Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich

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Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich
Kanton Zürich

            Schulblatt
             Bildungsdirektion

                                                                            3/2015

                                                             Facebook,
                                                           Youtube & Co.
                                                           Social Media sind in der
                                                              Schule angekommen

Stress                           Reto Givel                   Detailhandel
Der Schweizer Rapper             Der neue Leiter Mittel-      Das Internet verändert
über seine Schulzeit             schulen im Gespräch          das Kundenverhalten
Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich
4                                                                       6
                                             Magazin                                            Fokus                                                    Volksschule
                                             4                                                  12                                                       22
                                             Meine Schulzeit                                     Neue Lernform                                           Schulverwaltung
                                             Rapper Stress lernte in                             Der Mathematiklehrer,                                   Sie gewann in den letzten
                                             der Schule, Gas zu geben                            der Youtube-Filme dreht                                 Jahren an Bedeutung

                                             4                                                  14                                                       24
                                             Bildungs-Slang                                      Im Gespräch                                             Stafette
                                             Schüler mit individuellen                           Social Media aus Sicht                                  Die abc-Tagesschule Adlikon
                                             Lernzielen                                          von Philippe Wampfler                                   ist klein und persönlich
                                                                                                 und Bendrit Bajra
                                             5                                                                                                           27
                                             Im Lehrerzimmer                                    17                                                       In Kürze
                                             Die Sekundarschule                                  Tipps & A
                                                                                                         ­ dressen
                                             Oetwil am See                                       Antworten auf Fragen von
                                                                                                 Lehrpersonen zu Social Media
                                             6
                                             Persönlich                                         18
                                             Kinder- und Jugend­                                 Unter Jugendlichen
                                             psychiaterin Dagmar Pauli                           Schülerorganisationen sehen
                                                                                                 Grenzen von Facebook & Co.
                                             9
                                             Kommentar                                           20
                                             Regine Aeppli über Dialog                           Zeitgemässes Marketing
                                             und das neue Schulblatt                             Am Strickhof postet
Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Inhalt

                                                                                                 und ­twittert der Direktor

                                             Wichtige Adressen                                                   Impressum Nr. 3/2015, 30.4.2015
                                             Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09    Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch    weise: 6-mal jährlich, 130. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiterin
                                             Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und        ­katrin.hafner@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                             ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend      Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 14 Journalistische Mitarbeit an dieser Aus­
                                             und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­         gabe: Paula Lanfranconi, Anna Miller, Andreas Minder, Charlotte Spindler Abonnement:
                                              verlag Zürich: www.lehrmittelverlag-zuerich.ch, 044 465 85 85       Lehrpersonen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das Schulblatt in ihrem
                                             Fachstelle für Schulbeurteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00        Schulhaus gratis beziehen (Bestellwunsch an Schulleitung). Bestellung des Schulblatts an
                                             Bildungsratsbeschlüsse: www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­      Privat­
                                                                                                                        adresse sowie Abonne­   ment weiterer Interessierter: abonnemente@staempfli.com,
                                              archiv Regierungsratsbeschlüsse: www.rrb.zh.ch                      031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch Gestaltung: www.bueroz.ch
                                                                                                                  Druck: www.staempfli-publi­kationen.ch Inserate: inserate@staempfli.com, 031 767 83 30,
                                             Titelbild: Sabina Bobst                                              Einsendeschluss Inserate nächste Aus­gabe: 21.5.2015
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Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich
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Mittelschule                                           Berufs­bildung                                          41
                                                                                                               Amtliches
28                                                     34
Interview                                              Herausforderung Internet                                51
Reto Givel, der neue Leiter                            Im Detailhandel wird                                    Weiterbildung
Mittel­schulen, über die Frei-                         Beratung immer wichtiger                                Neue Themenreihe:
heit der Schulen                                                                                               Gesundheit im Lehrberuf
                                                       36                                                      Kurse und Module
30                                                     Berufslehre heute
Schulgeschichte(n)                                     Dentalassistentin EFZ
                                                                                                               59
Die Kantonsschule
Zürich Nord                                            39                                                      Stellen
                                                       In Kürze                                                60
33                                                                                                             schule & kultur
In Kürze
                                                                                                               62
                                                                                                               Agenda

    Editorial
                                                               Herzklopfen haben wir schon. Das Schulblatt, das Sie in den Händen halten,
                                                                                                                                                       Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Inhalt

                                                               sieht anders aus. Gefällt es Ihnen? Auf unsere letztjährige, repräsentative
                                                               ­Leserbefragung erhielten wir gutes Feedback. Mit den Anregungen, was noch
     Katrin Hafner, Redaktionsleiterin Schulblatt               besser werden könnte, ent­wickelten wir das Heft weiter: Wir arbeiteten mit der
                                                                re­daktionellen Begleitgruppe zusammen, in der Lehrerinnen und Lehrer aus
                                                                der Volksschule, den Mittel- und Berufsfachschulen mitwirken.
                                                                Was ist neu? Sie sollen sich im Heft besser zurechtfinden. Jeder Bildungsstufe
                                                                und jedem weiteren Ressort (Magazin, Fokus etc.) ist eine Farbe zugeordnet,
                                                                die sich im ausge­bauten Inhaltsverzeichnis und auf den Seiten durchzieht. Zu-
                                                                dem werden Hefteinstieg und -ende attraktiver: im Magazin mit Cartoon und
                                                                einem Porträt, auf der Agenda-Seite mit ausgebauten Tipps. Die Amtlichen
                                                                Mitteilungen, schule&kultur sowie die Weiterbildungsangebote – die Sie
                                                                ­gemäss Umfrage gerne lesen – sind nun in das Heft integriert, sodass es als
                                                                 ­stimmige Einheit daherkommt. Wir wünschen an­regende Lektüre. 
                                                                                                                                                       3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das Schulblatt: katrin.hafner@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich
Meine Schulzeit                                                                                                                       deine Arbeiten zu Ende bringen! Und ge-

       «Du musst immer
                                                                                                                                             nauso ist es auch mit der Musik: Wenn
                                                                                                                                             du im Studio bist, eine Platte aufnimmst –
                                                                                                                                             es ist genau das Gleiche wie in der Schule:

       Gas geben»
                                                                                                                                             Du hast ein Projekt, das von A bis Z zu
                                                                                                                                             Ende gebracht werden muss, auch unter
                                                                                                                                             Druck. Und es muss das beste sein!
                                                                                                                                                  Was ist das Wichtigste, was Kinder

       Fünf Fragen an Rapper                                                                                                                 heute in der Schule lernen sollen, und
                                                                                                                                             warum?
       Andres Andrekson alias Stress.                                                                                                        Ich glaube, Bildung ist der Schlüssel für
                                                                                                                                             jede Zukunft, sie öffnet viele Wege. Heut-
                                                                                                                                             zutage sollte man sich so viele Möglich-
                                                                                                                                             keiten wie nur möglich offenhalten, da
                                                                                                                                             man nie weiss, was passieren wird. Das
                                                                                                                                             ist der Grund, warum ich nach der obliga-
                                                                                           Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was            torischen Schulzeit entschied, Ökonomie
                                                                                           kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?               zu studieren. Ich wusste damals nicht ge-
                                                                                           Meine Schulzeit … Als ich jung war, ging          nau, was ich machen wollte, und wählte
                                                                                           ich nicht so gerne zur Schule, und ich            dieses Studienfach, weil ich darin die
                                                                                           muss sagen, dass die Schule in Estland            grössten Chancen sah. Nach dem Studium
                                                                                           nicht so gut war. Ich war also nicht sehr         arbeitete ich in einer Marketingabteilung.
                                                                                           oft dort, dies hat sich aber geändert, als        Es war eine gute Erfahrung, aber ich habe
                                                                                           ich mit zwölf Jahren in die Schweiz kam.          mich dann lieber voll und ganz auf die
                                                                                           Aber meine erste Erinnerung an die                Musik konzentriert.
                                                                                           Schule bleibt, dass ich mit meinen Freun-              Warum wären Sie ein guter
                                                                                           den nicht dort war.                               ­Lehrer – oder eben nicht?
                                                                                                 Welcher Lehrperson geben Sie                 Ich wäre kein guter Lehrer, aber das ist
                                                                                           rückblickend die Note 6 und warum?                 okay. Nicht jeder kann ein guter ­Lehrer
                                                                                           Meinem Französischlehrer. Er war streng            sein und es gibt zum Glück viele Men-
                                                                                           und frech – aber es hat mir wirklich viel          schen, die geeigneter sind für diesen Be-
                                                                                           mehr gebracht als alles andere. Sprachen           ruf. Ich glaube, ein guter Lehrer ist vor
                                                                                           zu können ist zentral!                             allem klug und effizient. Dann ist alles
                                          Andres Andrekson alias Stress (37),
                                          Schweizer Rapper aus Lausanne. Mit zwölf               Inwiefern hat die Schule Ihnen               okay. Und es ist wichtig, dass er den Kin-
                                          kam er aus Estland in die Schweiz, wo er         ­geholfen, ein auch international                  dern zu verstehen gibt, dass du die Ausbil-
                                          später an der Universität Lausanne Wirt-
                                          schaft studierte. Mit «Double Pact» ­erlangte     ­berühmter Rapper zu werden?                      dung und den Beruf für dich selbst machst
                                          er auch in Frankreich Beachtung: Erstes            Ich glaube, wenn du in die Schule gehst,         und nicht für deine Eltern, nicht für deine
                                          ­Solo-Album unter dem Namen Stress 2003,
                                           sechs weitere folgten. Stress wurde mit           hast du einen gewissen Druck. Du musst           Lehrer. Du musst deinen eigenen Weg fin-
                                           neun Swiss Music Awards ausgezeichnet.            es packen, musst immer Gas geben und             den, um die Sache gut zu machen.

                                          Bildungs-Slang
                                          Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Schüler mit individuellen Lernzielen
Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Magazin
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Im Lehrerzimmer

                                                         Sekundarschule
                                                          Oetwil am See
                                                          Wo ein Schoggikuchen auf dem Tisch
                                                                        Besonderes verheisst.
                                                                                                                      Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Magazin

Original: 40 Jahre und damit gleich alt wie das Schulhaus ist das u-förmige Sofa, welches das Lehrerzimmer dominiert. Die 16 Lehr-
personen, die sieben niveaudurchmischte A- bis C-Klassen unterrichten, setzen sich nicht nur zum Znüni in die blauen Polster,
sondern auch während der Lehrerkonferenzen. (Bedeutungs)schwanger: Gipfeli bringt öfter jemand mit, auch ohne konkreten
Grund. Ganz anders, wenn ein Schoggikuchen auf dem Tisch steht: Es hat sich eingebürgert, dass die edle Spenderin auf diese ­Weise
kundtut, dass sie schwanger ist. Feriengefühle: Sie werden durch drei grosse Poster mit Meer und Palmen geweckt. Wochenplan­
arbeit: Die Schule sei stolz auf ihr Schulmodell, sagt Schulleiter Mark Bugmann. Während fünf Stunden pro Woche entscheiden die
Schülerinnen und Schüler, an welchen Lernzielen und Aufträgen sie arbeiten; die Lehrpersonen agieren als Coaches. Trainerhosen:
Derzeit gibt die Kleidung der Schüler zu reden, weil Trainerhosen bei den Jungs schwer im Kommen sind. Die Lehrpersonen sehen
einen Zu­sammenhang zwischen textilem Auftritt und Arbeitseinstellung und möchten Gegensteuer geben. Vorerst haben sich
Schüler­parlament und Elternrat der Frage angenommen. [ami]
                                                                                                                                       5
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Persönlich                                                                                                                       vor allem mit komplexeren Fällen und mit

       Sie muss sich
                                                                                                                                        solchen aus ihren Spezialgebieten: Ess-
                                                                                                                                        störungen, Störungen der Geschlechts­
                                                                                                                                        identität sowie Depressionen und Selbst-

       abgrenzen
                                                                                                                                        verletzungen.
                                                                                                                                             Bei den Essstörungen über­nimmt sie
                                                                                                                                        oft die erste Krisenintervention, danach
                                                                                                                                        übergibt sie die Patienten meistens einer

       Dagmar Pauli, Chefärztin des Kinder-                                                                                             Kollegin oder e­ inem Kollegen, denn ange-
                                                                                                                                        sichts ihres vollen Pflichtenhefts könnte
       und Jugendpsychiatrischen Diensts der                                                                                            sie unmöglich alle Fälle selber betreuen.

       Universität Zürich.                                                                                                              In der Praxis tätig sein zu können, ist
                                                                                                                                        ihr aber wichtig. Auch wenn ihr vieles an
                                                                                                                                        ihrer Tätigkeit Freude bereitet, letztlich
       Text: Jacqueline Olivier Foto: Sophie Stieger
                                                                                                                                        ist es die Begegnung mit den betroffenen
                                                                                                                                        Kindern und Familien, die sie motiviert.
                                                                                                                                        «Wenn man jungen Menschen und den
                                                                                                                                        Familien helfen kann, einen Weg zu fin-
                                                                                                                                        den, um eine Krise zu bewältigen oder mit
                                                                                                                                        einer psychischen Störung umzugehen,
                                                                                                                                        ist dies der schönste Erfolg.»

                                          «Ich habe dir nie einen Rosengarten ver-      deten Jugendlichen zu tun; im Notfall-          Eltern für Mitarbeit gewinnen
                                          sprochen» – der autobiografisch geprägte      dienst mit mindestens einer Person pro          Mit den Lehrpersonen ihrer Patienten hat
                                          Roman der amerikanischen Autorin Han-         Tag, mehrheitlich Mädchen.» Die Zu­             Dagmar Pauli oft Kontakt und ist dankbar,
                                          nah Green war ein Schlüsselerlebnis für       nahme von Sui­zidalität und Selbstverlet-       wenn sie ihre Beobachtungen und Ein-
                                          Dagmar Pauli. Nachdem sie die Geschichte      zung sei ein internationaler Trend, erklärt     schätzungen in dem Fragebogen fest­
                                          von der Heilung einer Jugendlichen, die an    Dagmar Pauli, der KJPD habe deshalb ei-         halten, den sie dafür vom KJPD erhalten.
                                          Schizophrenie litt, gelesen hatte, wusste     nen 24-Stunden-Notfalldienst eingerich-         Dagegen stelle sie zunehmend fest, dass
                                          die damals 15-Jährige: «Das will ich auch.»   tet. Ebenso zugenommen haben laut der           Eltern immer häufiger die Schwierigkeiten
                                          Nämlich Kindern und Jugendlichen mit          Fachärztin Krisen­interventionen aufgrund       ihrer Kinder nicht in deren Verhalten be-
                                          psychischen Erkrankungen helfen. Heute        von Schulängsten oder depressiven Ver-          gründet sähen, sondern in der mangeln-
                                          ist die in Hamburg aufgewachsene Dag-         stimmungen. Dies komme nicht von unge-          den Anpassung der Schule beziehungs-
                                          mar Pauli Chefärztin und stellvertretende     fähr, denn heute seien bereits Kinder           weise der Lehrperson an das Kind – aus
                                          ärztliche Direktorin des Kinder- und Ju-      grossem Druck ausgesetzt – dem Druck,           Angst, man würde sonst ihnen selbst die
                                          gendpsychiatrischen Dienstes (KJPD) der       eine höhere Schulausbildung absolvieren,        Schuld zuschieben. Dagmar Pauli, die sel-
                                          Universität Zürich. Und sagt: «Mein Ziel      möglichst schon nach der sechsten Klasse        ber drei – inzwischen erwachsene – Kin-
                                          war und ist es, für junge Menschen etwas      ans Gymnasium wechseln zu müssen.               der hat, sagt dazu: «Die Eltern tun dem
                                          Positives zu bewirken. Alles andere hat                                                       Kind keinen Gefallen, wenn sie ihm ver-
                                          sich ergeben.»                                Zwei Nachmittage für Patienten                  mitteln, dass sich die Lehrerin ihm an­
                                              Nach einigen Semestern Psychologie-       Dagmar Pauli spricht ruhig und sachlich,        passen müsse statt umgekehrt. Das Kind
                                          studium in Konstanz zog es sie nach Zü-       ohne nach Worten suchen zu müssen; ihr          kann dadurch wichtige soziale Verhaltens­
                                          rich, wo sie zur Medizin wechselte und        Schweizer Dialekt verrät die gebürtige          weisen ungenügend erlernen.»
                                          ihr Staatsexamen machte. Abgesehen von        Deutsche. Viel Zeit hat sie nicht, doch Un-         Dem KJPD liegt viel daran, die Eltern
                                          zwei kurzen Abstechern in die Erwachse-       geduld ist ihr keine anzumerken. Ihr offe-      für eine Mitarbeit zu gewinnen. So wer-
                                          nenpsychiatrie und die Pädiatrie ist sie      ner Blick ist auf ihr Gegenüber gerichtet,      den zum Beispiel Kurse für Eltern von
                                          nun seit bald 25 Jahren beim KJPD tätig –     immer wieder umspielt ein Lächeln ihre          ADHS-Kindern angeboten, um ihnen auf-
                                          in wechselnden Funktionen und an ver-         Lippen. Für sie sei kein Tag wie der an­        zuzeigen, wie sie das Kind dabei unter-
                                          schiedenen Standorten. Und hat in die-        dere, erzählt sie, weil sie in ihrer Position   stützen können, trotz seiner Störung im
                                          ser Zeit diverse Entwicklungen miterlebt.     ganz unterschiedliche, auch viele organi-       Alltag zu bestehen. Denn nicht alle Patien­
                                          Zum Beispiel diese: «Während wir in den       satorische Aufgaben wahrzunehmen habe.          ten werden gesund. Aber: «Man kann fast
                                          1990er-Jahren noch vorwiegend Kinder          An zwei Nachmittagen pro Woche emp-             immer ihre Situation verbessern.» Wenn
                                          mit Auffälligkeiten abklärten, haben wir      fängt sie Patienten und Familienangehö­         bei einem Kind eine frühe Psychose diag-
Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Magazin

                                          es heute deutlich mehr mit suizidgefähr-      rige zur Sprechstunde. Sie befasst sich         nostiziert werde, könne man mit der rich-
                                                                                                                                        tigen Therapie und guten Medikamenten
                                                                                                                                        dafür sorgen, dass es wieder die Schule
                                            Abklärungen und Therapien                                                                   besuchen und danach eine Aus­      bildung
                                            Der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst Zürich (KJPD): ist eine Univer­                 machen könne. Schwierig ist es für die
                                            sitätsklinik, in der Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen ab­                Ärztin, wenn die Behandlung auf Wunsch
                                            geklärt und therapiert werden. Ausserdem engagiert sich der KJPD in der Lehre               der Betroffenen nicht fortgesetzt wird,
                                            und der Forschung. Angebot: ambulante, halbstationäre und stationäre psy­                   obwohl die Situation für das Kind noch
                                                                                                                                        ­
                                            chiatrische Dienstleistungen sowie Notfalldienst. Schwerpunkte: zum Beispiel                nicht vollständig gelöst werden konnte.
                                            ADHS, Autismus, Zwangsstörungen oder Essstörungen. Standorte: KJPD-Zent-                    «Das beschäftigt einen schon.» Doch sich
                                            rum Zürich, Kinderstation Brüschhalde in Männedorf sowie Regionalstellen in                 abgrenzen zu können, sei eine wichtige
                                            Bülach, Dietikon, Horgen, Uster, Wetzikon, Winterthur und Zürich Nord. Mit­                 Voraussetzung in diesem Beruf. «In der
                                            arbeitende: 400. Aktuelle Zahlen: 2013 wurden insgesamt 4389 ambulante und                  Klinik bin ich emotional zwar voll präsent,
                                            324 stationäre und teilstationäre Behandlungen durchgeführt, insgesamt 4713.                aber wenn ich heimkomme, bin ich wieder
                                            Davon waren 2671 neue Fälle, 2042 wurden aus den Vorjahren übernommen. [jo]                 genauso da für meine Familie, die in mei-
                                                                                                                                        nem Privatleben ganz oben steht.» 
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Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Magazin

Dagmar Pauli (52), aufgewachsen
in ­Hamburg, studierte Medizin
an der Uni­versität Zürich. 1991
begann sie als A­ ssistenzärztin
beim Kinder- und Jugendpsychia­
trischen Dienst Zürich in Winter-
thur, seit 2010 ist sie Chefärztin
und stellvertretende ärztliche
­Direktorin.
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Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich
Studienreise
                                  Albanien entdecken
                                  4.–12. Oktober 2015, (Herbstferien)
                                  Zielgruppe   Lehrpersonen aller Stufen, Sozialarbeiterinnen/
                                               Sozialarbeiter Psychologinnen/ Psychologen
                                               (max. 15 Personen)
                                               Sofern Platz vorhanden auch andere Interessierte
                                  Leitung      Nexhat Maloku, Mediator CAS, Lehrer HSK in Zürich
                                               Hagenbuchrain 32
                                               8047 Zürich
                                               Tel. 076 569 20 80
                                               E-Mail: nmaloku@smile.ch
                                  Preis:       CHF 1710.– (Alles Inklusive)
                                  Albanien
                                  Albanien war bis zu Beginn der 90er Jahre von einer kommu-
                                  nistischen Diktatur geprägt. Nach der Öffnung des Landes ist
                                  nun Albanien auf dem Weg in die EU und seit April 2009 NATO
                                  Mitglied. Mehrere kulturhistorische Stätten gehören zum UNES-
                                  CO-Weltkulturerbe und ziehen gemeinsam mit den bezaubernden
                                  Landschaften immer mehr Touristen an. Während unserer Reise
                                  werden wir Spuren vergangener Herrscher und Eroberer verfolgen
                                  und eindrückliche Kulturdenkmäler aus der Illyrischen, mittelal-
                                  terlichen und osmanischen Zeit besuchen. Neben der Hauptstadt
                                  Tirana besichtigen wir unter anderem die Städte Shkoder und
                                  Kruje im Norden, Durres und Sarande an der Küste sowie Berat
                                  und Gjirokaster im Landesinneren. Geplant sind zudem Gespräche
                                  mit Bildungsverantwortlichen sowie der Besuch zwei Volksschulen
                                  und wir erfahren, in welchem Rahmen die Schweiz in Albanien
                                  Entwicklungshilfe leistet. Während der Reise durch das Land wer-
                                  den wir die herzliche Gastfreundschaft der Menschen erleben und
                                  Albanien mit seinen grossen gesellschaftlichen wie auch land-
                                  schaftlichen Gegensätzen entdecken.
Schulblatt Kanton Zürich 3/2015
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Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich
Kommentar

                             Die Kommunikations­
                               formen ändern sich
                             Social Media kommen in der Schule an – und auch
                                          das Schulblatt entwickelt sich weiter.
                                                                                                     Text: Regine Aeppli, Bildungsdirektorin

Wir leben in einer Zeit, in der sich neue    speziell im Kontext des Schulalltags. Auch
Kommunikationswege öffnen und – zu-          das Schulblatt selbst ist ja ein Kommu­
mindest theoretisch – alle der Welt mit­     nikationsmittel. Als das Heft vor neun
teilen können, was sie gerade bewegt,        Jahren zum ersten Mal als journalistisch
­worüber sie sich freuen oder ärgern, was    aufgemachte Zeitschrift erschien, schrieb
 sie ge­rade gegessen, verloren oder ge-     ich im Kommentar, dass es den Dialog
 kauft haben. Das Internet und namentlich    zwischen den Schulstufen, den Austausch
 die digitale Kommunikation via Social       zwischen Bildungsverwaltung, Lehrperso­
 Media ergänzen die herkömmlichen For-       nen, Schulleitungen und -behörden stär-
 men des Dialogs, sei dies im Schulalltag    ken und dass es bildungsrelevante The-
 oder in der Politik.                        men unter verschiedenen Blickwinkeln
     Ob uns dies insgesamt zu kommunika­     beleuchten solle.
 tiveren Menschen macht, ob soziale Netz-        Die Leserbefragung, welche die ZHAW
 werke wie Twitter, Facebook oder Youtube    Zürcher Hochschule für Angewandte
 den Meinungsaustausch, die offene Dis-      Wissenschaften im Auftrag der Bildungs-
 kussion über verschiedene Sichtweisen       direktion durchführte, hat gezeigt, dass
 und Positionen tatsächlich fördern, darü-   das Ziel­ publikum des Schulblatts – die
 ber gibt es unterschiedliche Ansichten.     Lehrerinnen und Lehrer der Volksschule,
     Der Fokus der Schulblattausgabe, die    der Mittel- und Berufsfachschulen wie
 Sie in den Händen halten, thematisiert      auch die Schulleitungen und -behörden –
 solche neuen Kommunikationsformen –         das Heft nicht nur lesen und schätzen,
                                             sondern auch gewisse Erwartungen daran
                                             haben. Darum haben wir das Schulblatt
                                             zwar nicht neu erfunden, es aber weiter-
                                             entwickelt und den Lesebedürfnissen an-
                                             gepasst. Zudem wurde es in das Layout
                                             des Corporate Design der kantonalen Ver­
                                             waltung überführt; diesen Wechsel vollzog
«Mit diesem frisch                           in den letzten Monaten die gesamte Bil-
                                                                                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Magazin

                                             dungsdirektion.
   aufgemachten                                  Vieles wird Ihnen in der aktuellen

Schulblatt bedanke                           Ausgabe bekannt vorkommen, einiges mag
                                             Sie überraschen oder Ihnen neu erschei-
    ich mich zum                             nen. Das ist gut so, denn Kommunika­         PS: Mit diesem frisch aufgemachten

  ­letzten Mal als
                                             tionsplattformen ändern sich – und so        Schulblatt bedanke ich mich zum letz-
                                             eben auch das Schulblatt. Ich freue mich,    ten Mal als Bildungsdirektorin bei Ihnen:

Bildungsdirektorin                           Ihnen das sanft weiterentwickelte Schul-
                                             blatt zu übergeben, verbunden mit dem
                                                                                          für Ihr grosses tägliches Engagement für
                                                                                          Ihre Schülerinnen und Schüler sowie die
     bei Ihnen.»                             Wunsch, es möge weiterhin den Dialog         Schule als eine der wichtigsten Institu­
                                             zwischen den verschiedenen Partnerinnen      tionen in unserem Kanton. Wenn ich im
                                             und Partnern im Bildungsfeld fördern, es     Mai mein Amt nach zwölf Jahren verlasse,
                                             werde auch künftig zum konstruktiven         nehme ich einen bunten Strauss an Erin-
                                             Austausch beitragen und als bewährtes,       nerungen mit, der frisch bleiben wird.
                                             zeitgemässes Kommunikationsmittel Ihre       ­Ihnen allen wünsche ich weiterhin Erfül-
                                             Aufmerksamkeit geniessen.                     lung und Freude bei Ihrer Arbeit. 
                                                                                                                                         9
Schulblatt 3/2015 Facebook, Youtube & Co - Social Media sind in der Schule angekommen - Kanton Zürich
Jola Svalina, 34, Englischlehrerin,
                              Kantonsschule Zürcher Oberland
                       «Meinen Facebook-Account habe ich vor allem,
                       um mit meinen Verwandten in der ganzen Welt
                    in Kontakt bleiben zu können. So bekomme ich mit,
                    wer geheiratet oder ein Kind bekommen hat. Selber
                    bin ich aber wenig aktiv. Dafür nutze ich WhatsApp
                        täglich, vor allem privat. In der Schule arbeite
                   ich seit ein paar Jahren mit Google Docs, einer Platt-
                      form, über die man gemeinsam an einem Doku-
                          ment arbeiten, es kommentieren oder mit­
                         einander chatten kann. Auch Youtube-Filme
                              setze ich oft ein. Wenn Jugendliche
                              mit ­Instrumenten arbeiten können,
                                 die Teil ihrer Lebenswelt sind,
                                     sind sie oft motivierter.»

Stefano Ragusa, 13,
1. Sekundarklasse Richterswil
«Auf Instagram schaue ich vor allem, was
die andern machen. Schön ist es, wenn jemand
Ferienbilder postet. Kommentieren und selber
posten tue ich aber selten. Facebook hat mich
noch nie interessiert. Dort geht es mehr ums
Chatten, das mache ich lieber über WhatsApp.
Wir haben zwei Klassenchats, einen mit dem
­Lehrer und einen ohne ihn. Vor Kurzem haben
 wir im Unterricht selber Lernvideos gedreht,
 ­meine Gruppe hat eines gemacht über das
  ­Würfelnetz. So was finde ich cool. Lernvideos
   ­können wirklich hilfreich sein. Auf Youtube habe
    ich auch schon gesucht, wenn ich niemanden
    ­fragen konnte, was aber selten vorkommt.»
Fokus

Facebook,
Youtube & Co.
Die meisten Jugendlichen nutzen soziale Netz­
werke täglich. Am beliebtesten sind F­ acebook,
Youtube, Instagram und WhatsApp. Was bedeutet
das für die Schule? Es diskutieren Facebook-Star
Bendrit Bajra und Experte Philippe Wampfler.
­Zudem erzählt ein Primarlehrer, warum er Mathe-
 matik-Filme auf Youtube stellt, Schülerorganisa­
 tionen verschiedener Mittelschulen berichten
 von ihren Erfahrungen mit Social Media und der
 Leiter einer Berufsfachschule erklärt, warum er
 twittert und postet.
Fotos: Sabina Bobst

                                                Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Fokus
                                                11
Neue Lernform                                                                                                                 in der Begabtenförderung wäre mehr

       Der Lösungsweg
                                                                                                                                     möglich, ist René Moser überzeugt: «Man
                                                                                                                                     könnte einen Schritt weiter gehen: vom
                                                                                                                                     reinen Videoschauen zum aktiven Pro­

       ist auf Youtube
                                                                                                                                     duzieren von Inhalten. Man lernt mehr,
                                                                                                                                     wenn man die Inhalte selbst vermittelt.»
                                                                                                                                     Die Rolle des Wissensvermittlers würde
                                                                                                                                     ausserdem soziale Fähigkeiten stärken.

       Die Schülerinnen und Schüler der Primar-                                                                                           Das Videoportal Youtube ist nun zehn
                                                                                                                                     Jahre alt. «Da ist es nur logisch, dass die
       schule Scherr dürfen während des Unter-                                                                                       Plattform nicht mehr ausschliesslich im

       richts Youtube-Filme schauen – Videos, die                                                                                    Privatleben, sondern vermehrt im Schul-
                                                                                                                                     alltag genutzt wird», findet Thomas Stierli,
       ihr Mathematiklehrer für sie dreht.                                                                                           Leiter Bereich Medienbildung an der Pä-
                                                                                                                                     dagogischen Hochschule (PH) Zürich. Es
       Text: Anna Miller                                                                                                             sei begrüssenswert, wenn sich Lehrper­
                                                                                                                                     sonen neue Lehrformen überlegten.
                                                                                                                                          Thomas Stierli sieht vor allem in Fä-
                                                                                                                                     chern wie Chemie oder Ge­      schichte Po­
                                                                                                                                     tenzial, You­tube ein­zusetzen. «Mit Videos
                                                                                                                                     lässt sich Wissen vermitteln, das in dieser
                                                                                                                                     Qualität nicht im eigenen Schulzimmer
                                                                                                                                     vermittelt werden könnte», sagt er, etwa
                                                                                                                                     teure und aufwen­dige Experimente. Zent-
                                                                                                                                     ral sei, dass die Lehrperson die Schüle­
                                        Im Schulhaus Scherr im Zürcher Kreis 6         sprechende Erklärung im Schulzimmer           rinnen und Schüler lehren, einzuordnen,
                                        verdunkelt Mittelstufenlehrer Micha Dem­       am PC auf Youtube nochmals ansehen.           wie glaubwürdig eine Quelle ist – und wie
                                        sar den Raum, stellt das Kamerastativ auf,     Micha Demsar hat in dieser Zeit Kapa­         sie mit Propaganda und fragwürdigen
                                        drückt auf den roten Knopf seiner Video-       zitäten für weitergreifende Fragestellun-     ­Inhalten umgehen sollen. «Darum ist es
                                        kamera und beginnt. Nicht mit dem Unter­       gen anderer Kinder. «Das ist effizient und     so wichtig, die Frage nach dem richtigen
                                        richt, sondern mit der Aufnahme: Mathe-        bringt allen etwas: Die Wartezeit verkürzt     Umgang mit dem Medium in den Unter-
                                        matik, Subtraktion, komprimiert auf einen      sich, sie lernen selbstständiger und ihrem     richt zu integrieren.»
                                        vierminütigen Kurzfilm in der immer glei-      Lernstand entsprechend.» Zudem bieten
                                        chen Einstellung mit Textfeldern und           die Filme die Möglichkeit, den Stoff zu       Mit Ablenkungsgefahr umgehen
                                        Schritt-für-Schritt-Anleitung, den er nach     Hause zu wiederholen. Wer ganz ohne           Verleitet die Lernform mit Youtube-Filmen
                                        drei Stunden Arbeit auf die Internetplatt-     Filme arbeite, habe aber keinen Nachteil.     zum passiven Filmeschauen? Micha Dem-
                                        form Youtube stellt. Seine Schülerinnen        «Am Ende zählt nur, dass jemand die Auf-      sar verneint. «Die Kinder lösen die Übun-
                                        und Schüler werden in den kommenden            gabe lösen kann», sagt Micha Demsar.          gen danach selbstständig. Sie müssen den
                                        Mathematikstunden mit der Videoanlei-              Die Flexibilität der Plattform Youtube    Input auf andere Fragestellungen adaptie­
                                        tung arbeiten.                                 streicht René Moser von der Fachstelle        ren. Das verlangt Eigenleistung.» Der Um-
                                            Micha Demsar liegt damit im Trend.         Bildung und ICT des Zürcher Volksschul-       gang mit Medien und die Nutzung des In-
                                        Was vor zehn Jahren undenkbar schien,          amts positiv heraus. «Wenn ein Kind im        ternets sind bereits auf Primarstufe Teil
                                        wird in Schulen zunehmend zum Thema:           Unterricht etwas nicht richtig verstanden     des Unterrichts und des aktuellen Lehr-
                                        Youtube-Filme als Lehrmaterial. Laut der       hat, kann es dies allenfalls mit den Videos   plans. Der Lehrplan 21, der im Kanton Zü-
                                        James-Studie 2014 der Zürcher Hochschule       in seinem Tempo aufarbeiten.» Aber auch       rich voraussichtlich ab Schuljahr 2017/18
                                        für Angewandte Wissenschaften (s. Kasten
                                        S. 19), einer repräsentativen Studie, nutzen
                                        12- bis 19-Jährige als Informationskanäle        Kurse und Hilfe für Schulen
                                        im Internet am häufigsten Online-Video-          • Fachstelle Bildung und ICT, Zürcher Volksschulamt: Unterstützung
                                        portale, noch vor Suchmaschinen.                    für Schulen und Behörden bei Fragen bezüglich Medien und ICT.
                                                                                            Kontakt: rene.moser@vsa.zh.ch
                                        Begabte damit fördern                            • PH Zürich: Referate und Weiterbildungen für Lehrpersonen, Teams,
                                        31 Kurzfilme hat der 29-jährige Primar-             Eltern zu Social Media (z. B.: «Erklärvideos und Lernfilme im Unterricht
                                        lehrer in den letzten zwei Jahren gedreht,          ­herstellen und nutzen») sowie Projekttage für Schülerinnen und Schüler:
Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Fokus

                                        8000 Aufrufe zählt sein Youtube-Kanal                www.phzh.ch/medienbildung
                                        «Schule Scherr» allein aus der Schweiz,          • Pro Juventute: Kurse zur Medienkompetenz für Klassen, Lehr­personen, Eltern:
                                        27 000 aus Deutschland. «Ein Beweis, dass            www.projuventute.ch > Programme > Medienkompetenz > Kurse & Workshops
                                        meine Lernvideos auch ausserhalb der             • Swisscom: Kurse für Schülerinnen, Schüler, Lehrpersonen, Eltern unter
                                        Schule konsumiert werden», sagt Micha                dem Aspekt «Digitale Medien kompetent nutzen»:
                                        Demsar. Pro Quartal dreht er vier bis zehn           https://www.swisscom.ch/de/schulen-ans-internet.html
                                        Videos – kommt ein neues hinzu, macht            • KITS for Kids (Stadt Zürich): kostenlose, auf das jeweilige Bedürfnis zu­
                                        er seine Klasse während des Unterrichts              geschnittene Workshops der PH Zürich für Stadtzürcher Lehrpersonen – z. B.
                                        darauf aufmerksam.                                 zur Frage, wie man Youtube und Twitter im Unterricht thematisieren kann:
                                            Auf die Idee kam er aus praktischen            www.stadt-zuerich.ch/kitsfuerkids > Aktuell > Aus- und Weiterbildung
                                        Gründen: «Ich überlegte, wie ich mir die         • www.jugendundmedien.ch: Website des Bundes mit zahlreichen
                                        Arbeit während des Unterrichts erleichtern         ­Informationen und Unterstützungsangeboten.
                                        kann.» Hat ein Schüler oder eine Schüle-         • Zyschtig.ch: Kurse zur Medienbildung für Klassen, Eltern, Lehrpersonen:
                                        rin während der Lektion eine Frage zum              www.zischtig.ch
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                                        Grundstoff, kann er oder sie sich die ent-
Kenji Nakano, 11,
                                      5. Primarklasse Scherr, Zürich
                             «Die Mathe-Youtube-Filmli von unserem Lehrer
                        ­finde ich voll informativ, er erklärt echt gut. Die Lust,
                             gleich noch ein anderes F ­ ilmchen zu schauen, ist
                         ­immer da. Sehe ich in der Schule etwas Spannendes,
                            schreibe ich den Titel auf und schaue es zu Hause.
                           ­Vorab muss ich das aber mit meinen Eltern bespre-
                             chen. Meistens schaue ich ‹let’s play›-Filme über
                               ­Games; ich möchte nämlich Game-Entwickler
                             ­werden. Im WhatsApp-Klassenchat sind wir nur
                                zu fünft, weil die anderen kein Handy haben
                                    oder nicht auf WhatsApp dürfen, das
                                    nervt. Ich hab ­WhatsApp von meiner
                                      Schwester kennen­gelernt, sie ist
                                               drei Jahre älter.»

gestaffelt eingeführt wird, legt in Medien       kämen nicht mit, was ihre Kinder online      Einig sind sich alle, dass das Medium
und Informatik einen verstärkten Fokus           machten. «Zu Beginn des Projekts über-       Film ergänzenden Charakter hat im Schul­
auf eine systematische Auseinanderset-           legte ich mir, die Videos lokal auf dem PC   alltag. «Das Vermitteln von Grundlagen,
zung und das Lernen mit digitalen Me­            zu speichern, auch aus Datenschutzgrün-      von Struktur, die ganze Begleitung im
dien. Er beschreibt, dass Schülerinnen und       den. Dann wäre jedoch die Möglichkeit, zu    Lernprozess – das wird nicht verschwin-
Schüler Medien interaktiv nutzen ­   sowie       Hause zu üben, weggefallen. Und das ist      den», sagt René Moser. Auch didaktisch
mit anderen kommunizieren und koope-             ein integraler Bestandteil des Konzepts.»    könne eine Lehrperson mehr erwirken als
rieren sollen. «Sie lernen, ihre Meinungen       René Moser vom Volksschulamt meint:          ein Kurzfilm. Trotzdem müsse man sich
und ihr Wissen in Medienbeiträgen um-            «Wenn ein Kind sich ablenken will, findet    als Lehrperson mit neuen Vermittlungs-
zusetzen und bei deren Veröffentlichung          es immer einen Weg.» Das Problem der         formen auseinandersetzen. «Nicht nur für
geltende Gesetze und Wertesysteme zu             Ablenkung sei nicht nur ein Jugendthema;     Schülerinnen und Schüler gilt das Motto
beachten», sagt René Moser.                      auch Erwachsene müssten im Zusammen­         des lebenslangen Lernens, sondern auch
    Fachleute prognostizieren, dass Ka­          hang mit neuen Medien lernen, sich ab­       für Lehrpersonen», so René Moser. «In
näle wie Youtube, Twitter oder Facebook          zugrenzen. «Spätestens mit Beginn der        Zukunft wird der Mehrwert im Dialog lie-
mittelfristig in die Klassenzimmer drän-         Lehre sind die Jugendlichen ohnehin auf      gen, im Austausch von individuell ange-
gen. Micha Demsar hat keine Bedenken:            sich gestellt. Deshalb gehört es zum Er­     eignetem Wissen. E-Learning allein wird
«Ich finde es wichtig, dass die Kinder           ziehungsauftrag, Selbstregulation zu the-    aber kaum funktionieren. Die Bereiche-
frühzeitig lernen, mit digitalen Medien zu       matisieren und zu fördern.»                  rung liegt in der Vielfalt der Lehr- und
                                                                                                                                              Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Fokus

arbeiten – richtig dosiert.» Während des                                                      Lernformen.»
Unterrichts müssen sich die Schülerin-           Nur positive Reaktionen                           Micha Demsar hat bereits über 100
nen und Schüler vorher bei ihm melden,           Er habe bisher nur positive Reaktionen       Stunden seiner Freizeit in seine Videos
wenn sie eines seiner Videos sehen wol-          auf seine Lernvideos erhalten, sagt Micha    ­investiert, den Grossteil während der Fe-
len. «Das Anschauen der Filme läuft nicht        Demsar. «Ich war erstaunt, dass die Eltern    rien. «Mich motiviert es, zu wissen, dass
via Smartphones, sondern an festen PC-           meine Idee vollumfänglich unterstützten.»     die in den Filmen gezeigten Rechenme-
Stationen im Schulzimmer», erklärt er.           Den Lehrpersonen sei freigestellt, wie sie    thoden auch in zehn Jahren noch aktuell
«Wenn jemand zwei-, dreimal hinterei­            den Stoff vermittelten, insofern sei kein     sein werden», sagt er. Das mache seine
nander fragt, werde ich hellhörig und will       Druck vorhanden, dass alle nun mit Videos     Arbeit nachhaltig. Mittelfristig möchte er
wissen, was noch nicht verstanden wurde.»        arbeiten müssten, sagt Schulleiter Martin     die Lehrvideos auf weitere Unterrichts­
Auch deshalb stuft er die Ablenkungs­            Stotz. Die Videos haben einen weiteren        fächer ausweiten. Er hat bereits verschie-
gefahr als gering ein. Wie die Kinder zu         Vorteil: Wenn Kinder zuziehen, könne          dene Schulen in der Stadt Zürich ange-
Hause mit Youtube umgehen, weiss er              man ihnen rasch zeigen, welcher Basis-        fragt. «Vielleicht integrieren diese Schulen
hingegen nicht, das sei Sache der Eltern.        stoff vorausgesetzt werde, das erleichtere    ja meine Videos in den Unterricht», sagt er
                                                                                                                                              13

Einige setzten klare Grenzen, andere be-         ihnen den Einstieg.                           und nickt zufrieden. 
Im Gespräch                                                                                                                  wie mich mein Vater auf Albanisch be-

       «Es gibt keine
                                                                                                                                    schimpfte, während ich gamte – postete
                                                                                                                                    ich einfach mal. Am nächsten Tag hatte
                                                                                                                                    ich 800 Likes, 200 Freundschaftsanfragen;

       ­Formel für Erfolg
                                                                                                                                    die Leute kommentierten: mach weiter!
                                                                                                                                    Als ich 10 000 Abonnenten hatte, dachte
                                                                                                                                    ich: Hey Beni, das sind viele Leute, mach

        auf Social Media»
                                                                                                                                    was da­raus! Ich plante, täglich etwas zu
                                                                                                                                    bringen – oft zum Thema Ausländer und
                                                                                                                                    Schweizer. Das ging voll ab. In sechs Mo-
                                                                                                                                    naten gewann ich 130 000 Abonnenten

       Facebook-Star Bendrit Bajra und                                                                                              dazu. Ehrlich: Da war auch Glück dabei.
                                                                                                                                        Wie schätzen Sie diesen Erfolg ein,
       Gymi­lehrer Philippe Wampfler,                                                                                               Herr Wampfler?

       zwei Social-Media-Experten, über
                                                                                                                                    Wampfler: Er nimmt Themen auf, die alle
                                                                                                                                    interessieren. Meine Kantischülerinnen

       die Rolle von Facebook und Co.                                                                                               und -schüler aus bildungsnahem Umfeld
                                                                                                                                    fragen mich ständig: Kennen Sie Bendrit?
       Interview: Katrin Hafner Fotos: Hannes Heinzer                                                                               Seine Tonlage trifft den Zeitgeist. Er pos-
                                                                                                                                    tet Aktuelles witzig, bleibt ausgewogen,
                                                                                                                                    macht sich über beide Seiten lustig. Seine
                                                                                                                                    Erfolgsgeschichte ist schön, weil sie zeigt:
                                                                                                                                    In einem Netzwerk wie Facebook kann
                                                                                                                                    man geplant und kreativ aktiv sein – nicht
                                                                                                                                    nur konsumieren. Interessant finde ich,
                                                                                                                                    dass er in seinen Videos verschiedene
                                                                                                                                    Rollen spielt: den Ausländer, den Schwei-
                                                                                                                                    zer. Das ist die Ursprungsidee von Social
                                        Bendrit Bajra, Sie sind DER Schweizer         res beobachte ich permanent. Total wohl       Media: Man gestaltet ein Profil und zeigt
                                        Facebook-Star. Wie viel Zeit investieren      auch etwa vier Stunden pro Tag.               nicht, wer man ist, sondern präsentiert
Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Fokus

                                        Sie pro Tag ungefähr?                             Herr Bajra, Sie haben rund                der Öffentlichkeit Ausschnitte.
                                        Bajra: Alleine das Beobachten, was ande-      180 000 Abonnenten. Wenn Sie ein                  Sie setzen auf Comedy, Herr Bajra.
                                        re Leute machen auf F  ­ acebook und Insta-   Handyfilmchen aufschalten, erhalten           Wollen Sie Komiker werden?
                                        gram, frisst täglich eine Stunde. Zudem       Sie rasch 16 000 «gefällt mir»-Klicks.        Bajra: Ich hatte dieses Ziel nicht im Hin-
                                        beantworte ich etwa 200 Facebook-Nach-        Wie erklären Sie das?                         terkopf, als alles begann. Jetzt freue ich
                                        richten und lade Filmchen auf die Platt-      Bajra: Ich thematisiere Szenen, die jeder     mich über den Erfolg. Facebook hilft mir,
                                        form – macht locker vier Stunden.             kennt: Du wachst in der Nacht auf und         mein Hobby zum Beruf zu machen. Heute
                                             Das ist doppelt so viel, wie 12- bis     meinst, du musst aufstehen, siehst, oh, ich   weiss ich: Ich will auf die Bühne oder ins
                                        19-Jährige in der Schweiz im Durch-           kann noch drei Stunden weiterschlafen.        TV. Es ist krass, was das Facebookding
                                        schnitt pro Wochentag in Netz ver­            Solche Storys ziehen bei den Leuten.          ausgelöst hat. Plötzlich reissen sich Me­
                                        bringen. Wie sieht es bei Ihnen aus,              Bekannt sind Ihre Filme, in ­denen        dien um dich, Giacobbo/Müller lud mich
                                        Herr Wampfler?                                Sie Klischees über Ausländer und              ein, und nun will ein grosser Getränke-
                                        Wampfler: Mein Hauptmedium ist Twit-          Schweizer aufs Korn nehmen.                   hersteller eine Show machen mit mir.
                                        ter, da finde ich interessante Themen und     Bajra: Ja, das begann spontan vor einein-         Inzwischen sind Sie ja auch nur
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                                        Fachleute. Facebook, Instagram und ande-      halb Jahren: Das erste Video – ich filmte,    noch via Manager erreichbar.
Philippe Wampfler, 37, (links) unterrichtet Deutsch, Philosophie
                                                                                                 und Medienkunde an der Kantonsschule Wettingen und
Bajra: Ich würde durchdrehen, wenn ich                                                      ­Fachdidaktik Deutsch an der Universität Zürich. Er hat zwei
                                                                                              ­Bücher über Schule und Social Media verfasst und lebt mit
alle Anfragen beantworten müsste. Denn                                                                              seiner Familie in Schwamendingen.
ich will jetzt vor allem im Sommer meine
Lehre gut abschliessen.
                                                                                        Bendrit Bajra, 19, (rechts) schliesst im Sommer seine Lehre als
Wampfler: Für Schweizer Verhältnisse ist                                                      Auto­ersatzteilverkäufer ab. Er gehört zu den bekanntesten
Bendrit ein Phänomen. Interessant ist                                                      ­Facebook-Personen der Schweiz, möchte Comedy zu seinem
                                                                                         ­Beruf machen und lebt mit seinen Eltern in Schwamendingen.
das Giacobbo/Müller-Beispiel. Man wür-
de denken, es sei eine Riesenehre für ihn,
dort aufzutreten. In Wirklichkeit ist es für
Giacobbo/Müller eine Riesenchance, auf
der Facebook-Wall von Bendrit zu sein,         Wampfler: Wenn ich das wüsste, wäre ich           Machten Sie unan­genehme Erfah-
weil er 180 000 Zuschauer hat! In Deutsch-     steinreich. Heute fragen sich alle, wie man   rungen mit Facebook oder Twitter?
land wollen Youtube-Stars nicht mehr ins       Erfolg hat auf Social Media. Aber selbst      Bajra: Mein Fehler war, dass ich ein Foto
TV, die haben ein grösseres Publikum in        wenn jemand stark beachtet wird, kann         meines Autos mit Schild postete. Mit einer
Social Media und generieren mit Klicks         man keine Formel ableiten, wie andere         App findet jeder die Adresse heraus – da
auf Youtube ansehnliche Einnahmen.             dasselbe erreichen.                           hatte ich dann ein paar Leute vor der
    Finanziell betrachtet wäre es                  Herr Bajra: Sie absolvieren eine          Türe, und nicht nur Fans.
­klüger, Herr Bajra setzte auf Youtube.        Lehre zum Autoersatzteilverkäufer.            Wampfler: Unangenehme Erfahrungen
 Wampfler: Die Likes auf Facebook brin-        Nutzen Sie digitale Kanäle zum Lernen         machen viele, das kann man nicht schön-
 gen kein Geld – dafür Bekanntheit. Hat        oder für die Arbeit?                          reden. Grundsätzlich bin ich der Meinung,
 man das geschafft, kann man die Auf-          Bajra: Selten. In der Sek suchte ich manch­   dass man keine Fotos von anderen Men-
 merksamkeit von einer Plattform auf die       mal auf Youtube Erklärungsfilme für Ma-       schen ins Netz setzen soll. Ein No-Go sind
 andere lenken. Bendrit könnte auf Face-       thematik. Eine Zeitlang war ich auch in       Eltern, die Fotos ihrer Kleinkinder pos-
                                                                                             ten. Denn: Facebook zum Beispiel hat alle
                                                                                             Rechte an diesen Bildern, man hat keine
                                                                                             Kontrolle darüber. Es lohnt sich, immer
                                                                                             wieder darüber aufzuklären.
           «Facebook hilft mir, mein                                                             Was sagen Sie zu Cyber-Mobbing?
                                                                                             Bajra: Eine Kollegin hielt in der Schule
         Hobby zum Beruf zu machen.»                                                         einen Vortrag über Mobbing im Netz, weil
                                                                                                                                                     Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Fokus

                                       Bendrit Bajra                                         ihre Kollegin Mobbingopfer auf Facebook
                                                                                             wurde. Ich finde es wichtig, dass in der
                                                                                             Schule darüber diskutiert wird.
                                                                                             Wampfler: Dem stimme ich zu. Aber:
                                                                                             Nicht Medien lösen Mobbing aus. Wenn in
book vermelden, er habe einen neuen            einem WhatsApp-Aufgabenchat. Als die          einer Klasse schlechte Stimmung herrscht,
Youtube-Film, und diesen verlinken.            Kollegen den Chat für Privates nutzten,       kann es zu Mobbing kommen – virtuell
Bajra: Ich weiss, dass ich mit Youtube Geld    liess ich es sein.                            oder real. Klar entwickeln digitale Kom-
verdienen könnte. Aber ich finde, da gehö-          Diskutierten Sie in der Schule über      munikationsmittel eine Dynamik und wohl
ren keine Handyfilmchen hin. Ende Som-         digitale Kommunikation?                       ist die Hemmschwelle, etwas Unschönes
mer starte ich mit Youtube, professionell      Bajra: Ja, unser Seklehrer hat mal ein        zu verbreiten, niedriger als im direkten
im Studio und mit echter Kamera – und          ­wenig erzählt, vor allem von schwierigen     Kontakt. Grundsätzlich geht es aber um
vor allem mit längeren Storys.                  Sachen, dass es gefährlich ist, wenn man     soziale Probleme, Fragen des ­   Respekts.
    Kann man sagen, was bei Jugendli-           Bilder von nackten Frauen rumschickt.        Schulen und Fachstellen haben diese The­
                                                                                                                                                     15

chen gut ankommt in sozialen Medien?            Das ist natürlich die Schattenseite.         matik auf der Agenda und tun einiges.      
Wie beurteilen Sie die Ablenkungs-        aufpassen, dass ich nicht noch beim Auto-      Bajra: Eine megawichtige, vor allem
                                        gefahr durch digitale Medienkanäle?           fahren jemandem zurückschreibe, bloss          WhatsApp, da sind alle drauf. Ich telefo-
                                        Bajra: Einer unserer Lehrer zieht unsere      weil ich meine, ich sei voll der King darin.   niere fast nie mehr, schreibe kaum SMS –
                                        Handys jeweils ein. Am Anfang drehte ich          Wie kann die Schule Social Media           selbst für mündliche Nachrichten sende
                                        fast durch, nahm extra zwei Handys mit.       in den Unterricht integrieren?                 ich Sprachnachrichten über WhatsApp.
                                        Ich schwöre, ich hatte das Handy dauernd      Wampfler: Da gibt es unzählige Ansätze.        Wampfler: Ein Teenager, der nicht auf
                                        unter dem Tisch am Laufen – und ver-          Ich empfehle, Bezüge herzustellen, im          WhatsApp ist, muss einen verlässlichen
                                        passte eine Menge. Und jetzt, ganz ehrlich,   Deutschunterricht etwa anhand von Twit-        Freundeskreis haben, der ihn via Telefon
                                        finde ich das eine geile Idee. Ich bin kon-   ter zu thematisieren, dass beim Schreiben      oder SMS auf dem Laufenden hält, sonst
                                        zentrierter und aktiver im Unterricht, weil   Witz gefragt ist, Schnelligkeit und sprach-    verpasst er, wo man sich trifft und was
                                        ich nichts anderes machen kann. Der           liche Sattelfestigkeit, weil Fehler nicht      läuft. Den Stellenwert der digitalen Kom-
                                        Lehrer will ja nur das Beste für uns.         sexy sind – auch in Social Media nicht.        munikation schätze ich als sehr hoch ein.
                                        Wampfler: Grundsätzlich gilt: Wenn Kin-       Bajra: Wenn ein Lehrer sagen würde,                  Wie beurteilen Sie dies?
                                        der oder Jugendliche an etwas Interessan-     ­heute schauen wir, was einen interessan-      Wampfler: Es fordert ein Umdenken – und
                                        tem dran sind, lassen sie sich nicht leicht    ten Facebook- oder Instagram-Post aus-        erzeugt einen gewissen Druck, dabei zu
                                        ablenken. Bei mir müssen die Schülerin-        macht, fänden das alle cool!                  sein. Mit der Zeit entstehen neue Normen.
                                                                                                                                     Mich beispielsweise stört es mittlerweile,
                                                                                                                                     wenn mich jemand anruft, ohne vorher
                                                                                                                                     per Social Media abgemacht zu haben. Ich
                                                                                                                                     empfinde es als unhöflich, weil ich nicht
                                                  «Fehler sind nicht sexy – auch                                                     entscheiden kann, wann ich reagiere.

                                                     in Social Media nicht.»                                                         Bajra: Manchmal finde ich die Entwick-
                                                                                                                                     lung, dass alle an ihrem Gerät hängen,
                                                                           Philippe Wampfler                                         ein wenig traurig. Auf dem Spielplatz, wo
                                                                                                                                     ­meine Kumpels und ich früher regierten,
                                                                                                                                      ist heute kaum mehr einer. Die zwei, die da
                                                                                                                                      abhängen, sitzen über ihr Handy gebeugt.
                                        nen und Schüler ihre Handys weglegen,         Wampfler: Das machen mehr und mehr                   Und das sagt ausgerechnet der
                                        ausser wir brauchen sie bewusst für den       Lehrpersonen. Es gibt interessante Ansätze,     ­Facebook-König.
                                        Unterricht. Verbieten bringt jedoch wenig.    etwa die verschiedenen Schreibweisen für         Bajra: Ich freue mich über meine Face-
Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Fokus

                                        Ich möchte, dass Junge lernen, wie sie ge-    «okay» in der digitalen Kommunikation:           book-Abonnenten. Das Problem aber ist:
                                        gen Ablenkung oder Abhängigkeit kämp-         nur «k», «ok» oder «k:-)». Eine Lehrperson       Man redet seltener miteinander. Mit mei-
                                        fen können. Es geht um Selbstdisziplin        kann thematisieren, dass gewisse Nuan-           nen Kumpels sitze ich in der Bar und
                                        und -achtsamkeit: Wie steuere ich meine       cen der subtilen mündlichen Kommuni-             schneide einen Film auf meinem Handy,
                                        Aufmerksamkeit? Wann komme ich in             kation in die schriftliche Kommunikation         der Zweite schreibt seiner Freundin, der
                                        Versuchung, mich ablenken zu lassen?          überschwappen und sich so äus­sern. Sie          Dritte ist am Gamen. Wir wissen via Insta-
                                        Und wie kann ich das verhindern?              kann die Klasse fragen, was sie über die         gram, WhatsApp ja schon alles voneinan-
                                            Und wer nicht selbstdiszipliniert ist?    Schreibweisen und ihre Bedeutungen               der, bevor wir uns treffen.
                                        Wampfler: Es braucht Übung, Übung.            weiss. Dann wirds interessant. Jugendli-         Wampfler: Diese Einsicht ist nicht un­
                                        Denn es gehört heute zum Erwachsen-           che haben viele Kenntnisse aus ihrem             typisch: Etwa ab 20 merken viele Jugend-
                                        werden, sonst kann man in der Berufswelt      Social-Media-Alltag. Aber diese Erfah-           liche, dass WhatsApp, Instagram und Co.
                                        nicht funktionieren. Es gibt keine Chefs,     rungen sind in der Schule selten gefragt.        ihnen nicht mehr geben, was sie brauchen,
                                        die Handys einziehen.                             Abschliessend: Welche Rolle spielen          dass es nicht mehr cool ist, auch weil man
                                        Bajra: Aber es ist schwierig, gerade in der   Twitter, Instagram etc. im Alltag junger         sich weniger Persönliches zu erzählen hat.
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                                        Freizeit. Ich bin ständig dran und muss       Menschen konkret?                                Einige gehen dann bewusst offline. 
Ich möchte mit meiner Klasse S
                               ­ ocial                                                                               Tipps & Adressen

                                                                   Häufige Fragen
  Media thematisieren oder einsetzen.
           Wie gehe ich vor?
         Das einfachste Projekt: Ein Konto bei

                                                                   zu Social Media
      ­Instagram oder Twitter eröffnen und Ende
         Woche einen Beitrag veröffentlichen, in
  dem Themen oder Resultate aus dem Unter­
    richt gezeigt werden. Darauf aufbauend über
  Wirkung von Inhalten, Verbreitung, Netzwerke
      usw. diskutieren. Oder: Unterrichtsthemen
                                                                   Mittelschullehrer und Social-Media-
     mit digitalen Plattformen be­gleiten, etwa mit                   Spe­zialist ­Philippe Wampfler gibt
                                                                                              Antworten.
   ­einer WhatsApp-Gruppe: «Wenn ihr im Alltag
       unserem Thema begegnet, dann stellt ein
  Bild, eine Tonaufnahme etc. in diese Gruppe.»
        Dies kann man im Unterricht aufnehmen
    und weiterentwickeln. Vgl. Buchtipps unten.

    Was soll ich als Lehr­person tun, wenn jemand zu viel Zeit mit ­Social Media verbringt?                               Social Media brauche
    Darauf ansprechen: Ohne Urteil nach der Mediennutzung fragen («was machst du mit dem Handy gerne?»)                   ich für meine private
                                                                                                                              und ­berufliche
        und Wahrnehmung mitteilen («du wirkst oft müde»). Danach: Kontakt mit Eltern aufnehmen. Oft sind                     Kommu­nikation
    sich diese nicht bewusst, dass ihr Kind einen problematischen Umgang mit Social Media hat, vielleicht sind            kaum. Muss ich mich
                                                                                                                          als Lehrperson damit
                   sie gar stolz, dass es ein Smartphone besitzt und dieses flink bedienen kann.                               auskennen?
                                                                                                                           Wer Kinder und Jugend­
                                                                                                                           liche begleitet, sollte ihre
         Mich dünkt, die                                                                    Soll ich mich als                 Lebenswelt verstehen.
       ­ chülerinnen und
       S                                                                                   Lehrerin / Lehrer in               Lehrpersonen können
   ­Schüler unterhalten sich                                                               WhatsApp-Klassen-
     mit Social ­Media bloss                 Woran merke ich, dass jemand                   chats beteiligen?                im Netz – wie das etwa
          oberflächlich.                       zu viel Zeit auf Social Media
                                              ­verbringt oder abhängig ist?                  Warum nicht, wenn es           90 Prozent der Internet-
  Fokusstudien der ZHAW Zürcher                                                                                                User tun – primär zu­
                                              Wie bei anderen Süchten auch: wenn            mit pädagogischen Ab­
     Hochschule für An­gewandte                                                                                              schauen und auf Insta­
                                             sich Müdigkeit, verminderte Leistungs­        sichten und unter profes­
    Wissenschaften zei­gen, dass                                                                                             gram nach ihrer Schule
                                              bereitschaft, vermehrte Konflikte oder        sionellen Bedingungen
    Jugendliche vor allem Unter­                                                                                          suchen, um zu sehen, wie
                                              eine Verweigerungshaltung einstellen.          geschieht. WhatsApp
    haltung suchen im Netz – wie                                                                                             sie da abgebildet wird,
                                                                                           eignet sich, einer Klasse
      bei Büchern, Radio und TV                                                                                           sich von Schülerinnen und
                                                                                             eine halbe Stunde für
     auch –, da­rüber hinaus aber                                                                                         Schülern den Klassenchat
                                                                                              eine Prüfungsvorbe­
    ­Aktivitäten zeigen, die päda­                                                                                         oder die Plattform Snap­
                                                                                             reitung zur Verfügung
     gogisches Potenzial haben:                                                                                                 chat zeigen lassen.
                                                                                           zu stehen oder sie daran
  Schach spielen, Videos schnei­             Wie lernen Kinder                               zu erinnern, wenn ein
     den, Geschichten erzählen.              und Jugendliche,
                                              mit Gefahren im                                   Ausflug ansteht.
   ­Kinder und Jugendliche über­             Netz umzugehen?
  nehmen die Vorstellung, digi­tale             Durch den gemein­
    Kommunikation ­diene haupt­                  samen Einsatz von
    sächlich der U ­ nterhaltung, oft        ­Eltern und Schule unter
   von Erwachsenen. Die Schule                 Beteiligung von Fach­
                                                                             So hält es der Kanton Zürich
      kann diesen Ein­druck zer­                                             Ob eine Schule einen Social-Media-Kanal betreibt
                                               leuten. Entscheidend
  streuen, indem sie Social Media                                            ­(Twitter, Facebook, Instagram, Youtube etc.), ist auf Stufe
                                                  sind Fragen wie:
          ­didaktisch einsetzt.                                               Volksschule Sache der Schulgemeinde, bei Mittelschulen
                                               Mit wem spreche ich
                                                                              und Berufsfachschulen Sache der Schulleitung. Wie sich
                                                    wie worüber?
                                                                              einzelne Lehrpersonen auf Social-Media-Kanälen ver­
                                                                              halten, wird vom Kanton nicht geregelt. In den 2014 pub­
                                                                              lizierten «Guidelines Social Media» für die Verwaltungs­
         Darf ich in sozialen Netzwerken mit
     Schülerinnen und Schülern befreundet sein?                               mitarbeitenden befindet sich ein «Leitfaden für Mitar­
     Social Media ersetzen Kommunikationsmittel wie Brief                     beitende des Kantons Zürich». Dieser ist für kantonal
                                                                                                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 3/2015 Fokus

     und Telefon. Die Frage lautet daher: Wann darf man mit                   ­angestellte Lehrpersonen nicht verbindlich, enthält aber
    Schü­lerinnen und Schülern kommunizieren? Die Antwort:                     Tipps, die auch für sie hilfreich sein können. So heisst es
  Wenn es pädagogisch erforderlich ist. Betreibt eine Englisch­                darin betreffend Meinungsäusserungen auf Social-Media-
  lehrerin eine Facebook-Seite, auf der sie span­nende Videos                  Kanälen zum Beispiel:
   zugänglich macht und ihre Klasse auffordert, auf Englisch                   • «Im Zweifelsfall fragen Sie sich: Würde ich das auch
    zu kommentieren, ist das ein professionelles ­Lernumfeld.                    in einem Leserbrief einer Zeitung schreiben und mit
    Die dadurch entstehenden Kontaktaufnahmen sind keine                         meinem Namen unterzeichnen?»
      «Freundschaften», obwohl die Plattform sie so nennt.                     • «Verwenden Sie keine Fotos, auf denen Personen ein-
   Sich gegenseitig Einblicke ins Privatleben zu ermöglichen,                    deutig erkennbar sind, ohne deren Zustimmung.»
                   ist hingegen ­unangebracht.                                 Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH)
                                                                               hat 2013 einen ­«Leitfaden Social Media für Lehrpersonen
                                                                               und Schulleitungen» herausgegeben mit hilfreichen Er-
 Bücher von Ph. Wampfler: «Generation ­Social Media. Wie digitale             klärungen und Tipps.
Kommunikation ­Leben, Beziehun­gen und Lernen Jugendlicher ver­               www.lch.ch > Leitfaden social media
ändert» (2014). «Facebook, Blogs und Wikis in der Schule. Ein Social-
                                                                                                                                                      17

Media-Leitfaden» (2013). Blog: schulesocialmedia.com
Unter Jugendlichen                                                                                   kurz vor der Matur steht. Und erklärt: «Das

Social Media?
                                                                                                     liegt nicht daran, dass sie keinen Face-
                                                                                                     book-Account hätten, sondern eher an
                                                                                                     mangelndem Interesse am Schulleben.»

Ja, aber nicht nur
                                                                                                     Wenn sie sich an ihre eigene Zeit in der
                                                                                                     Unterstufe erinnert, kann Saskia Kircali
                                                                                                     dies gut nachvollziehen. Wechsle man in
                                                                                                     dem Alter ans Gymnasium, sei man erst

Schülerorganisationen an Mittelschulen                                                               einmal mit der Umstellung auf eine neue
                                                                                                     Lebenswelt, mit der Probezeit, dem Ken-
benutzen zwar Facebook oder Instagram,                                                               nenlernen des Schulbetriebs, der Klasse

sehen aber auch deren Grenzen. Geht                                                                  und der Lehrpersonen beschäftigt. Für
                                                                                                     das, was rundherum alles läuft, habe man
es um offizielle Informationen, setzen sie                                                           wenig Kapazität.

auf herkömmliche Informationskanäle.                                                                 Plakate funktionieren am besten
                                                                                                     Trotzdem möchte die SO auch die Jünge-
Text: Jacqueline Olivier                                                                             ren über geplante Anlässe informieren,
                                                                                                     genauso wie die Schülerinnen und Schü-
                                                                                                     ler, die nicht auf Facebook oder dort nicht
                                                                                                     besonders aktiv sind. Denn die gibt es.
                                                                                                     ­Darum, betont Saskia Kircali, könne Face-
                                                                                                      book nicht als offizieller Informations­
                                                                                                      kanal genutzt werden. Die sieben bis acht
          Fotos vom letzten Skitag posten, auf das    rinnen und Schülern zu kommunizieren.           Anlässe, welche die SO pro Jahr auf die
          kommende Erstklässler-Fest hinweisen,       Das wichtigste der gängigen Social-Me-          Beine stellt, werden dort zwar annonciert,
          eine Podiumsdiskussion ankündigen – all     dia-Plattformen. «Über Facebook errei-          aber ohne Flyer und Plakate gehe es nicht.
          dies geht rasch und unkompliziert über      chen wir sicher die meisten Leute», sagt        «Gerade die Plakate sind für jeden sicht-
          Facebook. Für Saskia Kircali, Präsidentin   sie, relativiert aber gleich: «Vor allem die    bar, das funktioniert immer noch am bes-
          der Schülerorganisation (SO) der Kantons­   älteren.» Und was ist mit den Schüle­           ten.» Nicht zu vergessen die Mundpropa-
          schule Wiedikon, ist deshalb klar: Face-    rinnen und Schülern der Unterstufe des          ganda, die ebenfalls dazugehöre.
          book ist für den SO-Vorstand ein unver-     Langgymnasiums? «Die schauen da we­                 Nach den Anlässen jeweils Fotos oder
          zichtbares Medium, um mit den Schüle-       niger rein», stellt die 18-Jährige fest, die    kurze Videos auf Facebook zu stellen, ist

Nina Fröhlich, 16,
Kantonsschule Stadelhofen
«Komme ich müde von der Schule heim,
lege ich mich aufs Bett und schweife durch
­Instagram oder WhatsApp. Auf Youtube
 höre ich höchstens mal ein Musikstück.
 Auf Instagram hingegen schaue ich täglich,
 was andere posten. Selber lade ich etwa ein
 Bild pro Woche hoch. Fehlen würde mir nur
 WhatsApp. Wir haben einen Familienchat,
 da schreiben meine Eltern, meine Schwester
 und ich, wer wann heimkommt oder einkauft.
 Den Klassenchat beobachte ich, damit ich
 nichts verpasse. Vor Prüfungen stelle ich ihn
 oft auf stumm – da kommen in zwei Stunden
 200 Nachrichten: Fragen, Antworten, Frust­
 meldungen. Das macht meganervös.»
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