Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen

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Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen
                                                              92. Jahrgang | März 2019

Fordern und Fördern
Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin

Recht                       Selbstverwaltung              Praxis & Versorgung
Hautschäden durch           Vertreter-                    Nie verkehrt:
Manschette hätten           versammlung                   Notfallordner für
verhindert werden           nimmt TSVG                    den Sterbefall
müssen                      unter Beschuss
Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Zielgruppengenau und treffsicher.

Der Anzeigenmarkt
im niedersächsischen ärzteblatt

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Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Editorial

                 Fordern und Fördern

                                     Liebe Kolleginnen und Kollegen,
                                     sehr geehrte Damen und Herren,

                                     die Delegierten der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen haben mit gro-
                                     ßer Mehrheit der „Richtlinie zur Anerkennung gleichwertiger Weiterbildungen im Gebiet All-
                                     gemeinmedizin auf Basis der Weiterbildungsordnung (WBO) in der Fassung der Neube-
                                     kanntmachung vom 1. Juni 2018“ zugestimmt. Nun können Fachärztinnen und Fachärzte
Foto: C. Wyrwa

                                     mit Anerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung nach einer zwei-
                                     jährigen zusätzlichen Weiterbildung bei einem ermächtigten Allgemeinmediziner den Fach-
                                     arzt für Allgemeinmedizin erwerben.

                            Die Richtlinie bietet Kolleginnen und Kollegen, die an einem Quereinstieg in die allgemeinmedizini-
                            sche Versorgung interessiert sind, einen klar geregelten Zugang. Die bereits über andere Weiterbil-
                            dungen gesammelten Kompetenzen und Erfahrungen werden einheitlich eingeordnet und erfasst und
                            durch die 24-monatige Weiterbildung bei einem Facharzt für Allgemeinmedizin ergänzt. Ebenfalls fest-
                            geschrieben ist die Teilnahme am Kurs zur psychosomatischen Grundversorgung.

                            Die im Ausschuss für Ärztliche Weiterbildung erarbeitete Richtlinie soll – getreu dem Motto „Fordern
                            und Fördern“ – dazu dienen, die Qualität in der allgemeinmedizinischen Versorgung zu erhalten und
                            gleichzeitig die Hürden für einen Quereinstieg interessierter Kolleginnen und Kollegen möglichst nied-
                            rig zu halten.

                            In dieser Ausgabe berichten zwei Mitglieder des Ausschusses für Ärztliche Weiterbildung, Professor
                            Dr. med. Thomas Lichte und Dr. med. Jörg Weißmann, über Details zur Richtlinie (Seite 8/9) und auf
                            unserer Homepage www.aekn.de finden Sie unter dem Punkt „Weiterbildung“ die komplette Richtli-
                            nie sowie eine Checkliste und weitere hilfreiche Informationen rund um das Thema Ärztliche Weiter-
                            bildung.

                            Ich persönliche freue mich sehr, dass wir mit der Richtlinie einen gangbaren Weg für die niedersäch-
                            sischen Kolleginnen und Kollegen schaffen konnten, der auch Sicherheit bei der beruflichen Planung
                            bietet.

                            Mit kollegialen Grüßen

                            Marion Charlotte Renneberg
                            Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen

                 3 | 2019                                                                                                       3
Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Bessere Chancen für Frühgeborene

Inhalt                                                       Das Konzept der ersten hannoverschen Frauenmilchbank stellte Professor Dr. med.
                                                             Florian Guthmann, Chefarzt der Neonatologie im Kinder- und Jugendkrankenhaus
                                                             AUF DER BULT, auf der Jahresversammlung der Niedersächsischen Perinatalerhebung

niedersächsisches ärzteblatt                                 vor. Welche Vorteile die Ernährung mit humaner Milch für die Frühgeborenen mit sich
                                                             bringt, lesen Sie ab S. 10.

ÄKN
Weiterbildung
8    Quereinstieg in die Allgemeinmedizin Die Ärztekammer
     Niedersachsen ermöglicht ab sofort die Weiterbildung
                                                             Recht
                                                             16     Hautschäden durch Manschette am Arm Von Fall zu
                                                                    Fall: Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungs-
     zum Allgemeinmediziner in 24 Monaten. An den In-               stelle für Arzthaftpflichtfragen
     halten ändert sich nichts
                                                             Patientensicherheit
Klinik und Praxis                                            18     Sicherheitskultur auf allen Ebenen Jahrestagung des
10   Frauenmilch hilft Frühchen Auf der Jahresversammlung           Aktionsbündnisses Patientensicherheit Anfang Mai in
     der Niedersächsischen Perinatalerhebung stellte Pro-           Berlin
     fessor Dr. med. Florian Guthmann die erste hanno-
     versche Milchbank vor

Bezirksstellen
13   Hildesheim Professor Dr. med. Jörg Pelz vom St. Bern-
     ward Krankenhaus referierte über eine neue Kombi-
     nationstherapie für Bauchfellmetastasen
14   Wilhelmshaven Beim Neujahrsempfang von Ärzte-
     kammer und Kassenärztlicher Vereinigung gab es viel
     Lob für das Projekt „Land(Er)Leben – Medizin lernen
     und leben von Jade bis Weser“
                                                             Bitte beachten Sie die Beilage der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen und
15   Oldenburg Examensfeier für die ersten Absolventen der   der Firma plexus „Echte Helden arbeiten im Gesundheitswesen“ in einem Teil dieser
     European Medical School Oldenburg-Groningen             Auflage

     (EMS)
                                                                                                                                                   Foto: Mack/BULT

4                                                                                                         niedersächsisches ärzteblatt
Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Vor dem Paradigmenwechsel?                                       Standards
                                                                 3    Editorial
Im Moment scheint niemand
mehr durchzublicken beim                                         6    Aktuell
TSVG – bleibt nur zu hoffen,                                     19   ÄKN-Mitteilungen
dass der Gesundheitsminister
am Ende noch weiß, was er ei-                                    48   KVN-Mitteilungen
gentlich wie erreichen will. Der                                 55   Veranstaltungen
Vorstand der KVN und die De-
legierten der KVN-Vertreter-
                                                                 61   Rubrikenanzeigen
versammlung jedenfalls stan-                                     67   Impressum
den auf der Frühjahrs-VV ein-
mütig beieinander in ihrer Ab-
lehnung des Gesetzes. KVN
Chef Barjenbruch schwante
Böses: Manches davon werde
„für uns nicht gut ausgehen.“
S. .23ff

KVN
Vertreterversammlung
23      Sorgenvolle Blicke in die Zukunft Frühjahrs-Vertreter-
        versammlung der KVN stand im Schatten der Bundes-
                                                                 Praxis und Versorgung
                                                                 35
                                                                 36
                                                                      Neuerscheinungen
                                                                      Broschüre Langfristiger Heilmittelbedarf Einlegeblatt:
        politik                                                       Was ist neu?
24      VV-Kurzinfo                                              37   Postkartenaktion plexus KVN – mit interaktiven Fort-
27      Niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten lehnen            bildungen auf dem Laufenden bleiben
        Spahn-Gesetz ab VV verabschiedet Resolution gegen        38   Empfehlungen für das Unfassbare Plötzlicher Tod des
        TSVG                                                          Praxisinhabers – Hinweise für den Todesfall
                                                                 42   Ökologisch Steuern sparen Steuertipp: Drei neue Steu-
Arzneimittel & Therapie                                               ervorteile für einen ökologischen Weg zur Arbeit
28      Panzytopenie unter Metamizol Atis informiert: Unver-
        zügliches Absetzen erforderlich                          Telemedizin & Digitales
                                                                 43   Jetzt aber Dalli! Unbürokratischer Nachweis der TI-An-
Selbstverwaltung                                                      bindung bis 31. März 2019 vermeidet Honorarkürzung
30      Großes Engagement für kleine Herzen KVN unterstützt      44   Hausbesuch vom Sanitäter Einsatz von Notfallsanitä-
        Initiative „Kleine Herzen Hannover“ für herzkranke            tern im Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst ist gut an-
        Kinder                                                        gelaufen
31      Rundum positiv Qualitätszirkel Delmenhorst blickt auf
        25jähriges Bestehen zurück                               Politik & Verbände
32      Auf der Datenautobahn alles im Griff KVN hat ihre In-    47   Aus anderen KVen
        ternetpräsenz generalüberholt. Die Mitglieder erwar-
        tet ein neues Nutzererlebnis

3 | 2019                                                                                                                    5
Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Aktuell

Emsland gilt als FSME-
Risikogebiet
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis – kurz FSME – brei-            Die Zecke Ixodes ricinus, auch bekannt als der Gemeine Holzbock,
tet sich offensichtlich Richtung Norden aus, bisher liegen die    kann den FSME-Virus übertragen.
Risikogebiete hauptsächlich in Süddeutschland. Das Robert
Koch-Institut hat jetzt den Landkreis Emsland neu als FSME-       Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) be-
Risikogebiet ausgewiesen. FSME ist eine von Zecken über-          obachtet die Entwicklung von FSME in Niedersachsen seit
tragene Viruserkrankung. Gegen die Krankheit gibt es bisher       Jahren sehr genau: Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass
keine zuverlässige Behandlung und es kann zu schweren             eine Infektion mit FSME auch außerhalb des Landkreises
Verläufen mit bleibenden Schäden kommen. Im Emsland               Emsland nicht völlig auszuschließen sei, sagte der NLGA-
wurden zwischen 2016 und 2018 insgesamt acht FSME-Fäl-            Virologe Dr. Masyar Monazahian anlässlich der Veröffentli-
le registriert, bei denen die Infektion in der Region erfolgt     chung der aktuellen Empfehlungen der Impfkommission. „Ei-
war. Mit der nun veranlassten Klassifizierung als Risikoge-       ne Impfung bietet den besten Schutz gegen eine FSME-Er-
biet ist zugleich eine FSME-Impfempfehlung durch die Stän-        krankung“, betonte Dr. Matthias Pulz, Präsident des Nie-
dige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) ver-          dersächsischen Landesgesundheitsamts. Nach zwei Imp-
bunden. Zu der vor der Erkrankung schützenden Impfung             fungen besteht ein Schutz, der allerdings nur etwa ein Jahr
wird allen im Landkreis lebenden Personen geraten, die mit        anhält. Für einen langfristigeren, etwa drei Jahre andauern-
Zecken in Berührung kommen können.                                den Impfschutz ist eine dritte Impfung notwendig. ■ wbg

Neue Studienplätze im                                             Seminarkongress der
Fach Medizin                                                      Hausärzte
50 zusätzliche Medizinstudienplätze will die Medizinische         Vom neuen Datenschutzrecht über Burnout, Impfmanage-
Hochschule Hannover (MHH) zum Wintersemester 2020/21              ment und Hautkrebs-Screening bis hin zu Mikrobiom und
bereitstellen. Das gaben MHH-Präsident Professor Dr. med.         Schmerztherapie reichen die Themen des 35. Seminar-
Michael Manns und Björn Thümler, der Niedersächsische Mi-         kongresses Norddeutscher Hausärzte am Freitag, 3. Mai,
nister für Wissenschaft und Kultur, jetzt bekannt. Dafür muss     und Samstag, 4. Mai 2019, in Lüneburg. Mehr als 54 Fort-
die MHH ihren Modellstudiengang HannibaL – die Abkür-             bildungen und Seminare stehen auf dem Programm, da-
zung steht für hannoversche, integrierte, berufsorientierte und   runter auch das Politikforum – diesmal zu dem Thema „Wie
adaptive Lehre – umstrukturieren. Denn die meisten Hörsäle        versorgen wir die Bevölkerung 2030 in Niedersachsen?“
der MHH fassen nur 100 Teilnehmer. Daher durchlaufen die          Auf dem Podium werden mit den Abgeordneten Dr. med.
270 Studierenden pro Semester derzeit in drei Gruppen zu          Thela Wernstedt (SPD), Volker Meyer (CDU), Stefan Wen-
90 Teilnehmern im Rotationsprinzip das Studienjahr.               zel (Bündnis 90/Die Grünen), Sylvia Bruns (FDP) und Ste-
                                                                  phan Bothe (AfD) alle Parteien aus dem Landtag vertreten
Bereits verabschiedet hat der niedersächsische Landtag die        sein. Die Moderation übernimmt Dr. med. Matthias Berndt
Verdopplung der bisher 40 Studienplätze an der European Me-       als Vorsitzender des Landesverbands Niedersachsen des
dical School (EMS) in Oldenburg. Dort können schon zum            Deutschen Hausärzteverbands.
Wintersemester diesen Jahres insgesamt 80 Studierende star-                                                           ■ red
ten. In den nächsten Jahren soll die Gesamtzahl schrittweise
auf 200 Studienanfänger erhöht werden. Auch in Göttingen          Das komplette Programm inkl.
wird ausgebaut: Mit dem geplanten „Klinischen Campus              Anmeldeformular finden Sie
                                                                                                                                     Foto: Carola Vahldiek - Adobe Stock

Braunschweig der Universitätsmedizin Göttingen am Klini-          online auf
kum Braunschweig“ sollen vom Wintersemester 2020/21 an            a www.hausaerzteverband-
60 Teilstudienplätze in Vollstudienplätze umgewandelt wer-           niedersachsen.de
den. Damit können die Studierenden, die bisher nach dem           oder als PDF-Download über
Physikum die Universität wechseln mussten, in Göttingen ein-      den nebenstehenden QR-Code.
geschrieben bleiben und absolvieren den klinischen Teil ih-
res Studiums in Braunschweig.                         ■ wbg

6                                                                                                     niedersächsisches ärzteblatt
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Aktuell

                          Zwölf Patienteninformationen zu seltenen Erkrankungen                                  Kassenärztliche Vereinigung
                                                                                                                 Niedersachsen fordert Ab-
                                                                                                                 schaffung der Regresse
                          Anlässlich des Tages der seltenen Er-       zin (ÄZQ) gemeinsam mit der Allianz
                          krankungen am 28. Februar 2019 hat          Chronischer Seltener Erkrankungen          Das geplante Terminservice- und Ver-
                          die Kassenärztliche Bundesvereini-          (ACHSE) e.V. seit 2013 diese Patien-       sorgungsgesetz vergrault den Ärzte-
                          gung (KBV) auf ihre Patienteninforma-       teninformationen zu seltenen Erkran-       nachwuchs, da die Regresse weiterhin
                          tionen eigens zu diesem Thema hinge-        kungen.                                    Bestand haben sollen. Davon zeigt sich
                          wiesen. Die zweiseitigen Publikatio-        In Deutschland leben etwa vier Mil-        die Kassenärztliche Vereinigung Nie-
                          nen sollen den Betroffenen helfen, sich     lionen Menschen mit einer seltenen Er-     dersachsen (KVN) überzeugt. „Wir for-
                          einen ersten Überblick über Sympto-         krankung. Der Tag der seltenen Er-         dern nach wie vor die generelle Ab-
                          me, Diagnose und Therapie ihrer sel-        krankungen wurde erstmals in Europa        schaffung von Arznei- und Heilmittel-
                          ten vorkommenden Erkrankung zu ver-         und Kanada am 29. Februar 2008 be-         regressen. Regresse sorgen weiterhin für
                          schaffen. Dabei stehen praktische Hil-      gangen, um auf die Belange von Be-         Frust in der Praxis und sind ein wesent-
                          festellungen und Informationen zum          troffenen aufmerksam zu machen. Da-        licher Hinderungsgrund für die Nieder-
                          Selbstmanagement im Fokus. Derzeit          bei wurde bewusst mit dem Schalttag        lassung von jungen Ärztinnen und Ärz-
                          gibt es Infoblätter zu zwölf seltenen Er-   der seltenste Tag eines Jahres gewählt.    ten“, sagte Mark Barjenbruch, Vor-
                          krankungen, darunter zu den Binde-          In Nicht-Schaltjahren ist der 28. Feb-     standsvorsitzender der KVN. Die nach-
                          gewebserkrankungen Sarkoidose und           ruar der Tag der seltenen Erkrankungen.    rückende Ärztegeneration sei selbstbe-
                          Marfan-Syndrom. In Kürze wird ein In-       Die Patienteninformationen stehen          wusst und habe die freie Wahl, wo und
                          foblatt zu der neurologischen Erkran-       kostenfrei zum Download unter              wie sie arbeiten will. „Deshalb ist die
                          kung Narkolepsie erscheinen. In einem       https://www.kbv.de/html/3001.php be-       Politik gut beraten, den Nachwuchs
                          Kooperationsprojekt erstellt das Ärztli-    reit .                                     nicht mit immer neuen gesetzlichen
                          che Zentrum für Qualität in der Medi-                                          ■ dh    Vorgaben und Eingriffen von einer Nie-
                                                                                                                 derlassung abzuschrecken.“ Die Angst
                                                                                                                 vor Regressforderungen bei angehen-
                          Weiterbildungsförderung für weitere Fachärzte –                                        den Ärztinnen und Ärzten steht ganz
                          Krankenkassen ziehen nicht mit                                                         vorn bei der Entscheidung gegen eine
                                                                                                                 Niederlassung als Kassenarzt. Dies er-
                          Die Kassenärztliche Vereinigung Nie-        gibt die KVN einseitig einen monatli-      gab eine aktuelle Umfrage unter gut
                          dersachsen (KVN) will die Weiterbil-        chen Zuschuss von 2.400 Euro für je-       13.000 Medizinstudierenden, die im
                          dungsförderung zur Sicherstellung der       de ambulante fachärztliche Weiterbil-      Auftrag der Kassenärztlichen Bundes-
                          ärztlichen Versorgung der Bevölkerung       dung. „In anderen Bundesländern wer-       vereinigung von der Universität Trier
                          auf weitere Facharztgruppen auswei-         den bis zu zwölf Facharztgruppen ge-       durchgeführt wurde.                ■ dh
                          ten. Die Krankenkassen lehnen dies          meinsam von Krankenkassen und Kas-
                          bisher kategorisch ab.                      senärztlichen Vereinigungen gefördert.     Noch 30 Landarzt-
                          „Wir sehen jetzt schon in einigen Be-       Niedersachsen bildet mit nur vier ge-      stipendien zu vergeben
                          reichen, dass wir auch bei der fach-        förderten Facharztgruppen das Schluss-
                          ärztlichen Versorgung in den kom-           licht in Deutschland“, kritisierte Bar-    Im niedersächsischen Landarztsti-
                          menden vier bis fünf Jahren riesige Pro-    jenbruch. Er möchte die Förderung          pendien-Programm für Medizinstu-
                          bleme bei der Sicherstellung bekom-         mindestens auf das durchschnittliche       denten ist noch Platz. Etwa 30 der 60
                          men werden. Deshalb haben wir ein           Niveau der anderen Bundesländer aus-       Stellen sind frei. Das Stipendium un-
                          hohes Interesse daran, die zur Verfü-       weiten.                                    terstützt künftige Ärzte während ihres
                          gung stehenden Mittel der Förderung in      Die Fördersumme je Weiterbildungs-         Studiums für maximal vier Jahre mit
                          vollem Umfang für die Weiterbildung         stelle liegt bei 4.800 Euro, die je zur    400 Euro im Monat. Im Gegenzug
                          fachärztlichen Praxisnachwuchses in         Hälfte von der KVN und den Kranken-        verpflichten sich diese, ihren Facharzt
                          Niedersachsen zu nutzen“, so KVN-           kassen getragen werden sollen – des-       in Allgemeinmedizin in Niedersach-
                          Chef Mark Barjenbruch. Im Augen-            halb entscheiden die Kassen mit. Es ste-   sen zu machen und dann so lange als
                          blick sind volle Förderstellen für die      hen für Niedersachsen knapp einhun-        Hausarzt in einer ländlichen Region
: Foto: MHH / K. Kaiser

                          Weiterbildung nur in vier Fachgebieten      dert Weiterbildungsstellen zur Verfü-      zu arbeiten, wie sie Geld erhalten ha-
                          möglich: Augenheilkunde, Frauenheil-        gung. Tatsächlich gefördert werden         ben. Die KVN nimmt Bewerbungen
                          kunde, Kinder- und Jugendmedizin so-        zurzeit nur 70 Stellen.                    entgegen.                          ■ ös
                          wie Psychiatrie. Unabhängig davon                                              ■ dh

                          3 | 2019                                                                                                                     7
Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Weiterbildung

Quereinstieg in die
Allgemeinmedizin
Weiterbildung in 24 Monaten / Keine Änderung an den Inhalten / Der Kursus
„psychosomatische Grundversorgung“ gehört zum Curriculum

Die Richtlinie zur Anerkennung gleichwertiger Weiterbildungen ermöglicht einen klar geregelten Quereinstieg in die Allgemeinmedizin.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen                     individuelle Prüfung der vorgelegten Weiterbildungsab-
(ÄKN) hat in ihrer Sitzung am 27. November eine Richtlinie              schnitte, um dann zu einer sinnvollen Ergänzung zu raten.
zur Anerkennung gleichwertiger Weiterbildungen und da-                  Das war ein durchaus effektives Vorgehen. Der Vorteil einer
mit den sogenannten Quereinstieg in die Allgemeinmedizin                solch individuellen Prüfung bringt aber den Nachteil mit
mit sofortiger Wirkung beschlossen. Nun können Fachärz-                 sich, einer generellen Lösung im Weg zu stehen. Das wie-
tinnen und Fachärzte mit Anerkennung in einem Gebiet der                derum führte zu Unsicherheiten bei den potenziellen An-
unmittelbaren Patientenversorgung nach einer mindestens                 tragstellern. Das Ergebnis war eine Abwanderung nieder-
zweijährigen zusätzlichen Weiterbildung bei einem er-                   sächsischer Kolleginnen und Kollegen in benachbarte Lan-
                                                                                                                                            Foto: Thomas Reimer / stock.adobe.com

mächtigten Allgemeinmediziner den Facharzt für Allge-                   desärztekammern, die den Quereinstieg bereits ermöglich-
meinmedizin erwerben. Damit wird dem Wunsch vieler                      ten.
Fachärzte entsprochen, die in die Allgemeinmedizin wech-
seln wollen, aber bislang vor einer weiteren, langen Wei-               Voraussetzungen für die Prüfungszulassung
terbildungszeit zurückschreckten.
                                                                        Für Niedersachsen galt es nun, den Spagat aus einer an-
Lange Zeit hat die ÄKN gezögert, einen derart grundsätzli-              spruchsvollen Weiterbildung einerseits und einer sachge-
chen Beschluss zu fassen. Man setzte vielmehr stets auf die             rechten pragmatischen Lösung andererseits möglichst ele-

8                                                                                                            niedersächsisches ärzteblatt
Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Weiterbildung

gant zu bewerkstelligen. Nach langen, konstruktiven De-        also die in der WBO festgelegten Fähigkeiten und Fertigkei-
batten in den Gremien der ÄKN, vor allem mit dem Wei-          ten – werden von der Neuregelung nicht berührt und müs-
terbildungsausschuss sowie mit dem Hausärzteverband und        sen weiterhin in Zeugnissen vollständig belegt werden. Da-
der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Fa-        für Sorge zu tragen, ist auch Aufgabe der Ärztinnen und Ärz-
milienmedizin einigte man sich auf folgende Voraussetzun-      te, die eine Facharztanerkennung in Allgemeinmedizin an-
gen für die Prüfungszulassung zur Fachärztin / zum Fach-       streben.
arzt für Allgemeinmedizin:
                                                               Interessenten für den Quereinstieg
-     FÄ/FA in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenver-
      sorgung (was sich nach § 2 Absatz 4 der Weiterbil-       Es wird sicher auch Kritik an dem Beschluss geben. Nach
      dungsordnung der ÄKN richtet)                            den bisherigen Erkenntnissen waren die Kandidaten für den
-     24 Monate Weiterbildung in der Allgemeinmedizin bei      Quereinstieg bereits vielfach längere Zeit nach Erwerb der
      einem zur Weiterbildung im Gebiet Allgemeinmedizin       Facharztanerkennung in dem erlernten Gebiet tätig, konn-
      ermächtigten Facharzt für Allgemeinmedizin               ten also noch zusätzliche Erfahrungen sammeln. Bisher ha-
-     Absolvierung des Kurses „psychosomatische Grundver-      ben sich praktisch nur Internisten unmittelbar nach ihrer
      sorgung“                                                 Facharztprüfung für die Fortsetzung der Weiterbildung mit
                                                               dem Ziel entschieden, Allgemeinmediziner zu werden.
Nicht gefordert, aber aus inhaltlichen Gründen sehr zu emp-
fehlen, ist die Teilnahme am KANN – dem Kompetenzzen-          Die ersten Rückmeldungen lassen erwarten, dass die neue
trum zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin          Regelung angenommen werden wird. Der Weiterbildungs-
Niedersachsen oder an den entsprechenden Angeboten zum         ausschuss und insbesondere die fünf dort vertretenen All-
Beispiel in angrenzenden Landesärztekammerbereichen.           gemeinärztinnen und -ärzte sind optimistisch, dass mit der
Hier können die Kolleginnen und Kollegen, die sich in Wei-     Ermöglichung des Quereinstiegs etwas gegen den Hausärz-
terbildung befinden, ihnen eventuell noch fehlende, nach       temangel getan wird und gleichzeitig die erforderliche Qua-
der Weiterbildungsordnung aber geforderte Inhalte in Se-       lität gesichert bleibt.
minar- und Kursform erwerben.
                                                                  Prof. Dr. med. Thomas Lichte
Abschließend sei noch klargestellt, dass sich diese Richtli-      Dr. med. Jörg Weißmann
nie nur auf die in der Weiterbildungsordnung (WBO) gefor-         Mitglieder im ÄKN-Ausschuss
derten Mindestweiterbildungszeiten bezieht. Die Inhalte –         für Ärztliche Weiterbildung

                                                                                                                    Anzeige

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Fordern und Fördern Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin - Ärztekammer Niedersachsen
Klinik und Praxis

Frauenmilch verbessert Überlebenschancen von
Frühchen
Jahresversammlung der Niedersächsischen Perinatalerhebung:
Professor Dr. med. Florian Guthmann stellt die erste hannoversche Milchbank vor /
Auch Qualitätsindikatoren für Krankenhäuser sind ein Thema
„Stillen ist der Goldstandard“, betonte Privatdozentin Dr.
med. Angela Kribs. Als Oberärztin der Universitätskinder-
klinik Köln mit dem Schwerpunkt Neonatologie und Pädia-
trische Intensivmedizin erläuterte Kribs auf der Jahresver-
sammlung der Niedersächsischen Perinatalerhebung (NPE)
am 8. Februar in Hannover die Bedeutung der Mutter-
milchernährung: „Durch das Kolostrum erhalten die Neu-
geborenen eine erste passive Immunisierung“, sagte die Ärz-
tin in ihrem Vortrag vor den rund 70 Teilnehmern und be-
legte mit Studienergebnissen, dass die Überlebenschance
von Frühgeborenen höher ist, wenn sie bereits innerhalb der
ersten Stunde nach der Geburt angelegt werden.

Aber auch im Falle von häufig bei Frühgeborenen auftre-
tenden Krankheiten wie der Frühgeborenen-Retinopathie, ei-
ner Netzhauterkrankung, oder der Nekrotisierenden Ente-
rokolitis (NEC), einer entzündlichen Erkrankung der Darm-
schleimhaut, sei die Ernährung mit menschlicher Milch der
Ernährung mit Formula-Produkten überlegen. Selbst jenseits
dieser gravierenden Krankheiten profitieren die Frühchen
Kribs zufolge enorm von der Muttermilch. Studien zur In-
telligenz von Kindern im Vorschulalter hätten ergeben, dass
mit humaner Milch ernährte Kinder über einen höheren In-
telligenzquotienten verfügten, berichtete die Medizinerin:
„Das ist ein Argument für Frauenmilchernährung, falls kei-
ne Muttermilch vorhanden ist“, so Kribs.                      Anja Rudolph, Fachärztin für Neonatologie, leitet die Frauenmilchbank
                                                              AUF DER BULT.

Frauenmilchbank im hannoverschen Kinder-
und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT                            tungen mit dem Aufkommen der künstlichen Säuglingsnah-
                                                              rung in den siebziger Jahren erst 2012 wieder die erste Frau-
Damit hatte die Ärztin den Boden bereitet für Professor Dr.   enmilchbank im Perinatalzentrum an der Münchner Uni-
med. Florian Guthmann. Der Chefarzt der Neonatologie im       versität in Großhadern eröffnet worden, berichtete Guth-
Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT in Hanno-          mann.
ver stellte seinerseits auf der NPE-Jahresversammlung die
jüngst in Betrieb genommene Frauenmilchbank seines Hau-       In Niedersachsen ist die hannoversche Frauenmilchbank nun
ses vor: „Gerade in den ersten 14 Lebenstagen ist die hu-     die zweite Institution dieser Art. Nachdem die Fraktionen von
mane Milch besonders wichtig“, sagte Guthmann. „Oft           SPD und Grünen Mitte 2016 den Antrag zur Einrichtung ei-
schaffen wir es mit humaner Milch, die Frühgeborenen in       ner Muttermilchbank in den niedersächsischen Landtag ein-
sieben Tagen enteral aufzubauen, so dass sie den Gefäßzu-     gebracht hatten und auf parteiübergreifende Zustimmung ge-
gang los werden.“                                             stoßen waren, erhielten im vorigen Herbst gleich drei nie-
                                                              dersächsische Kliniken die Genehmigung. Die erste Frau-
                                                                                                                                      Fotos: Mack/BULT

Die Idee sei nicht neu, räumte er ein. Vor allem in der DDR   enmilchbank wurde bereits im September am Marienhos-
habe es früher viele Milchsammelstellen gegeben. In West-     pital in Vechta eröffnet. Als dritter Standort bekam das Kli-
deutschland allerdings sei nach der Schließung der Einrich-   nikum Wolfsburg einen Zuschlag.

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Die Milch wird vor der Gabe an die Kinder getestet.

Frauenmilch verbessert Überlebenschancen                          Kurse für die Eltern von Zweijährigen

„Ich bin jetzt auf der Bult der zweite Lebensmittelunterneh-      Mit FILU-F – Kurse für Eltern früh- und reifgeborener Kinder –
mer neben dem Kantinenchef“, flachste Guthmann auf dem            stellte Diplom-Dokumentarin Silvia Berlage vom Zentrum
Kongress, um dann besonders den Einsatz von Anja Rudolph          für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ)
zu würdigen, die als Fachärztin für Neonatologie die Lei-         der Ärztekammer Niedersachsen ein weiteres Projekt vor, das
tung der Muttermilchbank übernommen hat. Auf der Früh-            Frühchen auf dem Weg ins Leben begleitet. Vor dem Hin-
geborenen-Station versorgt Rudolphs Team Frühgeborene,            tergrund des Risikos von Entwicklungsstörungen bei extrem
die manchmal noch weniger als 500 Gramm wiegen und                unreifen Frühgeborenen sollen, so die Organisatorin der
aus unterschiedlichen Gründen keine Milch von der eige-           NPE-Jahresversammlung, den Eltern von Zweijährigen Kur-
nen Mutter erhalten können, mit gespendeter Milch. Guth-          se in mehreren Sozialpädiatrischen Zentren und einer Arzt-
mann zufolge stammt die Milch ausschließlich von Frauen,          praxis in Niedersachsen angeboten werden. Die aus vier Ter-
deren Kinder ebenfalls im Krankenhaus AUF DER BULT lie-           minen zu je drei Stunden bestehenden Kurse sollen in Ol-
gen, die aber mehr Milch haben, als der eigene Nachwuchs          denburg, Braunschweig, Celle, Göttingen, Osnabrück, Pa-
trinken kann.                                                     penburg, Lüneburg und Wolfsburg stattfinden.

Neben dem Einverständnis der Eltern ist vor der Gabe der
                                                                                                                                            Anzeige
Milch an die Frühgeborenen eine medizinische Untersu-
chung der Spenderin – ähnlich wie bei einer Blutspende –
sowie eine Überprüfung der Milch auf bakteriologische Ver-          Privatliquidation von Mensch zu Mensch.
unreinigungen die Bedingung. „Wird die Milch roh verfüt-
tert, wird jede Flasche getestet“, betonte Guthmann. Doch
für den Chefarzt rechnet sich der Aufwand. Wie er den Teil-
nehmern der Jahresversammlung in seinen Vortrag anhand                                                „Es fällt uns jetzt viel leichter,
                                                                                                       die Liquiditätsplanung
der Zusammensetzung der Milch darlegte, hat die nicht pas-                                             verlässlich zu gestalten.“
teurisierte Milch wesentlich mehr wichtige Bestandteile.                                               Dr. med. Jörg Hennefründ,
„Die natürliche Milch verbessert nachweislich die Chancen                                              Mitglied der PVS seit 2008
auf ein gesundes Überleben“, sagte Guthmann. Aber nicht               „Jetzt meinen
                                                                   Erfahrungsbericht
nur das: „Frauenmilch ist ein Faktor, der die Sterblichkeit von      kostenfrei unter
                                                                   kontakt@die-pvs.de     Die PVS® Niedersachsen | Stadtkoppel 29 | 21337 Lüneburg
extrem zu früh Geborenen beeinflusst.“                                                    04131 3030 120 | info@pvs-niedersachsen.de
                                                                        anfordern!“

3 | 2019                                                                                                                                             11
Klinik und Praxis

Privatdozent Dr. med. Heiko Franz, Chefarzt der   Diskutierten mit den Teilnehmern der NPE-Jahresversammlung über den Wert von humaner
Frauenklinik im Klinikum Braunschweig, begrüß-    Milch für Frühgeborene (v.l.n.r.): Privatdozentin Dr. med. Angela Kribs, Oberärztin der Univer-
te die Teilnehmer als Vorsitzender der Ständi-    sitätskinderklinik Köln, und Professor Dr. med. Florian Guthmann, Chefarzt der Neonatologie
gen Kommission der Niedersächsischen Perina-      im Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT. Die Moderation übernahm Professor
talerhebung (NPE) und nahm zur Einhaltung von     Dr. med. Karsten Harms, Chefarzt des Kinderzentrums im Helios Klinikum Hildesheim und
Qualitätskriterien für Krankenhäuser Stellung.    stellvertretender Vorsitzender der Ständigen Kommission der NPE.

Unter dem Titel „Selbstregulation spielerisch fördern“ zei-                2016. Es bezieht erstmals Qualität als Kriterium für die Kran-
gen die Veranstaltungen Eltern, wie sie ihr Kind dabei un-                 kenhausplanung mit ein und führte damit zu der ange-
terstützen können, die eigenen Gefühle und Handlungen                      strebten Entwicklung von planungsrelevanten Qualitätsin-
besser zu steuern und zu kontrollieren. Entwickelt worden                  dikatoren. Veit zufolge ergab sich aber aus den Vorgaben des
war das Konzept von Professorin Dr. rer. nat. Silke Hertel und             für die Umsetzung des Gesetzes zuständigen Gemeinsamen
Professorin Dr. sc. hum. Gitta Reuner von der Universität                  Bundesausschusses (G-BA) hinsichtlich der Überprüfung der
Heidelberg. „Doch den Kursus in der Fläche durchzuführen,                  Leistungen die Problematik, dass bei der abschließenden Be-
ist eine große Herausforderung“, resümiert Berlage. Denn                   wertung nur ein „zureichend“ oder „unzureichend“ ohne
die weiten Anfahrtszeiten, die fehlende Kinderbetreuung und                jegliche Abstufung zur Verfügung stand. Das habe sich als
die lange Dauer der Kurse würden dem Zuspruch der Eltern                   Nachteil für die bundesweit 71 Häuser erwiesen, denen da-
bisher im Wege stehen.                                                     durch eine „unzureichende“ Qualität bescheinigt worden
                                                                           sei. Deswegen gehört für Veit eine Weiterentwicklung der
Qualitätssicherung im Krankenhaus                                          Qualitätsindikatoren und vor allem eine Differenzierung der
                                                                           Einstufung zu den nächsten Aufgaben des IQTIG: „Schlie-
Um planungsrelevante Qualitätsindikatoren auf dem Gebiet                   ßung ist nicht das Standardziel der Maßnahmen“, betonte
der gynäkologischen Operationen, der Geburtshilfe und der                  Veit.
Mammachirurgie drehte sich der Vortrag von Dr. med. Chris-
tof Veit, dem Leiter des Instituts für Qualitätssicherung und              Die Bewertung aus der Sicht Niedersachsens
Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) in Berlin. Er er-
läuterte die Ergebnisse für das Jahr 2017, für die seine Ein-              Zu den niedersächsischen Ergebnissen aus der Überprüfung
richtung Daten von 1084 Krankenhäusern auswertete. Auf                     durch das IQTIG nahm auf der NPE-Jahresversammlung Pri-
die Zusendung der Daten durch die Kliniken im vorigen                      vatdozent Dr. med. Heiko Franz, Chefarzt der Frauenklinik
Frühjahr folgte laut Veit zunächst ein aufwendiges Daten-                  im Klinikum Braunschweig, Stellung. Als problematisch be-
validierungsverfahren, das teilweise zur Neuberechnung der                 wertete er den Umgang der Presse mit den Ergebnissen, die
Bewertungsergebnisse führte. Blieb ein Krankenhaus trotz-                  aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Dennoch
dem statistisch auffällig, erhielt es die Gelegenheit zur Stel-            stimmte Franz IQTIG-Leiter Veit zu, dass die Leistungs-Be-
lungnahme. Erst dann habe das IQTIG, wie Veit referierte,                  wertung manch eine Klinik ermuntert habe, den Kritik-
                                                                                                                                                    Fotos: I. Wünnenberg

mithilfe von Fachkommissionen eine abschließende Be-                       punkten auf den Grund zu gehen. Auch Franz hält die Ent-
wertung vorgenommen.                                                       wicklung neuer sektorenübergreifender, qualitätsrelevanter
                                                                           Indikatoren für erforderlich: „Unser vorderstes Ziel ist es zu
Hintergrund für die Untersuchung ist das Gesetz zur Reform                 gewährleisten, dass die Kinder gesund und munter zur Welt
der Strukturen der Krankenhausversorgung aus dem Jahr                      kommen.“                                ■ Inge Wünnenberg

12                                                                                                               niedersächsisches ärzteblatt
Bezirksstellen

Neue Kombinationstherapie für Metastasen auf
dem Bauchfell

Hildesheim. Rund 50 Gäste
nahmen am Neujahrsemp-
fang der Bezirksstelle Hil-
desheim am 18. Januar teil,
um den Vortrag von Professor
Dr. med. Pelz vom St. Bern-
ward Krankenhaus in Hildes-
heim zu hören. Der zuvor
am Universitätsklinikum
Würzburg tätige Spezialist
für Bauchfellmetastasen re-
ferierte über ein neues inter-
disziplinäres Behandlungs-
konzept für gastrointestinale
Malignome: die zytoredukti-
ve Chirurgie kombiniert mit
der hyperthermen intraperi-
tonealen Chemoperfusion
(HIPEC).                         Professor Dr. med. Jörg Pelz

Bei Diagnosestellung gastrointestinaler Malignome findet         PEC-Therapie jedoch mit einem deutlichen Überlebensvor-
sich bereits bei fünf bis zehn Prozent der Patienten synchron    teil verbunden zu sein. Selbst bei eindeutiger Indikation für
eine Peritonealkarzinose, also ein flächiger Befall des Bauch-   eine zytoreduktive Therapie und HIPEC sollte der Einsatz der
fells (Peritoneums) mit bösartigen Tumorzellen. Auch nach        systemischen Chemotherapie als multimodaler Bestandteil
einer vollständigen Resektion des Primärtumors erleiden          aber in jedem Fall mit einbezogen werden. Der Stellenwert
zahlreiche Patienten mit Karzinomen im Bereich des Abdo-         der Perfusion wird in Studien gerade überprüft. Es konnte
mens metachron ein peritoneales Lokalrezidiv. Die mittlere       allerdings in vielen Arbeiten gezeigt werden, dass mit der
Überlebenszeit dieser Patienten ist stark eingeschränkt. Der-    Tumorresektion alleine bereits ein mittleres Überleben von
zeit ist die systemische Chemotherapie das Standardverfah-       bis zu 44 Monaten zu erreichen ist.
ren in der Behandlung dieser Patienten. Allerdings ist das on-
kologische Outcome trotz neuer Zytostatika und der damit         Die chirurgische Therapie der Peritonealkarzinose besteht
verbundenen längeren mittleren Überlebenszeit nach wie           aus zwei wesentlichen Schritten. Zum einen die Resektion
vor nicht zufriedenstellend.                                     aller sichtbarer Tumoren (Zytoreduktion), zum anderen die
                                                                 adjuvante Therapie mittels der sogenannten hyperthermen
Ein interdisziplinäres Behandlungskonzept stellt eine neue       intraperitonealen Chemoperfusion (HIPEC). Bei der Zytore-
Basis für eine suffiziente Behandlung des peritoneal metas-      duktion wird versucht, mittels chirurgischen Verfahren eine
tasierten Malignoms dar. Hierbei steht seitens der Chirurgie     klinisch vollständige Tumorresektion zu erlangen. Die Ra-
die zytoreduktive Chirurgie (CS) kombiniert mit der hyper-       dikalität ist dabei mit entscheidend, wie erfolgsversprechend
thermen intraperitonealen Chemoperfusion (HIPEC) im Fo-          die Therapie ist. Je geringer die Tumorlast ist, desto eher kann
kus. Es konnte gezeigt werden, dass unter dem Einsatz mo-        eine vollständige Entfernung der Tumoren erfolgen.
derner Chemokombinationsregime in der Behandlung des
Kolonkarzinoms potenzielle HIPEC Kandidaten – also ähn-          Die operative Therapie beim Pseudomyxoma peritonei und
                                                                                                                                    Foto: J. Seiffert

lich selektionierte Patienten – im Mittel 30 Monate leben,       beim peritonealen Mesotheliom ist die Methode der Wahl
wenn diese nur systemisch chemotherapiert wurden. Nach           in der Behandlung dieser Erkrankung. Beim Kolonkarzinom
heutigem Wissensstand scheint die Zytoreduktion und HI-          sowie beim Magenkarzinom muss die Indikation interdis-

3 | 2019                                                                                                                      13
Bezirksstellen

ziplinär und individuell erfolgen. Nicht sinnvoll ist eine ope-       Einschränkung des Tumorwachstums. Allerdings muss diese
rative Therapie bei einer Peritonealkarzinose des hepatobil-          Methode noch weiter evaluiert werden.
liären Ursprungs. Bei Patienten, die nicht für eine HIPEC ge-
eignet sind, kann der Chirurg das PIPAC-Verfahren (pressu-
rized intraperitoneal aerosol chemotherapy) anbieten. Hier                Professor Dr. med. Jörg Pelz
wird zunächst über eine minimal-invasive Operation das                    Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und
Chemotherapeutikum als Aerosol unter hohem Druck in die                   Onkologische Chirurgie
Bauchhöhle appliziert. Erste Studien zeigen eine deutliche                am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim

Kurse locken Medizinstudenten in die Region
                                                                                             dizinstudenten nehmen die Kursange-
                                                                                             bote gern wahr, weil deren Inhalte in
                                                                                             der universitären Ausbildung nur am
                                                                                             Rande behandelt werden. Zugleich ler-
                                                                                             nen die künftigen Ärzte damit Berufs-
                                                                                             perspektiven außerhalb der Universi-
                                                                                             tätsstandorte kennen.

                                                                                               Dr. med. Andreas Klose, Vorsitzender
                                                                                               der KVN-Bezirksstelle Wilhelmshaven,
                                                                                               beklagte in seiner Rede ebenfalls den
                                                                                               zunehmenden Mangel an niedergelas-
                                                                                               senen Ärzten – vor allem auf dem Land.
                                                                                               Umso mehr freute er sich, dass das
                                                                                               „Land(Er)Leben“-Projekt bei den Medi-
                                                                                               zinstudenten so großen Anklang findet.
                                                                                               Klose wies darauf hin, dass es für die
                                                                                               jungen Kollegen heutzutage attraktiver
Kämpfen für Ärztenachwuchs in der Region (v.l.n.r): Tom Nietiedt, Präsident des Arbeitgeber-   sei, in ein Angestelltenverhältnis zu ge-
und Wirtschaftsverbandes Jade, die Bürgermeister Uwe Reese (Wilhelmshaven) und Carsten
                                                                                               hen, als sich bei der wachsenden Bü-
Seyfarth (Nordenham) sowie der niedersächsische Landtagsabgeordnete Holger Ansmann
und die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller. Eingeladen zum Neujahrsempfang hatten
                                                                                               rokratie und dem nachhaltigen Kosten-
der Vorsitzende der KVN-Bezirksstelle Wilhelmshaven Dr. med. Andreas Klose und der             druck niederzulassen. Dabei hätten die
Vorsitzende der ÄKN-Bezirksstelle Wilhelmshaven Jens Wagenknecht (ganz rechts) auch            Krankenkassen Überschüsse in Höhe
Landrat Sven Ambrosy (2.v.r.).                                                                 von 20 Milliarden Euro neben weiteren
                                                                                               170 Millionen Euro, die ins Sport-Spon-
Wilhelmshaven. Am Neujahrsempfang der Bezirksstellen                      soring geflossen seien. „Ärzte-Bashing“, die geplante 24-
Wilhelmshaven der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) und                     stündige Erreichbarkeit der telefonischen Terminservicestel-
der Kassenärztlichen Vereinigung (KVN) nahmen am 27. Ja-                  len und die Gefahren der Digitalisierung sind dem Medizi-
nuar rund 70 Gäste teil. Jens Wagenknecht, Vorsitzender der               ner zudem ein Dorn im Auge.
ÄKN-Bezirksstelle Wilhelmshaven, begrüßte in seiner Eröff-
nungsrede besonders vier Studierende des Fachs Medizin un-                Die Wichtigkeit des Projekts „Land(Er)Leben“ gerade für sei-
ter den Gästen. Die Studierenden hatten an dem Wochen-                    ne Region stellte auch der Bürgermeister der Stadt Norden-
ende im Rahmen des Projekts „Land(Er)Leben – Medizin ler-                 ham, Carsten Seyfarth, heraus. Die nördliche Wesermarsch
nen und leben von Jade bis Weser“ einen Sonographiekur-                   sei in den kommenden zwei bis drei Jahren im niederge-
sus in der Gesundheitsregion JadeWeser besucht. Ziel des                  lassenen Bereich akut betroffen von Arztpraxen, die ge-
                                                                                                                                           Foto: S. Mandel

Projekts ist es, mit guten Ausbildungsangeboten der fünf re-              schlossen werden, weil kein Nachfolger gefunden wurde.
gionalen Krankenhäuser und der niedergelassenen Ärzte                     Seyfarth setzt große Hoffnung in die Gesundheitsregion und
Nachwuchsmediziner für die Region zu gewinnen. Die Me-                    weiß, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen.

14                                                                                                        niedersächsisches ärzteblatt
Bezirksstellen

Sven Ambrosy, Landrat des Landkreises Friesland, glaubt, die     Medizinerinnen und Mediziner auf dem Weg in die Nie-
Region JadeWeser brauche sich nicht vor den Metropolre-          derlassung besser zu unterstützen, damit sich wieder mehr
gionen zu verstecken. Er als Hannoveraner habe sich ganz         für die eigene Praxis – gerade auch im ländlichen Raum –
bewusst für das Leben in der boomenden, sich erholenden          entscheiden: „Die Rahmenbedingungen, die junge Leute for-
Region entschieden und es nicht einen Tag bereut. In seiner      dern – wie ausreichend Kita-Plätze, gut ausgebaute Infra-
Rede machte sich Ambrosy auch stark für den Studiengang          struktur und den Breitbandausbau – können wir bieten, und
der Hebammen an der Jadehochschule in Wilhelmshaven.             das müssen wir bekannt machen“, sagte Möller. Denn es sei
Es sei wichtig, so einen Studiengang nicht in der nächsten       nicht hinnehmbar, dass nur noch jeder Dritte eine Haus-
Großstadt, sondern im ländlichen Raum anzusiedeln – ge-          arztpraxis finde oder Termine beim Facharzt mit mehr als ei-
nau da, wo es die Probleme gebe.                                 nem Jahr Vorlaufzeit gebucht werden müssten. Deswegen be-
                                                                 grüßte sie ausdrücklich die positive Entwicklung an der Eu-
Die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller (SPD) machte            ropean Medical School Oldenburg-Groningen (EMS), wo die
ebenfalls deutlich, dass auf dem Gebiet der Gesundheits-         Zahl der Studienplätze Schritt für Schritt von 40 auf 200 aus-
versorgung im ländlichen Raum viel getan werden müsse.           gebaut werden soll.
Damit die Menschen auch zukünftig wohnortnah versorgt
werden können, sprach sie sich für den Erhalt der fünf re-           Martina Schröder
gionalen Krankenhäuser aus. Außerdem forderte sie, junge             Bezirksstelle Wilhelmshaven

Examensfeier für den ersten Jahrgang
Oldenburg. Die ersten vier Absolven-
tinnen und Absolventen des Modell-
studiengangs Humanmedizin der „Eu-
ropean Medical School Oldenburg-
Groningen“ (EMS) sind jetzt in einer
Feierstunde entlassen worden. Der Stu-
diengang war 2012 gestartet und legt
viel Wert auf Praxisnähe: Schon früh
hospitieren die Studierenden zum Bei-
spiel in Hausarztpraxen. „Neben den
persönlichen Erfolgen unserer Absol-
venten feiern wir heute auch einen Er-
folg unserer noch jungen Medizini-
                                                                                                                                        Foto: Universität Oldenburg

schen Fakultät“, sagte Professor Dr.
Meinhard Simon, Vizepräsident für For-
schung und Transfer der Universität Ol-
denburg in seiner Festrede. Obwohl es
zu den Zielen des Studiengangs unter
anderem gehört, Ärzte für die Region      An der Feierstunde der Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften der Universität
auszubilden, steht noch nicht fest, ob    Oldenburg nahmen (v.l.n.r.) Professor Dr. Reto Weiler, Dr. Gerd Pommer, Dr. Andreas Schön-
                                          feld, Johannes Grone (Absolvent Humanmedizin), Professor Dr. Christoph Herrmann, Nadine
sich Friederike Lohne, Kathrin Treet-
                                          Jacobsen, Honorarprofessor. Dr. Werner Brinker, Marcel Thier (Absolvent Humanmedizin), Pro-
zen, Johannes Grone und Marcel Thier      fessor Dr. Hans Gerd Nothwang, Professor Dr. Simon Doclo, Professor Dr. Erik Boddeke, Frie-
letztendlich wirklich im Nordwesten       derike Lohne (Absolventin Humanmedizin), Professor Dr. Dr. Klaus Peter Kohse und Professor
niederlassen werden.            ■ wbg     Dr. Meinhard Simon teil.

3 | 2019                                                                                                                          15
Recht

Die Hautschäden durch die Manschette am
Oberarm hätten verhindert werden müssen
Von Fall zu Fall: Aus der Praxis der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen
der norddeutschen Ärztekammern

Kasuistik                                                      die möglicherweise weitere Operationen zur Folge haben
                                                               könnten.
Es war die Behandlung eines 6-jährigen Jungen zu prüfen,
der sich eine dislozierte distale Unterarmfraktur rechts zu-   Stellungnahme der Klinik für Unfall-,
gezogen hatte. Nach der stationären Aufnahme des Jungen        Orthopädische und Handchirurgie
hatte man nach röntgenologischer Sicherung der Diagnose
die Indikation zur operativen Therapie der Fraktur gestellt.   Zu dem Vorwurf fehlerhaften Handelns wird seitens des in
Die Operation wurde noch am Unfalltag vorgenommen –            Anspruch genommenen Krankenhauses argumentiert, dass
Reposition der dislozierten Fraktur und Retention mit Plat-    die Operation der dislozierten Fraktur indiziert gewesen sei.
te und Draht.                                                  Die Manschette für die Blutsperre sei korrekt mit einem
                                                               Druck von 200 mmHg gefüllt worden und vorab fachgerecht
Für die Operation war eine pneumatische Blutsperre am          gepolstert worden (Watteumwicklung, Krepp-Papier, was-
Oberarm des Patienten angelegt worden. Seitens der Klinik      serdichtes Tape). Die Hautschädigung sei als „schicksalhaft
wurde im Schlichtungsverfahren angegeben, dass die Ober-       entstanden“ zu betrachten.
armblutsperre mit einem Druck von 200 mmHg gefüllt wor-
den sei. Die Anlage der Manschette sei korrekt erfolgt: mit    Bewertung der Haftungsfrage
einer Watteumwicklung innen und mit einer dem Umfang
des Oberarms entsprechenden Manschette. Danach sei die         Der 6-jährige Junge hatte sich eine dislozierte distale Un-
Sperre mit Krepp-Papier und wasserdichtem Tape umwickelt       terarmfraktur zugezogen. Die Indikation zur operativen The-
worden. Es fand sich dazu keine zeitnahe Dokumentation         rapie der Fraktur ist nicht in Zweifel zu ziehen. Der Eingriff
in der Krankenakte.                                            wurde noch am Unfalltag vorgenommen. Reposition und die
                                                               osteosynthetische Versorgung der Verletzung erfolgten zeit-
Postoperativ hatte man im Bereich der Haut, die mit der Man-   und fachgerecht. Die Fraktur heilte folgenlos aus.
schette in Berührung gekommen war, Hautveränderungen
in Form von Rötungen und faltenartigen Blasenbildungen ge-     Für die Operation war dem kindertraumatologischen Stan-
funden. Diese wurden als „semizirkulärer Quetschschaden“       dard entsprechend eine pneumatische Blutsperre angelegt
bezeichnet und dokumentiert.                                   worden. Voraussetzung für eine fachgerechte Verwendung
                                                               einer pneumatischen Blutsperre ist die korrekte Anlage der-
Die Metalle waren nach drei Monaten entfernt worden. Die       selben: Dazu zählen eine Polsterung, die glatte Manschet-
Hautveränderungen im Bereich der Blutsperre hatten jedoch      tenlage ohne Faltenbildung, eine dem Armumfang adaptierte
zu Epitheldefekten in dem Bereich geführt, auf dem die Man-    Wahl der Manschettenlänge, eine der Oberarmlänge ent-
schette angelegt worden war. Die Hautverletzung musste 4,5     sprechende Manschettenbreite sowie die äußere Abdichtung
Monate lang ärztlich behandelt werden (unter anderem           zur Vermeidung von Hautschädigungen durch Desinfekti-
Wundsäuberungen, Nekroseabtragungen, wechselnde Sal-           onsmittel und ferner ein patientenadaptierter Manschetten-
benverbände). Die Hautverletzung heilte mit der Ausbildung     druck. Für Kinder im Alter von 6 Jahren gilt ein maximaler
von Narbengewebe.                                              Manschettendruck von 150 mmHg als Standard, 200 mmHg
                                                               als obere Grenze, wobei der Standard individuell zu be-
Beanstandung der ärztlichen Maßnahmen                          stimmen ist und die wissenschaftliche Literatur nicht ein-
                                                               heitlich ist. Zu beachten ist auch der Zeitraum der Dauer der
Die Eltern des Kinds gehen von einem fehlerhaften Anlegen      Anlage der Manschette, der maximal 1,5 bis 2 Stunden be-
beziehungsweise einer fehlerhaften Füllung der Blutsperren-    tragen soll.
Manschette am Tag der Operation aus. Sie dokumentierten
den Verlauf der Hautveränderungen mit selbst angefertigten     Im konkreten Fall ist ein kausaler Zusammenhang zwischen
Fotografien. Sie beklagen außerdem die Narbenbildungen,        der Anlage der pneumatischen Blutsperre für die Operation

16                                                                                               niedersächsisches ärzteblatt
Recht

der Unterarmfraktur und den nachfolgend langzeitig zu be-       Fazit
handelnden Hautschädigungen im Bereich der Oberarm-
Manschette unstrittig. Es stellt sich nun die Frage, ob es zu   Es kam zu Hautschäden am Oberarm im Manschettenbe-
der Schädigung aufgrund eines Behandlungsfehlers gekom-         reich, die über einen Zeitraum von 4,5 Monaten behandelt
men ist.                                                        werden mussten. Für den Jungen waren sie mit Schmerzen
                                                                und Einschränkungen verbunden. Es könnten eventuell
Es liegt ein Fall des sogenannten voll beherrschbaren Risi-     noch operative Korrekturen im Bereich der Narben im Man-
kos vor. Die Schädigung erfolgte in einem Bereich, dessen       schettenbereich am Oberarm des Jungen erforderlich sein.
Gefahren medizinisch voll beherrscht werden können und
müssen. Die standardgerechte Ausführung der oben darge-            Professor Dr. med. Otto-Andreas Festge
stellten Maßnahmen gewährleistet dies.                             Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle für Arzthaft-
                                                                   pflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern
Auch war es für den Patienten intraoperativ nicht möglich,
sich gegen die Gefahren der Manschette selbst zu schützen.         Christine Wohlers
Der Schaden entstand nicht in der „Risikosphäre“ des Pa-           Rechtsanwältin der Schlichtungsstelle für Arzthaft-
tienten, sondern in der des Arztes. Daher besteht eine Feh-        pflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern
lervermutung zu Lasten der Arztseite. Um sich von dieser
Fehlervermutung zu entlasten, hätte von der Arztseite be-          Professor Dr. med. Walter Schaffartzik
wiesen werden müssen, dass der Schaden trotz standardge-           Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflicht-
rechter Anlage aufgetreten ist. Dieser Beweis wurde nicht          fragen der norddeutschen Ärztekammern
erbracht.

                                                                                                                    Anzeige

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Patientensicherheit

Sicherheitskultur
auf allen Ebenen
14. Jahrestagung des Aktionsbündnisses
Patientensicherheit e.V. (APS) Anfang Mai
in Berlin / Das neue „Weißbuch
Patientensicherheit“ liegt vor
Patientensicherheit werde heutzutage beinahe ausschließ-
lich aus der Sicht von Einrichtungen betrachtet. Dieser Auf-
fassung ist Professor Dr. med. Matthias Schrappe, der im vo-
rigen Herbst das „Weißbuch Patientensicherheit“ vorgelegt
hat. Der Facharzt für Innere Medizin und ehemalige Vorsit-
zende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V. (APS)
thematisiert schon seit Jahren den Umgang mit Behand-
lungsfehlern. Eine der zentralen Botschaften des „Weißbu-
ches“ lautet: Patientensicherheit ergebe sich nicht von allein,
sondern sollte als erstrebenswertes Ziel des eigenen Tuns und
der eigenen Einrichtung erkannt und mit allen Mitteln ver-
folgt werden. Denn bisher verliefen etwa 90 bis 95 Prozent
der Krankenhausbehandlungen in Deutschland ohne Zwi-
schenfälle. Doch bei fünf bis zehn Prozent im Jahr träten „un-
erwünschte Ereignisse“ von Druckgeschwüren über Fehldi-           shops, Präsentationen und einer Qualitätsarena die Mög-
agnosen bis hin zu schweren Infektionen auf. Davon wäre           lichkeit, offene Fragen zu diskutieren.
ein Großteil aber vermeidbar.
                                                                  Der deutsche Preis für Patientensicherheit
Das neue „Weißbuch Patientensicherheit“
                                                                  Außerdem wird am Abend des 9. Mai im Rahmen einer Fest-
Eine der Forderungen, die Schrappe im Weißbuch aufstellt,         veranstaltung der Deutsche Preis für Patientensicherheit
ist die nach Verantwortlichen für Patientensicherheit in al-      2019 verliehen. Auch in diesem Jahr werden wieder zu-
len Organisationen des Gesundheitswesens. Nicht, weil ei-         kunftsweisende Best-Practice-Projekte und praxisrelevante
ne weitere bedeutungslose Funktionsbezeichnung geschaf-           Forschungsarbeiten zum Thema Patientensicherheit und Ri-
fen werden solle, sondern weil es darum gehe, Ansatzpunkte        sikomanagement prämiert.
zu finden, wie Patientensicherheit – beziehungsweise eine
Sicherheitskultur – tatsächlich auf allen Ebenen in den Or-       Nähere Informationen zur Tagung und die Möglichkeit für
ganisationen Einzug halten kann.                                  eine Anmeldung finden Sie unter: www.aps-jahrestagung.de.

Zur Umsetzung bedarf es allerdings des kontinuierlichen En-           Lena Strodtmann, M.A.
gagements aller Beteiligten und genau davon handelt die 14.           Patientensicherheit, ZQ
Jahrestagung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit ge-
hen. Unter der Überschrift „Sicherheitskultur auf allen Ebe-      & Literatur
nen“ werden Beispiele, Ansätze und Vorschläge für die kon-            Schrappe, M. (2018): APS-Weißbuch Patientensicher-
krete Umsetzung von Sicherheitskultur vorgestellt und ge-             heit. Sicherheit in der Gesundheitsversorgung: neu den-
sammelt. Dabei geht es unter anderem um Patientensicher-              ken, gezielt verbessern. MWV Medizinisch Wissen-
heit als Teil der Führungsverantwortung, um praktische An-            schaftliche Verlagsgesellschaft Berlin.
wendungen von sicherheitsrelevanten Maßnahmen durch                   Das komplette Buch ist ebenfalls kostenfrei auf der
die Mitarbeitenden, Patientensicherheit als Lernziel in der           Homepage des APS abrufbar:
                                                                                                                                 Foto: APS

Ausbildung und Unterstützungsmöglichkeiten für Patientin-         a   www.aps-ev.de/aps-weissbuch/.
nen und Patienten. So erhalten die Teilnehmenden in Work-

18                                                                                                niedersächsisches ärzteblatt
Amtlich

Satzung zur 1. Änderung der Prüfungsordnung
zur Durchführung der Abschlussprüfung im
Ausbildungsberuf der Medizinischen Fachange-
stellten und des Medizinischen Fachangestellten
Artikel 1                                                                    Artikel 2 Inkrafttreten
Erste Änderung der Prüfungsordnung zur Durchführung der Abschluss-           Artikel 1 tritt am 1. Januar 2019 in Kraft.
prüfung im Ausbildungsberuf der Medizinischen Fachangestellten und des       Das niedersächsische Kultusministerium hat mit Schreiben vom 23.01.2019
Medizinischen Fachangestellten                                               - AZ: 45.2-87142/10/1- die Genehmigung für diese Änderung der Prü-
                                                                             fungsordnung für die Durchführung der Abschlussprüfung im Ausbildungs-
Die Prüfungsordnung zur Durchführung der Abschlussprüfung im Ausbil-         beruf der Medizinischen Fachangestellten und des Medizinischen Fachan-
dungsberuf der Medizinischen Fachangestellten und des Medizinischen          gestellten erteilt.
Fachangestellten in der Fassung der Neubekanntmachung vom 1. Juni 2018
wird wie folgt geändert:

§ 10 Abs. 4 wird wie folgt geändert:

a) Unter lit. a) aa) werden die Wörter „der Kammer nicht bereits vorliegt“
durch die Wörter „bei einer anderen Landesärztekammer abgelegt wurde“
ersetzt.

b) Unter lit. b) aa) wird der zweite Spiegelstrich gestrichen.

Hinweis zum Widerrufsrecht zur Melderegister-
auskunft im Zusammenhang mit Wahlen zur
Kammerversammlung und zu den Bezirksstellen
Nach § 7a der Meldeordnung darf die Ärztekammer Wahlbewerberinnen oder       Die Meldeordnung sieht vor, dass Sie das Recht haben, der Weitergabe Ih-
Wahlbewerbern für die Wahlen zur Kammerversammlung oder zu den Be-           rer Daten zu widersprechen.
zirksstellenvorständen im Zeitraum zwischen der Auslegung des Wähler-
verzeichnisses und dem Ende der Wahlzeit Auskunft aus dem Melderegister      Möchten Sie hiervon Gebrauch machen, wenden Sie sich bitte an:
über die Vor- und Familiennamen, Akademische Grade sowie die Anschrif-       E-Mail: meldewesen@aekn.de
ten, Telefaxnummern sowie E-Mail-Adressen von wahlberechtigten Kam-          oder rufen Sie uns an unter
mermitgliedern geben. Die Empfängerin oder der Empfänger hat die Daten       Tel.: 0511/380-2592.
spätestens einen Monat nach der Wahl zu löschen.

3 | 2019                                                                                                                                          19
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