Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz

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Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
Deutsches Rotes Kreuz e. V.
Generalsekretariat
Internationale Zusammenarbeit

  Kurz-Dokumentation
  Fachtagung Katastrophenvorsorge
  Berlin, 02. - 03. November 2016

                Fachtagung
                Katastrophenvorsorge
Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
Impressum

Herausgeber
Deutsches Rotes Kreuz e.V.
DRK-Generalsekretariat
Carstennstraße 58
12205 Berlin
Tel.: +49.(0)30.854 040 , Fax: +49.(0)30.854 04 450
www.DRK.de

Konzept + Realisation
Deutsches Rotes Kreuz e.V.
DRK-Generalsekretariat
Bereich Nationale Hilfsgesellschaft
Team Internationale Zusammenarbeit

Autoren und Autorinnen
Johara Bellali, adelphi
Claudia Bliesener, DRK-Generalsekretariat
Dr. Jürgen Clemens, Malteser International
Cordula Dittmer, Katastrophenforschungsstelle, Freie Universität Berlin
Barbara Früh, Deutscher Wetterdienst
Dr. Gabriele Hufschmidt, Universität Bonn
David Hugenbusch, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk
Dr. Thomas Lennartz, GIZ
Daniel F. Lorenz, Katastrophenforschungsstelle, Freie Universität Berlin
Friedegund Mascher, GIZ
Matthias Max, DRK-Generalsekretariat
Anne Moll, DRK-Generalsekretariat
Tomasz Niewodowski, DRK-Generalsekretariat
Alexandra Rüth, DRK-Generalsekretariat
Herbert Saurugg, Experte für die Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger
Infrastrukturen, Wien
Dr. Martin Schmidt, ehemals TU Darmstadt
Louisa Schneider, DRK-Generalsekretariat
Claire Schocher-Döring, ÖRK-Generalsekretariat
Stefan Soucek, ÖRK, Landesverband Salzburg
Prof. Dr. Martin Voss, Katastrophenforschungsstelle, Freie Universität Berlin
Veronika Zettl, Universität Stuttgart, Institut für Arbeitswissenschaft und
Technologiemanagement (IAT)

Verantwortlich
Stefan Scholz, Referent Katastrophenvorsorge / Preparedness
DRK-Generalsekretariat

Text/Redaktion
Sabine Ehrke, Greta Aubke, DRK-Generalsekretariat

Layout + Grafiken
rx medien – Sylva Hausburg, sh@rx-medien.de

Fotos
Deutsches Rotes Kreuz

© 2016 Deutsches Rotes Kreuz, Berlin
Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
DOKUMENTATION

                   Fachtagung
                   Katastrophenvorsorge
                        Berlin, 02. - 03. November 2016

gefördert durch:
Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
Inhalt

Vorwort .................................................................................................. 6

Workshop 1.............................................................................................. 8
Einbindung von zivilgesellschaftlichen Akteuren in die Bewältigung von Schadens-
lagen – Rahmenbedingungen, Chancen und Herausforderungen von Mittlerorga-
nisationen

Workshop 2 ............................................................................................ 12
Kritische Infrastrukturen (KRITIS) und organisationsübergreifende Zusammen-
arbeit am Beispiel Stromausfall („Blackout“)

Workshop 3 ............................................................................................ 15
Implementierung von „Restoring-Family-Links“- Maßnahmen und -Vorbereitungen
in die nationale Katastrophenvorsorge

Workshop 4 ............................................................................................ 18
“Responding early based on meteorological information: A market place to exchange on
existing tools and identify challenges”

Workshop 5 ............................................................................................ 21
Wissen als zentrale Ressource in der Katastrophenvorsorge / im Katastrophen-
risikomanagement

Workshop 6 ........................................................................................... 24
„Social-Media“ und „Sozialraum“ – Bedeutung dieser Konzepte für eine effiziente
Katastrophenvorsorge

Workshop 7............................................................................................. 30
Ergebnisse des World Humanitarian Summit (WHS)-Diskurses zu Krisen-
prävention und Katastrophenvorsorge / Preparedness

Workshop 8 ............................................................................................ 33
Gegenwärtige Entwicklungen und Dynamiken sozialer Vulnerabilität und Resilienz
Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
Vorwort

    Zahlreiche internationale Prozesse haben in den vergangenen Jahren die Bedeutung der Kata-
    strophenvorsorge hervorgehoben und haben sie zu einer wichtigen Aufgabe der internationalen
    Zusammenarbeit gemacht. Sowohl die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, das Sendai
    Rahmenwerk zur Reduzierung von Katastrophenrisiken als auch der humanitäre Weltgipfel haben
    dies eindrücklich hervorgehoben. Im Zentrum der aktuellen Diskussionen steht dabei unter anderem
    das Bemühen, Akteure aus unterschiedlichen Bereichen und Disziplinen zusammenzubringen, um
    so Vorsorgemaßnahmen gestalten und weiterentwickeln zu können, die dem jeweiligen Bedarf und
    den jeweiligen lokalen Situationen entsprechen.

    Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) – mit Förderung
    des Auswärtigen Amts – in diesem Jahr erstmalig die Fachtagung Katastrophenvorsorge in Berlin
    durchgeführt. Ziel des DRK ist dabei eine jährliche Plattform in Deutschland zu schaffen, die den
    Austausch von deutschen Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichen Bereichen der natio-
    nalen und internationalen Katastrophenvorsorge ermöglicht. Beide Bereiche haben große Expertise in
    der Vorbereitung auf Katastrophen und in der Gefahrenabwehr. Diese Ansätze und Herausforderungen
    gemeinsam zu diskutieren und entsprechende Ansichten aus der nationalen und internationalen
    Katastrophenvorsorge auszutauschen, stellt für das DRK eine wichtige Aufgabe dar, die für alle
    Beteiligten die Möglichkeiten bietet, Maßnahmen, Ideen und Lösungsansätze (weiter-)entwickeln zu
    können.

    Im Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt sich ein Beispiel, das wie kaum ein anderes dafür
    steht, wie bedeutend eben dieser Austausch sein kann: Die Herausforderung der großen Zahl von
    Flüchtlingen, die in Deutschland Schutz gesucht haben und auch weiterhin Schutz suchen. Im Auf-
    bau der Strukturen der Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge hat sich gezeigt, dass der enge
    Austausch zwischen den Akteuren unerlässlich ist, sei es zwischen Behörden und Organisationen
    mit Sicherheitsaufgaben, dem Bereich Katastrophenschutz und weiteren engagierten Akteuren und
    Organisationen in den Sozialräumen vor Ort und nicht zuletzt natürlich auch den nationalen und
    internationalen Strukturen der Katastrophenvorsorge.

    Den Kern der diesjährigen Fachtagung haben die 8 Workshops gebildet, die zu den unterschiedli-
    chen Themen der nationalen und internationalen Katastrophenvorsorge durchgeführt wurden. Für
    das DRK war es ein besonderes Anliegen, auf der Tagung und in den Workshops die Themen
    anzusprechen, die für die tägliche Arbeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer relevant sind. Ent-
    sprechend hat das DRK darauf verzichtet ein Oberthema für die Veranstaltung festzulegen, sondern
    hat zu Beginn des Jahres einen großen Kreis von Akteuren angefragt, welche Fragestellungen und
    Themen für Workshops relevant erscheinen bzw. von Interesse für ein breites Publikum wären. Aus

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Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
dieser Abfrage sind die 8 Workshops entstanden, deren Ergebnisse auf den folgenden Seiten fest-
gehalten werden. Wir hoffen die Ergebnisse so auch den Kolleginnen und Kollegen zugänglich zu
machen, die in diesem Jahr nicht an der Tagung teilnehmen konnten.

Einen herzlichen Dank an alle Leiterinnen und Leiter eines Workshops. Ebenso möchte ich an dieser
Stelle auch den Referenten danken. John Mitchell mit seinem Vortrag zu „Disaster Risk Reduction
in Emergencies: Challenges and Opportunities“ und Prof. Dr. Martin Voss mit seinem Vortrag zu
„Bevölkerungsschutz und Gesellschaft im Ungleichgewicht“ haben der Tagung gleich zu Beginn
einen Rahmen gegeben und dabei spannende Einblicke in die jeweiligen Bereiche gewährt, die
einigen Raum für weitere Diskussionen lieferten. Einen herzlichen Dank auch an Irina Zodrow, die
aus der Perspektive von UNISDR einen Überblick zu den aktuellen Entwicklungen rund um das Rah-
menwerk zur Reduzierung von Katastrophenrisiken gegeben hat.

Wir hoffen sehr, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Ansinnen der Fachtagung entspre-
chend, neue Ideen und Einblicke mitnehmen konnten, die zur Weiterentwicklung der eigenen Pro-
jekte beitragen werden.

Schließlich möchte ich an dieser Stelle bereits die Fachtagung Katastrophenvorsorge 2017 ankün-
digen. Diese wird vom 16. – 17. Oktober 2017 in Berlin stattfinden.

Mit besten Grüßen

Christof Johnen
Leiter der internationalen Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz

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Workshop 1
    Einbindung von zivilgesellschaftlichen Akteuren in die Bewältigung von
    Schadenslagen – Rahmenbedingungen, Chancen und Herausforderungen
    von Mittlerorganisationen
    Moderation und Organisation
    Veronika Zettl, Universität Stuttgart, Institut für Arbeitswissenschaft und
    Technologiemanagement (IAT)

    Einführung in das Thema / Hintergrund                           von 2015 betonen daher die Rolle der zivilge-
                                                                    sellschaftlichen Akteure in der Herstellung von
    Bei Ereignissen wie dem Jahrhunderthoch-                        Resilienz gegenüber Krisen und Katastrophen.
    wasser in Süd- und Ostdeutschland 2013,                         Die Einbindung der zivilgesellschaftlichen
    in der Flüchtlingshilfe im Sommer 2015 und                      Akteure stellt die Behörden und Organisationen
    beim Pfingsthochwasser im baden-württem-                        mit Sicherheitsaufgaben (BOS) jedoch häufig vor
    bergischen Braunsbach 2016 konnten zwei-                        große Herausforderungen:
    erlei Dinge beobachtet werden: Zum einen wie
    anfällig unsere Gesellschaft und unsere Infra-                  • Die spontanen, ungebundenen Helferinnen
    strukturen bei solchen Ereignissen sind, zum                      und Helfer sind in der Regel nicht für den
    anderen wie groß die Hilfsbereitschaft und das                    Katastrophenschutz ausgebildet. Daher sind
    Engagement der Zivilbevölkerung ist, sich auch                    teils ausführliche Einweisungen und Schulun-
    abseits von etablierten Ehrenamtsstrukturen zu                    gen vor einem konkreten Einsatz erforderlich.
    engagieren und den Behörden Unterstützung                       • Sowohl die Schulung als auch die Koordi-
    anzubieten. Dieses Engagement ist aus einer                       nation und Steuerung der spontanen, unge-
    gesamtgesellschaftlichen Perspektive durchaus                     bundenen Helferinnen und Helfer bindet die
    wünschenswert, insbesondere in Anbetracht der                     Ressourcen der BOS, die anderswo benötigt
    sinkenden Zahlen an ehrenamtlichen Helferinnen                    werden.
    und Helfern bei einigen Einsatzorganisationen.                  • Zudem ist die Verfügbarkeit der Helferinnen
    Das überarbeitete Zivilschutzkonzept des Bun-                     und Helfer oft nicht planbar.
    desinnenministeriums (vgl. Bundesministerium                    • Darüber hinaus stellen häufig auch organisati-
    des Innern 2016: S 19)1 und auch das Sendai                       onskulturelle Unterschiede eine Hürde für eine
    Framework for Disaster Risk Reduktion 2 der UN                    erfolgreiche Zusammenarbeit dar.

    1 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2016/konzeption-zivile-verteidigung.pdf?__blob=publicationFile
    2 http://www.wcdrr.org/preparatory/post2015

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Kurz-Dokumentation Fachtagung Katastrophenvorsorge Berlin, 02 - November 2016 - Deutsches Rotes Kreuz
Engagement vor bzw. in einer Schadenslage zu
                                                      strukturieren und zu koordinieren und ggf. eine
                                                      Anlaufstelle für neu entstehendes, spontanes
                                                      Engagement zu schaffen. Mittlerorganisationen
                                                      unterstützen damit die professionelle Einbindung
                                                      von niedrigschwelligen Formen zivilgesellschaft-
                                                      lichen Engagements in den Katastrophenschutz,
                                                      die unabhängig von einem längerfristigen Ehren-
                                                      amt sind.

                                                      Eine Mittlerorganisation kann dabei aus einer
                                                      bereits bestehenden zivilgesellschaftlichen
                                                      Struktur (wie z. B. einem Sportverein oder einer
                                                      Kirchengemeinde) hervorgehen oder sich für den
Um die Strukturen und Ressourcen der BOS              Zweck der Vorbeugung oder/und Bewältigung
nicht zu überfordern, gleichzeitig aber die Kapa-     einer Schadenslage eigens gründen. In jedem
zitäten der Zivilgesellschaft nutzbar zu machen,      Fall aber ist eine Mittlerorganisation ein freiwil-
braucht es eine strukturierte Einbindung der          liger Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher
spontanen, ungebundenen Helferinnen und Hel-          Akteure (Einzelpersonen, Vereinen, Verbänden,
fer. Einige Konzepte (wie z. B. ISO/DIS 22319)        Unternehmen, o. ä.), der in einer Schadenslage
versuchen, die Strukturen für die Einbindung von      als Intermediär bzw. vermittelnde Instanz zwi-
spontanen, ungebundenen Helferinnen und Hel-          schen BOS und der Zivilgesellschaft fungiert und
fern direkt bei den BOS zu schaffen. Das umzu-        sich auf die Einbindung der Zivilgesellschaft als
setzen ist jedoch nicht immer möglich. Daher ver-     Ressource und aktiven Partner in das Krisenma-
sucht das Forschungsprojekt KOKOS3, das vom           nagement fokussiert.
Bundesministerium für Bildung und Forschung
gefördert wird (Förderkennzeichen 13N13560)           Eine Mittlerorganisation wird vor oder wäh-
einen alternativen Weg zu beschreiben: den über       rend einer konkreten Einsatzlage von der unte-
eine Mittlerorganisation.                             ren Katastrophenschutzbehörde oder/und den
                                                      zuständigen BOS als solche benannt. Sie unter-
«Das organisatorische Konzept der Mittlerorga-        stützt im Auftrag und im Sinne der BOS die Vor-
nisation beschreibt eine Form der strukturierten      beugung oder/und Bewältigung einer Schadens-
Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in den     lage und kooperiert zu diesem Zweck mit den
Katastrophenschutz zum Zweck der Vorbeugung           BOS. Die Helfer und Helferinnen werden über
oder/und der Bewältigung einer Schadens-              ihre individuelle Registrierung für die Dauer des
lage. In dieser Form wird die Koordination von        Einsatzes zu Mitgliedern der Mittlerorganisation.
sich freiwillig engagierenden, individuellen (z. B.
Einzelpersonen, Spontanhelfer) und kollektiven        Durch ihre Ernennung wird die Mittlerorgani-
Akteuren (z. B. Vereine, Verbände, Unterneh-          sation mitsamt ihrer Mitglieder zum sogenann-
men) der Zivilgesellschaft von den Behörden und       ten Verwaltungshelfer. Sofern die gesetzlichen
Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS)          Regelungen des jeweiligen Bundeslandes dies
an eine dritte Partei, die sogenannte Mittlerorga-    erlauben und bestimmte weitere Voraussetzun-
nisation, ausgelagert (Outsourcing), um die Res-      gen erfüllt sind, kann eine Mittlerorganisation
sourcen der BOS zu schonen und gleichzeitig           auch zum sogenannten Beliehenen der unteren
die Kapazitäten und Fähigkeiten zivilgesellschaft-    Katastrophenschutzbehörde bzw. der zuständi-
licher Akteure zugänglich zu machen. Einer Mitt-      gen BOS ernannt werden. Damit sind die Mittler-
lerorganisation fällt die Aufgabe zu, bereits vor-    organisation und ihre Mitglieder versicherungs-
handenes, ungebundenes zivilgesellschaftliches        rechtlich geschützt.»

3   http://www.kokos-projekt.de/

                                                                                                            9
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Ergebnisse / Impulse des Workshops

     Nach einem kurzen Impulsvortrag zur Vorstel-         hh Herausforderungen
     lung des Konzepts der Mittlerorganisation wur-         • Steuerung der „Schwarmintelligenz“: Zutei-
     den in 5 Themen-Inseln folgende Fragen von                lung der Helfer, Material
     den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert:        • Klare Regeln / Einweisung für die freiwilli-
                                                               gen Helfer erforderlich
     1. Chancen und Herausforderungen:                      • Vorbildung / Vorwissen bei Mittlerorganisa-
        Welche Chancen und Herausforderungen                   tionen
        birgt die Einbindung der Zivilgesellschaft über     • „Vorhaltung“ von Mittlerorganisationen und
        Mittlerorganisationen für den Katastrophen-            qualifiziertem Personal
        schutz?                                             • Die Beweggründe der freiwilligen Helfer
     2. Voraussetzungen und Rahmenbedingungen:                 sind unbekannt.
        Welche Voraussetzungen und Rahmenbe-                • Dilemma: Einerseits ist Struktur bei Mittler-
        dingungen müssen geschaffen sein, um die               organisationen erforderlich, andererseits
        Einbindung der Zivilgesellschaft über Mittler-         dürfen die Strukturen nicht zu eng sein.
        organisationen in den Katastrophenschutz zu         • Föderales System in Deutschland
        ermöglichen? Welche Anforderungen werden            • Erstrebenswerte Vertretung der Mittleror-
        an die jeweiligen Partner gestellt?                    ganisation im Krisenstab versus „wenige
     3. Rollen und Aufgaben:                                   Plätze“ im Krisenstab
        Welche Rollen und Aufgaben kommen in der            • Schulungen für Mittlerorganisationen müs-
        Zusammenarbeit den BOS, welche den Mitt-               sen vorbereitet werden.
        lerorganisationen zu?                               • Zahl der freiwilligen Helfer abhängig von
     4. Szenarien:                                             Zeitpunkt des Ereignisses (z. B. Ferienzeit),
        In welchen Szenarien/Fällen scheint eine Ein-          äußeren Umständen (z. B. Wetter), der
        bindung der Zivilgesellschaft über eine Mitt-          medialen Aufmerksamkeit, Dauer der Lage
        lerorganisation für BOS sinnvoll?
     5. Schulungen für Mittlerorganisationen:             2.
        Welche Inhalte sind wichtig zur Schulung von      hh Rahmenbedingungen
        (potentiellen) Mittlerorganisationen?                • Politisch-rechtlicher Rahmen muss geklärt
                                                               sein
     Die Gruppen erarbeiteten dabei folgende Aspek-          • Vielfalt der Mittlerorganisationen nötig
     te, die dem Plenum vorgestellt wurden:
                                                          hh Voraussetzungen
     1.                                                     • Ausgebildete Koordinatoren
     hh Chancen                                             • Dialog auf Augenhöhe zwischen BOS und
        • Möglichkeit, mehr Freiwillige anzusprechen           Mittlerorganisationen
        • Entlastung der BOS, mehr Ressourcen für           • Rollen und Kompetenzen müssen klar defi-
          die Hauptaufgaben                                    niert sein.
        • Hilfsbereitschaft annehmen – Ownership!           • Abstimmungsmechanismen (z. B. Cluster-
        • Potential ausschöpfen                                Meetings)
          („Schwarmintelligenz“)                            • Budgetbeschaffung
                                                            • Koordinierte Plattformen

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3.
hh Rollen und Aufgaben der BOS                     Das Forschungsprojekt KOKOS wird diese
   • Ansprechpartner                               Aspekte aufgreifen, um das Konzept der Mittler-
   • Gesamtkoordination                            organisation weiterzuentwickeln und zu schär-
   • Definition von Aufträgen                      fen. In diesem Sinne gilt den Teilnehmerinnen
   • Kontrollfunktion (z. B. Aufgabeneinteilung)   und Teilnehmern des Workshops ein herzliches
   • Aufgabenverteilung                            Dankeschön für ihre Unterstützung, ihre Anre-
   • Führung vor Ort                               gungen und Ideen.
   • Setzen von Mini-Standards für
     Mittlerorganisation                           Der Workshop in einem Satz
                                                   Eine anregende, kontroverse und teils hitzige
hh Rollen und Aufgaben der Mitt-                   Diskussion, wie die Einbindung der Zivilgesell-
   lerorganisation                                 schaft in den Katastrophenschutz gelingen kann
  • Ansprechpartner                                – und inwiefern dies überhaupt gelingen soll.
  • Anlaufstelle vor Ort für Spontanhelfer
  • „Übersetzung“ (Kommunikation):
      BOS versus Freiwillige Helfer
  • „Auswahl“ von freiwilligen Helfern (Arbeits-
      einteilung, Zuteilung von Tätigkeiten)
  • Überwachung der Mini-Standards
  • Grenzen setzen (Aufgabenverteilung)
  • Vermittlerfunktion (z. B. Versorgung)

4.
hh Szenarien des Einsatzes
   • Geplante Veranstaltungen
   • Lokale Ereignisse
   • Kleinteilige Lagen
   • Nachbarschaftshilfe
   • Mittelfristige Lagen
   • NICHT bei länderübergreifenden Groß-
     schadenslagen oder bei akutem Sicher-
     heitsrisiko wie z. B. Antiterroreinsatz,
     Atomunglücke o. ä.

5.
hh Schulungen für Mittlerorganisationen
Form:
   • Schulungen Kompakt
   • Ad-hoc-Schulungskonzept

Inhalte:
   • Grundlagen des Bevölkerungsschutzes
   • Sicherheits- / Gesundheitsstandards
   • Führungskompetenzen
   • Koordinationsfähigkeiten
   • Wertschätzender Umgang
   • Umgangston in BOS

                                                                                                     11
Workshop 2
     Kritische Infrastrukturen (KRITIS) und organisationsübergreifende
     Zusammenarbeit am Beispiel Stromausfall („Blackout“)
     Moderation und Organisation:
     Dr. Martin Schmidt, ehemals TU Darmstadt
     Herbert Saurugg, Experte für die Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger
     Infrastrukturen, Wien

     Einführung in das Thema / Hintergrund               Wesentliche Fragestellungen und
                                                         Erkenntnisse aus dem Workshop
     Ein europaweiter Strom- und Infrastrukturausfall
     („Blackout“) ist für viele Menschen unvorstell-     Bei der Auseinandersetzung mit dem Szena-
     bar, zählt doch die mitteleuropäische Stromver-     rio „Blackout“ ist häufig zu beobachten, dass
     sorgung zu den stabilsten der Welt. Jedoch ist      das Szenario in seiner Tragweite deutlich unter-
     dieses Szenario alles andere als unwahrschein-      schätzt bzw. die erwartete eigene Handlungs-
     lich. Aufgrund der mangelnden gesellschaftlichen    fähigkeit überschätzt werden – typische Kenn-
     Vorbereitung sind bereits bei einem mehrstün-       zeichen von systemischen Risiken5. So hat der
     digen Ereignis dieser Art verheerende Folgen zu     Workshop in einem ersten Block die Auswir-
     erwarten. So bereiten Verantwortungsträger in       kungen eines Blackouts hinsichtlich des berufli-
     Behörden und (Infrastruktur-)Unternehmen die-       chen und privaten Umfelds der Teilnehmerinnen
     ses Szenario bislang zumeist nicht systematisch     und Teilnehmer, der möglichen Abhängigkeiten/
     vor. Auch sind existierende Informationen beim      Wechselwirkungen und der spezifischen Heraus-
     Großteil der Bevölkerung nicht präsent, sodass      forderungen für die einzelnen vertretenen Orga-
     ein sehr geringer Vorbereitungs- und Eigenver-      nisationen analysiert. Insgesamt wurden drei
     sorgungsgrad existiert, um mit mehrtägigen Ver-     zentrale Bereiche identifiziert, in denen Beein-
     sorgungsausfällen auch nach dem unmittelbaren       trächtigungen besondere Bedeutung haben:
     Stromausfall zurechtzukommen. Es besteht hier
     ein Verletzlichkeitsparadoxon 5: Je zuverlässiger   1. Ausfall von (Tele-)Kommunikationsmöglichkei-
     ein System ist / zu sein scheint, desto geringer       ten: Hierdurch werden die gewohnten Krisen-
     ist das Bewusstsein für dessen Leistungen sowie        bewältigungsaktivitäten von BOS und KRITIS-
     die vorgenommenen Vorkehrungen und Hand-               Unternehmen massiv eingeschränkt. Für die
     lungskompetenzen für mögliche Ausfälle, sodass         Bevölkerung ist ohne Kommunikationsmittel
     sich Störungen umso gravierender auswirken.            nicht feststellbar, ob es sich um einen (voraus-

12
sichtlich langfristigen) Blackout oder um einen                    nisse14 zu den gegenwärtigen Koordinationsdefi-
    (kurzweiligen) regionalen Stromausfall handelt.                    ziten im Risiko- und Krisenmanagement (sowohl
    Umso wichtiger ist es, alternative Informati-                      zwischen den Infrastrukturunternehmen als auch
    onskanäle zu etablieren, und die Risikokom-                        zwischen den Unternehmen und dem Katastro-
    munikation hierüber – vor, während und nach                        phenschutz (KatS)) basierend, wurde sodann
    einem solchen Ereignis – stellt eine Schlüssel-                    die interorganisationale Zusammenarbeit im
    rolle in der Vorbereitung und Bewältigung dar.                     Workshop aufgearbeitet.
    Nachhol-/Verbesserungsbedarf liegt zudem
    darin, schnellstmöglich ein übergreifendes
    Lagebild im Krisenmanagement zu generieren
    (nationales Frühwarnsystem Blackout5).

2. Durch den Ausfall der Stromversorgung erge-
   ben sich erhebliche Einschränkungen in der
   Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung.
   Dies hat bei den Teilnehmerinnen und Teilneh-
   mern auch Fragen zur persönlichen Situation
   und Vorbereitung aufgeworfen. Kontrovers
   diskutiert wurde der Mythos Panik5: Mehrheit-
   lich ging man jedoch davon aus, dass in den                         Hierbei wurde untersucht,
   ersten Stunden ein gestärkter sozialer Zusam-                       1. welche Akteure einbezogen werden müssen,
   menhalt zu erwarten sei. Oft befürchtete Plün-                      2. welche Herausforderungen existieren,
   derungen und Panik (à la Hollywood) werden                          3. welche Erfolgsfaktoren benannt werden
   die Ausnahme darstellen, abgesehen von klein-                          können und
   kriminellen Übergriffen. Je besser die Nachbar-                     4. welche Themen vorrangig zu bearbeiten sind.
   schaftshilfe aktiviert werden kann, desto länger
   wird sich dieser Zustand aufrechterhalten las-                      1. Einzubeziehen sind zuvorderst Fach- und
   sen. Erst mit Fortdauer über Tage ist mit Eska-                        Katastrophenschutzbehörden, Hilfsorgani-
   lationen zu rechnen – hier sind urbane Räume                           sationen, KRITIS-Unternehmen (aus allen
   eher als ländliche betroffen, wo die Eigenver-                         Sektoren/Branchen) und die Bürger. Zudem
   sorgungsfähigkeit meist höher ist.                                     sollte an spezifische Organisationen wie Ver-
                                                                          eine, Nachbarschaftshilfen, Schulen, lokale
3. In diesem Zusammenhang wurde die beson-                                Tref fpunkte („Büdchen“) und die Medien
   dere Betroffenheit von vulnerablen Grup-                               gedacht werden. Die Initiativ-, Koordinations-
   pen (Alte, Kranke, Pflegebedürftige, Kinder,                           und Führungsverantwortung ordneten die
   Alleinstehende etc.) betont. Hier fehlen meist                         Teilnehmerinnen und Teilnehmer einhellig den
   soziale Netzwerke wie Familie/Angehörige,                              lokalen KatS-Behörden zu.
   Nachbarn, Vereine und Kollegen. Durch
   Kommunikations- und Fortbewegungsein-                               2. Zu den größten Herausforderungen zählt, die
   schränkungen können diese Betroffenen                                  erforderlichen Informations- und Kommuni-
   auch kaum Hilfe rufen oder sich zu Informa-                            kationsketten im Falle eines Blackouts vorher
   tionsstellen begeben.                                                  zu definieren, sie als Offline-Pläne zu etablie-
                                                                          ren und diese wiederum permanent aktuell zu
Angesichts der beschriebenen Abhängigkeiten                               halten. Hierfür muss zwischen verschiedenen
und Störkaskaden müssen KRITIS organisa-                                  „Typen“ und Handlungsinteressen vermittelt
tionsübergreifend koordiniert werden. Auf einer                           und für alle eine gemeinsame Sprache gefun-
kurzen Vorstellung aktueller Forschungsergeb-                             den werden. In der Umsetzung ist es zumeist

4   Weitere Informationen online verfügbar unter: http://www.raumplanung.tu-darmstadt.de/fg_ruip/forschung_ruip/kritis/kritis_dfg.de.jsp
5   Weitere Informationen und Downloads verfügbar unter: http://www.herbert.saurugg.net/

                                                                                                                                           13
problematisch, „die Dinge“ trotz ihrer Kom-                    Zusammenwirken einzelner KRITIS-Akteure und
        plexität „einfach zu halten“. Eine zentrale Rolle              die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung gestärkt
        spielt zudem auch die fehlende bzw. unzurei-                   werden müssen („Resilienz“). Die möglichen
        chende Risiko-(Sicherheits-)Kommunikation5                     Auswirkungen und Probleme sind durch Stu-
        bzw. dass sie zu wenige Menschen erreicht.                     dien hinreichend dargestellt. Jedoch muss das
                                                                       Bewusstsein hierfür erhöht und die Umsetzung
     3. Für die organisationsübergreifende Krisenbe-                   von Vorkehrungsmaßnahmen gesteigert werden.
        wältigung ist – nach Auffassung der Work-                      Wichtig ist, die allgemeinen Erkenntnisse auf die
        shopteilnehmerinnen und -teilnehmer – ent-                     räumlich sehr unterschiedliche Situation vor Ort
        scheidend, vor der Krise „Köpfe zu kennen“,                    herunterzubrechen und generische Maßnahmen
        eine einheitliche Sprache zu entwickeln (Voka-                 der Notfallvorsorge auf ihre Praktikabilität bei
        bular) und ein Verständnis für die Handlungs-                  einem Blackout zu überprüfen (Getreidevorrat
        interessen und -weisen anderer Institutionen                   vorhanden, kann jedoch nicht zubereitet werden;
        aufzubauen. In der gemeinsamen Stabsarbeit                     Diesel bevorratet, Distribution zu den Notstrom-
        hilft ein einheitliches Lagebild und gemein-                   aggregaten jedoch ungeklärt). Hier sind zuvor-
        schaftliches Ziel. Systematisch müssen daher                   derst die örtlichen und regionalen KatS-Behörden
        auch reale Schadensereignisse im Nachgang                      gefordert, deren Engagement bislang zumeist
        ausgewertet und auf Verbesserungspotenziale                    hinter den Erfordernissen zurückbleibt.
        analysiert werden. Einen zentralen Punkt stellt
        ferner die Eigenvorsorge und Selbsthilfefähig-                 Bei der Auseinandersetzung wird sich herausstel-
        keit in der Familie des ehrenamtlich engagier-                 len, dass viele Organisationen nicht (genau) wis-
        ten Personals von Einsatz- und Hilfsorganisa-                  sen, welche Ressourcen inkl. Humankapital ihnen
        tionen dar, damit überhaupt Ressourcen für                     in einer solchen Situation zur Verfügung stehen
        eine mögliche Hilfe für andere zur Verfügung                   werden bzw. welche wechselseitigen Abhängig-
        stehen. Die Bewältigung ist vorwiegend auf                     keiten es zu anderen Organisationen gibt. So
        eine dezentrale Selbstorganisation auszurich-                  müssen entsprechende Prioritäten bereits vor
        ten, da Hilfe von außen kaum zu erwarten ist.                  einem möglichen Ereignis festgelegt werden.
        Eine mögliche Umsetzung stellen dabei Kata-                    Hierzu bildet ein Blackout ein Musterszenario für
        strophenschutz-Leuchttürme5 dar.                               viele andere Szenarien zu KRITIS-Ausfällen.

     4. Als die vorrangig zu bearbeitenden Themen                      Weiterführende Informationen und Ausarbei-
        definierte die Workshop-Gruppe, Priorisie-                     tungen:52
        rungen von KRITIS vorzunehmen (z. B.: Wer                      • Leitfaden „Die Organisierte Hilfe im Fall eines
        muss wie lange „durchhalten“ und braucht                          Blackouts“
        welche Unterstützung von anderen?), die                        • Leitfaden „Mein Unternehmen auf ein Black-
        (Not-)Verteilung von Wasser und Lebensmit-                        out vorbereiten“
        teln vorzubereiten sowie die Kommunikation                     • Leitfaden „Meine Gemeinde auf ein Blackout
        mit der Bevölkerung (bzgl. Informationsstel-                      vorbereiten“
        len, Eigenvorsorge etc.) auszubauen.
                                                                       Der Workshop in einem Satz
     Schlussfolgerungen                                                Die Folgen eines möglichen europaweiten
     Der „Schutz“ Kritischer Infrastrukturen erfordert                 Strom- und Infrastrukturausfalls („Blackout“)
     Aktivitäten in zwei Handlungsfeldern: Neben                       werden immer noch unterschätzt bzw. nicht auf
     Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von /                         die Situationen vor Ort heruntergebrochen, wäh-
     zum Schutz vor Funktionsausfällen (prevention)                    rend die notwendige organisationsübergreifende
     ist die Notfallplanung als Vorbereitung auf (nicht                Zusammenarbeit („Vernetztes Denken und Han-
     vermeidbare) Funktionsausfälle (preparedness)                     deln“5) im Risiko- und Krisenmanagement bis-
     mindestens genauso wichtig, wozu u. a. das                        lang unzureichend etabliert ist.

     5 Weitere Informationen und Downloads verfügbar unter: http://www.herbert.saurugg.net/

14
Workshop 3
Implementierung von „Restoring-Family-Links“-Maßnahmen und -Vorbereitungen
in die nationale Katastrophenvorsorge
Moderation und Organisation:
Claire Schocher-Döring, Österreichisches Rotes Kreuz-Generalsekretariat
Stefan Soucek, Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband Salzburg
Tomasz Niewodowski, Claudia Bliesener, Deutsches Rotes Kreuz-Generalsekretariat

Einführung in das Thema / Hintergrund

Innerhalb der ersten Stunden nach Eintreten              Eine der Hauptfragen ist: Wer hilft diesen Perso-
einer Katastrophe oder einer Großschadenslage            nen und wer kann diese Fragen beantworten?
und noch während der ersten Rettungsmaßnah-
men werden die ersten Fragen nach der Familie,           Die Flüchtlingsbewegung durch Österreich
den Freunden und Verwandten gestellt. Kinder             im Jahr 2015 wurde exemplarisch für diesen
werden an die Hilfsorganisationen herantreten            Workshop gewählt. Ausschlaggebend war die
und Fragen, „Wo sind meine Eltern? Wie kann              Bewegung von Menschen. Sobald sich Men-
ich meine Eltern und meine Familie finden? Wer           schen in größeren Mengen bewegen, sei es
passt jetzt auf mich auf? Wie kann ich mit mei-          aufgrund von Katastrophen, Krieg, Evakuierun-
nen Verwandten in Kontakt treten? Wer bringt             gen, Migration etc., verlieren sich Menschen.
mich nachhause und wo ist das überhaupt?“                Dieser Verlust von Kontakt wirft sofort die
                                                         oben genannten Fragen auf. Diese Kontakte
Eltern werden sich um ihre Kinder sorgen und             wieder herzustellen ist eine der Hauptaufga-
fragen: „Wo sind meine Kinder? Wohin wurden              ben von „Restoring Family Links“ (RFL 61). RFL
meine Kinder und meine Familie evakuiert? Wie            - im deutschsprachigen Raum besser bekannt
kann ich meiner Familie mitteilen, dass ich über-        unter der Terminologie Suchdienst – ist eine
lebt habe und herausfinden, ob sie noch am               der Kernaufgaben der Rotkreuz- und Rothalb-
Leben sind?“                                             mondgesellschaften weltweit und bereits in den

6 Weitere Informationen unter www.familylinks.icrc.org

                                                                                                             15
Action“. Dieser wies RFL als eine der 4 Kernauf-
                                                                          gaben der Rotkreuz- und Rothalbmondgesell-
                                                                          schaften aus, denn die Rotkreuz- und Rothalb-
                                                                          mondbewegung ist die einzige humanitäre
                                                                          Institution mit Präsenz und Kapazitäten in den
                                                                          Herkunftsländern bis hin zu den Zielländern.

                                                                          Fragestellung und Erkenntnisse aus dem
                                                                          Workshop

                                                                          Aus der dargestellten Ausgangssituation entwi-
                                                                          ckelte sich die Fragestellung des Workshops:

                                                                          Wie können „Restoring-Family-Links“-Maßnah-
                                                                          men und -Vorbereitungen in die nationale Katas-
                                                                          trophenvorsorge implementiert werden?

                                                                          Basierend auf den Erfahrungen des ÖRK im
                                                                          Population Movement 2015 sowie aus den
                                                                          Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilneh-
                                                                          mer, konnten folgende „lessons learned“ her-
                                                                          ausgearbeitet werden:

                                                                          • Es bedarf eines einheitlichen und durchgängi-
                                                                            gen Zugangs zu RFL-Services 83 sowie eines
     Genfer Abkommen und den Zusatzprotokol-                                einheitlichen Designs und Angebots.
     len verankert. Die Implementierungen von „Re-                        • Es müssen Informationen über nationale
     storing Family Links“ in die nationale Katastro-                       Grenzen hinweg ausgegeben werden (wel-
     phenvorsorge und in das Katastrophenmanage-                            cher Service / welches Angebot besteht wo?)
     ment sollte entsprechend der Implementierung                         • Die Mediennutzung der Benefizientinnen und
     der RFL Strategie 2008 - 2018 schon weit fort-                         Benefizienten muss erhoben werden.
     geschritten sein. So war ein Schwerpunkt dieser                      • Es bedarf einer „real-time“ Kommunikation im
     Strategie die Verlinkung von RFL und Desaster                          RFL-Netzwerk.
     Management (DM). 7 2Doch nur die Hälfte der                          • Möglichkeiten zu Selbstregistrierung (Safe &
     116 Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften,                           Well Messages) müssen geschaffen werden.
     die an der globalen Erhebung teilnahmen, haben                       • WLAN und Kommunikationstechnologie spie-
     RFL in ihren Assessments inkludiert und nur 40%                        len eine herausragend große Rolle bei der
     der 116 Gesellschaften hatten überhaupt RFL                            Wiederherstellung von Kontakt.
     Teams bei ihren Katastropheneinsätzen vor Ort.                       • Für die Bildung und zur Stärkung von Resili-
     Ergebnis der European Migration Conference                             enzen gegenüber Katastrophen muss RFL im
     vom 15./16. Februar 2015, an der 16 europäi-                           Zivilschutz mitgedacht werden und benötigt
     sche Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften                           einen festen Platz. Familie hat eine essentielle
     teilgenommen haben, ist der „London Plan of                            Bedeutung für Angehörige.

     7   https://www.icrc.org/eng/assets/files/other/30ic_10-2_cd07_4-1_rflstrategy_annexstrategy_final_eng.pdf & https://www.icrc.org/en/
         publication/0967-restoring-family-links-strategy
     8   Entsprechend der Ergebnisse aus Need Assessments, wie z.B. Online Suche, Safe and Well Nachrichten, Kommunikationstech-
         nologien, Familienzusammenführungen etc. RFL Services der einzelnen Länder können unter www.familylinks.icrc.org abgerufen
         werden.

16
Im Workshop wurde das Augenmerk auf zwei              strophenbewältigung werden. Diesbezüglich
Aspekte gelegt:                                       muss RFL auch in die KAT-Vorsorge des Zivil-
                                                      schutzes inkludiert werden und eine Sensibilisie-
1. RFL in der „Prevention“: Maßnahmen die             rung in diese Richtung angestoßen werden. RFL
   geset z t werden müssen, um das uner-              muss Maßnahmen der KAT-Vorsorge und des
   wünschte Ereignis der Trennung abzuwenden          DM implementieren, um auch die Einsatzpläne
   oder ihm zuvorzukommen.                            und Vorgehensweisen zu kennen. Über-/regio-
                                                      nale Ressourcen aufzubauen wird empfohlen.
2. RFL im Bereich der „Preperation“: Vorbe-           Im personellen Bereich wird die Erstellung eines
   reitung auf das Ereignis der Trennung und          RFL-Experten-Pools angeregt. Aber auch in in-
   Maßnahmen, die zur Bewältigung gesetzt             frastruktureller Hinsicht müssen vermehrt Res-
   werden müssen.                                     sourcen gebündelt und harmonisiert werden.

Im Bereich „Prevention“ fielen den Teilneh-           Wie dieser Workshop aufgezeigt hat, fehlen
merinnen und Teilnehmern die fehlenden Struk-         gerade in Deutschland und Österreich diese
turen von RFL im DM auf. Aber auch das DM             Implementierungen und Umsetzungen. Die Rele-
hat keine RFL-Strukturen implementiert. In der        vanz zu RFL-Maßnahmen ist für alle Beteiligten
KAT-Vorsorge spielt RFL überhaupt keine Rolle.        Stakeholder im Zivilschutz und Katastrophen-
Dies ergibt sich aus oder gerade wegen der            vorsorge gegeben. Weltweit. RFL soll ein fixer
fehlenden Kenntnisse von RFL-Maßnahmen. In            Bestandteil der nationalen sowie internationalen
der aktuellen Diskussion der KAT-Vorsorge aber        Katastrophenvorsorge und bewältigung wer-
auch in der Bewältigung zeigt sich ein fehlendes      den, denn Familie ist ein essentieller Teil jeglicher
Problembewusstsein für RFL.                           Gesellschaften.

Gerade im Bereich „Prevention“ soll demnach           Der Workshop in einem Satz
vermehrt auf das Rollout von „Prevention Mes-         „Wo ist meine Familie?“ – „Restoring Family
sages“ im Zivilschutz geachtet werden. Es muss        Links“ stärkt Resilienz in Katastrophen.
eine Sensibilisierung aller beteiligten Stakeholder
für mögliche Trennungsereignisse erreicht wer-
den. Diesbezüglich muss ein valides Mapping
von bestehenden RFL-Prevention-Maßnahmen
erarbeitet werden und Best-Practice-Beispiele
ausgehoben werden. Dahingehend müssen
interne Lücken im „System“ identifiziert und
geschlossen werden.

Für den Teil „Preperation“ wurde ganz klar das
Mapping der eigenen Ressourcen in den Vor-
dergrund gehoben. Durch eine Sensibilisierung
aller Einsatzkräfte für RFL-Thematiken, wird
auch der Bedarf an RFL-Maßnahmen steigen.
RFL muss in „Need Assessments“ einen fes-
ten Platz bekommen und muss neben Shelter
– Food – Health eine Kernaufgabe in der Kata-

                                                                                                              17
Workshop 4
     “Responding early based on meteorological information: A market place to
     exchange on existing tools and identify challenges”
     Moderation:
     Alexandra Rüth, Deutsches Rotes Kreuz-Generalsekretariat
     Johara Bellali, adelphi
     Barbara Früh, Deutscher Wetterdienst
     Organisation und Vorbereitung/Nachbereitung:
     Greta Aubke, Deutsches Rotes Kreuz-Generalsekretariat

     Einführung in das Thema / Hintergrund             Fragestellungen und Erkenntnisse aus
                                                       dem Workshop
     Häufigere und immer intensiver auftretende Ex-
     tremwetterereignisse infolge des Klimawandels     Zu Beginn waren die Teilnehmerinnen und
     stellen die Menschen in Entwicklungsländern       Teilnehmer angehalten, an einer Zeitleiste von
     vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig        langfristiger Katastrophenvorsorge bis hin
     können diese witterungsbedingten Risiken aber     zur Nothilfe unterschiedliche Instrumente und
     auch immer besser vorhergesagt werden. So         Mechanismen der Frühwarnung, Vorsorge und
     existieren bereits heute zahlreiche Extremwet-    Response zu notieren. Hier wurde klar ersicht-
     tervorhersagen, die regelmäßig auf steigende      lich, dass viele Möglichkeiten der Vorbereitung
     Unwetterrisiken für bestimmte Regionen hin-       bestehen, wenn man abschätzen kann, dass
     weisen (z. B. El Niño- und La Niña-Vorhersa-      Naturkatastrophen entweder Monate oder
     gen, Vorhersagen der Hurrikan-, Zyklon- und       Jahre entfernt sind. Auch wenn eine Katastro-
     Taifun-Saison, Dürrevorhersagen, Kälte- oder      phe unmittelbar bevorsteht und bspw. Tage
     Hitzewellen). Jedoch ist die humanitäre Hilfe     oder Stunden vorher vorausgesagt wird, kön-
     hier oft noch zu stark reaktiv anstatt proaktiv   nen kurzfristige Katastrophenvorsorgemöglich-
     und antizipatorisch ausgerichtet. Unter dem       keiten ergriffen werden.
     Titel “Responding early based on meteorologi-
     cal information: A market place to exchange on    Alexandra Rüth, Koordinatorin des Maßnah-
     existing tools and identify challenges” gab der   menpaketes des Auswärtigen Amts zur humani-
     Workshop den Teilnehmerinnen und Teilneh-         tären Anpassung an den Klimawandel, gab eine
     mern einen Überblick über die aktuellen Ent-      einleitende Präsentation zum Thema Forcast-
     wicklungen innerhalb der humanitären Hilfe, der   based Financing (FbF). FbF stellt einen Mecha-
     Wissenschaft und der Policy-Ebene.                nismus dar, der vom DRK mit Unterstützung des

18
Auswärtigen Amts und des Rotkreuz-Rothalb-            2. Im Bereich Risiko: Sendai hat noch einmal
mond-Klimazentrums (RCCC) entwickelt wurde.              betont, wie wichtig es ist, auf tiefer liegende
Hierbei geht es darum, die mittel- bis kurzfris-         Ursachen von Katastrophen einzugehen und
tig ansteigenden Extremwetterrisiken vor einer
                                                         sich auf „integration through disaster risk
potentiellen Katastrophe gezielt zu reduzieren,
                                                         reduction for resilience“ (Priorität 3) zu fokus-
indem spezielle Schwellenwerte zur Frühwar-
                                                         sieren.
nung entwickelt werden. Nur bei Erreichen die-
ser Schwellenwerte werden dann wiederum ziel-
gerichtete Vorsorgemaßnahmen im Rahmen von            3. In der humanitären Welt: Die weiterhin beste-
standardisierten Handlungsrichtlinien (sog. Stan-        hende Trennung von Humanitärer Hilfe und
dard Operating Procedures, SOPs) ausgelöst,              Entwicklungszusammenarbeit ist der Fokus
z. B. die vorausschauende Einlagerung und                der „Core Responsibility#4“ des Humanitären
Auslieferung von Hilfsgütern, zusätzliche Auf-           Weltgipfels und die Verbindung zur Agenda
klärungsmaßnahmen für Hygiene, ergänzende                2030.
Trainings für humanitäre Helfer vor Ort, die Stabi-
lisierung von Häusern, die Vorbereitung von Eva-      Johara Bellali stellte eine konzeptuelle, institu-
kuierungsplätzen und schließlich die rechtzeitige     tionelle und programmatische Verschiebung
Evakuierung der bedrohten Bevölkerung. Wird
                                                      innerhalb der drei Bereiche dar, die sich auch
ein bestimmter Schwellenwert nicht erreicht,
                                                      im Denken von nationalen, bi- und multilateralen
werden keine weiteren Maßnahmen getroffen. In
                                                      Organisationen wiederfindet.
der intensiven Weiterentwicklung des Ansatzes
wird eng mit dem RCCC sowie Wetterdiensten
und Universitäten zusammengearbeitet.                 In der sich an die Vorträge anschließenden
                                                      Diskussion in Form eines World-Cafés wurden
Barbara Früh vom DWD stellte in ihrer Prä-            daraufhin Fragen zu den drei vorgestellten The-
sentation verfügbare meteorologische Daten            men diskutiert. Dies auch vor dem Hintergrund,
dar, und wie diese genutzt werden können. Für         mögliche Lücken und Schwierigkeiten innerhalb
einen Zeitraum von heute bis hin zu zehn Jah-         der aktuellen Katastrophenvorsorge zu identifi-
ren werden Klimavorhersagen benutzt, für einen        zieren.
wesentlich längeren Zeitraum von 100 Jahren           Folgende Lücken wurden in den einzelnen Dis-
werden Klimaprojektionen erstellt. Klimavorher-       kussionen identifiziert:
sagen werden, ähnlich wie kurzfristige Wetter-
vorhersagen aber anders als Klimaprojektionen,
                                                      1. Welche meteorologischen Daten werden
mit Simulationen erstellt, die mit vergangenen
Klimadaten gestartet werden. Diese Simulati-             überhaupt benutzt und wie viel Ungewissheit
onen können aber häufig keine detaillierten Vor-         nimmt man in Kauf? (Barbara Früh)
hersagen machen. Stattdessen werden Wahr-
scheinlichkeiten für das Eintreffen bestimmter          • Vertrauen in technologische Methoden in
Wettersituationen abgeleitet. Techniken wie               Entwicklungsländern häufig nicht sehr groß
„hindcasts“, also Wettervorhersagen in der Ver-         • Ungewissheiten bezüglich der Kommu-
gangenheit, dienen der Überprüfung der Quali-             nikation von K limainformationen und
tät der Vorhersagen.                                      Schwierigkeiten, diese Klimainformationen
                                                          anschließend in Aktionen umzuwandeln
Johara Bellali von adelphi gab einen Überblick          • Mangel an Wissen über Risikotoleran-
über den Paradigmenwechsel innerhalb der fol-             zen. Hier wäre ein Training wünschens-
genden drei Bereiche:                                     wert, welches das Bewusstsein für die
                                                          Nutzung von Klimainformationen stärkt.
1. Im Bereich Klimawandel: Der Report des
   „Intergovernmental Panel on Climate Change“        2. Auf welche Art und Weise beeinflusst der
   hat das Konzept Risiko in den Mittelpunkt             derzeitig passierende Paradigmenwech-
   gerückt und Vulnerabilität als Teil dessen            sel unsere Arbeit und wie weit sind unsere
   erklärt.                                              Werkzeuge/Instrumente daran angepasst?

                                                                                                             19
Was ist ein pragmatischer Ansatz um DRR,            noch sehr neu ist, hauptsächlich für die Klä-
       CCA und Early Response zu integrieren?              rung von Fragen genutzt. Generell wurde
       (Johara Bellali)                                    großes Interesse an dem Konzept geäu-
                                                           ßert. Kritisch angemerkt wurde von NGOs,
       Die Änderung, sich nicht nur auf Vulnerabilitä-     dass die wissenschaftliche Komponente nur
       ten sondern auch auf Risiken zu konzentrie-         schwer umsetzbar scheint. Nicht alle NGOs
       ren, ist positiv, da er den Empfänger vom blo-      haben Wetterexperten oder die Verbindung
       ßem Empfänger von Hilfsgütern zum Akteur            zu nationalen meteorologischen Diensten,
       macht, der sein Schicksal selbst in der Hand        um Schwellenwerte zu erarbeiten. Hier wurde
       hat. Dies spiegelt sich auch in den Trends          vom DRK angemerkt, dass bei der Erarbei-
       im Feld wider. Trotzdem gibt es immer noch          tung des Finanzierungsmechanismus die
       große Unterschiede in den Förderansätzen            Erarbeitung der Schwellenwerte auf eine
       der unterschiedlichen Geber. Sektorübergrei-        andere Ebene gehoben wird. Die finale Ent-
       fende Ansätze sind im Kommen, aber immer            scheidung, welchen Stellenwert Schwellen-
       noch ungenügend, ebenso die Flexibilität der        werte spielen werden, steht noch aus. Inter-
       Finanzierung. Als größtes Problem wurde             essante Diskussionen ergaben sich auch um
       angesehen, dass existierende Konzepte erst          die Themenbereiche „notwenige Strukturen“,
       vollständig implementiert, getestet und repli-      „methodische Fragen“ und „Potential des
       ziert werden sollten, um dann entsprechende         Ansatzes“.
       Lehren ziehen zu können, anstatt regelmäßig
       neue Ansätze zu entwickeln.                       Der Workshop in einem Satz
                                                         Die Weiterentwicklung des humanitären Systems
     3. Wie seht ihr FbF in eurem Arbeitsumfeld oder     verlangt interdisziplinäre Ansätze: Die Wetter-
        eurer Organisation? Was sind Herausforde-        und Klimaforschung bietet große Potentiale für
        rungen? Was Potenziale? (Alexandra Rüth)         effizienteres Handeln in der humanitären Hilfe.

       Die World-Café-Runden zum System der
       Vorhersagenbasierten Finanzierung (FbF)
       wurden dadurch, dass für viele das Konzept

20
Workshop 5
Wissen als zentrale Ressource in der Katastrophenvorsorge/im Katastrophen-
risikomanagement
Moderation und Organisation:
Dr. Gabriele Hufschmidt, Universität Bonn
Dr. Thomas Lennartz, Friedegund Mascher, GIZ

Einführung in das Thema / Hintergrund              dung für das Management von Wissen zwischen
                                                   Organisationen finden. Ein Beispiel hierfür ist die
Informationen und Wissen sind die Grundlage        „Globale Initiative Katastrophenrisikomanage-
für Entscheidungen und Handlungen. Doch wie        ment“. Sie verfolgt das Ziel, deutsche Expertise
gehen wir mit diesen wertvollen und zentralen      zu vereinen und damit den deutschen Beitrag
Ressourcen um? Wie bewahren wir etwa Wis-          zu einem verbesserten Katastrophenrisikoma-
sen, um das „Rad nicht immer wieder neu erfin-     nagement weltweit zu stärken. Ein Querschnitts-
den zu müssen“? Nutzen wir Wissen wirklich         thema dieser Initiative ist z. B. „Städtische
optimal? Wissen wir überhaupt, welches Wissen      Resilienz“, mit dem Ziel, Aspekte des Bevölke-
in einer Organisation vorhanden ist? Wenn nicht,   rungsschutzes generell aber auch mit Blick auf
sind wir in der Lage uns benötigtes Wissen über    kritische Infrastrukturen sowie Wirtschaftskreis-
unsere beruflichen Netzwerke anzueignen?           läufe und Frühwarnsysteme zu stärken.

Diese und andere Fragen fallen in den Bereich      Fragestellungen und Erkenntnisse aus
des Wissensmanagements, das den konzep-            dem Workshop
tionellen Rahmen für den Workshop bildete.
Nach einer kurzen semantischen Differenzierung     In zwei „break-out groups“ wurden zwei Sicht-
verschiedener Begriffe, z. B. die Trennung von     weisen jeweils vertieft bearbeitet:
Information und Wissen, wurde das Modell des
„Wissenskreislaufs“ vorgestellt, das verschie-     1. Wissensmanagement für eine bzw. innerhalb
dene Elemente, wie z. B. Wissen identifizieren        einer Organisation und
und bewahren, integriert. Anwendung findet das     2. Netzwerke als Instrument des Wissensma-
Modell für das Wissensmanagement innerhalb            nagements zwischen Organisationen.
von Organisationen, kann aber auch Anwen-

                                                                                                         21
1. Wissensmanagement innerhalb einerOrgani-        Als hinderlich für die Implementierung eines
        sation (Gabriele Hufschmidt):                   umfassenden Wissensmanagements schätz-
                                                        ten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
       Zunächst ordneten sich die Teilnehmerinnen       Personalmangel, mangelnde Akzeptanz für
       und Teilnehmer entsprechend der schwer-          Zusatzaufgaben (z. B. zur Dokumentation von
       punktmäßigen Tätigkeit ihrer Organisation        Information und Wissen) und das Beharren
       in die Kategorien „Vorsorge“, „Bewältigung“      auf „Herrschaftsinformation und -wissen“ ein.
       und „Nachsorge/ Wiederaufbau“ ein. Die           Als förderlich wurde eine positive Fehlerkul-
       Mehrzahl wählte die ersten beiden Katego-        tur genannt, um auch aus Fehlern zu lernen
       rien; vertreten waren Organisationen aus         und in diesem Zuge ein ehrliches, selbstkri-
       der Wirtschaft, des behördlichen Bevölke-        tisches „lessons learned“ z. B. im Rahmen
       rungs- bzw. Katastrophenschutzes, eine           von Übungen und Einsatzauswertungen zu
       Hilfsorganisation, eine NGO und die UNISDR.      erreichen.

       Zunächst erfolgte eine Bestandsaufnahme        2. Netzwerke als Instrument des Wissens-
       der bereits vorhandenen Strukturen und            managements zwischen Organisationen
       Instrumente entsprechend der Elemente             (Thomas Lennartz und Friedegund Mascher)
       Informationen und Wissen „identifizieren“,
       „erwerben“, „(ver)teilen“ und „bewahren“.        Die übergeordnete Frage dieser „break
       Berichtet wurden von implementierten Data        out group“ lag darin, zu diskutieren, wie
       bzw. Content Management Systemen, Enter-         Netzwerke im Bereich der Katastrophen-
       prise Ressource Management, Rapid Needs          vorsorge beschaffen sein müssen, damit
       Assessements, einer Fachinformationsstelle,      sie einen Nutzen sowohl für Fortschritte im
       abteilungsübergreifenden Wissensforen,           Arbeitsfeld aber auch für die eigene persön-
       Wissensbörsen/Sharepoints, eLearning-            liche Arbeit haben.
       Angeboten, internen Wikis oder einem eigens
       entwickelten, umfassenden softwaregestütz-       Die Sitzung begann zunächst einmal mit
       ten „Connected Knowlege“-Systems, das            einer Sammlung unterschiedlichster Netz-
       u. a. implizites, häufig verborgenes (Erfah-     werke, in denen sich die Workshopteilneh-
       rungs)Wissen ar tikulieren und damit für         merinnen und -teilnehmer engagieren. Diese
       andere, neue Mitarbeiter zugänglich macht.       reichten von spezifischen wissenschaftlichen
                                                        Netzwerken zu bestimmten Fragestellungen
       Anschließend wurde diskutier t, welche           des Katastrophenrisikomanagements auf
       Bedarfe und Probleme neben diesen doch           nationaler Ebene (z. B. BMBF Forschungs-
       meist isolier ten Bausteinen bestehen.           verbünde) über Netzwerke wie das DKKV,
       Bedarfe für ein umfassendes Wissensma-           die versuchen sowohl Wissenschaft und
       nagement entstehen z. B. aufgrund von            Praxis als auch die nationale und die inter-
       uneinheitlicher Interpretation von Begriffen     nationale Ebene zu verbinden, bis hin zu
       (spürbar z. B. bei der schlagwortbasierten       virtuellen, international agierenden Netz-
       Suche), Personalfluktuation, unterschiedli-      werken wie PreventionWeb und ReliefWeb,
       chen Arbeitszeitmodellen, der notwendigen        die sich insbesondere an Praktiker richten.
       Überprüfung und Aktualisierung von Wissen,
       des Zeit- und Kostendrucks oder dem fehlen-      Vor dem Hintergrund dieser Diversität bei
       den Wissen über die Kenntnisse von Ehren-        den Netzwerken wurde anschließend disku-
       amtlichen und Spontanhelfern. Als problema-      tiert, mit welcher Zielsetzung sich die Work-
       tisch wurden Doppelstrukturen, Datenschutz,      shopteilnehmerinnen und -teilnehmer an den
       die Umsetzbarkeit IT-gestützter Artikulation     unterschiedlichen Netzwerken beteiligen.
       von implizitem Wissen oder ein unübersicht-      Diese Zielsetzungen waren ebenfalls äußerst
       licher „Wissenswildwuchs“ eingeschätzt.          vielfältig. Sie umfassten Ziele wie Wissens-

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zeichnen sich Strukturen und Instrumente ab,
                                                die einer Organisation aus dem Themenfeld
                                                „Katastrophenvorsorge“ / „Katastrophenrisi-
                                                komanagement“ für den Aufbau eines ganz-
                                                heitlichen Wissensmanagements inklusive
                                                der Vernetzung zu anderen Organisationen
                                                und externem Wissen helfen.

austausch, gemeinsame politische Einfluss-
nahme, strategische Kooperationen zum Ein-
werben von Mitteln für Katastrophenvorsorge
und Netzwerke für gemeinsame Aktivitäten.

Dann wurde über verschiedene Formen der
Beteiligung an Netzwerken reflektiert und
diese nach Intensität gruppiert, die von
„Informationen erwerben“ (niedrig) bis zum
„Netzwerkmanagement“ (sehr hoch) reichte.

Zur Frage wie Netzwerke beschaffen sein
müssen, damit sie einen Mehrwert (für Ihre
Arbeit) darstellen, identifizierte die Gruppe
für das Ziel „Koordination gemeinsamer
Aktivitäten“ als zentrale Faktoren, dass der
Bezug zwischen dem Ziel und dem Zeitrah-
men klar sein muss, eine Koordinierungs-
stelle und die definierte Kommunikations-
wege hilfreich sind. Wichtig ist, dass dem
Netzwerk Ressourcen zur Verfügung ste-
hen. Wünschenswert sind die Kontinuität der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer und eine
gemeinsame Kultur/Regeln. Die Schnittstel-
len zu anderen Netzwerken sollten gepflegt
werden. Monitoring und Evaluierung sowie
eine Fehlerkultur, beides Elemente, die wich-
tige Inputs für das Wissensmanagement
liefern, gehören zu den Erfolgsfaktoren für
die Koordination gemeinsamer Aktivitäten.

Die Synergie zwischen den beiden „break-
out groups“ besteht in der Verknüpfung zwi-
schen der Sicht auf eine Organisation und
der Vernetzung zwischen Organisationen.
Verbindungsglied ist hier das Element „Wis-
sen erwerben“, das im Modell des „Wissens-
kreislaufs“ auf die Inkorporation von Wissen
außerhalb der Organisation abzielt. Somit

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