Schulblatt 3/2017 Balanceakt - Die Kunst guter Klassenführung - Kanton Zürich
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Kanton Zürich Schulblatt Bildungsdirektion 3/2017 Balanceakt Die Kunst guter Klassenführung Schulbeurteilung Den Evaluatoren über die Schulter geschaut Probezeit Unterstützung für neue Gymischüler International Lernende im Auslandseinsatz
6 16 Magazin Fokus: Volksschule Balanceakt 4 20 Kommentar 12 Schulbeurteilung Bildungsdirektorin Klassenführung lernen Unterwegs mit drei Silvia Steiner zur Herausforderungen und Evaluatorinnen Fremdspracheninitiative Strategien im Unterricht 22 5 16 Stafette Lehrerzimmer Im Gespräch Die Schule Im Birch Tagesschule Studenbühl Autor Christoph Eichhorn und ihr Konzept über die Bedeutung von der «Neuen Autorität» 6 Classroom-Management Persönlich 25 Wie die Eritreerin In Kürze Senait Tekle zur Bildungsdirektion kam 9 Meine Schulzeit Alain Claude Sulzer, Schriftsteller Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Inhalt Wichtige Adressen Impressum Nr. 3/2017, 12.5.2017 Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09 Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch weise: 6-mal jährlich, 131. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07; Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 14 Journalistische Mitarbeit an dieser und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel Ausgabe: Walter Aeschimann, Sepp Beck, Bettina Büsser, Luzia Schmid, Charlotte Spindler verlag Zürich: www.lehrmittelverlag-zuerich.ch, 044 465 85 85 Abonnement: Lehr personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das Fachstelle für Schulbeurteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 Schulblatt in ihrem Schulhaus gratis beziehen (Bestellwunsch an Schulleitung). Bildungsratsbeschlüsse: www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss Bestellung des Schulblatts an Privatadresse sowie Abonne ment weiterer Interessierter: archiv Regierungsratsbeschlüsse: www.rrb.zh.ch abonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch Gestaltung: www.bueroz.ch Druck: www.staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com, 031 767 83 30 Redaktions- und Inserateschluss nächste Ausgabe: 1.6.2017 Das nächste Titelbild: Dieter Seeger Schulblatt erscheint am: 7.7.2017 2
26 34 Mittelschule Berufsbildung 39 Amtliches 26 32 Probezeitbegleitung Auslandsaufenthalt 51 Wie Schülerinnen und In China oder den USA Weiterbildung Schüler beim Übertritt ans arbeiten, die hiesige Berufs- Den Lehrplan 21 für die Gymi unterstützt werden schule besuchen Schulentwicklung nutzen 28 34 Kurse und Module Arbeitsort Mittelschule Berufslehre heute Die vielfältigen Aufgaben Systemgastronomie- 57 der Biologie-Assistentin fachfrau EFZ Stellen 31 36 60 In Kürze Lehrstellenkonferenz Schule&Kultur Berufseinstieg: Aller Anfang ist schwer 62 Agenda 37 In Kürze Editorial Die meisten Lehrerinnen und Lehrer kennen diesen Moment: Sie stehen allein vor der Klasse und müssen völlig unerwartet auf eine schwierige Situation Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Inhalt reagieren. Was soll man tun, was lassen? Dass das Führen einer Klasse eine Reto Heinzel enorm anspruchsvolle Aufgabe ist und viel Fingerspitzengefühl erfordert, erfah- ren Lehrpersonen jeden Tag aufs Neue. Wir wollten wissen, was gute Klassen- führung ausmacht. Dazu haben wir mit einem Schulpsychologen gesprochen und angehende Berufsschullehrerinnen und -lehrer in der Ausbildung begleitet. Dass Klassenführung auch eine Art Balanceakt sein kann, symbolisieren die Bilder unseres Fotografen Hannes Heinzer. Er wählte alltägliche Instrumente aus dem Werkzeugkasten des Lehrers und inszenierte diese als schlichte, ein- drückliche Stillleben. Diese Ausgabe wartet mit einer Änderung auf: Zu Beginn des Heftes findet sich neu ein Kommentar von Bildungsdirektorin Silvia Steiner zu einem bil- dungspolitischen Thema. Auf derselben Seite zeichnen Schulkinder ihr ganz persönliches «Traumschulhaus». 3 Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das Schulblatt: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Fremdspracheninitiative wisse Schwierigkeiten haben, alle Lern- Fächer streichen ziele zu erreichen. Auf deren Bedürfnisse müssen wir mit individuellen Massnah- men eingehen. Es kann keine Lösung sein, ist keine Lösung dass deswegen alle auf Englisch- oder Französischunterricht verzichten müssen. Die Lektionentafel ist heute auf jeder Stufe ausgewogen. Die Fächer sind so auf- von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin geteilt, dass Kopf, Herz und Hand gleicher- massen berücksichtigt werden. Wenn man jetzt nur an einem Ende schraubt, gerät dieses erprobte System aus der Balance. Früher habe ich häufig mit meinen Kin- Streicht man eine Fremdsprache in dern Memory gespielt. Sie liessen mir der Primarschule, müssen diese Stunden nicht den Hauch einer Chance. Kinder ha- in der Sekundarschule nachgeholt wer- ben eine unglaubliche Fähigkeit, sich den – auf Kosten anderer Fächer. Dann Dinge zu merken. Sie saugen Informatio- müssen zum Beispiel die MINT-Fächer nen regelrecht auf und lernen, indem sie oder die berufliche Orientierung Federn nachahmen und ausprobieren. lassen. Es ist nicht möglich, diese Fächer Auch Sprachen nehmen Kinder mit im Gegenzug einfach in die Primarschule einer Leichtigkeit auf, die wir Erwachsene zu verschieben. oft beneiden. Eine Studie zeigt ausserdem, dass Kinder eine zweite Fremdsprache Um Jahre zurückgeworfen leichter lernen, wenn sie bereits eine ge- lernt haben. Dies liegt daran, dass dem «Wenn man nur Die Annahme der Fremdspracheninitiati- ve wäre eine unnötige und heikle Schul- Kind der Lernprozess schon bekannt ist. an einem Ende reform. Man müsste die Stundenpläne, Prüfungen, Übertrittskonzepte und Lehr- Das System hat sich bewährt schraubt, gerät das mittel auf allen Schulstufen überprüfen Das frühe Lernen von Fremdsprachen in den Schulen hat sich bewährt. Der Kanton System aus der und anpassen. Auch die Ausbildung der Lehrpersonen müsste völlig neu organi- Zürich setzt auf ein Sprachenkonzept, das Balance.» siert werden. Die Annahme der Initiative sowohl Englisch als auch Französisch wäre somit nichts anderes als eine grosse bereits auf der Primarschulstufe einführt. Reform und Umstellung, die die Schulen An diesem System rüttelt jetzt die Volks Primarschule überfordert seien. Und dem mehrere Jahre beschäftigen und uns initiative «Mehr Qualität – eine Fremd- wollen sie abhelfen, indem sie ein gleichzeitig um Jahre zurückwerfen würde. sprache an der Primarschule». Sie fordert, ganzes Fach streichen. Die überwiegende Das hält uns von unserer Hauptauf dass die Zürcher Primarschülerinnen und Mehrheit unserer Schülerinnen und Schü- gabe ab: den Kindern und Jugendlichen -schüler in Zukunft auf eine der beiden ler meistert die zwei Fremdsprachen aber eine qualitativ hochstehende und gleich- Fremdsprachen verzichten müssen. gut, und dies nicht zuletzt dank des guten zeitig ausgewogene Ausbildung ermögli- Die Initianten gehen davon aus, dass Unterrichts ihrer Lehrpersonen. Selbst- chen. Deshalb bitte ich Sie, die Fremd- unsere Schülerinnen und Schüler an der verständlich gibt es immer Kinder, die ge- spracheninitiative abzulehnen. Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin Mein Traumschulhaus Miriam Perels (9), 3. Klasse, Schule Am Wasser, Zürich 4
Im Lehrerzimmer Tagesschule Staudenbühl, Zürich Das tägliche Znüniplättli gehört einfach dazu. Fotos: Marion Nitsch Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin Ruhe: umfängt den, der das Areal der Stadtzürcher Tagesschule in Seebach betritt. Jenseits des Pausenplatzes erstrecken sich Felder und Wiesen, die für einen Hauch von Landluft sorgen. Als Zeuge der späten 1960er-Jahre: präsentiert sich das mit viel Holz ausgekleidete, mehrfach verwinkelte Teamzimmer. Eindrücklich: ist das konfliktlose Nebeneinander von locker plaudernden, kon- zentriert lesenden, am Computer arbeitenden oder kopierenden Lehr- und Betreuungspersonen. Tierisch: geht es im Gang hinter der Kaffeemaschine zu. Eine grosse Vitrine voller Tierpräparate sorgt für eine leicht skurrile Note. Das tägliche Znüniplättli für alle: ist fester Bestandteil der 10-Uhr-Pause. Lehrpersonen, Betreuungsteam, Schüler und Schülerinnen schätzen den von der Küchencrew an verschiedenen Orten bereitgestellten Imbiss gleichermassen. Seltenheitswert: hat der vergleichsweise hohe Anteil an Männern. Sie machen fast die Hälfte des Lehrerteams aus. Schulleiterin Barbara Steiner führt dies vor allem auf die Tagesschulstruktur zurück. Da die Lehrpersonen über Mittag in die Betreuung eingebunden seien, ergäben sich mehr Kompensationsmöglichkeiten. Reges Interesse: Die 1990 eröffnete Tagesschule ist äusserst beliebt. Längst werden die Schulplätze per Los vergeben. [rh] 5
Persönlich ten Zugreisenden lieber alleine im Ab- Der Wille, nach teil sitzen. «Wer in Eritrea alleine in ei- ner Ecke sitzt, wird angesprochen. Man kümmert sich um ihn. Hier sind die Leute vorn zu blicken sehr höflich und nett, aber manchmal auch etwas distanziert.» Inzwischen hat sie sich an viele der hiesigen Eigenheiten gewöhnt. Heute, sagt sie lächelnd, mache Senait Tekle mag Krimis – und Zahlen. sie es genauso: Im Zug oder im Tram suche sie sich einen Platz, an dem sie Vor viereinhalb Jahren kam die Statistikerin ungestört sei. als Flüchtling in die Schweiz. Heute Anderthalb Jahre verbrachte Senait Tekle im Durchgangsheim in Matzingen arbeitet sie in der B ildungsdirektion. (TG). Arbeiten durfte sie in dieser Zeit nicht. «Immerhin konnten wir Forst- Text: Reto Heinzel Foto: Stephan Rappo Pflegeeinsätze leisten, so waren wir etwas beschäftigt.» Sie wollte unbedingt wieder in ihrem erlernten Beruf arbeiten, be- mühte sich, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Sie bewarb sich bei den statis- tischen Ämtern von 16 Kantonen. Im Sta- Senait Tekle sitzt an einem riesigen Tisch gen werden. Sie durfte nach der militäri- tistischen Amt des Kantons Zürich erhielt im verglasten Konferenzraum der Bil- schen Ausbildung in die Hauptstadt zu- sie schliesslich eine unbezahlte Prakti- dungsplanung. Seit anderthalb Jahren ar- rückkehren und als Statistikerin arbeiten. kumsstelle. Dass sie hoch motiviert war, beitet die ruhige, zurückhaltende Frau in Wieso Senait Tekle ihr Heimatland fiel auch ihrer dortigen Chefin auf. Diese dieser Abteilung der Bildungsdirektion. In verliess? Im Gespräch erwähnt sie ein vermittelte ihr denn auch den Kontakt zur den hoch über dem Stampfenbachplatz einschneidendes Erlebnis während des Bildungsplanung, wo eine befristete Stelle gelegenen Räumen werden Tag für Tag Studiums, als sie an einer Volkszählung frei war. Sie erhielt den Job. Daten erhoben, codiert, analysiert. Senait mitwirken sollte. Die Finanzierung hatte Tekle und ihre Arbeitskolleginnen und die Weltbank in Aussicht gestellt, doch die Kulturelle Differenzen -kollegen befassen sich mit Bildungssta- eritreische Regierung strich die Löhne Im Auftrag der Bildungsplanung verfasste tistiken, erstellen Studien und Berichte. massiv zusammen. Den mitwirkenden Senait Tekle einen Bericht über ihr Hei- Die 35-jährige Statistikerin und zwei Studierenden wäre damit nicht mehr ge- matland. Darin beschrieb sie nicht nur die ihrer sieben Geschwister kamen vor vier- nug geblieben, um den Lebensunterhalt kulturellen Besonderheiten des dortigen einhalb Jahren als Flüchtlinge in die zu bestreiten. Es kam zu Protesten, an Bildungs- und Familiensystems sowie der Schweiz. Sie waren aus einem jungen denen sich auch Senait Tekle beteiligte. herrschenden Geschlechterrollen, sondern Staat geflohen, welcher sich 1991 von Die Regierung liess die jungen Menschen machte auch Aussagen zur schwierigen Äthiopien unabhängig erklärt hatte. Das kurzerhand festnehmen und an einen Situation und zu den Perspektiven der ostafrikanische Eritrea gilt, je nach politi- glühend heissen Ort im Landesinnern rund 25 000 Eritreerinnen und Eritreer in scher Lesart, als undemokratisch, autori- bringen. Mehrere Wochen mussten die der Schweiz. Eindrücklich schildert sie, tär oder diktatorisch. Dominierende Partei Studierenden bei Temperaturen von bis dass frühkindliche Bildung in Eritrea ist die People’s Front for Democracy and zu 45 Grad ausharren. Drei kamen dabei überhaupt keine Bedeutung hat und dass Justice (PFDJ) – sie ist zugleich die einzige ums Leben. Frei kam nur, wer in einer Kleinkinder selbst von ihren Eltern kaum Organisation, welche bei Wahlen über- schriftlichen Erklärung sein Verfehlen beachtet, geschweige denn gefördert wer- haupt zugelassen ist. Die Menschen- eingestand. Damals fasste sie den Ent- den: «Die Eltern schenken ihrem Kind rechtslage wird bestenfalls als düster be- schluss, das Land zu verlassen. Es sei ihr nicht viel Zeit und versuchen nicht, es zu schrieben. deutlich vor Augen geführt worden, sagt verstehen», schreibt sie. Was für ein Un- sie, dass es für sie in einem Eritrea ohne terschied zum Kanton Zürich, wo früh- Die Regierung befiehlt Freiheit und ohne Rechte keine Zukunft kindliche Bildung ein grosses Thema ist. Aufgewachsen ist Senait Tekle in der erit- geben würde. Auch Senait Tekle sind diese Dinge wäh- reischen Hauptstadt Asmara. Als dritt- Gerne hätte Senait Tekle nach dem rend ihrer hiesigen Tätigkeit klarer ge- jüngstes von acht Kindern besuchte sie Bachelor noch den Masterabschluss im worden. «Hier habe ich gelernt, wie wich- das Gymnasium. Ihr Traumberuf Detek Ausland gemacht. Das Stipendium für tig es ist, in die Förderung der Kinder zu Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin tivin schien der begeisterten Krimileserin eine englische sowie für eine amerikani- investieren.» unerreichbar. Da sie auch ein Flair für die sche Universität hatte sie bereits in der Die Arbeit bei der Bildungsplanung Mathematik hatte, studierte sie Statistik Tasche, doch die Regierung liess sie nicht macht Senait Tekle grosse Freude. «Ich und Demografie an der Universität As- ausreisen. Das brachte das Fass zum Über arbeite sehr gerne hier.» Das liege auch an mara. Mit dem Bachelor in der Tasche er- laufen. Sie und ihre zwei Geschwister der freundschaftlichen Atmosphäre und hielt sie rasch eine Stelle. Im Nationalen flüchteten in den Sudan, wo sie schliess- an der Unterstützung des Teams. Umso Amt für Statistik wurde ihr ein Job zu lich ein Visum für die Schweiz erhielten. mehr bedauert sie, dass ihr Einsatz Ende geteilt. «Die Regierung bestimmt, wer wo Jahr endet. Doch davon lässt sie sich nicht arbeitet», sagt sie. Jedem, der erfolgreich Schwieriger Start beirren. Derzeit freut sie ganz besonders, ein Studium absolviert hat, wird eine Ar- Für die meisten Flüchtlinge ist es schwie- dass sie ihr lang ersehntes Vorhaben end- beit zugeteilt, wobei nie sicher ist, ob rig, in einem fremden Land Tritt zu fassen. lich in die Tat umsetzen kann: Im Herbst man überhaupt in seinem Fachgebiet tätig Auch Senait Tekle fiel der Start in der wird sie an der Universität Zürich ein werden kann. Eine freie Berufswahl gibt Schweiz nicht leicht. Sie konnte kein Masterstudium in Biostatistik beginnen. es nicht. Immerhin hat sie mehr Glück Deutsch, die hiesige Kultur, die Umgangs- «Der Masterabschluss ist mein grösster gehabt als jene, die auf unbestimmte Zeit formen und Gewohnheiten waren ihr Traum», schwärmt sie. «Jetzt fehlt mir nur oder gar lebenslang zum Militär eingezo- fremd. Irritierend fand sie, dass die meis- noch eine neue Stelle.» 6
Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin Senait Tekle flüchtete aus ihrer Heimat Eritrea, weil sie für sich keine Zukunft mehr sah. Seit Anfang 2016 arbeitet sie 7 in der Bildungsplanung.
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Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was Meine Schulzeit «Da war es vorbei kommt Ihnen als Erstes in den Sinn? Die verhasste Rechenmethode mit den sogenannten Cuisenaire–Stäbchen, die mit der Freude» ein verrückter belgischer Schulinspektor gleichen Namens erfunden hatte, um un- begabte Rechner – oder vielmehr unbe- gabte Denktheoretiker – wie mich zu quä- len, was ihm auf Anhieb und nachhaltig gelang. Von dem Augenblick an, da diese Fünf Fragen an den Schriftsteller Stäbchen auf mein Pult kamen, war es Alain Claude Sulzer vorbei mit meiner anfänglichen Freude an der Schule, mit der Mathematik sowieso. Angenehmer: das Läuten der Pausen glocke und der Schulweg, auf dem ich herumtrödeln konnte. Kritisches Denken; fehlerloses Schreiben Welcher Lehrperson geben Sie (beim Einmaleins darf man sich ja auch rückblickend die Note 6 und warum? keine Fehler erlauben, weil Fehler fatale Obwohl er uns das Rechnen mit den oben Folgen haben könnten, wie es jedem ein- erwähnten Stäbchen beibrachte (wozu er leuchtet); analytisches Lesen; Fokussie- sicher gezwungen war), war es eindeutig rung auf die vorhandenen Talente, was mein Primarschullehrer Rentsch. Er nahm impliziert, dass die Schule darauf verzich- jeden Schüler ernst, auch solche wie mich, ten muss, einem beibringen zu wollen, die in gewissen Fächern schwach waren. wofür man absolut keine Begabung hat. Inwiefern hat Ihnen die Schule Warum wären Sie ein guter geholfen, einer der erfolgreichsten Lehrer – oder eben nicht? Schweizer Schriftsteller zu werden? Ich wäre wohl kein guter Lehrer. Und was Ehrlich gesagt, hat die Schule gar nichts sollte ich schon unterrichten? Ich neige dazu beigetragen; sie hat es allerdings dazu, ungeduldig zu sein, wenn es darum auch nicht verhindert. Schreiben, lesen geht, jemandem etwas erklären zu müssen, und selbstständig denken hätte ich sicher was ich beherrsche, aber der andere nicht. auch ohne Schule gelernt (wozu sind ältere Keine gute pädagogische Voraussetzung, Brüder da?). Na gut, einfaches Rechnen oder? Aber natürlich kann ich jemanden Foto: Julia Baier vielleicht nicht. So wie das Schulsystem beraten. Ratschläge erteilen ist allerdings Alain Claude Sulzer (64) publiziert seit über damals funktionierte, zwang es einen dazu, etwas ganz anderes, als mit Ausdauer und dreissig Jahren vor allem Romane, die in sich nicht unterkriegen zu lassen. Ob das Geduld Kindern etwas beizubringen. Da 20 Sprachen übersetzt wurden. Ausserdem schreibt er regelmässig für die «Neue Zürcher am Ende zum Erfolg führt, weiss ich nicht. geht es auch darum, Interessen zu wecken, Zeitung». Zuletzt verfasste er das Libretto Was ist das Wichtigste, was Kinder die zunächst vielleicht gar nicht vorhan- zu David Philip Heftis Oper «Annas Maske», die Anfang Mai in St. Gallen uraufgeführt heute in der Schule lernen sollten, den sind. Ich zweifle da an meinen Fähig- wurde. Der Autor lebt in Basel, Vieux Ferrette und warum? keiten. und Berlin. Bildungs-Slang Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Ressourcenorientierung Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Magazin 9
Fokus Balanceakt Für gute Klassenführung gibt es kein Patent rezept, wichtige Grundlagen kann man jedoch erlernen. Ein Besuch in einer Klasse angehender Berufsschullehrpersonen an der Pädagogischen Hochschule zeigt, welche Herausforderungen es zu meistern gilt und welche Strategien hilfreich sind. Drei Lehr personen mit Praxiserfahrung erzählen zudem, welche Themen sie beschäftigen und womit sie gut fahren. Wie komplex die Rolle des Lehrers ist und wie wichtig eine gute Beziehung zu den Schülern, erklärt Schulpsychologe und Autor Christoph Eichhorn im Gespräch. Fotos: Hannes Heinzer Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus 11
Klassenführung lernen estimmte Themen, die sie besonders in b Das A und O im teressieren und die sie in diesem Modul vertiefen möchten. Welche dies sind, formulieren sie zu Beginn der Stunde. Klassenzimmer Eine gute Aufgabenverteilung im indivi dualisierten Unterricht zum Beispiel, damit kein Lernender unter- oder über fordert ist. Oder der Ablauf und die Wie hält man die Lernenden im Unter- Bewertung von Prüfungen. Oder wie man Lernstoff lebendig präsentieren richt bei der Stange? Wie vermeidet und gleichzeitig die eigenen Kräfte ein man Störungen und wie reagiert man, teilen kann. wenn sie trotzdem auftreten? Ein Blick Führung der Klasse anpassen Saskia Sterel weiss, was die Studentinnen in das Modul «Klassenführung» für und Studenten beschäftigt, unterrichtet angehende Berufsfachschullehrer an sie doch selber seit vielen Jahren, früher als Reallehrerin, heute Allgemeinbilden der PH Zürich. den Unterricht (ABU) an der Berufsfach schule Winterthur. Ihre dortigen Schüle Text: Jacqueline Olivier rinnen und Schüler sind angehende Fachpersonen Betreuung (FaBe). Auch Detailhandelsfachleute hat sie früher un terrichtet. Als Berufsschullehrerin sei es sehr wichtig, die Lebenswelt der Lernen den in den Betrieben zu kennen, erklärt Ein sonniger Frühlingsnachmittag. Im Es sind angehende Berufsfachschullehre sie und rät insbesondere den Studenten ebenerdigen Unterrichtszimmer im Sihl rinnen und -lehrer, die hier die zweite ohne Branchenerfahrung zu Besuchen in hof, in dem die Pädagogische Hochschule Doppellektion des Moduls Klassenfüh der Praxis. Denn je nach Beruf seien die Zürich (PHZH) über zusätzliche Räume rung besuchen, ein Wahlpflichtfach, das Lernenden in der Klasse anders zu füh verfügt, treffen nach und nach die Studie ein Semester lang alle 14 Tage auf dem ren. «Die FaBe beispielsweise kommen renden ein, nehmen Platz an den zu Qua Stundenplan steht. Die Teilnehmer sind besonders gut damit klar, selbstständig draten zusammengeschobenen Tischen. unterschiedlichen Alters und haben auch zu arbeiten, weil sie in der Praxis schon Ein Teilnehmer setzt sich an die lange verschiedene berufliche Hintergründe. früh lernen, innerhalb eines Prozesses Tischreihe zuhinterst im Raum. «Kommen Etliche unterrichten bereits und absol Aktivitäten vorzubereiten.» Detailhändler Sie doch etwas weiter nach vorn», fordert vieren die Ausbildung berufsbegleitend, hingegen seien mündlich stark und ver Dozentin Saskia Sterel ihn auf und fügt manche waren zuvor schon auf einer stünden sich auf administrative und orga lachend hinzu: «Das hat auch mit Klas anderen Schulstufe tätig. Sie haben also nisatorische Aufgaben. Unterschiede stellt senführung zu tun: die Sitzordnung.» oft Praxiserfahrung und deshalb auch Saskia Sterel auch auf der Persönlichkeits Dominic Hassler unterrichtet Informatik an der Kaufmännischen Berufsschule Lachen. «Die Themen, die mich im führen oder einen Auftrag erklären. Auf die Klassen haben Bereich der Klassenführung die Videos eine positive Wirkung, die Schüler arbeiten damit umtreiben, sind stark von der ruhig und konzentriert. Weil ich auf meinem Bildschirm alle jeweiligen Klasse abhängig. In Bildschirme der Schüler einsehen kann und auch physisch Klassen mit einem tieferen sehr präsent bin in dieser Zeit – das heisst, ich laufe viel im Niveau geht es oft um Motivati Klassenzimmer herum –, treibt selten jemand Unfug. Ausser Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus on und Aufmerksamkeit, bei dem habe ich mehr Zeit, die Schüler individuell zu unterstüt solchen der höheren Profile zen und auf Schwächere einzugehen. Sicher möchte ich im bilden sich dafür manchmal Unterricht nicht nur mit Videos arbeiten, aber sie sind eine Grüppchen, die miteinander im spannende Alternative und eine zusätzliche Methode. Wettstreit stehen. Das macht die Klassenführung auch Für mich ist das Ziel guter Klassenführung, dass jene nicht einfach. Grosse Probleme habe ich aber nicht. Trotz Schüler, die gerne lernen, auch lernen können, ohne von den dem gibt es Bereiche, an denen ich noch etwas schrauben anderen gestört zu werden. Die anderen möchte ich zum könnte, etwa am effizienten Umgang mit Störungen. Lernen motivieren, gleichzeitig übertrage ich ihnen viel Da die Schülerinnen und Schüler im Informatikunter Verantwortung. Wer in der Informatik mit einer 4 zufrieden richt in der Regel am PC sitzen, arbeite ich zunehmend mit ist, der darf sich das so einrichten. Ich sehe mich selber als Videos, die ich selber produziere. Teilweise gestalte ich mit Coach und unterstütze auch diese Schüler darin, ihr Ziel solchen Videos ganze Unterrichtssequenzen, teilweise sind zu erreichen. In diesem Alter müssen Lernende selber es nur kurze Filme, die zum Beispiel in ein neues Thema ein wissen, was sie wollen, dann aber auch dafür geradestehen.» 12
ebene fest. Bei den FaBe handle es sich Grundlagen guter Klassenführung gelernt und die Studierenden vergleichen diese um sozial kompetente und motivierte und ein Bewusstsein dafür entwickelt Informationen mit ihren Diskussionser Jugendliche, die oft ihren ersten Berufs habe, werde sie mit der Zeit verinnerli gebnissen. wunsch verwirklichten, während nicht chen und sich und den Lernenden so die wenige Detailhändler ursprünglich ande Arbeit erleichtern. Gute Vorbereitung hilft re Berufe auf dem Radar gehabt hätten, Für die Studentinnen und Studenten Im zweiten Teil des Nachmittags geht es mit denen es aber nicht geklappt habe. ist es noch ein Stück Weg bis dorthin. Als um die Merkmale guter Klassenführung Diese Klassen seien in der Regel hetero Erstes setzen sie sich an diesem Nachmit nach Jacob Sebastian Kounin. Der ameri gener zusammengesetzt und die Heran tag mit einem Schnittstellenthema aus kanische Forscher prägte ab 1970 den Be gehensweise der Lernenden an Aufträge einander: Inwiefern können Lehrperso griff «Classroom Management» und gilt sei eine andere, was es bei der Klassen nen mit ihrer Art der Klassenführung und als Klassiker und sein Werk quasi als führung zu berücksichtigen gelte. ihrer persönlichen Arbeitshaltung die Pflichtlektüre für (zukünftige) Lehrper eigene Gesundheit beeinflussen? Dazu sonen. Den Fokus legte Kounin auf die Die Spannung aufrechterhalten präsentiert die Dozentin Auszüge einer Disziplinierung der Lernenden, die All Weitere wichtige Faktoren sind gemäss 2006 erschienenen Studie der Universität gegenwärtigkeit der Lehrperson, den rei der Dozentin die Klassengrösse und die Potsdam. Dort haben der Professor Uwe bungslosen Ablauf des Unterrichts, die Dauer, während der man mit einer Klasse Schaarschmidt und sein Team aufgrund Mobilisierung der Gruppe respektive der arbeitet. «Es macht einen Unterschied, ob des Verhaltens vier Lehrertypen definiert Klasse und die Abwechslung, also die Me man eine Klasse zweimal in der Woche und ihr gesundheitliches Risiko – Stich thodenvielfalt. Wieder bilden die Studen während je einer Lektion, ob man sie drei wort Burn-out – untersucht. ten Gruppen und beschäftigen sich mit je Stunden am Stück oder einen ganzen Tag Die Kursteilnehmer erhalten nun die einem dieser Themen und Kounins Erläu unterrichtet. Dies hat Einfluss auf die Aufgabe, in fünf Gruppen je eines der terungen dazu. Die wichtigsten Erkennt Dramaturgie.» Mit anderen Worten: Klas elf arbeitsbezogenen Verhaltens- und nisse präsentiert jeweils ein Gruppenmit senführung hat auch damit zu tun, den Erlebensmuster, die der Studie als Basis glied am Flipchart dem Plenum. Daraus Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, den dienten – etwa beruflicher Ehrgeiz, Per ergeben sich immer wieder Fragen und Unterricht zu strukturieren, abwechs fektionsstreben, Distanzierungsfähigkeit, Diskussionen. Etwa zum Thema Rei lungsreich zu gestalten. Und ganz viel mit offensive Problembewältigung, Resignati bungslosigkeit. Saskia Sterel plädiert da dem eigenen Rollenverständnis, wie onstendenz oder Erfolgserleben im Beruf –, für, die Aufträge vorab auf einer Folie zu Saskia Sterel betont: «Wenn Junglehr während 20 Minuten zu diskutieren: Wo notieren, die man während der Lektion personen Probleme haben, dann oft verorten sie sich selbst, was könnten oder unter den Visualizer legen könne, statt sie deshalb, weil sie ihre Rolle für sich nicht möchten sie ändern, wie könnte dies ge vor der Klasse an die Wandtafel zu schrei klar definiert haben.» Natürlich sei man lingen? Anschliessend erklärt ihnen ben. Denn selbst ein solch kurzer Unter am Anfang noch stark mit dem Stoff und Saskia Sterel, welche Muster zu einer er bruch könne dazu führen, dass die Auf den Methoden befasst. Wer aber die folgreichen Klassenführung beitragen, merksamkeit einzelner Schüler nachlasse. Gertrud Köppel unterrichtet Berufskunde Detailhan del an der Berufsfachschule für Lernende mit Hör- und Kommunikationsbehinderung (BSFH) in Zürich und stellvertretend am Bildungszentrum in Arbon. «Ich bin Quereinsteigerin im ich in meinem früheren Beruf einnehmen musste: Es geht Lehrberuf, ursprünglich kom darum, die Lernenden wahrzunehmen wie zuvor die me ich aus der Wirtschaft, aus Kunden, es geht um eine 360-Grad-Präsenz und darum, der Modebranche, wo ich mich auch die nicht zu vergessen, die sich nicht von selber vor allem mit der Sortiments-, melden. Das ist ein hoher Anspruch. Umsatz- und Personalplanung Im Unterricht ist es mir wichtig, nicht zu viel zu reden, beschäftigte. Im Unterricht sondern die Lernenden zu Wort kommen zu lassen. Auch Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus kann ich dadurch immer wie möchte ich viel Abwechslung bieten und trotzdem den der Beispiele aus der Praxis Spannungsbogen aufrechterhalten. Vor Kurzem habe ich einbringen, das schätzen die eine selbst geschriebene Geschichte vorgelesen, um zum Lernenden sehr. Die grösste Herausforderung für mich ist nächsten Thema überzuleiten. Da war die Klasse mucks es derzeit, wieder die Schulbank zu drücken und gleichzei mäuschenstill, sie konnte einfach eintauchen und zuhören. tig Schule zu geben, mich selber immer wieder zu hinter Das möchte ich wieder einmal machen; um den Rhythmus fragen: Wie bin ich, wie wirke ich? Denn die jungen Leute zu durchbrechen, muss es nicht immer ein Film sein. beobachten einen sehr genau. Ausserdem habe ich in Ar Bei den Lernenden an der BFSH geht es bei der bon als Stellvertretung sehr kurzfristig eine Klasse über Klassenführung um ganz andere Dinge, etwa um Mimik nommen, mit der ich vorwiegend auf der Beziehungsebene und Gestik, damit die Lernenden mich verstehen, oder arbeite: am Vertrauen, an der Klarheit und am Respekt. darum, die Kräfte der Lernenden nicht zu überfordern. Inzwischen läuft es recht gut und meine Position als Leh Die Klassen bestehen nur aus wenigen Schülern; Motiva rerin unterscheidet sich gar nicht so stark von jener, die tion oder Disziplin sind kaum ein Thema.» 13
«Schon bei der Vorbereitung überlege ich es plötzlich nicht mehr wichtig, mit der Oder die emotionale Präsenz, die man als mir genau, wie ich die Übergänge zwi besten Freundin in der Gruppe zu sein.» Lehrperson etwas reduzieren könne, schen den einzelnen Sequenzen gestalte. Ein anderer Punkt, auf den sie grossen wenn die Schüler für sich arbeiteten. Dies bedeutet zwar etwas mehr Aufwand, Wert legt, ist eine klare und anregende Klar ist nach diesem Nachmittag: aber es macht sich im Unterricht bezahlt.» Formulierung der Aufträge und dass diese Klassenführung bedeutet viel mehr als während der Arbeit auf der Leinwand einge nur die Vermeidung von oder der richtige Pädagogischer Doppeldecker blendet bleiben, damit sich die Lernenden Umgang mit Störungen, worauf sie gerne Gegen das Ende der Lektion begibt sich jederzeit vergewissern können, was sie als reduziert wird. «Gute Klassenführung führt die Dozentin mit den Studierenden auf Nächstes zu tun haben. Und auf keinen dazu, dass die Lernzeit möglichst hoch ist die Metaebene und reflektiert mit ihnen, Fall solle die Lehrperson mündlich wieder und effizient genutzt werden kann», sagt was sie in den zweieinhalb Stunden holen, was die Schüler selber lesen könn Saskia Sterel. Anspruchsvolle, wenn im intensiven Unterrichts erlebt haben. ten. «Da wäre Unruhe programmiert.» mer möglich lebensnahe Aufträge zu ertei Denn selbstverständlich praktiziert Saskia len, deren Resultate anschliessend reflek Sterel in ihrem Modul selber, was sie Lernzeit effizient nutzen tiert und beurteilt würden, sei hierfür ein lehrt. «Pädagogischer Doppeldecker» Fünf Kriterien, die ein guter Auftrag an probates Mittel. Damit komme es automa wird dies im Fachjargon genannt: Indem die Lernenden erfüllen sollte, tragen die tisch zu weniger Störungen. Disziplinar die Lehrpersonen in der Aus- oder Wei Teilnehmer ganz zum Schluss noch ge massnahmen wiederum müssten von der terbildung selber zu Lernenden werden, meinsam zusammen: Er sollte eine Zeit Schule festgelegt, die Regeln jedoch mit studieren sie didaktische Methoden nicht angabe enthalten (Dauer oder Abgabeter den Lernenden besprochen werden. nur auf dem Papier, sondern erleben die min), ebenso Angaben zur sozialen Form Hat sie selber schon einmal erlebt, se selber eins zu eins und können daraus (Einzel-, Zweier- oder Gruppenarbeit) dass ihr eine Klasse entglitt? Nein, lautet Rückschlüsse für ihren eigenen Unter sowie kurze und übersichtlich dargestell die Antwort. «Schwierige Situationen, in richt ziehen. Etwa, warum sie in den te Anweisungen mit Zielvorgabe. Er sollte denen man sich überlegen muss, wie man Gruppenarbeiten so konzentriert bei der ausserdem allfällige Hilfsmittel auflisten, am besten reagieren soll, gibt es natürlich Sache waren. Antwort: weil die Dozentin und das Niveau sollte angemessen sein. schon.» Und dafür dürfe man sich ruhig jeweils ein verbindliches Resultat ein Damit sei man wieder beim Anfang der etwas Zeit lassen. «Ich bin heute der Mei gefordert hatte. heutigen Lektion angelangt, erklärt Saskia nung, dass man nicht immer unmittelbar Ganz bewusst hatte sie ausserdem da Sterel, denn etliche der Themen, die von reagieren muss. Ein Problem sofort an rauf geachtet, dass die S tudenten in immer den Studenten zu Beginn als besonders sprechen, ja, aber dann dem oder den wieder anderen Gruppen zusammenar schwierig erwähnt worden seien, liessen Lernenden sagen, dass man sich erst beiteten, etwas, was sie auch bei ihren sich mit guten Aufträgen auffangen. Die überlegen muss, welche Konsequenzen Berufsschülerinnen und -schülern anwen Berücksichtigung der individuellen Leis das Fehlverhalten haben wird.» Danach det. «Es erhöht die Aufmerksamkeit, und tungsmöglichkeiten in heterogenen Klas müsse man aber auch zwingend darauf wenn die Jugendlichen einmal gelernt sen beispielsweise. Oder die Lebendigkeit zurückkommen, «sonst verspielt man seine haben, mit allen zusammenzuarbeiten, ist des Unterrichts dank Methodenvielfalt. Glaubwürdigkeit». Urs Gilli unterrichtet ABU an der Berufsfachschule für Verkehrswegbauer in Sursee. «In Sursee befindet sich die Handlungsorientierter Unterricht ist denn auch ein starker einzige Berufsfachschule für Fokus des didaktischen Konzepts unserer Schule. Verkehrswegbauer der Deutsch Ich versuche ausserdem stets, Bezüge zur Lebens- und schweiz, die grossmehrheitlich Arbeitswelt der Lernenden herzustellen. So erteilte ich Strassenbauer EBA und EFZ ihnen zum Beispiel vor Kurzem den Auftrag, im Betrieb ausbildet. Deshalb haben die nachzufragen, worauf im Umgang mit Mitarbeitern, Kun Lernenden bei uns Blockunter den, Lieferanten und der Umwelt Wert gelegt wird. In richt. Je nachdem habe ich die Anlehnung daran erarbeitete ich mit ihnen ein gewisses Klassen in ein- bis zweiwöchi Basiswissen der Betriebswirtschaft, welches die Lernenden gen Fachkursen im Allgemein anschliessend in einem Porträt ihres Lehrbetriebs anhand Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus bildenden Unterricht, je nach Kursstruktur mal 13, mal knapp ihres Arbeitsalltags vertieften. 30 Lektionen pro Woche. Und anders als an der Volksschu Schule geben bedeutet für mich in erster Linie Bezie le, wo ich vorher tätig war und verschiedene Fächer unter hungsarbeit. Wenn ich den Lernenden Wertschätzung ent richtete, bin ich hier einen oder mehrere Tage mit dem glei gegenbringe und meine Erwartungen und Leistungsan chen Thema beschäftigt. Das stellt hohe Anforderungen an sprüche offen kommuniziere, entstehen weitaus weniger die Strukturierung und Rhythmisierung des Unterrichts, nennenswerte disziplinarische Probleme. Ebenso ist es um die Spannung und eine anregende Lernatmosphäre mein Ziel, ihnen möglichst viel echte Lernzeit zu bieten, über bis zu 9 Stunden am Tag aufrechtzuerhalten. was ich mit anregenden Arbeitsaufträgen und innerer Je länger, je mehr setze ich darum auf die Strategie, Differenzierung erreiche. Natürlich muss man die einen möglichst kurze Inputs zu geben und die Lernenden da Klassen enger führen, während man bei den anderen die nach selbstständig arbeiten zu lassen, während ich sie da Zügel etwas lockerer lassen kann. Durch die Erfahrung bei individuell begleite. So gewähre ich ihnen Wahlmög entwickelt man sich als Lehrer aber auch weiter und passt lichkeiten und bestärke sie in ihrer Selbstwirksamkeit. sein Instrumentarium laufend an.» 14
15 Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus
Im Gespräch Das Wort «Management» dürfte für «Eine Schulklasse manche Ohren einen etwas geschäftigen Beiklang haben. Tatsächlich meinen viele Leute, bei Class ist kein Skiclub» room-Management gehe es um seelenlose Manager, welche die Schüler wie Puppen tanzen lassen. Das ist aber nicht die Idee. Primär geht es um gute Lehrer-Schüler- Christoph Eichhorn beschäftigt sich mit Beziehungen, das ist die Basis. Diese Beziehungen sind bekannt- Classroom-Management. Unterricht, sagt lich nicht immer störungsfrei. er, sei ein äusserst komplexes Geschehen. Richtig, und es braucht manchmal auch gar nicht viel, damit eine unauffällige Si Dass alles perfekt gelinge, sei unmöglich. tuation kippt und plötzlich schwierig wird. Manchmal kann schon ein einziger Schü Text: Reto Heinzel Fotos: Nicola Pitaro ler das Leben der Lehrperson und seiner Mitschüler schwer machen. Eine hilfreiche Anregung von Classroom-Management ist, sich im Voraus gezielt zu überlegen, wie man schwierigen Klassensituationen begegnet. Dann handelt man klarer und gelassener, was sich positiv auf die Klasse Herr Eichhorn, worin liegt das Geheim- nicht erst damit an, während jene in den auswirkt. nis guten Unterrichts? vorderen Reihen rasch fertig waren und Gibt es einen bestimmten Grund, Unterricht ist ein sehr komplexes Gesche sich bald einmal langweilten. In diesem weshalb Sie nicht von Klassenführung hen. Neben einer guten Beziehung zwi Fall hätte es genügt, im hinteren Teil stär sprechen? schen Lehrperson und Schülern helfen ker präsent zu sein, um dem Schüler dis Das Thema Klassenführung ist im deut der Lehrperson eine gute Vorbereitung, kret helfen zu können. Damit macht sie schen Sprachraum ja schon länger be Klassenregeln, Rituale oder Routinen. Der ihren Unterricht flüssiger. So verstanden kannt. Viele meinen, dabei gehe es um die Unterricht soll interessant sein und an die fördert «Präsenz zeigen» die Beziehung Frage, wie der Lehrer im Klassenzimmer Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus Erfahrungen sowie den Lernstand der zwischen Lehrperson und Schüler. auf eine bestimmte Situation reagieren Schülerinnen und Schüler anknüpfen. Es geht also in erster Linie um die solle – zum Beispiel wenn ein Schüler et Das zeigt schon eindrücklich, wie an Frage, wie die Lehrperson die Klasse was nicht verstanden hat. Die Idee von spruchsvoll dieser Beruf ist. Zudem muss führt? Classroom-Management ist eine andere. die Lehrperson wach und präsent sein. Die Lehrperson spielt sicherlich die zent Und worum geht es dabei? Was meinen Sie genau damit? rale Rolle. Aber, wie gesagt, das Gesche Classroom-Management vermittelt den Als ich neulich eine Klasse besuchte, hen im Klassenzimmer ist sehr komplex. Lehrpersonen konkrete Anregungen und konnte ich beobachten, dass die Lehrerin Eine Lehrperson kann diese Tätigkeit Hinweise, wie sie den Unterricht gestalten sich während der meisten Zeit der Stunde nicht halbherzig tun. Ansonsten läuft sie können. Es geht aber auch darum, mögli im vordersten Teil des Klassenzimmers Gefahr, sehr rasch in Schwierigkeiten zu che Situationen im Klassenzimmer zu und um das Lehrerpult aufhielt. Dabei sass geraten. Man muss den Beruf gerne haben antizipieren – auch schwierige. der auffälligste Schüler mit ADHS-ähnli und sich auf die Verantwortung und die Wie zum Beispiel? cher Problematik in der hintersten Reihe. damit einhergehenden Herausforderun Schauen wir uns den Aspekt der Vorberei Als die Schüler dann selbstständig eine gen einlassen. Dann ist ein erfolgreiches tung auf ein neues Schuljahr an. Das Buch 16 Aufgabe lösen sollten, fing dieser gar Management der Klasse möglich. «The First Days of School» beispielsweise
Christoph Eichhorn (64) arbeitet seit über 20 Jahren als Schulpsychologe in von Harry Wong beschäftigt sich nur mit Landquart (GR). Er veröffentlichte zahlreiche Artikel und Bücher zum den ersten zwei, drei Schultagen. Dabei Thema Classroom-Management, hält dazu Vorträge und gibt Workshops. Für die Lehrerfortbildung in Bulgarien und der Slowakei hat er ein geht es auch um die wichtige Frage, wel Classroom-Management-Trainingsprogramm entwickelt. che Vorinformationen für das Gelingen guten Unterrichts wichtig sind. Wenn die Lehrperson eine neue Klasse übernimmt, dann helfen ihr gute Vorinformationen. Wieso ist das so wichtig? Stellen Sie sich vor, eine Schülerin, die be hen muss, um noch gehört zu werden. Es in meiner Klasse wohlfühlen und gut reits viele negative Schulerlebnisse und ist sehr schwierig, aus dieser Spirale her lernen können. Ich werde mir Gedanken Misserfolge hinter sich hat, startet ins auszukommen. machen – darf ich mich wieder bei Ihnen vierte Schuljahr. Der Lehrer, der keine Aber kann das die Lehrperson melden?» Auf diese Weise wird die Basis Vorinformationen über die Schülerin hat, wirklich alleine lösen? für eine gute Zusammenarbeit gelegt. stellt ihr am ersten Tag einige einfache Die Lehrperson ist sicher die zentrale Haben die Lehrpersonen denn Fragen, die Antworten sind aber jedes Mal Stellschraube. Trotzdem ist eine schwieri nicht schon genug zu tun? falsch. Dann fängt ihr Start ins neue ge Klasse nicht das Problem des Klassen Ganz sicher! Und ich will den Lehrperso Schuljahr schon schlecht an. Diese Miss lehrers, sondern der gesamten Schule. nen bestimmt keinen Druck machen, was erfolge zementieren vermutlich die Selbst Alle Beteiligten, Schulleitung, Lehrperso sie noch alles zusätzlich tun sollten! Mir einschätzung der Schülerin, nichts zu nen, Fachlehrpersonen, sollten sich aus liegt viel daran, die Arbeit der Lehrperso können. Gerade aber einer solchen Schü tauschen und überlegen, wie sich eine nen zu erleichtern. Aber es braucht Stra lerin soll der erste Schultag die Chance verfahrene Situation lösen lässt. Wichtig tegien, damit es im Unterricht rund läuft. eröffnen, wieder ein bisschen mehr an ist sicher, dass man gezielt darauf achtet, Und Auseinandersetzungen mit Eltern sich zu glauben. was die Klasse gut macht, und dies diffe sowie Disziplinprobleme sind ein Haupt Wann gilt denn eine Klasse als gut renziert und wertschätzend zurückmel belastungsfaktor für Lehrpersonen. geführt? det. Das ist sehr anspruchsvoll, vor allem, Geht das Thema «guter Unterricht» Das ist relativ einfach: wenn es gute Lehrer- weil man längerfristig dranbleiben muss. vor allem die Klassenlehrperson an Schüler-Beziehungen gibt und eine an Was ist mit den Eltern? oder betrifft es die ganze Schule? genehme Lernatmosphäre herrscht, in Eltern sind die wichtigsten ausserschuli Classroom-Management ist klar ein der die Schüler sich wohlfühlen und schen Partner der Lehrperson. Deshalb Thema der ganzen Schule. Es geht von lernen wollen. wollen wir sie gewinnen. In den USA einer Führungsphilosophie aus, die auf Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus Und wo liegen die Fallstricke? nehmen Lehrpersonen bereits vor dem Anerkennung und Wertschätzung basiert, Davon gibt es verschiedene, namentlich ersten Schultag mit den Eltern Kontakt nicht auf Kritik und Tadel. Zugleich auf der Beziehungs- und Kommunikati auf. Und wenn sich nach zwei, drei Wo müssen die Lehrpersonen bei Schwierig onsebene. Nehmen Sie eine Lehrerin, die chen vielleicht herausstellt, dass der Max keiten unterstützt werden. eine schwierige Klasse bekommt. In die ein schwieriger Schüler ist, erkundigen Was muss eine Lehrperson alles ser Situation besteht das Risiko, dass die sie sich bei seinen Eltern nach seinem mitbringen, damit Unterricht gelingt? Lehrerin sich mit der Zeit immer stärker Befinden. Der deutsche Psychologe Uwe Schaar auf die negativen Dinge konzentriert und Aber was, wenn Max’ Eltern sagen: schmidt hat einmal die wichtigsten deshalb in eine negative Kommunikati «Unserem Kind geht es nicht gut»? Kompetenzen einer Lehrperson benannt: onsspirale gerät. Sie weist zurecht, er Das wäre eine sehr wichtige Information. Sie muss stressresistent sein, klar kom mahnt, kritisiert. Die Schüler finden das Die Lehrperson könnte sagen: «Vielen munizieren, begeistern können, Empathie mit der Zeit natürlich ziemlich doof und Dank, dass Sie mir das gesagt haben. Kön zeigen, organisieren und planen können, stumpfen möglicherweise auch ab dabei. nen Sie mir mehr darüber berichten?» eine klare Linie vertreten, Schüler gerne Das wiederum hat zur Folge, dass die Leh Und dann vielleicht so etwas wie: «Mir ist mögen – auch die schwierigen. Und das ist 17 rerin ihre Dosis an Ermahnungen erhö es sehr wichtig, dass sich meine Schüler noch nicht einmal alles.
Die einzelnen Regeln sind nicht entschei dend. Viel wichtiger ist es, dass die Lehr person die Schüler dafür gewinnt, indem «Die Lehrperson muss wissen, sie einen positiven Kontext schafft. Dies gelingt, indem sie die Schüler bei der was sie mit den Klassenregeln Erarbeitung einbezieht. überhaupt erreichen will.» Ist damit schon alles getan? Die Einführung der Regeln ist das ge ringste Problem. Die grosse Frage ist, wie man sie durchsetzen will. Die Lehrperson muss wissen, was sie mit den Regeln überhaupt erreichen will. Sie ist es, die Ganz schön viel … schwierige Situationen vorzubereiten, zum dafür sorgen muss, dass die Regeln ein Allerdings. Der Lehrberuf ist ungeheuer Beispiel: Wie reagiere ich, wenn ein Schüler gehalten werden. Und sie ist es, die vor anspruchsvoll und herausfordernd zu seinen Banknachbarn anspuckt? Andere gängig festlegt, ob sich der Max während gleich. Dazu kommt, dass Klassen nie ho Dinge, wie Empathie oder Stressresistenz, des Ruherituals laut die Nase putzen darf mogen sind und dass jeweils eine spezifi sind aus meiner Sicht dagegen nur be oder nicht. sche Gruppendynamik entsteht. Eine grenzt lernbar. Und wenn es mit der Einhaltung Klasse ist auch kein Skiclub, dem man Welche Bedeutung haben störende von Regeln nicht klappt? freiwillig angehört. Viele ältere Schüler Schüler für den Unterricht? Zusätzlich kann man Reflexionsphasen empfinden die Klasse als Zwangskontext. Sie belasten die Lehrpersonen. Eine vor einbauen und beispielsweise fragen: Sie brauchen sich nur einen pubertieren fünf Jahren durchgeführte Lehrerbefra «Überlegt mal, was ist euch schon gut den 15-Jährigen vorzustellen. Der fragt gung in Liechtenstein ergab, dass dort jede gelungen? Was könntet ihr tun, damit es sich vielleicht: «Was soll der ganze dritte Lehrperson die Meinung vertritt, in in Zukunft vielleicht noch besser wird?» Quatsch?» der eigenen Klasse einen untragbaren Wichtig ist, dass man auch hier wieder auf Perfekter Unterricht – gibt es das Schüler zu haben. Das ist schockierend. positive Kommunikation setzt. überhaupt? Sie haben den Wert von Regeln und Ist gute Klassenführung heute Es ist es unmöglich, dass alles perfekt ge Ritualen hervorgehoben. Wie gelingt schwieriger als früher? lingt. Viel besser ist es, als Lehrperson es, dass diese von der ganzen Klasse Das glaube ich schon. Ich erinnere mich oder besser noch als Team eine Lernhal akzeptiert werden? noch gut an meine eigene Schulzeit, als Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Fokus tung einzunehmen und sich zu sagen: Es Der Psychologe Fabian Grolimund hat ein mir mein Lehrer einmal eine Ohrfeige ist völlig normal, Fehler zu machen. Hilf leicht verständliches Video zur Einfüh verpasste. Als ich das daheim erzählte, reich ist dann, dass man sich fragt, was rung von Klassenregeln gedreht. Darin sagten meine Eltern: «Wenn das nochmals sich aus den Fehlern lernen lässt, und fragt der Lehrer seine Klasse, weshalb es vorkommt, kriegst du auch Schwierigkei dass man den Schritt macht von der zum Beispiel bei Spielen Regeln braucht. ten mit uns!» Eine solche Reaktion wäre Fehlertoleranz hin zu einer Lerngemein Damit knüpft er an die Erfahrungen heute undenkbar. Die Eltern stehen voll schaft. Immer mehr Schulen machen sich seiner Schüler an und sie sehen von sich hinter ihren Kindern. Und sie glauben ih auf diesen Weg. aus, dass Regeln wichtig sind. Und im ren Kindern auch alles, was die von der Was glauben Sie: Kann jede Lehr- nächsten Schritt kann die Lehrperson Schule erzählen. Dabei erzählen Kinder person die für einen guten Unterricht ihre Klasse die Frage «Was brauchen wir, oft nur irgendwelche Ausschnitte. Ich will erforderlichen Techniken erlernen? damit sich alle bei uns wohlfühlen und gut bestimmt nicht die Eltern angreifen, aber Gewisse Dinge lassen sich bestimmt ler lernen können?» in Kleingruppen bear für die Schule entstehen damit unter Um nen, zum Beispiel verstärkte Präsenz im beiten lassen. ständen grosse Probleme. Auch deshalb Klassenzimmer. Eine andere Idee wäre, Und welche Regeln soll man bin ich sehr dafür, die Kontakte zwischen 18 sich mithilfe von Lernkarten auf mögliche einführen? Lehrperson und Eltern zu stärken.
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Schulbeurteilung Unterrichtsstunde. Diesmal eine Sek B, «Viele Schulen Religion und Kultur. Thema ist das Juden tum. Hier herrscht mehr Unruhe, wäh rend die Fachlehrperson Inputs gibt und schätzen die von ihrem Laptop Bildmaterial zeigt. Aus dem Lehrmittel bereiten die Schüle rinnen und Schüler gruppenweise einen Aussensicht» kurzen Text vor, den sie vortragen: 2000 Jahre Geschichte, gelebte Traditionen und ein knapper Blick in die jüngere Vergan genheit. Für die 14-Jährigen ist das ein Im Fünfjahresrhythmus werden die hoher Anspruch. Sie folgen jedoch den Ausführungen ihrer Kollegen recht auf Volksschulen im Kanton Zürich evaluiert. merksam. Federführend ist die Fachstelle für Zahlreiche Gespräche Schulbeurteilung. Ein Besuch an der «Die Lehrpersonen werden von uns nicht beurteilt, das ist Sache von Schulpflege Schule Obstgarten in Stäfa. und Schulleitung», sagt Marie-Theres Imhasly. Die grosse Pause ist für die Pau Text: Charlotte Spindler Foto: Dieter Seeger senbeobachtung reserviert, an der die drei Evaluatorinnen teilnehmen, dann folgen für Barbara Leutenegger und Meret Brunnschweiler je ein Gruppengespräch mit Schülerinnen und Schülern, für Imhasly eine Stunde Dokumentenstudium und anschliessend 40 Minuten für einen Ein detaillierter Plan für drei Tage gibt Tisch, schaut, wie weit die Jugendlichen fachlichen Austausch im Evaluationsteam. den Takt vor. Von halb acht Uhr morgens sind, gibt methodische Tipps und erklärt Für die letzten fünf Viertelstunden vor der bis abends um 19 Uhr sind die drei Eva dann kurz die Hausaufgaben. Im Klassen Mittagspause trifft sich Marie-Theres luatorinnen Marie-Theres Imhasly, Meret zimmer ist es während der ganzen Lekti Imhasly mit vier Fachlehrpersonen: Diese Brunnschweiler und Barbara Leuteneg on ruhig, alle Jugendlichen arbeiten kon berichten von laufenden oder geplanten ger unterwegs in der Schulanlage Obst zentriert. Imhasly schaut ihnen über die Projekten und gemeinsamen Aktivitäten garten in Stäfa. Mathematik, Werken, Schulter, studiert die Hefte und Arbeits der ganzen Schule, loben das Schul- und Englisch, Geschichte, Religion und Kultur. blätter. Unter anderem schaut sie immer Lernklima und die Zusammenarbeit im Es ist der Dienstag nach den Ferien; die auch, ob alle dieselben Aufgaben lösen, Kollegium. Nach der kurzen Mittagspause Jugendlichen wirken ausgeruht und las das gibt ihr Hinweise auf individualisier folgen eine halbe Stunde Arbeit im Eva sen sich von Marie-Theres Imhasly, die tes Unterrichten. luationsteam, zu zweit ein Gespräch mit vor ihrem Laptop sitzt, nicht stören. Der Die Zeit für Beobachtungen, Notizen der Schulpflege bzw. mit der Schulsozial Klassenlehrer der 1.-Sek-A-Klasse hat und das Sichten von Heften und Schüler arbeit. Am frühen Abend sitzen schliesslich fünf Vierergruppen gebildet, die an der arbeiten ist knapp bemessen: Die Lektion die Evaluatorinnen Marie-Theres Imhasly, Tafel Gleichungen lösen und sich dann ist rasch vorbei. Ein Blick auf die Uhr, eine Barbara Leutenegger und Meret Brunn an ihrem Platz schriftlichen Aufgaben kurze Verabschiedung, dann gehts gleich schweiler nochmals zusammen und be zuwenden. Der Lehrer geht von Tisch zu weiter: nächstes Schulzimmer, nächste sprechen ihre Beobachtungen, Interviews und Besuche. Die externe Schulevaluation Intensive drei Tage Die Fachstelle für Schulbeurteilung (FSB) wurde 2006 mit der Einführung des «Die drei Evaluationstage sind immer neuen Volksschulgesetzes geschaffen und hat den Auftrag, die Qualität äusserst intensiv», sagt Marie-Theres Im der Zürcher Volksschulen zu überprüfen. Jedes Jahr liefert die Fachstelle dem hasly, die seit 2006 als Evaluatorin wirkt. Regierungsrat einen Tätigkeitsbericht ab. Die Vorbereitungen beginnen schon lange Formuliert sind acht respektive neun Qualitätsansprüche und Indikatoren, vor den Besuchen an einer Schule; den Schulblatt Kanton Zürich 3/2017 Volksschule anhand deren die Evaluation vorgenommen wird. Die acht Qualitätsansprüche Evaluatorinnen und Evaluatoren liegen betreffen die Bereiche «Lebenswelt Schule», «Lehren und Lernen» sowie umfangreiche Dossiers vor, darunter auch «Schulführung und Zusammenarbeit». In der Sekundarstufe wird neu auch der die Ergebnisse der schriftlichen Befra Berufswahlprozess mit bewertet. gungen von Lehrpersonen, Eltern sowie Die Evaluatorinnen und Evaluatoren der Fachstelle haben mehrheitlich eine Schülerinnen und Schülern, welche die pädagogische Ausbildung und Erfahrungen als Lehrpersonen auf verschiedenen Fachstelle im Vorfeld des Evaluationsbe Stufen, dazu Weiterbildungen unter anderem in Projektleitung, Schulführung, suchs durchführt. Die drei Besuchstage Coaching, Kommunikation. sind durchgeplant. Zwischen den Besu Im dritten Evaluationszyklus sind einige Änderungen vorgenommen worden, chen müssen Ordner mit Schülerarbeiten in den grossen Zügen folgen die Evaluationen jedoch den früheren Vorgaben. durchgearbeitet werden. Der Leitfaden Neu ist, dass die integrativen sonderpädagogischen Angebote evaluiert werden. für die Evaluation gibt die Struktur der Schulsozialarbeit wird bei der Evaluation mitberücksichtigt, seit sich dieses Beobachtungen bzw. Befragungen der Angebot an zahlreichen Schulen etabliert hat. Mit dem zunehmenden Angebot Evaluatoren vor. an Tagesschulen werde die Fachstelle ihr Verfahren künftig verstärkt darauf «Es ist ein vergleichsweise objektives richten, sagt Andreas Brunner, Leiter Fachstelle für Schulbeurteilung. [cs] Verfahren, das in den zehn Jahren seit www.fsb.zh.ch 2006 erprobt ist und die detaillierte Beob 20 achtung einer Lektion oder des Gesprächs
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