Kulturspiegel Altoland - Markt Altomünster
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Kulturspiegel Altoland Ausgabe 51 September 2018 Vor 400 Jahren: Nachruf auf Neuer Pfarrherr im Die Künstlerin Beginn des Großen Tore Nyberg Pfarrverband Bele Bachem Krieges Altomünster über sich selbst Mit Vereinsnachrichten & VHS-Programm Herbst/Winter 2018/19
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Liebe Leserinnen und Leser, zum Beginn des Herbst- und Wintersemesters unserer Volkshochschule stellen wir Ihnen die 51. Ausgabe des „Kulturspiegel Altoland“ vor. Unser Wunsch, dass sich weitere Autoren finden mö- gen, die einen Beitrag von allgemeinem Interesse schreiben, fiel auf fruchtbaren Boden. Also: Was erwartet Sie diesmal? Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg, der auch in und um Altomünster furchtbare Spuren hinterließ. Wilhelm Liebhart berichtet die wesentlichen Ereignisse. Am 14. März 2018 verstarb ein großer Freund des Klosters Altomünster, der dänisch-schwedische Historiker Prof. Dr. Tore Nyberg. Ihm gilt ein Nachruf von Gerhard Gerstenhöfer, der dankenswerter Weise auch einen Text des Verstorbenen zur Verfügung stellte: „Birgitta von Schweden – Leben und Geist“ ist seit der Aufhebung des Klosters 2017 zum Vermächtnis geworden. Leider können wir über die Zukunft noch nichts berichten. Prof. Dr. Klaus Peter Zeyer setzt seine tiefschürfende Glockenserie mit Wollomoos fort. Michael Heitmeir, der zusammen mit Dr. Stephan Schleipfer an einer Ortschronik der Altgemeinde Hohenzell arbeitet, macht uns mit einer tragischen Geschichte bekannt, die sich 1902 im Lehrerhaus in Hohenzell abspielte. Sie erregte bis hinauf zum Prinzregenten Luitpold viel Aufsehen. Mit dem neuen Pfarrherrn, P. Bonifatius Heidel OT, macht eine biographische Skizze von Gerhard Gerstenhöfer bekannt, der mit ihm ein Interview führen konnte. Zu guter Letzt eine Premiere: Eine verstorbene Künstlerin, Bele Bachem, deren Werke ab 30. Sep- tember im Museum zu sehen sind, stellt sich selbst in einem autobiographischen Text vor. Dr. Ulrich H. Schneider vom KFK hat ihn aufgetan. Die Schirmherrschaft der Ausstellung hat übrigens der Münchner Alt-OB Dr. Christian Ude übernommen, der nach Altomünster kommen wird. Ihr Redaktionsteam des KULTURSPIEGEL ALTOLAND Inhaltsverzeichnis IMPRESSUM: Der Kulturspiegel Altoland erscheint zweimal jährlich. Die Zeitschrift wird im Bereich der Region Altoland kostenlos an alle Textbeiträge: Haushaltungen verteilt. Sie wird durch Vor 400 Jahren: Beginn des Großen Krieges......................…......... 4 Anzeigen finanziert. Ein herzliches Dankeschön gilt allen Firmen, die dies Nachruf auf Tore Nyberg ......................…........................................ 7 ermöglichen. Birgitta von Schweden: Leben und Geist......................…................ 8 Herausgeber: Die Glocken der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Wollomoos.............10 die Marktgemeinde und die Volkshochschule Altomünster Die Tragödie des Lehrers Adolf Wolf......................….................... 12 Redaktion: Neuer Pfarrherr im Pfarrverband Altomünster......................…...... 14 Prof. Dr. Wilhelm Liebhart MA Gerhard Gerstenhöfer Die Künstlerin Bele Bachem über sich selbst......................…....... 15 Astrid Kühne VHS - Studienberatung für Fachhochschulstudiengänge...................16 Layout: Dipl.-Designer (FH) Peter Seiler Anschrift: Programme der Vereine: Kulturspiegel Altoland (Informationsbüro im Rathaus) Informationsbüro der Marktgemeinde Altomünster ......................….3 Marktplatz 7 Dachauer Forum............................................................................ 18 85250 Altomünster Tel.: 08254 / 9997-44 Theatergruppe Altomünster............................................................ 20 kulturspiegel@altoland.de Ortsverschönerungsverein............................................................. 20 Auflage: Museums- und Heimatverein......................................................... 20 4.500 Exemplare Gesangverein Frohsinn / Altochor.................................................. 21 Bankverbindungen: Sparkasse Dachau, Katholischer Deutscher Frauenbund ..............................................21 IBAN: DE55 7005 1540 0000 3762 69 Kolpingfamilie................................................................................. 21 BIC: BYLADEM1DAH Kulturförderkreis............................................................................. 21 RV-Bank Dachau, Gemeindebücherei......................................................................... 21 IBAN: DE47 7009 1500 0003 0355 73 BIC: GENODEF1DCA vhs-Altomünster............................................................................. 22 vhs-Hilgertshausen-Tandern.......................................................... 44 Für die Inhalte der Beiträge sind die Verfasser verantwortlich. Kulturspiegel Altoland 1 Ausgabe 51, September 2018
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Frau Astrid Kühne info-buero@altomuenster.de Informationsbüro der www.altomuenster.de Marktgemeinde Altomünster Mo + Di 09-13 u. 15-17 Uhr Marktplatz 7 Mi - Fr 10-13 u. 15-18 Uhr 08254/9997-44, Sa 10-14 Uhr 08254/9997-744 Fax , Markttermine Termine Kirchweihmarkt Pfarrfest 21. Oktober 2018 So 16.09.2018, vorher 10:15 Uhr Christkindlmarkt Familiengottesdienst 16. Dezember 2018 Herbsttheater Jeden Sonntag um 17., 18., 23., 24. 14 Uhr allgemeine und 25.11.2018 Kirchenfhrung AltoBarocco Weihnachtskonzert 23.12.2018 Theaterball An Markttagen 16. Februar 2019, 20 Uhr um 13.00 Uhr Offener Senioren- Treffen der treff des AWO Senioren im Club 50+ Seniorenwohnen Gemeinschaftsraum Betreutes Wohnen Altoland: jeden 1. Mittwoch jeden Dienstag im Monat um 14.30 Uhr um 14.00 Uhr Gemeindecafé Gemeindebücherei der ev. Kirchengemeinde im evangelischen Bilderbuchkino Gemeindezentrum & Geschichtentreff immer am letzten Samstag Termine siehe Seite 21 von jedem ungeraden Monat jeweils um 15 Uhr Kulturspiegel Altoland 3 Ausgabe 51, September 2018
Vor 400 Jahren: zog Maximilian I. von Bayern und das von land untergekommen. Zwei nichtreisefähi- ihm geführte katholische Militärbündnis ge Nonnen verhungerten, zwei Laienbrüder Beginn des Großen genannt die Liga waren dazu bereit. Kaiser wurden erschossen, ein dritter starb an den Krieges Ferdinand II. versprach Maximilian den Misshandlungen. Nach einer gründlichen vollen Ersatz der Kriegskosten, die damals Ausplünderung gingen der Klosterstadel, kurpfälzische Oberpfalz und den Kurfür- der Viehstall, der Ziegelstadel (Schwem- Altomünster im stenhut. Die Ligaarmee unter Graf Tilly me), die Klostertaferne am Marktplatz 30jährigen Krieg 1618 - 1648 marschierte in Böhmen ein und siegte über (Kaufhaus Lesti), das Hofbruderhaus und die Kurpfälzer und Böhmen in der Schlacht diverse Lehenhäuser im Markt in Flammen Von Wilhelm Liebhart am Weißen Berg vor Prag am 8. November auf, das Kloster selbst blieb von Brand ver- 1620. Bis 1630 gelang es dem Kaiser mit schont. Unter dem Begriff „Dreißigjähriger Krieg“ Hilfe Bayerns im protestantischen Nord- fasst man vier Kriege innerhalb von 30 und Ostdeutschland seine Position zu stär- Kriegsjahr 1633 Jahren zusammen. Für den Zeitraum 1618 ken. Erst die Landung einer schwedischen bis 1630 hat sich der Oberbegriff „Deut- Armee unter König Gustav II. Adolf (1594 Im Frühjahr 1633 brachen die Feinde er- scher Krieg“ und für die Jahre danach – 1632) im Jahre 1630 machte alle Erfolge neut in Oberbayern und im westlichen bis 1648 die Bezeichnung „Europäischer des bayerischen Feldherrn Graf Tilly und Niederbayern ein. Im April wurde Dachau Krieg“ durchgesetzt. Die Fachwissenschaft des kaiserlichen Feldherrn Albrecht von belagert, gestürmt und ausgeplündert. Die fasst unter dem „Deutschen Krieg“ den Wallenstein zunichte. Der schwedische Sieg Beute von 300 Proviantwägen war groß, da Böhmisch-pfälzischen Krieg (1618 – 1623) am 17. September 1631 über Tilly bei Brei- hier bayerische Reiterei und Fußvolk mit und den Niedersächsisch-Dänischen Krieg tenfeld in Sachsen öffnete das Tor in den entsprechendem Proviant in Quartier la- (1623 – 1629) zusammen, beide spielten katholisch gebliebenen Süden des Reiches. gen. Man zählte 300 tote Bayern, 600 gingen sich innerhalb der deutschen Reichsstände in Gefangenschaft. Zehn Dachauer Bürger und Länder ab. Unter dem „Europäischen Einfall der Schweden 1632 zeichneten sich durch besondere Tapferkeit Krieg“ versteht man den Schwedischen aus. Freund und Freund wechselten sich im Krieg (1630 – 1635) und den Schwedisch- In den Monaten April und Mai 1632 fie- Laufe des Jahres ab. Eine Folge war, dass Französischen Krieg (1635 – 1648), in dem len die Schweden und ihre Verbündeten die Dachauer Jahrmärkte schlecht oder gar europäische Nachbarstaaten Heere im deut- erstmals in Altbayern ein. Weitere Einfälle nicht besucht wurden. Um die Jahreswen- schen Reich stehen hatten. Parallel dazu gab folgten im Frühjahr 1633, im Herbst 1633 de 1633/1634 standen drei Armeen, eine es weitere Konflikte an der Peripherie des und im Frühjahr 1634. Bis heute blieb der kaiserliche, eine spanische und eine schwe- deutschen Reiches wie in Italien oder in den Einmarsch des schwedischen Königs in dische, im Land, die sich auf Kosten der Niederlanden. Altbayern im Bewusstsein der Menschen Bevölkerung ernährten. Die Winterquar- in traumatischer Erinnerung. Am 14./15. tiere und ihre Belastungen brachten für die Auslöser April 1632 unterlag Graf Tilly bei Rain am Landbevölkerung das Fass zum Überlaufen, Lech dem Schwedenkönig. Der Weg ins die Bauern begannen zu rebellieren. Ob Wie kam es zum Ausbruch des Großen Herz Altbayerns war frei. Die schwedische sich daran Altomünsterer Klosterbauern Krieges in Mitteleuropa? Seit dem Ende des Reiterei Feldmarschalls Gustav Horn nahm beteiligten, ist unbekannt. 16. Jahrhunderts hatten sich die Spannun- am 17. April Aichach und Schrobenhausen gen im Reich zwischen den katholischen ein. Der König selbst schickte sich an, Augs- Kriegsjahr 1634 Ländern einerseits und den seit 1517 prote- burg zu belagern. Gustav Adolf konnte am stantisch gewordenen Territorien anderer- 24. April kampflos in Augsburg, das mehr- Das Jahr 1634 brachte für Oberbayern den seits verschärft. Die Lage war aufgrund po- heitlich evangelisch war, einziehen. Am 27. dritten Einfall der Schweden aus dem We- litischer Krisen angespannt. Unmittelbarer April brach er nach Ingolstadt auf, ohne die sten, die über Aichach (24. Juni), Freising Auslöser war ein Streit um das Königreich Landesfestung bezwingen zu können. Sein und Moosburg bis Landshut vorstießen. Böhmen, das zum deutschen Reich gehörte. Sinn stand ihm nach München, in das er In Dachau fiel in diesem Jahr die Ratswahl Dieses war ein Wahl- und Erbkönigreich. am 17. Mai 1632 mit drei Regimentern ein- aus, die Steuern konnten nicht eingetrie- Seine protestantischen Stände, besonders zog. Münchens Bürger kauften sich frei und ben werden, immer mehr Häuser lagen der Adel und die Bürger, vertrieben am 23. machten mit dem Feind gute Geschäfte. Sie öde, weil die Besitzer umgekommen oder Mai 1618 die rechtmäßige habsburgische kauften billig Beuteware von Söldnern auf. geflohen waren. Der kaiserliche Sieg am 6. Regierung („Prager Fenstersturz“) unter Auf dem Land hausten die Schweden weni- September 1634 bei Nördlingen führte zu dem neuen katholischen König Ferdinand ger moderat. Besonders die Klöster litten, einer Wende. Oberbefehlshaber Erzherzog und setzten diesen sogar am 19. August wie wir aus Altomünster und Indersdorf Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand 1619 ab. Die Stände wählten den prote- wissen. III., schlug mit 40 bis 50 000 Söldnern, dar- stantischen Kurfürsten Friedrich V. von der unter auch ein spanisches Kontingent, rund Pfalz, einen Wittelsbacher, zum Nachfolger. Kloster und Markt Altomünster 25 000 Schweden unter Herzog Bernhard Der abgesetzte König wurde am 28. Au- von Weimar und General Gustav Horn. gust 1619 als Ferdinand II. zum deutschen Am 24. April 1632 rückten aus Aichach Zehn bis 12 000 Schweden und rund 2000 Kaiser gewählt, was seine Position unge- kommend Schweden in Altomünster ein. Kaiserliche sollen gefallen sein. Der Sieg mein stärkte. Um seine Ansprüche gegen Sie fanden ein nahezu verlassenes Kloster verschaffte dem drangsalierten Land eine die böhmischen „Rebellen“ durchsetzen vor. Die Nonnen waren im Münchner An- Ruhepause. Der 1635 erfolgte Kriegseintritt zu können, benötigte Kaiser Ferdinand II. gerkloster und im Püttrich-Regelhaus, die Frankreichs ließ aber auf Dauer nichts Gu- militärische Hilfe. Sein Studienfreund Her- Mönche bei den Augustinern oder im Aus- tes erwarten. Frankreich unter Kardinal Ri- 4 Kulturspiegel Altoland Ausgabe 51, September 2018
König Gustav II. Adolf von Schweden (Bildarchiv Autor) chelieu fühlte sich von den habsburgischen Kriegsjahr 1646 reiter, dessen drei Töchter in das Birgitten- Ländern Spanien und dem deutschen Reich kloster eintreten sollten. Jedoch erst am 5. umklammert und versuchte daher den Nach einer zwölfjährigen Pause seit 1634 September 1646 flohen die Konvente selbst habsburgischen Kaiser und seine Verbün- kehrten die Schweden zusammen mit den nach München. Gerade noch rechtzeitig. deten zu schwächen. verbündeten Franzosen unter Marschall Mitte September 1646 überschritten Trup- Henri Turenne 1646 bis 1648 zurück. Ins- pen des schwedischen Generals Olaf Wran- Altomünster 1635 gesamt 26 Jahre, von 1618 bis 1632 und gel die Donaulinie, während die kaiserliche von 1634 bis 1646, war Altbayern von di- Armee unter Erzherzog Leopold Wilhelm Das Jahr 1635 war für Kloster und Markt rekter Feindeinwirkung verschont geblie- statt Bayern zu schützen Schwaben unsi- Altomünster ein weiteres Schreckensjahr: ben. Dennoch: Die laufenden Belastungen cher machte. Wer sich nicht nach München Es brach im Markt die Beulenpest aus. Im durch Steuern, Einquartierungen und Kon- retten konnte, flüchtete sich und seine be- Kloster verstarben 15 Konventualen. Am tributionen waren hoch und drückend. Als wegliche Habe ins Dachauer Schloss oder Morgen des 4. Mai beging die damalige besondere Begleiterscheinung kamen die nach Aichach. Erst zum Jahresende zogen Äbtissin Anna Mayr, die seit 1618 regiert Pest und Fleckfieber ins Land. Für die letz- sich die Feinde aus Oberbayern zurück. hatte, Selbstmord. Man fand sie erhängt. ten Kriegsjahre haben wir in Birgittenfrater Das Ereignis, das bis heute in allen Kloster- Ludwig Rieger einen wichtigen Chronisten. Kriegsfinale 1647 und 1648 chroniken verschwiegen (!) wurde, ist aber Seit der unentschieden ausgegangenen archivalisch gut dokumentiert. Der Freitod, Schlacht bei Alerheim im Ries am 3. August Von März bis September 1647 herrschte ein eine Todsünde, veranlasste Kurfürst Maxi- 1645 zwischen Kaiserlichen und Franzosen Waffenstillstand zwischen Bayern, Frank- milian I. den zuständigen Aichacher Land- war es offensichtlich, dass Bayern über kurz reich und Schweden. Nach dessen Ablauf richter zu ermahnen, auf das Kloster besser oder lang erneut Kriegsgebiet werden soll- ging der Krieg weiter, obwohl schon seit zu achten und seine Ernährung sicher zu te, wenn für die Franzosen die schwedische Jahren ernsthafte Friedensverhandlungen stellen. Die Äbtissin wurde außerhalb des Verstärkung eingetroffen sein würde. Das in Münster und Osnabrück liefen. Die bei- Klosters in ungeweihter Erde verscharrt. Sie Kloster Altomünster brachte schon am 4. den Konvente des Birgittenklosters flohen hatte sich nicht mehr in der Lage gesehen, August 1645 seine Kirchenschätze und Klo- am 25. März 1648 erneut nach München. ihren 43 Köpfe starken Doppelkonvent mit stersachen vorsorglich nach München, in Die Nonnen kamen bei Dr. Johann von Lebensmitteln zu versorgen. das Haus des Geheimen Rates Johann Adlz- Mändl (auch Mandl) unter. Dieser war Ge- Kulturspiegel Altoland 5 Ausgabe 51, September 2018
heimer Rat, Hofkammerpräsident und eng- ster Mitarbeiter Kurfürst Maximilians I., er besaß die Hofmarken von Deutenhofen bei Dachau und Tandern. Am 17. Mai er- litten die Kaiserlichen beim schwäbischen Zusmarshausen eine Niederlage, die Folge war eine allgemeine Fluchtbewegung in die festen Orte. Seit dem 3. Juni war das Dach- auer Schloss voller Flüchtlinge. Am 11. August überfielen Schweden aus Neuburg kommend Kloster und Markt Altomün- ster. Das Kloster verlor fünf Pferde im Wert von 200 Gulden, der Markt gar 16 Pferde. Der Schwedengeneral Wrangel ließ sich im September persönlich mit 4 000 Mann in Dachau nieder. Das Schloss wurde endgül- tig demoliert. Schlacht bei Dachau Der Aufenthalt wäre dem Feldherrn bei- nahe zum Verhängnis geworden. Wrangel hatte sich aus Niederbayern zurückgezogen und wurde dabei von der kaiserlich-bayeri- schen Armee unter Octavio Piccolomini verfolgt. Dennoch ging er am 5. Oktober im Dachauer Moos unweit von Allach und dem späteren Karlsfeld auf Hirschjagd. Jan van Werth, ein bayerischer Reitergeneral, Graf Tserclaes von Tilly (Bildarchiv Autor) überfiel mit der gesamten Kavallerie den ja- genden Schweden. 200 schwedische Reiter verloren ihr Leben, einige hundert kamen 19, Pipinsrieder Str. 27 und Bahnhofstr. 4 Literatur zum Nachlesen in Gefangenschaft. Insgesamt verloren die + 9. Betroffen waren daneben Hohenried, Feinde 1000 Pferde. Wrangel entkam mit Deutenhofen, Unterzeitlbach, Stumpfen- Allgemein: Gerhard Schormann: Dreißigjähriger Krieg 1618 – 1648. In: Gebhardt. Handbuch der deutschen Ge- knapper Not und verließ mit dem fran- bach, Ruppertskirchen, Oberzeitlbach, Xy- schichte. Band 10. 10. Aufl. Stuttgart 2001, S. 205 - 279; zösischen Feldherrn Turenne das Land in ger und Humersberg. Alex und Volker Buchner: Bayern im Dreißigjährigen Krieg. Die Schweden zwischen Lech und Isar. Dachau Richtung Augsburg. Dieses Ereignis ging Im Markt Dachau waren nur noch 29 von 2002; Peter C. Hartmann / Florian Schuller (Hrsg.): Der als „Gefecht oder Schlacht bei Dachau“ 135 Anwesen bewohnt. Die Flüchtlinge Dreißigjährige Krieg. Regensburg 2010; Hans Joachim Müller: Leben und Überleben im konfessionellen Zeit- in die Geschichte ein. Als die kaiserlich- kehrten, soweit sie noch lebten, zurück. alter. Stuttgart 2015; Konrad Repgen: Dreißigjähriger bayerische Armee nachrückte, machte sie, Am Ende des letzten Kriegsjahres 1648 ver- Krieg und Westfälischer Friede. Paderborn 3. Aufl. 2015; wie der Chronist des Klosters Altomünster meldete unser Klosterchronist, dass am 26. Peter H. Wilson: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europä- ische Tragödie. Darmstadt 2017; Heinz Duchhardt: Der vermeldet, dem Land den Garaus. Am 24. Oktober die Klausur für die Nonnen und Weg in die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges. Oktober 1648 wurde endlich der allgemeine Mönche wieder geschlossen werden konn- Die Krisendekade 1608 - 1618. München 2017; Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Ka- Friedensvertrag unterzeichnet. te, und drückte dabei seine Hoffnung aus: tastrophe, Deutsches Trauma 1618-1648. Berlin 2017; Gott geb Genad, daz es bleibe. Bis 1704 soll- Georg Schmidt: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte Kriegsfolgen te der Krieg tatsächlich das Land verscho- des Dreißigjährigen Krieges. München 2018; Johannes Burckhardt: Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte nen. Die Pest tat dies allerdings nicht! Sie des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2018. Die Bevölkerung war durch Kriegseinwir- brach Ende September 1649 im heutigen Regional: Lorenz Westenrieder: Schicksale des Klosters kungen, Seuchen und Hungersnöte regio- Kapplerbräu erneut aus. Ein Ochsentreiber Indersdorf im dreyßigjährigen Krieg. In: Historische nal unterschiedlich um 30 bis 40 % zurück- aus Ungarn hatte sie mitgebracht. Im heu- Schriften. Band 1. München 1824, S. 219 - 237; Au- gegangen. Viele Anwesen standen leer, die tigen Maierbräu war es schon im Juni 1649 gust Kübler: Dachau in verflossenen Jahrhunderten. Dachau 1928, S. 233 - 247; Gerhard Hanke: Die Bevöl- Gründe blieben unbebaut. Im Bereich des zu einer anderen Tragödie gekommen: Der kerungsverluste während des Dreißigjährigen Krieges Stiftes Indersdorf etwa zerstörte der Krieg damalige Bierbrauer Thomas Gail erhängte im nördlichen Teil des Landkreises Fürstenfeldbruck. Amperland 16 (1980), S. 101 - 104; Wilhelm Liebhart: 54 Höfe, 10 Hufen, 46 Gütlein und 62 Leer- sich. Da Selbstmörder nicht im Friedhof Der Dreißigjährige Krieg im Dachauer Land. Aus den häuser, also 172 Anwesen, im Bereich des bestattet werden durften, weil dies Schauer Denkwürdigkeiten des Birgittenklosters Altomünster von 1643 bis 1684. In: Amperland 17 (1981), S. 135 - Klosters Altomünster 13 ½ Höfe, 4 Hufen, und Hagel heraufbeschwören würde, wurde 137; Wilhelm Liebhart: Altbayerisches Klosterleben. Das 3 Güter, 8 Sölden, 1 Schmiede und 15 Klo- er weitab in der Flur von Eisenhofen ver- Birgittenkloster Altomünster (1496 – 1841). St. Ottilien sterhäuser im Markt, also 45 Anwesen. In scharrt. Diese ließen sich das nicht gefallen, 1987, S. 40 - 41; Wilhelm Liebhart (Hrsg.): Altomünster – Kloster, Markt und Gemeinde. Altomünster 1999, S. 179 Altomünster selbst handelte es sich um die so dass der Leichnam ausgegraben und auf - 183; Reinhard Kreitmair: Das „Treffen bei Dachau“ am Anwesen Marktplatz 1 + 5 + 8, Hohenrieder Altomünsterer Flur bestattet werden mus- 5. Oktober 1648. In: Amperland 37 (2001), S. 337 - 346. Weg 2 + 6, An der Schwemme 2 + 8 + 10 ste. Aberglauben und Hexenglauben feier- + 13, Kellerbergstr. 2 + 19 + 23, Kirchenstr. ten damals fröhliche Urständ. 6 Kulturspiegel Altoland Ausgabe 51, September 2018
Nachruf auf Klostergründungen geschaffen. Unter sei- nem patriarchalischen Wirken, der Mit- Tore Nyberg arbeit seiner Kollegin Ulla Sander-Olsen, seines Münchner Freundes Dr. Ulrich Mon- Ein häufiger Gast in unserem tag, weiterer 23 Autoren, dem Initiator Per ehemaligen Kloster Sloth Carlsen, der kommerziellen Abwick- lung durch die Stiftung “300 Jahre Birgitta Von Gerhard Gerstenhöfer in Uden“, konnte 2013 nach etwa zehn Jah- ren wissenschaftlicher Arbeit der SBE das Professor Dr. Tore Samuel Nyberg, der Gesamtwerk als “Birgitta Atlas“ vollendet Grandseigneur der Societas Birgitta-Europa werden. (SBE), hochgeachtet von seinen zahlreichen Freunden, ist am 14. März 2018 gestorben. Besonderen Bezug zu Bayern hat seine Unser Mitgefühl gilt seiner sympathischen zweibändige Quellenedition zu den bay- Frau Nurbaiti Pamuntjak. erischen Birgittenklöstern Gnadenberg, Maihingen und Altomünster von 1972 und Tore wurde am 04. Januar 1931 in Uppsala/ 1974.3 Mit der Habilitationsarbeit “Die Kir- Schweden, geboren. Sein Vater, Henrik Sa- che in Skandinavien – Mitteleuropäischer muel Nyberg (1889-1974), war ein schwe- und englischer Einfluss im 11. und 12. discher Orientalist aus Söderbärke in der Jahrhundert“4 erwarb Tore an der Univer- nordschwedischen Provinz Dalarna. Seine sität Augsburg die Voraussetzung für eine Mutter, Fanny Helena Maria (geb. Hassel- Professur. Die Universität in Odense war berg, 1894–1947) stammte aus Myssjö in der Mittelpunkt seines Wirkens. Er wurde der Provinz Västernorrland. Tore hatte zwei 1970 Leiter des Instituts für Geschichte und Schwestern Sigrid Kahle, eine Journalistin entwickelte sich vom wissenschaftlichen und Autorin, und Ingegerd Fries, sie war Mitarbeiter zum fürsorglichen Lehrstuhlin- Lehrerin, Schriftstellerin und Priesterin. haber. In seiner wissenschaftlichen Aufbaupha- Im Jahr 2003, dem Jubiläumsjahr “700 Jah- se verbrachte er lange Zeit in Deutschland re heilige Birgitta von Schweden“, führte Er war Mitglied der “Königlich Dänischen (München), Thailand, Italien und Däne- ihn seine Hochschullaufbahn für kurze Zeit Gesellschaft für Geschichte der Nation“, mark. Als Gastdozent lehrte er in Polen, zwecks vertiefter Forschung zurück zu den Mitglied und Vorstandsmitglied der “Inter- Italien, Deutschland, England und außer Wurzeln an die Universität von Uppsala. nationalen Kommission für Vergleichende Dänemark auch in den anderen Ländern Deren theologische Fakultät honorierte Geschichtsforschung“ und Mitglied des Skandinaviens. Die weitaus längste Zeit sein lebenslanges Engagement mit der Ver- “Dänischen Komitee für Stadtgeschichte“. lebte er in Odense auf der dänischen Insel leihung der Ehrendoktorwürde. 1997 erhielt er von der Birgitta-Stiftung in Fünen, weshalb ihn wohl viele Zeitgenossen Vadstena den Birgitta-Preis. für einen Dänen hielten. Tore war im Jahre 2000 in Vadstena Grün- dungsmitglied des Vereins, der SBE. In der Der Trauergottesdienst fand am 23. März Der Wissenschaftler Nyberg war ein tief- konzeptionellen Vorbereitung der Vereins- 2018 in der katholischen St. Albani Kirche gläubiger Mensch. Er studierte Geschich- gründung spielte er eine richtungsweisen- in Odense statt. Seine letzte Ruhestätte wird te und Theologie in Uppsala, Lund, Rom, de Rolle. Bei allen Grundsatzdiskussionen Tore in Uppsala finden. München und Augsburg. In München war erwies er sich stets als stabilisierende Kraft, er von 1967 bis 1969 als Stipendiat der die still aus dem Hintergrund wirkte. Tore Nyberg hinterlässt uns eine Fußspur, Alexander von Humboldt-Stiftung an der die uns gebietet, sie beharrlich weiter zu Ludwig Maximilian Universität (LMU). In der SBE war Tore als Delegierter des “Or- gehen - ein Pilgern aus der Tiefe der Ge- Hier lernte Tore seine Frau kennen - vielen dine Militare del Santissimo Salvatore e di schichte durch die Zeit hin in eine bessere meist nur als Betty bekannt, so wie auch er Santa Brigida di Svezia” vertreten. Dies ist Zukunft. Behalten wir ihn dankbar in guter liebevoll seine Frau nannte. Sie heirateten ein elitärer italienischer Ritterorden mit Sitz Erinnerung! im September 1968. in Neapel. Nach Angaben der Organisation sei er 1366 von der heiligen Birgitta selbst Anmerkungen Als Hochschullehrer wirkte er an der Süd- gegründet worden5. Für diesen Orden gab 1 https://www.sdu.dk/da/om_sdu/fakulteterne/huma- dänischen Universität (SDU) in Odense. Tore das offizielle Organ “BIRGITTANA“ niora/nyt_hum/mindeord_tore_nyberg Wie aus dem Nachruf seiner Universität1 heraus, ein seit 1996 zweimal im Jahr er- 2 Birgittinische Klostergründungen des Mittelalters, Lund 1965 hervorgeht, bildete sich Tore weitgehend scheinendes Büchlein im Umfang von ca. 3 Dokumente und Untersuchungen zur inneren Ge- autodidaktisch zum Historiker heran. In 100 bis 150 Seiten. schichte der drei Birgittenklöster Bayerns 1420- 1570. 2 Teile. München 1972 und 1974. Lund promovierte er 1965 mit der Disserta- 4 Die Kirche in Skandinavien: Mitteleuropäischer tion “Birgittinische Klostergründungen des Tore war auch Mitglied in der „Societas und englischer Einfluss im 11. u. 12. Jh., Anfänge der Domkapitel Borglum u. Odense in Dänemark Mittelalters“2 zum Dr. phil. der Geschichte. Sanctæ Birgittæ“ (SSB), einer 1920 in Upp- (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 10), Sigmaringen 1986 Mit dieser Arbeit hat er den Grundstock zur sala gegründeten kirchlichen Gesellschaft 5 Siehe entsprechender Dokumente auf der Home wissenschaftlichen Erforschung des Birgit- zur vertieften Verehrung der heiligen Bir- Page des Ordens. http://www.ordinemilitaresan- tabrigida.com/ tenordens und seiner spätmittelalterlichen gitta. Kulturspiegel Altoland 7 Ausgabe 51, September 2018
Vorbemerkung: Diesen folgenden Text schickte mir Prof. Dr. Tore Nyberg nach einem längeren Telefonat, an dessen Ende ich ihn bat, seine Gedanken für mich und die SBE aufzuschreiben. Leider musste er noch im gleichen Jahr die Schließung unseres Klosters miterleben. Waren seine Zeilen damals noch ein Postulat, so sind sie heute für Altomünster und die katholische Kirche zum Vermächtnis geworden. Alles hat seine Zeit (AT, Prediger 3,1-11). Der tiefere Sinn hinter Birgittas Botschaften ist aber zeitlos. Gerhard Gerstenhöfer Birgitta von nahm die heilige Birgitta die Elemente aus dem bestehenden Klosterwesen auf, die Einzelheiten deutlich die Absicht der Or- densgründerin aus, ihre Klöster zu Gebets- Schweden: sie nach Gottes Eingebung als notwendig stätten für die Einheit der Kirche unter der betrachtete: die strenge Absonderung ei- Leitung der Nachfolger der Apostel und be- Leben und Geist nes Frauenklosters, das gemeinsame Beten sonders St. Petrus zu machen. besonders mit Hilfe der Psalmen Davids, Originaltext von Prof. Dr. Tore Nyberg Mäßigung im Essen und Trinken, die Pfle- Frau Birgittas Verständnis von Kirche ist ge eines Verhältnisses zu Gott wie es die es zu verdanken, dass die symbolische Jede Religion, so auch das Christentum, Zisterzienser übten, darin Teilnahme an Deutung der Zahlenverhältnisse eines Bir- kennt eine große Vielfalt religiöser Übun- gefühlsstarken Frömmigkeitsübungen ihrer gittenklosters den geraden Weg zur Kir- gen, Praktiken und damit verbundener Epoche, so zum Beispiel die der besonderen chenreform einschlug. Die Mönche wurden Vorstellungen. Die vielen Richtungen sind Andacht zum Leiden Jesu, der Anbetung angehalten, jeden Sonn- und Feiertag zu dem Einsatz individueller Persönlichkei- von Christus im Altarsakrament oder der predigen und den Nonnen und allen aus- ten zu verdanken. Klöster sind die Hüter häufigen Beichte. wärtigen Besuchern mit Beichte und Kom- und Wächter der Verschiedenheit solcher munion beizustehen. Damit entwickelten Richtungen. Im Christentum zeugt die Die Stifterin musste jedoch einiges hinzu sich die Birgittenklöster zu besonderen Vielfalt der Klöster von der Vielfalt der Art, fügen, um im Geiste einer echten Reform Heimstätten für das Gebet um Einheit der wie sich Menschen an Gott wenden, Gott den verworrenen Autoritätsverhältnissen Kirche, zum kontemplativen Mittelpunkt danken und ihm ihre Anstrengungen und der Kirche ihrer Zeit nachdrücklich ent- der Pilgerseelsorge und der theologischen Bemühungen opfern. Die meisten Klöster gegenzutreten. Die Päpste residierten seit Arbeit zugunsten eines vertieft religiösen der westlichen Welt treten im Namen des dem Heiligen Jahr 1300 nicht mehr in Rom, Lebens. Birgitta war eine prophetische Ge- berühmten Klostervaters, des heiligen Be- sondern in Avignon in französischer Ab- stalt, eine Verkünderin der Botschaft, dass nedikt von Nursia (6. Jh.) auf die Bühne der hängigkeit, bis im Jahre 1378 das Schisma jede menschliche Umkehr, um auf Gottes zweitausendjährigen Kirchengeschichte. mit zwei, dann drei Päpsten eintrat. Birgit- Wege einzulenken, auf ein künftiges Ziel Unter den Benediktinern zeichnet sich die ta fand überall vergebliche Versuche zur gerichtet sein muss, auf die Stadt oder das Reformbewegung der Zisterzienser beson- Reform vor. Fragen wie „Welches sind die Reich Gottes, in dem die Gerechtigkeit ders aus. Sie beruft sich auf Bernhard von Fundamente der Kirche?“ oder „Welche herrscht und allen Armen und Verlorenen Clairvaux (12. Jh.). Ein kleiner Bach mit Vollmachten gab Jesus den Aposteln, um Freundlichkeit und Liebe erwiesen wird. kostbarem frischem Wasser aus der Quel- die Stabilität der Kirche zu sichern?“ führ- le der Zisterzienser zeugt schließlich von ten sie zu den dreizehn Aposteln Jesus als Birgitta sah das Ziel in einer Kirche, der der Fruchtbarkeit und vom Segen, die die Garanten des rechten Glaubens und zur göttlichen Ordnung für das Heil und das Zisterzienser an einen ähnlich geformten Ehrfurcht vor deren Nachfolgern, den Bi- Glück der Menschen. Nach der Offenlegung Orden abzweigten, den die visionäre Bir- schöfen, auf die mehrmals in ihrer Kloster- und Erneuerung längst bekannter Wahrhei- gitta von Schweden (1303-1373) mit ihrem regel hingewiesen wird. ten über das menschliche Leben, liegt das inneren Blick geschaut hatte: den Birgitten- Prophetische in der Art wie die Menschen orden. Das Kennzeichen des neuen Ordens wur- miteinander und mit Gott umgehen. Das de ein betender Nonnenkonvent mit einer Prophetische an Birgittas Ziel kommt zum Der kleine Birgittenorden war für einige angeschlossenen Gruppe von Mönchen, Vorschein, wenn sie beschreibt, wie der Jahrhunderte Hüter und Wächter der ganz so dass er leider meist irrtümlicherweise Sinn des Menschen sich dem ewigen Leben besonderen Frömmigkeitsbewegung inner- als “Doppelorden”, ihre Klöster als “Dop- zuwendet und welche Folgen die verschie- halb des Klosterwesens, die man mit der pelklöster” bezeichnet wurden. Dreizehn denen Wege für die Menschen haben. Bei- Reformzeit der Konzilien von Konstanz Altäre im westlichen Altarraum, den drei- des zielt auf die Zukunft, auf die lebendige und Basel im 15. Jahrhundert verbindet. zehn Aposteln gewidmet, sollten diesen Vorstellung dessen, wozu der Mensch im- Kennzeichnend für diese Richtung war der Priestern für die tägliche Morgenmesse zur stande ist, auf die Art, wie aus der Ferne der Appell an die Christen um Bekehrung und Verfügung stehen. Der Hochaltar wurde große Zusammenhang den wandernden Vertiefung ihres Glaubens durch Verherrli- St. Petrus, dem Apostelfürsten, gewidmet – Scharen ihre ersehnte heilige Stadt immer chung und Anerkennung Gottes schöpfe- der Hinweis auf den Papst, den Bischof von vertrauter macht. rischer Liebe und Allmacht, mit dem Ziel Rom und Nachfolger Petri, ist überdeut- eines tieferen Einblicks in seine unergründ- lich. Ein vollkommener Ablass von allen Bei jeder birgittinischen Klostergründung liche Gerechtigkeit und einer besseren Ein- Sündenstrafen wurde am Festtag zur Feier in der Geschichte Europas wurden Men- sicht in den Unterschied zwischen Gut und der Befreiung des Apostels Petrus aus dem schen von dieser prophetischen Botschaft Böse. Gefängnis (1. August) geknüpft. Dieser Tag getroffen und betroffen. Menschen sind entwickelte sich bei allen Birgittenklöstern auf das große Unternehmen eines Birgit- Um ein Kloster zu gründen, das seinen Be- zum größten Pilgertag des Jahres. Alles in tenklosters eingegangen, durch welches wohnern Raum für diese Ziele bieten sollte, allem drückt sich in diesen und anderen eine so gewaltige Botschaft an die gesamte 8 Kulturspiegel Altoland Ausgabe 51, September 2018
Umgebung weit und breit erklingen sollte. und Raum hinaus mit allen Freunden des aus dem seit der napoleonischen Zeit aufge- Alte klösterliche Parolen wie “ora et labora Ordens zu erneuern und zu stärken. Die- hobenen Kloster, das bis in unsere Tage als – bete und arbeite” – und “contemplare et sem Ziel will der im Jahre 2013 erschienene Nonnenkloster Bestand hat[te]. Von hier contemplata tradere – betrachte und berich- “Birgitta Atlas” durch die historische Be- geht wahrhaft der Ruf aus zur Teilnahme te den Mitmenschen, was du gesehen hast” schreibung aller ehemaligen Birgittenklö- und Teilhabe miteinander in endzeitlicher – erhielten neues Leben und eine neue ster dienen. Darin liegt der Auftrag, sich die Erwartung. Neben der Klosterkirche des und endzeitliche Form im Birgittenkloster Botschaft Birgittas zu Herzen zu nehmen, Mutterklosters Vadstena in Schweden bie- mit seinen beiden Gruppen: [Einmal die] sich als Person und Mensch in der Erwar- tet kein anderes Birgittenkloster eine so mit Jesu beschaulich und innerlich mit Gott tung der ersehnten Stadt am Horizont mit- der Gründerin geistesverwandte Bauanlage, lebenden zweiundsiebzig Discipeln [=Jün- einander zu verbinden und sich gemeinsam wie die in Altomünster, die ja auch bis in ger] (Luk 10) und [zum anderen die] Jesu dieses Erbe der christlichen Offenbarung unsere Tage immer geistige Töchter, Söhne dreizehn Apostel mit, die die Botschaft von zuzueignen. Dies sollte nicht nur dem und Anhänger aufgenommen und geformt Erlösung und Nachfolge über den ganzen Buchstaben nach, sondern als Nachfolge hat. Der Auftrag des Erlöserordens – Ordo Erdkreis verkünden. in der Form einer besonderen gegenseiti- Sanctissimi Salvatoris (OSsS) – ist aus dem gen Verbindung mit dem geistigen Leben Bau einfach herauszulesen. Möge jeder von Von den ehemaligen Birgittenklöstern be- einer birgittinischen Klostergemeinschaft uns die Berufung zum Wandern mit Gott, stehen nur noch wenige. Deshalb hat sich geschehen. hin zu dem ewigen Ziel, durch den Orden die ”Societas Birgitta-Europa” zur Aufgabe der Heiligen Birgitta finden! gemacht, unter den heutigen Gläubigen Hier dienen die einmaligen in Birgittas an jedem Ort, an dem ein Birgittenkloster Geist errichteten Gebäulichkeiten von Kir- Odense, im Januar 2015 bestanden hat, das prophetische Bewusst- che und Kloster zu Altomünster in Bayern Prof. Dr. Tore Nyberg sein der Zusammengehörigkeit über Zeit gleichsam als eine Predigt, ein Nachklang Kulturspiegel Altoland 9 Ausgabe 51, September 2018
Die Glocken der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Wollomoos Von Klaus Peter Zeyer Die Pfarrei St. Bartholomäus in Wollo- moos wird seit dem Tod von Pfarrer Joseph Neureuther 1956 von Sielenbach aus be- treut. Heute gehört sie zusammen mit Sie- lenbach zum Pfarrverband Altomünster. Der gegenwärtige Kirchturm wurde 1792 von Pfarrer Andreas Mörtl (1783 - 1799 Pfarrer) errichtet. Da der Pfarrer mit Tei- len seiner Gemeinde lange im Steit lag, litt Glockenweihe 1949: Die beiden neuen Glocken (links: Glocke 1: Hl. Bartholomäus, rechts: Glocke 2: Herz Jesu). auch die Qualität des Turmbaus, sodass er später von innen verstärkt werden musste. Mörtl schreibt: „Beim Turmbau blieben viele Steine übrig, aber die Zopel [Schimpf- name] haben mir keine zu kaufen gegeben, weil ich keine Dienstfuhren wie die Bauern getan habe“ (Zitat aus Neureuther, Häuser- chronik). Wieviel Glocken ursprünglich im alten und neuen Turm hingen, ist nicht bekannt. Im Jahr 1884 lassen sich zwei Glocken nachweisen. Diese wurden 1830 und 1832 in Augsburg gegossen. Der Glo- ckenforscher Matthias Seeanner gibt 1913 in seinem Verzeichnis der Glocken der Erz- diözese München und Freising genauere Informationen: Glockenweihe 1949: Dekan Pfarrer Neureuther (links) und ein Kapuzinerpater aus Maria Birnbaum (rechts) bei der Weihe (links: Glocke 1: Hl. Bartholomäus, rechts: Glocke 2: Glocke 1: 345 Pfund; Schlagton c: Gießer: Herz Jesu). Links vor der größeren Glocke ist mit dem Rücken zugewandt der Mesner Erhard Zeilinger, Augsburg 1831 Peter Leonhard zu sehen. (Quelle: Hupfauer, Ortschronik) Glocke 2: ca. 200 Pfund; Schlagton e; Gießer: Erhard Zeilinger, Augsburg 1828. die den Angaben der genannten Glocke 1 Glocke 3: Gewicht unbekannt; Gießer: entspricht, im Turm der Filialkirche St. Gebr. Ulrich, Kempten, 1925; Reliefs: Erste Glockenablieferung Laurentius in Pfaffenhofen wieder. Diese “St. Maria, St. Josef, Hl. Barbara“; Inschrift: Glocke musste dann 1942 im Zweiten Welt- „Zu den Sterbenden lad ich den Herrn“ Im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) mussten krieg aus Pfaffenhofen abgeliefert werden viele Glocken abgeliefert werden. Nach der und ging verloren. Die Gießerei Ulrich in Kempten stellte auch Chronik von Alto Hupfauer wurden bei- das neue Geläut der Pfarrkirche St. Alto in de, nach dem Verzeichnis im Bayerischen Neue Glocken 1925 Altomünster, das zum Ortsjubiläum 1930 Hauptstaatsarchiv (Kriegsarchiv) nur die beschafft wurde und heute nicht mehr vor- kleinere Glocke abgegeben. Im Kriegsarchiv 1925 wurden drei neue Glocken für die Kir- handen ist, her. Die größte Glocke dieser sind folgende Informationen angegeben: che in Wollomoos beschafft. Wahrschein- Gießerei ist die St. Petersglocke im Kölner lich wurde damals die alte, noch vorhande- Dom, liebevoll auch „Dicker Pitter“ ge- Glocke 1: 210 kg; 1783, keine Ablieferung ne Glocke von 1831 nach Pfaffenhofen um- nannt, die im Werk Apolda 1923 gegossen Glocke 2: 120 kg; 1828, abgeliefert. gehängt. Angaben über die neuen Glocken wurde. Sie war mit etwa 24 t bis November von 1925 finden sich bei Karl Leinfelder 2016 die schwerste an einem geraden Joch Wahrscheinlich ist die Jahresangabe 1783 und stellen den Bestand im Jahr 1942 dar: schwingende und läutbare Glocke der Welt. falsch oder bewusst älter angegeben wor- den, da sich die Jahresangabe 1830 bzw. Glocke 1: 375 kg; Gießer: Gebr. Ulrich, Zweite Glockenablieferung 1831 in zwei Quellen findet. Unwahrschein- Kempten, 1925; Reliefs: „St. Bartholomäus lich ist, dass beide Glocken abgeliefert wer- und Heilige Familie“ Die Glocken 1 und 2 mussten am 17. April den mussten. Meist wurde zumindest eine Glocke 2: 220 kg; Gießer: Gebr. Ulrich, 1942 für Kriegszwecke abgeliefert werden Glocke in den Gemeinden belassen. Inter- Kempten, 1925; Reliefs: „Herz Jesu, St. und gingen beide verloren. Die Glocke 3 essanterweise findet sich später (Verzeich- Michael, St. Antonius“; Inschrift: „Für die wurde belassen und ist als älteste Glocke nis Leinfelder, Bestand 1942) eine Glocke, Toten bitt ich den Herrn“ heute noch vorhanden. 10 Kulturspiegel Altoland Ausgabe 51, September 2018
Neue Glocken 1949 Die beiden zerstörten Glocken wurden nach dem Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) wieder ersetzt. 1949 konnten zwei neue Glocken von der Gießerei Hahn in Lands- hut beschafft werden. Die Weihe erfolgte durch Dekan Pfarrer Joseph Neureuther und einen Kapuzinerpater aus Maria Birnbaum: Glocke 3: Gusszeichen der Firma Ulrich Glocke 1: Relief: Bild des Hl. Bartholomäus Läuteordnung Inschrift: „H.L. BARTOLOMÄUS BE- SCHÜTZE DEINE PFARREI!“. Nr. „383“. Angelus: 5, 12, 18 (Winter) bzw. 19 Uhr Gusszeichen Fa. Hahn „1949 Johann Hahn (Sommer): Glocke 2; abends danach Glocke 3 Landshut“ 11-Uhr-Läuten: Glocke 3 Durchmesser: 87,0 cm, Höhe ohne Krone: Rosenkranz und Messfeier: Vorläuten: Glocke 67,0 cm, Klöppel verstärkt, Grundton: a‘, 1, Hauptläuten: Glocke 1, 2 und 3. Wandlung: leichte Rippe Glocke 1; Wettersegen: Glocke 2; Wetterläu- Glocke 1: Bild des Heiligen Bartholomäus ten (nicht mehr durchgeführt): Glocke 1 Glocke 2: Sterbeläuten: Glocke 3 Relief: Herz Jesu Uhrenschlag: Viertelstundenschlag: Glocke 2, Inschrift: „Heiligstes Herz Jesu erbarme Stundenschlag: Glocke 1. dich unser!“. Nr. „384“. Eine Besonderheit ist, wie in Pfaffenhofen, Gusszeichen Fa. Hahn „1949 Johann Hahn das 11-Uhr-Läuten. Alle Glocken werden Landshut“ elektrisch angetrieben und können pro- Durchmesser: 73,0 cm, Höhe ohne Krone: grammgesteuert geläutet werden. Die An- 58,0 cm, Grundton: c‘‘, leichte Rippe steuerung wurde 1972/73 erneuert und die Eine Besonderheit ist, dass die Henkel der alte Anlage in der Filialkirche in Pfaffen- Krone der Glocken 1 und 2 mit Köpfen ver- hofen zur erstmaligen Elektrifizierung des ziert sind. dortigen Geläutes installiert. Glocke 3: Danksagung Reliefs: St. Maria mit Jesukind, St. Josef, Hl. Barbara Für das sehr große Interesse und die Un- Inschrift: oben „Heilige Maria, beschütze terstützung dieser Arbeit durch Bilder und deine Gemeinde“; unten: „Zu den Sterben- Abmessungen möchte ich mich insbeson- den lad ich den Herrn“ und „1925, Werk dere bei Herrn Albert Hupfauer aus Wol- Kempten – Allg.“. lomoos herzlich bedanken. Mein Dank gilt Gusszeichen: „GEBR. ULRICH weiterhin Herrn Johann Steinhardt und Verzierung an der Aufhängung von GLOCKENGIESSEREIEN-A-C- Frau Maria Böck für wertvolle Informatio- Glocke 1 und 2 APOLDA – KEMPTEN – ALLGÄU 1666“ nen. Herrn Prof. Dr. Jürgen Schröder und Durchmesser: 60,0 cm, Höhe ohne Krone: Herrn Prof. Dr. Wilhelm Liebhart danke ich 48,0 cm, Klöppel verstärkt, Grundton: e‘‘, für die Anregung zu dieser Arbeit. mittelschwere Rippe Mit den Grundtönen und den Durchmes- Quellen und Literatur sern können die Massen abgeschätzt wer- BayHStA, Abt. IV: Bayerisches Kriegsarchiv 13 130: den. Die Grundtöne wurden aus Tonauf- Glockenverzeichnis des Bezirksamtes Aichach. nahmen und Frequenzanalysen ermittelt J. Grabinski: www.grabinski-online.de (Internetrecher- che September 2012). (Bezugston a‘ = 435 Hz). Mit einer von Alto Hupfauer: Orts-Chronik der ehemaligen Gemein- Grabinski angegebenen Näherungsformel de Wollomoos, Wollomoos 1993. Karl Leinfelder: Über die Glocken des Landkreises ergeben sich 400, 230 bzw. 130 kg für die Aichach, in: Mitteilungen für die Heimatpflege in Ober- Glocken 1, 2 und 3. bayern, Heft 21, 1960. Wilhelm Liebhart: Der Markt im 17./18. Jahrhundert, Alle drei Glocken zusammen bilden somit in: Altomünster - Kloster, Markt und Gemeinde, Alto- den Moll-Dreiklang a‘, c‘‘ und e‘‘. münster 1999, S. 179 - 201. Anton Mayer: Statistische Beschreibung des Erzbistums München-Freising. III. Bd., Regensburg 1884. Aufhängung Joseph Neureuther: Häuserchronik der Pfarrei Wollo- moos. Aus dem Nachlass herausgegeben und ergänzt von W. Liebhart und J. Steinhardt, Wollomoos 2011. Alle drei Glocken sind an Stahljochen be- Matthias Seeanner: Die Glocken der Erzdiözese Mün- festigt. Glocke 1 schwingt senkrecht und chen und Freising, in: Martin von Deutinger: Beiträge zur Geschichte, Topographie und Statistik des Erzbi- die Glocken 2 und 3 parallel zum Kirchen- stums München und Freising Bd. 11 (NF Bd. 5), Mün- schiff. Glocke 1 ist unten und die Glocken 2 chen 1913. Klaus Peter Zeyer: Die Glocken der Pfarr- und Kloster- und 3 sind oben im Glockenstuhl befestigt. kirche St. Alto in Altomünster, in: Amperland 51 (2015) Glocke 2 ist auf der dem Kirchenschiff zu- Glocke 3: Bild der Heiligen Maria Heft 4, S. 455 - 461. Klaus Peter Zeyer: Die Glocken der Filialkirche St. Lau- gewandten, Glocke 3 auf der abgewandten mit dem Jesukind rentius in Pfaffenhofen, in: Kulturspiegel Altoland, Aus- Seite angebracht. (Alle Bilder Seite 11: Albert Hupfauer) gabe 50, 2018, S. 14 - 15. Kulturspiegel Altoland 11 Ausgabe 51, September 2018
Die Tragödie des Lehrer geboten. Daher waren hauptsächlich als Buch- und Kassenführer des örtlichen nur junge Hilfslehrer hierhergekommen, Darlehenskassenvereins noch die Abrech- Lehrers Adolf Wolf die häufig wechselten. Mit dem Neubau nung machen. Die Regierung von Oberbay- konnte jetzt auch ein erfahrender Lehrer ern lehnte den Antrag ab, und Lehrer Wolf Eine fahrlässige Tötung in zusammen mit seiner Familie nach Hohen- musste planmäßig die neue Stelle zum 16. Hohenzell im Jahre 1902 zell kommen. Der Lokalschulinspektor und Januar antreten. Seine Frau Maria kam kurz damit der direkte Vorgesetzte des Lehrers darauf mit dem neugeborenen Söhnchen Von Michael Heitmeir Adolf nach. war damals der Ortspfarrer. Hohenzell hat- te aber nach dem Tod von Pfarrer Mayrho- Schulsituation in Hohenzell fer 1891 keinen eigenen Pfarrer mehr und Das Unglück wurde seit 1894 vom Adelzhausener Pfarrer In der Ortsmitte stand seit 1899 das neuer- Dr. Andreas Wille vikariert. Dieser hatte Am 25. Februar abends war die Familie baute Schulhaus. Anders als die gedrungen damit gleichzeitig die Leitung der Hohen- Wolf zu Besuch im Hohenzeller Forsthaus. wirkenden Häuser der Bauern, Gütler und zeller Schule inne. Der Förster war nämlich als „Studierter“ Häusler im Dorf war es erhaben, zweistöc- neben dem Pfarrer eine weitere Bezugsper- kig gebaut und mit großen Fenstern ausge- Der neue Lehrer son für den Lehrer im Dorf. Spät am Abend stattet, innen mit geräumigen Schulräumen kehrten sie zurück ins Schulhaus und sa- und einer großzügigen Lehrerwohnung. Anfang 1902 kam der 27 Jahre alte Lehrer ßen am Esstisch noch zusammen. In dieser Trotz der hohen Kosten, die Bau und Un- Adolf Wolf zusammen mit seiner Frau nach Nacht geschah das Unglück. Das Amtsblatt terhalt der Schule der kleinen Gemeinde Hohenzell. Vorher hatte er an der Schule in für das Amtsgericht Aichach berichtete am und ihren Steuerzahlern verursachten, hat- Oberschorndorf im Bezirksamt (Landkreis) 28. Februar darüber: te sich Hohenzell dieses Schulhaus geleistet. Landsberg gewirkt. Kurz vor Dienstantritt, Sofort nach dem Unglück wurde noch in der für Mitte Januar festgelegt worden war, der Nacht Pfarrer Wille aus dem vier Kilo- So wie früher hatte es nicht mehr weiter- schrieb er am 6. Januar ein Gesuch, in dem meter entfernten Adelzhausen herbeigeholt. gehen können. Die am Dorfrand gelegene, er um Beurlaubung bis Mitte Februar bat. Nachstehend sein Brief, der am Morgen des 1854 erbaute alte Schule war viel zu klein Zwei Gründe führte er an, weshalb er den 26. Februar per Eilbote beim Bezirksamt in geworden für die 70 Werktags- und 25 Termin nicht einhalten könne. Zum einen Aichach eintraf, in gekürzter Form: Sonntagsschüler. Die Wohnung darin hatte erwarte seine Frau ein Kind und könne gerade mal Platz für einen allein stehenden daher nicht reisen, zum andern müsste er Das 1899 erbaute Schulhaus in Hohenzell 12 Kulturspiegel Altoland Ausgabe 51, September 2018
über das schreckliche Geschehen hinweg- zukommen. Biographie des Adolf Wolf Geboren am 9.12.1874 in Pfaffenmünster im Bezirksamt Straubing. 1893 Abschluss des Schullehrerseminars in Straubing. 1897 Anstellungsprüfung in München 1897 bis 1899 Schulgehilfe an fünf verschie- denen Schulen in den Bezirksämtern Strau- bing und Miesbach 1899 bis 1901 Schulverweser in Münchs- münster und in Oberschorndorf 1902 Schullehrer in Hohenzell 1902 bis 1906 Schullehrer in Thaining im Bezirksamt Landsberg 1906 bis 1917 Schullehrer an drei weiteren Schulen in Oberbayern Am 1. November 1917 Versetzung in den zeitlichen Ruhestand wegen körperlicher „Ableben der Frau Lehrer Maria Wolf in Die Folgen Dienstuntauglichkeit im Alter von 42 Jah- Hohenzell, ren. Er verstarb am 27.4.1929 im Alter hier die Schulaufsicht betreffend Im Mai stellte der unglückliche Lehrer er- von 54 Jahren. Der Ort ist nicht bekannt, folglos ein Versetzungsgesuch. Bezirksarzt ebenfalls nicht das Schicksal seines Sohnes Nachts um 3 [Uhr] bin ich in Hohenzell ein- Dr. Müller aus Aichach schreibt im Juni im Adolf. getroffen. Herr Lehrer Wolf hatte das Un- Gutachten über ihn: „Lehrer Wolf leidet glück, dieselbe mit einem Geschoß aus seiner unter den traurigen Eindrücken seines Un- Quellen Pistole, die er für entladen hielt, so unglück- glückes, ist geistig normal und leistungsfä- lich zu treffen, die Ehefrau sei nur eine halbe hig. Sehr empfehlenswert daß er von dem Staatsarchiv München: RA 54844, Akt über Stunde [später] verschieden, ich selber habe Orte, an dem das Unglück passierte, weg- den Vorfall in Hohenzell nur eine Todte [an]getroffen, Herr Lehrer kommt, an dem alles an sein Unglück ge- Staatsarchiv München: PA 7025, Personal- Adolf Wolf ist vor Schmerz ganz außer sich. mahnet, jedoch nicht an einem Orte wo er akte Wolf Adolf Schon heute gestatte ich eine Anzeige. Ich einsam wäre, sondern wo er gesellschaftlich Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom kann absolut an keine Schuld desselben glau- Anschluß finde.“ 27.2.1902 ben, nach privaten Mitteilungen halte ich zu Zwischenzeitlich musste er sich vor dem Amtsblatt für das Kgl. Amtsgericht Aichach, ihm für seine hiesige Wirksamkeit. Er ist ein Landgericht in Augsburg verantworten, Ausgaben vom 28.2.1902 und 13.6.1902 pflichteifriger und geschickter Schulmann, das ihn wegen fahrlässiger Tötung zu einer ein charaktervoller, christlicher Bürger, der Gefängnisstrafe von einer Woche verur- Anmerkung der ganzen Gemeinde Musterbild sein solle. teilte. Die Strafe brauchte er nicht abzusit- Nun ist Herr Lehrer ganz außer Fassung und zen, denn er wurde von „seiner kgl. Hoheit Dieser Artikel will einen kleinen Vorge- zum Teil absolut unfähig an seine Wirksam- Prinz Luitpold, des Königreichs Verweser“ schmack bieten auf die Chronik Hohenzell, keit in der Schule heranzutreten. Ich über- begnadigt. Jedoch wurde ihm stattdes- die in Arbeit ist und in den nächsten Jahren lasse dem Distrikt Schulinspektor nähere sen die Zahlung einer Geldstrafe von 100 erscheinen soll. In diesem Buch wird die Verfügung zu treffen, was mit dem Schulun- Mark auferlegt. Das danach durchgeführte Geschichte von Hohenzell, den zugehö- terricht für die nächste Zeit geschehen solle. Disziplinarverfahren der Regierung von rigen Ortschaften, Weilern und Einöden, Einstweilen glaube ich den Schulunterricht Oberbayern blieb für ihn folgenlos, da kein der Pfarrei, der Schule, der ehemaligen Ge- für eine Woche aussetzen zu sollen. pflichtwidriges Verhalten im Schuldienst meinde Hohenzell und den Ortsvereinen vorlag. dargestellt. Breiten Raum sollen die Haus- kgl. Lokalschulinspektion Hohenzell Lehrer Wolf wurde nach einem weite- und Hofchroniken einnehmen. Handwerk Andreas Wille Pfarrer“ ren Gesuch zum 1. September 1902 an und Gewerbe, Arbeitsleben, Brauchtum, die Schule nach Thaining im Bezirksamt Kriegs- und Notzeiten sowie Unglücke und Das Bezirksamt Aichach genehmigte die Landsberg versetzt. Dort wirkte er vier Jah- Verbrechen kommen ebenso darin vor. Für provisorische Aussetzung des Unterrichts re lang, bis Ende Juli 1906. Mit Anna Bich- dieses Projekt recherchieren seit Jahren in für eine Woche und verfügte: „die ausgefal- ler ging er im Juli 1904 eine zweite Ehe ein. Bistums-, Staats-, Zeitungsarchiven sowie lenen Schulstunden hat derselbe nachzuho- Diese Ehe blieb kinderlos. Recht tatkräftig bei Privatpersonen Dr. Stefan Schleipfer len. Nachdem es sich offenbar um Fahrlässig- brachte er sich in Thaining ins örtliche Ver- und Michael Heitmeir. keit handelt, dürfte kein Hindernis bestehen, einsleben ein. In drei Vereinen betätigte er Lehrer Wolf im Schuldienst zu [be]lassen.“ sich jeweils in der Vorstandschaft, im Obst- und Bienenzuchtverein, im Theaterverein und in der Feuerwehr, und versuchte so, Kulturspiegel Altoland 13 Ausgabe 51, September 2018
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