         dungen zu treffen als in Frie-       gen wurden permanent herabge-
                                                                            erfüllten mehrere Funktionen         sie leben, wenn das Haus nicht       denszeiten, sie trugen mehr Ver-     setzt.
                                                                            gleichzeitig. Sie stellten sicher,   mehr steht? Lässt man sich mit       antwortung und sie bekleideten
                                                                            dass die Menschen an der Hei-        einem neuen Mann ein? Was tun        zahlreiche öffentliche Funktio-      „Es waren die Frauen, die nahe-
                                                                            matfront überhaupt regelmäßig        im Fall einer Schwangerschaft?       nen. Sie waren in Männerdomä-        zu allerorts die Initiative ergrif-
                                                                            warme Mahlzeiten bekamen, an-        Wann ist, in akuter Lebensge-        nen tätig – ob sie das nun selbst    fen und gegen die zunehmende
                                                                            dererseits versprach man sich in     fahr, der richtige Zeitpunkt, um     angestrebt hatten oder ob das        Verknappung       protestierten“,
                                                                            den Großküchen eine effiziente-      zu fliehen, und wo geht man          von den Behörden erzwungen           schreibt der Historiker Klaus-Die-
                                                                            re Verwertung der Nährstoffe.        dann hin – zu Verwandten in ein      wurde. Frauen wurden im Krieg        ter Mulley, und listet eine Viel-
                                                                            Um Kinder in Abwesenheit der         anderes Dorf, in die Stadt, in die   in vielen Bereichen sichtbar, ins-   zahl spontaner Frauenprotest-
                                                                            Mütter nicht ganz unversorgt zu      Fremde?                              besondere auf der politischen        aktionen in Niederösterreich auf
                                                                            lassen, wurde in einigen Orten                                            Ebene, wo sie jetzt vehement         – in Waidhofen/Thaya, Neuleng-
                                                                            auch die Kinderbetreuung kollek-     Frauen gewöhnten sich in den         ihre Forderungen vorbrachten.“       bach, Atzgersdorf, Kirchberg an
                                                                            tiv organisiert.                     Kriegsjahren daran, im Namen                                              der Pielach, Obergrafendorf, Wil-
                                                                                                                 ihrer Familien zu verhandeln,        Speziell, wo es Hunger gab, ge-      helmsburg, Baden oder Türnitz.
                                                                            Selbstverständlich veränderte        bei Ämtern vorzusprechen, ihre       wöhnten sich Frauen ab, immer        Hunderte gingen gegen die Kür-
                                                                            diese aus der Not geborene Kol-      Forderungen zu formulieren.          nur still zu dulden, und lernten     zung von Milchrationen auf die
                                                                            lektivierung ganz grundlegend        Vieles, was vor dem Krieg noch       stattdessen, das Gesetz des          Straße, verlangten die Ausgabe
     Angehörige versorgen. Kinder-       auch Felder, Gärten und Stäl-      die Aufgabenteilung in den Fa-       als „unschicklich“ gegolten hät-     Handelns selbst in die Hand          von Kohlen und Brot, rotteten
     arbeit wurde wieder zur Selbst-     le unbestellt – was die Versor-    milien. In Abwesenheit der Män-      te und gesellschaftlich verpönt      zu nehmen und gegen die Ob-          sich vor den Ausgabestellen der
     verständlichkeit. Arbeiterinnen     gungsengpässe mit Lebensmit-       ner übernahmen die Frauen die        gewesen wäre, war aus der Not        rigkeit aufzubegehren. Wegen         Lebensmittel zusammen, griffen
     fehlte die Zeit, um einkaufen       teln weiter verschärfte.           Versorger- und Ernährerrolle.        heraus nun unvermeidbar: allein      der Versorgungsengpässe und          Brotwagen an.
     zu gehen oder sich gar – mit                                           Sie trafen alle Entscheidungen       reisen, sich in der Öffentlichkeit   der steigenden Preise hatte die
     zunehmend prekärer werdender        Um dennoch ein Mindestmaß an       im Alltag allein, häufig auch        exponieren, sich organisieren,       staatliche Verwaltung ja Bezugs-     Beispielhaft schildert Mulley
     Versorgungslage – stundenlang       Versorgung für die Zivilbevölke-   sehr weitreichende, existenziel-     laut die Stimme erheben.             karten für Grundnahrungsmittel       eine Frauendemonstration in Hof
     vor den Geschäften anzustellen.     rung zu garantieren, wurden in     le. Womit verdienen wir unser                                             eingeführt – kurz vor dem mili-      am Leithagebirge: Am 26. Juni
     In Abwesenheit vieler weiblicher    mehreren Industrieregionen da-     Geld? Was stellen wir am Hof         „Frauen hatten im Ersten Welt-       tärischen Zusammenbruch an           1917 wurde im Gemeinderat
     bäuerlicher Arbeitskräfte blieben   her „Kriegsküchen“ eingerichtet,   oder in der Werkstatt her, um        krieg   geschlechtsspezifische       allen Fronten war sie jedoch mit     über die Mehlrationen verhan-
28                                                                                                                                                                                                                               29
Frauenwahlrecht in Europa
                                                                              Jahr der Einführung

                                                                                  1984 Liechtenstein

                                                                                                                                                                                      100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT
                                                                                                                                                                                            DAS ENDE DES DULDENS
                                                                                  1971 Schweiz

                                                                                                                                          delt – die seit Monaten schon      reich. Die alten Autoritäten hat-   der Zwischenzeit ohne sie wei-
                                                                                                                                          viel zu knapp bemessen waren,      ten ihre Glaubwürdigkeit verlo-     tergeführt hatten.
                                                                                  1962 Monaco                                             um damit Familien ernähren zu      ren. Ihre Machtbasis war weg.
                                                                                  1960 San Marino                                         können. Die Frauen des Ortes       Die staatlichen Institutionen der   Was geschehen war, ließ sich
                                                                                                                                          wollten von den dauernden Ver-     einst so prächtigen Monarchie       nicht mehr rückgängig machen.
                                                                                                                                          tröstungen und Durchhaltepa-       konnte ihre ureigensten Aufga-      Eine alte Ordnung war zusam-
                                                                                                                                          rolen der Obrigkeit nichts mehr    ben – Sicherheit, Ordnung, Ver-     mengebrochen. Familien, Dör-
                                                                                                                                          wissen. 20 Frauen drangen bis      sorgung – nicht mehr gewährleis-    fer und Städte im ganzen Land
Quelle: Wikipedia. Grafik: Putzkers Grafikteam/Caroline Klima, Lukas Kaspar

                                                                                  1952 Griechenland                                       in den Raum der Gemeinde-          ten. Damit hatten sie, zumindest    hatte dieser Krieg so sehr ver-
                                                                                  1948   Belgien                                          ratssitzung vor, beschwerten       in den Augen der Frauen, die die-   ändert, dass an der politischen
                                                                                                                                          sich. Der Bürgermeister wandte     ses Versagen aus allernächster      Mitbestimmung von Frauen kein
                                                                                  1946   Italien, Portugal
                                                                                                                                          sich mit abfälligen Bemerkun-      Nähe mitanschauen mussten,          Weg mehr vorbeiführen konnte.
                                                                                  1945   Bulgarien, Slowenien, Ungarn
                                                                                                                                          gen über „die Weiber“ ab, der      ihre gesamte Existenzberechti-                                           Sibylle Hamann, 53,
                                                                                  1944   Frankreich                                       Pfarrer versuchte zu beschwich-    gung verloren.
                                                                                                                                          tigen. Eine Demonstration von                                                                               Journalistin in Wien
                                                                                                                                          150 Frauen und Kindern folgte      Damit war aber auch eine Herr-
                                                                                                                                          in der Dämmerung schließlich       schaftsform an ihrem Ende an-       Anmerkung:
                                                                                  1934 Türkei                                             dem Bürgermeister bis zu sei-      gelangt, in der Männer allein       Für die Opfer der Brände in den
                                                                                                                                          nem Wohnhaus und belagerte         das Sagen hatten. Eine ganze        Fabriken gibt es eine Gedenk-
                                                                                  1931 Spanien
                                                                                                                                          es. Erst die Polizei setzte der    Generation von Männern, die         stätte in Winzendorf.
                                                                                  1928 Vereinigtes Königreich                             Demonstration ein Ende.            nach der Niederlage von den
                                                                                                                                                                             Fronten des Krieges zurückkam,
                                                                                                                                          „Der Einfluss der Frauen auf       brachte massive Beschädigun-        Literatur:
                                                                                                                                          den Fortgang der sogenannten       gen nach Hause mit: Sie waren       Nie wieder Krieg!
                                                                                  1921   Schweden                                         ‚österreichischen   Revolution‘    verwundet, verstümmelt, körper-     Die Situation der Frauen im und
                                                                                  1919   Niederlande                                      ist noch nicht ausreichend er-     lich und seelisch krank. Manche     nach dem Ersten Weltkrieg.
                                                                                  1918   Deutschland, Lettland, Lux., Österreich, Polen   forscht“, resümiert der Histori-   waren von ihren Erlebnissen         Zum Gedenken an die 423 Op-
                                                                                  1917   Estland                                          ker. Man kann jedoch vermuten:     traumatisiert, manche von ih-       fer der Brandkatastrophe in der
                                                                                  1915 Dänemark, Island                                   Was in Hof am Leithagebirge        ren eigenen Taten verroht. Viele    k.u.k. Munitionsfabrik Wöllersdorf
                                                                                                                                          geschah, geschah 1918/1919         fanden nie wieder in das Leben      vom 18. September 1918,
                                                                                  1913 Norwegen
                                                                                                                                          gleichzeitig wahrscheinlich an     zurück, das sie vor dem Krieg       Autor: Gerhard Kofler, erschienen
                                                                                  1906 Finnland                                           vielen anderen Orten in Öster-     geführt und das ihre Frauen in      im RenMai Verlag.
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