Ledigenheime - Entstehung, Entwicklung & - Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und der Stiftung Ros - Hamburg.de
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Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und der Stiftung Ros Ledigenheime Entstehung, Entwicklung & Zukunft
Ledigenheime Editorial Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße ist ein be Zum Auftakt haben die Stiftung Ros sowie die sonderes Wohnprojekt. Gegründet in der am Anfang Landeszentrale diese Publikation entwickelt, die im des 20. Jahrhunderts sozialreformerischen Absicht, Ledigenheim und im Infoladen der Landeszentrale er ledigen Männern eine gesicherte Wohnstätte und hältlich ist. Beide – Stiftung Ros wie Landeszentrale – eine den damaligen moralischen Maßstäben genü egründen damit auch eine Kooperation für die Zu gende Unterkunft zu geben, ist es bis heute das kunft: am Ort des Ledigenheims und mit den The Zuhause einer aktiven Gemeinschaft von Männern men des 21. Jahrhunderts. Wir sind froh, dass die unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Bildung, Public History der Universität Hamburg von Beginn Berufe und Herkommens. an mitwirken möchte! Nachdem das Haus in einer wechselvollen Ge Zu danken haben wir allen Beteiligten an dem schichte schon an private Investoren verkauft war, Projekt: als Erstem Dr. Michael Ackermann für seine gelang es einer Bürgerinitiative, das Ledigenheim vor intensive Forschungsarbeit; dann den Bewohnern der Auflösung zu bewahren und wieder im Stadtteil des Ledigenheims, die sich bereit erklärt haben, ihre zu verankern: der Stiftung Ros. Erfahrungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten Und es wird entwickelt: nicht im Sinne einer Gen in Form von Interviews zu teilen; desweiteren dem trifizierung, sondern als Kultur-, Lern- und Lebensort. Leiter der Public History an der Universität Hamburg, Nach der geplanten Sanierung des Denkmals, die Prof. Dr. Thorsten Logge, für sein Interesse, gemein großzügig mit Bundes-, Landes- und privaten Zu sam mit uns den Lernort auch für Studierende zu wendungen gefördert wird, soll hier gemeinsam mit entwickeln; und den Partnern: Mechthild Kränzlin (Ho vielen Partnern auch ein Bildungsort entstehen, an mann-Stiftung), Inga Beyer (Christianeum) und dem dem soziale, Wohnungsbau- und stadtentwicklungs Denkmalpfleger und Architekten Alk A. Friedrichsen Abbildungen: A. Zillmer, die ersten Container (links) politische, aber auch Erinnerungsprojekte erlebbar für Ihre Einblicke und Interviews. und erforschbar sind. Julia Kleinwächter danken wir für die gelungene Wohnen ist ein aktuelles Thema unserer Gesell grafische Umsetzung, Lisa Morgenstern für ihre ein schaft, Leben in Gemeinschaft das Thema der älter fühlsame Fotodokumentation. und anonymer werdenden Großstädte. Zusammen leben von Menschen unterschiedlicher Kulturen, Ein Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre der kommen, Nationalitäten, Religionen und Bildungs Publikation! hintergründen ist dabei längst Realität. Vielfach fehlen aber auch in Hamburg die erfolgreichen Mo delle, die ein Gelingen ermöglichen. Das Ledigen Dr. Sabine Bamberger-Stemmann, heim soll so ein Ort des Gelingens von Wohnen und Landeszentrale für politische Bildung Bildung, von sozialer Integration und kulturellem Le Antje Block und Jade Jacobs, ben werden. Stiftung Ros 3
Ledigenheime Inhalt Luft und Licht Editorial 3 Die Fenster, die Fliesen, Die Entstehungsgeschichte von das Flair Ledigenheimen Anfang des Interview mit Andriyan Kosenko, 20. Jahrhunderts 6 seit 2013 wohnhaft im Ledigen- heim Rehhoffstraße 48 Ledig, jung, sucht Über die Gründung und die Blickwinkel Gründer des Ledigenheims in Fotografien von Lisa Morgen- der Rehhoffstraße 12 stern 50 Zeitungsartikel Ledigen- Eine noch zu knackende heim RehhoffstraSSe Nuss Aus dem Hamburger Fremden- Interview mit Antje Block und blatt, 01.12.1913 14 Jade Jacobs, den Begründern der Initiative Ros 62 Von den Gottesbuden zum Wohnheim Die Architekten Mehr als die Fassade Zur Vorgeschichte der Ledigen- Ernst Vicenz & Heinrich Wilhelm Interview mit dem Denkmal- heime 16 Behrens 32 pfleger und Architekten Alk A. Friedrichsen zum »Denkmal Bau- und Sparverein zu Das Leben im 112-Seelen- Ledigenheim« 66 Hamburg Haus Veröffentlichung um 1897 20 Kapitäne, Schiffsoffiziere, Hafen- Es braucht Mut ärzte, Polizisten, Feuerwehrleute, Interview mit Mechthild Kränzlin, Schläfst du noch oder Monteure, Söldner, Köche und Leiterin der Homann-Stiftung in wohnst du schon? Arbeiter unter einem Dach 34 Hamburg, zu Stiftungen allge- Zur Situation der Ledigenhei- Ein neuer Versuch mein und zur Stiftung Ros 68 me in Deutschland und Europa Anfang des 20. Jahrhunderts 22 Wechselnde Eigentümer und Organisation im Ledigenheim Anderen mit Respekt Rehhoffstraße 38 begegnen Vorbeugen ist besser als Heilen Interview mit Inga Beyer, Die Diskussion um die Kontrastprogramm Kulturbeauftragte des Gymna Ledigenheim-Bewegung zur Zeit Bilder des Ledigenheims 1913 siums Christianeum und des Baus des Ledigenheims in und heute 42 Lehrerin für Bildende Kunst der Rehhoffstraße 24 und Geschichte 70 Bleib ruhig Interview mit Heinrich Berg- Public History Das Heim des Ledigen mann, Verwalter des Ledigen- Projektskizze: Kooperation zwi- Mannes heims 1970 – 1992 44 schen der Universität Hamburg Aus: Holzarbeiter-Zeitung, Nr. 32, Berlin 08.08.1913 30 und dem Ledigenheim Zwei Meter groSSe Rehhoffstraße 72 Teddybären Ledigenheime Interview mit Werner Scobel, Literatur 74 Aus: Druckschrift »Abend« in seit 1965 wohnhaft im Ledigen- »Hamburger Korrespondent« heim Rehhoffstraße 46 Impressum 74 Nr. 638, Hamburg 16.12.1911 31 5
Ledigenheime — Entstehungsgeschichte Luft Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße zur Zeit seiner Eröffnung um 1913 und Licht Die Entstehungsgeschichte von Ledigenheimen Anfang des 20 . Jahrhunderts Text: Michael Ackermann B ezahlbares Wohnen in der Großstadt ist aktu eller denn je. Wohnqualität ist dabei Lebens qualität, individuell und kollektiv, egal ob jemand allein oder in einer Gemeinschaft lebt. Wo Wohnqualität fehlt, ist die politische Stabilität eines Gemeinwesens / Viertels / Quartiers durch Ghetto bildung, Verslumung und Kriminalisierung in Gefahr. Wohnungspolitik und Quartiersmanagement befin den sich gleichsam in einer Schnittmenge aus So zial-, Kultur- und Gesundheitspolitik, verändertem Arbeitsmarkt und anderen wirtschaftlichen Entwick lungen. Das galt besonders für den fortschrittlichen Wohnungsbau des späten 19. und frühen 20. Jahr hunderts in vielen europäischen Großstädten von Glasgow bis Rom. Die hier entwickelte Reformarchi tektur war ausgerichtet auf helle, stabil gebaute und bezahlbare Wohnungen mit viel Luft und Licht, teil weise beeinflusst und gefördert durch die Lebens reform-1 und / oder frühe Arbeiterbewegung, an Abbildung: Hamburgisches Architekturarchiv (links) anderen Stellen eher geprägt durch das paternalis tische Engagement einiger Großunternehmer, durch bürgerliche Stiftungen, Aktiengesellschaften, Arbei tervereine aller Couleur, Kirchen beider Konfessio nen und ab 1926 durch die faschistische Bewegung in Italien (zum Beispiel Rom-Garbatella). Wer eine spannungsgeladene großstädtische Ge sellschaft in einzelnen Stadtteilen und darüber hinaus entspannen und befrieden will, muss – gestern wie heute – auch oder gar an erster Stelle das Bedürfnis nach Wohnqualität befriedigen. Dabei können die Städte selbst bestenfalls günstige Rahmenbedin gungen schaffen. Jedes Haus, noch mehr jede Wohn- 7
Rechte Seite: Das Arbeiter- heim in der Heusteigestraße in Stuttgart. Originalzeichnung, Illustrirte Welt, Stuttgart, nach 1873 a nlage braucht »eine Seele« des würdevollen Woh Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts entstanden nens und Zusammenlebens. Diese Aufgabe kann we erste sogenannte Spinn-, Werk- und Zuchthäuser der der Staat noch der Eigentümer allein bewerk als »Korrektur- und Rehabilitationsanstalten« für stelligen. Erst die Ästhetik am und im Bau schafft Frauen und Männer mit angeblich »zweifelhaftem Wohlgefühl und vermag die kulturelle Wertschätzung Lebensstil«. Damit hatten sich soziale Einrichtungen seiner Bewohner zu fördern. Die verbale und nonver erstmals dem Ziel der »Besserung« seiner Bewohner bale Kommunikation zwischen den Bewohnern ist verschrieben. In diesen Häusern wurde oft neben dabei nicht immer problemlos oder gar durchweg akuter Lebenshilfe auf ein normiertes, gesellschaft harmonisch und muss bereits in der baulichen Kon lich angepasstes Verhalten hin gearbeitet. zeptionierung mitgedacht werden, sichert sie doch Mitte des 19. Jahrhunderts kam es auch in Ham die Wohn- und Lebensqualität in hohem Maße. Wer burg zu gewaltigen wirtschaftlichen und sozialen Um in seinem Wohnumfeld menschlich lebt, der liebt auch brüchen: Aus einer durch Handel und Handwerk seine materielle und ideelle Umwelt.2 geprägten Großstadt wurde innerhalb weniger Jahr Die Hansestadt Hamburg ist reich an Stiftungen zehnte eine durch Welthafen und Großindustrie do und Zeugnissen bürgerschaftlichen Engagements für minierte Millionenmetropole, in welcher zunehmen ein humanes Wohnen. Die Fürsorge für Bedürftige der Wohlstand und soziale Deklassierungen Hand in in der Hamburgischen Geschichte schlug sich bereits Hand gingen. nieder in den geistlichen und diakonischen Bau Dies machte sich besonders in der Wohnsituation ten seit dem 13. Jahrhundert, wie zum Beispiel im der auseinander driftenden Gesellschaft bemerk St. Johannis-Kloster, im Maria Magdalenen-Kloster bar: Schlafgängerwesen3 und ein Leben ohne Licht, und im Hospital vom Heiligen Geist. Ethos und So frische Luft und frisches Wasser einerseits, der Bau ziales Engagement wurden bis ins 19. Jahrhundert vom neuen prächtigen Rathaus, dem Hauptbahnhof hinein weitgehend von den Kirchen bestimmt. An und »Fürstenbahnhof« Dammtor, von Prunkhotels dieser Situation hatte auch die Reformation nichts und Alstervillen auf der anderen Seite. Dabei war bei geändert. Soziale Fürsorge geschah durch die Fami des auch geografisch genau zu verorten. lien, die Zünfte, die Gilden und Bruderschaften so Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden ganze wie letztlich durch kirchliche Heime für Bedürftige. Wohnviertel primär im inneren Teil der Stadt (Alt Jede Gruppierung setzte sich dabei primär für die stadt, südliche und nördliche Neustadt) enteignet eigenen Mitglieder ein. Gehörte jemand nicht dazu, (etwa zum Bau der Hamburger Speicherstadt), von bekam er keine Unterstützung. privat verkauft und neu gekauft sowie neu bebaut. Erste soziale Einrichtungen – egal ob für Waisen Teile der inneren Stadt wurden saniert. Durch frei oder Witwen – entstanden am Rande der mittelalter es Kapital und bürgerschaftliches Engagement ent lichen Stadt. Äußerlich erinnerten diese Heime viel standen aber auch einige leuchtturmartige »Schatz fach gerade nicht an schmucklose Billigbauten, son kästlein« wie das 1912 / 1913 erbaute Ledigenheim dern eher an höfische Bauwerke oder nordische in der Hamburger Neustadt. Schlösser. Ledigenheime spielten eine besondere Rolle bei Abbildung: Ledigenheim Rehhoffstraße In ihrer baulichen Solidität und äußeren Schön der Versorgung unverheirateter großstädtischer Ar heit sollten bereits die Waisenhäuser und »Bes beiter mit bezahlbarem Wohnraum. Zu nichts mehr serungsanstalten« des 17. Jahrhunderts »Könige oder weniger war und ist das 1913 eröffnete Ledi beeindrucken«. Der Weg der sozialen Korrektur be genheim für alleinstehende Männer in der Hambur ziehungsweise der Integration in die städtische Ge ger Neustadt da. sellschaft sollte durch einen baulich und ästhetisch Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße ist ein ge herausragenden Arbeits- und Lebensort unterstützt wichtiges Stück Hamburger Baugeschichte, Baukultur werden, welcher den Bewohnern hilft, sich selbst und Bauerbe. Ebenso ein beachtliches Stück Sozial-, aus einer moralisch und / oder sozial schwierigen Kultur- und Kunstgeschichte. Es ist auch ein frühes Lebenslage herauszubewegen. Beispiel bürgerschaftlicher Wohlfahrtsarchitektur, zu 8
Ledigenheime — Entstehungsgeschichte Linke Seite: Ledigenheim in der Bachstraße in Ham- burg, Postkarte von 1913 denen die Seemannsheime und Wohnstifte sowie die nach dem Ersten Weltkrieg vom Hamburger Ober baudirektor Prof. Fritz Schumacher entwickelten Kleinraumwohnungen mit Gemeinschaftseinrichtun gen, zum Beispiel in der Jarresstadt oder am Ham burger Dulsberg zählen. Jenseits des noch um die Wende zum 20. Jahr hundert mächtigen Einflusses von Historismus und Neorenaissance entstanden – wie am Beispiel des Ledigenheims deutlich – solide Bauwerke aus eher traditioneller Handwerkertechnik, garniert mit etwas Jugendstil. Der Stil dieser Wohngroßbauten war be einflusst durch die gleichzeitig errichteten Bauten des Kurwesens, der Sanatorien und des Kurtourismus. Das Ledigenheim zeugt von einer durch und durch ehrlichen, soliden und würdigen Architektur, einer maximalen Ausnutzung des vorhandenen Raumes inklusive Querlüftung bis hin zur Orientierung am ganzheitlichen Rousseauschen Menschenbild.4 Von der durch Backstein geprägten äußeren Bauform bis Zimmer im Ledigenheim, zur bewohnerorientierten Nutzung des Wohnraumes Foto: Nachlass Spörhase sind Ähnlichkeiten mit Fritz Schumachers Wohnpro jekten der Zwanziger Jahre bemerkbar, wenngleich diese weder die Architektur noch den Geist des Le digenheims allein zu entschlüsseln vermögen. Wer hier wohnt, wird nicht »von seiner Wohnung erschlagen« (Zille).5 Über eine ansprechende Ausstat tung sollten sich die Bewohner des Ledigenheims gut aufgehoben fühlen. Der schön gestaltete Spei se- und Lesesaal fungierte als eine Art gemeinsames »Wohnzimmer«, ein Wohnraum als kommunikativer 1 ier werden Bezüge zu Einflüssen der H 4 In Rousseaus »Gesellschaftsvertrag« Treffpunkt und wertvolles Gegenstück zu den kleinen Lebensreformbewegung deutlich, wel- (1762) ging es ihm um den »mündi- privaten Räumen. Da die Bewohner sich zu jeder Zeit Abbildungen: Stiftung Ros (links), Hamburgisches Architekturarchiv che sich zwischen 1850 (Naturheilbe- gen Bürger«, der sich »freiwillig dem wegung) und 1900 (Jugendbewegung) idealen Gemeinschaftswillen (Volonté in den von ihnen angemieteten Räumen und den in ihrer Kritik am Materialismus für générale) unterwirft, ohne seine dazugehörigen Gemeinschaftsräumen frei bewegen eine gesunde Lebensweise in Körper persönliche Freiheit aufzugeben«. konnten, hatte das Ledigenheim zu keiner Zeit den und Geist einsetzte. Durch die Arbeit Dabei verband Rousseau subjektive am Individuum sollte die geistige Innerlichkeit mit zivilisatorischem Charakter einer Anstalt. Das Ledigenheim in der Reh Gesundung der ganzen Gesellschaft Fortschritt hoffstraße sollte eine Einrichtung zur Förderung der herbeigeführt werden. Ziel verschie- dener Strömungen der Lebensreform- 5 Der Bewohner solle nicht »mit seiner Teilhabe an einer bürgerlichen Welt sein. Das eigene bewegung war eine Rückkehr des Wohnung wie mit einer Axt erschlagen Zimmer als Rückzugsort und Intimsphäre auf Dauer, Menschen zu einem ganzheitlichen werden«, betonte der Milieuforscher Lebensstil i.S.v. »zurück zur Natur« Heinrich Zille in seiner Untersuchung das Gesamtbauwerk als gemeinschaftliche Wohnung des Schlafburschenwesens 1908. oder vergrößertes »Wohnzimmer« mit einem vielfälti gl. Wolfsohn, Michael: Menschlich V 2 wohnen. In: DIE WELT 18.11.2017, S.2 Die betr. Bewohner der »elenden gen kulturellen Angebot. Zufluchtsorte« der nicht nur Berliner 3 Die sog. »Schlafgänger« verfügten Hinterhöfe und Mietskasernen sah Vor und bald nach 1918 entstanden in Hamburg über keinerlei wohnliche Privatsphä- Zille als »wandelnde Leichname«. s. an der Reeperbahn und in der Admiralitätsstraße re. Ihnen stand zur Miete weder ein Zille, Heinrich: Das alte Berlin 1890- weitere Ledigenheime – ebenfalls für Frauen – so eigener Raum noch ein eigenes Bett 1910. Schirmer/Mosel 2014 S. 68 zur Verfügung, sondern lediglich die wie in anderen Städten Deutschlands (Berlin-Char stundenweise Nutzung eines Bettes in 6 Deutliche Unterschiede in Konzeption, lottenburg, Düren, München, Stuttgart, Saarbrücken) einem zumeist von mehreren Bewoh- Ausstattung und Funktion der ver- nern beider Geschlechts genutzten schiedenen europäischen Ledigenhei- und Europas (Glasgow, London, Mailand, Wien, Pa Raumes me werden ab Seite 16 ff verdeutlicht ris) im selben Zeitraum.6 10 11
Ledigenheime — Gründung & Gründer Das Ledigenheim war als Übergangsdomizil auf in die Stadt ziehende oder durchreisende Arbeiter ausgerichtet. Diesen wollte man durch eine ent sprechende Gebäudegestaltung und umfangreiche Angebote eine familienähnliche Struktur und Ein gliederungshilfe in der neuen Umgebung bieten. Der Bau-Verein orientierte sich bei der Planung an der Ledig, jung, Idee der Ledigenheime, die schon früh im 19. Jahr hundert aufkam, wobei sie anfänglich meist nur als Wohnheim für bestimmte Berufs- oder Konfessions gruppen umgesetzt wurde. Das erste »offene Ledigenheim« für durchreisende und alleinstehende Menschen in Deutschland wur sucht ... de erst 1908 in Berlin-Charlottenburg eröffnet. Man konnte hierdurch und durch andere derartige Projek te bei der Konzeption des Hamburger Ledigenhei mes im Jahre 1912 auf eine Reihe von praktischen Erfahrungen zurückgreifen. So wurde in Hamburg Die Fassade des beispielsweise auf Doppel- und Dreibettzimmer be Ledigenheims wusst verzichtet, »weil in den übrigen in Deutsch in der Rehhoff- Über die Gründung und land gebauten Ledigenheimen mit mehrbettigen straße die Gründer des Ledigenheims Zimmern keine günstigen Erfahrungen gemacht worden waren« wie es im Geschäftsbericht des Bau- in der Rehhoffstraße Vereins zu Hamburg von 1913 steht. Text: Antje Block, Annabelle Dorn, Jade Jacobs Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße bot den Arbeitern neben einer ganzen Reihe von Seemanns heimen und anderen Domizilen in der Nähe des Ha fens eine angemessene Form der Unterbringung, zeichnete sich jedoch insbesondere durch seine liberale Vermietungspolitik aus: So stand das Haus D as Ledigenheim in der Rehhoffstraße am allen Nationalitäten, Berufsgruppen und Konfes Rande der südlichen Neustadt galt 1913, zur sionen zur Verfügung. Die Offenheit des Konzeptes Zeit seiner Eröffnung, als hochmodern. Es zeigte sich nicht zuletzt darin, dass die Zimmer auch war der politische Versuch, auf soziale und städte dauerhaft angemietet werden konnten. So kam es bauliche Notwendigkeiten des boomenden Weltha dazu, dass in der Rehhoffstraße ein Heim für ledige fens Hamburg und der wachsenden Arbeiterschaft Männer geschaffen wurde mit einem fortschrittlichen am Hafenrand zukunftsorientiert zu reagieren. Der Konzept und recht hohen baulichen Standard. Bauherr, der Bau-Verein zu Hamburg, hatte seit län Die Architekten Heinrich Wilhelm Behrens und gerem nach Möglichkeiten gesucht, alleinstehende, Ernst Vicenz errichteten das Ledigenheim als Teil gering bezahlte Arbeitskräfte arbeitsplatznah unter eines größeren Gebäudeblocks auf einem dreiecki zubringen. Dieser Ansatz entsprach den damaligen gen Grundstück in der Nähe des Hafens. Der Block detaillierte Fassadengestaltung und einen leich Vergabekriterien der Stadt für attraktive Grund- umfasste neben dem Ledigenheim mit den 112 mö ten Versatz zum restlichen Block als selbständiges stücke im Sanierungsgebiet Südliche Neustadt, und blierten Einzelzimmern noch 15 fünfgeschossige Gebäude in Erscheinung. Hierin eine gestalterische der Bau-Verein erhielt den Zuschlag. Etagenhäuser mit insgesamt 172 überwiegend klei Nähe, vielleicht auch einen Vorgriff, zum 1922 bis Der Bau-Verein musste das Haus durch die Auf nen Arbeiterwohnungen. 1924 errichteten Chile-Haus zu sehen, liegt nahe. lagen der Gemeinnützigkeit und der Sanierungs Bei der Konzeption des Ensembles wichen die Während der übrige Block nur rechteckige Fens kommission der Stadt sozial gerecht führen. Miet Architekten von der sonst in der Gegend üblichen ter- und Türformate aufwies, war das Ledigenheim preiserhöhungen und eine Veräußerung waren über geschlossenen Blockrandbebauung ab. Stattdessen im Erdgeschoss durch Rundbögen gekennzeichnet. Jahrzehnte nur unter hohen Auflagen und nur mit entschieden sie sich für das Einrücken eines Ge Darüber hinaus fiel die Fassade durch Backsteinor Zustimmung der Stadt möglich. So hätten beispiels bäudeteils in der Mitte des Ensembles, so dass sich namente auf, wie etwa das Schneckenmotiv am Ein weise eine Mieterhöhung um mehr als 10 % oder hier zur Rehhoffstraße hin ein offener Hof ausbilde gang und das einfache Reliefmuster zwischen den ein Weiterverkauf eine Strafzahlung in Höhe des te. Diese »Hamburger Burg« sollte für eine bessere Fensterreihen der drei Obergeschosse. So bot das Abbildungen: Stiftung Ros ursprünglichen Kaufpreises des Grundstücks zur Belichtung und Belüftung sorgen und prägt bis heu Ledigenheim einen hohen Standard für die Arbeiter Folge gehabt. Somit blieb die Miete im Ledigen te die Anlage in der äußeren Erscheinung. des frühen 20. Jahrhunderts. heim, zumindest in den ersten drei Jahrzehnten, Baulich herausragend war dabei das Ledigen entsprechend niedrig. Sie »betrug je nach Geschoss, heim. Dieses fügte sich zwar insgesamt von außen einschließlich Reinigung und Wäsche, 13,- bis 17,- gut in den Gesamtkomplex ein, trat aber selbst 1 (vgl. Rolf Spörhase, »Bauverein zu Hamburg AG«, 1940) Mark im Monat.«.1 bewusst durch seinen bugartigen Zuschnitt, eine 12 13
Zeitungsartikel Ledigenheim RehhoffstraSSe wahrscheinlich aus: Hamburger Fremdenblatt, 01.12.1913 Ledigenheime — Zeitungsartikel 15
Ledigenheime — Vorgeschichte Von den Gottesbuden Die Beweggründe der bürgerlichen Mildtätigkeit im späten Mittelalter sind somit klar erkennbar: Die Stiftsgebäude an Menschen gaben weniger, um dem Nächsten zu der Spitalerstraße helfen, als um ihrer selbst willen. Die einer solchen zum Wohnheim Mildtätigkeit zugrunde liegende Einstellung musste die Stifter zwangsläufig dazu führen, in der eigenen Frömmigkeit eine bessere und zuverlässigere Für sprecherin auf dem Weg zur Ewigkeit zu finden als in der reinen Armenhilfe. Zur Vorgeschichte der Ledigenheime Gegen Ende des 13. Jahrhunderts mehrten sich die Stiftungen größerer Memoiren, bei denen neben Text: Michael Ackermann dem Wachhalten des Gedenkens an die Stifter auch Almosen an ärmere Bevölkerungsschichten ver W ohnstifte haben in Hamburg eine lange teilt wurden. Das Almosengeben war geprägt vom Tradition und wurden über Jahrhunderte christlich-asketischen Ideal der Armut und stand un Testamente genannt, soweit diese in ter den »guten Werken«, an die die Vergebung der letztwilligen Verfügungen ihren Ursprung hatten.1 Sünden und die Erlangung ewiger Seligkeit geknüpft Bereits seit dem 13. Jahrhundert begegnen uns in waren, an erster Stelle. Die Religion war das Medi Hamburg Memorien (seit 1228) und Vikarienstif um, welches dem Almosen das Erniedrigende nahm: tungen (seit 1251). Primärer Zweck dieser Stiftun Der Geber gab Christus persönlich seine Gabe, der gen war die Finanzierung alljährlicher Messen zum in des Armen Gestalt zu ihm kam (vgl. Matthäus 25, Gedächtnis und Seelenheil des Stifters und seiner 35-46 2) und der Empfänger war sich bewusst, dass Verwandten beziehungsweise die Anstellung und Gott es dem Geber anstatt seiner vergelten werde. Dotierung von Vikaren an kleineren Kapellen und Mit der Reformation trat eine wesentliche Ände »Grundtriß der Edlen Weltberumten Nebenaltären, die stellvertretend für die Domherren rung in der Armenpflege ein, deren Folgen sich auf Statt Hamburg Anno 1651« und Pfarrer kirchliche Amtsverrichtungen zugunsten alle Stiftungen erstreckten. Anstelle des Vorteils des (Stich Johannes Mejer) der Stifter vorzunehmen hatten. Almosenspenders trat der der Bedürftigen in den Vordergrund. Luther forderte, die Armenpflege müs se dem Klerus entzogen und an die einzelnen bür gerlichen Gemeinden übertragen werden.3 Dabei erkannte er nur die Erwerbsunfähigkeit als alleinige Unterstützungsbedürftigkeit an. Die Armenfürsorge Abbildungen: Joahnnes Mejer, Quelle: Harvard Map Collection (links), Staatsarchiv Hamburg (rechts) erleichterte Luther den Gemeinden dadurch, dass er sie nur dazu verpflichtete, die Bedürftigen vor dem Äußersten – dem Verhungern und Erfrieren – Für die Bewohner der Gottesbuden galten eindeutige Ver- zu bewahren. Weitergehendes müsse der privaten haltensmaßregeln, die später dem Dirck-Koster-Testament Wohltätigkeit überlassen werden. Während sich die (1537) hinzugefügt wurden: öffentliche Wohltätigkeit nur auf das Überlebens 1. Jeder, der in meinen Gotteswohnungen um Gottes Willen Behausun wichtige beschränkte, konnten und sollten die priva gen und Herberge hat, soll des Sonntags und an anderen Festtagen das ten Stiftungen das über das Unentbehrliche Hinaus Heilige Evangelium (…) fleißig hören. (…) Dieses soll ohne berechtigten gehende bei ihren Hilfestellungen berücksichtigen, Grund, also wegen Krankheit und anderer Gebrechen, nicht versäumt spezielle Zielgruppen (Witwen, Waisen, Arme, Kran werden. Sollte es geschehen, dass jemand böswillig Gottes Wort ver ke, Straffällige, sozial und moralisch Entwurzelte) säumte und nicht hören wollte, sondern darauf fluchen und ketzern ansprechen und auf deren besondere Verhältnisse würde, so soll er seiner Wohnung verlustig sein. (. . .) Rücksicht nehmen. Seit 1534 finden wir ausgehend vom Hospital 3 . Niemand soll seinen Mitbewohner zur Zwietracht oder Unmut reizen. St. Georg und der Dirck-Koster-Stiftung an der Spi Sollte jemand für so unfriedfertig und böswillig gehalten werden, dass talerstraße die Erbauung von »Gottesbuden«, also er sich ein-, zwei- oder dreimal durch meine Testamentarien in Freund Wohnungen und Keller zur Versorgung sogenann schaft ermahnt, nicht fügen sollte, und zum vierten Male Unfrieden, Zwist, Streit und Hader stiftet, so soll er seiner Wohnung und Herberge ter »Gottesarmen«.4 Jeweils zwei verwandte Erben beraubt sein, und mit seinem Gute, das er eingebracht hat, von Stund Kosters und zwei Fremde sollten dem »Gotteswerk« an ausgewiesen werden, keine Schonung genießen und für die Zeit, die (der Stiftung) vorstehen. Ein rechenschaftspflichtiges er darin gewohnt hat, 3 Mark für jedes Jahr Miete zahlen. (. . .) Verwaltungsmitglied des Stiftungsvorstands sollte die Jahresmiete von den vermieteten Stiftswohnun . Niemand soll in meinen Gotteswohnungen aufgenommen werden, 8 gen einziehen, die Bauten in gutem Zustand halten der Verwandte und Güter besitzt, von denen er unterhalten und ernährt und mit dem Überschuss die Armen in den Gottes werden kann. (. . .).6 buden versorgen mit Kohlen, Schuhzeug und Geld für eine Mahlzeit. 16 17
Ledigenheime — Vorgeschichte Zimmer des Ledigenheims in Hinsichtlich der Aufnahme von Armen in die 1860er Jahren kam es zu einer Häufung von Neu der Rehhoffstraße, um 1913 Gottesbuden ermahnte der Stifter seine Verwalter gründungen von Wohnstiften in Hamburg. Von einer ernstlich, dass »nur wahrhaft bedürftige rechtschaf regelrechten Gründungswelle konnte man in den fene Gottesarme, die fromme Leute seien, aufge 1890er Jahren sprechen. Diese neuen Stiftungen nommen werden sollten«.5 und Vereine verlagerten die Wohnfürsorge stärker Für den Fall, dass ein Bewohner der Gottesbu auf Wohnungen für eine geringe Miete, wodurch den krank oder bettlägerig wurde, empfahl der Stif ein größerer Kreis von Armen und Wohnungslosen ter Dirck Koster den Stiftungsverwalter sich ihrer erreicht werden konnte.9 besonders anzunehmen, und den gesunden Bewoh Die größte und fast auf dem gesamten Stadtge nern selbst, den Erkrankten zu pflegen. biet arbeitende Organisation im Bereich der finan Um 1700 hatte sich eine Tendenz durchgesetzt, ziellen Mietbeihilfe war der 1861 gegründete »Ver- nur noch bedürftige Frauen in den Stiftungswoh band hamburgischer Miet–Hilfsvereine«. Er unter nungen aufzunehmen. Deren Verhalten wurde durch stützte Personen, »deren Einnahmen durch beson eine strenge Hausordnung geregelt und einen eben dere Zufälle Schmälerungen oder deren Ausgaben Abbildungen: Hamburgisches Architekturarchiv (links), Ausschnitt aus einer Veröffentlichung des Bau- und Sparvereins zu Hamburg, vermutlich 1897 (folgende Doppelseite) so strengen Verwalter überwacht. Nach der Haus ausnahmsweise Steigerungen erfahren haben, de ordnung von 1828 und 1857 wird von den Frauen ren festgestelltes Durchschnittseinkommen hinge ausdrücklich »Reinlichkeit« gefordert »am eigenen gen ohne Eintritt jener Ereignisse zur Bezahlung der Körper wie in der Wohnung«. Jede Unsauberkeit Miete genügt hätte«.10 Somit ging es erstmals um solle nach der Mahnung eine Kündigung nach sich Familien, deren Einkommen zur Sicherung des Le ziehen. Außer zur Reinlichkeit werden die Frauen zur bensunterhaltes schlichtweg zu gering war. Zu be »Sparsamkeit, Ordnung, Wohlverhalten, Ruhehal rücksichtigen ist, dass Hamburg im 19. Jahrhundert tung zu Sittlichkeit« ermahnt.7 einen wirtschaftlichen Magnet bildete, der Menschen Vergleichbare Hausordnungen finden wir in fast aus ganz Deutschland anzog. Die in Hamburg relativ allen Wohnheimen und ähnlichen Einrichtungen in hohen Löhne weckten Erwartungen der Neu-Ham dieser Zeit. Insbesondere sollte der Kontakt der be burger, welche weder Miethöhen noch Lebensmit treffenden Frauen zu Männern unterbunden werden. telpreise bei ihrer Ankunft kannten oder bedach Die Armenpflege und das Fürsorgewesen setz ten. Auch die Hilfen gegenüber dieser Klientel ten weiterhin auf geschlossene Anstalten wie das beschränkten sich weitgehend auf private Kreise. Seefahrer-Armenhaus, die Waisenhäuser, das Zucht- Zu einem wachsenden Einfluss des Staates oder und Werkhaus 8 sowie die Armen-Krankenhäuser. der Stadt in der Baugesetzgebung, der Bebauungs Auf Anregung der Patriotischen Gesellschaft ent planung und der Wohnungskontrolle vergleichbaren stand nach 1788 ein ganzes System ehrenamtlicher Engagements in der Form unmittelbarer städtischer städtischer Armenfürsorge, welches bald in ganz Wohnungsfürsorge ist es im 19. Jahrhundert nicht Deutschland nachgeahmt wurde. In den 1850er und gekommen.11 1 gl. Lappenberg, J.M: Die milden Privatstiftun- V ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich 5 v gl. Gabrielsson, Peter: Von Gottesbuden zum gen zu Hamburg. Hamburg 1845 in: Gabrielsson, nicht gespeist; ich bin durstig gewesen, und Wohnstift. Hamburg 1980, S. 32 P.: Von Gottesbuden zum Wohnstift. Hamburg ihr habt mir nicht zu trinken gegeben; 43 ich 1980, S. 9 ff bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich 6 (Infokasten) vgl. ebd. S. 32 - 34 nicht beherbergt; ohne Kleidung, und ihr habt 7 vgl. ebd. S. 127 2 Matth. 25, 35-46: »35 Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr mich nicht bekleidet; krank und gefangen, und habt mich gespeist; ich bin durstig gewesen, ihr habt mich nicht besucht! 44 Dann werden 8 1 618-1842 Städtischer Unterbringungsort für und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich bin auch sie ihm antworten und sagen: Herr, wann Bettler und Vagabunden sowie für Personen, ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich haben wir dich hungrig oder durstig oder als die auf Initiative ihrer Verwandten aufgrund beherbergt; 36 ich bin ohne Kleidung gewesen, Fremdling oder ohne Kleidung oder krank von angeblich »verschwenderischem und und ihr habt mich bekleidet; ich bin krank oder gefangen gesehen und haben dir nicht liederlichen Lebenswandels« eingewiesen wur- gewesen, und ihr habt mich besucht; ich gedient? 45 Dann wird er ihnen antworten: den. Durch Disziplinierung und Zwangsarbeit bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem dieser (in Tretmühlen, Leinenwebereien, Holzraspeln, gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten Geringsten nicht getan habt, das habt ihr mir Spinn- unjd Näharbeiten) sollten die Bewohner antworten und sagen: Herr, wann haben wir auch nicht getan! 46 Und sie werden in die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und dich hungrig gesehen und haben dich gespeist, ewige Strafe hingehen, die Gerechten aber in sich »bessern«. s. Brietzke, Dirk: Die Anfänge oder durstig, und haben dir zu trinken gege- das ewige Leben. (Übersetzung: Neues Testa- moderner Sozialpolitik und die Erziehung zur ben? 38 Wann haben wir dich als Fremdling ment. Schlatter 2000)« Arbeitsamkeit. Zur Bedeutung des Werk- ujd gesehen und haben dich beherbergt, oder Zuchthauses für die Reform des Hamburger ohne Kleidung, und haben dich bekleidet? 3 gl. Joachim, H.: Die Entwicklung von Armen- V pflege und Wohltätigkeit im Hamburg bis ins Armenwesens. In: Mitteilungen des Hamburger 39 Wann haben wir dich krank gesehen, oder im Gefängnis, und sind zu dir gekommen? 19. Jahrhundert. Hamburg 1936, S. 106 f Arbeitskreises für Regionalgeschichte (HAR), 40 Und der König wird ihnen antworten und 30/ 1997 S. 38-46 sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem 4 Gottesarme«, frühneuhochdeutsch: »arm, » elend, krank«, aber auch »im Spital (o.ä.) 9 ischermann, Clemens: Wohnen in Hamburg W dieser meiner geringsten Brüder getan habt, lebend«. Es handelte sich um Menschen, die vor dem 1. Weltkrieg. Münster 1983, S. 237 das habt ihr mir getan! 41 Dann wird er auch denen zur Linken sagen: Geht hinweg von mir, einen finanziellen Zuschuss zu ihrer Ernährung, 10 Vgl. ebd. S. 242 ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Bekleidung, Wohnung und/ oder Heizmaterial Teufel und seinen Engeln bereitet ist! 42 Denn bedurften 11 Vgl. ebd. S. 238 18 19
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Ledigenheime — Schlafstellenwesen Schläfst du noch Auszüge aus dem Forschungsbericht Schlafstellenwesen & Ledigenheime 1904 oder wohnst Im Forschungs- und Diskussions- bericht der »Centralstelle für Arbeiter- Hierzu kommt dann in der Regel eine Anzahl unverheirateter Arbeiter, welche evangelischen Inneren Mission auf dem Gebiete des Wanderherbergswesens ist du schon? Wohlfahrtseinrichtungen«2 geht es um die Schlafhäuser dauernd in Anspruch und so Anerkennenswertes sie in der eine Bestandsaufnahme der Schlaf- nehmen. (…) Frage der Lehrlingsbeherbergung ge- stellen und Ledigenheime für schul- Bei einer zweiten Gruppe von Ver- leistet hat, in so geringem Umfange hat entlassene männliche und weibliche anstaltungen handelt es sich um die sie sich an den hier infrage kommenden Jugendliche, um die Beherbergungs- Beschaffung von Unterkunft für aus der Bestrebungen beteiligt. (…) möglichkeiten Ortsfremder, vorüberge- Ferne zugezogene Arbeiter, wie u. a. um hend Stellungsloser, Arbeiterinnen und die vielen im niederrheinisch-westphä- b. katholische. Zur Situation der Ledigenheime in Deutschland und Arbeiter jenseits des Wohnortes in der lischen Gebiete beschäftigten polni- Umfassender ist das Wirken der ka- ganzen Bandbreite von Gesellenhäu- schen und italienischen Arbeiter. Europa Anfang des 20. Jahrhunderts sern, Vereinsheimen, Gewerkschafts- tholischen Vereinstätigkeit auf diesem Gebiete. Die betreffenden Vereinigun- Text: Michael Ackermann häusern, Wohnheimen, Logierhäusern für Hausordnung für die Schlafhäuser gen streben in der Regel neben den Männer, Frauenhospizen und ähnlicher des Bergwerksdirektionsbezirks Saar- eigentlichen Logierhauszwecken die Einrichtungen in der Fürsorge staatli- brücken 1885 Förderung der Geselligkeit und der sitt- cher Stellen, von Arbeitgebern, Konfes- (…) § 2 Vorgesetzte der Schlafhaus- lichen, geistlichen und beruflichen Aus- sionsgemeinschaften, Vereinen, Korpo- bewohner sind zunächst der Schlaf- bildung ihrer Mitglieder an und stehen rationen, nichtkonfessionellen Vereinen hausmeister, sodann der Obersteiger unter der Leitung der geistlichen Prä- und Aktiengesellschaften. (…). Den Befehlen der Vorgesetzten ist sides der betreffenden Vereinigungen. Dabei richtet sich der Blick auch ohne Widerrede sofort Folge zu leisten, Der fürsorglich - erzieherische Charakter auf die Lage in England und Schottland und können Beschwerden darüber erst dieser Veranstaltungen tritt also stark in sowie Österreich-Ungarn, Italien und nach Ausführung der Befehle bei den der Vordergrund. (…) Frankreich. zunächst höher stehenden Beamten Eine höchst bedeutsame und viel- vorgebracht werden. (…) fach auch nach der wirtschaftlichen A. Deutschland. § 3 Aus der Zahl der in einem Zimmer Seite erfolgreiche Tätigkeit auf dem L I. Unterkunftsstätten für männliche zusammenwohnenden Leute ernennt Gebiete des Logierhauswesens üben in- edigenheime waren bis zum Arbeiter der Schlafhausmeister einen Stubenäl- folge der altgefestigten Organisationen, Ersten Weltkrieg in Deutsch- a. Fürsorge von Arbeitgebern testen, welcher darüber zu wachen hat, der sie unterstellt sind, die katholischen land und Europa eine gro dass seine Stubenkameraden die Vor- In manchen Gegenden Deutsch- Gesellenvereine aus. Die Vereinsorgani- ße Seltenheit. In Hamburg be schriften der Hausordnung erfüllen. (…) Schlafhaus für unver- lands hat die Besonderheit der Arbeits- sation dehnt sich über ganz Deutsch- stand seit 1891 das Logierhaus § 6 In den Schlafhäusern und deren heiratete Bergleute, verhältnisse schon zu einer frühen Zeit land, Österreich-Ungarn, die Schweiz, Saarbrücken »Concordia« an der Reeperbahn, Umgebung ist jeder Lärm und Streit so- Holland und Belgien aus. Auch in Paris, dazu geführt, dass seitens der Arbeitge- erbaut vom »Verein für Volkskaffee wie das Singen unanständiger Lieder London, Stockholm und Rom finden ber Schlafgelegenheiten für die Arbeiter hallen« für die Unterbringung an verboten. Das Pfeifen und übertriebene sich deutsche Vereine und Hospize, geschaffen werden mussten, wenn an- Land befindlicher Seeleute. Lautsein auf den Fluren und in den übri- selbst Nordamerika weist sieben Verei- ders sie jederzeit über die erforderliche 1911/12 wurde das »Erste gen Lokalen ist untersagt. (…) ne mit deutschen Hospizen auf. Anzahl von Arbeitsstätten verfügen Hamburger Ledigenheim für Män § 17 (…) Frauenpersonen, welche wollten. Es sind dabei zwei voneinander ner« vom Internationalen Gut nicht in den Schlafhäusern ständig be- 2. Von nicht-konfessionellen Vereinen verschiedene Typen von Veranstaltun- schäftigt sind, ist der Zutritt in dieselben und Körperschaften betriebene Logier- templerorden erbaut mit 33 Zim gen zu unterscheiden. Einmal handelt Abbildung: Schlafstellenwesen und Ledigenheime, 1904 nur gestattet, wenn sie während des häuser für Männer mern, Lese- und Billardzimmer, es sich um isoliert gelegene Betriebe, Tages ihren Angehörigen Lebensmittel, Bibliothek, Restaurant und Kegel die auf Arbeiter angewiesen sind, die In den von nicht-konfessionellen Ver- Kleidungsstücke usw. bringen, und ha- bahn. Das erste im strengen Sinn in den Dörfern in der Umgebung des einigungen und Körperschaften, ins ben sich diese Personen nach Abgabe offene Ledigenheim war jedoch Werks, zum Teil sogar in eigenen Famili- besondere durch die Gemeinden be- der mitgebrachten Gegenstände so- das in der Rehhoffstraße, erbaut enwohnungen angesiedelt sind, die aber triebenen Logierhäusern dürfte für die gleich wieder zu entfernen. (...) der zurückzulegenden Entfernung we- Zukunft der Schwerpunkt des gesamten durch den Bau–Verein zu Ham gen nicht täglich nach Schluss der Ar- städtischen Logierhauswesens liegen. (…) burg 1913. beitsschicht nach Hause zurückkehren b. Von Konfessionsgemeinschaften, Das Stuttgarter »Arbeiterheim« z. B. Die Situation der Ledigenheime Vereinen und Korporationen unterhal- können. Sie sind daher gezwungen, für ist eine Gründung des Vereins für das in Deutschland und Europa wird tene Logierhäuser für Männer die Wochentage eine fremde Schlafstel- Wohl der arbeitenden Klassen in Stutt- erstmals umfassend dargestellt 1. Konfessionelle Veranstaltungen. le in der Nähe des Betriebs zu mieten gart. Ein Teil der in dem Stiftungshaus im Forschungsbericht »Schlaf- oder von der Werksverwaltung selbst er- a. evangelische. untergebrachten Räume, darunter zwei stellenwesen und Ledigenheime« richteten Schlafhäuser zu benutzen (…). So umfangreich die Tätigkeit der Säle für Versammlungen, Vorträge und von 1904 1, welcher hier in Auszü gen wiedergegeben wird: 22 23
Ledigenheime — Schlafstellenwesen Obergeschoss im Rowton-Haus in Unterhaltungen, dient den Zwecken des Es liegt in der Absicht der Gesellschaft, gierhäusern für Männliche. Auch von Newington Butts, Arbeiterbildungsvereins. Die Leitung eine größere Anzahl kleinerer Logier- den von Arbeitgebern unterhaltenen London der Stiftung sowie die Verwaltung des häuser anstelle eines großen zentralen Anstalten stehen viele unter der Leitung gesamten Anwesens und Vermögens Massenquartiers in solchen Gegenden von Diakonissen und Schwestern der des Arbeiterheims untersteht einem der Stadt zu errichten, wo Fabriken und konfessionellen Religionsgemeinschaf- Stiftungsrat, der aus acht Mitgliedern andere Arbeitsstellen in der Nähe sind ten oder von sonstigen gebildeten Da- besteht. (….) Der Stiftungsrat setzt den und das Bedürfnis nach solcher Art der men, die imstande sind, einen erziehe- Verwalter ein, der eine Wohnung im An- Unterkunft vorhanden ist. (…) rischen Einfluss auf die Bewohnerinnen staltsgebäude hat. Für Logierzwecke In dem großen Schlafsaal sind 16 ka- auszuüben. (…) enthält das 1890 dem Betrieb überge- binenartige Räume durch Holzwände bene Haus, in vier Stockwerken verteilt, voneinander abgetrennt, die jedem Be- »Hausordnung für die Schlafstätten 133 vollständig eingerichtete Zimmer, wohner einen gesonderten Schlafraum im Arbeiterasyl von Schoeller, Bücklers von denen 26 zum Alleinbewohnen, die gewähren, in welchem außer dem Bett und Co. in Düren« 1883 übrigen 107 für jeweils zwei Bewohner auch noch ein Stuhl und ein Schrank (…) Sämtliche aufgenommenen bestimmt sind. (…) Für den Aufenthalt während der Abendstunden stehen den Platz finden. Dem Einzelnen ist damit, wenn auch Mädchen haben sich eines ordentlichen, anständigen und sittlichen Betragens Vorgesetzte Bewohnern Bibliothek und Lesezimmer des Arbeiterbildungsvereins zur Verfü- im bescheidenen Maße, Gelegenheit gegeben, sich von seinen Mitgästen ab- zu befleißigen. Unanständiges Reden und Singen darf nicht vorkommen. (….) der Schlafhausbewohner gung, Die Einzelzimmer kosten 2,25 bis 3 Mark die Woche, die Zimmer mit zwei zusondern. Für solche Arbeiter, denen dieses System der Unterkunft im im- Beim Schluss der Arbeit verfügen sich die Mädchen gleich in die Speisesäle. sind zunächst Betten pro Bett 1,25 – 1,70 Mark die Wo- che, einschließlich der Bedienung des merhin gemeinsamen Schlafsaal den- noch nicht behagt, sind außerdem noch (…) Auf jedem Zimmer, auf dem sich in der Regel 8 Mädchen befinden, wird eins der Schlafhausmeister, Zimmers und der regelmäßigen Erneue- rung von Bettwäsche und Handtüchern. acht besondere Schlafzimmer im Dach- geschoss vorhanden, in denen sie ganz zur Zimmervorsteherin ernannt. Dieses hat auf Ordnung und Reinlichkeit sowie sodann der Obersteiger Heizung und Beleuchtung werden ge- für sich untergebracht sind. (…) auf das gute Betragen der Mädchen zu sondert bezahlt. Gegen billiges Entgelt achten. (…) Jedes Mädchen muss in wird auch die Leibwäsche der Bewohner II. Unterkunftsstätten für Frauen und dem ihm zugewiesenen Bett schlafen. in der mit elektrischem Antrieb verse- Mädchen Das Schlafen in anderen Betten ist un- henen Waschanstalt des Hauses gewa- Die Fürsorge für die Unterkunft des tersagt. (….) schen. (…) weiblichen Teils der Arbeiterschaft und der dieser nahestehenden sozialen Krei- B. Das Ausland Hausordnung des Arbeiterheims Inneres einer se, insbesondere die Fürsorge für die I. England und Schottland Stuttgart von 1891 Schlafkabine alleinstehenden jugendlichen Angehö- Während bei uns im wesentlichen (…) rigen der betreffenden Berufsgruppen jüngere unverheiratete Arbeiter beider- § 4 Das Haus wird jeden Abend um stellt sich als ein in mancher Hinsicht lei Geschlechts oder sonstige allein- 10 Uhr geschlossen. Auf Wunsch erhält noch schwierigeres Problem dar als stehende Arbeiter die Insassen der vor- jeder Bewohner des Hauses einen Haus- die Unterbringung der Männlichen. Es handenen Logierhäuser bilden, ist es für schlüssel. Für denjenigen hat er 1 Mark ist eine Erfahrungssache, dass die man- die englischen und schottischen Groß- zu hinterlegen. (…) gelnde Unterbringung der Mädchen in städte und den Tiefstand ihrer unteren § 5 Jeder Bewohner erhält gegen ungeeigneten Schlafstellen, das Fehlen Bevölkerungsklassen charakteristisch, Hinterlegung von 50 Pfennig einen Zim- jeder Beaufsichtigung durch ihre Woh- dass es darunter zahlreiche Existenzen Abbildungen: Schlafstellenwesen und Ledigenheime, 1904 (rechts) merschlüssel und einen Schrankschlüs- nungsgeber sie vielfach rasch den Halt gibt, die nicht einmal mehr eine einzim- sel ausgehändigt. (…) verlieren lässt und sie der Unsittlichkeit merige möblierte Wohnung und einen § 6 Die Reinigung der Zimmer sowie geradezu in die Arme führt. Aber eben- eigenen Haushalt zu bestreiten imstan- das Aufmachen der Betten wird von der so oft ist leider auf der anderen Seite die de sind. Diese Bevölkerungsklasse ist Verwaltung aus besorgt. Für jede weite- Erfahrung gemacht, dass die bestein- es weitaus in erster Linie, aus welcher re Bedienung, welche einer der Mieter gerichteten Anstalten, welche diesem sich die Bewohner der Logierhäuser wünscht, hat er je nach Vereinbarung Übelstand abhelfen wollen, ihren Zweck rekrutieren. Sie besteht keineswegs eine besondere Entschädigung zu ent- nicht oder nur höchst unvollkommen er- nur aus unverheirateten jüngeren Ar- richten. (…) füllen, weil die Beteiligten die Ungebun- beitern beiderlei Geschlechts, sondern Neuesten Datums ist der Versuch, denheit der mangelhaften Privatschlaf- auch aus älteren verheirateten oder den die Gesellschaft für Wohlfahrtsein- stellen der strengeren Zucht vorziehen, verheiratet gewesenen, zu einem gro- richtungen in Frankfurt/M unternom- ohne die eine derartige Anstalt undenk- ßen Teil auch aus Arbeitslosen oder men hat, um die Logierhausfrage mit bar ist. (…) Arbeitsscheuen. Die englischen Logier- Schlafzelle im der teilweisen Anlehnung an englische Allen Einrichtungen gemeinsam ist, häuser ersetzen also nur zu einem Teil Rowton-Haus in Vorbilder an ein den deutschen Verhält- dass das fürsorgliche Moment stärker die Stelle der bei uns üblichen Schlaf- Newington Butts, nissen entsprechenden Weise zu lösen. in den Vordergrund tritt als bei den Lo- stellen. Zum größeren Teil, namentlich London 24 25
Ledigenheime — Schlafstellenwesen Erdgeschoss in der Albergo popolare, Mailand soweit es sich um die zahlreichen pri- II. Italien in Paris ist nur unter Zuhilfenahme eines vaten Logierhäuser handelt, setzt sich Eine interessante Übertragung des Legates im Betrag von ½ Million Francs ihre Kundschaft aus den wirtschaftlich Beispiels der Londoner Rowton-Houses ermöglicht. (…) Im Souterrain und im und sittlich tiefstehenden Elementen auf die Verhältnisse einer italienischen Erdgeschoss liegen die Wirtschaftsräu- zusammen, einer von Tag zu Tag wech- Großstadt bietet sich uns in dem »Alber- me und die gemeinschaftlichen Räume selnden Bewohnerschaft.(…) Selbst die go popolare« in Mailand. (…) Die Anstalt wie Speisesaal, Versammlungsraum, moderneren und teureren Logierhäuser, ist eine Gründung der «Unione coopera- Baderäume. An Wohnräumen sind im wie die »Rowton-Houses« in London, tiva« in Mailand. Für den Betrieb des Le- ersten und zweiten Obergeschoss 20 beherbergen nur in verhältnismäßig ge- digenheims ist eine besondere »Societa größere und in den übrigen Geschos- ringer Zahl solche Schlafgänger, die hier anonima cooperative Alberghi popolari« sen 36 kleinere Zimmer , fast durchweg einen längeren Aufenthalt nehmen. Man begründet, die über ein Aktienkapital zum Alleinbewohnen untergebracht. (…) kann sie – und darauf deutet ihre gan- von 410 000 Lire verfügt. Zeichner der Die Frage der Errichtung von Ledigen- ze Einrichtung und die Art des Betrie- Aktien sind zum Teil wohlhabende Bür- häusern für Männer nach dem Muster bes hin – im besten Fall als »Hotels für ger, (…) vielfach aber auch kleine Leute. der Rowton- Häuser wird auch in Paris Unbemittelte« bezeichnen, während die (…) in den maßgeblichen Kreisen eifrig er- geringere Klasse der kommunalen und Das Logierhaus (…) bietet in fünf wogen. (…) Als wichtige Voraussetzung privaten Logierhäuser etwa die Zwecke Obergeschossen Raum für 530 Betten, für die Rentabilität des Unternehmens unserer Asyle für Obdachlose erfüllen, die in Kabinen untergebracht sind, die gilt den Verfassern der Großbetrieb. Es in vielfacher Beziehung aber, was ihre genau nach dem Muster der Rowton- ist daher eine Anlage von 400 Betten in Einrichtung anlangt, noch weit hinter Häuser eingerichtet sind. Die gemein- Aussicht genommen. (…) diesen letzteren zurückbleiben. (…) An schaftlichen Räume befinden sich im der Spitze der Bewegung kommunaler Erdgeschoss. (…) Logierhäuser steht die Stadt Glasgow, die in der Zeit von 1871 – 79 nicht we- III. Österreich niger als sieben solcher Logierhäuser Einen nicht uninteressanten Ver- schuf. (…) Die Ausstattung der Häuser Unanständiges such mit der Errichtung von Ledigenhei- ist eine recht primitive. Die einzelnen men hat die Kaiser Franz Joseph I.-Jubi- Schlafkojen sind durch Holzwände von- Reden und läumsstiftung für Volkswohnungen und einander getrennt. Der Raumersparnis Wohlfahrtseinrichtungen in Wien ge- wegen sind je zwei Betten übereinander, Singen macht. Mit den Mitteln der Stiftung ist das eine diesseits, das andere jenseits vor einigen Jahren ein Häuserkomplex der Trennungswand. (…) Die Logierhäu- darf nicht erbaut, der zunächst einmal 400 Fami- ser werden außerordentlich stark fre- lienwohnungen mit einer Gesamtbevöl- quentiert. Im Jahre 1901 waren durch- vorkommen kerung von 3000 Personen umfasst. schnittlich 97,3 % der vorhandenen Durch die Hausordnung für die Famili- Betten belegt. enwohnungen wird die Aufnahme von Schlafgängern verboten. Dagegen hat Das Personal, das den Betrieb in dem 1 chriften der Centralstelle für Arbei- S die Stiftung durch Erbauung von zwei großen Hause versieht, besteht aus 41 ter- Wohlfahrtseinrichtungen Nr. 26: Ledigenheimen – eins für Männer und »Schlafstellenwesen und Ledigenheime«. Personen. Der »Superintendent« ist der eins für Frauen – auch für die Unterbrin- Vorbericht und Verhandlungen der 13. erste Beamte. Die 14 Bettmacherinnen Konferenz der Centralstelle für Arbeiter- gung lediger Arbeiter und Arbeiterinnen schlafen nicht im Hause. Sie kommen Wohlfahrtseinrichtungen am 9. und 10. Sorge tragen wollen. Die Ledigenheime Abbildungen: Schlafstellenwesen und Ledigenheime, 1904 (links) Mai 1905. Carl Heymanns- Verlag. Berlin morgens um 9.00 Uhr und müssen vor Entwürfe zu sind in zwei Eckgebäuden des genann- 1904. 196 S. Eintritt der Dunkelheit das Haus verlas- einem Ledigenheim ten Häuserkomplexes untergebracht. 2 ei der »Centralstelle für Arbeiter- und B sen haben. Mit den Logiergästen kom- in Paris Das Erdgeschoss umfasst jeweils die Wohlfahrtseinrichtungen« handelt es sich men sie also nicht in Berührung. Ferner um eine halbamtliche Forschungs- und Wohnung des Hausverwalters, ein Lese- sind vorhanden neun Unterportiers, vier Vermittlungsorganisation mit verschie- zimmer, einen Frühstücksraum und die denen Zielsetzungen innerhalb der Abwaschfrauen, zwei Aufwärterinnen, Wirtschaftsräume, in drei Obergeschos- Volkswohlfahrt: von der Beschaffung von je ein Buchhalter, Tagesportier, Nacht- Geldmitteln für gemeinnützige Bautätig- sen sind in dem Männerheim 44, in dem portier, Küchenportier, Feuerwehrmann, keit, für die Förderung und künstlerische Frauenheim 25 Schlafräume für je ein, Gestaltung von Arbeiterwohnquartieren, Heizer, Hilfsmädchen, Küchenleiterin, zwei oder drei Betten untergebracht. über die Förderung von Museen für ein Köchin, Küchenmädchen und Mädchen breites Publikum und die Volksschulbil- zur Bedienung des Personals. Die Be- dung bis zur Förderung schulentlasse- dienung ist sehr sauber und adrett. Für IV. Frankreich ner Jugendlicher und der Hygiene der Arbeiterschaft. Kooperation mit dem den Superintendenten ist eine Wohnung Auch der Bau des vor kurzem eröff- Deutschen Verein für Armenpflege und vorhanden, bestehend aus einem Wohn- neten, in der Rue des Grandes Carrières Wohltätigkeit sowie der Zentralstelle für raum, einem Speisezimmer, zwei Schlaf- gelegenen Logierhauses für alleinste- Volkswohlfahrt zimmern, Küche und Badezimmer. (…) hende Frauen der Societé philantropique 26 27
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