Streit unter Schwestern - STANDPUNKT

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Streit unter Schwestern - STANDPUNKT
SEPTEMBER 2007

   ZEITSCHRIFT DER GEW BERLIN

60.(75.) JAHRGANG

STANDPUNKT
Streit unter
Schwestern

TITEL
Erfahrungen mit
dem Zentralabitur

SCHULE
Runder Tisch
Gemeinschafts-
schule

Die 100-Prozent-
Schule

TENDENZEN
Kinderarbeit
und Armut

SENIORITA
Vier Seiten für das
gehobene Alter
ZEITSCHRIFT FÜR DIE MITGLIEDER DER GEW BERLIN                                                    blz | SEPTEMBER 2007

                                                                                                    INHALT
                                                                                                      3-5    Leute | Standpunkt | Kurz und bündig | Post an die Redaktion|

                                                                                                    TITEL
                                                                                                      6      Senatsjubel auf Kosten der Lehrkräfte   Michael Brüser
                                                                                                      8      Wir haben unsere Chance genutzt         Hannah Jeschal
ÜBRIGENS                                                                FOTO: IMAGO/SUPER EXPRESS

                                                                                                      9      Gut vorbereitet war es nicht            G.-Keller-Gymnasium

G    uter Start ins neue Schul-
     jahr, das könnte an dieser
Stelle stehen, wenn es nicht
                                                                                                      10     Was kommt denn eigentlich dran?         Nina Niedermeyer

allzu ironisch wäre. Denn im-                                                                       SCHULE
mer noch fehlen Lehrkräfte
und ErzieherInnen. Dass sich                                                                          11 Drei wacklige Säulen                        Peter Sinram
die Personalkostenbudgetie-
rung als rettender Anker er-
                                                                                                      13 Mit der Gemeinschaftsschule geht es voran   Marliese Seiler-Beck
weist, darf bezweifelt werden.
Und ein Tarifvertrag für Lehr-
kräfte scheint weiterhin Zu-
                                                                                                    SOZIALPÄDAGOGIK
kunftsmusik zu sein. Es bleibt                                                                        16 Wozu Profession – sie zählt immer weniger Andreas Kraft
also dabei, wir brauchen euch
zum Durchsetzen der gemein-
samen Interessen und eure                                                                           SENIORITA
Berichte für die blz.
                                                                                                      17 Interview mit U. Widmer-Rockstroh           Klaus Will
E  ine traurige Nachricht gibt
   es aus der Redaktion zu                                                                            19 Mit der GEW war ich immer zufrieden         Dieter Haase
berichten. Folker Schmidt und                                                                         20 Ein Ehrenamt, das Spaß macht                Marianne Pousset
Andreas K. Schmidt pausieren
für mindestens ein Jahr. Wir
wünschen uns für beide, dass                                                                        HOCHSCHULE
es bei dem einen Jahr bleibt.
Denn sie reißen damit eine                                                                           21 Masterplan eine Nullnummer?                  Folker Schmidt
große Lücke in die Redaktion
– und das nicht nur für den
                                                                                                     22 Privatisierung im Trend                      Malah Helman
Bereich Hochschule.

                                                                                                    GEWERKSCHAFT
W    eil alles mehrere Seiten
     hat, haben wir den aktu-
ellen Titel dem Zentralabitur
                                                                                                      24 Der Mete-Eksi-Preis 2007                    Monika Rebitzki
gewidmet: War wirklich alles                                                                          24 Macht mit                                   Friedens-AG
besser oder gerechter und zu
wessen Lasten ging es?      sigrid                                                                    25 Der Streik der Lehrkräfte                   Jonas Mücke

Redaktionsschluss: blz 11/2007: 28.9.                                                               TENDENZEN
                                                                                                      27 Kinderarbeit und Schule                     Manfred Liebl
IMPRESSUM
Die blz ist die Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft, Landesverband Berlin, Ahornstr. 5, 10787 Berlin und
erscheint monatlich (10 Ausgaben) als Beilage der E&W. Für die Mit-
                                                                                                    RECHT & TARIF
glieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nicht-
mitglieder beträgt der Bezugspreis jährlich 18 € (inkl. Versand).                                     30 Kurzmeldungen
Redaktion:
   Sigrid Baumgardt (verantwortlich), Klaus Will (Koordinierung
   und Schlussredaktion), Richardo Zeh, Andreas Kraft,
   Bettina Liedtke, Ralf Schiweck.
   Redaktionsanschrift: Ahornstraße 5, 10787 Berlin,
                                                                                                    SERVICE
   Tel. 21 99 93-46, Fax –49, E-Mail blz@gew-berlin.de
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   GEWIVA GmbH, erreichbar wie Redaktion
   Für Anzeigen gilt die Preisliste Nr. 9 vom 1.7.2003
Satz, Layout und Konzept:
   bleifrei Texte + Grafik/Claudia Sikora/Jürgen Brauweiler
   Prinzessinnenstr. 30, 10969 Berlin,
   Tel. 61 39 36-0, Fax -18, e-mail: info@bleifrei-berlin.de
Druck:
   Gallus Druckerei KG, Gutenbergstr. 6, 10587 Berlin
ISSN 0944-3207                                     9/2007: 22.000
blz | SEPTEMBER 2007                                                                                                                STANDPUNK T          3

                                               FOTO: TRANSIT/POLENTZ
  LEUTE
                                                                                     Oh sister, where art thou?
Georg Christaller ist tot. Der Diplomphysi-
ker lehrte an der TFH Berlin und war lan-
ge Zeit auch im Landeselternausschuss                                                Die Gewerkschaft ver.di und der Tarifkampf
aktiv. Ulrich Thöne hat ihn in seiner Zeit
als GEW-Landesvorsitzender kennen ge-
                                                                                     der Lehrkräfte.
lernt und erinnert sich: „Vieles in meiner
Arbeit in Berlin verbindet sich mit Georg
Christaller. Er hat sich auf Elternseite en-
gagiert, nachdrücklich aber auch humor-
voll für die Gemeinsamkeit zwischen El-
tern, SchülerInnen, ErzieherInnen und
LehrerInnen eingesetzt. Probleme waren                                               von Rose-Marie Seggelke, Vorsitzende der GEW BERLIN
für ihn Herausforderungen. Deswegen
hat er tatkräftig das Aktionsbündnis ,Zu-
kunft für Bildung‘ mitgegründet und in
diesem Sinne gewirkt. Georg Christaller
bleibt ein Freund und Vorbild.“
                                                              W     ie schwierig es sein kann, mit einer
                                                                    großen Schwester auszukommen,
                                                              weiß ich aus früher Erfahrung. In unserer
                                                                                                             te weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld
                                                                                                             noch die Tarifanhebung von 2003 und
                                                                                                             2004, müssen aber als einzige Beschäf-
                                                              Kindheit haben meine Schwester und ich         tigtengruppe länger arbeiten als 2002.
                                                              heftig miteinander gestritten und um           Das macht einen „Solidarbeitrag“ von
Anita Schindler (Neukölln) und Dieter                         die Gunst der Eltern konkurriert. Inzwi-       über 15 Prozent aus. Eine Rechnung, die
Paetsch (Tempelhof-Schöneberg) heißen                         schen sind wir erwachsen und ein biss-         einfach und leicht nachvollziehbar ist.
die gleichberechtigten Vorsitzenden der                       chen weise. Wir achten uns in unserer          Anscheinend aber nicht für ver.di. Ver.
neugegründeten „Vereinigung Berliner                          Unterschiedlichkeit und freuen uns,            di verkündet, dass sie keine „Sonderbe-
Schulpsychologen in der GEW“. Die Verei-                      wenn wir einander treffen. In Konflik-         handlung“ für Lehrkräfte dulden werde,
nigung wird künftig die Interessen der                        ten halten wir zusammen und unter-             nimmt aber seit über vier Jahren ohne
Schulpsychologie als Fachdienst und Un-                       stützen uns gegenseitig.                       Protest hin, dass diese Berufsgruppe
terstützersystem für die Berliner Schule                         Wie viel schwieriger der Umgang mit         besonders schlecht behandelt wird.
vertreten. Im Juli gab es ein erstes Ge-
spräch mit Bildungs-Staatssekretär Eckart
Schlemm über die Umsteuerungsprozes-
                                                              einer großen Schwestergewerkschaft ist,
                                                              habe ich erst in den letzten Jahren er-
                                                              fahren. Unsere große Schwestergewerk-
                                                                                                             D    ie wahren Motive für die versagte
                                                                                                                  Solidarität liegen auf der Hand: ver.
                                                                                                             di hat aufgrund des Anwendungstarif-
se des Schulpsychologischen Dienstes.                         schaft ver.di ist noch jung und kein bis-      vertrags von 2003 und der schlechten
                                                              schen weise. Sie konkurriert heftig mit        Tarifabschlüsse der letzten Zeit (z.B.
                                                              GEW und GdP und geht dabei so weit,            Telekom) einen schmerzhaften Mitglie-
Jörg Köbke (39) will Lehrern und Schulen                      dass sie auf Bundesebene die Koopera-          derschwund. Jeder Tarifabschluss ande-
helfen mit einer Lehrervermittlungsbörse                      tion mit dem Beamtenbund einer Zusam-          rer Gewerkschaften wie unter anderem
im Internet. Bei seiner Firma „Lehrcare“                      menarbeit mit den DGB-Gewerkschaften           der IG-Metall und transnet, der Verbes-
stellen die Lehrer ihre Daten selbst ein,                     vorzieht. Hier in Berlin versagt uns ver.di    serungen für die Mitglieder bringt, ver-
Schulen können dann die Datenbank im                          jegliche Unterstützung in den derzeitigen      stärkt die Unzufriedenheit der ver.dia-
Abonnement benutzen, was immerhin                             Tarifverhandlungen für die angestellten        ner und forciert die Austrittswelle. Mit
150 bis 250 Euro kosten soll. Billiger ist                    Lehrkräfte. Die Argumentation von ver.di       der GEW BERLIN hat ver.di darüber hin-
es bei der Agentur für Arbeit, da muss                        ist simpel: „Ihr hättet 2003 den Anwen-        aus das Problem, dass unter anderem
man gar nichts zahlen. Und auch die Se-                       dungstarifvertrag auch für Lehrkräfte un-      nach der Übertragung der Horte an die
natsbildungsverwaltung will für den Ver-                      terschreiben können, dann gäbe es jetzt        Schulen viele ErzieherInnen zu uns ge-
tretungsbedarf eine eigene Datenbank                          kein Problem.“ Was ver.di vergessen hat:       wechselt sind, weil wir das bessere An-
einrichten. Die Berliner GEW-Vorsitzende                      2003 ist bei den Beschäftigten im öffent-      gebot an Beratung und Fortbildung ha-
Rose-Marie Seggelke findet ohnehin, dass                      lichen Dienst allein bei den Lehrkräften       ben und uns intensiver um das einzel-
die Bereitstellung von Lehrern Aufgabe                        die Arbeitszeit erhöht worden. Gemäß An-       ne Mitglied kümmern. Mit der Überfüh-
des Staates sei und nicht privatisiert wer-                   wendungstarifvertrag sollte diese höhere       rung der Lehrkräfte in den Tarifvertrag
den dürfe, sagte sie der Berliner Zeitung.                    Arbeitzeit um 10 oder 12 Prozent abge-         Länder würde die Attraktivität der GEW
                                                              senkt werden mit der verlockenden Aus-         BERLIN weiter steigen und das will ver.di
                                                              sicht, die Hälfte der Absenkung einem          verhindern nach der Devise: „Wer klein
Sarra Kebir hat ihr Abitur am Menzel-Gym-                     Lebensarbeitszeitkonto gutgeschrieben          ist und nicht in uns aufgehen wollte,
nasium mit einem sagenhaften Noten-                           zu bekommen. Wir haben damals den              muss klein bleiben und sich uns be-
duchrschnitt von 0,7 gemacht – auf dem                        Tarifvertrag für die Lehrkräfte nicht unter-   scheiden unterordnen.“
Zeugnis erscheint allerdings nur die Note                     schrieben, weil er bedeutet hätte, dass          Gut, dass wir im öffentlichen Dienst
1,0. Kunst war ihr schlechtestes Fach:                        LehrerInnen bei 10 bis 12 Prozent Gehalts-     noch andere Schwestergewerkschaften
nur eine Eins minus! Die Tochter der Au-                      abzug mehr hätten arbeiten müssen als          haben, die IG BAU und die GdP. Die sind
torin Sabine Kebir (u.a. Brecht-Buch „Ein                     2002. Ver.di will bis heute nicht wahrneh-     mit uns solidarisch und unterstützen
akzeptabler Mann“ und 2006 über die                           men, dass die Berliner Lehrkräfte in ei-       unsere Forderung nach dem TV-L für
Brechtgefährtin Ruth Berlau „Mein Herz                        nem Maß geschröpft worden sind, das alle       Lehrkräfte. Irgendwie war mir immer
liegt neben der Schreibmaschine“) will                        sogenannten Solidarbeiträge der Beschäf-       klar, dass es sich mit kleinen Schwes-
jetzt Wirtschaftsingenieurswesen in Karls-                    tigten im öffentlichen Dienst überschrei-      tern einfacher leben lässt als mit gro-
ruhe studieren.                                               tet. So erhalten neueingestellte Lehrkräf-     ßen.
4   KURZ UND BÜNDIG                                                                                                                        blz | SEPTEMBER 2007

                                                                                                                             Schulpersonalräte erhalten keine Frei-
                                                                                                                             stellung und sollen alles außerhalb der
                                                                                                                             Unterrichtszeit erledigen. Weitere Punk-
                                                                                                                             te des Entwurfs betreffen die Beteili-
                                                                                                                             gungsrechte bei den Ein-Euro-Jobs und
                                                                                                                             die Einschränkung der Mitbestimmung.

                                                                                                                             Sofortprogramm zur Entlastung
                                                                                                                             der Schulen
                                                                                                                               Die Projektgruppe „Entbürokratisierung“
                                                                                                                             hat ein Sofortprogramm entwickelt mit
                                                                                                                             18 Maßnahmen zur Entlastung der
                                                                                                                             Schulen, wovon die meisten direkt den
                                                                                                                             LehrerInnenalltag betreffen: Korrektu-
                                                                                                                             ren, Gutachten, Zeugnisse und anderes
                                                                                                                             mehr. Ausgemustert wurden Tätigkei-
                                                                                                                             ten, die nach Einschätzung der Arbeits-
                                                                                                                             gruppe keinen Beitrag zu einer besse-
                                                                                                                             ren Schule leisten. Ob sich alle Maßnah-
                                                                                                                             men auch umsetzen lassen, prüft jetzt
                                                                                                                             die Verwaltung. Fraglich ist dies zum
                                                                                                                             Beispiel bei dem vereinfachten Verfah-
                                                                                                                             ren für die Präventionsgespräche. Das
                                                                                                                             Sofortprogramm ist zu finden unter:
                                                                                                                             www.berlin.de/sen/bildung/bildungs-
                                                                                                                             politik/. Die Stellungnahme der GEW
                                                                                                                             war bis zum Redaktionsschluss der blz
                                                                                                                             noch in Arbeit und ist auf der Internet-
                                                                                                                             seite der GEW BERLIN zu finden.
    ErzieherInnenprotest vor dem Rathaus Neukölln am 4. Juli 2007. Siehe auch Info-Kasten auf der nächsten Seite.
                                                                                        FOTO: TRANSIT/CHRISTIAN V. POLENTZ
                                                                                                                             Empfehlungen zur
                                                                                                                             Lehrkräfteplanung und -zuteilung
                                                                                                                               Nach den Empfehlungen der Projekt-
    Vierzehn Schulen sind für den                           finanziellen Gründen nicht am gemein-                            gruppe sollen Schulen künftig schon
    Deutschen Schulpreis nominiert                          samen Mittagessen teilnehmen. VBS                                vor Beginn der Sommerpause wissen,
      Die Carl-von-Linné-Schule, Sonderpä-                  und Ganztagsschulverband führten zu                              mit welchem Personal sie ins neue
    dagogisches Förderzentrum in Lichten-                   diesem Thema auch Gespräche mit der                              Schuljahr starten. Dazu sollen alle not-
    berg, ist in die engere Auswahl für den                 Senatsbildungsverwaltung sowie dem                               wendigen Daten und Fakten für das
    Deutschen Schulpreis der Robert-Bosch-                  Fraktionsvorsitzenden der SPD Michael                            kommende Schuljahr bis zum 1. Febru-
    Stiftung gekommen. Insgesamt 14 Schu-                   Müller. Jetzt gibt es eine Lösung des                            ar jeden Jahres mit Zugriffsrecht der
    len aus ganz Deutschland hat die Jury                   Problems: SPD- und Linksfraktion ha-                             Schulen auf diese Daten zusammenge-
    vor den Sommerferien ausgesucht. Bei                    ben sich darauf verständigt, dass ab 1.                          tragen werden. Schon im April sollen
    einem Besuch der Schule prüfen die Ju-                  Januar 2008 alle SchülerInnen an ge-                             dann die Einstellungs- und Umset-
    ryteams nun, wie die eingereichten Be-                  bundenen Ganztagsgrundschulen Ber-                               zungsverfahren abgeschlossen sein,
    werbungsunterlagen dem Schulalltag                      lins, die auch von der Lernmittelzuzah-                          wobei der Zeitraum für den Ausgleich
    vor Ort entsprechen. Auf dem Pro-                       lung befreit sind, ein subventioniertes                          von Personalungleichgewichten auf drei
    gramm stehen neben Unterrichts- und                     Mittagessen für 23 Euro erhalten. Bisher                         Jahre erweitert werden soll. Bei diesem
    Projektbesuchen auch Gesprächsrun-                      mussten dafür oft mehr als 40 Euro auf-                          Verfahren soll regelmäßig die Zuwei-
    den mit Eltern, Schülern und Lehrern.                   gebracht werden. Darüber hinaus soll                             sung von Personalressourcen (zum Bei-
    Danach kommen 10 Schulen in die End-                    ein Härtefallfonds eingerichtet werden,                          spiel für Sprachförderung, Integration,
    runde. Verliehen werden der Deutsche                    mit dem Ganztagsschulen selbst dazu                              Profilbildung) evaluiert werden, das Per-
    Schulpreis (50 000 Euro) und vier wei-                  beitragen können, dass alle Kinder Mit-                          sonalkostenbudget für die Vertretungs-
    tere Preise (jeweils 10 000 Euro) im De-                tagessen bekommen.                                               reserve an den Schulen soll erhöht, das
    zember 2007 in Berlin.                                                                                                   Einstellungsverfahren gestrafft werden.
                                                                                                                             Die Auswahl der Lehrkräfte soll die
                                                            Entwurf der Änderung des Personal-                               Schule selbstständig vornehmen kön-
    Mittagessen an gebundenen                               vertretungsgesetzes vorgelegt                                    nen, was die Einrichtung von Schulper-
    Ganztagsschulen wird bezahlbar                            In den Ferien erreichte die GEW der                            sonalräten notwendig mache. Viel Ex-
      Mitte Mai hatte die Vereinigung der                   Entwurf zur Änderung des PersVG. Da-                             plosives steckt in dem 35-seitigen Pa-
    Berliner Schulleiterinnen und Schullei-                 nach sollen künftig Schulpersonalräte,                           pier plus Anlagen. Klar ist zunächst
    ter (VBS) gemeinsam mit dem Ganztags-                   die gleichzeitig auch die Rechte der                             nur, dass so weitreichende Veränderun-
    schulverband darauf aufmerksam ge-                      Frauenvertretungen wahrnehmen, für                               gen erst erprobt werden müssen durch
    macht, dass immer mehr Kinder an den                    befristete Einstellungen von zwei bis                            Schulen, die dies auf freiwilliger Basis
    gebundenen Ganztagsgrundschulen aus                     sechs Monaten zuständig sein. Diese                              machen wollen.
blz | SEPTEMBER 2007                                                                                         POST AN DIE REDAKTION                   5

 Unverlangt eingesandte Besprechungsexemplare            in der Senatsverwaltung („keine Fange-        schnell im Buchhandel vergriffen war.
 und Beiträge werden nicht zurückgeschickt. Die          meinde“) in keiner Weise nachvollzie-         Warum wohl? Weil Brigitte Pick mit ih-
 Redaktion behält sich bei allen Beiträgen Kürzungen     hen kann, finde ich es ungehörig, aus         ren Fallbeschreibungen die Lage einzel-
 vor. Beiträge möglichst auf Diskette oder per e-
 mail einsenden. Die in der blz veröffentlichten Ar-     der zeitlichen und räumlichen Distanz         ner Schüler treffend beschreibt und
 tikel sind keine verbandsoffiziellen Mitteilungen,      heraus sich in dieser Art kritisch, ver-      diese mit einer strukturellen Kritik der
 sofern sie nicht als solche gekennzeichnet sind.
                                                         letzend und persönlich herabsetzend           Hauptschule als Restschule verbindet.
                                                         über jemanden zu äußern, ohne dass            Vor allem sieht sie die Perspektivlosig-
„Das können wir unseren                                  der Betroffene die Möglichkeit hat, sich      keit vieler ihrer SchülerInnen, ange-
deutschen Kunden nicht erklären“,                        mit den Äußerungen auseinander zu             sichts der enormen Jugendarbeitslosig-
blz Juli-August 2007                                     setzen, Korrekturen vorzunehmen,              keit. Was blieb ihr als Schulleiterin an-
                                                         Richtigstellungen oder Belege einzufor-       deres übrig, als in konkreten Notsituati-
   Die nüchterne Bilanz sei hier noch                    dern, einzelne Unterstellungen zu wi-         onen und Konflikten, persönlich einzu-
nachgetragen: 3 von 83 SchülerInnen                      derlegen.                                     greifen und zu helfen – zu vermitteln?
der Eberhard-Klein-Oberschule konnten                      Ich bedauere, dass sich eine Gewerk-          Dass ein Teil der Hauptschullehrer-
bis Anfang Juli einen Ausbildungsver-                    schaftszeitung solcher diffamierender         schaft nicht mehr die Kraft hat, die
trag unterschreiben, obwohl 13 Prozent                   Methoden bedient, die ich allenfalls in       schwierige Arbeit vor Ort zu bewälti-
den Mittleren Schulabschluss (MSA) ge-                   Boulevardzeitungen erwartet hätte, oh-        gen, ist nicht neu. Die Zuspitzung im
schafft hatten. Eine ganze Schülergene-                  ne sie dort etwa zu akzeptieren. Ich er-      Frühjahr 2006 an der Rütlischule ist
ration ausschließlich mit Migrationshin-                 warte eine Entschuldigung für diesen          kein Zufall. Die besondere soziale
tergrund wird damit ins Aus manöv-                       journalistischen faux-pas in der nächs-       Brennpunktsituation des Reuterkiezes
riert, wobei nicht nur arbeitsmarktpoli-                 ten Ausgabe der BLZ.                          in Neukölln ist schon lange bekannt.
tische, sondern auch diskriminierende                                                 Norbert Wimmer   Brigitte Pick hat sie mit ihren „Geschich-
Aspekte wirksam werden. „Sie haben ei-                     (Die Redaktion nimmt sich die Kritik        ten“ im Buch treffend charakterisiert.
nen deutschen Pass, sind aber Türke“                     zu Herzen.)                                   Ich fand auch die Beschreibung ihrer
und „Macht nicht so einen guten Ein-                                                                   früheren Zeit als Junglehrerin an einer
druck bei den Hotels, wo wir jetzt tätig                                                               Sonderschule und den Wechsel an die
sind, wenn da Türken arbeiten“ bekam                     Manfred Triebe über Brigitte Picks            Rütlischule in den siebziger Jahren le-
ein Schüler mit deutschem Pass und                       Buch „Kopfschüsse“, Juni-blz 2007             senswert. Man kann Brigitte Picks Buch
türkischem Migrationshintergrund bei                                                                   sehr wohl als weiteren Beleg der Bil-
seinem ersten Bewerbungsgespräch zu                         Im Zentrum seiner Kritik liegen die        dungsmisere werten. Ihre persönliche
hören. Die Gebäudereinigungsfirma er-                    Kollegenschelte der Schulleiterin der         Enttäuschung am Ende einer „langen
kundigte sich außerdem nach den                          Rütlischule und deren Selbstrechtferti-       Dienstzeit“ ist nachvollziehbar.
Deutschkenntnissen seiner Eltern und                     gungsversuche in ihrem Buch, das sehr                                          Lothar Kunz
bot ein zweimonatiges unentgeltliches
Praktikum in der Sommerzeit ohne wei-
tere Perspektive an. Die meisten Schü-
lerInnen erhielten nicht die Chance, ih-                  LAND UNTER IN SÜDOST: VOM ERZIEHERÜBERHANG ZUM ERZIEHERMANGEL
re Stärken zu zeigen. Wann erkennen
Wirtschaft und Politik den dringenden                     Unter dem Motto „Land unter in SüdOst“ fand am 4. Juli bei strömenden Regen eine
Handlungsbedarf?                                          Aktion von Kitas aus dem Eigenbetrieb SüdOst statt. 200 ErzieherInnen, Kinder und
                                        Christine Baur    ihre Eltern hatten sich zu einer Protestveranstaltung vor dem Rathaus Neukölln ver-
                                                          sammelt, um gegen den drohenden Abzug von 78 ErzieherInnen aus dem Eigenbe-
                                                          trieb SüdOst zu protestieren.
Leute-Notiz zu Benno Linne, blz Juli-                     In den gebundenen und offenen Ganztagsgrundschulen besteht ein großer Ersatz-
August 2007                                               bedarf an ErzieherInnen zu Beginn des neuen Schuljahres: Mindestens 200 Vollzeit-
                                                          stellen sind neu zu besetzen. Um dem drohenden Erziehermangel begegnen zu
  Mit großem Interesse lese ich als                       können, hatte die Senatsverwaltung für Finanzen bereits am 20. Juni verfügt, dass
langjähriges Gewerkschaftsmitglied die                    ErzieherInnen nicht mehr prämienbedingt ausscheiden können und die Alterszeit
blz, dabei auch die Rubrik „Leute“. Über                  nur noch ab 60 Jahren in Anspruch genommen werden kann. Das zentrale Perso-
die Notiz zu Benno Linne und seine Tä-                    nalüberhangsmanagement hat nun außerdem verfügt, dass die 160 ErzieherInnen
tigkeit als Schulleiter an der Deutschen                  aus dem zentralen Stellenpool, die bislang in die Eigenbetriebskitas abgeordnet
Schule in Mexiko-Stadt bin ich aber sehr                  sind, an die Grundschulen wechseln sollen.
empört und finde, dass Sie mit diesem                     Allein aus dem Eigenbetrieb SüdOst sollen 78 aus dem Stellenpool abgeordnete
Text die Grenzen der journalistischen                     KollegInnen an die Grundschulen wechseln. Die meisten von ihnen (69) werden auf
Anständigkeit und Fairness überschrei-                    die gesetzlich vorgeschriebene Personalausstattung angerechnet. Es braucht nicht
ten. Ob es überhaupt von allgemeinem                      besonders viel Phantasie, um sich vorzustellen, was ein Abzug in dieser Größen-
Interesse ist, in welcher Art und Weise                   ordnung bedeutet. Schon jetzt gibt es nicht besetzte Stellen, und wenn weitere 78
ein ehemaliger Mitarbeiter der Senats-                    Kolleginnen und Kollegen wegfallen, ist die gesetzlich vorgeschriebene Personal-
verwaltung seine Tätigkeit in Mittela-                    ausstattung (die ohnehin nicht ausreichend ist) nicht mehr gewährleistet. Von päd-
                                                          agogischer Kontinuität und Qualitätsentwicklung kann da kaum die Rede sein.
merika ausübt, wäre eine weitere Frage.
                                                          Deshalb muss der Eigenbetrieb umgehend dafür Sorge tragen, dass alle ErzieherIn-
Was beabsichtigen Sie mit dieser Dar-
                                                          nen aus dem Stellenpool, die im Eigenbetrieb SüdOst für die gesetzlich vorgeschrie-
stellung? Abgesehen davon, dass ich
                                                          bene Personalausstattung benötigt werden, dort bleiben und auf festen Stellen be-
auf der Grundlage vieler persönlicher
                                                          schäftigt werden. Wenn es nicht genügend ErzieherInnen im Stellenpool geben soll-
und dienstlicher Kontakte zu Benno
                                                          te, müssen neue ErzieherInnen eingestellt und Teilzeitkolleginnen aufgestockt wer-
Linne eine solche pauschale, ironisch
                                                          den.                                                                      Bärbel Jung
verkleidete Diffamierung seiner Arbeit
6                     TITEL                                                                                                blz | SEPTEMBER 2007
    DAS NEUE ABITUR

                      Senatsjubel auf Kosten der Lehrkräfte
                      Bilanz nach dem Prüfungsmarathon beim Zentralabitur.

                      von Michael Brüser, Vorsitzender Fachgruppe Gymnasien der GEW BERLIN

                                            D    as Schuljahr 2006/07 ist Geschichte und es
                                                 gilt, Bilanz zu ziehen. Wohl alle KollegInnen,
                                            die in irgendeiner Weise mit dem Abitur im letzten
                                                                                                      Wie schon seit etwa zwei Jahren bekannt, ent-
                                                                                                   schloss sich die Senatschulverwaltung in einem –
                                                                                                   aus unserer Sicht – Anflug von Wahnsinn, alle
                                            Jahr beschäftigt waren, werden in das gleiche          Neuerungen auf einmal durchzuführen. Neben
                                            Horn stoßen können: Endlich ist dieser Stress vor-     den neuen curricularen Vorgaben, den jetzt ab
                                            bei – so ein Schuljahr haben wir noch nicht erlebt.    Klassenstufe 11 geltenden neuen Rahmenlehrplä-
                                            Viele KollegInnen fühlen sich so, als hätten sie ein   nen und der damit verbundenen Neuausrichtung
                                            eineinhalbjähriges Schuljahr durchlitten.              des Unterrichts auf Kompetenzerwerb sollte im
                                              Die Fachgruppe Gymnasium meldet sich in die-         Schuljahr 2006/07 die Nagelprobe erfolgen. Wie
                                                                                                                                                        FOTO: IMAGO/KARLHEINZ EGGINGER

                                            sem Heft zu Wort, um ihre Sicht der Dinge vor al-      belastbar sind eigentlich die KollegInnen an unse-
                                            lem bezüglich dreier Problemkreise zur Diskussi-       ren Schulen, speziell hier an den Gymnasien und
                                            on zu stellen, die die KollegInnen im letzten          Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe? Nicht
                                            Schuljahr so ausgiebig beschäftigt haben:              vergessen werden sollte zudem, dass die Pflicht-
                                            • die neue fünfte Prüfungskomponente,                  stundenzahl mittlerweile bei 26 Wochenstunden
                                            • das erstmalig durchgeführte Zentralabitur,           liegt, Altersermäßigungen für BeamtInnen gestri-
                                            • der veränderte Abiturablauf.                         chen, die Klassenfrequenzen erhöht worden sind
blz | SEPTEMBER 2007                                                                                        TITEL              7

und andere Ermäßigungstatbestände und ein Teil        konnten dabei die Lehrkräfte eine Vorauswahl tref-
der Verwaltungsstunden dem Rotstift zum Opfer         fen, anschließend hatten die Prüflinge nochmals

                                                                                                                     DAS NEUE ABITUR
fielen.                                               die Möglichkeit der Wahl. Dieses insgesamt faire
                                                      Angebot fand bei den meisten KollegInnen Zu-
                                                      spruch.
Die fünfte Prüfungskomponente                           Natürlich haben die KollegInnen der dezentralen
                                                      Fächer jetzt im Vergleich zu den Zentralabifächern
  Die AbiturientInnen hatten in diesem Schuljahr      eine größere Abiturvorbereitung durch die Aufga-
diese neue Prüfung als verbindlichen Teil ihrer       benerstellung. Daraus allerdings abzuleiten, das
Reifeprüfung. Die SchülerInnen haben dabei die        Zentralabi für alle Fächer zu fordern, erscheint
Möglichkeit, zwischen zwei Formen der Prüfung         aus unserer Sicht zu kurz gegriffen. Jahrelang ha-
und Prüfungsvorbereitung zu wählen. Entweder          ben die GEW-Gremien gegen das Zentralabitur Stel-
sie schreiben eine so genannte besondere Lern-        lung bezogen, die entsprechenden Argumente sol-
leistung (BLL – eine schriftliche Arbeit im Umfang    len an dieser Stelle nicht alle wiederholt werden.
von mindestens 20 Seiten, etwa vergleichbar mit       Zumindest für die gesellschaftswissenschaftlichen
einer Proseminararbeit in der Universität) oder sie   Fächer Politikwissenschaften und Geografie er-
absolvieren eine Präsentationsprüfung. Es handelt     scheint nicht nur aus Aktualitätsgründen das Zen-
sich hier um zusätzliche Belastungen, die die Kol-    tralabi ungeeignet. Allerdings sollten für alle Fä-
leginnen zu tragen haben. Die BLLs müssen sach-       cher Vereinfachungen (z.B. Raster wie im Fach
gerecht (inhaltlich und methodisch) betreut und       Englisch) bei der Korrektur ermöglicht werden.
von zwei KollegInnen begutachtet werden. Am En-       Auch an die Vergabe der Zweitkorrektur an die ei-
de steht ein Kolloquium, zu dem erneut die zwei       gene Schule sollte angesichts der kürzeren Korrek-
KollegInnen den Prüfling zu seinem Konvolut be-       turzeiten gedacht werden.
fragen. Betreuung, Einlesen und Gutachten erfol-        Durch die gezielte Vorbereitung, die veränder-
gen eben mal so ganz nebenbei in den Weihnachts-      ten Korrekturbedingungen im Fach Englisch (Weg-
ferien. Ähnlich verhält es sich mit der               fall des Fehlerquotienten) und die erleichterten
Präsentationsprüfung als fünfte Prüfungskompo-        Anforderungsprofile in den Naturwissenschaften
nente. Auch hier muss zumindest bei der Themen-       und in Mathematik (Note 1+ bei 95 Prozent bzw.
wahl Orientierungshilfe gegeben werden. Am Ende       Note 4 bei 45 Prozent der erbrachten Leistungen)
stehen dann die 20-40minütigen (je nach Prü-          wurde in den meisten Berliner Schulen ein besse-
fungsgruppengröße) Präsentationen und wieder          rer Abiturdurchschnitt erreicht. Zum besseren Ab-
ein Prüfungsgespräch. Als äußerst problematisch       schneiden des Abiturjahrganges trug natürlich
erweist sich die Tatsache, dass es offensichtlich     auch die fünfte Prüfungskomponente bei, denn
sogenannte Magnetlehrer gibt, die aufgrund ihrer      auf diese Präsentation bzw. die BLL konnten sich
Fächerkombination (oft gefragt II. Aufgabenfeld,      die Prüflinge gezielter vorbereiten und damit
Biologie) oder gewisser Schülerfreundlichkeit viel    Punkte sammeln. Allerdings geben wir zu beden-
mehr solcher Arbeiten (BLL und Präsentationsprü-      ken, dass zum Teil die verbesserten Leistungen
fung) zu betreuen haben als andere. Hier sollte die   durch eine Niveauabsenkung erreicht wurden.
Schule Möglichkeiten schaffen, dass eine gerech-      Dies sollte nicht unser Anspruch sein. Zudem
tere Verteilung dieser Zusatzarbeit erfolgen kann.    könnte es dazu beitragen, dass die Universitäten
  Generell lässt sich konstatieren, dass vor allem    vermehrt Einstellungstest vornehmen.
durch diese BLL die SchülerInnen sicherlich eine
Menge für die Studiumsvorbereitung geleistet ha-
ben und engagiert zu Werke gingen, allerdings         Der veränderte Prüfungsablauf
wieder auf dem Rücken der LehrerInnen. Wäre es
nicht möglich, die fünfte Prüfungskomponente in         Die zentralen Prüfungen lagen unmittelbar nach
Form eines ausgearbeiteten Referats oder einer        den Osterferien und damit schmolz die Korrektur-
Präsentation in den Unterricht, möglicherweise        zeit für alle betroffenen KollegInnen auf einen fast
auch mit einer Beurteilung durch zwei KollegIn-       unerträglich kurzen Zeitraum. Dies belastete die
nen, einzubeziehen?                                   Lehrkräfte am meisten. Im schlechtesten Fall blie-
                                                      ben für Erst- und Zweitkorrektur insgesamt vier
                                                      Wochen Zeit, zuvor waren es für den Erst- und
Das Zentralabitur                                     Zweitkorrektor jeweils sechs Wochen. In dieser
                                                      Zeit lagen dann immer unterrichtsfreie Tage (Feri-
  In den drei Fächern Deutsch, Mathematik und         en genannt), diesmal gab es das nicht. Die Kolle-
Englisch (beziehungsweise der ersten Fremdspra-       gInnen waren in diesem Zeitraum von der Unter-
che) fand in diesem Jahr entsprechend dem bun-        richtsverpflichtung in ihren 13er Kursen befreit,
desweiten Trend nun auch in unserer Stadt das         allerdings kann das nicht als ausreichend bezeich-
erste Zentralabitur statt. Dazu gab es vorher Fach-   net werden. Die Senatsverwaltung machte zudem
briefe, Fachkonferenzen und natürlich das Probea-     das Zugeständnis, dass schulintern Korrekturtage
bitur. Dies erwies sich aus unserer Sicht als hilf-   vergeben werden konnten.
reich. SchülerInnen und KollegInnen wurden so           Diese Regelung gab es aber nicht offiziell, son-
mit dieser Prüfungsform konfrontiert, zudem wur-      dern nur an Schulen, wo KollegInnen dies forder-
den durch entsprechende Rückmeldungen Verbes-         ten. Das ist keine faire und transparente Verfah-
serungsvorschläge für den Hauptlauf gemacht, die      rensweise. Trotzdem bleibt zu konstatieren, dass
dann eingearbeitet worden sind. In allen Fächern      die Qualität der Korrekturen leidet, dass die Ge-  4
8                              TITEL                                                                                               blz | SEPTEMBER 2007

                                                4fahr von Anfechtungsklagen vor den Verwaltungs-          aller Deutlichkeit klargestellt. Die Terminplanung
                                                   gerichten zunehmen wird, auch weil die Schullei-       für das nächste Jahr zeigt indes die bekannte Be-
    DAS NEUE ABITUR

                                                   tungen jetzt so gut wie keine Zeit mehr haben, ei-     ratungsresistenz der Senatsverwaltung. Die zu
                                                   ne anspruchsvolle Endkontrolle durchzuführen.          kurzen Korrekturzeiten bleiben.
                                                   Zwar war die Einsetzung für anfallende Vertretun-        An meiner Schule (Max-Planck-OS, Berlin-Mitte)
                                                   gen durch eine Empfehlung der Senatsverwaltung         haben im abgelaufenen Schuljahr 660 Prüfungen
                                                   im Vorfeld begrenzt worden. Wie das dann aller-        stattgefunden (bei 72 Abiturienten und drei zehn-
                                                   dings in den Schulen umgesetzt wurde, oblag den        ten Klassen). Dies führte zum Unterrichtsausfall
                                                   Schulleitungen.                                        an 16 Tagen. Im nächsten Schuljahr werden wir
                                                     Hier hörten wir Unterschiedliches. In einigen        200 AbiturientInnen haben. Wir rechnen mit 1680
                                                   Schulen machten Gesamtkonferenzen ihren Un-            Prüfungen. Da ist es kein Wunder, wenn Eltern Ein-
                                                   mut deutlich, indem Sie die Zweitkorrektur nach        gaben und Beschwerden losschicken, die den ho-
                                                   hinten schoben, Überlastungsanzeigen formulier-        hen Unterrichtsausfall während der Prüfungszeit
                                                   ten oder remonstrierten. Unzufriedenheit machte        beklagen. Unterricht wurde so nur noch zur Ne-
                                                   sich vor allem dadurch breit, dass die KollegInnen     bensache.
                                                   neben den Korrekturen ihren ganz normalen                Das diesjährige Abitur ist also nicht die Er-
                                                   Schulalltag zu bewältigen hatten. Das konnte gar       folgstory, die die Senatsverwaltung der Presse zu
                                                   nicht in der entsprechenden Qualität erfolgen. Die     verkaufen suchte, sondern bei Lichte besehen, ei-
                                                   Senatschulverwaltung muss den Korrekturzeit-           ne organisatorische Katastrophe, die wieder die
                                                   raum um mindestens zwei Wochen verlängern              KollegInnen ausbaden mussten. Ist es das, was die
                                                   oder den Prüfungszeitraum ganz verändern (als          Senatsschulverwaltung unter Qualitätsoffensive
                                                   Block ähnlich wie in Frankreich oder Italien). Die     versteht? Womöglich braucht diese Stelle auch mal
                                                   GEW hat in einer Presseerklärung Ende Juni dies in     eine Evaluation!

                                                   Wir haben unsere Chance genutzt
                                                   Zwischen Befürchtung und Aufatmen.

                                                   von Hannah Jeschal, Abiturientin

                                                   I ch kann mich noch genau erinnern, dass viele
                                                     von uns SchülerInnen schon zu Beginn der
                                                   Oberstufe jammerten, warum sie nicht ein Jahr
                                                                                                          fünfte Prüfungskomponente für uns SchülerInnen
                                                                                                          eine echte Chance war, das Abitur zu verbessern.
                                                                                                          Jede/r konnte hier ein Thema wählen, was ihn/
                                                   älter seien und damit vom lästigen Zentralabitur       sie wirklich interessierte und damit dann ordent-
                                                   verschont geblieben wären. Doch mussten wir            lich punkten.
                                                   wirklich mehr leiden als die Jahrgänge zuvor              Problematisch war allerdings, dass Informatio-
                                                   oder hatte das Zentralabitur vielleicht sogar posi-    nen bezüglich der fünften Prüfungskomponente,
                FOTO: PRIVAT

                                                   tive Auswirkungen auf unsere Abiturnoten?              vor allem zur schriftlichen besonderen Lernleis-
                                                     Ganz klar positiv war für uns SchülerInnen das       tung (BLL), uns SchülerInnen erst sehr spät er-
                                                   im Rahmen des Zentralabiturs durchgeführte Pro-        reichten. Es wäre wünschenswert, dass der Senat
                               Hannah Jeschal      beabi. Erstens war es eine Lernhilfe für das richti-   nicht erst zwei Wochen vor der Abgabe der BLL er-
                                                   ge Abitur. Denn die meisten Schüler wiederholten       klärt, welche formalen Aspekte seiner Ansicht
                                                   für das Probeabi bereits im Oktober die ersten bei-    nach unbedingt eingehalten werden müssen.
                                                   den Semester. Außerdem wurden wir dank des                Schön wäre es auch gewesen, wenn uns direkt
                                                   Probeabis schon mal daran gewöhnt, fünf Zeit-          nach der mündlichen Prüfung und der Präsentati-
                                                   stunden über einer Klausur zu sitzen.                  onsprüfung beziehungsweise dem Kolloquium die
                                                                                                          Ergebnisse mitgeteilt worden wären und wir nicht
                                                                                                          wochenlang voller Nervosität auf den „Tag der
                                                   Warten auf den „Tag der Wahrheit“                      Wahrheit“ hätten warten müssen.
                                                                                                             Schließlich ist er da, der Tag, an dem wir unsere
                                                     Meiner Meinung nach war auch der Zeitpunkt           Prüfungsnoten erfahren. Unser Schulleiter gratu-
                                                   der Abiturprüfungen gut gewählt. So mussten wir        liert uns: Wir sind der beste Jahrgang, der je an
                                                   nicht wie unsere Vorgänger mitten im Stress des        unserer Schule Abitur gemacht hat. Und das haben
                                                   vierten Semesters auch noch das Abi schreiben,         wir sicherlich nicht nur unseren eigenen Leistun-
                                                   sondern konnten uns intensiv in den Osterferien        gen zu verdanken, sondern auch dem Zentralabi-
                                                   darauf vorbereiten. Ebenfalls denke ich, dass die      tur.
blz | SEPTEMBER 2007                                                                                                         TITEL                    9

Gut vorbereitet war es nicht

                                                                                                                                            DAS NEUE ABITUR
Die Pannen bei der Vorbereitung wurden durch gute Ergebnisse verschleiert.

vom Leistungskurs Politikwissenschaften des Gottfried-Keller-Gymnasiums

Z   um Thema Schule gab es viele Meldungen im
    letzten Jahr. Rütli weckte selbst die verschla-
fensten Bürger und Politiker auf. Viel wurde disku-
tiert über Gewalt an Schulen, Hauptschulen und
das Schulsystem an sich. Aber nicht nur hier liegt
etwas im Argen, auch die diesjährigen Abiturien-
ten sind mit ihrem neu eingeführten Zentralabitur
Sorgenkinder und bekamen die Reformwut
Deutschlands der letzten Jahre zu spüren.
   Der Berliner Senat und allen voran der langjähri-
ge Bildungssenator Klaus Böger setzten sich für
das Zentralabitur ein. Es sollte die perfekte Lösung
für die zukünftig gesuchten Fachkräfte Deutsch-
lands sein. Es sollte eine zentrale Prüfung in den
Sprachen und Naturwissenschaften geben. Die
SchülerInnen der Gymnasien sollten alle die glei-
chen Abiturklausuren schreiben und eine beson-
dere Lernleistung, das 5. Prüfungsfach, erbrin-
gen. In seiner Intention ist dieser Vorschlag nicht
zu bemängeln, nur die Umsetzung erfüllte nicht             Hoffentlich gut vorbereitet!                          FOTO: IMAGO/BONN-SEQUENZ
unsere Erwartungen.
   Am 20. April 2007, dem Tag der ersten zentra-           te ebenfalls erbracht werden. Für dieses war ein
len Prüfungen, wurden größtenteils positive Be-            Prüfungszeitraum von Januar bis Juni vorgegeben.
richte laut, die allerdings kein Spiegel für die Vor-      Je nach Umsetzung dieses Zeitraums in den Schu-
bereitung dieser Prüfungen sein können. Denn               len hatten die SchülerInnen am Ende sehr unter-
waren die für den jetzigen 13. Jahrgang geltenden          schiedliche Vorbereitungszeiten für diesen Teil
curricularen Vorgaben schon vor zwei Jahren be-            der Prüfung.
kannt, so wurden die genauen Vorgaben für das                Zudem waren die Informationen über diese neu
Zentralabitur erst zu Anfang des ersten Semesters          eingeführte Prüfungskomponente zunächst rar
publiziert. Hinzu kamen die sich ständig ändern-           und ungenau. So erhielten die SchülerInnen, wel-
den Bestimmungen. Die Lehrpläne für die Semes-             che eine 20-seitige Seminararbeit schrieben, den
ter wurden neu gestaltet, frühere Oberthemen               Leitfaden für ihre Arbeit im Oktober 2006. Es wur-
wurden zu Teilaspekten degradiert, sodass nicht            de ihnen aber nahe gelegt, ihre Seminararbeit in
alle Aspekte der erwarteten Anforderungen im Un-           den Monaten davor zu verfassen. Die Berechnung
terricht gut vorbereitet werden konnten.                   der Gesamtqualifikation und der Prüfungen konn-
   Damit das Zentralabitur schon mal geübt und             te erst in der zweiten Woche der Osterferien
auf Herz und Nieren geprüft werden konnte, gab             durchgeführt werden, da das zu verwendende
es das sogenannte Probeabitur. Im Fach Deutsch             Computerprogramm von jeder Schule eigenhändig
musste dafür noch schnell ein inhaltlicher Rah-            zu erstehen war und die Vorgaben des Senats un-
men geschaffen werden. Einige Wochen vor den               genau waren. Das bedeutete, dass die Zulassun-
Prüfungen beschäftigten sich alle SchülerInnen             gen erst nach den Osterferien vergeben werden
Berlins mit der Prosa Büchners, die für das Abitur         konnten. So ging wichtige Zeit zum Lernen verlo-
selbst nicht relevant war. Im Fach Mathematik tra-         ren.
ten die Komplikationen erst bei den Lösungsvor-              Hoffen wir, dass die SchülerInnen den Anforde-
schlägen des Senats auf. Der Erwartungshorizont            rungen besser gerecht werden als der Senat. Er-
beinhaltete die falschen Lösungsvorgaben. Selbst           wartet werden Struktur, Disziplin, Zeiteinteilung
die Prüfungsvorschriften zum richtigen Abitur un-          und überlegtes – nicht voreiliges Handeln. Die Fra-
terlagen bis einen Monat vor den Prüfungen stän-           ge nach dem Sinn stellt sich für den Jahrgang 07
digen Änderungen. Ein Beispiel ist die Prüfungs-           sowieso, denn bald gibt es in Berlin das zwölfjäh-
ordnung für die mündliche Prüfung des zweiten              rige Abitur und eine „neue“ gymnasiale Oberstu-
Aufgabenfeldes, dessen veränderter Ablauf den              fe. Falls Sie sich je gefragt haben, was mit ihren
SchülerInnen erst wenige Wochen zuvor mitgeteilt           Steuergeldern geschieht: Das Zentralabitur und
wurde. Das neu eingeführte 5. Prüfungsfach muss-           der Berliner Bürokratismus lassen grüßen.
10                           TITEL                                                                                                  blz | SEPTEMBER 2007

                                         Was kommt denn eigentlich dran?
 DAS NEUE ABITUR

                                         Über Gerechtigkeit und Vergleichbarkeit des Zentralabiturs.

                                         von Nina Niedermeyer , Abiturientin

                                                    A    ls endlich fest stand, dass wir nach den Ver-
                                                         gleichsarbeiten 2004 nun auch der erste Jahr-
                                                    gang sein werden, der in Berlin das Zentralabitur
                                                                                                             Als die Bepunktung der Probeklausuren mit dem
                                                                                                           Erwartungshorizont verglichen wurde, ergaben
                                                                                                           sich neue Fragezeichen. Ein Teil der KorrektorIn-
                                                    ausprobieren würde, sah ich der Sache alles ande-      nen gab relativ großzügig Punkte für angeschnit-
                                                    re als skeptisch entgegen. Aus inzwischen uner-        tene, aber dennoch inhaltlich mit dem Erwarteten
                                                    klärlichen Gründen vertrat ich die Meinung, die        übereinstimmende Ausführungen, andere beharr-
                                                    zentralen Prüfungen würden uns Versuchskanin-          ten fast auf den Wortlaut des Vordrucks.
                                                    chen auf jeden Fall zugute kommen, schließlich sei       Unerklärlich für uns SchülerInnen bleibt bis
              FOTO: PRIVAT

                                                    es mit den Vergleichsarbeiten ähnlich gewesen.         heute, warum in den Probeklausuren der neue mil-
                                                      Mich erwartete das Zentralabitur im Leistungs-       dere Bewertungsmaßstab angewandt wurde, ob-
                                                    kurs Deutsch und im Grundkurs Englisch. Bereits        wohl von vornherein bekannt war, dass im Abitur
                             Nina Niedermeyer       Anfang des ersten Semesters haben wir uns im           wieder der alte, härtere zählen würde. Der neue
                                                    Deutschkurs die Themenbereiche für das Abi an-         Bewertungsmaßstab legt fest, dass mit fünf Pro-
                                                    gesehen, doch keiner konnte sich wirklich etwas
                                                    darunter vorstellen. Was uns nun tatsächlich im
                                                    neuen Abitur erwartet wurde, sollten die Probe-
                                                    klausuren im September 2006 zeigen.
                                                      Auffällig war hier bereits der spärliche Informa-
                                                    tionsfluss, worauf der Fokus dieser Arbeiten lie-
                                                    gen würde. Besonders in Gesprächen mit Schüle-
                                                    rInnen anderer Schulen zeigte sich immer wieder,
                                                    dass jeder Kursleiter andere Schwerpunkte bei der
                                                    Besprechung und Auswahl von Lektüren setzte.
                                                      Hatte ich in Mathematik aufgrund eines kopier-
                                                    ten Schreibens des Senats über die gestellten An-
                                                    forderungen noch das Gefühl, gut vorbereitet in
                                                    die Klausur zu gehen, war das in Englisch alles an-
                                                    dere als der Fall. Hier kamen mir beide vorgeleg-
                                                    ten Aufgabenvorschläge schon im entfernten Sin-
                                                    ne bekannt vor, jedoch konnte ich mir beim bes-
                                                    ten Willen nicht vorstellen, welche Konkretionen
                                                    der Erwartungshorizont enthielt. Bei der anschlie-
                                                    ßenden Besprechung der Probeklausuren war mir
                                                    endgültig klar: Selbstläufer werden die neuen Prü-
                                                    fungen nicht!
                                                      Interessant ist an dieser Stelle, wie verschieden
                                                    jede Lehrkraft mit der für alle nicht vertrauten Si-
                                                    tuation umging. Trafen einige zum Beispiel in den
                                                    Fächern Deutsch und Mathematik mit ihren Schü-
                                                    lerInnen Absprachen, welches Thema auf jeden
                                                    Fall aussortiert werden würde, verweigerten ande-
                                                    re diese Kooperationsmöglichkeit strikt. Hier lässt
                                                    sich das Ziel „Einheit und Gerechtigkeit“ der zen-     zent weniger Leistung die gleiche Note bezie-
                                                    tralen Prüfungen aufgreifen. Ein Teil der Abituri-     hungsweise Punktzahl wie nach der alten Skala er-
                                                    enten war gezwungen, sich auf alle vier möglichen      reicht werden kann.
                                                    Themenbereiche vorzubereiten, während andere             Abschließend bleibt mir nur festzuhalten, dass
                                                    im Vorhinein wussten, dass sie sich um diesen          das Zentralabitur sicherlich von Vorteil sein wird,
                                                    oder jenen Bereich nicht kümmern müssen.               um berlinweit bessere Vergleichsmöglichkeiten zu
                                                      Andere SchülerInnen bekamen von ihren Kurs-          haben. Jedoch muss meiner Meinung nach noch
                                                    leiterInnen gesagt, was diese sich annähernd an        genau an den Absprachen zur Vorbereitung gear-
                                                    Aufgabenstellungen vorstellen konnten. Erwar-          beitet werden. So wie es jetzt ist, ist es ungerecht
                                                    tungshorizonte aus dem Probeabitur wurden ko-          und die Leistungen sind nicht wirklich miteinan-
                                                    piert und besprochen.                                  der vergleichbar.
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Drei wacklige Säulen
Jürgen Zöllner zeigt sich beratungsresistent – und lässt die Schulen im Regen stehen.

von Peter Sinram, Personalrat berufsbildende Schulen

S   enator Klaus Böger hatte die Berliner
    Schule noch mit einer Fülle von Refor-
men überschwemmt. Sein Nachfolger ist
                                               Ausgleiche. Pädagogische Kontinuität?
                                               Egal! Schulentwicklung? Irrelevant! Fach-
                                               liche Kompetenzen? Völlig schnurz!
                                                                                           Ein eigenständiger Schultopf könnte da-
                                                                                           bei viele Probleme lösen: Die Schullei-
                                                                                           tung schaut auf die interne Liste (auf
da verhaltener; im pädagogischen Be-              Und so sollen jetzt KollegInnen der      der ja nur Freiwillige stehen), sucht Kol-
reich konzentriert er sich auf das gebets-     Sek II an die Grundschulen gehen, um        legInnen mit den entsprechenden Fä-
mühlenartige Wiederholen der Forderung         dort den Bedarf in der flexiblen An-        chern, spricht mit ihnen die Planung
nach individuelle Förderung bei gleich-        fangsphase abzudecken. Eine Schule in       der nächsten zwei Wochen ab, und alles
zeitigem Ausweichen der Frage, wie die         Neukölln war bei 100,3 Prozent, hatte       ist in Butter. Die Vertretung kann
zur Erreichung dieses Zieles notwendi-         also rund sechs Stunden mehr als ihr        schnell organisiert werden; es wird
gen Rahmenbedingungen beschaffen               zusteht; schon musste jemand gehen.         fachgerecht vertreten; die KollegInnen
sein müssten. Dafür hat Jürgen Zöllner         An einer berufsbildenden Schule sollten     bekommen für jede Stunde die entspre-
sich auf dem Feld der Schulorganisati-         zwei 64-Jährige umgesetzt werden; das       chende volle Vergütung; für die ande-
on weit vorgewagt. Das neue Schuljahr          konnte noch verhindert werden. Am           ren entfällt Vertretungsunterricht und
wird nach drei Prinzipien organisiert:         übelsten ist folgender Tatbestand: Den      eventuell Mehrarbeit.
• Alle Schulen beginnen das neue               Paritätischen Kommissionen wurden              So wird das Konzept auch der Öffent-
Schuljahr mit einer maximalen Ausstat-         zahlreiche KollegInnen gemeldet, die        lichkeit gegenüber verkauft, und das
tung von 100 Prozent.                          sich freiwillig umsetzen lassen wollten,    nicht einmal ungeschickt. Nur GEW und
• Für kurzfristigen Vertretungsbedarf          darunter nicht wenige, die von ihrer        Personalräte sind mal wieder dagegen!
können die Schulen einen Pool in Höhe          „Freiwilligkeit“ erst hörten, als sie die      Ein Grund dafür ist, und der wird
von 3 Prozent ihres anerkannten Bedar-         Umsetzungsverfügung in den Händen           auch von den Schulleitungen geteilt,
fes selbst bewirtschaften.                     hielten oder als die Personalräte bei ih-   dass 3 Prozent nie und nimmer ausrei-
• Bei längerfristigem Vertretungsbe-           nen nachfragten, ob sie denn wirklich...    chen, um den tatsächlich anfallenden
darf – „längerfristig“ bedeutet konkret :         Es gab eine klare Alternative: Wenn      Unterrichtsausfall abzudecken. Der lag
mehr als drei Monate – wird über das           man schon das Gesamtkonzept durch-          selbst nach den Berechnungen der Se-
Verfahren der zentralen Nachsteuerung          drücken will – warum lässt man nicht        natsverwaltung in den letzten Jahren
eine Lehrkraft mit einem Fristvertrag          eine Schule bei 102 Prozent, spart sich     immer gleichbleibend zwischen 6 und
eingestellt.                                   die Umsetzungen, lässt die erfahrenen       7 Prozent. Was macht eine Schule, wenn
                                               und eingearbeiteten KollegInnen vor         der Topf leer ist? Lässt sie am Anfang
                                               Ort und verkleinert entsprechend den        des Schuljahres Unterricht ausfallen,
100 Prozent – und keine Stunde mehr            Vertretungspool? Unter dem Strich wäre      um dann im Herbst/Winter, wenn die
                                               das gleiche herausgekommen. Die Zöll-       Grippewelle droht, noch etwas im Topf
  Zunächst bleibt festzuhalten, dass           nersche Projektgruppe zur Lehrerzutei-      zu haben? Die Versprechung, dass man
Zöllner der erste Senator ist, der die         lung hat einen derartigen Vorschlag ge-     nicht ausgeschöpfte Mittel ins nächste
Schulen ohne jegliche Reserve ins neue         macht; die Verwaltung soll nun prüfen,      Schuljahr mitnehmen darf, ist nur ein
Schuljahr gehen lässt. Böger hatte vor         ob in den nächsten Schuljahren eine         billiger Köder – es bleibt nichts übrig!
vielen, vielen Jahren noch 500 Vollzeit-       Bandbreite mit einer eventuellen Über-         Schwerwiegender für unsere Ableh-
lehrereinheiten für Vertretungsbedarf          ausstattung für eine gewisse Zeit in        nung ist ein anderer Grund: Wer kommt
eingeplant; die sind schon lange weg.          Kauf genommen werden soll. Aber für         wie auf die Listen? Das Zöllnersche Mo-
In den Organisationsrichtlinien des            das kommende Schuljahr waren diese          dell kennt zwei Wege: Man kann sich di-
letzten Schuljahres waren noch 2 Pro-          sinnvollen Vorschläge noch zu früh.         rekt bei den Schulen melden und man
zent für Vertretungsbedarf vorgesehen                                                      kann sich in einer zentralen Liste ein-
– auch weg. Nun können alle Schullei-                                                      tragen lassen. Diese Liste hat den schö-
tungen nur hoffen, dass in den Ferien          Der Drei-Prozent-Topf                       nen Namen BEOv (Bewerbungen und
niemand krank geworden ist.                                                                Einstellungen Online für Vertretungs-
  Um überall die 100 Prozent zu errei-           Der allergrößte Teil des Unterrichts-     einstellungen).
chen, wurde in den letzten Wochen des          ausfalls wird durch kurzfristige Erkran-       Hier beginnt das eigentliche Problem.
alten Schuljahres ein gigantisches Um-         kungen verursacht. Ebenso kurzfristig       Wer hat einen Überblick über den Per-
setzungskarussell in Gang gesetzt. Da-         muss sich dann die Schulleitung auf die     sonenkreis auf den Listen der 622 Schu-
bei ging es lediglich um rechnerische          Suche nach Vertretungskräften machen.       len, die bei dem Projekt mitmachen           4
12      SCHULE                                                                                                  blz | SEPTEMBER 2007

     4wollen? Und wer hat einen Überblick da-         barung wird wohl nicht zustande kom-        bringt. Das hieß in der Konsequenz,
        rüber, welche dieser Personen einen           men. Das heißt aber auch, dass es für       dass Einstellungen dann nicht zuge-
        oder mehrere kurzfristige Vertretungs-        die schulischen Listen kein geregeltes      stimmt wurde, wenn noch Fristis mit
        einsätze gehabt haben? Eines ist klar:        Verfahren gibt. Kreativität ist angesagt:   gleicher Laufbahn und Fach/Fächern
        Die Zentrale hat diesen Überblick nicht       622 Schulleitungen warten auf diejeni-      vorhanden waren. Diese hat in vielen
        und will ihn auch gar nicht haben – sol-      gen, die an ihre Tür pochen, und bas-       Fällen dazu geführt, dass die Fristver-
        len das doch die Schulen alleine regeln.      teln sich eine Liste.                       träglerInnen ein Einstellungsangebot
        Die Personalräte haben ihn auch nicht,          Das zweite Listenverfahren ist inzwi-     bekamen – aber mit den obigen Ein-
        denn befristete Arbeitsverhältnisse unter-    schen fertig: Das Beteiligungsverfahren     schränkungen. Und die GEW-Personalrä-
        halb von zwei Monaten sind nicht mit-         mit dem Hauptpersonalrat zu BEOv ist        te konnten nur so agieren, weil sie die
        bestimmungspflichtig, und es ist zwei-        beendet, alle Interessierten können sich    einzigen waren, die einen Überblick
        felhaft, ob alle 622 Schulleitungen im-       elektronisch eintragen lassen. Dabei        über diesen Personenkreis hatten.
        mer brav den Personalrat informieren.         war in der ersten Vorlage noch ein wun-       Dieser Notbehelf wird nun zum Re-
          Andererseits erwirbt man sich über          derhübscher Satz enthalten, den der         gelfall. Alles auf 100 – und sonstiger
        einen Fristvertrag einen eventuellen          HPR herausboxen konnte. Zunächst            langfristiger Bedarf nur noch über Frist-
        Vorrang bei der Vergabe von unbefriste-       sollten sich alle Menschen bewerben         verträge. Das Prinzip „Hire and fire“
        ten Stellen. Mit anderen Worten: Wenn         dürfen, „die sich berufen und befähigt      wird flächendeckend auf die Schulen
        hier nicht von Anfang an Klarheit und         fühlen, in Berliner Schulen zu unter-       übertragen.
        Transparenz herrschen, kann man sich          richten.“ Die Ersetzung eines Fachstudi-
        in Zukunft jedes geordnete Einstel-           ums durch ein Gefühl – eine derartig
        lungsverfahren abschminken.                   leichtfertige Entwertung jeglicher Pro-     Was kommt hinten raus?
          Deshalb haben die GEW-Personalräte          fessionalität hatte sich ein Böger nicht
        einen konstruktiven Vorschlag gemacht.        getraut. Jetzt heißt es: „Interessierte       Auf diesem Weg wird ein zentraler
        Wir haben den Abschluss einer Dienst-         Lehrkräfte, aber z.B. auch Absolventin-     Baustein des Bögerschen Schulgesetzes
        vereinbarung zu den schulischen Listen        nen und Absolventen anderer Studien-        zu Grabe getragen. Er hatte doch stolz
        angeboten. Diese Listen sollten nur Per-      richtungen oder Studentinnen und Stu-       verkündet, dass die Schulleitungen nun
        sonen enthalten, die nicht an einem un-       denten insbesondere für das Lehramt         allein darüber entscheiden würden, wer
        befristeten Arbeitsverhältnis interes-        können sich ab sofort online ... für eine   an ihren Schulen eingestellt wird und
        siert sind, z.B. Teilzeitbeschäftigte, Kol-   Vertretungstätigkeit bewerben.“ Wie die     wer nicht. Mit diesem Argument ist die
        legInnen in Elternzeit oder in der Ruhe-      Konkurrenz der 622 Schulen um die           Verwaltung noch vor das Bundesverwal-
        phase der Altersteilzeit, Pensionäre,         wenigen Menschen z. B. für das Fach         tungsgericht gegangen und hat damit
        dienstunfähige KollegInnen. Wenn die          Latein konkret aussieht, wie schnell die    die Mitbestimmungsrechte der Perso-
        für einen begrenzten Zeitraum mit ei-         angeforderte Vertretungskraft vor Ort       nalräte bei der Auswahl von Schulleite-
        ner begrenzten Stundenanzahl aushel-          ist, wie vollmundig die Zöllnerschen        rInnen beseitigt. Und nun? Schulbezo-
        fen wollen, dann soll es deren Entschei-      Versprechungen waren – das werden           gene Ausschreibungen – einstmals ge-
        dung sein. Und die Schulleitungen le-         wir in den nächsten Monaten hautnah         dacht als Herzstück der schulischen
        gen zwei Mal im Jahr den Beschäftigten-       miterleben können.                          Personalentwicklung – sind so gut wie
        vertretungen die Listen vor. Wenn dann                                                    verschwunden. Und wenn ich eine Refe-
        Kollege Meier sich krank meldet, schaut                                                   rendarIn halten will, weil er oder sie
        die Schulleitung auf die Listen und           Letzter Ausweg: der Fristvertrag            haargenau in das Schulprofil passt?
        macht dann den Vertretungsplan. Ende                                                      Welche Schulleitung kann denn wissen,
        des Verfahrens. Wer nun die nötigen             Mit diesem Modell wurde bereits im        ob nicht irgendwo ein entsprechender
        Stunden gibt, kann einem Personalrat          letzten Schulhalbjahr flächendeckend        Fristverträgler mit dem gesetzlich abge-
        herzlich egal sein.                           operiert. Am Schluss waren über 300         sicherten Vorrang unterrichtet?
          Offensichtlich war das zu einfach.          KollegInnen im Berliner Schuldienst tä-       Die Personaldecke ist zu knapp, 100
        Vor allem die Eingrenzung auf den obi-        tig mit der Perspektive, spätestens am      Prozent reichen nicht. Der Vertretungs-
        gen Personenkreis wollte die Verwal-          11. Juli wieder ALG II entgegennehmen       topf ist zu knapp bemessen, 3 Prozent
        tung nicht akzeptieren. Ihrer Meinung         zu dürfen. Dabei war allen klar, dass       reichen nicht. Die Zentrale wird keinen
        nach sollte der Kreis weiter gezogen          diese KollegInnen nicht längerfristigen     Überblick mehr darüber haben, wer wo
        werden. Ein Beispiel: Lehramtsstudie-         Krankheitsausfall abdeckten, sondern        wie tätig ist. Die Personalräte werden
        rende ab dem vierten Semester sollen          im Regelunterricht tätig waren. Die         auch nicht mehr genau wissen, wer an
        sich auch melden können! Nun hat die          knappe Ausstattung ließ überhaupt           den Schulen einen Kürzestvertrag hat.
        GEW BERLIN immer gefordert, dass The-         nichts anderes zu.                          Die Schulleitungen haben die Verant-
        orie und Praxis in der Ausbildung stär-         Es ist uns nicht gelungen, trotz der      wortung und müssen sich durchwurs-
        ker verzahnt werden müssen, dass              vielfältigen Aktivitäten auch von Eltern,   teln. Das Modell „Unterrichtsgarantie
        Lehramtsstudierende möglichst früh            Kollegien, Schulleitungen und Schüle-       plus“ in Hessen, das eines der Vorbilder
        den Schulalltag kennen lernen sollen –        rInnen und trotz des auch hier positi-      für Berlin war, ist dort soeben glorios
        das aber bitte mit Begleitung, im Rah-        ven Medienechos, für alle Fristverträge     gescheitert. Berlin bleibt beratungsres-
        men des Studiums, mit Hilfestellung           eine Entfristung zu erreichen. Die Per-     istent.
        und Auswertung. Diese Vorschläge ha-          sonalräte der GEW BERLIN hatten sich          Eingedenk der Überschrift schließen
        ben die LehrerbildnerInnen in der Ver-        auf eines geeinigt: Es gibt nun einmal      wir mit Ludwig Uhland:
        waltung jahrzehntelang ignoriert. Nun         ein Teilzeit- und Befristungsgesetz und
        soll wohl der „Stundenlehrer“ durch die       eine Sonderreglung zum Bundesange-            „Noch eine hohe Säule
        kalte Küche wieder eingeführt werden,         stelltentarifvertrag, wonach ein Frist-       zeugt von verschwund’ner Pracht,
        und zwar als Lückenbüßer.                     vertrag einen Vorrang bei der Einstel-        Auch diese, schon geborsten,
          Wie dem auch sei, die Dienstverein-         lung auf unbefristete Stellen mit sich        kann stürzen über Nacht.“
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