Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich

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Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
Kanton Zürich

              Schulblatt
              Bildungsdirektion

                                          3/2017

                                  Balanceakt
                                    Die Kunst guter
                                    Klassenführung

Schulbeurteilung
Den Evaluatoren über
die Schulter geschaut
Probezeit
Unterstützung für
neue Gymischüler
International
Lernende im
Auslandseinsatz
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
6                                                                         16
                                             Magazin                                             Fokus:                                                  Volksschule
                                                                                                 Balanceakt
                                             4                                                                                                           20
                                             Kommentar                                           12                                                      Schulbeurteilung
                                             Bildungsdirektorin                                  Klassenführung lernen                                   Unterwegs mit drei
                                             Silvia Steiner zur                                  Herausforderungen und                                   Evaluatorinnen
                                             Fremdspracheninitiative                             Strategien im Unterricht
                                                                                                                                                         22
                                             5                                                   16                                                      Stafette
                                             Lehrerzimmer                                        Im Gespräch                                             Die Schule Im Birch
                                             Tagesschule Studenbühl                              Autor Christoph Eichhorn                                und ihr Konzept
                                                                                                 über die Bedeutung von                                  der «Neuen Autorität»
                                             6                                                   Classroom-Management
                                             Persönlich                                                                                                  25
                                             Wie die Eritreerin                                                                                          In Kürze
                                             Senait Tekle zur
                                             Bildungsdirektion kam

                                             9
                                             Meine Schulzeit
                                             Alain Claude Sulzer,
                                             Schriftsteller
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Inhalt

                                             Wichtige Adressen                                                   Impressum Nr. 3/2017, 12.5.2017
                                             Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09    Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch   weise: 6-mal jährlich, 131. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter
                                             Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und         reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                             ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend      Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 14 Journalistische Mitarbeit an dieser
                                             und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­         ­Ausgabe: Walter Aeschimann, Sepp Beck, Bettina Büsser, Luzia Schmid, Charlotte Spindler
                                              verlag Zürich: www.lehrmittelverlag-zuerich.ch, 044 465 85 85       Abonnement: Lehr­    personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das
                                             Fachstelle für Schulbeurteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00       Schulblatt in ihrem ­
                                                                                                                 ­                        Schulhaus gratis beziehen (Bestellwunsch an Schulleitung).
                                             Bildungsratsbeschlüsse: www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­       Bestellung des Schulblatts an Privat­adresse ­sowie Abonne­   ment weiterer Interessierter:
                                              archiv Regierungsratsbeschlüsse: www.rrb.zh.ch                     abonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch
                                                                                                                 ­Gestaltung: www.bueroz.ch Druck: www.staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com,
                                                                                                                  031 767 83 30 Re­daktions- und Inserateschluss nächste Aus­gabe: 1.6.2017 Das ­nächste
                                             Titelbild: Dieter Seeger                                             Schulblatt erscheint am: 7.7.2017
2
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
26                                                     34
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                             39
                                                                                                                  Amtliches
26                                                     32
Probezeitbegleitung                                    Auslandsaufenthalt                                         51
Wie Schülerinnen und                                   In China oder den USA                                      Weiterbildung
Schüler beim Übertritt ans                             arbeiten, die hiesige Berufs-                              Den Lehrplan 21 für die
Gymi unterstützt werden                                schule besuchen                                            Schulentwicklung nutzen

28                                                     34                                                         Kurse und Module
Arbeitsort Mittelschule                                Berufslehre heute
Die vielfältigen Aufgaben                              Systemgastronomie-                                         57
der Biologie-Assistentin                               fachfrau EFZ                                               Stellen

31                                                     36                                                         60
In Kürze                                               Lehrstellenkonferenz                                       Schule&Kultur
                                                       Berufseinstieg:
                                                       Aller Anfang ist schwer                                    62
                                                                                                                  Agenda
                                                       37
                                                       In Kürze

    Editorial
                                                               Die meisten Lehrerinnen und Lehrer kennen diesen Moment: Sie stehen allein
                                                               vor der Klasse und müssen völlig unerwartet auf eine schwierige Situation
                                                                                                                                                       Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Inhalt

                                                               ­reagieren. Was soll man tun, was lassen? Dass das Führen einer Klasse eine
     Reto Heinzel                                               enorm anspruchsvolle Aufgabe ist und viel Fingerspitzengefühl erfordert, erfah-
                                                                ren Lehrpersonen jeden Tag aufs Neue. Wir wollten wissen, was gute Klassen-
                                                                führung ausmacht. Dazu haben wir mit einem Schulpsychologen gesprochen und
                                                                angehende Berufsschullehrerinnen und -lehrer in der Ausbildung begleitet.
                                                                Dass Klassenführung auch eine Art Balanceakt sein kann, symbolisieren die
                                                                Bilder unseres Fotografen Hannes Heinzer. Er wählte alltägliche Instrumente
                                                                aus dem Werkzeugkasten des Lehrers und inszenierte diese als schlichte, ein-
                                                                drückliche Stillleben.
                                                                Diese Ausgabe wartet mit einer Änderung auf: Zu Beginn des Heftes findet
                                                                sich neu ein Kommentar von Bildungsdirektorin Silvia Steiner zu einem bil-
                                                                dungspolitischen Thema. Auf derselben Seite zeichnen Schulkinder ihr ganz
                                                                persönliches «Traumschulhaus». 
                                                                                                                                                       3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das Schulblatt: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
Fremdspracheninitiative                                                                    wisse Schwierigkeiten haben, alle Lern-

                                          Fächer streichen
                                                                                                                                     ziele zu erreichen. Auf deren Bedürfnisse
                                                                                                                                     müssen wir mit individuellen Massnah-
                                                                                                                                     men eingehen. Es kann keine Lösung sein,

                                          ist keine Lösung
                                                                                                                                     dass deswegen alle auf Englisch- oder
                                                                                                                                     Französischunterricht verzichten müssen.
                                                                                                                                         Die Lektionentafel ist heute auf jeder
                                                                                                                                     Stufe ausgewogen. Die Fächer sind so auf-

                                          von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                     geteilt, dass Kopf, Herz und Hand gleicher-
                                                                                                                                     massen berücksichtigt werden. Wenn man
                                                                                                                                     jetzt nur an einem Ende schraubt, gerät
                                                                                                                                     dieses erprobte System aus der Balance.
                                          Früher habe ich häufig mit meinen Kin-                                                         Streicht man eine Fremdsprache in
                                          dern Memory gespielt. Sie liessen mir                                                      der Primarschule, müssen diese Stunden
                                          nicht den Hauch einer Chance. Kinder ha-                                                   in der Sekundarschule nachgeholt wer-
                                          ben eine unglaubliche Fähigkeit, sich                                                      den – auf Kosten anderer Fächer. Dann
                                          Dinge zu merken. Sie saugen Informatio-                                                    müssen zum Beispiel die MINT-Fächer
                                          nen regelrecht auf und lernen, indem sie                                                   oder die berufliche Orientierung Federn
                                          nachahmen und ausprobieren.                                                                lassen. Es ist nicht möglich, diese Fächer
                                              Auch Sprachen nehmen Kinder mit                                                        im Gegenzug einfach in die Primarschule
                                          einer Leichtigkeit auf, die wir Erwachsene                                                 zu verschieben.
                                          oft beneiden. Eine Studie zeigt ausserdem,
                                          dass Kinder eine zweite Fremdsprache                                                       Um Jahre zurückgeworfen
                                          leichter lernen, wenn sie bereits eine ge-
                                          lernt haben. Dies liegt daran, dass dem
                                                                                         «Wenn man nur                               Die Annahme der Fremdspracheninitiati-
                                                                                                                                     ve wäre eine unnötige und heikle Schul-
                                          Kind der Lernprozess schon bekannt ist.         an einem Ende                              reform. Man müsste die Stundenpläne,
                                                                                                                                     Prüfungen, Übertrittskonzepte und Lehr-
                                          Das System hat sich bewährt                   schraubt, gerät das                          mittel auf allen Schulstufen überprüfen
                                          Das frühe Lernen von Fremdsprachen in
                                          den Schulen hat sich bewährt. Der Kanton
                                                                                          System aus der                             und anpassen. Auch die Ausbildung der
                                                                                                                                     Lehrpersonen müsste völlig neu organi-
                                          Zürich setzt auf ein Sprachenkonzept, das          Balance.»                               siert werden. Die Annahme der Initiative
                                          sowohl Englisch als auch Französisch                                                       wäre somit nichts anderes als eine grosse
                                          ­bereits auf der Primarschulstufe einführt.                                                Reform und Umstellung, die die Schulen
                                           An diesem System rüttelt jetzt die Volks­    Primarschule überfordert seien. Und dem      mehrere Jahre beschäftigen und uns
                                           initiative «Mehr Qualität – eine Fremd-      wollen sie abhelfen, indem sie ein           gleichzeitig um Jahre zurückwerfen würde.
                                           sprache an der Primarschule». Sie fordert,   gan­zes Fach streichen. Die überwiegende         Das hält uns von unserer Hauptauf­
                                           dass die Zürcher Primarschülerinnen und      Mehrheit unserer Schülerinnen und Schü-      gabe ab: den Kindern und Jugendlichen
                                           -schüler in Zukunft auf eine der beiden      ler meistert die zwei Fremdsprachen aber     eine qualitativ hochstehende und gleich-
                                           Fremdsprachen verzichten müssen.             gut, und dies nicht zuletzt dank des guten   zeitig ausgewogene Ausbildung ermögli-
                                               Die Initianten gehen davon aus, dass     Unterrichts ihrer Lehrpersonen. Selbst-      chen. Deshalb bitte ich Sie, die Fremd-
                                           unsere Schülerinnen und Schüler an der       verständlich gibt es immer Kinder, die ge-   spracheninitiative abzulehnen. 
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin

                                                                                                                                                   Mein
                                                                                                                                                   Traumschulhaus
                                                                                                                                                   Miriam Perels (9),
                                                                                                                                                   3. Klasse,
                                                                                                                                                   Schule Am Wasser,
                                                                                                                                                   Zürich
4
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                                             Tagesschule
                                      Staudenbühl, Zürich
                                          Das tägliche Znüniplättli gehört einfach dazu.
                                                                                                                             Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                               Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin

Ruhe: umfängt den, der das Areal der Stadtzürcher Tagesschule in Seebach betritt. Jenseits des Pausenplatzes erstrecken sich Felder
und Wiesen, die für einen Hauch von Landluft sorgen. Als Zeuge der späten 1960er-Jahre: präsentiert sich das mit viel Holz
­ausgekleidete, mehrfach verwinkelte Teamzimmer. Eindrücklich: ist das konfliktlose Nebeneinander von locker plaudernden, kon-
 zentriert lesenden, am Computer arbeitenden oder kopierenden Lehr- und Betreuungspersonen. Tierisch: geht es im Gang hinter der
 Kaffeemaschine zu. Eine grosse Vitrine voller Tierpräparate sorgt für eine leicht skurrile Note. Das tägliche Znüniplättli für alle: ist
 fester Bestandteil der 10-Uhr-Pause. Lehrpersonen, Betreuungsteam, Schüler und Schülerinnen schätzen den von der Küchencrew
 an verschiedenen Orten bereitgestellten Imbiss gleichermassen. Seltenheitswert: hat der vergleichsweise hohe Anteil an Männern.
 Sie machen fast die Hälfte des Lehrerteams aus. Schulleiterin Barbara Steiner führt dies vor allem auf die Tagesschulstruktur
 ­zurück. Da die Lehrpersonen über Mittag in die Betreuung eingebunden seien, ergäben sich mehr Kompensationsmöglichkeiten.
  Reges Interesse: Die 1990 eröffnete Tagesschule ist äusserst beliebt. Längst werden die Schulplätze per Los vergeben. [rh]
                                                                                                                                              5
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                       ten Zugreisenden lieber alleine im Ab-

       Der Wille, nach
                                                                                                                                        teil sitzen. «Wer in Eritrea alleine in ei-
                                                                                                                                        ner Ecke sitzt, wird angesprochen. Man
                                                                                                                                        kümmert sich um ihn. Hier sind die Leute

       vorn zu blicken
                                                                                                                                        sehr höflich und nett, aber manchmal
                                                                                                                                        auch etwas distanziert.» Inzwischen hat
                                                                                                                                        sie sich an viele der hiesigen Eigenheiten
                                                                                                                                        gewöhnt. Heute, sagt sie lächelnd, mache

       Senait Tekle mag Krimis – und Zahlen.                                                                                            sie es genauso: Im Zug oder im Tram
                                                                                                                                        suche sie sich einen Platz, an dem sie
                                                                                                                                        ­
       Vor viereinhalb Jahren kam die Statistikerin                                                                                     ­ungestört sei.

       als Flüchtling in die Schweiz. Heute                                                                                                   Anderthalb Jahre verbrachte Senait
                                                                                                                                         Tekle im Durchgangsheim in Matzingen
       ­arbeitet sie in der B
                            ­ ildungsdirektion.                                                                                          (TG). Arbeiten durfte sie in dieser Zeit
                                                                                                                                         nicht. «Immerhin konnten wir Forst-­
       Text: Reto Heinzel Foto: Stephan Rappo                                                                                            Pflegeeinsätze leisten, so waren wir etwas
                                                                                                                                         beschäftigt.» Sie wollte unbedingt wieder
                                                                                                                                         in ihrem erlernten Beruf arbeiten, be-
                                                                                                                                         mühte sich, ihre Deutschkenntnisse zu
                                                                                                                                         verbessern. Sie bewarb sich bei den statis-
                                                                                                                                         tischen Ämtern von 16 Kantonen. Im Sta-
                                          Senait Tekle sitzt an einem riesigen Tisch      gen werden. Sie durfte nach der militäri-      tistischen Amt des Kantons Zürich ­erhielt
                                          im verglasten Konferenzraum der Bil-            schen Ausbildung in die Hauptstadt zu-         sie schliesslich eine unbezahlte Prakti-
                                          dungsplanung. Seit anderthalb Jahren ar-        rückkehren und als Statistikerin arbeiten.     kumsstelle. Dass sie hoch motiviert war,
                                          beitet die ruhige, zurückhaltende Frau in            Wieso Senait Tekle ihr Heimatland         fiel auch ihrer dortigen Chefin auf. Diese
                                          dieser Abteilung der Bildungsdirektion. In      verliess? Im Gespräch erwähnt sie ein          vermittelte ihr denn auch den Kontakt zur
                                          den hoch über dem Stampfenbachplatz             einschneidendes Erlebnis während des           Bildungsplanung, wo eine befristete Stelle
                                          gelegenen Räumen werden Tag für Tag             Studiums, als sie an einer Volkszählung        frei war. Sie erhielt den Job.
                                          Daten erhoben, codiert, analysiert. Senait      mitwirken sollte. Die Finanzierung hatte
                                          Tekle und ihre Arbeitskolleginnen und           die Weltbank in Aussicht gestellt, doch die   Kulturelle Differenzen
                                          -kollegen befassen sich mit Bildungssta-        eritreische Regierung strich die Löhne        Im Auftrag der Bildungsplanung verfasste
                                          tistiken, erstellen Studien und Berichte.       massiv zusammen. Den mitwirkenden             Senait Tekle einen Bericht über ihr Hei-
                                               Die 35-jährige Statistikerin und zwei      Studierenden wäre damit nicht mehr ge-        matland. Darin beschrieb sie nicht nur die
                                          ihrer sieben Geschwister kamen vor vier-        nug geblieben, um den Lebensunterhalt         kulturellen Besonderheiten des dortigen
                                          einhalb Jahren als Flüchtlinge in die           zu bestreiten. Es kam zu Protesten, an        Bildungs- und Familiensystems sowie der
                                          Schweiz. Sie waren aus einem jungen             denen sich auch Senait Tekle beteiligte.
                                                                                          ­                                             herrschenden Geschlechterrollen, sondern
                                          Staat geflohen, welcher sich 1991 von           Die Regierung liess die jungen Menschen       machte auch Aussagen zur schwierigen
                                          Äthiopien unabhängig erklärt hatte. Das         kurzerhand festnehmen und an einen            Situation und zu den Perspektiven der
                                          ostafrikanische Eritrea gilt, je nach politi-   glühend heissen Ort im Landesinnern           rund 25 000 Eritreerinnen und Eritreer in
                                          scher Lesart, als undemokratisch, autori-       bringen. Mehrere Wochen mussten die           der Schweiz. Eindrücklich schildert sie,
                                          tär oder diktatorisch. Dominierende Partei      Studierenden bei Temperaturen von bis         dass frühkindliche Bildung in Eritrea
                                          ist die People’s Front for Democracy and        zu 45 Grad ausharren. Drei kamen dabei        überhaupt keine Bedeutung hat und dass
                                          Justice (PFDJ) – sie ist zugleich die einzige   ums Leben. Frei kam nur, wer in einer         Kleinkinder selbst von ihren Eltern kaum
                                          Organisation, welche bei Wahlen über-           schriftlichen Erklärung sein Verfehlen        beachtet, geschweige denn gefördert wer-
                                          haupt zugelassen ist. Die Menschen-             eingestand. Damals fasste sie den Ent-        den: «Die Eltern schenken ihrem Kind
                                          rechtslage wird bestenfalls als düster be-      schluss, das Land zu verlassen. Es sei ihr    nicht viel Zeit und versuchen nicht, es zu
                                          schrieben.                                      deutlich vor Augen geführt worden, sagt       verstehen», schreibt sie. Was für ein Un-
                                                                                          sie, dass es für sie in einem Eritrea ohne    terschied zum Kanton Zürich, wo früh-
                                          Die Regierung befiehlt                          Freiheit und ohne Rechte keine Zukunft        kindliche Bildung ein grosses Thema ist.
                                          Aufgewachsen ist Senait Tekle in der erit-      geben würde.                                  Auch Senait Tekle sind diese Dinge wäh-
                                          reischen Hauptstadt Asmara. Als dritt-               Gerne hätte Senait Tekle nach dem        rend ihrer hiesigen Tätigkeit klarer ge-
                                          jüngstes von acht Kindern besuchte sie          Bachelor noch den Masterabschluss im          worden. «Hier habe ich gelernt, wie wich-
                                          das Gymnasium. Ihr Traumberuf Detek­            Ausland gemacht. Das Stipendium für           tig es ist, in die Förderung der Kinder zu
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin

                                          tivin schien der begeisterten Krimileserin      eine englische sowie für eine amerikani-      investieren.»
                                          unerreichbar. Da sie auch ein Flair für die     sche Universität hatte sie bereits in der          Die Arbeit bei der Bildungsplanung
                                          Mathematik hatte, studierte sie Statistik       Tasche, doch die Regierung liess sie nicht    macht Senait Tekle grosse Freude. «Ich
                                          und Demografie an der Universität As-           ausreisen. Das brachte das Fass zum Über­     ­arbeite sehr gerne hier.» Das liege auch an
                                          mara. Mit dem Bachelor in der Tasche er-        laufen. Sie und ihre zwei Geschwister          der freundschaftlichen Atmosphäre und
                                          hielt sie rasch eine Stelle. Im Nationalen      flüchteten in den Sudan, wo sie schliess-      an der Unterstützung des Teams. Umso
                                          Amt für Statistik wurde ihr ein Job zu­         lich ein Visum für die Schweiz erhielten.      mehr bedauert sie, dass ihr Einsatz Ende
                                          geteilt. «Die Regierung bestimmt, wer wo                                                       Jahr endet. Doch davon lässt sie sich nicht
                                          arbeitet», sagt sie. Jedem, der erfolgreich     Schwieriger Start                              beirren. Derzeit freut sie ganz besonders,
                                          ein Studium absolviert hat, wird eine Ar-       Für die meisten Flüchtlinge ist es schwie-     dass sie ihr lang ersehntes Vorhaben end-
                                          beit zugeteilt, wobei nie sicher ist, ob        rig, in einem fremden Land Tritt zu fassen.    lich in die Tat umsetzen kann: Im Herbst
                                          man überhaupt in seinem Fachgebiet tätig        Auch Senait Tekle fiel der Start in der        wird sie an der Universität Zürich ein
                                          werden kann. Eine freie Berufswahl gibt         Schweiz nicht leicht. Sie konnte kein          Masterstudium in Biostatistik beginnen.
                                          es nicht. Immerhin hat sie mehr Glück           Deutsch, die hiesige Kultur, die Umgangs-      «Der Masterabschluss ist mein grösster
                                          ­gehabt als jene, die auf unbestimmte Zeit      formen und Gewohnheiten waren ihr              Traum», schwärmt sie. «Jetzt fehlt mir nur
                                           oder gar lebenslang zum Militär eingezo-       fremd. Irritierend fand sie, dass die meis-    noch eine neue Stelle.» 
6
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin

Senait Tekle flüchtete
aus ihrer Heimat Eritrea,
weil sie für sich keine
Zukunft mehr sah. Seit
Anfang 2016 arbeitet sie
                            7

in der Bildungsplanung.
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
Wie anders ist der Andere?
                                  Lernen Sie Sich besser
                                  kennen und die anderen
                                  besser verstehen!                                                             Bahnbrechende­
                                         - Coaching Ausbildung in Winterthur
                                                                                                                Schulreisen
                                                                                                                Geologie, Geographie und Naturkunde:
                                                                                                                Alles auf einen Schlag!
                                  Ausbildungsstart: 9. März 2018

                                  Info-Abende*:   13.06.17
                                                  05.07.17      jeweils von
                                                  09.08.17      18.30 - ca. 20.00 Uhr
                                                  26.09.17      Rudolfstr.11, Winterthur
                                                  23.10.17

                                  *Anmeldung per Email erwünscht (mj@ten-coaching.ch)

                                  Souveräner privater und beruflicher Um gang m it
                                  Herausforderungen. Stärk ung und Entwick lung
                                  der eigenen Resilienz und Persönlichk eit.

                                                                                                                                                        ratis­
                                                       Leitung und Dozentin:                                                              In­klu­si­ve­g terlagen
                                                                                                                                                   ic htsun
                                                                                                                                           Unterr
                                                       Marij osé Ten

                                                                                                                UNESCO Welterbe RhB: Erlebnisreiches Tages­
                                                       T: +41 79 662 63 12                                      programm ab CHF 25.00 pro Person inkl. Bahnfahrt,
                                                       E: m j @ t en- coachi ng. ch                             Baustellenführung und Museumseintritt.
                                                       N: www. i l p- wi nt er t hur . c h                      Weitere Informationen unter www.rhb.ch/schulen

                                                                                             Schulen_87x137mm.indd 1                                           21.04.17 14:01
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017
8
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was                                                                                 Meine Schulzeit

                                                       «Da war es vorbei
kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?
Die verhasste Rechenmethode mit den
sogenannten Cuisenaire–Stäbchen, die

                                                         mit der Freude»
ein verrückter belgischer Schulinspektor
gleichen Namens erfunden hatte, um un-
begabte Rechner – oder vielmehr unbe-
gabte Denktheoretiker – wie mich zu quä-
len, was ihm auf Anhieb und nachhaltig
gelang. Von dem Augenblick an, da diese
                                                                          Fünf Fragen an den Schriftsteller
Stäbchen auf mein Pult kamen, war es                                                  Alain Claude Sulzer
vorbei mit meiner anfänglichen Freude an
der Schule, mit der Mathematik sowieso.
Angenehmer: das Läuten der Pausen­
glocke und der Schulweg, auf dem ich
­herumtrödeln konnte.                           Kritisches Denken; fehlerloses Schreiben
      Welcher Lehrperson geben Sie              (beim Einmaleins darf man sich ja auch
 rückblickend die Note 6 und warum?             keine Fehler erlauben, weil Fehler fatale
 Obwohl er uns das Rechnen mit den oben         Folgen haben könnten, wie es jedem ein-
 erwähnten Stäbchen beibrachte (wozu er         leuchtet); analytisches Lesen; Fokussie-
 sicher gezwungen war), war es eindeutig        rung auf die vorhandenen Talente, was
 mein Primarschullehrer Rentsch. Er nahm        impliziert, dass die Schule darauf verzich-
 jeden Schüler ernst, auch solche wie mich,     ten muss, einem beibringen zu wollen,
 die in gewissen Fächern schwach waren.         wofür man absolut keine Begabung hat.
      Inwiefern hat Ihnen die Schule                Warum wären Sie ein guter
 ­geholfen, einer der erfolgreichsten           Lehrer – oder eben nicht?
  Schweizer Schriftsteller zu werden?           Ich wäre wohl kein guter Lehrer. Und was
  Ehrlich gesagt, hat die Schule gar nichts     sollte ich schon unterrichten? Ich neige
  dazu beigetragen; sie hat es allerdings       dazu, ungeduldig zu sein, wenn es darum
  auch nicht verhindert. Schreiben, lesen       geht, jemandem etwas erklären zu müssen,
  und selbstständig denken hätte ich sicher     was ich beherrsche, aber der andere nicht.
  auch ohne Schule gelernt (wozu sind ältere    Keine gute pädagogische Voraussetzung,
  Brüder da?). Na gut, einfaches Rechnen        oder? Aber natürlich kann ich jemanden

                                                                                                                                                       Foto: Julia Baier
  vielleicht nicht. So wie das Schulsystem      beraten. Ratschläge erteilen ist allerdings
                                                                                                    Alain Claude Sulzer (64) publiziert seit über
  damals funktionierte, zwang es einen dazu,    etwas ganz anderes, als mit Ausdauer und            dreissig Jahren vor allem Romane, die in
  sich nicht unterkriegen zu lassen. Ob das     Geduld Kindern etwas beizubringen. Da               20 Sprachen übersetzt wurden. Ausserdem
                                                                                                    schreibt er regelmässig für die «Neue Zürcher
  am Ende zum Erfolg führt, weiss ich nicht.    geht es auch darum, Interessen zu ­wecken,          Zeitung». Zuletzt verfasste er das Libretto
      Was ist das Wichtigste, was Kinder        die zunächst vielleicht gar nicht vorhan-           zu David Philip Heftis Oper «Annas Maske»,
                                                                                                    die Anfang Mai in St. Gallen uraufgeführt
  heute in der Schule lernen sollten,           den sind. Ich zweifle da an meinen Fähig-           wurde. Der Autor lebt in Basel, Vieux Ferrette
  und warum?                                    keiten.                                             und Berlin.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Ressourcenorientierung
                                                                                                                                                     Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin
                                                                                                                                                     9
Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus
Fokus

Balanceakt
Für gute Klassenführung gibt es kein Patent­
rezept, wichtige Grundlagen kann man
jedoch erlernen. Ein Besuch in einer Klasse
­angehender Berufsschullehrpersonen an
 der Pädagogischen Hochschule zeigt, welche
 Herausforderungen es zu meistern gilt und
 welche Strategien hilfreich sind. Drei Lehr­
 personen mit Praxiserfahrung erzählen zudem,
 welche Themen sie beschäftigen und womit
 sie gut fahren. Wie komplex die Rolle des
 Lehrers ist und wie wichtig eine gute Beziehung
 zu den Schülern, erklärt Schulpsychologe
 und Autor Christoph Eichhorn im Gespräch.
Fotos: Hannes Heinzer

                                                   Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus
                                                   11
Klassenführung lernen                                                                                                        ­ estimmte Themen, die sie besonders in­
                                                                                                                                    b

       Das A und O im
                                                                                                                                    teressieren und die sie in diesem Modul
                                                                                                                                    vertiefen möchten. Welche dies sind,
                                                                                                                                    formulieren sie zu Beginn der Stunde.
                                                                                                                                    ­

       Klassenzimmer
                                                                                                                                    Eine gute Aufgabenverteilung im indivi­
                                                                                                                                    dualisierten Unterricht zum Beispiel,
                                                                                                                                    ­damit kein Lernender unter- oder über­
                                                                                                                                     fordert ist. Oder der Ablauf und die

       Wie hält man die Lernenden im Unter­-                                                                                         Bewertung von Prüfungen. Oder wie
                                                                                                                                     ­
                                                                                                                                     man Lernstoff lebendig präsentieren
       richt bei der Stange? Wie vermeidet                                                                                           und gleichzeitig die eigenen Kräfte ein­

       man ­Störungen und wie reagiert man,                                                                                          teilen kann.

       wenn sie trotzdem auftreten? Ein Blick                                                                                       Führung der Klasse anpassen
                                                                                                                                    Saskia Sterel weiss, was die Studentinnen
       in das Modul «Klassenführung» für                                                                                            und Studenten beschäftigt, unterrichtet

       angeh­ende Berufsfachschullehrer an                                                                                          sie doch selber seit vielen Jahren, früher
                                                                                                                                    als Reallehrerin, heute Allgemeinbilden­
       der PH Zürich.                                                                                                               den Unterricht (ABU) an der Berufsfach­
                                                                                                                                    schule Winterthur. Ihre dortigen Schüle­
       Text: Jacqueline Olivier                                                                                                     rinnen und Schüler sind angehende
                                                                                                                                    Fachpersonen Betreuung (FaBe). Auch
                                                                                                                                    Detailhandelsfachleute hat sie früher un­
                                                                                                                                    terrichtet. Als Berufsschullehrerin sei es
                                                                                                                                    sehr wichtig, die Lebenswelt der Lernen­
                                                                                                                                    den in den Betrieben zu kennen, erklärt
                                        Ein sonniger Frühlingsnachmittag. Im         Es sind angehende Berufsfachschullehre­        sie und rät insbesondere den Studenten
                                        ebenerdigen Unterrichtszimmer im Sihl­       rinnen und -lehrer, die hier die zweite        ohne Branchenerfahrung zu Besuchen in
                                        hof, in dem die Pädagogische Hochschule      Doppellektion des Moduls Klassenfüh­           der Praxis. Denn je nach Beruf seien die
                                        Zürich (PHZH) über zusätzliche Räume         rung besuchen, ein Wahlpflichtfach, das        Lernenden in der Klasse anders zu füh­
                                        verfügt, treffen nach und nach die Studie­   ein Semester lang alle 14 Tage auf dem         ren. «Die FaBe beispielsweise kommen
                                        renden ein, nehmen Platz an den zu Qua­      Stundenplan steht. Die Teilnehmer sind         besonders gut damit klar, selbstständig
                                        draten zusammengeschobenen Tischen.          unterschiedlichen Alters und haben auch        zu arbeiten, weil sie in der Praxis schon
                                        Ein Teilnehmer setzt sich an die lange       verschiedene berufliche Hintergründe.          früh lernen, innerhalb eines Prozesses
                                        Tischreihe zuhinterst im Raum. «Kommen       Etliche unterrichten bereits und absol­        Ak­tivitäten vorzubereiten.» Detailhändler
                                        Sie doch etwas weiter nach vorn», fordert    vieren die Ausbildung berufsbegleitend,        ­hingegen seien mündlich stark und ver­
                                        Dozentin Saskia Sterel ihn auf und fügt      manche waren zuvor schon auf einer              stünden sich auf administrative und orga­
                                        lachend hinzu: «Das hat auch mit Klas­       ­anderen Schulstufe tätig. Sie haben also       nisatorische Aufgaben. Unterschiede stellt
                                        senführung zu tun: die Sitzordnung.»          oft Praxiserfahrung und deshalb auch           Saskia Sterel auch auf der Persönlichkeits­

                                             Dominic Hassler unterrichtet Informatik an der
                                             Kaufmännischen Berufsschule Lachen.
                                                                         «Die Themen, die mich im            führen oder einen Auftrag erklären. Auf die Klassen haben
                                                                         Bereich der Klassenführung
                                                                         ­                                   die Videos eine positive Wirkung, die Schüler arbeiten damit
                                                                         umtreiben, sind stark von der       ruhig und konzentriert. Weil ich auf meinem Bildschirm alle
                                                                         jeweiligen Klasse abhängig. In      Bildschirme der Schüler einsehen kann und auch physisch
                                                                         Klassen mit einem tieferen          sehr präsent bin in dieser Zeit – das heisst, ich laufe viel im
                                                                         ­Niveau geht es oft um Motivati­    Klassenzimmer herum –, treibt selten jemand Unfug. Ausser­
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus

                                                                          on und Aufmerksamkeit, bei         dem habe ich mehr Zeit, die Schüler individuell zu unterstüt­
                                                                          solchen der höheren Profile        zen und auf Schwächere einzugehen. Sicher möchte ich im
                                                                          bilden sich dafür manchmal
                                                                          ­                                  Unterricht nicht nur mit Videos arbeiten, aber sie sind eine
                                                                          Grüppchen, die miteinander im      spannende Alternative und eine zusätzliche Methode.
                                             Wettstreit stehen. Das macht die Klassenführung auch                 Für mich ist das Ziel guter Klassenführung, dass jene
                                             nicht einfach. Grosse Probleme habe ich aber nicht. Trotz­      Schüler, die gerne lernen, auch lernen können, ohne von den
                                             dem gibt es Bereiche, an denen ich noch etwas schrauben         anderen gestört zu werden. Die anderen möchte ich zum
                                             könnte, etwa am effizienten Umgang mit Störungen.               Lernen motivieren, gleichzeitig übertrage ich ihnen viel
                                                 Da die Schülerinnen und Schüler im Informatikunter­         Verantwortung. Wer in der Informatik mit einer 4 zufrieden
                                             richt in der Regel am PC sitzen, arbeite ich zunehmend mit      ist, der darf sich das so einrichten. Ich sehe mich selber als
                                             Videos, die ich selber produziere. Teilweise gestalte ich mit   Coach und unterstütze auch diese Schüler darin, ihr Ziel
                                             solchen Videos ganze Unterrichtssequenzen, teilweise sind       zu erreichen. In diesem Alter müssen Lernende selber
                                             es nur kurze Filme, die zum Beispiel in ein neues Thema ein­    wissen, was sie wollen, dann aber auch dafür geradestehen.»
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ebene fest. Bei den FaBe handle es sich        Grund­lagen guter Klassenführung gelernt       und die Studierenden vergleichen diese
um sozial kompetente und motivierte            und ein Bewusstsein dafür entwickelt           Informationen mit ihren Diskussionser­
­Jugendliche, die oft ihren ersten Berufs­     habe, werde sie mit der Zeit verinnerli­       gebnissen.
 wunsch verwirklichten, während nicht          chen und sich und den Lernenden so die
 wenige Detailhändler ursprünglich ande­       Arbeit erleichtern.                            Gute Vorbereitung hilft
 re Berufe auf dem Radar gehabt hätten,             Für die Studentinnen und Studenten        Im zweiten Teil des Nachmittags geht es
 mit denen es aber nicht geklappt habe.        ist es noch ein Stück Weg bis dorthin. Als     um die Merkmale guter Klassenführung
 Diese Klassen seien in der Regel hetero­      Erstes setzen sie sich an diesem Nachmit­      nach Jacob Sebastian Kounin. Der ameri­
 gener zusammengesetzt und die Heran­          tag mit einem Schnittstellenthema aus­         kanische Forscher prägte ab 1970 den Be­
 gehensweise der Lernenden an Aufträge         einander: Inwiefern können Lehrperso­          griff «Classroom Management» und gilt
 sei eine andere, was es bei der Klassen­      nen mit ihrer Art der Klassenführung und       als Klassiker und sein Werk quasi als
 führung zu berücksichtigen gelte.             ihrer persönlichen Arbeitshaltung die          Pflichtlektüre für (zukünftige) Lehrper­
                                               eigene Gesundheit beeinflussen? Dazu
                                               ­                                              sonen. Den Fokus legte Kounin auf die
Die Spannung aufrechterhalten                  präsentiert die Dozentin Auszüge einer         Disziplinierung der Lernenden, die All­
                                                                                              ­
Weitere wichtige Faktoren sind gemäss          2006 erschienenen Studie der Universität       gegenwärtigkeit der Lehrperson, den rei­
der Dozentin die Klassengrösse und die         Potsdam. Dort haben der Professor Uwe          bungslosen Ablauf des Unterrichts, die
Dauer, während der man mit einer Klasse        Schaarschmidt und sein Team aufgrund           Mobilisierung der Gruppe respektive der
arbeitet. «Es macht einen Unterschied, ob      des Verhaltens vier Lehrertypen definiert      Klasse und die Abwechslung, also die Me­
man eine Klasse zweimal in der Woche           und ihr gesundheitliches Risiko – Stich­       thodenvielfalt. Wieder bilden die Studen­
während je einer Lektion, ob man sie drei      wort Burn-out – untersucht.                    ten Gruppen und beschäftigen sich mit je
Stunden am Stück oder einen ganzen Tag              Die Kursteilnehmer erhalten nun die       einem dieser Themen und Kounins Erläu­
unterrichtet. Dies hat Einfluss auf die        Aufgabe, in fünf Gruppen je eines der          terungen dazu. Die wichtigsten Erkennt­
Dramaturgie.» Mit anderen Worten: Klas­        elf arbeitsbezogenen Verhaltens- und           nisse präsentiert jeweils ein Gruppenmit­
senführung hat auch damit zu tun, den          ­Erlebensmuster, die der Studie als Basis      glied am Flipchart dem Plenum. Daraus
Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, den          dienten – etwa beruflicher Ehrgeiz, Per­      ergeben sich immer wieder Fragen und
Unterricht zu strukturieren, abwechs­           fektionsstreben, Distanzierungsfähigkeit,     Diskussionen. Etwa zum Thema Rei­
lungsreich zu gestalten. Und ganz viel mit      offensive Problembewältigung, Resignati­      bungslosigkeit. Saskia Sterel plädiert da­
dem eigenen Rollenverständnis, wie              onstendenz oder Erfolgserleben im Beruf –,    für, die Aufträge vorab auf einer Folie zu
Saskia Sterel betont: «Wenn Junglehr­           während 20 Minuten zu diskutieren: Wo         notieren, die man während der Lektion
personen Probleme haben, dann oft               verorten sie sich selbst, was könnten oder    unter den Visualizer legen könne, statt sie
­deshalb, weil sie ihre Rolle für sich nicht    möchten sie ändern, wie könnte dies ge­       vor der Klasse an die Wandtafel zu schrei­
 klar definiert haben.» Natürlich sei man       lingen? Anschliessend erklärt ihnen           ben. Denn selbst ein solch kurzer Unter­
 am Anfang noch stark mit dem Stoff und         Saskia Sterel, welche Muster zu einer er­     bruch könne dazu führen, dass die Auf­
 den Methoden befasst. Wer aber die             folgreichen Klassenführung beitragen,         merksamkeit einzelner Schüler nachlasse. 

     Gertrud Köppel unterrichtet Berufskunde Detailhan­
     del an der Berufsfachschule für Lernende mit Hör-
     und Kommunikationsbehinderung (BSFH) in Zürich
     und stellvertretend am Bildungszentrum in Arbon.
                                 «Ich bin Quereinsteigerin im         ich in meinem früheren Beruf einnehmen musste: Es geht
                                 Lehrberuf, ursprünglich kom­         darum, die Lernenden wahrzunehmen wie zuvor die
                                 me ich aus der Wirtschaft, aus       ­Kunden, es geht um eine 360-Grad-Präsenz und darum,
                                 der Modebranche, wo ich mich          auch die nicht zu vergessen, die sich nicht von selber
                                 vor allem mit der Sortiments-,        ­melden. Das ist ein hoher Anspruch.
                                 Umsatz- und Personalplanung                  Im Unterricht ist es mir wichtig, nicht zu viel zu reden,
                                 beschäftigte. Im Unterricht            sondern die Lernenden zu Wort kommen zu lassen. Auch
                                                                                                                                            Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus

                                 kann ich dadurch immer wie­            möchte ich viel Abwechslung bieten und trotzdem den
                                 der Beispiele aus der Praxis           Spannungsbogen aufrechterhalten. Vor Kurzem habe ich
                                 einbringen, das schätzen die           eine selbst geschriebene Geschichte vorgelesen, um zum
     Lernenden sehr. Die grösste Herausforderung für mich ist           nächsten Thema überzuleiten. Da war die Klasse mucks­
     es derzeit, wieder die Schulbank zu drücken und gleichzei­         mäuschenstill, sie konnte einfach eintauchen und zuhören.
     tig Schule zu geben, mich selber immer wieder zu hinter­           Das möchte ich wieder einmal machen; um den Rhythmus
     fragen: Wie bin ich, wie wirke ich? Denn die jungen Leute          zu durchbrechen, muss es nicht immer ein Film sein.
     beobachten einen sehr genau. Ausserdem habe ich in Ar­                   Bei den Lernenden an der BFSH geht es bei der
     bon als Stellvertretung sehr kurzfristig eine Klasse über­         ­Klassenführung um ganz andere Dinge, etwa um Mimik
     nommen, mit der ich vorwiegend auf der Beziehungsebene              und Gestik, damit die Lernenden mich verstehen, oder
     arbeite: am Vertrauen, an der Klarheit und am Respekt.              ­darum, die Kräfte der Lernenden nicht zu überfordern.
     Inzwischen läuft es recht gut und meine Position als Leh­            Die Klassen bestehen nur aus wenigen Schülern; Motiva­
     rerin unterscheidet sich gar nicht so stark von jener, die           tion oder Disziplin sind kaum ein Thema.»
                                                                                                                                            13
«Schon bei der Vorbereitung überlege ich      es plötzlich nicht mehr wichtig, mit der      Oder die emotionale Präsenz, die man als
                                        mir genau, wie ich die Übergänge zwi­         besten Freundin in der Gruppe zu sein.»       Lehrperson etwas reduzieren könne,
                                        schen den einzelnen Sequenzen gestalte.           Ein anderer Punkt, auf den sie grossen    wenn die Schüler für sich arbeiteten.
                                        Dies bedeutet zwar etwas mehr Aufwand,        Wert legt, ist eine klare und anregende           Klar ist nach diesem Nachmittag:
                                        aber es macht sich im Unterricht bezahlt.»    Formulierung der Aufträge und dass diese      Klassenführung bedeutet viel mehr als
                                                                                      während der Arbeit auf der Leinwand einge­    nur die Vermeidung von oder der richtige
                                        Pädagogischer Doppeldecker                    blendet bleiben, damit sich die Lernenden     Umgang mit Störungen, worauf sie gerne
                                        Gegen das Ende der Lektion begibt sich        jederzeit vergewissern können, was sie als    reduziert wird. «Gute Klassenführung führt
                                        die Dozentin mit den Studierenden auf         Nächstes zu tun haben. Und auf keinen         dazu, dass die Lernzeit möglichst hoch ist
                                        die Metaebene und reflektiert mit ­ihnen,     Fall solle die Lehrperson mündlich wieder­    und effizient genutzt werden kann», sagt
                                        was sie in den zweieinhalb Stunden            holen, was die Schüler selber lesen könn­     Saskia Sterel. Anspruchsvolle, wenn im­
                                        intensiven Unterrichts erlebt haben.
                                        ­                                             ten. «Da wäre Unruhe programmiert.»           mer möglich lebensnahe Aufträge zu ertei­
                                        Denn selbstverständlich praktiziert Saskia                                                  len, deren Resultate anschliessend reflek­
                                        Sterel in ihrem Modul selber, was sie         Lernzeit effizient nutzen                     tiert und beurteilt würden, sei hierfür ein
                                        lehrt. «Pädagogischer Doppeldecker»           Fünf Kriterien, die ein guter Auftrag an      probates Mittel. Damit komme es automa­
                                        wird dies im Fachjargon genannt: Indem        die Lernenden erfüllen sollte, tragen die     tisch zu weniger Störungen. Disziplinar­
                                        die Lehrpersonen in der Aus- oder Wei­        Teilnehmer ganz zum Schluss noch ge­          massnahmen wiederum müssten von der
                                        terbildung selber zu Lernenden werden,        meinsam zusammen: Er sollte eine Zeit­        Schule festgelegt, die Regeln jedoch mit
                                        studieren sie didaktische Methoden nicht      angabe enthalten (Dauer oder Abgabeter­       den Lernenden besprochen werden.
                                        nur auf dem Papier, sondern erleben die­      min), ebenso Angaben zur sozialen Form            Hat sie selber schon einmal erlebt,
                                        se selber eins zu eins und können daraus      (Einzel-, Zweier- oder Gruppenarbeit)         dass ihr eine Klasse entglitt? Nein, lautet
                                        Rückschlüsse für ihren eigenen Unter­         sowie kurze und übersichtlich dargestell­     die Antwort. «Schwierige Situationen, in
                                        richt ziehen. Etwa, warum sie in den          te Anweisungen mit Zielvorgabe. Er sollte     denen man sich überlegen muss, wie man
                                        Gruppenarbeiten so konzentriert bei der       ausserdem allfällige Hilfsmittel auflisten,   am besten reagieren soll, gibt es natürlich
                                        Sache waren. Antwort: weil die Dozentin       und das Niveau sollte angemessen sein.        schon.» Und dafür dürfe man sich ruhig
                                        jeweils ein verbindliches Resultat ein­       Damit sei man wieder beim Anfang der          etwas Zeit lassen. «Ich bin heute der Mei­
                                        gefordert hatte.                              heutigen Lektion angelangt, erklärt Saskia    nung, dass man nicht immer unmittelbar
                                             Ganz bewusst hatte sie ausserdem da­     Sterel, denn etliche der Themen, die von      reagieren muss. Ein Problem sofort an­
                                        rauf geachtet, dass die S
                                                                ­ tudenten in immer   den Studenten zu Beginn als besonders         sprechen, ja, aber dann dem oder den
                                        wieder anderen Gruppen zusammenar­            schwierig erwähnt worden seien, liessen       Lernenden sagen, dass man sich erst
                                                                                                                                    ­
                                        beiteten, etwas, was sie auch bei ihren       sich mit guten Aufträgen auffangen. Die       überlegen muss, welche Konsequenzen
                                        ­Berufsschülerinnen und -schülern anwen­      Berücksichtigung der individuellen Leis­      das Fehlverhalten haben wird.» Danach
                                         det. «Es erhöht die Aufmerksamkeit, und      tungsmöglichkeiten in heterogenen Klas­       müsse man aber auch zwingend darauf
                                         wenn die ­  Jugendlichen einmal gelernt      sen beispielsweise. Oder die Lebendigkeit     zurückkommen, «sonst verspielt man seine
                                         ­haben, mit allen zusammenzuarbeiten, ist    des Unterrichts dank Methodenvielfalt.        Glaubwürdigkeit». 

                                              Urs Gilli unterrichtet ABU an der Berufsfachschule
                                              für Verkehrswegbauer in Sursee.
                                                                          «In Sursee befindet sich die       Handlungsorientierter Unterricht ist denn auch ein starker
                                                                          einzige Berufsfachschule für
                                                                          ­                                  Fokus des didaktischen Konzepts unserer Schule.
                                                                          Verkehrswegbauer der Deutsch­             Ich versuche ausserdem stets, Bezüge zur Lebens- und
                                                                          schweiz, die grossmehrheitlich     Arbeitswelt der Lernenden herzustellen. So erteilte ich
                                                                          Strassenbauer EBA und EFZ          ­ihnen zum Beispiel vor Kurzem den Auftrag, im Betrieb
                                                                          ausbildet. Deshalb haben die        nachzufragen, worauf im Umgang mit Mitarbeitern, Kun­
                                                                          Lernenden bei uns Blockunter­       den, Lieferanten und der Umwelt Wert gelegt wird. In
                                                                          richt. Je nachdem habe ich die      ­Anlehnung daran erarbeitete ich mit ihnen ein gewisses
                                                                          Klassen in ein- bis zweiwöchi­       Basiswissen der Betriebswirtschaft, welches die Lernenden
                                                                          gen Fachkursen im Allgemein­         anschliessend in einem Porträt ihres Lehrbetriebs anhand
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus

                                             bildenden Unterricht, je nach Kursstruktur mal 13, mal knapp      ihres Arbeitsalltags vertieften.
                                             30 Lektionen pro Woche. Und anders als an der Volksschu­               Schule geben bedeutet für mich in erster Linie Bezie­
                                             le, wo ich vorher tätig war und verschiedene Fächer unter­        hungsarbeit. Wenn ich den Lernenden Wertschätzung ent­
                                             richtete, bin ich hier einen oder mehrere Tage mit dem glei­      gegenbringe und meine Erwartungen und Leistungsan­
                                             chen Thema beschäftigt. Das stellt hohe Anforderungen an          sprüche offen kommuniziere, entstehen weitaus weniger
                                             die Struk­turierung und Rhythmisierung des Unterrichts,           nennenswerte disziplinarische Probleme. Ebenso ist es
                                             um die ­  Spannung und eine anregende Lernatmosphäre              mein Ziel, ihnen möglichst viel echte Lernzeit zu bieten,
                                             über bis zu 9 Stunden am Tag aufrechtzuerhalten.                  was ich mit anregenden Arbeitsaufträgen und innerer
                                                  Je länger, je mehr setze ich darum auf die Strategie,        ­Differenzierung erreiche. Natürlich muss man die einen
                                             möglichst kurze Inputs zu geben und die Lernenden da­              Klassen enger führen, während man bei den anderen die
                                             nach selbstständig arbeiten zu lassen, während ich sie da­         Zügel etwas lockerer lassen kann. Durch die Erfahrung
                                             bei individuell begleite. So gewähre ich ihnen Wahlmög­            entwickelt man sich als Lehrer aber auch weiter und passt
                                             lichkeiten und bestärke sie in ihrer Selbstwirksamkeit.            sein Instrumentarium laufend an.»
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15   Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus
Im Gespräch                                                                                                                    Das Wort «Management» dürfte für

       «Eine Schulklasse
                                                                                                                                      manche Ohren einen etwas geschäftigen
                                                                                                                                      Beiklang haben.
                                                                                                                                      Tatsächlich meinen viele Leute, bei Class­

       ist kein Skiclub»
                                                                                                                                      room-Management gehe es um seelenlose
                                                                                                                                      Manager, welche die Schüler wie Puppen
                                                                                                                                      tanzen lassen. Das ist aber nicht die Idee.
                                                                                                                                      Primär geht es um gute Lehrer-Schüler-
       Christoph Eichhorn beschäftigt sich mit                                                                                       Beziehungen, das ist die Basis.
                                                                                                                                          Diese Beziehungen sind bekannt-
       Classroom-Management. Unterricht, sagt                                                                                        lich nicht immer störungsfrei.

       er, sei ein äusserst komplexes Geschehen.                                                                                     Richtig, und es braucht manchmal auch
                                                                                                                                     gar nicht viel, damit eine unauffällige Si­
       Dass alles perfekt gelinge, sei unmöglich.                                                                                    tuation kippt und plötzlich schwierig wird.
                                                                                                                                     Manchmal kann schon ein einziger Schü­
       Text: Reto Heinzel Fotos: Nicola Pitaro                                                                                       ler das Leben der Lehrperson und seiner
                                                                                                                                     Mitschüler schwer machen. Eine hilfreiche
                                                                                                                                     Anregung von Classroom-Management
                                                                                                                                     ist, sich im Voraus gezielt zu überlegen,
                                                                                                                                     wie man schwierigen Klassensituationen
                                                                                                                                     begegnet. Dann handelt man klarer und
                                                                                                                                     gelassener, was sich positiv auf die Klasse
                                        Herr Eichhorn, worin liegt das Geheim-        nicht erst damit an, während jene in den       auswirkt.
                                        nis guten Unterrichts?                        vorderen Reihen rasch fertig waren und              Gibt es einen bestimmten Grund,
                                        Unterricht ist ein sehr komplexes Gesche­     sich bald einmal langweilten. In diesem        weshalb Sie nicht von Klassenführung
                                        hen. Neben einer guten Beziehung zwi­         Fall hätte es genügt, im hinteren Teil stär­   sprechen?
                                        schen Lehrperson und Schülern helfen          ker präsent zu sein, um dem Schüler dis­       Das Thema Klassenführung ist im deut­
                                        der Lehrperson eine gute Vorbereitung,        kret helfen zu können. Damit macht sie         schen Sprachraum ja schon länger be­
                                        Klassenregeln, Rituale oder Routinen. Der     ihren Unterricht flüssiger. So verstanden      kannt. Viele meinen, dabei gehe es um die
                                        Unterricht soll interessant sein und an die   fördert «Präsenz zeigen» die Beziehung         Frage, wie der Lehrer im Klassenzimmer
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                                        Erfahrungen sowie den Lernstand der           zwischen Lehrperson und Schüler.               auf eine bestimmte Situation reagieren
                                        Schülerinnen und Schüler anknüpfen.               Es geht also in erster Linie um die        solle – zum Beispiel wenn ein Schüler et­
                                        Das zeigt schon eindrücklich, wie an­         Frage, wie die Lehrperson die Klasse           was nicht verstanden hat. Die Idee von
                                        spruchsvoll dieser Beruf ist. Zudem muss      führt?                                         Classroom-Management ist eine andere.
                                        die Lehrperson wach und präsent sein.         Die Lehrperson spielt sicherlich die zent­          Und worum geht es dabei?
                                            Was meinen Sie genau damit?               rale Rolle. Aber, wie gesagt, das Gesche­      Classroom-Management vermittelt den
                                        Als ich neulich eine Klasse besuchte,         hen im Klassenzimmer ist sehr komplex.         Lehrpersonen konkrete Anregungen und
                                        konnte ich beobachten, dass die Lehrerin      Eine Lehrperson kann diese Tätigkeit           Hinweise, wie sie den Unterricht gestalten
                                        sich während der meisten Zeit der Stunde      nicht halbherzig tun. Ansonsten läuft sie      können. Es geht aber auch darum, mögli­
                                        im vordersten Teil des Klassenzimmers         Gefahr, sehr rasch in Schwierigkeiten zu       che Situationen im Klassenzimmer zu
                                        und um das Lehrerpult aufhielt. ­Dabei sass   geraten. Man muss den Beruf gerne ­haben       ­antizipieren – auch schwierige.
                                        der auffälligste Schüler mit ADHS-ähnli­      und sich auf die Verantwortung und die              Wie zum Beispiel?
                                        cher Problematik in der hintersten Reihe.     damit einhergehenden Herausforderun­            Schauen wir uns den Aspekt der Vorberei­
                                        Als die Schüler dann selbstständig eine       gen einlassen. Dann ist ein erfolgreiches       tung auf ein neues Schuljahr an. Das Buch
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                                        Aufgabe lösen sollten, fing dieser gar        Management der Klasse möglich.                  «The First Days of School» beispielsweise
Christoph Eichhorn (64) arbeitet seit über 20 Jahren als Schulpsychologe in
von Harry Wong beschäftigt sich nur mit                                            Landquart (GR). Er veröffentlichte zahlreiche Artikel und Bücher zum
den ersten zwei, drei Schultagen. Dabei                                         ­Thema Classroom-Management, hält dazu Vorträge und gibt Workshops.
                                                                                      Für die Lehrerfortbildung in Bulgarien und der Slowakei hat er ein
geht es auch um die wichtige Frage, wel­                                                        ­Classroom-Management-Trainingsprogramm entwickelt.
che Vorinformationen für das Gelingen
guten Unterrichts wichtig sind. Wenn die
Lehrperson eine neue Klasse übernimmt,
dann helfen ihr gute Vorinformationen.
     Wieso ist das so wichtig?
Stellen Sie sich vor, eine Schülerin, die be­   hen muss, um noch gehört zu werden. Es        in meiner Klasse wohlfühlen und gut
reits viele negative Schulerlebnisse und        ist sehr schwierig, aus dieser Spirale her­   ­lernen können. Ich werde mir Gedanken
Misserfolge hinter sich hat, startet ins        auszukommen.                                   machen – darf ich mich wieder bei Ihnen
vierte Schuljahr. Der Lehrer, der keine              Aber kann das die Lehrperson              melden?» Auf diese Weise wird die Basis
Vorinformationen über die Schülerin hat,        wirklich alleine lösen?                        für eine gute Zusammenarbeit gelegt.
stellt ihr am ersten Tag einige einfache        Die Lehrperson ist sicher die zentrale               Haben die Lehrpersonen denn
Fragen, die Antworten sind aber jedes Mal       Stellschraube. Trotzdem ist eine schwieri­     nicht schon genug zu tun?
falsch. Dann fängt ihr Start ins neue           ge Klasse nicht das Problem des Klassen­       Ganz sicher! Und ich will den Lehrperso­
Schuljahr schon schlecht an. Diese Miss­        lehrers, sondern der gesamten Schule.          nen bestimmt keinen Druck machen, was
erfolge zementieren vermutlich die Selbst­      Alle Beteiligten, Schulleitung, Lehrperso­     sie noch alles zusätzlich tun sollten! Mir
einschätzung der Schülerin, nichts zu           nen, Fachlehrpersonen, sollten sich aus­       liegt viel daran, die Arbeit der Lehrperso­
können. Gerade aber einer solchen Schü­         tauschen und überlegen, wie sich eine          nen zu erleichtern. Aber es braucht Stra­
lerin soll der erste Schultag die Chance        verfahrene Situation lösen lässt. Wichtig      tegien, damit es im Unterricht rund läuft.
eröffnen, wieder ein bisschen mehr an           ist sicher, dass man gezielt darauf achtet,    Und Auseinandersetzungen mit Eltern
sich zu glauben.                                was die Klasse gut macht, und dies diffe­      sowie Disziplinprobleme sind ein Haupt­
     Wann gilt denn eine Klasse als gut         renziert und wertschätzend zurückmel­          belastungsfaktor für Lehrpersonen.
geführt?                                        det. Das ist sehr anspruchsvoll, vor allem,          Geht das Thema «guter Unterricht»
Das ist relativ einfach: wenn es gute Lehrer-   weil man längerfristig dranbleiben muss.       vor allem die Klassenlehrperson an
Schüler-Beziehungen gibt und eine an­                Was ist mit den Eltern?                   oder betrifft es die ganze Schule?
genehme Lernatmosphäre herrscht, in             Eltern sind die wichtigsten ausserschuli­      Classroom-Management ist klar ein
der die Schüler sich wohlfühlen und             schen Partner der Lehrperson. Deshalb          Thema der ganzen Schule. Es geht von
                                                                                               ­
­lernen wollen.                                 wollen wir sie gewinnen. In den USA            einer Führungsphilosophie aus, die auf
                                                                                               ­
                                                                                                                                                      Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus

     Und wo liegen die Fallstricke?             nehmen Lehrpersonen bereits vor dem
                                                ­                                              Anerkennung und Wertschätzung basiert,
 Davon gibt es verschiedene, namentlich         ersten Schultag mit den Eltern Kontakt         nicht auf Kritik und Tadel. Zugleich
 auf der Beziehungs- und Kommunikati­           auf. Und wenn sich nach zwei, drei Wo­         ­müssen die Lehrpersonen bei Schwierig­
 onsebene. Nehmen Sie eine Lehrerin, die        chen vielleicht herausstellt, dass der Max      keiten unterstützt werden.
 eine schwierige Klasse bekommt. In die­        ein schwieriger Schüler ist, erkundigen              Was muss eine Lehrperson alles
 ser Situation besteht das Risiko, dass die     sie sich bei seinen Eltern nach seinem          mitbringen, damit Unterricht gelingt?
 Lehrerin sich mit der Zeit immer stärker       ­Befinden.                                      Der deutsche Psychologe Uwe Schaar­
 auf die negativen Dinge konzentriert und            Aber was, wenn Max’ Eltern sagen:          schmidt hat einmal die wichtigsten
 deshalb in eine negative Kommunikati­           «Unserem Kind geht es nicht gut»?              ­Kompetenzen einer Lehrperson benannt:
 onsspirale gerät. Sie weist zurecht, er­        Das wäre eine sehr wichtige Information.        Sie muss stressresistent sein, klar kom­
 mahnt, kritisiert. Die Schüler finden das       Die Lehrperson könnte sagen: «Vielen            munizieren, begeistern können, Empathie
 mit der Zeit natürlich ziemlich doof und        Dank, dass Sie mir das gesagt haben. Kön­       zeigen, organisieren und planen können,
 stumpfen möglicherweise auch ab dabei.          nen Sie mir mehr darüber berichten?»            eine klare Linie vertreten, Schüler gerne
 Das wiederum hat zur Folge, dass die Leh­       Und dann vielleicht so etwas wie: «Mir ist      mögen – auch die schwierigen. Und das ist
                                                                                                                                                      17

 rerin ihre Dosis an Ermahnungen erhö­           es sehr wichtig, dass sich meine Schüler        noch nicht einmal alles.                  
Die einzelnen Regeln sind nicht entschei­
                                                                                                                                     dend. Viel wichtiger ist es, dass die Lehr­
                                                                                                                                     person die Schüler dafür gewinnt, indem

                                                 «Die Lehrperson muss wissen,                                                        sie einen positiven Kontext schafft. Dies
                                                                                                                                     gelingt, indem sie die Schüler bei der
                                                 was sie mit den Klassenregeln                                                       ­Erarbeitung einbezieht.

                                                   überhaupt erreichen will.»                                                              Ist damit schon alles getan?
                                                                                                                                      Die Einführung der Regeln ist das ge­
                                                                                                                                      ringste Problem. Die grosse Frage ist, wie
                                                                                                                                      man sie durchsetzen will. Die Lehrperson
                                                                                                                                      muss wissen, was sie mit den Regeln
                                                                                                                                      überhaupt erreichen will. Sie ist es, die
                                        Ganz schön viel …                             schwierige Situationen vorzubereiten, zum       dafür sorgen muss, dass die Regeln ein­
                                        Allerdings. Der Lehrberuf ist ungeheuer       Beispiel: Wie reagiere ich, wenn ein Schüler    gehalten werden. Und sie ist es, die vor­
                                        anspruchsvoll und herausfordernd zu­          seinen Banknachbarn anspuckt? Andere            gängig festlegt, ob sich der Max während
                                        gleich. Dazu kommt, dass Klassen nie ho­      Dinge, wie Empathie oder Stressresistenz,       des Ruherituals laut die Nase putzen darf
                                        mogen sind und dass jeweils eine spezifi­     sind aus meiner Sicht dagegen nur be­           oder nicht.
                                        sche Gruppendynamik entsteht. Eine            grenzt lernbar.                                      Und wenn es mit der Einhaltung
                                        Klasse ist auch kein Skiclub, dem man               Welche Bedeutung haben störende           von Regeln nicht klappt?
                                        freiwillig angehört. Viele ältere Schüler     Schüler für den Unterricht?                     Zusätzlich kann man Reflexionsphasen
                                        empfinden die Klasse als Zwangskontext.       Sie belasten die Lehrpersonen. Eine vor         einbauen und beispielsweise fragen:
                                        Sie brauchen sich nur einen pubertieren­      fünf Jahren durchgeführte Lehrerbefra­          «Überlegt mal, was ist euch schon gut
                                        den 15-Jährigen vorzustellen. Der fragt       gung in Liechtenstein ergab, dass dort jede     ­gelungen? Was könntet ihr tun, damit es
                                        sich vielleicht: «Was soll der ganze          dritte Lehrperson die Meinung vertritt, in       in Zukunft vielleicht noch besser wird?»
                                        Quatsch?»                                     der eigenen Klasse einen untragbaren             Wichtig ist, dass man auch hier wieder auf
                                            Perfekter Unterricht – gibt es das        Schüler zu haben. Das ist schockierend.          positive Kommunikation setzt.
                                        überhaupt?                                          Sie haben den Wert von Regeln und              Ist gute Klassenführung heute
                                        Es ist es unmöglich, dass alles perfekt ge­   Ritualen hervorgehoben. Wie gelingt              schwieriger als früher?
                                        lingt. Viel besser ist es, als Lehrperson     es, dass diese von der ganzen Klasse             Das glaube ich schon. Ich erinnere mich
                                        oder besser noch als Team eine Lernhal­       akzeptiert werden?                               noch gut an meine eigene Schulzeit, als
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus

                                        tung einzunehmen und sich zu sagen: Es        Der Psychologe Fabian Grolimund hat ein          mir mein Lehrer einmal eine Ohrfeige
                                        ist völlig normal, Fehler zu machen. Hilf­    leicht verständliches Video zur Einfüh­          verpasste. Als ich das daheim erzählte,
                                        reich ist dann, dass man sich fragt, was      rung von Klassenregeln gedreht. Darin            sagten meine Eltern: «Wenn das nochmals
                                        sich aus den Fehlern lernen lässt, und        fragt der Lehrer seine Klasse, weshalb es        vorkommt, kriegst du auch Schwierigkei­
                                        dass man den Schritt macht von der            zum Beispiel bei Spielen Regeln braucht.         ten mit uns!» Eine solche Reaktion wäre
                                        Fehler­toleranz hin zu einer Lerngemein­      Damit knüpft er an die Erfahrungen               heute undenkbar. Die Eltern stehen voll
                                        schaft. Immer mehr Schulen machen sich        ­seiner Schüler an und sie sehen von sich        hinter ihren Kindern. Und sie glauben ih­
                                        auf diesen Weg.                                aus, dass Regeln wichtig sind. Und im           ren Kindern auch alles, was die von der
                                            Was glauben Sie: Kann jede Lehr-           nächsten Schritt kann die Lehrperson            Schule erzählen. Dabei erzählen Kinder
                                        person die für einen guten Unterricht          ihre Klasse die Frage «Was brauchen wir,        oft nur irgendwelche Ausschnitte. Ich will
                                        erforderlichen Techniken erlernen?             ­damit sich alle bei uns wohlfühlen und gut     bestimmt nicht die Eltern angreifen, aber
                                        Gewisse Dinge lassen sich bestimmt ler­         lernen können?» in Kleingruppen bear­          für die Schule entstehen damit unter Um­
                                        nen, zum Beispiel verstärkte Präsenz im         beiten lassen.                                 ständen grosse Probleme. Auch deshalb
                                        Klassenzimmer. Eine andere Idee wäre,               Und welche Regeln soll man                 bin ich sehr dafür, die Kontakte zwischen
18

                                        sich mithilfe von Lernkarten auf mögliche       ­einführen?                                    Lehrperson und Eltern zu stärken. 
19   Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus
Schulbeurteilung                                                                                                                   Unterrichtsstunde. Diesmal eine Sek B,

        «Viele Schulen
                                                                                                                                           Religion und Kultur. Thema ist das Juden­
                                                                                                                                           tum. Hier herrscht mehr Unruhe, wäh­
                                                                                                                                           rend die Fachlehrperson Inputs gibt und

        schätzen die
                                                                                                                                           von ihrem Laptop Bildmaterial zeigt.
                                                                                                                                           Aus dem Lehrmittel bereiten die Schüle­
                                                                                                                                           rinnen und Schüler gruppenweise einen

        Aussensicht»
                                                                                                                                           kurzen Text vor, den sie vortragen: 2000
                                                                                                                                           Jahre ­Geschichte, gelebte Traditionen und
                                                                                                                                           ein knapper Blick in die jüngere Vergan­
                                                                                                                                           genheit. Für die 14-Jährigen ist das ein
        Im Fünfjahresrhythmus werden die                                                                                                   hoher Anspruch. Sie folgen jedoch den
                                                                                                                                           Aus­führungen ihrer Kollegen recht auf­
        Volksschulen im Kanton Zürich evaluiert.                                                                                           merksam.

        Federführend ist die Fachstelle für                                                                                                Zahlreiche Gespräche
        Schulbeurteilung. Ein Besuch an der                                                                                                «Die Lehrpersonen werden von uns nicht
                                                                                                                                           beurteilt, das ist Sache von Schulpflege
        Schule Obstgarten in Stäfa.                                                                                                        und Schulleitung», sagt Marie-Theres
                                                                                                                                           ­Imhasly. Die grosse Pause ist für die Pau­
        Text: Charlotte Spindler Foto: Dieter Seeger
                                                                                                                                            senbeobachtung reserviert, an der die drei
                                                                                                                                            Evaluatorinnen teilnehmen, dann folgen
                                                                                                                                            für Barbara Leutenegger und Meret
                                                                                                                                            Brunnschweiler je ein Gruppengespräch
                                                                                                                                            mit Schülerinnen und Schülern, für
                                                                                                                                            ­Imhasly eine Stunde Dokumentenstudium
                                                                                                                                             und anschliessend 40 Minuten für einen
                                               Ein detaillierter Plan für drei Tage gibt   Tisch, schaut, wie weit die Jugendlichen          fachlichen Austausch im Evaluationsteam.
                                               den Takt vor. Von halb acht Uhr morgens     sind, gibt methodische Tipps und erklärt          Für die letzten fünf Viertelstunden vor der
                                               bis abends um 19 Uhr sind die drei Eva­     dann kurz die Hausaufgaben. Im Klassen­           Mittagspause trifft sich Marie-Theres
                                               luatorinnen Marie-Theres Imhasly, Meret     zimmer ist es während der ganzen Lekti­           ­Imhasly mit vier Fachlehrpersonen: Diese
                                              Brunnschweiler und Barbara Leuteneg­         on ruhig, alle Jugendlichen arbeiten kon­          berichten von laufenden oder geplanten
                                              ger unterwegs in der Schulanlage Obst­       zentriert. Imhasly schaut ihnen über die           Projekten und gemeinsamen Aktivitäten
                                              garten in Stäfa. Mathematik, Werken,         Schulter, studiert die Hefte und Arbeits­          der ganzen Schule, loben das Schul- und
                                              Englisch, Geschichte, Religion und Kultur.   blätter. Unter anderem schaut sie immer            Lernklima und die Zusammenarbeit im
                                              Es ist der Dienstag nach den Ferien; die     auch, ob alle dieselben Aufgaben lösen,            Kollegium. Nach der kurzen Mittagspause
                                              Jugendlichen wirken ausgeruht und las­       das gibt ihr Hinweise auf individualisier­         folgen eine halbe Stunde Arbeit im Eva­
                                              sen sich von Marie-Theres Imhasly, die       tes Unterrichten.                                  luationsteam, zu zweit ein Gespräch mit
                                               vor ihrem Laptop sitzt, nicht stören. Der        Die Zeit für Beobachtungen, Notizen           der Schulpflege bzw. mit der Schulsozial­
                                               Klassenlehrer der 1.-Sek-A-Klasse hat       und das Sichten von Heften und Schüler­            arbeit. Am frühen Abend sitzen schliesslich
                                               fünf Vierergruppen gebildet, die an der     arbeiten ist knapp bemessen: Die Lektion           die Evaluatorinnen Marie-Theres Imhasly,
                                               Tafel Gleichungen lösen und sich dann       ist rasch vorbei. Ein Blick auf die Uhr, eine      Barbara Leutenegger und Meret Brunn­
                                               an ihrem Platz schriftlichen Aufgaben       kurze Verabschiedung, dann gehts gleich            schweiler nochmals zusammen und be­
                                              ­zuwenden. Der Lehrer geht von Tisch zu      weiter: nächstes Schulzimmer, nächste              sprechen ihre Beobachtungen, Interviews
                                                                                                                                              und Besuche.

                                                Die externe Schulevaluation                                                                Intensive drei Tage
                                                Die Fachstelle für Schulbeurteilung (FSB) wurde 2006 mit der Einführung des                «Die drei Evaluationstage sind immer
                                                neuen Volksschulgesetzes geschaffen und hat den Auftrag, die Qualität                      ­äusserst intensiv», sagt Marie-Theres Im­
                                                der Zürcher Volksschulen zu überprüfen. Jedes Jahr liefert die Fachstelle dem               hasly, die seit 2006 als Evaluatorin wirkt.
                                                Regierungsrat einen Tätigkeitsbericht ab.                                                   Die Vorbereitungen beginnen schon lange
                                                Formuliert sind acht respektive neun Qualitätsansprüche und Indikatoren,                    vor den Besuchen an einer Schule; den
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Volksschule

                                                ­anhand deren die Evaluation vorgenommen wird. Die acht Qualitätsansprüche                  Evaluatorinnen und Evaluatoren liegen
                                                 betreffen die Bereiche «Lebenswelt Schule», «Lehren und Lernen» sowie                      umfangreiche Dossiers vor, darunter auch
                                                 «Schulführung und Zusammenarbeit». In der Sekundarstufe wird neu auch der                  die Ergebnisse der schriftlichen Befra­
                                                 Berufswahlprozess mit bewertet.                                                            gungen von Lehrpersonen, Eltern sowie
                                                 Die Evaluatorinnen und Evaluatoren der Fachstelle haben mehrheitlich eine                  Schülerinnen und Schülern, welche die
                                                 ­pädagogische Ausbildung und Erfahrungen als Lehrpersonen auf verschiedenen                Fachstelle im Vorfeld des Evaluationsbe­
                                                  Stufen, dazu Weiterbildungen unter anderem in Projektleitung, Schulführung,               suchs durchführt. Die drei Besuchstage
                                                  Coaching, Kommunikation.                                                                  sind durchgeplant. Zwischen den Besu­
                                                  Im dritten Evaluationszyklus sind einige Änderungen vorgenommen worden,                   chen müssen Ordner mit Schülerarbeiten
                                                  in den grossen Zügen folgen die Evaluationen jedoch den früheren Vorgaben.                durchgearbeitet werden. Der Leitfaden
                                                  Neu ist, dass die integrativen sonderpädagogischen Angebote evaluiert werden.             für die Evaluation gibt die Struktur der
                                                  Schulsozialarbeit wird bei der Evaluation mitberücksichtigt, seit sich dieses             Beobachtungen bzw. Befragungen der
                                                  ­Angebot an zahlreichen Schulen etabliert hat. Mit dem zunehmenden Angebot                Evaluatoren vor.
                                                   an Tagesschulen werde die Fachstelle ihr Verfahren künftig verstärkt darauf                  «Es ist ein vergleichsweise objektives
                                                   richten, sagt Andreas Brunner, Leiter Fachstelle für Schulbeurteilung. [cs]              Verfahren, das in den zehn Jahren seit
                                                 www.fsb.zh.ch                                                                             2006 erprobt ist und die detaillierte Beob­
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                                                                                                                                            achtung einer Lektion oder des Gesprächs
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