LEBENDIGE GEWÄSSER IN RHEINLAND-PFALZ - Eine Zwischenbilanz zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie - SGD Nord
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
MINISTERIUM FÜR UMWELT, LANDWIRTSCHAFT, ERNÄHRUNG, WEINBAU UND FORSTEN LEBENDIGE GEWÄSSER IN RHEINLAND-PFALZ Eine Zwischenbilanz zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
Inhalt Auf ein Glas Wasser 5 I. Der Aubach und die Bürokratie oder: wie eine EU-Richtlinie für Leben sorgt 7 Frau Schönbach, Europa und der Aubach 7 Entdeckungsreise in die Welt des europäischen Gewässerschutzes 7 Europäische Gewässerschutzpolitik mit großen Zielen 8 Wasser macht nicht an Grenzen halt 10 Umsetzung: Sache der Bundesländer 11 Von Analysen und Gütezielen … 12 … zum Maßnahmenprogramm und dem Bewirtschaftungsplan 12 Beiräte: Mitsprache für die Mitspieler am Gewässer 13 Auch die Menschen vor Ort werden gefragt 13 Bei Frau Schönbach hat´s gefunkt … 14 „Aktion Blau Plus“ – Beispielprojekte für den Gewässerschutz 14 Frau Schönbach sucht nach Beispielen … 15 II. Die EG-Wasserrrahmenrichtlinie zum Anfassen: Beispielprojekte 17 Die Wiedergeburt der Isenach 17 Das Wandern ist der Fische Lust 22 Gute Nachrichten aus dem Gemüsegarten Deutschlands 24 Der Dreck bleibt, wo er hingehört 26 Ein Dorf findet seinen Bach wieder 28 Barrierefreiheit auch im Fluss bei Bad Kreuznach 30 Landwirte aktiv für den Wasserschutz 32 Warum ist es am Rhein (jetzt noch) schöner? 34 Offenes Tor zur Mosel – Fischwechselanlage und Besucherzentrum 36 Frau Schönbach geht schlafen 38 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 3
III. Alles Gut? Der Gewässerzustand 41 Wann ist der ökologische Zustand eines Gewässers gut? 41 Auf der Suche nach Fischen, Wirbellosen und Plankton 43 Eine Typologie für alle Gewässer 44 Vom biologischen Bild zum ökologischen Zustand 46 Güteanzeiger Algen – Problem Phosphor 47 Auch die Chemie muss stimmen 48 Alles gut in Rheinland-Pfalz? Die Bilanz 49 Die EU will’s wissen … 51 Veränderung made in Brüssel 51 Die neue Zeitrechnung 51 Frau Schönbach will in die Zukunft schauen 52 IV. Und wie soll es weitergehen? Die Wasserrahmenrichtlinie – neue Ziele 55 Wasser – unsere Lebensgrundlage 55 Leistungsfähig mit Pflanzen und Tieren – Artenvielfalt erhalten 56 Wasser braucht Platz – dem Risiko Hochwasser wirksam begegnen 56 Wasserhaushalt im Wandel 58 Die Kommunen für Wasser – Wasser für Kommunen 59 Die Landwirtschaft für gute Gewässer – gute Produkte für Verbraucher 59 Verbraucher und Anwohner – eine starke Macht 60 Beteiligen! Mitmachen! 60 Bachpate werden 61 Trinken für den Gewässerschutz – Wassercent für Rheinland-Pfalz 61 Barrierefrei im Fluss – überall 62 Frau Schönbach hat Ideen … 63 Impressum 64 4 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
Auf ein Glas Wasser Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, der sperrige und etwas bürokratische Begriff „Umsetzung der EG-Was- serrahmenrichtlinie“ (WRRL) wird in Rheinland-Pfalz bereits sehr ein- drucksvoll mit Leben gefüllt. Seit Beginn meines Amtes als Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten konnte ich mich an vielen Stellen davon überzeugen. An der Nahe und der Un- teren Ahr habe ich die positive Wirkung der WRRL und ihrer Umsetzung in unserem Land kennenge- lernt! Das umgestaltete Elisabethenwehr in Bad Kreuznach im Einklang mit Hochwasserschutz, Na- turschutz und Stadtentwicklung, oder die mittlerweile fast komplett durchgängig gestaltete Ahr sind nur einige von vielen positiven Beispielen, wo auch dank des ehrenamtlichen Engagements vieler Ak- tiver aus Vereinen, Verbänden und Schulen die Bäche und Flüsse wieder zu den Menschen gebracht wurden. Diese Broschüre soll Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Ziele der europäischen und der rheinland- pfälzischen Gewässerschutzpolitik näher bringen. Sie werden anhand von beispielhaften Projekten er- fahren, wie Gewässerschutz im Lande konkret und zum Anfassen funktioniert. In Rheinland-Pfalz haben Gewässerreinhaltung und Gewässerentwicklung in den letzten Jahrzehn- ten bereits große Erfolge erzielt. Fischsterben und Schaumberge auf unseren Flüssen, vor Jahrzehnten keine Seltenheit, sind heute kein Thema mehr. Wir verfügen über ein gesundes und wohlschmecken- des Trinkwasser, das man jederzeit bedenkenlos genießen kann. Insbesondere durch unser Gewäs- serschutzprogramm „Aktion Blau Plus“ sind wir daher bereits auf einem erfolgreichen Weg zu dem von der EU geforderten „guten Gewässerzustand“ und zu lebendigen und biologisch vielfältigen Flusslandschaften. Trotz der bisherigen Erfolge bleibt in unserem teilweise dicht besiedelten und hoch industrialisierten Land aber auch noch viel zu tun, um das Erreichte zu erhalten und weitere Erfolge für den Gewässer- schutz zu erzielen. Während bisher im Wesentlichen die Verbesserung der Qualität des Wassers selbst das Ziel der An- strengungen war, rückt mit der WRRL die Schaffung intakter Lebensräume für Tiere und Pflanzen in und an den Gewässern in den Vordergrund. Wir haben alle Maßnahmenprogramme in Abstimmung mit der Öffentlichkeit erarbeitet, die Umsetzung erfolgt ebenfalls unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Dies wird auch bei allen zukünftigen Schritten zur Umsetzung der WRRL so sein. Ich freue mich auf Ihr weiteres Engagement und wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre der Broschüre, die Ihnen anhand gelungener Projekte zeigen will, wie spannend und schön europäische Vorgaben in der Praxis sein können. Begleiten Sie Frau Schönbach auf ihrer interessanten Reise zum Mittelpunkt der rheinland-pfälzischen Gewässerschutzpolitik… Ulrike Höfken Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 5
oder: wie eine EU-Richtlinie für Leben sorgt Frau Schönbach, Europa und der Aubach Angelika Schönbach hat an diesem Abend noch WRRL gemäß dem verbindlichen Bewirtschaf- etwas vor. Es ist Dienstag, und der Tag in der Wer- tungsplan des Landes Rheinland-Pfalz“. Was beagentur war anstrengend. Nun gilt es noch die soll das denn heißen? Wofür steht denn dieses Hausaufgaben der Kinder zu kontrollieren und Buchstabengewirr WRRL, und was ist das für ein das Abendessen zu machen. Zum Glück hat ihr Bewirtschaftungsplan? Mann angeboten, die Kinder ins Bett zu bringen So wie Frau Schönbach geht es nicht nur vielen und Küche und Wohnung aufzuräumen. Am Mitt- Mitgliedern von Kreistagen, Gemeinderäten woch ist Umweltausschusssitzung im Kreistag, und Gemeindeausschüssen, sondern auch den und Frau Schönbach will gut vorbereitet sein. Das Verwaltungen, wenn sie zum ersten Mal mit der ehrenamtliche Engagement für die Region ist ihr wichtigsten europäischen Gewässerschutzricht- wichtig. Werbegrafikerin hin, Mutterjob her: Es linie konfrontiert werden – leider! Denn es geht macht einfach Spaß, sich um die Umwelt in ihrer um nichts weniger als den Schutz aller Gewässer Heimat zu kümmern. in ganz Europa und darum, ihren Zustand zu ver- Anstrengend ist es manchmal aber auch, denkt bessern. Ein ehrgeiziges Ziel – aber eines, für das Angelika Schönbach, vor allem an diesem Abend: sich der Einsatz lohnt. Hinter dem Zungenbre- Mal wieder hat die Kreisverwaltung ein Paket cher WRRL verstecken sich spannende Program- Unterlagen verschickt, das einem dicken Wa- me und manche Entdeckungsreise, wie wir noch renhauskatalog alle Ehre gemacht hätte. Mit sehen werden. Begleiten wir also Frau Schönbach einem Seufzer nimmt Frau Schönbach das Paket auf ihrer Entdeckungstour durch die Welt der Ge- zur Hand – ein Katalog wäre wenigstens schnell wässer – und ihrer Veränderung! durchgeblättert … Es ist kaum zu fassen: Seiten- lang Bürokratie! Gut, dass Sie am nächsten Tag erst gegen Mittag in die Agentur muss – das hier Entdeckungsreise in die Welt des wird länger dauern! europäischen Gewässerschutzes Gerade hat es sich Angelika Schönbach auf dem Frau Schönbach sitzt auf ihrem gemütlichen Sofa bequem gemacht, als sie über einen Punkt Sofa, den Kopf voller Fragezeichen: Renaturie- stolpert, den man kaum umständlicher hät- rung – gut und schön, das ist die Rückkehr eines te formulieren können: „Zustimmung zur Auf- Flusses zu seinem natürlichen Verlauf. Aber was tragsvergabe zur Renaturierung des Aubachs fehlt denn dem Aubach eigentlich? Muss man für als Beitrag zur Erreichung der Umweltziele der seine Renaturierung denn wirklich so viel Geld ausgeben? Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 7
Eine Erinnerung steigt in ihrem Gedächtnis hoch: sich Frau Schönbach – doch dann wird sie über- Ihr Großvater erzählte immer vom Aubach. Mit rascht. In der Präambel der Richtlinie heißt es dem Reichsarbeitsdienst hatten sie dem Bach schon fast poetisch: „Wasser ist keine übliche einen „schönen geraden Verlauf gegeben“. Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das ge- „Reichsnährstand“ nannten sie die Organisation schützt, verteidigt und entsprechend behandelt für Agrarwirtschaft, ein grauenhaftes Wort. Und werden muss.“ der wollte nur eines: Maximierung der landwirt- Jawohl!, denkt Frau Schönbach, was für ein wah- schaftlichen Produktion! Also wurden in den rer Satz! „Schützen“ und „verteidigen“, so hat fruchtbaren Auenbereichen Moore trocken ge- sie allerdings noch nie über den Aubach nachge- legt, und Gewässer begradigt, typisch deutsche dacht. Langsam dämmert ihr, dass diese Richtli- Ordnung eben … nie ein größerer Wurf ist, ein Gesetz mit Präam- Naja, die Gemeinde hat vor Jahren schon das bel und Grundsätzen – ein echtes Grundgesetz Bachbett des Aubachs frei geräumt und die Bäu- des Wassers! me zurück schneiden lassen. Der sieht jetzt wie- Tatsächlich hat die Wasserrahmenrichtlinie ein der richtig sauber und ordentlich aus. Warum höchst ehrgeiziges Ziel: Sie verpflichtet ihre also viel Geld ausgeben, um das wieder zu verän- Mitgliedsstaaten dazu, alle Gewässer in der Eu- dern? Es hilft nichts – der Computer ist gefragt. ropäischen Union flächendeckend zu schützen, Frau Schönbach setzt sich an den PC – ein gutes ihren Zustand zu verbessern und die einzelnen Glas Wein hat sie noch mitgenommen – und gibt Staaten zu einer intensiven Kooperation beim die sperrigen Begriffe in ihre Suchmaschine ein. grenzüberschreitenden Gewässerschutz zu be- Das muss doch zu finden sein … wegen. Damit wird zum ersten Mal ein europa- weit einheitlicher Rechtsrahmen gesetzt für die Bewirtschaftung des Grundwassers, der Küsten- Europäische Gewässerschutzpolitik mit gewässer, der Seen und der Fließgewässer von großen Zielen der Quelle bis zur Mündung in die Meere. Das Kürzel WRRL ist schnell entziffert: Es steht Gefordert wurde das schon 1988, beim Frank- für die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen furter Ministerseminar über die Wasserpolitik der Union. Der volle Name klingt aber schon wie- Europäischen Gemeinschaft. Und das Ziel war der schwer nach einem dieser Regelungsmonster, damals schon klar: die Verbesserung der ökologi- für die Europa so oft gescholten wird. Zu Recht, schen Qualität, und das gleich mal aller Seen und denkt Frau Schönbach: „Richtlinie 2000/60/ Flüsse in Europa! Aber es geht ja auch um eine EG des Europäischen Parlaments und des Ra- Menge: den Schutz unserer Gewässer und des tes vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Grundwassers vor Verschmutzung. Das ist wirk- Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemein- lich wichtig. Frau Schönbach fallen die Fernseh- schaft im Bereich der Wasserpolitik.“ bilder von verzweifelten Menschen in Afrika ohne Wasser, oder von den verseuchten Flüssen Chinas ein. Wissenschaftler warnen vor Kriegen um sau- WRRL = Wasserrahmenrichtlinie beres Wasser, ein echtes Horrorszenario. EG = Europäische Gemeinschaft Auch in Europa steigt der Druck auf die Gewäs- ser stetig. Der Mensch verbraucht immer mehr Ressourcen für Landwirtschaft, Industrie und den privaten Verbrauch. Und gerade erst wur- Ordnungsrahmen, na super, das hört sich ver- de in der Europäischen Union heftig darum ge- dächtig nach Brüsseler Regulierungswut wie die stritten, ob die Trinkwasser-Versorgung privati- bei den Krümmungsradien von Gurken an, denkt siert werden darf. Auch bei uns gibt es handfeste 8 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
wirtschaftliche Interessen rund um einen Trink- die überspringt Frau Schönbach jetzt erst mal. wassermarkt, den Experten auf drei Milliarden Die großen Linien interessieren sie im Moment Euro pro Jahr schätzen. viel mehr. Die WRRL will das Grundrecht auf Wasser für Denn die EU schaut mit der WRRL über die alle sichern und damit das ganz große Rad der Grenzen hinaus, das ist einer ihrer großen Vor- Wasserpolitik in Europa verändern. Der Schutz teile: Eine wirksame Wasserpolitik, so sagt es der Umwelt wird zum obersten Ziel, die Prinzi- die WRRL, muss der Empfindlichkeit von aquati- pien der Vorsorge und Vorbeugung bekommen schen Ökosystemen Rechnung tragen, also nicht den Vorrang vor einer Reparatur. Die Einleitung nur den Flüssen und Seen einer Region, sondern gefährlicher Stoffe in Gewässer soll ein Ende auch länderübergreifenden Wassereinzugsge- haben, das Ökosystem Wasser besser geschützt bieten von Küsten, Meeresbuchten oder Binnen- werden, nicht mehr Grundwasser entnommen meeren. Die EU denkt dabei durchaus auch wirt- werden als sich natürlich neu bildet. schaftlich: an den Schutz der Fischbestände in der Nähe von Küsten etwa. Aber beim Wasser- Gute Güte, denkt Frau Schönbach, und muss schutz wird sie streng: Arbeitet gefälligst zusam- dann doch sehr lachen: Tatsächlich geht es der men! heißt es in der WRRL. EU um Güte, allerdings nicht um eine (nur) wohl- wollende Einstellung. Nein, Güte hat bei den Wasserexperten tatsächlich etwas mit „gut“ zu tun: Es geht um den guten Zustand eines Gewäs- Gewässergüte = Maßstab für den sers. Was für ein Gewässer gut ist und was nicht, Zustand unserer Gewässer haben Experten in Kategorien eingeteilt – aber Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 9
IKSR = Internationale Kommission zum Rhein, eine Katastrophe: Der Rhein färbte sich Schutz des Rheins blutrot, die Fische starben, alle hatten Angst um ihr Trinkwasser. Bis in die Niederlande konnten FGG Rhein = Flussgebietsgemeinschaft die Menschen nur hilflos zusehen, wie das Wasser Rhein vor ihren Augen vergiftet wurde. Doch die Sandoz-Katastrophe hatte auch ein Gutes: Es begann ein Umdenken, mehr noch: ein Wasser macht nicht an Grenzen halt Denken in Zusammenhängen. Zum ersten Mal verstanden die Anrainerstaaten wirklich eines: Die Erkenntnis, dass Wasser an Grenzen nicht Nur gemeinsam können sie solche Katastrophen Halt macht, ist natürlich nicht neu. Frau Schön- verhindern. Die WRRL der EU geht noch weiter: bach muss an das Chemieunglück in der Schwei- Sie verpflichtet ihre Mitglieder zu einer deut- zer Firma Sandoz denken, im November 1986 war lich stärkeren Zusammenarbeit, dazu, grenz- das. 20 Tonnen eines giftigen Pflanzenschutz- überschreitend zu denken. Maßstab ist jetzt der Gemisches flossen damals ungehindert in den Fluss als Lebensraum – und das mit allen seinen Einzugsgebieten. Wow, denkt Frau Schönbach, für den Rhein muss das doch ein enorm großes Gebiet sein! Ist es auch: Nicht weniger als neun Staaten müssen dafür zusammenarbeiten, die EU-Staaten Ita- lien, Österreich, Deutschland, Frankreich, Lu- xemburg, Belgien und die Niederlande, dazu die Rüdiger Beiser, Dezernat Nicht-EU-Länder Schweiz und Liechtenstein. Die Regionales Management bei WRRL fordert, dass sie sich in allen Bewirtschaf- der Generaldirektion Was- tungsfragen abstimmen, um negative Auswir- serstraßen und Schifffahrt, kungen auf das Flusssystem Rhein zu minimie- Außenstelle Südwest: ren – ein gigantischer Aufwand im Dienste des Gewässerschutzes. Gut dass es da schon Vorarbeit gibt, denkt Frau „Mit Einführung der WRRL haben sich die Behör- Schönbach. Da war doch was mit einer Kommis- den, über alle Verwaltungsebenen hinweg, zu einer sion zum Schutz des Rheins, die international engeren, zielstrebigeren Arbeitserledigung zusam- mengefunden. Althergebrachte Standpunkte zur Gestaltung der Bundeswasserstraßen wurden auf den Prüfstand gestellt und oftmals modifiziert. Bei Bewirtschaftungsplan = zentrales der Umsetzung von Maßnahmen der WRRL bie- Element der Wasserrahmenrichtlinie; tet sich die Chance, sinnvoll und zielgerichtet alle enthält die Bestandsaufnahme sowie die Ziele, die Ergebnisse der Ressourcen von der EU bis zu den Kommunen zu Überwachungsprogramme und die bündeln, wodurch die Realisierung der Maßnah- Zusammenfassung der Maßnahmen men gefördert wird. Für die Wiederherstellung der programme zum Erreichen der Ziele Durchgängigkeit der Bundeswasserstraßen wurde eine bisher einzigartige Bestandserhebung der Bau- werke und ihrer Defizite durchgeführt, die stetig MaSSnahmenprogramm = enthält ergänzt wird durch Erhebungen zum Verhalten der für alle Wasserkörper Maßnahmen zur Fische sowie weiterer fischökologischer und techni- Zielerreichung scher Daten.“ 10 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
arbeitet? Schnell wird sie fündig: bei der IKSR, der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins. Na so was, denkt sich Frau Schönbach, als sie über das Gründungsdatum stolpert: Schon am 1. Juli 1950 wurde die IKSR gegründet. Sechs Staaten arbeiten in ihr gemeinsam an der nach- haltigen Entwicklung des Rheins, seiner Auen und an dem guten Zustand aller Gewässer im Einzugs- gebiet. Aber wer macht nun die konkrete Arbeit? Dr. Klaus Hoffmann, DVGW, LDEW Umsetzung: Sache der Bundesländer „Als Beiratsmitglieder haben der Landesverband Für die konkrete Umsetzung der europäischen der Energie- und Wasserwirtschaft Hessen/Rhein- Gewässerschutzrichtlinie sind in Deutschland land-Pfalz e.V. (LDEW) und der Deutsche Verein die Bundesländer zuständig. Bis 2015 müssen die des Gas- und Wasserfachs e. V. (DVGW), Landes- EU-Mitgliedsstaaten nämlich die von der WRRL gruppe Rheinland-Pfalz, die Umsetzung der EG- gesetzten Ziele erreichen. Das ist die erste Phase, Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Rheinland-Pfalz zwei weitere folgen bis 2021 und dann spätes- von Beginn an aktiv begleitet. Besonders positiv ist tens bis 2027. Gut, dass die Abstimmung mit den dabei die Zielsetzung der WRRL zu bewerten. Die Nachbarbundesländern im Flussgebiet bereits Erhaltung bzw., wo erforderlich, die Verbesserung seit langem geübte Praxis ist: Schon 1956 wurde des guten Zustands der Gewässer ist unerlässlich die „Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser“ für eine gute Lebensqualität in Rheinland-Pfalz. (LAWA) gegründet, in der sich – wie der Name Auch die Organisation der Umsetzung der WRRL in sagt – Bund und Länder auf einheitliche Vorga- Rheinland-Pfalz ist zweckgerichtet gestaltet. Die ben verständigen. transparente Beteiligung aller betroffenen Grup- pen im Rahmen der Beiräte ist der richtige Weg, um gleichzeitig Akzeptanz und Effizienz der Maß- Wasserkörper = kleinste Planungs- nahmen zu steigern. LDEW und DVGW werden den und Berichtseinheit. Umsetzungsprozess auch in Zukunft fördern und unterstützen.“ Ein Oberflächenwasserkörper ist das größte Stück eines Gewässers, für das eine einheitliche Beschreibung in Bezug auf Ökologie, Wassermenge und Belastungssituation möglich ist. Für den Rhein gibt es die Flussgebietsgemein- Ein Grundwasserkörper beschreibt ein schaft Rhein (FGG Rhein). Hier arbeiten die Mi- abgegrenztes Grundwasservolumen nisterien der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, innerhalb eines oder mehrerer Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Würt- Grundwasserleiter. temberg, Bayern, Niedersachsen und Thüringen mit dem Bund zusammen und stimmen ihre Positionen für die IKSR ab. Gegründet wurde die MaSSnahme = alles, was zum Erreichen FGG Rhein am 1. Januar 2012 als Nachfolgerin des Ziels beiträgt: die Analyse des Gewässers, die Anpassung von Gesetzen, der „Deutschen Kommission zur Reinhaltung des der Ausbau einer Kläranlage, der Bau Rheins (DK-Rhein)“. eines Fischaufstiegs, die Renaturierung eines Baches. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 11
Von Analysen und Gütezielen … … zum Maßnahmenprogramm und dem Bewirtschaftungsplan In Rheinland-Pfalz ist das Umweltministerium (MULEWF) für die Koordination mit den ande- Man muss kein Hellseher sein um zu wissen, dass ren Ländern und der Maßnahmen im eigenen die meisten Gewässer in Europa von diesem Ziel Land zuständig. Denn die WRRL formuliert nicht weit entfernt sind, denkt Frau Schönbach mit nur ambitionierte Ziele, sie verlangt von ihren einem grimmigen Lächeln. Kein Wunder, dass Mitgliedsstaaten auch konkretes Handeln. Dazu die EU ihren Mitgliedsstaaten auch vorschreibt, gehören umfassende Analysen zum Zustand der die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um Gewässer, bei denen Belastungen und deren Ur- eine weitere Verschlechterung zu verhindern, vor sachen ermittelt werden. allem aber, um den guten Zustand zu erreichen. Bis zum 22. Dezember 2009 war daher für jedes Der Anspruch der EU ist hoch: Sie fordert einen Flussgebiet ein Bewirtschaftungsplan aufzustel- qualitativ „guten“ Zustand für alle Gewässer in len, und danach erneut alle sechs Jahre, liest Frau Europa vom Nordkap bis nach Malta. Erst wenn Schönbach und denkt sich: Die meinen es wirk- dieser Zustand erreicht ist, ist auch das Ziel der lich ernst. Wasserrahmenrichtlinie erreicht. Im trockenen EU-Deutsch lautet das Ziel: „den guten ökolo- Aus vorhandenen und neuen Daten werden gischen und chemischen Zustand für die Ober- umfangreiche Analysen des Einzugsgebietes flächengewässer und den guten quantitativen eines Flusses erstellt und daraus Maßnahmen- und chemischen Zustand des Grundwassers“ zu programme entwickelt. In Rheinland-Pfalz sind erreichen. dafür die Struktur- und Genehmigungsdirekti- onen (SGD) als obere Wasserbehörden zustän- dig. Aber natürlich können sie das nicht allein umsetzen: Die Kommunen müssen in der Regel die Maßnahmen durchführen. Sie werden dabei intensiv von den SGDen und dem Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (LUWG) beraten. Aber auch Industriebetriebe und Landwirtschaft müssen bei der Verbesse- rung mithelfen, und bei der Frage von Wehren Dr. Heinz Schlapkohl, und Staustufen in den schiffbaren Flüssen ist Arbeitskreis Wasser des Bun- die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des für Umwelt und Natur- gefragt. schutz Deutschland (BUND): Die Zeit drängt: Die EU will für ihre Vorgaben regelmäßige Berichte über die Fortschritte, und „Ich arbeite gerne mit in den Beiräten zur Umset- so sieht auch die WRRL ein umfangreiches und zung der Richtlinie, weil hier ein angenehmes Klima regelmäßiges Berichtswesen vor. herrscht, und die Beiträge des Naturschutzes ernst In Rheinland-Pfalz hat sich bei der ersten Be- genommen werden. richterstattung an die EU Ende 2012 herausge- Das Umweltministerium und die Wasserwirtschaf- stellt, dass das Land bereits auf einem guten tungsverwaltung haben sich die Umsetzung der Richt- Weg ist, wenn es darum geht, den Schutz der linie zu einer wichtigen Aufgabe gemacht. Es bedarf Gewässer zu verbessern. 377 „Wasserkörper“ für aber noch größerer Anstrengungen von allen Betei- die oberirdischen Gewässer und 117 „Grundwas- ligten, natürlich vor allem von den Verursachern des serkörper“ wurden in Rheinland-Pfalz definiert unzureichenden Zustands mancher Gewässer, zu einer und analysiert. Für jeden dieser Wasserkörper, wirklichen Verhaltensänderung zu kommen.“ 12 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
der noch nicht den guten Zustand der WRRL erreicht hatte, wurden Maßnahmen zu dessen Verbesserung entwickelt. Über 720 Maßnah- men kamen so insgesamt zusammen, sie wurden über ein komplexes Berichtsverfahren an die EU gemeldet. Bei rund der Hälfte aller Wasserkörper, für die von 2009 bis 2015 Maßnahmen geplant wur- Winfried Sander, Bachpate den, sind Projekte angelaufen oder befinden sich am Adenauer Bach: in der Umsetzung. Es gibt allerdings noch sehr viel zu tun. Schon jetzt steht fest, dass die Ziele nicht, wie eigentlich gefordert, bis 2015 erreicht „Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie der werden können. In Rheinland-Pfalz und in den Europäischen Union? Wer als Bürger diese Begriff- anderen Bundesländern starten deshalb derzeit lichkeiten hört, der braucht dazu viel Fantasie! die Vorbereitungen für die 2. Umsetzungsphase Hinter dem Fachbegriff verbergen sich allerdings von 2015 bis 2021. notwendige Maßnahmen, die ein Leben in einer intakten Umwelt und damit in einer lebenswerten Gesellschaft erst wieder ermöglichen. Nach Jahr- Beiräte: Mitsprache für die Mitspieler am zehnten, in denen die europäische Gesellschaft Gewässer wenig zimperlich mit den ehemals lebendigen Le- bensadern umgegangen ist, gilt es die Ästhetik der In Rheinland-Pfalz wurde und wird auch zukünf- Landschaft mit gewässerbegleitenden Bäumen, tig der gesamte Umsetzungsprozess der europä- die Wahrnehmung mit allen Sinnen von sauberem ischen Wasserrahmenrichtlinie von Anfang an Wasser, die Funktion von Fließgewässern als durch- von eigens dafür eingerichteten Beiräten auf Lan- gängige Lebensräume, das Leben und Wohnen am des- und Regionalebene begleitet. Denn eines sauberen Wasser als Ziel städtebaulicher Planung ist klar: Nur wenn alle „Mitspieler“ am Wasser wieder zu finden.“ zusammenarbeiten – wenn Industrie, Landwirt- schaft, Kommunen und die Naturschutzverbän- de gemeinsam an einem Strang ziehen kann et- Auch die Menschen vor Ort werden gefragt was erreicht werden. Nicht nur die Beiräte spielen eine wichtige Rol- Es gilt abzuwägen: zwischen einer Ökologisie- le: Auch die Bevölkerung ist gefragt. Seit Anfang rung und den Befürchtungen vor überschwemm- 2009 haben die Struktur- und Genehmigungs- ten Feldern und nassen Kellern, zwischen einer direktionen (SGD) der Öffentlichkeit die Maß- Nutzung durch Schifffahrt und Wasserkraft und nahmenprogramme vorgestellt und darüber der Barrierefreiheit für Fische und Flusskrebse. Es diskutiert. Diese Informationsveranstaltungen gibt viele Ansprüche an unsere Gewässer. standen unter dem Titel: „Neue Chancen für un- Deshalb gehören den Beiräten die jeweiligen sere Gewässer – EG-Wasserrahmenrichtlinie in Verbände, Kammern und Behörden im Umfeld Rheinland-Pfalz“. Aber auch über die einzelnen eines Flusses an. Dort werden die Konzeptionen Maßnahmen werden die Anwohner informiert, zur Umsetzung und die wesentlichen Meilen- werden die einzelnen Schritte und die Entwürfe steine vorgestellt, diskutiert und abgestimmt. In vorgestellt – ihre Ideen waren und sind gefragt! Rheinland-Pfalz gibt es einen landesweiten Bei- Dazu kamen Fachveranstaltungen und Ratssit- rat zur fachlichen Begleitung, aber auch drei Bei- zungen, Informationen im Internet, in Broschü- räte auf regionaler Ebene. ren und in Flyern. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 13
„Aktion Blau Plus“ – Beispielprojekte für „Aktion Blau“ = 1995 gestartetes den Gewässerschutz Aktionsprogramm des Landes Rheinland- Pfalz mit dem Ziel, die ökologischen Seit Jahrzehnten werden in Rheinland-Pfalz mit Gewässerfunktionen zu verbessern. Milliardenbeträgen Kanäle und Kläranlagen ge- 2011 erweitert zur „Aktion Blau Plus“, baut und saniert. 686 kommunale Kläranlagen um zusätzliche Funktionen wie bspw. gibt es in Rheinland-Pfalz, 99,2 % der Bevölke- Naturschutz, Dorf- und Stadtentwicklung, rung sind an sie angeschlossen. Die Kläranlagen Schaffung von Erholungsräumen etc. stärker zu integrieren eliminieren heute 90 % des Phosphors und 83 % des Stickstoffes aus den Abwässern. Dazu kom- men noch rund 120 direkt einleitende gewerb- lich-industrielle Unternehmen, deren Abwässer Bei Frau Schönbach hat´s gefunkt … ebenfalls strengen Kriterien genügen müssen. Dadurch hat sich die Wasserqualität deutlich Es ist spät geworden, aber Frau Schönbach ist verbessert. hellwach: Das also will die EU vom Kreistag, das 1995 startete Rheinland-Pfalz dann die „Aktion hat der Aubach mit Europa zu tun! Kaum zu glau- Blau“, eine großangelegte Aktion zur Aufwertung ben, dass sich die EU tatsächlich auch um ih- der Lebensräume von Flüssen und Seen im Land. ren Bach vor der Haustür kümmert! Tut sie aber, Damals waren fast drei Viertel unserer Gewäs- denn ein großes Flussgebiet wie der Rhein kann ser in ihrer Struktur stark verändert und in einem eben nur dann einen „guten“ Zustand haben, wirklich schlechten Zustand. Das hat sich geän- wenn es seinen Flüssen rechts und links auch gut dert: Dank der „Aktion Blau“ wurden Durchgän- geht. Und schließlich mündet der Aubach 20 Ki- gigkeitsprojekte und Renaturierungen gestartet, lometer weiter in den Rhein … der Wasserrückhalt in der Fläche verbessert und Aber Rheinland-Pfalz ist da doch schon längst ak- viel in eine Verbesserung der Gewässer hin zu ei- tiv. Gab es da nicht ein Landesprogramm „Aktion nem naturnahen Zustand investiert. Blau – Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz“ Investition ist dabei wörtlich zu nehmen: 31 und sogar auch noch eine „Aktion Blau Plus“? Millionen Euro hat das Land direkt in Projekte 14 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
investiert. Noch weit höhere Investitionen von Frau Schönbach sucht nach Beispielen … anderen Akteuren wurden dazu ausgelöst, weil das Land Maßnahmen der Kommunen mit bis Angelika Schönbach ist beeindruckt: Europa hat zu 90 Prozent fördert. In kommunale Projekte offenbar auch seine guten Seiten. Die Richtlinie wurden so seit Mitte der 90er Jahre rund 205 mit dem sperrigen Namen WRRL ist tatsächlich Millionen Euro für den Gewässerschutz in Rhein- das bisher größte Nachhaltigkeitswerk der Eu- land-Pfalz investiert. Etwa 260 Gewässerent- ropäischen Union und von immenser Bedeutung wicklungspläne an 3.900 km Gewässern und für die Zukunft. Damit es gelingt, müssen alle an ca. 1.200 Renaturierungen an 800 km Gewäs- einem Strang ziehen, müssen die Menschen ver- sern sind in Planung oder Umsetzung. Rund 780 stehen was es heißt, „das ererbte Gut Wasser zu ehrenamtliche Bachpatenschaften unterstützen schützen, zu verteidigen und entsprechend zu die Arbeiten der Kommunen. behandeln“. Im September 2011 wurde die „Aktion Blau“ Frau Schönbach kann sich jetzt so einigermaßen dann zur „Aktion Blau Plus“ erweitert. Denn es vorstellen, was denn dem schnurgeraden, baum- gibt noch viel zu tun, viele Gewässer haben noch und strauchlosen Aubach so alles fehlt. Aber: Wie Probleme mit Einbauten, Begradigungen oder soll das denn später mal aussehen? Da muss es gar ganzen unterirdischen Tunneln. Der Vorteil: doch Beispiele geben, wo sie sich das mal anse- Bei der Gewässerentwicklung sollen jetzt auch hen kann, denkt sie – und wird auch fündig … Bereiche wie Dorferneuerung und Tourismus mitbedacht werden, schließlich können durch die Umgestaltung von Gewässern auch Erho- lungsräume oder Spielplätze in den Orten neu entstehen. Lauter Plus-Punkte für die Umwelt entstehen – und eben auch für den Menschen und die Wirt- schaft vor Ort. Beeindruckende Beispielprojekte sind entstanden, die zeigen, wie bereichernd ein innovativer Gewässerschutz für die Menschen in Rheinland-Pfalz sein kann. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 15
II. Die EG-Wasserrrahmen richtlinie zum Anfassen: 16 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
Beispielprojekte Die Wiedergeburt der Isenach Wie ein vergrabener Bach wieder auftauchte und die Bevölkerung mit sich riss Was war das für ein Fest! etwas Besonderes: Es fand statt zu Ehren eines Bachs. Der Isenach, um genau zu sein. Und ge- Ende April 2013 herrschte im Bad Dürkheimer feiert wurde nichts weniger als die Wiedergeburt Kurpark richtige Volksfeststimmung mit Mu- dieses kleinen und doch so wichtigen Gewässers. sik, Spiel und Spaß, Bratwurstduft und Ries- Es passiert nun einmal nicht alle Tage, dass ein lingschoppen. Nun sind die Pfälzer ja weithin Fluss wiederauftaucht. bekannt für ihre Feste, doch dieses war schon Wasser marsch! Einweihung der Offenlegung der Isenach am 20. April 2013. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 17
Die Isenach war in der Vergangenheit nämlich Hydromorphologie = Die Lehre von reichlich stiefmütterlich von den Menschen be- der Gestalt des Gewässers, also seiner handelt worden. Dabei ist das rund 30 Kilometer Struktur lange Flüsschen von seiner Quelle bei Carlsberg im Pfälzerwald bis zur Mündung in den Rhein nördlich von Frankenthal eines der bedeutends- Durchgängigkeit = barrierenfreie Durchwanderbarkeit eines Flusses für ten Gewässer der Region nördliche Vorder- Fische und andere Wasserlebewesen pfalz. Viel Wasser gibt es hier, in der „Toskana Deutschlands“, ohnehin nicht, deswegen sind die Flüsse natürlich besonders wichtige Lebensadern. Verdohlen = ein Gewässer in einen Doch der Mensch hat sich der Isenach in vielfa- geschlossenen Kanal legen cher Weise bedient, sie zum Drehen von Mühlrä- dern benutzt, in Kanäle eingesperrt oder für das Holzflößen genutzt. Rhein. Wenig Wasser führt die Isenach hier von So wurde schon 1737 im Oberlauf der Isenach- Natur aus, das Gefälle ist gering, die Fließge- weiher angelegt, der zusammen mit drei weite- schwindigkeit klein. Das allein wäre ja noch kein ren Weihern den Abfluss des Wassers steuerte, Problem – doch hier hat der Mensch mit seiner um so die Pumpen der Gradierwerke zur Salzge- intensiven Landwirtschaft und dichten Besied- winnung in Bad Dürkheim anzutreiben. Auch Pa- lung die Isenach richtig geschädigt. piermühlen und ein Eisenhammer wurden ober- In Bad Dürkheim wurde das Flüsschen über wei- halb von Bad Dürkheim betrieben – und von der te Strecken in Rohre oder Betonhalbschalen Isenach angetrieben. Mit der Zeit wurde aus der gezwängt und mithilfe eines ganzen Korsetts munteren Isenach ein gefangenes Flüsschen, ge- aus Betonstrecken unterirdisch durch das Stadt- zähmt in Weihern und eingeengt in Mühlenkanä- gebiet unter dem Wurstmarktgelände entlang le, die Ufer mit Sandsteinquadern befestigt, wo geführt. Die Isenach, die gab es faktisch in Bad sie zum Flößen von Kurzholz ausgebaut wurde. Dürkheim nicht mehr. Dazu kamen die Abwässer In Bad Dürkheim selbst war es noch schlimmer: aus Kläranlagen oder den Papiermühlen, später Hier verschwand die Isenach auf weiten Stre- dann die Belastungen aus der Landwirtschaft. cken völlig von der Oberfläche. In Bad Dürkheim Bei Bad Dürkheim nämlich beginnt die intensive verlässt die Isenach den Pfälzerwald und windet Landwirtschaft: erst viele Kilometer Weinberge, sich durch die Ebene des Oberrheingrabens zum dann der „Gemüsegarten Deutschlands“. Hier wachsen in der flachen und offenen Landschaft Spargel und Kartoffeln, Spinat, Möhren, Radies- chen und Blumenkohl. Die Isenach wurde hier eingeengt, begradigt, für den Betrieb von Müh- len höher gelegt und im Bereich Frankenthal im 18. Jahrhundert sogar komplett umgeleitet, nach Norden, in den Frankenthaler Kanal. „Natürlich“ war da nichts mehr. Dazu kamen die Einträge von den Feldern: Bei starkem Regen fließt immer ein wenig Wasser von den umliegenden Flächen in die Isenach – und bereitet dem Fluss mit ihren auf den Äckern Wo ist die Isenach? Der Kurpark vor der Offenlegung. ausgebrachten Düngemitteln und Pflanzen- schutzmitteln reichlich Probleme. Nichts davon 18 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
„Wir machen mit“: Schulklasse der Salier-Schule. gehört natürlicherweise in ein Gewässer, Pflan- Lebewesen wieder erfüllen und eine Wanderung zen und Tiere werden dadurch geschädigt, die von der Mündung bis zur Quelle ermöglichen. Fachleute sprechen von Problemen mit der Ge- Bei einem Gespräch zwischen der Stadt Bad wässergüte. Seit vielen Jahren bemühen sich Dürkheim und der SGD Süd am 19. März 2008 das Land, die Kommunen und ehrenamtliche wurde schnell deutlich: Die „Utopie“ kann tat- Akteure um eine Verbesserung, und das ist auch sächlich umgesetzt werden! Denn Stadt und gelungen: Heute zeigen Untersuchungen, dass SGD Süd hatten das gleiche Ziel: die Befreiung die Isenach zumindest im Oberlauf wieder einen der Isenach aus ihrem unterirdischen Gefängnis. „sehr guten ökologischen Zustand“ hat, sie also nicht mehr durch Abwässer verschmutzt und ihr Den Bad Dürkheimern war sofort klar: Das ist natürlicher Flusslauf wieder zu sehen ist. die Chance für die Stadt! Über viele Jahrzehnte war die Isenach verschwunden, nun konnte man In Bad Dürkheim diskutierten sie schon länger sie zurückholen, offenlegen, erlebbar machen darüber, wie die Isenach aus ihrer Verdohlung zu und dabei gleich auch noch den Kurpark und die befreien und sie wieder ans Tageslicht zu bringen Saline aufwerten. sei. Die verdohlte Isenach wieder zu öffnen und als natürliches Gewässer durch den Kurpark bis in das Dürkheimer Bruch zu leiten – es war der Traum von Bürgermeister Wolfgang Lutz. Sei- ne Realisierung schien wie eine nicht erfüllbare Utopie. Der große Kick kam mit der Umsetzungsphase der Wasserrahmenrichtlinie: Die Isenach wurde nun zum Schwerpunktgewässer für die Verbes- serung der Hydromorphologie, also des Erschei- nungsbildes des Flusses und seiner Durchgän- gigkeit. Eine naturnahe Gestalt des Gewässers und seiner Ufer sowie die Beseitigung von Hin- dernissen war jetzt das Ziel. Die Isenach sollte Derselbe Abschnitt wie Abb. Seite 18 im Kurpark nach der ihre Rolle als Lebensraum für Fische und andere Fertigstellung. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 19
So eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wie- der – und die Bad Dürkheimer ergriffen sie. Viele, viele Gespräche wurden nun geführt, Planer be- auftragt, Kosten geschätzt. Bürgermeister Lutz überzeugte den Stadtrat von dem Projekt – und das fraktionsübergreifend. Die SGD Süd half mit Argumenten und begeisterte das Umweltminis- terium für diese einmalige Chance, mit dem Pro- Wolfgang Lutz, Bürgermeis- jekt die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie für die ter der Stadt Bad Dürkheim: „Mittlere Isenach“ bis 2015 zu erreichen. Denn gleichzeitig konnte auch noch eine Verbindung zur geplanten Auenrenaturierung im Dürkheimer „Wie Musik in meinen Ohren klang der Förderbe- Bruch hergestellt und der Hochwasserschutz scheid des Umweltministeriums, das unseren An- verbessert werden – eine echte Gewinnsituation trag zur Offenlegung und Renaturierung der Ise- für alle Seiten. nach durch den Kurpark bis zur Sägmühle bewilligt In Bad Dürkheim wurden der Bevölkerung die hat. Viele Jahre haben wir davon geträumt – durch Pläne am 1. Dezember 2009 vorgestellt, und die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie ist ganz „Derkem“, wie die Dürkheimer sagen, fing es Wirklichkeit geworden: Bad Dürkheim bekommt Feuer! Am 25. Juli 2011 fand der erste Spaten- seine Isenach zurück. Jahrzehntelang war der Bach stich statt, beim Dürkheimer Neujahrsempfang verrohrt, verdohlt und weggesperrt. Jetzt kommt 2012 rief Bürgermeister Lutz die Aktion „Wir ma- die Isenach wieder ans Tageslicht! Wir befreien chen mit“ ins Leben – ein Aufruf an die Bürgerin- dieses Gewässer aus einer unterirdischen Kanalisie- nen und Bürger, selbst Ideen einzubringen, selbst rung und schaffen ein munteres Flüsschen, das sei- Hand anzulegen. Es wurde eine beispiellose Akti- ne landschaftliche Umgebung völlig neu und positiv on: 18 Vereine und Institutionen, drei Schulklas- prägt. Die Isenach erlebt eine ökologische Aufwer- sen der Salier-Schule mit insgesamt 65 Schülern tung ohnegleichen und durch ihre Lage im Kurpark sowie insgesamt rund 300 Begeisterte machten und in Stadtnähe wird ein einzigartiger Erlebniswert mit, mehr als 100.000 Euro wurden gespendet. für Jung und Alt geschaffen. Die Menschen sind so begeistert, dass sie selbst Hand anlegen und in Der alte Verlauf der Isenach wurde rekonstru- mehreren Arbeitseinsätzen an der Wiederherstel- iert, danach im Kurpark das neue Bett gegraben. lung des Gewässers mithelfen. Mit der neuen Ise- Neue Bäume wurden gepflanzt, Beete angelegt, nach hat die EG-Wasserrahmenrichtlinie ein echtes Trockenmauern gebaut, Wege und Plätze neu Jahrhundertprojekt ermöglicht, das durch eine gute verlegt und gepflastert. Der unterirdische Dohl, und zielführende Zusammenarbeit zwischen dem das Betonbett der Isenach, wurde saniert. Es Land Rheinland-Pfalz, der Struktur- und Genehmi- dient dem Abfluss bei Hochwasser. Und es wur- gungsdirektion Süd und der Stadt Bad Dürkheim in den Erlebnisräume geschaffen: ein Gewässer-Er- vorbildlicher Weise verwirklicht werden konnte.“ lebnispfad, ein Wasserspielplatz mit Wasserrad. Die Isenach – sie war wieder da! Am vorletzten Aprilwochenende 2013 hieß es dann endlich: „Wasser marsch“ ins neue Isenach- bett. Und das wurde von den „Derkemern“ so richtig gefeiert, ein ganzes Wochenende lang, fast wie beim berühmten Wurstmarkt. In Bad Dürkheim reden sie heute von einer ganz neuen Zeitrechnung: Die Zeit vor der Isenach-Offenle- gung und die Zeit danach … 20 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
Standort/Gebiet Innenstadt von Bad Dürkheim (Kurpark, Saline, Stadtrandgebiet) Umsetzungszeitraum Juli 2011 bis April 2013 Akteure • Stadt Bad Dürkheim • Bürger der Stadt Bad Dürkheim: Aktion „Wir machen mit“ • SGD Süd, Regionalstelle Neustadt/W. Einzelmaßnahmen • Offenlage und Neugestaltung des Bachbetts auf rd. 1,5 km Länge • Schaffung von Erlebnisräumen durch Anlage von Trittstufen, Sitzsegmen- ten, Mauern, Wasserspielplatz… • Bepflanzungsmaßnahmen (parkartig / landschaftlich) • Errichtung eines neuen Dohls für den Hochwasserabfluss Finanzierung/Kosten rd. 6,2 Mio. Euro für wasserwirtschaftliche Maßnahmen rd. 1,4 Mio. Euro für Aufenthalts- und Aktivitätszonen Ergebnis Die Isenach erblickt auf 1,5 km wieder Tageslicht und bereichert Natur und Stadtbild. Besonders hervorzuheben ist die gute Zusammenarbeit aller Be- teiligten und das Bürgerengagement: Die Idee des Bürgermeisters, die Bür- ger der Stadt an den Pflanzarbeiten zu beteiligen wurde mit großer Reso- nanz aufgenommen. Dadurch machten die Bürger die Umgestaltung zu ihrer Sache. Die komplette Fertigstellung mit dem Festwochenende „Wasser marsch“ erfolgte Ende April 2013. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 21
Das Wandern ist der Fische Lust Wehrumbau an der Pfrimm in Marnheim, Verbandsgemeinde Kirchheimbolanden Das Wandern ist nicht nur der Menschen und Pflanzenbewuchs filtern Einträge aus angren- des Müllers Lust, nein: auch Fische wandern viel zenden Feldern. Mit der Wasserrahmenrichtlinie und gerne. Viele Fischarten laichen im Oberlauf sollte nun auch die Durchgängigkeit der Pfrimm eines Baches, als ausgewachsene Fische aber wieder hergestellt werden – das Wehr in Marn- wandern sie hinab in Richtung Mündung. Genau heim musste weg. deshalb war das Wehr der früheren Mittelmühle Allerdings gab es da einen Haken: Wehrmauern in Marnheim ein echtes Problem: für Fische und und Mittelpfeiler dienten als Auflage für eine andere Wasserarten wie Krebse war die senk- Fußgängerbrücke, eine sehr beliebte Fußgänger- rechte Betonwand schlicht nicht überwindbar. brücke zumal. Ein Brückenneubau schied aus – In der Mittelmühle wurde einst wohl Getreide viel zu teuer. Daher entschied man sich für ei- gemahlen, bis 1961 wurde hier noch Strom er- nen Teilabriss der Wehranlage, etwa acht Meter zeugt. Die Mühle war Teil der „Pfrimmweiher- Mauer wurden entfernt. Im Bachbett wurde mit Gesellschaft“, einem Zusammenschluss aller Schüttsteinen auf einem Meter Länge eine leicht Mühlenbetreiber an der Pfrimm im Jahr 1861, schräge Rampe gebaut. Nun können Forelle und mit deren Hilfe der Wasserfluss auch in trocke- Äsche, Elritze und Bachneunauge wieder nach nen Sommermonaten gesichert werden sollte. In Herzenslust wandern. den 1960er und 1970er Jahren wurden die Müh- Damit aber auch Frösche und Kröten, Salaman- len stillgelegt, die Landwirtschaft entlang des der und Blindschleiche es am Ufer einfacher Flüsschens wurde allerdings eher noch intensi- haben, wurden an den seitlichen Betonmauern ver: Ackerbau und Weinberge rückten nah an die des Wehrs künstliche Uferflächen aus Stein, Ton Pfrimm, das eigentlich weit ausufernde Auege- und Aueboden aufgeschüttet, niedriger als zuvor. wässer wurde in ein schmales Korsett gezwängt. Nun haben auch die Landtiere einen Wanderkor- Trotzdem ist die Pfrimm heute nur noch gering ridor am Bach – und die Fußgänger weiter ihre oder mäßig belastet: Moderne Kläranlagen sor- (sanierte) Brücke. So können also Fische, Was- gen dafür, dass unsere Abwässer gereinigt wer- serwesen und Müller nach Herzenslust wandern: den, Gewässerrandstreifen mit natürlichem über die Pfrimm und durch die Pfrimm. Wehr der ehemaligen Mittelmühle an der Pfrimm vor der Umgestaltung. 22 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
Neue Wanderwege: durchgängige Pfrimm nach der Umgestaltung. Standort/Gebiet Pfrimm in der Gemarkung Marnheim Umsetzungszeitraum Oktober 2010 bis November 2010 Akteure • Landkreis Donnersbergkreis • Verbandsgemeindeverwaltung Kirchheimbolanden • SGD Süd, Regionalstelle Kaiserslautern Einzelmaßnahmen • Verfüllen des Tosbeckens • Abbruch der Wehrmauer und der rechtsseitigen Schütztafel • Herstellen einer naturnahen Schüttsteinrampe mit gegliedertem Querschnitt • Sanierung der Brücke mit Mittelpfeiler Finanzierung/Kosten Kosten für die Gesamtmaßnahme: rd. 63.000 Euro ohne Brückensanierung Ergebnis Der Wehrkörper war für die Fischfauna in der Pfrimm ein nicht überwind- bares Wanderhindernis. Durch den Rückbau des Wehres konnte die ver- bliebene Stauhaltung aufgelöst werden, so dass neben dem Abschnitt im ehemaligen Wehrbereich die Pfrimm auf einer Länge von rd. 500 m wieder naturnahe Gewässerstrukturen aufweist. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 23
Gute Nachrichten aus dem Gemüsegarten Deutschlands Entwicklung eines Stickstoff-Managementsystems im Gemüseanbau in der Vorderpfalz Die Vorderpfalz ist ja bekanntlich der Gemüse- garten Deutschlands, doch was des einen Freud‘ LUFA = Landwirtschaftliche ist, ist manchmal eben auch des anderen Leid. Untersuchungs- und Forschungsanstalt In diesem Fall trifft das Leid die Flüsse: Bei in- DLR = Dienstleistungszentrum Ländlicher tensiver Landwirtschaft wird viel Stickstoff als Raum Dünger eingesetzt, der im Boden zu Nitrat um- gewandelt wird. Gelangt durch Auswaschung der Felder, etwa durch Regen, zu viel davon in unser Grundwasser und in die Bäche, kann da- Im Boden kann sich dadurch Nitrat ansammeln, durch im schlimmsten Fall das Grundwasser ge- das relativ leicht mit dem Sickerwasser in Rich- fährdet werden – und genau das passierte in der tung Grundwasser ausgewaschen werden kann. Vorderpfalz. Im rheinland-pfälzischen Oberrheingebiet ergab eine Bestandsaufnahme, dass etwa 67 Prozent Im intensiven Gemüseanbau der Vorderpfalz der Grundwasserkörper zu hohe Nitratkonzent- werden aufgrund der klimatischen Gunst heute rationen aufweisen – ein Alarmsignal! meist mehrere Gemüsekulturen pro Jahr ange- baut. Damit diese in ausreichender Menge und So wurden von 2004 bis 2011 umfangreiche Ver- Qualität wachsen können, müssen sie über Mi- suche der LUFA Speyer und des DLR Rheinpfalz neraldünger mit den Pflanzennährstoffen Stick- auf zwei Feldversuchsstationen durchgeführt. stoff, Phosphor, Kalium und Magnesium versorgt Das Ziel: Maßnahmen zu finden, wie die Stick- werden. Viele Gemüsearten sind sogenannte stoffdüngermenge auf den Feldern verringert „Starkzehrer“, das heißt sie benötigen hohe Men- werden kann. und weniger Nitrat in das Grund- gen an Stickstoff um zu wachsen. Gleichzeitig wasser ausgewaschen wird. können schon bei etwas zu wenig Stickstoff die Die Ergebnisse waren überraschend einfach: hohen Qualitätsansprüche von Handel und Ver- Wurde der Düngemittelbedarf treffsicher mittels braucher nicht mehr erreicht werden. Intensive Salatkultur: Versuchsfeld von DLR und LUFA. 24 Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz
Bodenuntersuchungen ermittelt, konnten er- Bodenanalyse – mit dieser Formel können Land- hebliche Mengen an Stickstoffdünger eingespart wirte bei ihren Betriebskosten erheblich sparen. werden ohne dass die Qualität des Gemüses Besonders effektiv ist allerdings eine Kombina- beeinträchtigt wurde. Damit gingen auch gleich tion aller untersuchten Maßnahmen – ein „in- die Nitratauswaschungen zurück – ein Doppel- tegriertes Stickstoffmanagement.“ Es wäre eine erfolg. Durch den Anbau von Zwischenfrüchten Trendumkehr für unser Grundwasser – weniger zur Gründüngung, etwa Hirse oder Winterrog- Stickstoffüberschüsse im Anbau und weniger gen, konnten die Stickstoffüberschüsse auf den Nitrat im Grundwasser, das ist möglich und gut Feldern und die Nitratauswaschung in Richtung für alle. Grundwasser weiter verringert werden. Auch Die Übertragung der auf den Versuchsstationen der Ersatz einer Gemüsekultur durch Getreide geprüften Maßnahmen in ausgewählte Praxis- hatte ähnliche Erfolge. Nach dem Anbau von betriebe bestätigte das erhebliche Potenzial zur Kohlarten, Zucchini oder Zuckermais bleibt be- Verbesserung der Stickstoff-Effizienz im Gemü- sonders viel Stickstoff mit den Ernteresten auf sebau. Schließlich zeigen die durchgeführten den Feldern zurück. Das kann verhindert werden, Modellrechnungen, dass durch auf den Einzelbe- indem die Überreste wie Blätter, Strünke oder trieb abstimmbare Maßnahmen, wie treffsichere nicht geerntete Pflanzen abgefahren werden. Ermittlung des Düngerbedarfs, Anbau von Zwi- Versuche in Praxisbetrieben zeigten, Dass es häu- schenfrüchten und Management der Ernterück- fig ein erhebliches Einsparpotenzial bei der Ver- stände, eine Trendumkehr der Stickstoff-Bilanz wendung von Stickstoffdünger gibt, ohne dass überschüsse und damit mittelfristig auch der Ertrag oder Qualität des Gemüses beeinträchtigt Nitratkonzentration im Grundwasser prognosti- werden. Weniger Faustregel, mehr spezifische ziert werden kann. Standort/Gebiet Versuchsbetrieb Rinkenbergerhof, Speyer (LUFA Speyer), Versuchsbetrieb Queckbrunnerhof, Schifferstadt (DLR Rheinpfalz) Gemüseanbauregion Vorderpfalz Umsetzungszeitraum 2004 – 2011 Akteure • Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) Speyer • Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz Einzelmaßnahmen • exakte Düngebemessung • Modellrechnungen Finanzierung/Kosten 1,4 Mio. Euro, finanziert durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten (MULEWF) Ergebnis Verschiedene Maßnahmen zur Minderung der Nitratausträge ins Grund- wasser konnten erarbeitet und bewertet werden. Die wichtigste Einzel- maßnahme war eine exakte Düngebemessung, die bei gleichen Erträgen und Qualitäten die Stickstoffüberschüsse drastisch reduzierte. Eine solche Verminderung der Überschüsse bei gleichem Ertragsniveau durch eine ex- akte Düngebemessung ließ sich auch in Praxisbetrieben bestätigen. Diese Maßnahmen können auch nach den durchgeführten Modellrechnungen die Belastung des Grundwassers durch diffuse Stickstoffeinträge deutlich reduzieren. Lebendige Gewässer in Rheinland-Pfalz 25
Sie können auch lesen