KRAFTSTOFF CNG - FAHREN MIT ERDGAS - 20 Jahre Erdgas-Fahrzeuge in Österreich - Erdgasautos.at
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ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN KRAFTSTOFF CNG – FAHREN MIT ERDGAS 20 Jahre Erdgas-Fahrzeuge in Österreich Am Anfang war das Gas | Von der Notlösung ... | ... zur Weltumrundung | Wie funk tioniert der Erdgasantrieb? | Installation und Sicherheit | Besten Tank! | Erfolgreich im Einsatz | Gut für die Umwelt | Gut für die Geldbörse | CNG im Recht | In Zukunft CNG – was sonst? „Fahren, genießen, erleben!“ – Interview mit August Hirschbichler, V orstandsdirektor der Salzburg AG | „Erdgas braucht Emotion“ – Interview mit Rallye-Pilot Manfred Stohl | „Es kann etwas werden“ – Interview mit Fachverbandsobmann Helmut Miksits, Vorstandsdirektor der Wiener Stadtwerke P.b.b. Verlagspostamt 4020 Linz GZ 04Z035681 M Erdgasfahrzeug-Modelle in Österreich: PKW, Transporter, Kastenwagen, LKW, Bus | Erdgas-Tankstellen in Österreich | Häufig gestellte Fragen FORUM SPECIAL 5 [2011]
ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN FORUMSPECIAL CNG – FAHREN MIT ERDGAS Editorial Alles spricht für CNG Vor zwanzig Jahren war das erste mit Erdgas betriebene Fahrzeug in Österreich unterwegs. In der Zwischenzeit ist viel geschehen. Ste- tig steigende KFZ-Zulassungszahlen, zunehmende CO2-Emissionen und die Feinstaubbelastung in den Städten machen den Straßenver- kehr immer mehr zu einem Problemfaktor. Mit dem Erdgasauto steht heute eine technisch ausgereifte und er- probte Alternative zur Verfügung, die abgesehen von positiven Um- welteigenschaften auch in Hinblick auf die Kosten deutliche Vortei- le gegenüber herkömmlichen Kraftstoffen geltend machen kann. Die österreichische Gaswirtschaft hat zudem in den letzten Jahren mit dem flächendeckenden Ausbau des öffentlichen CNG-Tank- stellennetzes (mit Schwerpunktsetzungen auf die Hauptverkehrs- achsen und Ballungsräume) eine wichtige Voraussetzung für seine weitere Verbreitung geschaffen. Dass sich hierzulande die Anzahl von Erdgasfahrzeugen derzeit dennoch in Grenzen hält, mag – trotz intensiver Bemühungen der Unternehmen und des Fachverbandes Gas Wärme – auch aus mangelnder Information resultieren, denn de facto spricht alles für CNG. Das vorliegende FORUM special nimmt das Jubiläum zum Anlass, sich dem Thema Fahren mit Erdgas eingehender zu widmen und spannt dabei den Bogen von der Entwicklung des ersten Gasmotors bis zu Zukunftsperspektiven für den Kraftstoff Erdgas/Biogas. Mag. Michael Mock Geschäftsführer FGW / ÖVGW FORUM SPECIAL 5 [2011] 3
Foto: Mercedes Benz Impressum FORUM SPECIAL 5 [2011] – Sonderheft des FORUM GAS WASSER WÄRME, Oktober 2011, korrigierte Neuauflage. Konzept, Recherche und Bildredaktion Helmut Ruck. Text Christian Fell. Redaktion H.M. Jobst FORUM GAS WASSER WÄRME Offizielle Fachzeitschrift des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW) und der Ö sterreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW). Redaktion Tel.: (01) 548 27 88-24, Fax: (01) 548 27 88-26. Chefredaktion: Mag. H.M. Jobst, E-Mail: hjobst@forum-gww.at. Redaktionsteam: Mag. Chri- stian Fell, Mag. Erich Johann Papp, Mag. Helmut Ruck. Verlag und Vertrieb Friedrich VDV, Vereinigte Druckereien- und Verlags-GmbH & Co KG, Wien und Linz. Anzeigenberatung und Medienkoordination ÖVGW, Mag. Dr. Ute Boccioli, 1010 Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-26, Fax: (01) 513 15 88-25, E-Mail: boccioli@ovgw.at. Abonnement ÖVGW, 1010 Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-0, E-Mail: office@ovgw.at Preis Einzelheft EUR 7,- Auflage 6.000 Stück. OFFENLEGUNG NACH DEM MEDIENGESETZ: Medieninhaber und Herausgeber Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW), Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), repräsentiert durch GF Mag. Michael Mock, 1010 Wien, Schubertring 14, Tel.: (01) 513 15 88-0, E-Mail: office@gaswaerme.at, office@ovgw.at.
CNG – FA H REN MIT E RDGAS INHALT CNG – Fahren mit Erdgas 3 Editorial: Alles spricht für CNG 6 Am Anfang war das Gas 9 Von der Notlösung ... 14 ... zur Weltumrundung 22 „Fahren, genießen, erleben!“ Interview mit August Hirschbichler, Vorstandsdirektor der Salzbug AG 28 Wie funktioniert der Erdgasantrieb? 32 Installation und Sicherheit 34 Besten Tank! 40 Erfolgreich im Einsatz 48 „Erdgas braucht Emotion“ Interview mit Rallye-Pilot Manfred Stohl 56 Gut für die Umwelt 60 Gut für die Geldbörse 63 CNG im Recht 64 „Es kann etwas werden“ Interview mit Fachverbandsobmann Helmut Miksits, Vorstandsdirektor der Wiener Stadtwerke 70 In Zukunft CNG – was sonst? Anhang 76 Fahrzeug-Modelle in Österreich 82 Erdgas-Tankstellen in Österreich 88 Häufig gestellte Fragen FORUM SPECIAL 5 [2011] 5
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S Bild: Musée des Arts et Métiers, Paris Am Anfang war das Gas Es mag überraschen, dass der wirtschaftliche und umweltfreund- liche Gasmotor nicht nur am Ende der Entwicklungsgeschichte des Verbrennungsmotors steht, sondern auch an deren Beginn – damals freilich nicht ganz so umweltfreundlich. Mit der Erfindung der Dampfmaschine und Boot anzuwenden. Der mit Leuchtgas betrie- ihrer entscheidenden Verbesserung im 18. bene Wagen erreichte bei einer Probefahrt Jahrhundert war die Industrielle Revoluti- eine Geschwindigkeit von rund 3 km/h und on in Gang gekommen, ein weiterer Techno- dürfte so nur wenige betagte Fußgänger hin- logiesprung ließ allerdings gut 50 Jahre auf ter sich gelassen haben. Diese mussten neben sich warten. So lange dauerte es, bis beinahe der Schmach auch erhebliche Abgase ertra- gleichzeitig mehrere Erfinder auf die Idee ka- gen, dennoch war die Erfindung sensationell: men, Maschinen mit höherem Wirkungsgrad Der Gedanke, von einer „Feuermaschine“ mit- und besserer Leistung auf Basis der Verbren- tels explodierenden Gases geritten zu werden, nung von Gas zu bauen. musste den Zeitgenossen als höchst abenteu- erlich erschienen sein. So verkaufte der ge- Eine österreichische Erfindung? schäftstüchtige Lenoir, der später zum Ritter der Ehrenlegion ernannt wurde, Hunderte sei- Der damals 37-jährige Belgier (frühere Lu- ner Maschinen – es waren jedenfalls, ob er nun xemburger und spätere Franzose) Étienne Le- der ursprüngliche Erfinder war oder nicht, die noir entwickelte 1859 einen ersten halbwegs ersten derartigen, welche in Serienproduktion brauchbaren Gasmotor, den er im Jänner 1860 gingen. vorführte. Recht spektakulär und öffentlich- keitswirksam gelang es ihm, seine Konstrukti- Dies rief potenzielle Konkurrenten auf den on in einem Fahrzeug (1863) und später auch Plan, die behaupteten, ihrerseits längst solche 6 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS Étienne Lenoir in seiner Werkstätte beim Bau des versichterlosen, direkt wir- kenden Gas-Zweitaktmotors (Modell) Foto: Musée de la Moto et du Vélo, Amneville Technologie ersonnen zu haben. Aus österrei- Teil prominente Namen wie (die späteren Er- chischer Sicht ist eine Eingabe des Reinhold finder des Motorrads) Daimler und Maybach. von Reichenbach Ende 1860 interessant: Er Langen und Otto präsentierten auf der Pariser meinte darin, er hatte schon ab 1854 ähnliche Weltausstellung 1867 den Flugkolbenmotor, k.k. Privilegien eingereicht und widersprach der dem ebenfalls dort vorgestellten Eiscreme- dem Lenoir verliehenen Titel. Vergeblich ver- Soda die Show stahl und eine Goldmedaille suchte er den Nachweis zu erbringen, „dass die einbrachte. Er wurde auch „atmosphärische Maschine des Herrn Lenoir im gewissen Sinne Gasmaschine“ genannt und zeichnete sich mehr als Embryo als Theil, als unvollkommene durch einen niedrigeren Verbrauch sowie eine Entwicklung meiner eigenen früher dargeleg- extreme Geräuschentwicklung aus. Auch war ten mechanischen Idee zu betrachten sei“. Un- es mit dieser Technologie nicht möglich, größe- vollkommen war die Konstruktion in der Tat, re Maschinen zu bauen. Dennoch wurden bis sie verbrauchte 3 m³ Kohlengas, um 1 PS zu er- 1878 beachtliche 4.500 Stück davon verkauft, zeugen und benötigte 100 g Öl pro PS und Stun- der Absatz auch von der Gasindustrie erheblich de, dazu war die Zündung sehr mangelhaft. – etwa durch langfristige Teilzahlungsmöglich- keiten – gefördert. Der Deutsche Nicolaus Otto (1832-1891) war Autodidakt und gewissermaßen Autopionier. Otto – der Motor Er baute nach dem Vorbild Lenoirs seine erste Gaskraftmaschine bereits 1863. Der endgültige Durchbruch gelang 1876 mit der Vorstellung eines wesentlich leiseren Vier- Eugen Langen hatte ähnliche Ambitionen, aber taktmotors samt Verdichtung, binnen kurzer dazu auch noch Geld – sein Zuckerkonzern Zeit konnte der Verbrauch auf unter 1 m³ für Pfeifer & Langen besteht bis heute. Er wandte 1 PS reduziert werden. Bis 1889 waren bereits sich an Otto und gründete 1864 mit ihm in Köln 30.000 Maschinen auf dem Markt, der „Otto- die Firma „N. A. Otto & Cie.“, sie wanderte 1869 motor“ stellt bis dato das Grundmodell des aus Platzgründen nach Deutz und verwandelte in Fahrzeugen verwendeten Motors dar, „Der sich 1872 aus finanziellen Gründen in die „Gas- Gastechniker“ beschrieb als Vorläufer unserer motoren-Fabrik Deutz AG“, die heute noch pro- Verbandszeitschrift den explosiven Vorgang: duziert und somit als ältestes Motorenwerk der „Während des ersten Hubes (nach auswärts) Welt gilt. Konstrukteure bei Deutz trugen zum wird ein brennbares Gemenge von Luft und Gas FORUM SPECIAL 5 [2011] 7
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S eingesaugt; während des zweiten Hubes (nach einwärts) wird dieses verdichtet; im Beginne des dritten Hubes erfolgt dessen Entzündung, es explodirt, erfährt eine plötzliche Druckstei- gerung (zehn Atmosphären und darüber) und gibt während dieses dritten Hubes (nach aus- wärts) die eigentliche Kraftwirkung an den Kolben ab. Während des vierten Hubes (nach einwärts) werden die Verbrennungsgase ausge- trieben.“ Bild: Lexikon der gesamten Technik 1904 Der große wirtschaftliche Erfolg alarmierte er- neut Erfinder, die Otto die Originalität seiner Ideen streitig machten – mit Erfolg. So hatten Christian Reithmann 1860 und Alphonse Beau de Rochas 1862 jeweils Patente auf Viertaktmo- toren erhalten oder eingereicht. Tatsächlich wurden nach Gerichtsverfahren die Otto-Pa- tente 1886 und 1889 in Deutschland aufgeho- ben, außerhalb davon verblieben sie bei der britischen Firma Crossley. In einem Geheim- vertrag bekam Reithmann 25.000 Goldmark und eine Leibrente zugestanden, damit sich Otto weiter als deutscher Erfinder des Viertak- ters bezeichnen durfte. Dennoch wurde nun munter weiter konstruiert, so verkauften etwa Daimler und Benz, die einander übrigens nie persönlich kennenlernten, ab 1886 ohne Prob- Bild: google.com leme Viertaktmotoren, Bild: wikia Gottlieb Daimlers Motorkutsche aus dem glei- chen Jahr gilt als das erste vierrädrige Kraft- fahrzeug der Geschichte, schon im Jahr davor hatte Carl Benz das erste dreirädrige Benzinau- to in Bewegung gesetzt. Erneut glaubten und irrten viele aufgrund einer zunächst fälsch- lichen Datierung, die Erfindung des Autos sei eine österreichische gewesen. Immerhin steht mit dem Wagen des Siegfried Marcus Bild: Mercedes Benz von 1888/89 das älteste noch funktionierende Benzinauto der Welt im Technischen Museum Foto: Daimler zu Wien. Jetzt konnte auch flüssiger Brennstoff verwendet werden, doch bis zur Verbesserung der elektrischen Zündung durch Otto (1884) Oben: „Atmosphärische Gasmaschine“ von Otto/Langen 1876 (Konstruktionszeichnung) Mitte: Viertaktmotor mit Verdichtung von Otto und Langen (Prototyp); Patentschrift (1877) selbst war die Geschichte des Verbrennungs- Unten: 3-rädriger Motorwagen von Benz & Co. in Mannheim (Werbeplakat); Gottlieb motors gleichbedeutend mit der Geschichte Daimler auf der Fahrt durch Berlin (1886) des Gasmotors gewesen. ◂ 8 FORUM SPECIAL 5 [2011]
Foto: Archiv Wien Energie Gasnetz Von der Notlösung ... Es dauerte lange Zeit, bis nach der ursprünglichen Vorherrschaft des Gasmotors endlich Erdgasfahrzeuge auftauchten. Doch gab es schon viel früher Experimente mit gasbetriebenen KFZ. Dazu musste sich allerdings erst einmal ein nem der wichtigsten Industriezweige aufgestie- Füllung des Gastank-Anhän- nennenswerter Automarkt entwickeln. So gen, litt sie im weiteren Verlauf auch besonders gers für einen Städtischen schätzte man die Konjunktur 1907 allgemein am Mangel an Material aller Art. Autobus in Wien (1943) und insbesondere für den Fahrzeugbau sehr günstig ein – mit ein Auslöser für die Grün- Zwischen 1920 und 1925 kletterte die Anzahl dung des „Verbands österreichischer Auto- der PKW dennoch von 6.400 auf 11.000. Immer mobil-Industrieller“. In diesem Jahr tuckerten noch war das Fahren in den Bundesländern gerade einmal 2.300 mehrspurige KFZ über verschieden geregelt, erst 1929 kam es zur Ver- die Straßen der österreichischen Reichshälfte, abschiedung bundesweiter Normen. 1924 kam 50 % davon in Wien und Niederösterreich. Von ein Kraftfahrzeug auf über 400 Österreicher, einheitlichen Verkehrsbestimmungen konnte fünf Jahre später waren es nur noch 200. Nach keine Rede sein, Geschwindigkeitslimits orien- dem Ende der Wirtschaftskrise schnellte die tierten sich noch an Pferden. Nachfrage erneut in die Höhe, von 1933 bis 1936 verdreifachten sich die PKW-Neuzulassungen Enormen Aufschwung betreffend Kapazi- auch durch das Aufkommen leistbarer Modelle tät und Technik erfuhr die Fahrzeugbranche wie des „Steyr-Baby“, das als „österreichischer durch den Ersten Weltkrieg, doch kaum zu ei- Volkswagen“ ab 1936 um 4.500 Schilling – et- FORUM SPECIAL 5 [2011] 9
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S Fotos: Archiv Wien Energie Gasnetz Konstruktionsplan der was mehr als durchschnittliche Jahresgehälter war, das im Wesentlichen aus Methan bestand. Stadtgas-Verdichteranlage – erhältlich war. In Wien lag das Verhältnis in In Berlin war ab August 1934 ein Autobus im und Ansicht der Gastankstel- diesem Jahr bereits bei 46 Einwohnern pro KFZ. Dauertest unterwegs, der sowohl mit Gas als le in Wien, Einsiedlergasse 2 auch mit dem üblichen Benzin-Benzol-Ge- (um 1936) Gas bewegt Müll misch angetrieben werden konnte. 1935 ent- schloss man sich zum Bau einer Verdichter- Während sich Gas in der Großstadt – abgese- anlage und Tankstelle – ebenso wie in der hen vom Heizen – im Haushalt bereits durch- Tschechoslowakei, wo die Witkowitzer Eisen- gesetzt hatte, beschäftigte man sich Mitte der werke eine Kompressionsanlage bauten und dreißiger Jahre nun auch wieder verstärkt mit mit ihren LKW sowie einigen PKW 40 % gegen- der Verwendung als Treibstoff. Die begrenzte über dem Benzinbetrieb einsparten. Verfügbarkeit von Sprit auf Erdölbasis war be- reits damals ein wichtiges Argument. Bereits 1934 führte das Österreichische Ku- ratorium für Wirtschaftlichkeit eine „Alpen- In Deutschland war die Sorge ob der Abhän- wertungsfahrt für Kraftfahrzeuge mit Ersatz- gigkeit von ausländischen Erdöllieferanten brennstoffen“ durch. Die Wagen hatten sich besonders groß, schon 1935 stand in Hannover über eine Strecke von 2.900 km zu quälen und eine Stadtgas-Tankstelle für LKW mit einer Ta- durften dabei nur Ersatztreibstoffe verwenden: gesleistung von bis zu 150 km auf dem Gelän- Holz und Holzkohlen, die in einem Generator de des früheren Gaswerks an der Glocksee in entgast wurden, oder Mixturen von Braunkoh- Betrieb. Kurioserweise wurde gleichzeitig auch lenteerdestillaten, Methylalkohol und Spiritus. eine „Elektroladestelle“ für LKW mit einer täg- lichen Fahrleistung von 50-60 km getestet, Stadtgas wurde hier nicht eingesetzt, wohl was zu Zeitungsmeldungen wie dieser führte: aber bei Versuchen in Wien, die ebenfalls An- „In Kürze werden sämtliche städtischen Last- fang 1934 begannen. Dort stellte man – wie wagen nur noch mit Stadtgas oder Elektrizität auch bei den internationalen Experimenten – betrieben werden.“ Nahe ans Erdgasfahrzeug fest, dass sich fertiges Gas nur für große Last- kam man in Stuttgart heran, wo 1936 ein Teil kraftwagen eignet. Und dass sich fix eingebau- der städtischen LKW mit Klärgas unterwegs te Flaschen, die an Tankstellen gefüllt werden, 10 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS Fotos: Archiv Wien Energie Gasnetz besser bewähren als Wechselflaschen. Das Die Kosten für die Umrüstung und die Anschaf- Gasbetriebenes Müllfahrzeug damalige Problem war kein motorisches, Sor- fung der Flaschen fielen dabei mit 2.500 Schil- der Stadt Wien. Links: Zug gen bereiteten die großen und schweren Gas- ling kaum ins Gewicht, teuer sollte aber die maschine mit Tanks flaschen. In Wien versorgte man den Zugwagen neue Verdichteranlage werden, die das Gas auf eines städtischen Mülltransporters mit Ener- Abfülldruck zu bringen hatte. Sie wurde mit gie aus sechs stählernen Flaschen, damit ver- 100.000,- veranschlagt, dennoch sollte sich größerte sich sein Gewicht von 5,8 Tonnen um die Umstellung rechnen. 1936 wurde die Mar- weitere 450 kg. Zufrieden waren die Tester mit garetner Gastankstelle, eigentlich eine aus drei dem Anspringen des Motors auch bei niedrigen Räumen bestehende „Stadtgasverdichteranla- Temperaturen, mit den geruch- und rußfreien ge“, nebst der Wageneinstellhalle des Wiener Abgasen, mit der hohen Wirtschaftlichkeit, mit städtischen Fuhrwerksbetriebs (die Kommune der Reichweite von 60 Kilometern und zwar besaß damals rund 300 motorisierte Fahrzeu- nicht rasanten, aber für einen Müllzug mit 14,5 ge) in der Einsiedlergasse 2 in Betrieb genom- Tonnen (beladen: 23 t) Gewicht und 17 Metern men. Mit einer Verdichterleistung von 225 m³ Länge zufriedenstellenden 25 km/h Höchstge- pro Stunde war sie damals eine der größten ih- Gasbetriebenes Einsatzfahr- schwindigkeit. Da man 1935 also zum Schluss rer Art, aufgrund des niedrigeren Strompreises zeug der Wiener Städtischen kam, dass die Fahrleistung akzeptabel war, wurden die Verdichter nur nächtens und in der Gaswerke, 1930er-Jahre sollten die Versuche mit allen 25 Müllzügen Mittagspause eingesetzt, die Müllwagen also Wiener Autobus der Linie 20 fortgesetzt werden. vorwiegend über Nacht betankt. mit Gastank-Anhänger (1943) Fotos: Archiv Wien Energie Gasnetz FORUM SPECIAL 5 [2011] 11
Einsatzfahrzeug der Gasag in Berlin als Werbeträger für den Kraftstoff Gas: „Dieser Wagen fährt mit Leuchtgas“ Foto: GasAG, Berlin Vorboten und Exoten than, Kohlenmonoxid und Wasserstoff erzeugt wurde. Wie schon im ersten großen Krieg des 20. Jahr- hunderts sorgte die Mangelsituation auch im Die Deutsche Reichsbahn experimentierte Zweiten Weltkrieg für Kreativität in der Gasnut- ebenfalls mit dieser Technologie, Mitte der zung – damals etwa beim Kochen in den zahl- 1930er-Jahre wurden Loks mit Holzvergasern reichen Großküchen, nun auch im Verkehr. So ausgestattet. Noch in den 1950ern sah man wurden erstmals 1943 einige Wiener Autobus- Lastwagen auf Buchenbasis regelmäßig im linien auf den Betrieb mit Stadtgas umgestellt. Straßenverkehr, drei Kilo Holzscheite ersetzten Neben den Niederdruckgas-Füllstationen für etwa einen Liter Benzin. die Busse errichteten die Gaswerke auch eini- ge Hochdruck-Gastankstellen für das Betanken Während der Einsatz in KFZ heute auf nur noch von Lastkraftwagen der Wehrmacht. einige ganz wenige „Connoisseurs“ beschränkt ist, haben diese oder verwandte Technologi- Als Exoten unter den Gasfahrzeugen muten en möglicherweise aber durchaus Zukunft, heutzutage solche an, die mit Holzvergasern schließlich handelt es sich um einen nach- arbeiteten. Die Technologie war längst bekannt wachsenden Rohstoff: In verschiedenen ex- und der Erzeugung von Leuchtgas aus Kohle perimentellen Anlagen wird die Biomassever- nicht ganz unähnlich. Doch erst in wirklichen gasung getestet, eine Anreicherung des auch Krisenzeiten mussten aufgrund der militäri- Bio-SNG genannten Gases bis zu Erdgasquali- schen Nachfrage flüssige Kraftstoffe gespart tät ist wie bei „normalem“ Biogas möglich. So werden, wo dies nur möglich war. Während könnte Gas aus Holz eventuell früher oder spä- des Zweiten Weltkriegs fuhren in Deutschland ter doch wieder im Tank landen. mehrere hunderttausend Fahrzeuge umher, die relativ leicht als Holzgas-KFZ auszumachen Doch zurück aus der Zukunft ins Jahr 1963, als waren: An ihnen befanden sich recht klobige die Verwendung von Erdgas erst am Beginn Generatoren, in denen Holz erhitzt und dabei stand und die Stadt Wien mit einem anderen ein Gas aus brennbaren Bestandteilen wie Me- Kraftstoff einen Schritt weg vom schmutzigen 12 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS Auftankung bei einer Tank- stelle der Gasag in Berlin Gasbetriebenes Fahrzeug der Firma Hammerbrot (Wien 1944) Foto: Archiv Wien Energie Gasnetz Foto: GasAG, Berlin Diesel setzte: Damals wurde begonnen, Auto- sich ökologische Vorzüge finden, gegenüber busse und Tankeinrichtungen so umzurüsten, CNG hat es aber einige Nachteile: Es wird bei dass ein Betrieb mit sowohl Diesel als auch geringerem Druck flüssig gespeichert und auch Flüssiggas möglich wurde. Letzteres ist auch so transportiert. Dies belastet – so wie der Ben- als LPG (Liquefied Petroleum Gas) oder Auto- zintransport – die Umwelt, während Erdgas gas bekannt und besteht im Wesentlichen aus im vorhandenen Netz weitergeleitet wird. Mit Butan bzw. Propan. Bis 1977 wurden rund 300 Flüssiggas betriebene Fahrzeuge dürfen nicht Wagen für den Dualbetrieb umgebaut, neue in Tiefgaragen einfahren, denn LPG ist schwe- Busse dann mit modernen Ottomotoren ausge- rer als Luft und verflüchtigt sich bei einem Aus- stattet, die bis heute mit LPG betrieben werden. tritt nicht. Auch die Beimischung von Biogas oder biogenen Stoffen ist nicht möglich. In Ös- Bei diesem Gas handelt es sich um ein Neben- terreich hielt sich LPG bis in die 1980er-Jahre Gasbetriebene LKW aus dem produkt, das in Raffinerien bei der Rohöldestil- aufgrund einer Steuerbefreiung, die allerdings Fuhrpark der Stadt Wien lation entsteht. Im Vergleich zu Benzin lassen für private Fahrzeuge beendet wurde. ◂ (1944) Foto: Archiv Wien Energie Gasnetz FORUM SPECIAL 5 [2011] 13
Grafik: Ruck ... zur Weltumrundung In Österreich feierte das CNG-Auto 1991 seine Premiere. 15 Jahre darauf stellte der Deutsche Rainer Zietlow mit seiner World Tour Leistungsfähigkeit des Motors und Verfügbarkeit des Kraftstoffs eindrucksvoll unter Beweis. Bei Linz beginnt’s Noch monierte man eine relativ geringe Reich- weite von 120 km, errechnete aber Kosten pro Anfang der 1990er tauchten schließlich Erd- gefahrenem Kilometer, die weniger als 50 % im gasfahrzeuge in Österreich auf. Der erste CNG- Vergleich zu Benzinern betrugen. Gleich nach betriebene PKW hatte 1991 in Kirchschlag bei der Präsentation im August 1991 fanden sich Linz Premierenfahrt, vorgestellt wurde er von Interessenten: „Viele Gaskunden wollten ad der Oberösterreichischen Ferngas GmbH. Die hoc CNG-Autos in ihren Firmen einsetzen, doch OÖF hatte schon seit etwa drei Jahren CNG- mußten diese erst auf den Abschluß unserer Aktivitäten beobachtet und stellte zu Projekt- praktischen Erprobung vertröstet werden“, be- beginn bereits die richtigen Fragen nach den richtete Projektleiter DI Roland Huemer. Marktchancen und den Auswirkungen auf die Umwelt. Weiters wollte man für eine Situati- Neu war die Technologie nicht mehr, fuhren on gerüstet sein, sollten sich Veränderungen doch 1991 bereits rund 800.000 Fahrzeuge mit in Richtung Ölknappheit, Preisexplosion oder CNG, mehr als die Hälfte davon in der UdSSR Verschärfung der Schadstoffgrenzen ergeben und Italien. Auch um die umweltfreundlichen – Szenarien, die heute sehr realistisch erschei- Alternativen bekannter zu machen, fand im nen. Auch schätzte man damals (wohl zu pessi- September dieses Jahres die ECO-Gas-Autotour mistisch), die Ölreserven würden noch für etwa von Rom nach Kiew statt, an der etwa 40 gas- 40 Jahre ausreichen, die Erdgasreserven aber betriebene Fahrzeuge teilnahmen und auch in für mindestens 60 Jahre. Österreich Halt machten. Der heimische Ab- 14 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS Fotos: gww aktuell schnitt wurde von ÖMV, Austria Ferngas und nativem Kraftstoff unterwegs war – die ÖVGW/ V.l.n.r.: ÖAMTC betreut, dabei organisierte man auch FGW-Verbandszeitschrift „gww – Gas Wasser 1,2: Einsatzfahrzeug der OÖ. eine Informationsveranstaltung für Industrie- Wärme“ erklärte: „Die Verbrennung erfolgt Ferngas (1991) vertreter, Journalisten, Firmen, Wissenschaft- wie im Ottomotor. Durch die Verwendung ei- 3: Erste österreichische ler und Vertreter der Ministerien. Nun begann ner kontaktlosen Hochleistungs-Zündanlage Erdgas-Tankstelle, errichtet auch die EVN, die zunächst die ECO-Autotour wird wartungsarmer Betrieb sichergestellt. Am von der EVN in Teesdorf mit Erdgas versorgt hatte, Versuche mit einem Fahrzeug sind 8 Gastanks mit je 80 l Fassungs- 4–8: ECO-Gas-Autotour von eigenen Fahrzeug anzustellen und richtete in vermögen, d. h. 640 l installiert. Die Betankung Rom nach Kiew (1991) Teesdorf die erste „echte“ Erdgas-Tankstelle erfolgt an CNG-Tankstellen, wo das Erdgas auf ein – ausgerüstet mit Zapfsäule samt Kostenan- hohen Druck komprimiert und in Druckspei- zeige. Der von den Niederösterreichern verwen- chern gelagert wird.“ Zusammen mit einem dete Kleinbus erzielte bereits Reichweiten von nachgeschalteten Katalysator erzielte man eine 200–245 km sowie die erhofft günstigen Abgas- Abgasemission, die „vorbildlich niedrig ist. und Verbrauchswerte. Zudem werden verschwindend geringe Par- tikelwerte, Geruchsfreiheit und unsichtbares Gut für Nutzfahrzeuge Abgas erreicht – ein umweltfreundlicher An- trieb.“ Weiters war man über die „weiche“ und Anlässlich des Nutzfahrzeuge-Salons 1991 prä- daher leise Erdgasverbrennung erfreut, welche sentierten die Hersteller in Brüssel einen MAN- die innerstädtische Lärmbelastung reduzieren Lastwagen, der erstmals mit Erdgas als alter- helfen sollte. FORUM SPECIAL 5 [2011] 15
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S 1995 beantwortete Dr. Gerald Gaberscik von der Technischen Universität Graz auf der ÖVGW- Jahrestagung die „Alternative Erdgas – Kraft- stoff mit Zukunft?“ mit „JA“. Einer größeren Verbreitung stehe nur die Tankstellen-Infra- struktur und eine bessere fiskalische Behand- lung durch die Staaten im Weg. „Aus techni- scher Sicht ist CNG derzeit eine der besten, wenn nicht überhaupt der zukunftsträchtigste Alternativkraftstoff für den mobilen Verkehr.“ Foto: Archiv Wien Energie Gasnetz In Wiener Neustadt sah man das ähnlich und setzte ab nun einen mit Erdgas betriebenen Ci- ty-Bus im Linienverkehr ein. Zu Beginn des neuen Jahrtausends herrschte bereits großer Optimismus: Mehrere Herstel- ler produzierten nun endlich CNG-Serienmo- delle, auf der Dornbirner Frühjahrsmesse 2001 Auftankung eines Flottenfahr- 1993 wagte sich die OÖ Ferngas GmbH an eine wurden einige davon vorgestellt, die bereits zeugs bei der Betriebstank- neue Geräteklasse heran. Von einer Firma in Reichweiten von 400 km erzielten. Der deut- stelle der Wien Energie in Vöcklabruck veranlasst, rüstete sie den ersten sche Umweltminister Jürgen Trittin sagte auf Simmerung Hubstapler in Österreich von Flüssiggas- auf der Internationalen Automobilausstellung, es Erdgasbetrieb um. Um das nötige Know-how solle „der Kraftstoff Erdgas breit im Markt ein- zu bekommen, wurde eigens ein Werkmeister geführt werden“, in Österreich waren Dutzen- nach Italien entsandt. Das Unternehmen hat- de neue Tankstellen geplant. Erdgas wurde als te Sicherheitsbedenken gegenüber dem bisher eine Möglichkeit gesehen, das Kyoto-Ziel zu verwendeten LPG gehabt, erwartete aber auch erreichen. So schätzte die Gaswirtschaft, man Kosteneinsparungen durch das billiger zu be- könnte mit der nötigen Infrastruktur und der schaffende Erdgas. Im gleichen Jahr wurde Herstellung von Steuersicherheit durch den innerhalb der ÖVGW ein Fachausschuss „Erd- Gesetzgeber in 10 Jahren mit einem Anteil der gasbetriebene KFZ“ gegründet, ein Rahmenar- CNG-Fahrzeuge von 1–2 % der angemeldeten beitsprogramm über drei Jahre umfasste alle KFZ (das wären 45.000–90.000) rechnen. wesentlichen Aspekte. Da nun also zunehmend CNG-Serienfahrzeuge CNG-Technologie bewährt sich auf den Markt kamen, entstand auch der Be- darf nach fachgerechtem Service. Man trat an Ein besonders wichtiger davon war die Sicher- die ÖVGW heran und ersuchte um deren Exper- heit: Eine Studie ergab Ende 1994, dass der tise. Gemeinsam mit der Automobilwirtschaft Betrieb mit CNG nicht gefährlicher als mit flüs- entwickelte sie ein zweitägiges Seminar, in sigen Kraftstoffen ist. Schon damals war klar, dem ab Mai 2002 das Werkstättenpersonal der dass für den Gasbetrieb optimierte Motoren der Autofirmen geschult wurde. Umrüstung vorzuziehen wären, doch gab es erst Ansätze von Anstrengungen der Hersteller Ab Jänner 2003 konnte man unter der Grazer in diese Richtung. Selbst die Umrüstung von Nummer 2604 ein „Naturtaxi“ bestellen, die KFZ musste in den Niederlanden vorgenom- 16 Wagen einer Taxiflotte waren sämtlich CNG- men werden, ehe die EVN die Berechtigung Ausführungen eines siebensitzigen Opel Zafira. zum Einbau von Umbausätzen erwarb. Nicht nur der Umweltaspekt, sondern auch die 16 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS geringeren Kosten sowie die Unterstützung von OMV und Steirischer Ferngas hatten die Firma überzeugt. Eine noch wesentlich größere Flotte konnte die Wien Energie Gasnetz GmbH aufweisen, als sie 2006 ihre CNG-Betriebstankstelle in Simmering eröffnete: 120 Fahrzeuge fuhren damals mit Erdgas und ersparten jährlich 20.000 Euro an Treibstoffkosten. Doch begannen Branchenver- treter zu kritisieren, dass dies immer noch eine Ausnahme war – so Ing. Mag. Gerhard Kunit, Foto: Franz Janusiewicz der damalige Vorsitzende der Arbeitsgruppe CNG im Fachverband Gas Wärme: „Die steuer- liche Situation ist in Österreich derzeit wenig zufrieden stellend. Viel mehr als die fehlende Steuersicherheit schmerzt jedoch die zögerli- che Umsetzung bei den Fuhrparks des Bundes, der Länder, der Kommunen und den diesen In 142 Tagen um die Welt Rainer Zietlows VW Caddy nahe stehenden Unternehmen sowie das Feh- EcoFuel beim Überqueren len nicht-monetärer Anreize.“ Damit meinte Was von CNG-Fahrzeugen im Extrembetrieb der Grenze von Chile nach Argentinien (2006) er etwa den Erlass von Parkgebühren, das Be- geleistet werden kann, stellte der Mannheimer nützen der Busspur etc. – Anreize, wie sie etwa Eventmanager Rainer Zietlow gleich mehrmals in Schweden üblich sind. Neben der Unter- auf die Probe. Am 25. Oktober 2006 machte stützung durch Bund, Länder und Gemeinden er sich mit seinem Team und einem Volkswa- forderte er eine flächendeckende Tankstellen- gen Caddy EcoFuel auf den Weg, die „EcoFuel infrastruktur, Marketingmaßnahmen und ver- World Tour“ sollte ihn in 180 Tagen um die Welt stärktes Lobbying. führen. Er hatte es allerdings eiliger und schaff- te die globale Umrundung in nur 142 Tagen. Immerhin empfahl die EU eine Substitution Dabei wurde er nicht nur durch Volkswagen von 10 % des Kraftstoffs durch Erdgas, dazu mit Ersatzteilen und einem Begleitfahrzeug müssten 2020 etwa 500.000 CNG-Fahrzeuge unterstützt, auch die OMV war als österreichi- in Österreich unterwegs sein. Anfang 2007 wa- scher Beitrag mit von der Sponsorenpartie bei ren es gerade einmal 1.000, denen landesweit diesem Rekordversuch. 50 Erdgas-Tankstellen zur Verfügung standen – allerdings bei stark steigender Tendenz. Nur 45.000 Kilometer Fahrt über fünf Kontinente etwa ein Jahr später konnte schon an der 100. und durch 26 Länder schaffte das Team, wobei Tankstelle Erdgas bezogen werden. ausschließlich Erdgas getankt wurde – und das nur 33 Mal. Dies war durch neun in das Seri- Zunehmend wurde auch bereits die Verwen- enfahrzeug eingebaute Zusatztanks ermöglicht dung von Biogas diskutiert. Das aus biogenen worden, mit welchen der Caddy insgesamt Stoffen (Gülle, Klärschlamm, Gras etc.) erzeug- 200 kg Erdgas fassen konnte. Die Betankung te Gas kann etwa auf Erdgas-Qualität, in der erfolgte mit ganz unterschiedlichem Druck von Folge auch ins Erdgasnetz beziehungsweise in 160 (Indien) bis 250 bar (Deutschland, Öster- den Tank gebracht werden und damit die Öko- reich), auch der Methananteil variierte von 80– bilanz weiter verbessern, anstatt bloß – relativ 98 %. Das stellte für den Motor kein Problem ineffizient – verstromt zu werden. dar, er soll „wie ein Uhrwerk“ gelaufen sein. FORUM SPECIAL 5 [2011] 17
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S Foto: Franz Janusiewicz Während es in Europa keinerlei Versorgungs- Hitze, Kälte, Höhe (bis zu 4.000 m), schlimme engpässe gab, wollten die bloß zwei in der Tür- Straßenverhältnisse – das Team demonstrierte kei vorhandenen Tankstellen erst einmal ge- mit seiner Weltumrundung nicht nur die Leis- funden werden. Syrien und Jordanien mussten tungsfähigkeit von CNG-Fahrzeugen, sondern ohne Tankstopp durchquert werden, dagegen bekam sie auch in vielen Ländern selbst vor entpuppte sich Ägypten als Erdgas-Eldorado, Augen geführt, wo Erdgasautos bereits höchst später auch Südamerika: Argentinien hatte da- erfolgreich auf dem Markt etabliert waren. Ne- mals mit 1,46 Millionen Fahrzeugen die welt- benbei brachte die Tour Zietlow nach einem weit meisten CNG-KFZ, eine der über 1.400 älteren Höhenweltrekord für Serienfahrzeuge Tankstellen fand sich selbst in der sprichwört- eine weitere Eintragung ins Guinness-Buch der lichen Pampa problemlos. Ein weiterer Rekord Rekorde. war die längste je ohne Auftanken mit CNG ge- fahrene Strecke: sensationelle 3.100 km von Damit nicht genug, warf der Marathonfah- Kairo nach Teheran. Im Iran wartete als „Be- rer den Caddy noch im selben Jahr wieder an lohnung“ der niedrigste Gaspreis der Welt: Ein und machte einen weiteren 32.000 km-Ausflug Kilogramm CNG kostete dort nur unglaubliche von Berlin über Russland, Tibet und China 0,006 Cent! nach Bangkok. Dabei wurde nicht nur ein neu- 18 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS Impressionen von der EcoFuel World Tour (2006) Fotos: Franz Janusiewicz es Nano-Material für Gastanks getestet, son- einer zweiten Etappe wurde 2010 die berühm- dern auch die Nehmerqualitäten des Autos bei te „Panamericana“ von Argentinien bis Alaska, Flussdurchfahrten, auf unbefestigten Straßen mit einem Abstecher an die US-Ostküste, be- und 5.000 Meter hohen Pässen. Zehn Wochen, wältigt. Der nördlichste Punkt hieß Deadhorse vier Reifenplatzer und eine kaputte Wind- – und so muss man sich wohl auch nach 48.437 schutzscheibe später war auch dieser strapazi- in nur drei Monaten gefahrenen Kilometern öse Test gemeistert. fühlen. ◂ Nach einer „Pause“, in der er „nur“ in 80 Tagen sämtliche 800 CNG-Tankstellen Deutschlands Stationen der EcoFuel World Tour 2006/07 anfuhr, ging es im Oktober 2009 erneut auf gro- Köln – Wien – Thessaloniki – Istanbul – Damaskus – ße Tour: Nun wollten die längsten Straßen der Amman – Kairo – Teheran – Abu Dhabi – Doha – Ka- Welt von Atlantik bis Pazifik befahren werden. rachi – Lahore – Delhi – Bombay – Bangkok – Kuala Die Fahrt begann in Portugal und führte über Lumpur – Singapur – Brisbane – Sydney – Santiago – die auch ob des schlechten Zustands berüch- Buenos Aires – Sao Paulo – Mexico City – Dallas – Los tigte „Transkontinentale“, die mit 10.000 km Angeles – Detroit – Toronto – New York – Leipzig längste Straße Russlands, bis nach Tokio. In FORUM SPECIAL 5 [2011] 19
Foto: Mercedes Benz Foto: Mercedes Benz
Foto: Volkswagen Foto: Volkswagen
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S „Fahren, genießen, erleben!“ Mag. August Hirschbichler ist seit 2000 Vorstandsdirektor der Salzburg AG. Während der letzten Jahre hat sich der Energie- und Verkehrsdienstleister zu einem Vorreiter bei innovativen Technologien entwickelt. Von Treibstoff aus Wiesengras bis zu modernsten Dual-Fuel-Pistenraupen gibt es fast nichts, das es in Salzburg nicht gibt. FORUM GWW: Vor 20 Jahren setzte sich in Weltweit sind 11 Millionen Erdgasfahrzeuge Oberösterreich das erste Erdgasauto in Bewe- unterwegs, warum ging die allgemeine Ent- gung. Wie sehen Sie die ersten zwei Jahrzehnte wicklung bei uns eher schleppend voran? Wo der Erdgasmobilität in Österreich? liegen die Versäumnisse? Hirschbichler: Mir tut es nachträglich ein biss- Es ist im Moment „in“, der Politik die Schuld chen leid, dass es nicht die Salzburg AG war, zu geben, ich möchte aber nicht in dieses Horn die diese wunderbare Technologie eingeführt stoßen. Zunächst gab es ein typisches Henne- hat. Denn in all diesen Dingen ist das Unter- Ei-Problem: Wenn ich Erdgasfahrzeuge bewe- nehmen bei den Vorreitern zu finden. Aller- gen will, brauche ich ein flächendeckendes dings erfolgte die Aufschließung des Landes Erdgastankstellennetz. Die zu einem Ausbau für Erdgas generell von Osten her, sodass die berufenen Player sagten wiederum, diese er- westlichen Bundesländer später mit der Flä- hebliche Investition kann nicht verdient wer- chenversorgung begonnen haben. Ein flächen- den, wenn es keine Autos gibt. So kommt man deckendes Netz ist natürlich die Voraussetzung natürlich nicht weiter, also bedurfte es einiger für die entsprechende Infrastruktur, um solche Vorreiter, etwa bei den Energieversorgern. Sie Fahrzeuge auch betanken zu können. Über den nahmen es in die Hand, die Infrastruktur zu er- gesamten Zeitraum von 20 Jahren betrachtet, richten, was erst etwa in den letzten zehn Jah- bin ich mit dem Entwicklungstempo nicht sehr ren wirklich begonnen hat. zufrieden, weil ich das nach wie vor für eine höchst sinnvolle Technologie halte. Was die Jede zweite Tankstelle wird ja derzeit von Ih- Voraussetzungen dafür betrifft, schreiten diese rem Unternehmen errichtet. aber eher langsam voran. Mein Betrachtungs- Genau, wir haben ganz intensiv auf dieses Ge- zeitraum ist allerdings ein kürzerer, da wir in biet gesetzt, möchten hier eine Vorreiterrolle Salzburg später dran waren, dann aber mit zu haben und müssen daher ein gewisses wirt- den Ersten gehörten, die sich intensiv mit CNG schaftliches Risiko in Kauf nehmen. Nur wenn beschäftigt haben. Und wir setzen nach wie vor man die Infrastruktur schafft, kann man diese darauf. sinnvolle Technologie auf den Markt bringen. 22 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS Das wurde intensiv seit rund zehn Jahren ge- macht, heute gibt es fast 200 Tankstellen, etwa 80 davon wurden von der Salzburg AG errichtet. Das zweite Problem war damit aber noch nicht gelöst: Es gab noch keine geeigneten Serien- fahrzeuge in einer Breite der Produktpalette, die etwas für jeden Kunden bietet. Erst seit we- nigen Jahren gibt es gute Großserienfahrzeuge wie den Passat, die auch leistungsmäßig den ansonsten baugleichen Diesel- und Benzin- fahrzeugen in Nichts nachstehen – die Auto- industrie ist schon sehr zögerlich gewesen, die heutige breite Palette auf den Markt zu brin- gen. Infrastruktur und Fahrzeugauswahl sind allerdings die Basis, jetzt gibt es beim Neukauf eine wunderbare Alternative. Foto: FGWW Ein drittes Problem ist, dass man natürlich das alte Fahrzeug – nur weil es da etwas Neues, Sinnvolles gibt – nicht sofort austauscht. Die sinnvolle Information des Kunden ist also die nächste Aufgabe. Jeder, der Autos anbietet, Emissionen – wie CNG-Fahrzeuge – solche Be- kennt sein Fahrzeug perfekt in der Diesel- und schränkungen nicht einhalten müssen, wäre Benzin-Ausführung. Bei einer „peinlichen Be- durchaus ein Anreiz, der diese Technologie för- fragung“ zum Gasbetrieb ist vielleicht sogar dern würde. der Verkäufer selbst unsicher und empfiehlt möglicherweise eher den Benziner, bei dem er Um das Thema Feinstaub ist es ein wenig ruhi- sich auskennt. ger geworden, Erdgasautos wären auch in die- sem Bereich ideal. Es wäre wohl seitens der Politik auch nicht Leider ist immer nur das CO2 im Vordergrund. schlecht, gute Rahmenbedingungen – wie In- Der Feinstaub jedoch, der uns eine Riesenbe- vestitionssicherheit – für die Unternehmen zu lastung beschert, ist natürlich gerade beim schaffen, oder? CNG-Fahrzeug wesentlich reduziert. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, es wäre sicher interessant für Unternehmen, die gleich Die Salzburg AG betreibt eine Vielzahl inno- ihren gesamten Fuhrpark umstellen, wenn vativer Projekte, etwa in der dann nicht irgendwelche Steuern kommen, die Biogas-Erzeugung. Nun ist in die unbestrittenen wirtschaftlichen Vorteile der Energiestrategie die Einfüh- rung von Bio-CNG mit 20 % Bio- von CNG-Fahrzeugen gefährden. Es wäre eine „Leider hat nicht die ganz wichtige Geschichte, etwa für die nächs- gas-Anteil vorgesehen. Neben ten zehn Jahre zu garantieren, dass keine zu- Pilotprojekten wie Graskraft Salzburg AG diese Reitbach tut sich in der Biogas- sätzliche Besteuerung kommen wird. Weiters Produktion nicht allzu viel. Wie wunderbare Technologie könnte man entsprechende Anreize schaffen: So gibt es immer wieder 100 km/h-Geschwin- sehen Sie das? eingeführt.“ digkeitsbeschränkungen auf Autobahnen auf- Für das ganze Thema CNG-Fahr- grund der Emissionen. Dass Autos mit wenigen zeuge ist die Beimischung von FORUM SPECIAL 5 [2011] 23
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S Biogas-Anlage in Strasswalchen/Steindorf mit dem gleichen Konzept im Bau – einem Kon- zept, das auch noch an weiteren Standorten in Salzburg verfolgt werden soll. Wir trachten na- türlich danach, möglichst viel von diesem Bio- gas dem Treibstoff beizumischen. Fuhrparks und öffentliche Verkehrsmittel sind natürlich ein Thema. Man fragt sich, warum in diesem Punkt nicht mehr geschieht – Ihres ist scheinbar das einzige Unternehmen, das mit öffentlichen Erdgasbussen arbeitet. Wie stellt sich das aus Ihrer Sicht dar? Unternehmer müssen – wie gesagt – schon auch ein gewisses Risiko auf sich und eine Vor- reiterrolle übernehmen. Wir müssen aber na- türlich auch im eigenen Fuhrpark möglichst viele CNG-Fahrzeuge haben, um sagen zu kön- nen: „Wir kennen uns da aus, wir testen das selbst und sind damit zufrieden.“ Mit diesen Fahrzeugen fahren wir auch zum Kunden, der sie so auch zu sehen bekommt. Das Fahrzeug Foto: FGWW wird greifbar, man beschäftigt sich damit. Der erste Punkt ist also, das selbst zu machen, da- Biogas aus zwei Gründen ein wichtiger Fak- her haben wir über 120 Erdgasfahrzeuge im ei- tor: Erstens ist der Umwelteffekt noch besser, genen Fuhrpark. wenn man heimisches Biogas – noch dazu, wie bei uns, aus Wiesengras – beimischt. Zweitens Der zweite Punkt ist der öffentliche Verkehr: wird dadurch auch die oft genannte Abhän- Wir sind auch Verkehrsdienstleister in Salz- gigkeit beim Treibstoff vom Ausland reduziert. burg und setzen da primär auf den umwelt- Deshalb ist das weiter zu forcieren. freundlichen O-Bus mit Strom aus heimischer Wasserkraft. Doch gibt es auch viele Strecken, Ist das leistbar beziehungsweise finanzierbar? die mit einem O-Bus nicht wirtschaftlich be- Es ist leistbar, es ist finanzierbar und es ist – dient werden können, wo also der Autobus das schon allein für die Umwelt – jedenfalls sinn- geeignete Transportmittel ist. Diese unter der voll. Ich bekomme dezentrale, CO2-neutrale Marke „Allbus“ mit Dr. Richard gemeinsam be- Energie. Eine Problematik ist dabei nur, dass triebenen Busse werden sukzessive auf Erdgas- man nicht überall geeignete Standorte findet. Wir setzen auf sogenannte Energieparks, ge- meinsam mit den Gemeinden, wo heimische Rohstoffe verwendet werden. Wir tun das etwa mit einem Biomasse-Heizkraftwerk, beim Bio- „Biogas ist leistbar, gas übernehmen die Landwirte das Substrat, es ist finanzierbar die Salzburg AG dann die Reinigung und Ein- speisung des Gases. Wir haben mehrere Pro- und jedenfalls sinnvoll.“ jekte, mit Reitbach in Eugendorf ist die erste Anlage in Betrieb, derzeit befindet sich eine 24 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS betrieb umgestellt. Bis jetzt haben wir 39 Busse LKW auf Diesel- und Gasbetrieb in Koopera- mit einem Biogas-Anteil von 40 % in Betrieb. tion mit Mercedes/Pappas. Derzeit wird jede Es ist ein Pionierprojekt, wo man auch unter- Woche ein LKW umgebaut und auf den Markt nehmerisches Risiko eingeht. Dabei wird sich gebracht. herausstellen, wie lange die Fahrzeuge halten und welchen Restwert sie später noch haben Wie sieht diese Kooperation genau aus? werden. Die Risikobereitschaft besteht also da- Wir haben das System der englischen Firma rin, sich das einmal anzusehen. Wir haben da- Hardstaff zusammen mit Mercedes/Pappas bei auch die Unterstützung des Landes und der und Volvo nach Österreich gebracht und neh- Stadt gehabt und aufgrund der höheren An- men mit Partnern der Salzburg AG hier die schaffungskosten Förderungen für die ersten Umrüstung vor. Die Nachfrage Busse bekommen. ist groß. Man erreicht im Ge- samtschnitt einen Erdgasanteil Schon aus heutiger Sicht kann man sagen, von 70 %, das ist natürlich in dass die CNG-Busse genauso gut halten wie an- punkto Wirtschaftlichkeit für je- „CNG-Busse halten dere und auch die Wirtschaftlichkeit ist trotz den Unternehmer bestechend. genauso gut wie höherer Anschaffungskosten genau wie beim Es gibt keinen Leistungsver- mit Diesel betriebenen Fahrzeug gegeben. Wir lust, und mit diesem System andere, und auch die haben nur beste Erfahrungen damit gemacht. können auch schwere LKW mit Mit solchen praktischen Erfahrungswerten ist 450–500 PS umgerüstet wer- Wirtschaftlichkeit ist dann auch die Möglichkeit eines Durchbruchs den, die man mit reinem Erd- wie beim D ieselfahrzeug bei anderen Unternehmen gegeben, die sich gasbetrieb noch nicht betreiben ansehen können, wie hoch etwa die realen kann. Wenn dann Unternehmer gegeben. Instandhaltungskosten sind, wie die Wartung ihre Flotten umstellen, können Wir haben nur beste aussieht etc. Es rechnet sich, wenn man die wir eine maßgeschneiderte La- Busse eine gewisse Zeit im Einsatz hat. destation beziehungsweise Erd- Erfahrungen gemacht.“ gastankstelle direkt im Betrieb Von bislang 177 CNG-Tankstellen hat Ihr Un- errichten. ternehmen 80 errichtet. Setzen Sie auf weite- ren Ausbau? Ein weiteres Projekt ist eines in Kooperation Man muss bereit sein, gewisse Vor-Investitio- mit Kässbohrer, wo ein ähnliches System für nen zu tätigen, sonst kann überhaupt nichts Pistenraupen verwendet wird – eine wahr- entstehen. Mit fast 200 Tankstellen und der scheinlich für die westlichen Bundesländer mittlerweile gegebenen Reichweite der Fahr- interessante Geschichte. Auch da hat es ein zeuge ist ein flächendeckendes Netz in Öster- wenig länger gedauert, nicht nur den kleinen reich jedenfalls geschaffen. Die Zuwachsraten Pistenbully auf Erdgas umzurüsten. Schwe- sind doch recht erfreulich – zumindest in re- re Pistenraupen mit 500 PS können – wie der lativen Zahlen, in absoluten könnten sie noch LKW – nur auf das gemischte System umge- besser sein, ebenso die Zulassungszahlen der baut werden. Der erste serienmäßige Pisten- Autos. Mit anderen zusammen haben wir die bully von Kässbohrer war während des letzten Basis geschaffen, jetzt gehen wir ganz gezielt Winters in Kitzbühel im Betrieb. Nächstes Ziel zu einzelnen Standorten und verfolgen dort der Firma, das von uns unterstützt wird, ist es, bestimmte Projekte: Wenn also beispielswei- in weiteren fünf Skigebieten CNG-Pistenbullys se eine Möglichkeit besteht, Busse auf Erd- zum Einsatz zu bringen. In den Tälern bemü- gasbetrieb umzustellen, können wir dort eine hen wir uns, Shuttlebusse zu den Skigebieten Betriebstankstelle errichten. Ein Projekt, das mit Erdgas zu betreiben – wie zum Beispiel in noch größer werden wird, ist der Umbau von Saalbach. FORUM SPECIAL 5 [2011] 25
CNG – FAHRE N M IT ER D G A S Die erste Verdichteranlage – also Gastankstel- Erdgasauto nie gehabt hat. Ist hier genug ge- le – wurde 1936 in Wien für die dortige Müll- tan worden? abfuhr errichtet. Wären Müllwagen in urbanen Wenn ich etwas Positives sagen kann, so gefällt Gebieten nicht Kandidaten für eine Umstel- mir die derzeitige Imagekampagne im Fernse- lung? hen, in der die junge Dame sauber mit Erdgas Hundertprozentig, wir sind derzeit in konkreten fährt, recht gut. Ich denke, dass jetzt wirklich Gesprächen mit der Stadt, wie man das am bes- alle Voraussetzungen gegeben sind, diese sinn- ten umstellen könnte. Bisher gab es bei den ver- volle Technologie auf dem Markt auszurollen – wendeten Fahrzeugen, auf die natürlich auch von den Fahrzeugen bis zur Infrastruktur. Wir die Werkstätten ausgerichtet sind, noch keine haben die Klimaziele, die erreicht werden sol- Möglichkeit dazu. Jetzt – mit len. Wir haben Probleme mit der Feinstaubbe- dem neuen System – sind wir lastung im Verkehrsbereich. Man müsste noch wieder im Gespräch. Wir wür- einmal einen intensiven Anlauf unternehmen „Mir tun die Leute der den entsprechende Unter- und die Leute informieren. stützung natürlich nicht nur Müllabfuhr leid, die hinten der Stadt, sondern auch pri- Im Vergleich zur Elektromobilität, man muss es auf dem Wagen stehen vaten Entsorgern geben. ganz ehrlich sagen, ist die Wirtschaftlichkeit ja unbestritten. Und Sie haben nicht die Nachtei- und die Abgase permanent Über die Emissionen und die le, die E-Mobilität noch mit sich bringt: Reich- einatmen müssen.“ Feinstaubbelastung im städ- weite, Infrastruktur, lange Ladedauer. Sie kön- tischen Bereich muss man nen sofort in das Auto einsteigen und es fährt gar nicht reden, aber mir tun genauso gut – wenn nicht besser – als ein mit auch die Leute leid, die hin- Diesel oder Benzin betriebenes. Es wäre mir ten auf dem Wagen stehen und diese Abgase also unverständlich, wenn Erdgas-betriebene permanent einatmen müssen. Weiters sind die Fahrzeuge nicht so auf den Markt kommen soll- Betriebsgeräusche, wie wir von den Bussen ten wie andere. wissen, deutlich leiser als beim Diesel – gerade im Stop-and-go-Verkehr. Nichtsdestotrotz positioniert sich Ihr Unter- nehmen als Kompetenzzentrum für E-Mobi- Ein anderes Projekt, das wir mit Förderpro- lität und nimmt auch hier eine Vorreiterrolle grammen unterstützen, betrifft Erdgastaxis. ein. Wie sehen die Prioritäten aus, wie wird Auch das trägt dazu bei, den Leuten bewusst sich das in den nächsten Jahren gestalten? zu machen, dass es CNG-Autos gibt. Wir ha- Wir sind ein regionaler Energie-, Infrastruktur- ben es erneut gestartet, um klar zu machen, und Verkehrsdienstleister für Stadt und Land dass jetzt eine Menge an Fahrzeugen verfügbar Salzburg. Wir bieten also Verkehrsdienstleis- ist, die als Taxis geeignet sind. Innerhalb des tungen, vor allem im öffentlichen Personen- letzten halben Jahres sind 12 Taxis auf Erdgas Nahverkehr an. Aus unserer ökologischen umgestellt worden. Man Verantwortung heraus kann immer, wenn man sehen wir, dass auch im eins braucht, ein „Um- Individualverkehr Akti- welt-Taxi“ bestellen und „Man müsste noch einmal vitäten zu setzen sind, damit auch als Vorbild einen intensiven Anlauf wenn es gelingen soll, wirken. die Klimaziele zu errei- unternehmen und die chen und nicht in einem Um das Elektro-Auto entsteht ein regelrech- Leute informieren.“ Verkehrskollaps unter- zugehen. Also engagie- ter Presse-Hype, den das ren wir uns nicht nur 26 FORUM SPECIAL 5 [2011]
CNG – FA H REN MIT E RDGAS zu entwickeln. Die Batterie ist noch zu teuer, das ganze Auto ist noch zu teuer. „Die Anfangsschwierigkeiten Wie hoch wird der Anteil von Erdgasfahrzeu- sind überwunden, daher gibt gen in zehn Jahren realistischerweise sein? Sicher um die 10 %. Die Anfangsschwierigkei- es kein einziges Argument ten sind alle überwunden, daher gibt es kein mehr, mit dem jemand sagen einziges Argument mehr, mit dem jemand sa- gen könnte: „Ein Erdgasauto kommt für mich könnte: ‚Ein Erdgasauto kommt nicht in Frage.“ für mich nicht in F rage.‘“ Sind Brennstoffzellen & Co. reine Utopie oder kann das aus Ihrer Sicht etwas werden? Ich denke, es wird in der Mobilität der Zukunft mit dem O- und Gasbus, sondern auch im PKW- nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern viele Bereich mit dem Erdgas- und Elektroauto. Wo- Antriebstechnologien geben. Durchsetzen wer- bei das keine Konkurrenzsituation ist, sondern den sich diejenigen, die ohne Komfortverlust ganz klar eine sinnvolle Ergänzung sein kann. leicht leistbar sind; die schnell einsetzbar sind, Es geht uns darum, dass wir als Mobilitäts- ohne große zusätzliche Infrastruktur aufbauen Dienstleister auf dem Markt auftreten wollen zu müssen – denn das dauert nicht nur lange, und daher auch die unterschiedlichsten Mobi- sondern ist auch mit großen Investitionen ver- litätsbedürfnisse befriedigen möchten: Wenn bunden. Es wird eine Mischung unterschiedli- kleine Autos für kurze Strecken im städtischen cher Antriebssysteme für unterschiedliche Ein- Bereich gefragt sind, kann durchaus in Zukunft sätze geben. einmal das Elektrofahrzeug das geeignete Fort- bewegungsmittel sein. Wenn es gilt, längere Welche Botschaft möchten Strecken zu bewältigen, würde ich das Erd- sie den Leserinnen und Le- „Erdgas- und Elektroautos gasfahrzeug sofort dem mit Diesel oder Ben- sern mit Bezug auf Erdgas- zin betriebenen vorziehen, wie wir es auch in fahrzeuge mitgeben? sind keine Konkurrenten, unserem Fuhrpark getan haben. Erdgas, noch Nehmen Sie sich ein Auto, sondern ganz klar eine dazu dezentral aus heimischen Rohstoffen her- setzen Sie sich hinein, fahren gestellt, ist unsere Kernkompetenz, daher küm- Sie selbst und überzeugen sinnvolle Ergänzung.“ mern wir uns auch um Autos und Infrastruktur. Sie sich, wie hervorragend Ähnliches gilt für die Elektromobilität: Die gro- das Fahrverhalten ist! Es gibt ßen Herausforderungen der Zukunft liegen im keinen Leistungsverlust – ganz im Gegenteil. ökologischen Bereich. Man soll sich vom Produkt überzeugen lassen, von der Wirtschaftlichkeit braucht man nicht Als Energieversorger muss ich die Frage stel- zu reden, sie liegt ohnehin auf der Hand. Fah- len, woher die Energie kommt. Man muss si- ren, genießen, erleben! cherstellen, dass sie aus erneuerbaren Quellen stammt. Als Netzbetreiber darf ich die Lade Fahren Sie selbst ein CNG-Fahrzeug? stationen nicht ungesteuert ans Netz lassen Wenn ich längere Strecken zurücklegen muss, und dadurch zusätzliche Lastspitzen erzeugen, fahre ich selbstverständlich ein Erdgasauto. Bin sondern muss die Ladezeiten in die „Täler“ ver- ich nur in der Stadt unterwegs, nehme ich gar lagern. Es geht in keiner Weise um Konkurrenz, kein Auto, sondern einen Segway oder den Bus. die Elektromobilität steht noch ganz am An- fang und braucht noch gewisse Zeit, um sich Wir danken herzlich für dieses Gespräch! FORUM SPECIAL 5 [2011] 27
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