INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER

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INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier

       Industrie und Verwertung
INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
„Die Bioökonomie ist schon
    heute ein Innovationstreiber
    im Strukturwandel, morgen
    kann sie zu einem Jobmotor
    der Region werden.“

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INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                                    Editorial

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Strukturwandel wird das Rheinische Revier grundlegend
verändern. Mit dem Kohleausstieg wird die Energieregion ein
neues Profil als nachhaltiger und klimaschonender Wirtschafts­
raum erhalten. Die systemische Transformation der gesamten
Wirtschaftsstruktur zu einer regionalen Bioökonomie eröffnet
dabei auch einmalige Chancen für die Industriebranchen zwischen
Aachen und der Rheinschiene.

Die vorliegende Studie vermittelt einen ersten Eindruck von den
bioökonomischen Potenzialen der regionalen Industrie. Sie lädt
dazu ein, in die Tiefe zu gehen. Acht Fallbeispiele aus verschiede­
nen Branchen zeigen die Vielfalt der Möglichkeiten und mögen
als Anregung dienen, um gemeinsam neue zirkuläre Wertschöp­
fungsketten zu entwickeln. Jetzt geht es darum, Industrie neu zu
denken, Partner neu zu verknüpfen und die Zusammenarbeit von
Wirtschaft und Landwirtschaft in der Region neu zu definieren.
                                                                                                          Dr. Christian Klar
Bemerkenswert ist, dass die Region dabei vielfach schon heute                                 Leitung Koordinierungsstelle
  auf vorhandene Stärken aufbauen kann, etwa in den für die                                           ­BioökonomieREVIER
­Bioökonomie relevanten Branchen Chemie und Kunststoff,
 ­Lebensmittel, Textil und Papier, Holzverarbeitung sowie Pharma
  und Biotechnologie. Etwa 50.000 Menschen sind hier in rund
  400 ­Unternehmen beschäftigt. Daraus erwachsen einzigartige
  Chancen für das Rheinische Revier der Zukunft.

Die Bioökonomie ist schon heute ein Innovationstreiber im
Strukturwandel, morgen kann sie zu einem Jobmotor der Region
 werden. Die Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER versteht
sich als Vernetzungsplattform und Informationsbörse, als
­Accelerator und Inkubator. Gemeinsam mit vielen Partnern in
 der Region arbeiten wir daran, den Umbau der regionalen Wirt­
schaft in Richtung Nachhaltigkeit und Zirkularität zur Erfolgs­
geschichte zu machen.

Mit Blick auf die bisher erzielten Ergebnisse lässt sich ein p
                                                             ­ ositives
Zwischenfazit ziehen. Ich bin optimistisch, dass wir in ­einem
ideologie-, technologie- und ergebnisoffenen Dialog gemeinsam
die Vision einer Modellregion für nachhaltige Bio­ökonomie im
Rheinland verwirklichen werden. Ich freue mich auf den weiteren
Austausch und möchte Sie einladen, sich zu vernetzen und aktiv
einzubringen.

Ihr Christian Klar

                                                                                                                                                3
INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Inhalt
INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Inhalt

Grussworte .............................................................................................................................................6
Dr. Ron Brinitzer, Vorsitzender Revierknoten Industrie
der Zukunftsagentur Rheinisches Revier
Michael Carus, Physiker, Gründer und Geschäftsführer
der nova-Institut GmbH, Hürth

Perspektive bioökonomie........................................................................................................8

INTERVIEW .................................................................................................................................................. 10
Dr. Marco Richrath, Vice President Shell Deutschland GmbH, General Manager
Shell Energy and Chemicals Park Rheinland

sTUDIE

Bioökonomie: potenziale im Rheinischen Revier
Industrie und Verwertung ............................................................................................... 14

Auf einen Blick: Die Bedeutung bioökonomischer
Verwertungsketten im Rheinischen Revier ................................................ 16

Hintergrund und Ziel der Untersuchung ...................................................... 20

Status quo im Rheinischen Revier ............................................................................ 26

Potenzialbetrachtung der Bioökonomie ....................................................... 32

Etablierung neuer Wertschöpfungsketten .............................................. 42
Fallbeispiel 1: Spezialkulturen für die industrielle Biomassenutzung ......................................... 44
Fallbeispiel 2: Innovative Nahrungsmittelproduktion ....................................................................... 46
Fallbeispiel 3: Industrielle Biotechnologie für Feinchemie und Pharmazeutika ...................... 48
Fallbeispiel 4: Nutzung von biogenen Restströmen und CO2 aus Abgasen .............................. 50
Fallbeispiel 5: Green Naphtha und chemisches Recycling ............................................................... 56
Fallbeispiel 6: Biochemikalien und Werkstoffe .................................................................................... 59
Fallbeispiel 7: Textil- und Papierwirtschaft ........................................................................................... 62
Fallbeispiel 8: Technologieentwicklung und -transfer ....................................................................... 64

Bioökonomie: die Wirtschaftsform der Zukunft ................................. 66

3 FRAGEN AN ............................................................................................................................................ 71
Prof. Dr. Ulrich Schurr, Leiter und Initiator ­BioökonomieREVIER

Ausblick ...................................................................................................................................................... 72

Referenzen ........................................................................................................................................................ 74
Impressum und Bildnachweis .................................................................................................................... 75
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GruSSworte

                                    Sehr geehrte Damen und Herren,             Sie kann in Zukunft nicht nur einen
                                                                               maßgeblichen Beitrag zum Erhalt
                                    das Ende der Kohleverstromung ist          einer nachhaltigen Wertschöpfung in
                                    eine einmalige historische Situation für   der Region leisten, sondern hat auch
                                    Menschen und Unternehmen im Rhei­          das Potenzial, dem Rheinischen Revier
                                    nischen Revier. Zentrale Herausforde­      einen besonderen Wettbewerbsvorteil
                                    rung wird es sein, die bisherige sichere   zu verschaffen.
                                    und wettbewerbsfähige Versorgung
                                    mit Strom und Wärme auch in Zukunft        Der besondere Wert der Studie zu den
                                    zu gewährleisten. Gleichzeitig werden      bioökonomischen Potenzialen der
                                    vor dem Hintergrund der Nachhaltig­        Industrie liegt dabei darin, dass sie
                                    keitsziele Ressourceneffizienz und         aufzeigt, wo künftig neue Wertschöp­
                                    Kreislaufwirtschaft auch in unterneh­      fungsfelder und -netzwerke entste­
                                    merischen Prozessen immer wichtiger.       hen. Durch ein Zusammenwachsen
                                    Es gilt darum, die Umbruchsituation zu     der Branchen entsteht eine industriel­
                                    nutzen, um die hier ansässigen Unter­      le Konvergenz, die vollkommen neue
                                    nehmen – Industriekonzerne genauso         Chancen für große, mittlere und kleine
                                    wie unseren Mittelstand – zu stärken       Unternehmen in unserer Region birgt.
                                    und zukunftsfähig aufzustellen.
    Dr. Ron Brinitzer                                                          Die Bioökonomie eröffnet dabei neue
    Vorsitzender Revierknoten       Wie das gelingen kann, haben wir im        Perspektiven für Wirtschaftszweige,
    Industrie der Zukunftsagentur   Wirtschafts- und Strukturprogramm          die im Rheinischen Revier traditionell
    Rheinisches Revier              1.1 für das Rheinische Zukunftsrevier      stark sind: die Ernährungswirtschaft,
                                    umrissen. Hier sind auch die Leitlinien    die Kunststoffindustrie, die Papier-
                                    einer innovativen Industriepolitik für     oder die Textilindustrie. Die grüne
                                    die Region beschrieben. Neben güns­        Transformation kann ihnen dabei hel­
                                    tigen Rahmenbedingungen braucht            fen, zusammen mit der Wissenschaft
                                    es kluge Förderanreize, um privates        zukunftsfähige Wege zu beschreiten,
                                    Kapital zu aktivieren und eine zeitna­     neue Ideen aufzugreifen und nach­
                                    he Umsetzung von Innovationen in           haltige Wertschöpfung hier in der
                                    marktgängige Produkte zu erreichen.        Region zu generieren.
                                    Es gilt, vorhandene Stärken ebenso
                                    zu nutzen wie auf Basis innovativer        Als Koordinierungsstelle bringt sich
                                    ­Technologien neue Wertschöpfungs­         BioökonomieREVIER mit eigenen
                                    felder zu entwickeln.                      Impulsen aktiv und gewinnbringend
                                                                               in den Strukturwandel ein und fördert
                                    In diesem Kontext weist die vorliegen­     als Bindeglied zwischen Wissen­
                                    de Studie von BioökonomieREVIER die        schaft und Wirtschaft einen schnellen
                                    Richtung zu einem vielversprechenden       ­Technologietransfer.
                                    Entwicklungspfad. Die Bioökonomie
                                    zählt schon heute zu den wichtigsten       Herzlichst Ihr
                                    Innovationstreibern in der Region.         Ron Brinitzer

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Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                                                 Grußworte

Sehr geehrte Leserinnen,                  r­ elevanten Beitrag zum Gelingen der
sehr geehrte Leser,                        bioökonomischen Transformation
                                           leisten, sondern zukünftig auch direkt
in den vergangenen Jahren ist die          von der biobasierten Wirtschaftsweise
Wertschöpfung aus Biomasse ver­            profitieren.
stärkt in den Fokus gerückt. Das
Thema stand lange im Schatten von         Die regionale Branchenvielfalt
Bioenergie und Biokraftstoffen, erfährt   wird förderlich sein für die Etablie­
jetzt aber nicht zuletzt durch die        rung neuer sektorübergreifender
Diskussion über die Circular Economy      Wertschöpfungsketten. Vor allem
neue Beachtung. Davon zeugt nicht         die Synergie­effekte zwischen den
zuletzt die vorliegende Studie, die       unterschiedlichen Innovationsbe­
unser Institut im Auftrag von Bio­        reichen werden die Produktion und
ökonomieREVIER verfasst hat.              Verwertung von Biomasse in den
                                          kommenden Jahren und Jahrzehn­
Seit mehr als 20 Jahren befassen wir      ten ­revolutionieren.
uns im nova-Institut mit den Fragen
einer biobasierten Ökonomie, die den      Zweifelsohne ist die Bioökonomie in
Weg in eine Zukunft ohne fossile Res­     Kombination mit erneuerbaren Energi­
sourcen weist. Im Kern geht es dabei      en und der Nutzung von gasförmigen                                                  Michael Carus
um die „Biologisierung“ der indust­       Reststoffen (CO2) als Ansatzpunkte für                                       Physiker, Gründer und
riellen Wertschöpfung: Wie werden         den Strukturwandel im Rheinischen                                             Geschäftsführer der
Biomasse, CO2 und Recycling zukünftig     Revier vielversprechend.                                                      nova-Institut GmbH,
Kohle und Erdöl als Rohstoff für die                                                                                                   Hürth
Industrie ersetzen können?                Der Aufbau einer organischen Kreis­
                                          laufwirtschaft bleibt jedoch eine
Das Konzept der Bioökonomie um­           ­Herausforderung. Den Wert von
fasst selbstverständlich mehr als         Biomasse in einer Kreislaufwirtschaft
nur die Ströme von erneuerbaren           oder Kaskadennutzung zu erhalten,
Rohstoffen. Auch das Konzept von          ge­staltet sich in der Praxis als kom­
BioökonomieREVIER geht weit über          plexes Unterfangen. Dies wird nur
die Etablierung einer regionalen Kreis­    ­gelingen, wenn möglichst viele ­Akteure
laufwirtschaft hinaus, da es eine große   vernetzt und mit einer gemein­samen
Anzahl weiterer Aspekte wie beispiels­      ­Strategie ­handeln.
weise neue chemische Bausteine,
neue Prozesswege der Biotechnologie       Die Modellregion für nachhaltige
und chemischen Katalyse sowie etwa        Bioökonomie im Rheinland bietet
neue Funktionalitäten und Eigen­          uns nun die historische Chance, die
schaften von Produkten integriert.        Erkenntnisse, die wir über 20 Jahre im
                                          nova-Institut mit Partnern erarbeitet
Die Studie verdeutlicht das große         haben, hier vor Ort im Rheinischen
bioökonomische Potenzial im Be­           Revier in einem Reallabor umzusetzen.
reich der Industrie im Rheinland.
Über 400 Unternehmen im Rheini­           Herzlichst Ihr
schen ­Revier können nicht nur einen      Michael Carus

                                                                                                                                                             7
INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Perspektive Bioökonomie
    Regionale Stimmen zu den
    Potenzialen und Chancen
                                                                    „Mit der Initiative Bioökonomie-
                                                                    REVIER erarbeiten wir Möglichkeiten für
                                                                    einen lokalen Anbau nachwachsender
                                                                    Rohstoffe auf bisher ungenutzten Flä­
                                                                    chen in den Tagebauen. Folgeprodukte
                                                                    werden in verschiedenen Anwendungs­
                                                                    bereichen eingesetzt und ermöglichen
                                                                    diesen Industrien eine nachhaltige
                                                                    Produktion mit kurzen Transportwegen.“

                                                                    Dr. Corvin Volkholz, Geschäftsführer,
                                                                    ILCO Chemikalien GmbH, Erkelenz,
                                                                    www.ilco-chemie.de

                   „Strukturwandel heißt für uns,
                   bewährte Expertise und Erfahrung
                   ­gezielt für die Entwicklung zukunfts­
                    gerichteter Waren und Dienstleistun­
                    gen zu nutzen – so können wir tradier­
                    tes und neues Know-how nicht bloß
                    addieren, sondern sogar multiplizieren.
                    Denn daraus entstehen verblüffende,
                    neue Produkte. Mit diesen Ansätzen
                    können langfristig nicht nur mehr,              „Fortschritt durch Innovation ist eine
                    sondern auch ganz neuartige Arbeits­            der Säulen unseres Maschinenbauun­
                    plätze entstehen, was wiederum die              ternehmens. Wir beteiligen uns aktiv an
                    Attraktivität der Region insgesamt              regionalen Innovationspartnerschaften
                    erhöht.“                                        und zeigen somit schon heute, wie eine
                                                                    nachhaltige Produktion von biobasier­
                   Timo Koch, Leiter Innovation Center, Pfeifer &   ten Rohstoffen gelingt. Wir entwickeln
                   Langen GmbH & Co. KG, Köln und Geschäftsführer
                   Savanna Ingredients GmbH, Elsdorf, ­             Maschinen, mit denen man Schmier­
                   www.pfeifer-langen.com /                         stoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
                   www.savanna-­ingredients.com
                                                                    gewinnen kann, die zukünftig zum Bei­
                                                                    spiel auf den Randflächen der Tagebaue
                                                                    angebaut werden. Um neue Wertschöp­
                                                                    fungskreisläufe in Gang zu bringen,
                                                                    braucht es nicht nur innovative Ideen.
                                                                    Es braucht vor allem Mitarbeiterinnen
                                                                    und Mitarbeiter, die fähig sind, daraus
                                                                    erfolgreiche Produkte zu machen.“

                                                                    Niklas Stadermann, Geschäftsführer,
                                                                    Maschinenfabrik Reinartz GmbH & Co. KG,
                                                                    Neuss, www.reinartz.de
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INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                                            Regionale Stimmen

                                            „Unsere Region ist schon heute vom
                                            Wandel zur Bioökonomie geprägt. Für
                                            die regionalen Unternehmen besteht
                                            dadurch die besondere Chance, von den
                                            Potenzialen der Bioökonomie zu profi­
                                            tieren. Als Partner der Koordinierungs­
                                            stelle BioökonomieREVIER wollen wir
                                            für etablierte und junge technologieori­
                                            entierte Unternehmen künftig gemein­
                                            sam neue Innovationsfelder für einen
                                            nachhaltig erfolgreichen Strukturwandel
                                            im Rheinischen Revier erschließen.“

                                            Peter Gier, Competence Center Kreis Düren,
                                            AGIT Aachener Gesellschaft für Innovation und
                                            Technologietransfer mbH, Aachen, www.agit.de
„Innovationen werden unsere Unter-                                                              „Wenn wir mit Bioraffinerien einen
nehmen zukunftsfähiger machen. Die                                                              Beitrag zur Ressourcenwende leisten
Bioökonomie bietet hierfür vielfältige                                                          wollen, dann müssen wir konkurrenz­
Chancen. Als Wirtschaftsförderungs­                                                             fähig mit der industriellen Herstellung
gesellschaft profitieren wir von der                                                            von Grundchemikalien sein. Das kann
Zusammenarbeit mit Bioökonomie­                                                                 nur gelingen, wenn Upstream- und
REVIER und dem besseren Zugang                                                                  Downstream-Prozesse optimal inte­
zur herausragenden Innovationsland­                                                             griert werden. Im Rheinischen Revier
schaft im Rheinischen Revier.“                                                                  haben wir den großen Vorteil, mit zu­
                                                                                                ckerhaltigen Restströmen starten zu
Susanne Kayser-Dobiey, Geschäftsführerin,                                                       können. Zudem sind hier in der Region
Wirtschaftsförderung Rhein-Erft GmbH,
Bergheim, www.wfg-rhein-erft.de                                                                 alle Disziplinen vorhanden, die es für
                                                                                                die Entwicklung von wettbewerbsfähi­
                                            „Unser Unternehmen produziert                       gen Prozessen braucht.“
                                            Einweggeschirr und Verpackungen
                                            ausschließlich aus Materialien nach­                Prof. Dr.-Ing. Andreas Jupke, Lehrstuhl
                                                                                                Fluidverfahrenstechnik, AVT – Aachener
                                            haltiger Forstwirtschaft. Bioökono­                 Verfahrenstechnik, RWTH Aachen University,
                                            mieREVIER unterstützt uns bei der                   www.avt.rwth-aachen.de
                                            Verbreiterung unserer regionalen
                                            Rohstoffbasis und der Entwicklung
                                            innovativer Wertschöpfungskonzepte.“

                                            Tom Kantelberg, Chief Coordinator PAPSTAR
                                            Production Group, Rick Produktion GmbH,
                                            PPC GmbH, Conpax Kartonagen B. V., Schleiden,
                                            www.papstar.com / www.rick-produktion.de

                                                                                                                                                                 9
INDUSTRIE UND VERWERTUNG - BIOÖKONOMIE: POTENZIALE IM RHEINISCHEN REVIER - ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Interview

     „Innerhalb des Rheinischen Reviers
     haben wir gute Möglichkeiten, uns
     stark und systemisch zu vernetzen,
     um nachhaltige lokale Wertschöp­
     fungsketten aufzubauen.“

     Dr. Marco Richrath
     Vice President Shell Deutschland GmbH,
     General Manager Shell Energy and
     Chemicals Park Rheinland

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Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                                                Interview

„Bioökonomie vor Ort:
gemeinsam zukunftsfähige
Projekte anpacken“
Die Industrie im Rheinischen Revier steht vor einem tiefgreifenden Wandel, denn fossile Brennstoffe
lassen sich nicht von heute auf morgen abschaffen. Vor den Toren des Rheinischen Reviers entsteht
einer der weltweiten Zukunftsstandorte des Shell-Konzerns. Im Interview erläutert Dr. Marco Richrath,
General Manager Shell Energy and Chemicals Park Rheinland, wie zeitgemäße Energieformen und
Dekarbonisierungslösungen entstehen und welche Rolle die regionale Bioökonomie hierbei spielt.

Herr Dr. Richrath, wie verändert die        uns genau an, was der Kunde benö­
Energiewende Ihr Unternehmen?               tigt, um das zu erreichen. Der Energy                                „Der Energy and
Die Energiewende verändert auch Shell       and Chemicals Park Rheinland spielt                       Chemicals Park Rheinland
massiv. Wir wollen unseren Beitrag          als ein sich wandelnder Standort eine
                                                                                                           ist eine Plattform für
leisten, um die Pariser Klimaziele zu er­   besonders große Rolle. Wir wollen
reichen. Aus diesem Grund werden wir        hier im Rheinischen Revier Produkte                      zeitgemäße Energieformen
fossile Produkte nur noch als Schmier­      herstellen, mit denen entscheidende                         und Dekarbonisierungs­
stoffe, Bitumen für den Straßenbau          Schritte möglich sind.                                                     lösungen.“
oder als Basis für Chemieprodukte
anbieten. Diese werden wir nach und         Wie viel Zeit wird dieser Umbau
nach ebenfalls durch recycelte Roh­          in Anspruch nehmen?
stoffe ersetzen. Wir werden kein Rohöl      Wir haben schon damit begonnen,
mehr verarbeiten, das als Kraftstoff        ­damit wir noch in dieser Dekade sehr         Wie es der Name schon ausdrückt,
oder Heizmedium umweltschädlich              signifikante Schritte nach vorn schaf­       ist der Energy and Chemicals Park
verbrannt wird. Stattdessen wollen           fen. Aber machen wir uns nichts vor:         Rheinland einerseits eine Plattform
wir uns auf biogene Energielösungen,         Der Wandel ist sehr tiefgreifend. Fos­       für zeitgemäße Energieformen und
grünen Wasserstoff oder nachhaltigen        sile Brennstoffe lassen sich nicht von        Dekarbonisierungslösungen. Anderer­
Flugtreibstoff fokussieren.                 heute auf morgen abschaffen. Den­             seits werden wir das noch stärker als
                                            noch wollen wir Vorreiter der Energie­        bisher mit hochwertigen Chemie- und
Wie sehen die konkreten Klima- und          wende sein. Zugleich mahnen uns die           Spezialprodukten kombinieren. Ein
Nachhaltigkeitsziele von Shell aus?         vergangenen Klimaereignisse auch bei          Stichwort ist die zirkuläre Wertschöp­
Wie wollen Sie diese erreichen?             uns vor der Haustür, dass wir die eben        fungskette. All diese Veränderungen
Das Bekenntnis zu den Pariser Klima­        beschriebenen Dekarbonisierungs­              schaffen wir nicht allein. Daher werden
zielen heißt für uns, dass wir bis 2050     vorhaben umsetzen müssen.                     wir unsere Tore für Partner öffnen,
oder früher beim CO2-Ausstoß ein                                                          die mit uns gemeinsam entlang der
Netto-Null-Unternehmen werden               Sie sprachen eben schon davon, dass           Wertschöpfungskette wachsen und
wollen. Und zwar im Einklang mit der        sich einer der weltweiten Shell-­             Innovationen schaffen. Bei uns finden
Gesellschaft, wie wir es nennen. Das        Zukunftsstandorte im Kölner Süden             Unternehmen einen erfahrenen In­
bedeutet konkret: Wir wollen nicht          befindet, direkt vor den Toren des            dustriegelände-Betreiber mit geneh­
nur unsere eigenen CO2-Emissionen           Rheinischen Reviers. Dort entwickeln          migten Flächen sowie Anschlüsse an
auf null herunterfahren, sondern wir        Sie die größte Raffinerie Deutsch-            eine hochwertige Infrastruktur und
helfen auch unseren Kunden bei der          lands zum Energy and Chemicals Park           den Zugang zu nachhaltigen Ener­
Dekarbonisierung. Dafür sehen wir           Rheinland. Was heißt das konkret?             gieformen wie grünen Wasserstoff,

                                                                                                                                                            11
Biogas oder zirkulären Einsatzstoffen.     Wenn Sie von grünem Wasserstoff,        sukzessive weniger eingesetzt. Das
     Nicht zuletzt ist es unsere Absicht, als   Biogas oder zirkulären Einsatzstof-     heißt aber auch, dass wir zunehmend
     Innovations-Hub einen Energy Campus        fen sprechen: Sind das die Stich-       Ersatz durch biogene Stoffe benö­
     zu errichten, in dem wir gemeinsam         worte, wenn wir uns eine Raffinerie     tigen. Des Weiteren setzen wir auf
     mit Partnern, Wissenschaft, Forschung      ohne Öl und fossile Rohstoffe vor­      neue Kreislaufwirtschaftsketten. Ein
     und Entwicklung, aber auch ideen­          stellen müssen?                         wichtiges Thema ist die Aufbereitung
     reichen Start-ups die Energiewende         Bitte bedenken Sie, dass wir nicht      von Plastik, das wieder der Produktion
     vorantreiben wollen.                       sofort auf Rohöl verzichten. Es wird    zugeführt wird. Es wird viele Chancen

                                                                             Über Shell
                                                                             Die Royal Dutch Shell, auch einfach nur Shell
                                                                             genannt, ist eines der weltweit größten Mineral­
                                                                             öl- und Erdgas-Unternehmen. Der Konzern ist
                                                                             in mehr als 140 Ländern aktiv. Weltweit be­
                                                                             schäftigt Shell rund 86.000 Mitarbeiterinnen und
                                                                             Mit­arbeiter. Im Jahr 2020 erzielte Shell einen
                                                                             Gesamt­umsatz von 180,5 Milliarden US-Dollar.

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Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                                              Interview

geben, damit Shell mit integrierten      ­ eispiel Diesel oder Kraftstoffen für
                                         B
Systemlösungen für Chemie und            die Luftfahrt, also für Anwendungen,                              „Fossile Brennstoffe
Energie im Zuge einer Dekarbonisie­      die besonders schwer zu dekar­                                   lassen sich nicht von
rung wirtschaftlich arbeiten kann. Die   bonisieren sind. Das wollen wir in
                                                                                                             heute auf morgen
wissen wir zu nutzen.                    eine vollständig biobasierte Lösung
                                         überführen. Ein Beispiel hierfür ist                             abschaffen. Dennoch
Das Rheinische Revier soll Modell-       eine bei uns geplante Bio-PtL-Anla­                            wollen wir Vorreiter der
region für nachhaltige Bioökonomie       ge, in der wir Holzabfälle in Treibstoff                          Energiewende sein.“
werden. Welche Perspektiven              umwandeln wollen. Es gibt aber auch
erwachsen hieraus für den Shell-         Überlegungen, zum Beispiel gebrauch­
Standort im Rheinland?                   te Speiseöle einzusetzen. Die Palette
Wir haben ein sehr hohes Interesse       an marktreifen Plänen ist groß und Sie
am Zugang zu biogenen Einsatzstof­       werden künftig viel von uns hören.
fen. Nur dann können wir den Bedarf
an dekarbonisierter Energie über­        Wie könnten für Shell interessante             Wagen wir einen Blick in die
haupt zur Verfügung stellen. Inner­      regionale Stoffströme zukünftig                ­Zukunft: Wie wird die Energiever­
halb des Rheinischen Reviers haben       aussehen?                                      sorgung im Rheinischen Revier im
wir gute Möglichkeiten, uns stark        Das herauszufinden, ist gerade unsere          Jahr 2050 aussehen? Und welche
und systemisch zu vernetzen, um          Hausaufgabe. Sie verstehen sicherlich,         Rolle werden die Bioökonomie und
nachhaltige lokale Wertschöpfungs­       dass wir uns dabei nicht nur aufs Rhei­        Shell d ­ abei ­spielen?
ketten ­aufzubauen.                      nische Revier konzentrieren, sondern           Fossile Energieträger haben 2050 als
                                         global verschiedene Möglichkeiten              Energieträger ausgedient. Wir bieten
Shell zählt schon heute zu den           testen. Aber ganz ausdrücklich wollen          stattdessen eine Vielzahl an innova­
Partnern von BioökonomieREVIER.          wir das weltweite Angebot um lokale            tiven Energielösungen an, denn der
Was erhoffen Sie sich konkret von        Ströme komplementieren, sofern                 Stromverbrauch ist gewaltig gestiegen.
der Zusammenarbeit?                      das sinnvoll ist, der Einsatz fraglicher       Erneuerbarer Strom aus Wind- und
Gerade in der Bioökonomie ist es         Stoffe wie Palmöl ausgeschlossen               Sonnenkraft, biogene Energieträger
wichtig, nicht nur global zu schau­      wird und wir nicht in Konkurrenz zur           und Wasserstoff, aber auch Kreis­
en, sondern zu prüfen, wie wir auch      Nahrungsmittelproduktion geraten.              laufsysteme bilden das neue Fun­
vor Ort gemeinsam zukunftsfähige                                                        dament für Energieversorgung und
Projekte anpacken können. Deswegen       Was muss passieren, damit                      Wohlstand im Rheinischen Revier. Wir
steht die Vernetzung über die gesamte    diese Vision Realität wird?                    von Shell bereiten uns bereits darauf
Bandbreite möglicher Wertschöp­          So visionär ist das gar nicht. Wir haben       vor, ­indem wir uns an Offshore-Wind­
fungsketten bei uns im Fokus – von       schon konkrete Pläne. Allerdings               anlagen beteiligen, grünen Wasser­
lokalen Biogasanlagen bis hin zum        benötigen wir für Investitionen die            stoff selbst produzieren, Infrastruktur
Plastik-Recycling für Energie- und       richtigen Rahmenbedingungen. Von               aufbauen, biogene Anlagen planen
Chemielösungen, für die wir auch         Politik und Verwaltung erwarten wir            und errichten und sogar im Bereich
­lokale Partner brauchen.                Planungssicherheit. Sehr wichtig ist           Solar-Anwendungen für zu Hause und
                                         uns auch die Akzeptanz in der Ge­              Stromtankstellen an Straßenlaternen
Welche biogenen Rohstoffe und            sellschaft für Bioprodukte, die nicht          Kompetenzen aufbauen. Gemeinsam
Verfahren sind für Shell besonders       in Konkurrenz zur Nahrungskette                mit Partnern im Rheinischen Revier ha­
interessant?                             stehen. Und um die ganze Wahrheit              ben wir 2050 viele neue grüne Arbeits­
Wir schauen uns derzeit insbesondere     zu erzählen, kommen wir nicht ohne             plätze geschaffen und in einem nicht
zwei Anwendungsbereiche an. Das          Fördermittel aus. Bei neuen Anlagen            immer einfachen Wandel das Rheini­
eine ist die Verarbeitung von bioge­     muss man leider erst viel lernen, bis          sche Revier zu einer Region gemacht,
nen Ölen bei der Produktion von zum      sich etwas ökonomisch rechnet.                 in der es sich sehr gut leben lässt.

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14
Studie

Bioökonomie: Potenziale
im Rheinischen Revier
Industrie und Verwertung

                           15
Im Rahmen der Studie untersuchte ein Team
     des nova-Instituts:

     • Bioökonomische Potenziale der relevanten
       Industriesektoren im Rheinischen Revier

     • Ökonomische Bedeutung der für die Bioökonomie
       relevanten Sektoren anhand von Unternehmen,
       Erwerbstätigen und Umsätzen

     • Status quo der Region mit Blick auf zukünftige
       technologische Potenziale im Kontext eines
       Strukturwandels hin zur Bioökonomie

     • Potenzielle Vernetzung verschiedener Industrien
       zur Etablierung neuer Wertschöpfungsketten

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Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                                                       Auf einen Blick

Auf einen Blick: Die Bedeutung bioökonomischer
Verwertungsketten im Rheinischen Revier

Welche Rolle spielt die Industrie für die Bioökonomie im Rheinischen Revier? Dieser Frage ging
ein Team des nova-Instituts für Ökologie und Innovation im Auftrag der ­Strukturwandelinitiative
Bioökonomie­REVIER nach. Antworten liefert die vorliegende Analyse der in den relevanten
­Sektoren vorhandenen regionalen Potenziale.

Für die Bioökonomie relevante Indus­                   L­ ebensmittelwirtschaft, die in der Pro­      von durchschnittlich 22,4 Milliarden
triesektoren im Rheinischen Revier                      gnos-Studie „Bioökonomie: Potenziale          Euro erzielten. Mit 163 Betrieben ist die
finden sich vor allem in den Berei­                    im Rheinischen Revier – Rohstoffe und          Chemie- und Kunststoffindustrie 2018
chen Chemie und Biotechnologie, der                     Ernährung“ eingehend analysiert wurde.        der wirtschaftlich bedeutendste Zweig,
Pharmazie, der Papierindustrie, der                                                                   gefolgt von der Lebensmittelwirtschaft
holzverarbeitenden Industrie und der                   In den relevanten Industriesektoren            mit 123 Betrieben, der Papierindustrie
Textil­industrie. Weitere Potenziale                   waren im Rheinischen Revier im Zeit­           (56 Betriebe), der Textilwirtschaft
liegen auch in den Bereichen Bau und                   raum von 2014 bis 2018 durchschnitt­           (39 Betriebe), der holzverarbeitenden
Energie vor, die jedoch hier nicht unter­              lich 49.600 Personen in 396 Betrieben          Industrie (25 Betriebe) und der phar­
sucht wurden, sowie in der Land- und                   beschäftigt, die einen Gesamtumsatz            mazeutischen Industrie (8 Betriebe).

Abbildung 1: Bioökonomie im Rheinischen Revier – Innovation durch Branchenverknüpfung

                                                             Chemie und Kunststoffe

                                         Energie                                                       Lebensmittelwirtschaft

                Papierindustrie                                                                                       Landwirtschaft

                          Pharma &
                                                                                                                 Holzverarbeitung
                     Biotechnologie

                                                   Abfallwirtschaft               Textilwirtschaft

  In dieser Studie betrachtete Industriesektoren
  Weitere Sektoren

                                                                                                                                                                         17
Auf einen Blick: Die Bedeutung bioökonomischer
     Verwertungsketten im Rheinischen Revier

                                                                           Sektoren das größte Wachstum zu           NRW (2017) schreibt hierfür einen
     „Die Chemie- und                                                      verzeichnen. In den anderen Industrie­    Zielwert von 150 kg je gemeldeter
     Kunststoffindustrie ist                                               zweigen stagnierten die Zahlen oder       Person aus. Durch eine flächen­
                                                                           gingen leicht zurück.                     deckende Biotonnenpflicht und geziel­
     der wirtschaftlich
                                                                                                                     te Öffentlichkeitsarbeit ließe sich die
     bedeutendste Industrie­                                               Für den Strukturwandel hin zu ei­         Menge biogener Reststoffe erhöhen.
     zweig im Rheinischen                                                  ner auf Nachhaltigkeit basierenden
     Revier, gefolgt von der                                               Bioökonomie spielen die Landwirt­         Um die Versorgung der Industrie mit
                                                                           schaft und die Abfallwirtschaft in der    nachhaltigen Rohstoffen sicherzu­
     Lebensmittelwirtschaft.“
                                                                           Region eine zentrale Rolle bei der        stellen, bedarf es nicht nur in den ein­
                                                                           Entwicklung und Inwertsetzung neuer       zelnen Industriezweigen, sondern auch
                                                                           Wertschöpfungsketten und -netze.          im landwirtschaftlichen Sektor vielfälti­
                                                                                                                     ger technologischer Innovationen. Hier­
     Vergleicht man die Jahre 2014 bis                                     Biogene Reststoffe spielen in der         zu zählen multicodierte Flächennut­
     2018, dann weist die chemische In­                                    industriellen Verarbeitung aktuell eine   zungskonzepte mit Mehrfachnutzung
     dustrie (inkl. Kunststoffherstellung) die                             untergeordnete Rolle. Die Erfassung       (z. B. Agroforst, AgroPV) sowie eine
     stärksten Zuwachszahlen auf. Sowohl                                   von Reststoffströmen wird erschwert       landwirtschaftliche Effizienzsteige­
     bei der Anzahl der Betriebe (+13,2 %,                                 durch eine dezentral organisierte Ab­     rung mittels Digitalisierung, aber auch
     von 144 auf 163) und der Anzahl der                                   fallwirtschaft. Im Rheinischen Revier     der Anbau neuartiger Rohstoffquellen
     Beschäftigten (+9,7 %, von 23.600 auf                                 wurden 2017 über 300.000 Tonnen           (z. B. Algenkulturen) und die Mehrfach­
     25.900) als auch beim Umsatz (+4,0 %,                                 Bio- und Grünabfälle gesammelt, das       nutzung von Rest- und Abfallstoffen.
     von 12,6 Mrd. Euro auf 13,1 Mrd. Euro)                                tatsächliche Potenzial dürfte erheblich
     war hier im Vergleich zu den anderen                                  größer sein. Der Abfallwirtschaftsplan    Mit zahlreichen etablierten Industrie­
                                                                                                                     unternehmen und einer exzellent
                                                                                                                     aufgestellten Forschungslandschaft
                                                                                                                     in der Region verfügt das Rheinische
     Abbildung 2: Beschäftigte, Umsatz und Anzahl an Betrieben in für die                                            Revier über beste Voraussetzungen
     Bioökonomie relevanten Sektoren im Rheinischen Revier, Ø 2014 – 2018                                            für den Wandel hin zu einer Bioöko­
                                                                                                                     nomie. Gefragt ist nun eine stärkere
                                                                                                                     Vernetzung der unterschiedlichen
                                                                                                                     Akteure in den jeweiligen Sektoren
                                                                                                                     und ­Handlungsfeldern.

                                                                                                                     Mit Blick auf die Entwicklung zur
                      49.600                                         22,4 Mrd €                   396                ­Modellregion für nachhaltige Bio­
                                                                                                                      ökonomie im Rheinland stehen insbe­
                                                                                                                      sondere die folgenden Anwendungs­
                  Beschäftigte                                         Umsatz                   Betriebe              bereiche im Fokus, deren regionale
                                                                                                                      Potenziale in dieser Studie in Form
     nova-Institut, 2020, Datengrundlage Stat. Landesamt NRW, 2019                                                    von Fall­beispielen erörtert werden:

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Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                                           Auf einen Blick

                                                                                          der im Rheinland sehr gut aufgestell­
  Fallbeispiel 1:                           Fallbeispiel 4:                               ten Chemieindustrie ergeben sich hier
  Spezialkulturen für die                   Nutzung von biogenen Rest-                    vielfältige Potenziale.
  industrielle Biomassenutzung              strömen und CO2 aus Abgasen

Alternative Ölpflanzen, Faserpflanzen,    Biogene Spezialabfälle können pers­                 Fallbeispiel 7:
Arzneipflanzen und Färberpflanzen         pektivisch als Ausgangsstoff für die                Textil- und
können Rohstoffe für die Nutzung in       chemische Industrie und Kraftstoff­                 Papierwirtschaft
der Feinchemie und Kunststoffproduk­      produktion dienen. Neu für das Rheini­
tion liefern. Neuartige Technologien      sche Revier wäre die Betrachtung von            Die Entwicklung von neuartigen Textili­
ermöglichen die Produktion von spezi­     gasförmigen Reststoffströmen, die               en (z. B. Smart Textiles) sowie medizi­
fischen, biobasierten Wertstoffen und     Ansatzpunkte für Bioraffinerieverfahren         nischen Implantaten aus Textilfasern
helfen bei der Züchtung von Pflanzen,     liefern (z. B. Carbon Capture and Utilisa­      eröffnet neue Perspektiven für die
die besser angepasst sind an klima­       tion, Gewinnung von Synthesegasen).             Textilindustrie in der Region. Innovati­
tische Veränderungen.                                                                     ve Kompositmaterialien aus biogenen
                                                                                          Kohle- oder Zellstofffasern können
                                            Fallbeispiel 5:                               darüber hinaus als Leichtbaumateria­
  Fallbeispiel 2:                           Green Naphtha und                             lien in der industriellen Produktion und
  Innovative                                chemisches Recycling                          im Bauwesen eingesetzt werden. In
  Nahrungsmittelproduktion                                                                der Papierindustrie ergeben sich Pers­
                                          Leichte Rohöle oder Rohbenzin                   pektiven durch neuartige, unbeschich­
Mithilfe neuer Technologien lassen sich   (Naphtha) zählen zu den wichtigs­               tete Verpackungsmaterialien, zum
alternative, pflanzliche Proteinquellen   ten Rohstoffen der Petrochemie zur              Beispiel aus heimischen Grasfasern.
zur gesunden Ernährung der Bevöl­         Herstellung von Kraftstoffen sowie
kerung entwickeln. Ergänzend können       zur Produktion von Polyethylen und
durch die Nutzung von Insektenpro­        Polypropylen. Aus Biomasse lässt                    Fallbeispiel 8:
teinen und den Aufbau von Insekten­       sich „Green Naphtha“ herstellen, das                Technologieentwicklung
farmen neue Impulse entstehen.            als Drop-in-Rohstoff in etablierten                 und -transfer
                                          Produktionsprozessen der chemischen
                                          Industrie verwendet werden kann.                Das Rheinische Revier und die umlie­
  Fallbeispiel 3:                         Durch chemisches Recycling von Mate­            genden Ballungsräume verfügen über
  Industrielle Biotechnologie für         rialien, vor allem Kunststoffen, können         eine exzellente Wissenschafts- und
  Feinchemie und Pharmazeutika            ebenfalls neue Ausgangsstoffe für die           Forschungslandschaft im Bereich
                                          chemische Industrie gewonnen werden.            Bioökonomie. Das Bioeconomy Scien­
Feinchemikalien und Pharmazeutika                                                         ce Center (BioSC) verknüpft zahlrei­
können auf der Basis von Biomasse aus                                                     che der Forschungsaktivitäten und
nachwachsenden Rohstoffen herge­            Fallbeispiel 6:                               bildet den Kern der interdisziplinären
stellt werden. Das potenzielle Spektrum     Biochemikalien                                Forschungsstrategie in der perspekti­
der Möglichkeiten für diese Produkte        und Werkstoffe                                vischen Modellregion für nachhaltige
ist sehr groß und wird im Rheinischen                                                     Bioökonomie im Rheinland. Teil der
Revier und im Umland auch bereits von     Auf der Basis von Biomasse lassen               Forschungsaktivitäten ist eine Nut­
zahlreichen Chemie- und Pharmazie-        sich eine Vielzahl von Chemikalien und          zungs- und Verwertungsstrategie, die
unternehmen adressiert.                   Werkstoffen herstellen. Das Spektrum            eine kommerzielle Verwertung der
                                          reicht dabei von Basischemikalien, wie          Ergebnisse und damit eine wirtschaft­
                                          Bioethanol und Ethylen, bis hin zu spe­         liche Nutzung und die Integration in
                                          zifischen Feinchemikalien und phar­             neue und bestehende Wertschöp­
                                          mazeutischen Wirkstoffen. Im Kontext            fungssysteme ermöglichen soll.

                                                                                                                                                             19
Eine Weiterentwicklung der „Nationalen Forschungsstrategie
     Bioökonomie 2030“ wurde im Januar 2020 mit den folgenden
     Leitlinien veröffentlicht:

     1. Mit biologischem Wissen und verantwortungsvollen Innovationen zu
        einer nachhaltigen, klimaneutralen Entwicklung.
     2. Mit biogenen Rohstoffen zu einer nachhaltigen, kreislauforientierten
        Wirtschaft.²

20
Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                                 Hintergrund und Ziel der Untersuchung

Hintergrund und Ziel der Untersuchung

Der Strukturwandel im Zuge des Kohleausstiegs stellt für das Rheinische Revier und die hier ansässige
Industrie eine einzigartige Chance dar. Der Erhalt von Lebensqualität, Wohlstand und Arbeitsplätzen
bedarf eines tiefgreifenden wirtschaftlichen Transformationsprozesses. Die Perspektive einer Modell­
region für nachhaltige Bioökonomie bietet der industriellen Produktion vielfältige Möglichkeiten, auf
vorhandene Potenziale aufzubauen.

„Unter ‚Bioökonomie‘ oder ‚bio­            1. Mit biologischem Wissen und ver­            Das Rheinische Revier erstreckt sich
basierter Wirtschaft‘ verstehen wir           antwortungsvollen Innovationen zu           im gesamten Südwesten von Nord­
die wissensbasierte Erzeugung und             einer nachhaltigen, klimaneutralen          rhein-Westfalen über den Rhein-Kreis
Nutzung nachwachsender Ressour-               Entwicklung.                                Neuss, den Kreis Heinsberg, den
cen, um Produkte, Verfahren und            2. Mit biogenen Rohstoffen zu einer            Rhein-Erft-Kreis, den Kreis Düren,
Dienstleistungen in allen wirtschaft-         nachhaltigen, kreislauforientierten         die StädteRegion Aachen, den Kreis
lichen Sektoren im Rahmen eines               Wirtschaft.²                                Euskirchen und die kreisfreie Stadt
zukunftsfähigen Wirtschaftssystems                                                        Mönchengladbach. Damit beheimatet
bereitzustellen. Das Konzept der           Als Braunkohle-Abbauregion ist das             die Region auf 5.000 Quadratkilome­
Bioökonomie umfasst danach alle            Rheinische Revier beispielhaft in              tern etwa 2,4 Millionen Menschen
Wirtschaftssektoren und ihre zu-           Deutschland für die Transformation             (siehe Abbildung 3).⁴
gehörigen Dienstleistungsbereiche,         zu einer biobasierten Wirtschaft. Die
die nachwachsende Rohstoffe – wie          Region ist durch den jahrzehnte­langen
Pflanzen, Tiere und Mikroorganis-          Braunkohleabbau landschaftlich
men und deren Produkte – erzeugen,         geprägt und wie nur wenige andere in
be- und verarbeiten, nutzen oder           mehrerlei Hinsicht von fossilen Roh­
damit handeln.“¹                           stoffen abhängig.                                                                      Düsseldorf
                                           Mit dem Ende des                                      Mönchen-           Rhein-
                                                                                                 gladbach           Kreis-Neuss
Mit der „Nationalen Forschungsstra­        Braunkohleabbaus
tegie Bioökonomie 2030“ stellte die        vollzieht sich im
Bundesregierung 2010 die Weichen           Revier ein tiefgrei­               Kreis
                                                                              Heinsberg
für eine Transformation der fossilen       fender Strukturwan­
Wirtschaft zu einer biobasierten Wirt­     del, von dem bis zu
                                                                                                                                                  Köln
schaft, die erneuerbare Ressourcen         50.000 Beschäftigte
nutzt. In der „Nationalen Politikstra­     betroffen sein wer­
tegie Bioökonomie“ von 2013 formu­         den. Diesen gilt es                                                               Rhein-
lierte sie Ziele und Maßnahmen für         zu gestalten.³                                                                    Erft-Kreis
                                                                                StädteRegion
eine Transformation weg von fossilen                                            Aachen

Brennstoffen. Eine Weiterentwicklung                                                                  Kreis
                                                                                                      Düren                                         Bonn
dieser Strategie, in der die Nachhaltig­
keit und der Klimaschutz auf natio­
naler Ebene stärker berücksichtigt         Abbildung 3: Verortung
werden, wurde im Januar 2020 mit           des Wirkungsraums des                                              Kreis
                                                                                                              Euskirchen
den folgenden Leitlinien veröffentlicht:   Rheinischen Reviers

                                                                                                                                                           21
Hintergrund und Ziel der Untersuchung

                                  Zur Unterstützung des Struktur­            mation der Region durch die schrittweise
     „Im Zentrum der Studie       wandels im Rheinischen Revier setzte       Erneuerung des Wirtschaftsprofils zu
     stehen die regional be­      sich die ­Landesregierung in Nordrhein-    erreichen. Zu den Kernbestandteilen
                                  West­falen unter anderem die Ziele:        dieses Vorhabens zählt der Auf- und
     reits etablierte Industrie
                                  • Adäquater Ersatz für Wertschöpfung       Ausbau einer nachhaltigen und res­
     sowie potenziell zukünf­       und Beschäftigung in der Braunkoh­       sourcenschonenden Bioökonomie.6
     tige Industrien, für die       lewirtschaft (und so auch ein Beitrag
     passende Rahmenbe­             für die nachhaltige Modernisierung       Das Rheinische Revier verfügt über
                                    des Industrielands Deutschland)          gute Voraussetzungen für den an­
     dingungen geschaffen
                                  • Neue Lebensqualität durch Neu­           gestrebten Strukturwandel von der
     werden sollten.“               ordnung des Raums                        Braunkohle- zur Bioökonomie-Region.
                                                                             Als Region mit großen branchen­
                                  • Europäische Modellregion
                                    für Energieversorgungs- und              spezifischen Ressourcen – unter
                                    ­Ressourcensicherheit (nachhaltige       anderem in den Bereichen Forschung
                                    Weiterentwicklung der industri­          und Entwicklung, Land- und Ernäh­
                                    ellen Wertschöpfungsketten im            rungswirtschaft, Chemie mit Kunst­
                                    ­Rheinischen Revier)⁵                    stoffwirtschaft und Biotechnologie,
                                                                             Papierindustrie, Textilwirtschaft,
                                  Ein Weg, diese Ziele zu erreichen          Energietechnik sowie Maschinenbau –
                                  und die Zukunftsfähigkeit der Region       bieten sich hier vielfältige Anknüp­
                                  zu sichern, ist die Etablierung einer      fungspunkte für die Transformation
                                  Bioökonomie. Das verfolgt die vom          zu einer bioökonomisch fundierten
                                  Bundesministerium für Bildung und          Wirtschaftsstruktur.
                                  Forschung (BMBF) geförderte Initiative
                                  ­BioökonomieREVIER.⁶                       Die Koordinierungsstelle Bioökonomie-
                                                                             REVIER begleitet und unterstützt
                                  Strukturwandel im                          diesen Wandel systematisch. Gefördert
                                  Rheinischen Revier                         werden ihre Aktivitäten mit Mitteln aus
                                                                             dem Sofortprogramm für den Struk­
                                  Das Rheinische Revier hat sich zum         turwandel des Bundesministeriums für
                                  Ziel gesetzt, die strukturelle Transfor­   Bildung und Forschung (BMBF).

22
Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                                             Hintergrund und Ziel der Untersuchung

Das Landschaftsbild des Rheinischen    hochproduktiven und innovativen               Ziele der vorliegenden Studie
Reviers wird von großen landwirt­      Landwirtschaft in der Region so­
schaftlich genutzten Flächen (Börde­   wie deren Vernetzung mit Industrie            Diese Untersuchung soll verschie­
landschaft) und einer dörflichen bis   und Forschung.                                 dene Bioökonomie-Potenzialfelder
kleinstädtischen Siedlungsstruktur                                                    im Rheinischen Revier aufzeigen und
sowie Wald- und Rekultivierungs­       Eine regionale Bioökonomie zeichnet            beispielhaft darstellen. Im Zentrum
flächen dominiert.                     sich durch verschiedene nachhaltige            stehen hierbei die in der Region bereits
                                       Strategien aus. In einer biobasierten          etablierte Industrie, die in die Entwick­
Die Region ist wirtschaftlich stark    Wirtschaft haben nicht nur die Land-           lung einer Modellregion für nachhaltige
vernetzt mit den umliegenden Bal­      und Ernährungswirtschaft eine hohe             Bioökonomie im Rheinland zwingend
lungsräumen Köln, Bonn und Düssel­     Relevanz, sondern es gibt zahlreiche           einbezogen werden muss, sowie
dorf, die im Rahmen der vorliegenden   intersektorale Überschneidungen, so            die potenziell zukünftige Industrie,
Untersuchung daher ebenfalls be­       beispielsweise auch mit mehreren               für deren Ansiedlung und Etablie­
rücksichtigt werden.                   Industriesektoren. Ziel bioökonomi­            rung passende Rahmenbedingungen
                                       scher Ansätze ist die Schaffung einer         ­ge­schaffen werden sollten.
Regionale Wirkungsebene der            nachhaltigen, auf dem Anbau nach­
Bioökonomie                            wachsender Rohstoffe basierenden              Diese Studie fokussiert entsprechend
                                       Wertschöpfung in möglichst vielen             auf die Potenziale für die Industrie
Das von der Zukunftsagentur Rheini­    Wirtschaftsbereichen.                         und Wirtschaft im Rheinischen Revier,
sches Revier vorgelegte Wirtschafts-                                                 die durch den Aufbau einer Bioökono­
und Strukturprogramm 1.1 für das       Von besonderer Bedeutung auf                  mieregion entstehen, und beschreibt
Rheinische Zukunftsrevier7 gibt Emp­   industrieller Seite sind dabei im             dabei verschiedene Entwicklungs- und
fehlungen für den Struktur­wandel.     Rahmen der vorliegenden Studie                Innovationsfelder, die in diesem Rah­
Insbesondere im Handlungsfeld          die Chemie- und Kunststoffindus­              men Potenziale entwickeln können.
„Ressourcen und Agrobusiness“ soll     trie als der wirtschaftlich stärkste
dabei die Transformation der Region    Zweig im Rheinischen Revier, die              Sie beleuchtet potenzielle Technologie­
im Sinne einer Bioökonomieregion       pharmazeutische Industrie inklusive           felder und Wertschöpfungsketten, die
vorangetrieben werden.                 Biotechnologie, die Textilwirtschaft,         hierauf basieren und durch die Nutzung
                                       die Lebensmittel­wirtschaft sowie die         von landwirtschaftlich produzierter
Wesentliche Aspekte sind die           holzverarbei­tende Industrie.                 Biomasse und Reststoffen im Rahmen
­Herausstellung und Förderung der                                                    der industriellen Nutzung entstehen.

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Hintergrund und Ziel der Untersuchung

     Ziel ist es, die Potenziale zur Modell­    aufbauen, jedoch durch eventuelle         Analyse der regionalen Stoffströme
     region für die Ressourcenwende von         Veränderung des Rohstoffspekt­
     einer Kohleregion in eine Bioökonomie­     rums ein ­Potenzial für die regionale     Ein wichtiges Element der vorlie­
     region aufzuzeigen und zu beleuchten.     ­Bio­ökonomie ­darstellen.                 genden Studie ist die Abbildung der
     Die Studie entwickelt dabei keine                                                    derzeitigen regionalen Wirtschafts­
     Zahlenmodelle und bleibt deskriptiv.      Statistische Grundlagen                    strukturen und Stoffströme mit einem
                                                                                          besonderen Fokus auf der regionalen
     Bioökonomie-Akteure in der Region         Als Grundlage der systematischen           Industrie. Als Datenquellen dienen
                                               Erfassung und der Potenzialanalyse         vorrangig die öffentlich verfügbaren
     Im Rahmen der Potenzialstudie werden      der Industriebetriebe wird die gül­        Daten des Statistischen Landesamtes
     als Bioökonomie-Akteure vor allem         tige Klassifikation des Statistischen      Nordrhein-Westfalen sowie weitere
     solche Einrichtungen und Unterneh­        Bundes­amtes WZ08 bzw. die VO              Statistiken, etwa zum Abfallaufkom­
     men bezeichnet, die bereits jetzt einem   1893/2006 des Europäischen Par­            men auf Ebene der Verwaltungsre­
     erweiterten Bioökonomie-Umfeld            laments zur Klassifikation der Wirt­       gionen. Existierende Datenlücken
     zugeordnet werden können und sich         schaftszweige zugrunde gelegt, um          wurden durch eine Literaturrecherche
     in diesem Bereich betätigen (Land­        eine größtmögliche Vergleichbarkeit        und Gespräche mit Expertinnen und
     wirtschaft und Biomasseproduktion,        für potenzielle Auswertungen zu            ­Experten sowie durch die Expertise
     Forschung und Entwicklung, Produk­        haben. Die Aufarbeitung der Poten­         des Autorenteams geschlossen. Dar­
     tion, Entsorgung u. a.).                  ziale für die Industriebereiche erfolgt    auf aufbauend werden bisher unge­
                                               entlang dieser Klassifizierung. Mithilfe   nutzte Rohstoffpotenziale und damit
     Dazu gehören neben zahlreichen aka­       eines initialen regionalen Unterneh­       zusammenhängende wirtschaftliche
     demischen Institutionen, die interdis­    mensmappings wurden dabei bereits          Effekte identifiziert.
     ziplinäre und produktorientierte For­     zahlreiche Unternehmen identifiziert,
     schung, Ausbildung und Entwicklung        die in die Potenzial­studie einbezogen     Regionale Fallbeispiele
     im Bioökonomie-Umfeld betreiben, vor      werden.
     allem auch Unternehmen, die bereits                                                  Die Studie präsentiert neben der
     biobasierte Rohstoffe bzw. biologische    Im Folgenden werden diese Industrie­       Analyse der in der regionalen Indus­
     Systeme im Rahmen ihres Wertschöp­        bereiche konzentriert betrachtet           trie vorhandenen bioökonomischen
     fungsprozesses einsetzen.                 und – in Verbindung mit verschiede­        Potenziale auch acht Fallbeispiele, die
                                               nen technologischen Trends für die         verdeutlichen, welche potenziell neuen
     Die regionale Wissens- und Bildungs­      verschiedenen Wirtschaftszweige im         Wertschöpfungsketten sich auf der
     landschaft wird eingehend in einer        Rheinland – vorhandene Potenziale          Basis der vorhandenen Betriebs- und
     weiteren Potenzialstudie zur Bioöko­      für neue bioökonomische Wert­              Infrastrukturen aus einer Vernetzung
     nomie im Rheinischen Revier „Wissen       schöpfungsketten und -netze in der         der verschiedenen Industrien im Rhei­
     und Bildung“ untersucht. Sie beleuch­     Region aufgezeigt. Ergänzend werden        nischen Revier ergeben können. Neben
     tet sowohl die akademische wie die        Industriebereiche betrachtet, die als      der Produktion von Spezial­kulturen
     nichtakademische Bildung.39               Zulieferer, Dienstleister und Logistik­    für die industrielle Biomassenutzung,
                                               unternehmen für die betrachteten           Verfahren zum chemischen Recycling
     Ergänzt werden diese in der Poten­        Industrien zur Verfügung stehen. Den       sowie der Nutzung von Biochemikalien
     zialstudie durch etablierte Unterneh­     Schwerpunkt bilden dabei Technolo­         und Technologien für Pharmazeutika
     men der produzierenden Industrie          gieentwicklungen und deren Poten­          geht es dabei unter anderem auch um
     im Bereich Chemie und Kunststoff          ziale, neue Wertschöpfungsketten           die innovative Nahrungsmittelpro­
     sowie der Abfallentsorgung, die aktuell   zu etablieren und vorhandene zu            duktion sowie den Wissenstransfer
     noch auf konventionelle Rohstoffe         stärken.                                   zwischen Forschung und Wirtschaft.

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Bioökonomie: Potenziale im Rheinischen Revier · Industrie und Verwertung
                                                                                              Hintergrund und Ziel der Untersuchung

Strategische Ziele für das Rheinische Revier, die sich im
Wirtschafts- und Strukturprogramm 1.17 für die Region
­wiederfinden, sind unter anderem:

• Vernetzung, Integration, Wissenstransfer und Strategie-
  entwicklung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik

• Erschließung neuer Wertschöpfungs- und Nachhaltigkeits-
  potenziale in bestehenden Unternehmen

• Wissenstransfer von der Forschung in die Unternehmen
  zur Überbrückung des „Valley of Death“ von der Invention
  zur Innovation

• Testen kreislauforientierter Ansätze in Reallaboren
  unter Einbeziehung aller Akteure entlang von Wert­
  schöpfungsketten

• Entstehen und Ansiedeln neuer Unternehmen

• Verknüpfung von Wertschöpfungsketten und Stoff-
  strömen in cross-industriellen Verbünden

• Erfassung der Stoff- und Energieströme im Rheinischen
  Revier

• Erschließung neuer, nachhaltig nutzbarer Rohstoff­­-
  quellen aus Neben- und Reststoffströmen für die
  regionale Bioökonomie

                                                                                                                                        25
Status quo im Rheinischen Revier

                               Die Wertschöpfungsketten der Zukunft bauen auf biobasierten
                               Rohstoffen auf. Die Landwirtschaft im Rheinischen Revier
                               kann sich dabei als Lieferant von industriell nutzbaren Reststoffen
                               in neue ­­innovative Wirtschaftsstrukturen in verschiedenen
                               Industriesektoren integrieren.

                               Rohstoffe aus landwirt-                  Produktion von Nahrungsmitteln
                               schaftlicher Produktion                  steht im Vordergrund

                               Das Rheinische Revier ist neben dem      Der Schwerpunkt des landwirtschaft­
                               Braunkohlebergbau geprägt durch eine     lichen Anbaus von Pflanzen im Rhein­
                               intensive und hoch produktive land­      land liegt auf der Nahrungsmittel- und
                               wirtschaftliche, ackerbauliche Nutzung   Futterproduktion; der Energie- und
                               der verfügbaren Flächen. Wesentliche     Industriepflanzenanbau soll zweitran­
                               Anbaupflanzen sind dabei vor allem       gig bleiben. Dies steht in Einklang mit
                               die Zuckerrübe als Basis der rheini­     der Nationalen Politikstrategie Bioöko­
                               schen Zuckerindustrie sowie Weizen,      nomie, die besagt, dass die Lebensmit­
                               Mais und Raps. Hinzu kommen der          telproduktion Vorrang behalten soll vor
                               Anbau von verschiedenen Obst- und        der Erzeugung von Rohstoffen für die
                               Gemüse­sorten für die heimische Kon­     Industrie und der Energieerzeugung.8
                               servenfabrikation und für den Handel
                               sowie vor allem in den Randgebie­        Im Fokus der landwirtschaftlich ge­
                               ten zu den umliegenden Städten der       triebenen Bioökonomie stehen folglich
                               Anbau von Gerste für Mälzereien und      vor allem etablierte Produktionswege.
                               die Brauerei­industrie.                  Punktuell können Sonderkulturen für
                                                                        die Produktion von industriell nutz­
                               Durch die stoffliche und energetische    baren Pflanzen zur Gewinnung von
                               Verwertung von Biomasse bietet die       Biomasse, darunter etwa Agroforst­
     „Die Landwirtschaft       Bioökonomie eine Vielfalt an Chancen     anbau und der Anbau schnellwach­
                               und Optionen für eine verbesserte        sender Pflanzen, sowie für die Pro­
     und der ländliche Raum
                               Industrieentwicklung, Wertschöpfung      duktion spezifischer Inhaltsstoffe
     müssen in die Wert­       und Beschäftigung in der Region. Neue    oder ­Fasern hinzukommen.
     schöpfungsketten voll     Wertschöpfungsketten und -netze
     integriert werden und     bauen auf vorhandenen Potenzia­          Die in der landwirtschaftlichen Bio-
                               len auf. Die Landwirtschaft und der      masseproduktion anfallenden Rest­
     damit mehr sein als nur
                               ländliche Raum müssen in diese           stoffe verbleiben in der Regel zur
     Rohstofflieferanten.“     Wertschöpfungsketten voll integriert     Humus­regeneration auf den landwirt­
                               werden und damit mehr sein als nur       schaftlichen Nutzflächen. Sie stehen
                               ­Rohstoff­lieferanten.                   damit in der Regel nicht als Rohstoff

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