BUND MAGAZIN DAS KLIMA KIPPT 04 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
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BUND FAKTEN, ANALYSEN,
AKTIONEN UND TIPPS
FÜR UMWELTBEWUSSTE
04
19
MAGAZIN
DAS
KLIMA
KIPPT
ZUR ZEIT AKTIONEN
Uran: Tödliches Erz Wir haben es satt
BUND-Reisen 2020 29.11.: Klima retten!
KLIMASCHUTZ JETZT UND FÜR ALLE! Historische 1,4 Millionen Menschen waren am 20. September Dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit unteilbar auf der Straße und haben es gemeinsam geschafft, das Klima zusammengehören, zeigen wir nur wenige Tage, bevor sich die zum Topthema zu machen. Das unwirksame Klimapäckchen Regierungen dieser Welt zur Weltklimakonferenz treffen. der Bundesregierung hat uns verdeutlicht: Nur wenn wir jetzt Eine sozial-ökologische Wende ist eine riesige Chance für eine dranbleiben, erreichen wir einen Neustart und damit echten gerechtere Gesellschaft – hier und weltweit! und gerechten Klimaschutz! Als breites zivilgesellschaftliches Bündnis rufen wir dazu auf, mit #FridaysForFuture auf die Straße zu gehen. Wenn wir alle zusammenstehen, treiben wir die Regierung zum nötigen Handeln! Machen Sie mit: Kommen Sie am 29. November zu Ihrer Demonstration vor Ort! www.bund.net/klima-streik
BUNDmagazin 4 | 19 › INHALT 3
INHALT
10
24. Oktober:
Protestaktion auf
der Zugspitze.
LIEBE LESERINNEN
UND LESER,
J. Farys
»die Jahre wie die Wolken gehn« heißt es
in einem Gedicht von Eichendorff, das
Hugo Wolf ganz wunderbar vertont hat.
6
Man hat den Eindruck, als jage die Zeit
immer schneller und flüchtiger dahin –
30 ob das mit dem Älterwerden zu tun hat?
Globale Ereignisse tun ein Übriges, dass
sich die Erde scheinbar rascher dreht.
All die Hiobsbotschaften in diesem Jahr!
AKTUELLES ZUR ZEIT
Kaum eine Woche ohne Berichte von
4 Kurznachrichten 28 Uran: Tödliches Erz
neuen Klimaextremen oder großflächig
7 Gerettete Landschaft 29 Nachhaltigkeitsziele
zerstörter Natur. Und das in einer Phase,
8 Hubert Weiger zieht Bilanz 30 BUND-Reisen 2020
in der viele mächtige Länder offenkundig
31 Erfolge im Grünen Band
umweltfeindlich regiert werden.
TITELTHEMA
10 Klimaschutz jetzt! NATUR IM PORTRÄT
Doch für Resignation – so der Titel des
12 Das Klima kippt 32 Bedrohte Pilzwelt
erwähnten Liedes – ist ja auch keine Zeit
14 Mehr Strom aus Wind und Sonne 34 Oderwiesen Neurüdnitz
mehr. Wir müssen handeln! In unserem
16 Wald in Not
Titelthema erfahren Sie, was Deutschland
18 Klimaziele im Verkehr AKTIV
zur Rettung des Klimas beitragen muss.
20 Neue BUND-Kampagne 36 Winfried Berner im Gespräch
21 Interview mit Claudia Kemfert 38 Neues aus dem BUND
Beim BUND hat sich ebenfalls etwas
40 Internationales
getan: Seit einer Woche (wenn Sie dies
AKTIONEN 42 Die junge Seite
lesen) haben wir einen neuen Vorstand.
24 Wir haben es satt
Er wird sich Ihnen in der nächsten Ausgabe
25 Das Klima kippt: Handelt! SERVICE
vorstellen. Schon in diesem Heft blickt
44 Leserbriefe
unser langjähriger Vorsitzender Hubert
GUT LEBEN 46 Marktplatz
Weiger auf seine Amtszeit zurück.
26 Solarstrom selbst erzeugt 48 Medien: Neu erschienen
27 Mikroplastik aus der Wäsche 50 Kontakte und Impressum
Das BUNDmagazin ist die
Severin Zillich
Mitgliederzeitschrift des BUND. Redaktion
4 BUNDmagazin 4 | 19 › AKTUELLES
AKTUELLES
ALLEE DES JAHRES von Heidi Sprenger (siehe Foto). Die etwa
fünf Kilometer lange Allee liegt im Land-
lichen Mecklenburg. Mit ihrem Pflaster
sei sie ein wertvolles Kulturgut, das Ein-
Zum Tag der Allee am 20. Oktober kürte kreis Rostock. heimische wie Touristen anziehe. Die
der BUND aufs Neue eine »Allee des Jah- Dazu die Jury: »Das Morgenlicht verleiht Auszeichnung solle auf den Wert und die
res«. Aus über 250 eingesendeten Fotos der alten Allee einen besonderen Zauber. Schutzbedürftigkeit dieser und anderer
wählte eine Jury die »Rosskastanienallee Dicht stehen die Baumstämme, und die Alleen hinweisen.
von Eickelberg nach Eickhof im Frühnebel« Kronen bilden ein geschlossenes Blätter- Der 2. Preis ging an eine Lindenallee bei
dach über dem Kopfsteinpflaster. Neuenkirchen auf Rügen. Fotografiert hat
Neben den Kastanien bietet sie Mario Fürstenberg während eines Ur-
auch der Wegesrand Lebens- laubes dort. Den 3. Preis gewann Heidrun
raum für viele Insekten, Vögel Heinze für ein Alleenmotiv aus Varel in
und Kleintiere.« Die Fotografin Niedersachsen. Einen Sonderpreis beka-
ergänzt: »Dies ist meine Lieb- men die jungen Alleenpaten der Freien
lingsallee. Bewundernswert, wie Schule Rügen in Dreschvitz. Ihr Bild »Ver-
die knorrigen Kastanien trotz wurzelt« zeigt alte und junge Bäumen ne-
der Miniermotte jedes Jahr ihre beneinander und verdeutlicht, wie wichtig
Früchte zur Reife bringen!« es ist, in Alleen nachzupflanzen.
Laut der Alleenexpertin des
BUND, Katharina Dujesiefken,
i
stehe die Allee beispielhaft für ALLE BILDER
finden Sie unter: www.bund.net/allee2019
viele schöne Alleen im länd
WILDKATZEN WANDERN NORDOSTWÄRTS
Datengrundlage: Bundesamt für Naturschutz, zuständige Länderbehörden und Institutionen, BUND
Gute Nachricht für den Artenschutz: Die Gefahr des Straßentods existenziell. Daher
gefährdete Wildkatze breitet sich weiter fordert der BUND dringend Grünbrücken Hamburg Schwerin
in Deutschland aus. Erstmalig konnte der und andere Querungshilfen zu errichten. Wendland
Bremen
BUND im niedersächsischen Wendland Die Ausbreitung wird auch durch Siedlun- Lüneburger
Heide
Colbitz-Letzlinger
Hannover
mehrere Wildkatzen nachweisen.
Heide
gen und Agrarwüsten behindert.
Berlin
Elm Magdeburg
Fläming
Leine-Weser- Hakel
»Wir hoffen, dass die Wildkatze auch die Seit 15 Jahren untersucht der BUND die Bergland
Solling Harz
Akener Elbauen
Dübener Heide
Lau
weitläufigen Wälder Nordostdeutschlands Bestände der Wildkatze im Projekt »Ret-
Halle s itz
Leipzig
Rothaargebirge- Hainich Kyffhäuser Leipziger
Kellerwald Kreis Auwald
zurückerobert«, so BUND-Expertin Silvia tungsnetz Wildkatze«. Langsam erobert
Köln
Hessisches Eisenach Erfurt Dresden
Bonn Bergland Greizer Wald
Kottenforst
Bender. Eine Wiederausbreitung gen Osten die Wildkatze verlorenes Terrain zurück.
Vogels-
berg Vogtland
Westerwald Rhön N
Frankenwald
legen auch jüngste Funde in Süd-Branden- So gilt das Saarland wieder als flächen-
Taunus
Eifel Haßberge 0 40 80 km
Spessart
Hunsrück
burg, Ost-Sachsen-Anhalt, der Lüneburger deckend besiedelt. Auch in Bayern wurden
Steigerwald Oberpfalz
Nürnberg
Pfälzerwald Nürnberger
Heide und Nordsachsen nahe. die Tiere vielerorts neu entdeckt. Stromberg-
Heuchelberg
Land
Stuttgart
Doch auf dem Weg droht allerhöchste
Bayerischer
Bundesweit konnte der BUND rund
südl. Nationalpark
Wald Thayatal
Schwarzwald Frankenjura
Kaiserstuhl/
Gefahr. Der Straßentod bleibt die häufigste 1300 Wildkatzen nachweisen. Insgesamt
S c hw
Rheinauen München
Wälder westl.
unnatürliche Todesursache für heimische leben in Deutschlands Wäldern wohl 6000 Augsburg
en
Wildkatzen. So starb die erste in Branden- bis 8000 Tiere.
Al p
burg entdeckte Wildkatze an einer Land- Verbreitung der Europäischen Wildkatze
(Nachweise 2008–2019)
straße. In Rheinland-Pfalz wurden seit An-
i
Wildkatzenverbreitungsgebiet
fang 2018 über hundert Wildkatzen über- WWW.BUND.NET/WILDKATZE geeignete unbesiedelte Lebensräume (> 500 km2)
fahren. Für kleinere Populationen ist die Wildkatzenkorridore
Bücher für Garten & Haus
BUNDmagazin 4 | 19 › AKTUELLES 5
POWER-TO-X: KEIN ALLHEILMITTEL
Wandelt man erneuerbaren Strom um in Wirklich klimaneutral sind PtX-Techno-
Anders gärtnern. Margit Rusch 94 S., 13,95 €
synthetische Kraft- und Brennstoffe wie logien nur, wenn das CO2 aus der Luft ge- Mein Selbstversorger-Garten. K. Forster 125 S. 15,95 €
Methangas oder Methanol (eine Basis- wonnen wird. Die fossilen Emissionen der Mein kleiner Permakultur-Garten. J. Chauffrey 94S. 14,95 €
Chemikalie für die Industrie), nennt man Fabrik werden ja trotzdem frei, nur statt
das Power-to-X. Diese Umwandlung wird am Schornstein zeitverzögert am Auspuff.
derzeit oft als Allheilmittel für die Ener-
giewende angepriesen – besonders im WO SINNVOLL?
Verkehr und im Gebäudesektor; beide Power-to-X-Technologie ist darum nur
sind meilenweit entfernt davon, ihre Zie- dort sinnvoll, wo keine direkt-elektrische
le zum Schutz des Klimas zu erreichen. Alternative absehbar ist – etwa um die
Naturkeller. C. Lorenz-Ladener 139 S., geb. 19,90 €
Dank synthetischer Kraftstoffe aus erneu- Chemie-Industrie unabhängiger von fossi- Kleine Baumhäuser. D. Stiles 93 S. 12,95 €
erbarer Energie werde Autofahren und len Rohstoffen zu machen. Nützlich kann Ideenbuch Garten. P. Himmelhuber 124 S. 15,95 €
Fliegen klimaneutral, so die Botschaft. sie auch als Speicher sein, um die Energie-
Auch alte Öl- und Gasheizungen könnten versorgung zu stabilisieren; oder aber als
mit synthetischen Brennstoffen besten Energieträger im Schiffs- und Flugverkehr,
Gewissens weiterbetrieben werden. für unvermeidliche Reisen und Transporte.
Doch schonen die »grünen Gase« oder Um Umweltschäden durch Power-to-X-
Power-Fuels wirklich das Klima? Der Stoffe auszuschließen, braucht es einen
Schein trügt. Denn die Produktion von strengen rechtlichen Rahmen. Ansätze
Trockenmauern f. d. Garten. Spitzer, Dittrich 93 S. 13,95 €
synthetischem Diesel oder Methangas für ihre klimafreundliche und nachhaltige Permakultur im Hausgarten. J. Gampe 141 S. 16,95 €
verschlingt enorme Mengen Strom. Weil Produktion hat das Öko-Institut in einem Einfach Pilze anbauen. Sylvia Hutter 94 S. 14,95 €
Elektromotoren zudem effizienter sind, BUND-Impulspapier zusammengestellt.
benötigt ein Auto mit synthetischem Fazit: Power-to-X darf kein Freibrief für
Kraftstoff für die gleiche Strecke fast »Weiter wie bisher« sein. Für die Energie-
zehnmal mehr Energie als ein E-Auto. wende bleibt es am wichtigsten, den Ener-
Ferner braucht, wer Power-to-X-Produkte gieverbrauch stark zu senken. Nur so wird
herstellt, CO2. Dies wird bisher vorwiegend Deutschland seine Klimaziele erreichen.
aus der Abluft großer Fabriken gewonnen
Lauben und Hütten. C. Lorenz-Ladener 158 S. 16,95 €
(Stahl, Zement …) – mit der Gefahr, eine Kompost-Toiletten. W. Berger 102 S., geb. 17,95 €
Daseinsberechtigung für nicht-nachhaltige
Industrieprozesse zu schaffen.
i WWW.BUND.NET/PTX-STUDIE Backöfen in Haus u.Garten. Spitzer, Dittrich 94 S. 14,95 €
DIE ZAHL: 3
Drei Flaschen guten Sekt empfiehlt erst dann ist die größte GAU-Gefahr Das Holzbackofen-Kochbuch. H.u.D. Jones 128 S. gb. 19,95 €
Dörren – Aroma pur. Cl. Lorenz-Ladener, 125 S. geb. 17,95 €
der Geschäftsführer des BUND beseitigt. Und die dritte Flasche solle Milchsauer eingelegt. Cl. Lorenz-Ladener, 117 S. geb. 16,95 €
»Südlicher Oberrhein«, Axel Mayer, man gut lagern: In etwa einer Million
zu kaufen, falls wie angekündigt im Jahre ist der Großteil des in Fessen-
nächsten Sommer Frankreichs ältes- heim angefallenen Atommülls zerfallen.
tes Atomkraftwerk vom Netz geht: Dann gibt es wirklich Grund, auf die
Fessenheim im grenznahen Elsass. Schließung des Meilers anzustoßen.
Die erste Flasche öffne man am Tag
der endgültigen Abschaltung beider
Reaktoren. Die zweite öffne man am Vogel-Futterplätze flechten. J.Ridgeon 94 S. 13,95 €
Steine kreativ bemalen. F. Sehnaz Bac 93 S. 13,95 €
Tag der Entleerung der Brennelemente- Bauen mit Frischholz. A.u.G. Bridgewater 80 S. 12,95 €
Zwischenlager in etwa fünf Jahren –
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6 BUNDmagazin 4 | 19 › AKTUELLES
KURZ & GUT
»Only bad news
is good news«
heißt es, vor allem In Thüringen wurden erstmals seit
schlechte Nachrichten 2015 wieder junge Luchse doku-
mentiert (siehe Foto Seite 3). Auf-
erregen also unsere
Aufmerksamkeit. 1000 HINWEISE genommen wurde eine Luchsin mit
drei Jungtieren im Südharz, wo der
Schon über 1000 Hinweise auf den BUND mit der Universität Göttingen
Doch positive Neuig- Gartenschläfer: »Die Resonanz auf den Luchsbestand untersucht. Burk-
keiten aus unserem unsere ›Spurensuche Gartenschlä- hard Vogel, Landesgeschäftsführer
fer‹ ist großartig«, freut sich BUND- des BUND: »Wir freuen uns sehr
Verband und aus dem Experte Johannes Lang von der Uni- über den Nachweis der kräftigen
Umwelt- und Natur- versität Gießen. »Dank dieser Unter- Jungtiere.« Doch bleibe die Situation
stützung erhalten wir ein immer der heimischen Luchse weiterhin
schutz tun einfach gut. genaueres Bild seines Verbreitungs- besorgniserregend. Nur rund 85 er-
Einige aus jüngster Zeit gebietes.« Und das ist vor allem wachsene Tiere leben derzeit bei
deshalb wichtig, weil das deutsche uns, vielfach isoliert voneinander.
haben wir wie immer Areal der Schlafmaus in den vergan- Und ihre (Wieder-)Ausbreitung ver-
für Sie ausgewählt. genen 30 Jahren um über die Hälfte läuft äußerst zögerlich. Mehr dazu:
geschrumpft ist. Haben auch Sie www.bund.net/luchs
einen Gartenschläfer gesehen?
Dann melden Sie dies bitte unter:
www.gartenschlaefer.de
GERETTET
Der ToxFox ist bald noch schlauer. Denn Aus für geplanten Hafen: Nach 30 Jahren
die kostenfreie BUND-App spürt in Kürze Erfolg in der Lausitz: In Brandenburg begrub die Stadt Köln Ende September
auch Nanomaterialien in Kosmetik auf. soll es keine neuen Braunkohle- ihren Plan, in Köln-Godorf einen Hafen
Nanostoffe sind extrem kleine Partikel. tagebaue geben und die bestehen- auszubauen. Für den BUND NRW ein gro-
Daher können sie weit in unseren Körper den nicht mehr erweitert werden. ßer Erfolg, hatte der Landesverband doch
eindringen. Einige von ihnen überwinden Darauf einigte sich die neue Kenia- seit vielen Jahren für ein Naturschutz-
sogar die Blut-Hirn- und die Plazenta- Koalition aus SPD, CDU und Grünen. gebiet gekämpft, das der Ausbau zerstört
Schranke und schaden so möglicherweise Nun muss schnellstmöglich der hätte. Nach Demonstrationen und Mahn-
dem ungeborenen Leben. Nanostoffe wer- Braunkohlenplan für den ursprüng- wachen, einem Auencamp, Bürgerbefra-
den unter anderem in Gesichts cremes, lich noch vorgesehenen Tagebau gungen und gerichtlichen Erfolgen war es
Sonnenschutz, Make-up und Reinigungs- aufgehoben werden – damit das die beharrliche politische Überzeugungs-
sprays eingesetzt. Der ToxFox wird direkt bislang von Baggern bedrohte Dorf arbeit, die das Vorhaben letztlich zu Fall
Auskunft geben, ob Nanostoffe in Kosme- Proschim mit seinen ca. 275 Einwoh- brachte. Besonders erfreulich: Die Stadt
tik enthalten sind. Sie können dann eine ner*innen endlich gerettet ist. Deren will die ca. 35 Hektar große »Sürther Aue«
Wahl treffen und sich für Produkte ohne Kampf für die Heimat hat der BUND übernehmen und als Naturraum bewahren.
Nanostoffe entscheiden. Mehr dazu unter: viele Jahre engagiert unterstützt. Der BUND bot bereits an, das wertvolle
www.bund.net/toxfox Areal zu pflegen und zu schützen.
GERETTETE
LANDSCHAFT
Der BUND-Biohof Wendbüdel bei Oldenburg pflegt
seit Jahren die weitläufigen Wiesen im
Naturschutzgebiet »Bornhorster Huntewiesen«.
Die Feuchtwiesen entlang der Hunte bilden
auf 360 Hektar ein wichtiges Brutgebiet für gefährdete
Vögel wie Kiebitz und Bekassine. Zudem sind sie ein
Vogelrastgebiet von internationaler Bedeutung. Dank
der extensiven Bewirtschaftung sind auch seltene
Pflanzen wie das Graben-Veilchen zurückgekehrt.
BUND Overesch
8 BUNDmagazin 4 | 19 › AKTUELLES
RÜCKBLICK
WIR SIND
POLITISCHER
GEWORDEN
Nach 12 Jahren Amts- innerverbandliche Konflikte und können land, mit einer Bahn, die einen doch regel-
so mehr Kraft nach außen entwickeln. mäßig Zeit und Nerven kostet …
zeit zieht Hubert Weiger
im Gespräch mit dem Was hat sich Ihnen besonders eingeprägt? Was raten Sie Ihrem*r Nachfolger*in?
Lange galt es als unmöglich, in Berlin gro- Der BUND hat ein absolut positives Po-
BUNDmagazin Bilanz. ße Umweltdemos zu organisieren. An der tenzial, mit unheimlich vielen Menschen,
ersten Demo unserer Klimaallianz Ende die sich engagiert einsetzen. Dieses Po-
Herr Weiger, warum haben Sie sich bei 2007 nahmen gerade mal 2000 Leute teil, tenzial zu sichern, erscheint mir als ganz
der Delegiertenversammlung Anfang No- mit einer einzigen BUND-Fahne … Danach wichtige Aufgabe, dann läuft viel von selbst.
vember nicht wieder zur Wahl gestellt? bauten wir rechtzeitig die nötigen Struktu- Gleichzeitig gilt es unsere Facharbeit und
Ich fand, es ist Zeit für einen Wechsel, um ren auf, um dank breiter Proteste den Unabhängigkeit zu sichern. Der BUND ist
neue Entwicklungen im BUND anzustoßen. Atomausstieg mit herbeizuführen. Beein- frei von jeglichem Sponsoring. Das wahrt
Müde oder gar demotiviert bin ich nicht, druckt hat mich auch die Kreativität der unser höchstes Gut, die Glaubwürdigkeit,
im Gegenteil. Dass gerade junge Men- BUNDjugend bei unseren »Wir haben es und damit unsere Zukunft. Seit 2007
schen unsere Anliegen heute so lautstark satt«-Demos im Januar. konnten wir unsere Mitgliederzahl fast
unterstützen, haben wir uns ja immer ge- verdoppeln, die Einnahmen verdreifachen.
wünscht. Damit eröffnet sich – auch dem Was sind Sie froh erreicht zu haben? Wir sind also auf dem richtigen Weg.
neuen Vorstand – eine singuläre Chance, Den endgültigen Atomausstieg – und
wichtige Weichen zu stellen. dass wir den Ausstieg aus der Kohle ein- Was wünschen Sie dem BUND?
leiten konnten. Vor zehn, fünfzehn Jahren Dass wir weiter basisdemokratisch über
Wie hat sich der BUND im Laufe Ihrer waren noch über 30 Kohlekraftwerke ge- gemeinsame Ziele zu gemeinsamen Er-
Amtszeit verändert? plant – die meisten konnten wir verhindern! gebnissen finden, trotz manchmal unter-
Wir sind politischer geworden, und erheb- Dank unserer Facharbeit und vieler De- schiedlicher Positionen. Und dass wir
lich präsenter, auch auf der Straße. Wir mos für die Agrarwende hat heute auch weiter zu einem ganzheitlichen Nachhal-
sind heute kampagnenfähig und können die Frage der Tierhaltung eine andere tigkeitsverband werden, positive Ansätze
viele Menschen mobilisieren, ob für den Dringlichkeit. Und wir konnten die Gen- fördern und Zug um Zug politisch umset-
Kohleausstieg oder eine bäuerliche Land- technik in der Landwirtschaft verhindern. zen, mit Verbündeten wie den Gewerk-
wirtschaft. Zu dieser positiven Entwick- 2007 trat ich mit dem Vorsatz an, den schaften oder dem Deutschen Kulturrat.
lung hat sicher unser Leitbild beigetragen, BUND umwelt- und naturschutzpolitisch
an dem der frühere Vorstand intensiv ge- stärker sichtbar zu machen. Es freut mich, Bleiben Sie dem BUND erhalten?
arbeitet hat. So konnte der BUND mit all dass das Realität wurde, der BUND spielt Ich werde mich natürlich weiterhin für
seinen Gruppen und Landesverbänden in der ersten Liga der Umweltverbände. den Verband engagieren. Wie können wir
zusammenwachsen. Unsere thematische mit demokratischen Instrumenten unsere
Vielfalt belastet uns nicht länger, sie Worauf werden Sie nach Ihrem Abschied natürlichen Lebensgrundlagen besser be-
zeichnet uns positiv aus: »Der BUND ist am leichtesten verzichten können? wahren? Hierfür möchte ich mich künftig
bunt« ist das Leitmotiv. Wir haben weniger Auf das Hin- und Hergereise in Deutsch- besonders einsetzen.
Zeit für gute Energie Wechseln Sie jetzt zu echtem Ökostrom und nachhaltigem Biogas und erhalten Sie ein Startguthaben von 25 Euro je Vertrag: www.naturstrom.de/energie19 • 100 % echter Ökostrom aus deutscher Wasser- und Windkraft • klimaneutrales Biogas ausschließlich aus Rest- und Abfallstoffen • unabhängig von Kohle-, Öl- und Atomindustrie • Bau und Förderung neuer Öko-Kraftwerke • fairer Preis, keine Mindestvertragslaufzeit, ausgezeichneter Kundenservice
Jörg Farys
Jörg Farys Der Schutz des Weltklimas ist eines der obersten Gebote unserer Zeit, die Daten der Klimaforschung lassen da keinen Zweifel mehr zu. Folgerichtig verspricht die Präsidentin der neuen EU-Kommission, Ursula von der Leyen, in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit ein Klimaschutz- gesetz zu verabschieden, als Teil eines »Green New Deal« für Europa. Wird dieses Gesetz mehr Anlass zur Hoffnung geben als das klägliche deutsche Klimaschutz- programm? Und wird der Weltklimagipfel im Dezember neuen Schwung bringen, um die Erderhitzung in einem noch erträglichen Rahmen zu halten? Wie auch immer – Deutschland muss seinen Beitrag leisten. Und damit die Bundesregierung das Nötige tut, müssen wir alle sie immer wieder dazu auffordern, das Klima endlich besser zu schützen. So, wie die vielen, vielen Menschen, die ihre Erwartungen beim bundesweiten »Klimastreik« am 20. September geäußert haben. Eine Auswahl ihrer Demoschilder illustriert die folgende Titelstrecke.
12 BUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA
KLIMASCHUTZ
DAS KLIMA
KIPPT
Während die Temperaturen steigen, scheitert
die Bundesregierung daran, Deutschlands
Beitrag zur Klimakrise deutlich zu verringern.
Dabei ist Eile geboten.
OLAF BANDT Millionen von Menschen müssen bereits bekanntester Frühlingsbote erscheint das
ihre Heimat verlassen, weil sie nicht mehr Schneeglöckchen Jahr für Jahr zeitiger –
leitet als Bundesgeschäfts-
genug Trinkwasser haben oder ihre Häu- im Mittel um beinahe fünf Tage pro Jahr-
führer die Politik und
Kommunikation des BUND. ser zerstört wurden, durch Wirbelstürme, zehnt. Und immer früher blühen auch die
den steigenden Meeresspiegel oder Über- Apfelbäume und sprießt das Laub.
schwemmungen. Auch bei uns wird die Was diese Verschiebung für den Le-
ANTJE VON BROOCK Klimakrise immer spürbarer. Nach 2018 – benszyklus von Tieren und Pflanzen oder
dem heißesten Jahr seit Beginn systema- die Ernten bedeutet, ist noch nicht abseh-
ist seine Stellvertreterin
tischer Aufzeichnungen – war auch 2019 bar. Die Gefahr für die biologische Vielfalt
und leitet die Abteilung
Klimaschutz. deutlich zu warm und zu trocken. ist jedenfalls enorm. Denn je nach dem
Ausmaß der Erhitzung droht uns der Ver-
WAS UNS DROHT lust von einem Viertel bis zur Hälfte aller
Das Bundesamt für Bevölkerungs- und Arten weltweit.
Katastrophenschutz nahm die Alarmsig-
D ie deutsche Klimapolitik lebt von
Ankündigungen. Jahrelang wurde
gar nichts oder zu wenig getan. Mit fata-
nale zum Anlass einer Risikoabschätzung.
Demnach könne schon eine Dürreperiode
von fünf Jahren in Deutschland regional
MUTLOSES KLEIN-KLEIN
Das Pariser Klimaabkommen von 2015
verpflichtet alle Staaten darauf, den glo-
len Folgen: Der Ausstoß von Treibhaus- die Trinkwasserversorgung erschweren – balen Temperaturanstieg auf möglichst
gasen blieb ein Jahrzehnt fast konstant. von den Folgen für die Landwirtschaft 1,5 Grad zu begrenzen. Doch die Bundes-
Gleichzeitig nimmt die Klimakrise be- ganz zu schweigen. Ob der Trockenheit regierung ließ die Umsetzung des Abkom-
drohliche Ausmaße an: Die Erde erhitzt sind in den vergangenen zwei Jahren be- mens schleifen. Auch der Kompromiss
sich immer schneller, der vergangene reits über 100 000 Hektar Bäume verloren der Kohlekommission für einen Ausstieg
Sommer lieferte eine neue Serie globaler gegangen. Der Zustand vieler Forste ist aus der Kohle bewegte bislang wenig.
Temperaturrekorde. Und das Risiko, katastrophal. In Dürrezeiten erhöht sich Und das seit März tagende Klimakabinett
wenn die Temperaturen weltweit die zudem die Waldbrandgefahr. verstand sich vor allem darauf, mit An-
Schwelle von 1,5 Grad überschreiten, Infolge des Temperaturanstiegs ver- kündigungen den Klimaschutz zu verzö-
scheint größer als bisher angenommen. schieben sich auch die Jahreszeiten. Als gern. Sein am 20. September vorgelegtesFoto: Michael Mustermann
BUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA 13
20. September in Berlin, bei der großen Klimademo der
Umweltverbände mit »Fridays for Future«. Wenige Stunden
zuvor hatte die Bundesregierung ihr Klimapaket vorgestellt.
In der Landwirtschaft müssen wir die
Agrarpolitik der EU nutzen, um klimaver-
träglicher zu werden. So muss der Tier-
bestand in Deutschland insgesamt
deutlich reduziert werden, beson-
ders im extrem güllebelasteten
Nordwesten.
Klimaschutz heißt auch: mehr
Geld für den Naturschutz! Denn
Moore und alte Wälder oder Vieh-
weiden vermögen CO2 dauerhaft
»Klimapäckchen« zeichnet sich vor allem ausbauen, dezentral und zu speichern. Bund und Ländern
durch Mutlosigkeit und Klein-Klein aus. naturverträglich. Dieser Ausbau darf nicht muss der Naturschutz deshalb deutlich
Derweil baggert RWE weiter Kohle ab länger so gedeckelt sein, dass er hinter mehr wert sein.
und bedroht den Hambacher Wald so- dem Notwendigen zurückbleibt (siehe
wie die Dörfer rings um die Tagebaue. Folgeseite). Und die Behörden sind so UMWELTGERECHT UND SOZIAL
Deutschlands Autokonzerne entwickeln auszustatten, dass sie den Ausbau nicht Für den BUND gehen soziale Gerechtig-
immer neue energiefressende SUV-Mo- hemmen. Das Engagement vieler Bürger- keit und Klimaschutz Hand in Hand. Das
delle. Und bei der Energieeffizienz tut sich *innen für die Energiewende muss sich eine kann ohne das andere nicht gelingen.
wenig bis nichts. wieder lohnen. Wer sich bemüht, klimaschonend zu leben,
Die nachhaltigste Energie ist allerdings darf nicht belastet, sondern muss ent-
WAS JETZT NOT TUT die, die wir nicht verbrauchen. Daher müs- lastet werden. Auch dafür haben wir Vor-
Die Krise ist so offenkundig und der Ent- sen alle gesetzlichen Maßnahmen fürs schläge, im Bezug auf eine mieterfreund-
scheidungsstau so massiv, dass inzwi- Energiesparen endlich auch umgesetzt liche Gebäudesanierung oder Kaufanreize
schen Hunderttausende Menschen auf werden: mit verbindlichen Zielen für Ver- für sparsame Kleinwagen.
die Straße gehen. Junge Menschen, alt- kehr, Landwirtschaft etc., koordiniert von Dabei gilt: Der Klimaschutz kann die
gediente Umweltaktive, Familien, Kinder einer unabhängigen Institution. verfehlte Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
und Großeltern fordern mehr Klimaschutz der Vergangenheit nicht grundsätzlich
für eine lebenswerte Zukunft. WAS AUSSERDEM HILFT heilen. Doch vieles, was das Klima schont,
Die Fachwelt ist sich einig, welche Zu den schnell wirksamen Maßnahmen kommt auch uns Menschen zugute. Nur
Schritte kurzfristig wirksam wären und gehört ein Tempolimit von 120 auf Auto- ein Beispiel: Mobil zu sein mit besserem
viel CO2 einsparen könnten. Und dass es bahnen und 80 auf Landstraßen sowie öffentlichem Verkehr, mit mehr Rad- und
wichtig ist, ein neues Klimaschutzgesetz eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h Fußverkehr hieße ja auch für Millionen
mit Prüf- und Sanktionsmechanismen zu in der Stadt. Mittel- bis langfristig machen von uns: endlich weniger Lärm und Schad-
versehen, die greifen, wenn Klimaziele sich Investitionen in den öffentlichen stoffe, mehr Grün und ein verbessertes
weiterhin verfehlt werden. Wichtig wäre Nah-, Fern- und Güterverkehr bezahlt. Zu- Mikroklima. Damit erhöht sich unser aller
ferner, noch 2019 ein Ausstiegsgesetz für dem fordert der BUND keine Lebensqualität.
die Braun- und Steinkohle zu beschließen. weiteren Fernstraßen zu
Denn in keinem Bereich lässt sich der bauen und das frei wer-
i
MEHR INFORMATIONEN
CO2-Ausstoß schneller senken. dende Geld in klima-
Das BUND-Sofortprogramm für
Die zwingende Kehrseite der schonende Mobilität mehr Klimaschutz finden Sie unter:
Medaille: Wir müssen die er- umzuleiten. www.bund.net/dringliche30
neuerbaren Energien weiter14 BUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA
ERNEUERBARE ENERGIEN
MEHR STROM
AUS WIND
UND SONNE
Der Ausbau der Wind- und Solar-
kraft ist essenziell für den Klima-
schutz. Ein Blick ins CSU-regierte
Bayern zeigt beispielhaft, wie weit
Anspruch und Wirklichkeit in der
Großen Koalition auseinanderliegen
können. Auch bundesweit sind die
Defizite erheblich.
RICHARD MERGNER
ist der Vorsitzende des BUND in Bayern.
WINDKRAFT VERHINDERT
Trotz aller Show aber regiert die CSU in Bayern weiter gegen Kli-
ma und Umwelt: Sie sperrt sich dagegen, konsequent Energie zu
S eit einigen Monaten gibt sich Bayerns Ministerpräsident
Markus Söder betont grün. Er umarmt Bäume und ver-
spricht den Klimaschutz mit Baumpflanzungen voranzubringen.
sparen. Und sie lehnt eine Steuer für CO2 genauso ab wie den
Ausbau der erneuerbaren Energien. So hat sie den Ausbau der
Windkraft in Bayern fast komplett abgewürgt. Schuld daran ist
Doch seine Politik bleibt klimaschädlich. Die Gründe für diesen die »10H-Regelung«: Demnach erhalten Windräder das nötige
öffentlich zelebrierten Bewusstseinswandel liegen auf der Hand: privilegierte Baurecht nur, wenn sie mindestens zehnmal so weit
Bei der Landtagswahl im Oktober 2018 und den Europawahlen von der nächsten Wohnbebauung entfernt sind, wie ihre Höhe
verbuchte die CSU große Verluste, die Grünen gewannen deutlich misst. Moderne Windräder können damit in Bayern seit 2014 nur
dazu. Auch war das bayerische Volksbegehren pro Artenvielfalt noch zwei Kilometer und mehr abseits der Siedlungen errichtet
überraschend erfolgreich. werden.BUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA 15
Diese willkürliche Abstandsregel erfüllte ihren Zweck – näm- Ebenso fordern wir den Zwang zur Ausschreibung bei der
lich den Ausbau der Windkraft landesweit zu verhindern. Selbst Windkraft an Land abzuschaffen; und selbst erzeugten und ver-
Vorhaben, die der BUND nach intensiver regionalplanerischer brauchten Strom nicht länger mit Netzabgaben zu belasten. Um
Auswahl von Vorrang- und Tabugebieten akzeptiert hatte, konnten mehr Dächer mit Photovoltaik zu bestücken, ist in allen größeren
nicht realisiert werden. Städten ein verbindliches Solarkataster nötig – sowie eine
Pflicht zum Besatz bei Neubauten und Dachsanierungen.
KLIMASCHUTZ GESCHWÄCHT Windkraft- und Solaranlagen, die nach 20 Jahren aus der För-
Auch fünf Jahre später sieht die CSU keinen Anlass, ihre Blockade derung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fallen, müssen wirt-
gegen die Windkraft und den Klimaschutz aufzugeben. Der schaftlich weiterbetrieben werden können, gesetzlich abgesichert.
BUND in Bayern kämpft gemeinsam mit Bürgerenergiegenossen- Um den Ausbau des Stromnetzes aus ökologischen Gründen be-
schaften und fortschrittlichen Stadtwerken gegen die fachlich grenzen zu können, steht der BUND zudem für eine dezentrale
unbegründete 10H-Regel. In unserem Energiekonzept fordern wir Verankerung der Energiewende.
viermal mehr Strom mit Photovoltaik zu gewinnen und doppelt
so viel Strom mit naturverträglicher Windkraft. MEHR DRUCK NÖTIG
Markus Söder ist maßgeblich auch für das enttäuschende Was uns auf Bayerns Beispiel zurückführt: Die CSU blockiert
Klimapaket der Bundesregierung verantwortlich. Etwa bei dem eine dezentrale Energiewende in der Hand von Bürger*innen und
Einstiegspreis von 10 Euro pro Tonne CO2: Dieser Preis verfehlt Kommunen auf Bundes- und Landesebene. Von der desaströsen
die wahren Schadenskosten von 180 Euro bei Weitem und setzt Klimabilanz ihrer Verkehrspolitik – verantwortet von den drei
eine marktwirtschaftliche Steuerung außer Kraft, zum Nachteil Bundesministern Ramsauer, Dobrindt und Scheuer – hier einmal
des Klimaschutzes. Außerdem ließ Söder hier neue Abstands- abgesehen (dazu der übernächste Beitrag).
regeln für Windräder festschreiben. Diese drohen den Ausbau Um die vom Parteichef begrünte CSU zu einem besseren
der Windkraft nun deutschlandweit zum Erliegen zu bringen. Schutz des Klimas zu drängen, braucht es wohl noch zahlreiche
Demonstrationen von BUND, Fridays for Future und anderen.
AUSBAU NUR NATURVERTRÄGLICH Und vielleicht einen neuerlichen Denkzettel – bei den bayerischen
Dabei stockte der Ausbau der Erneuerbaren 2019 auch außer- Kommunalwahlen im März.
halb Bayerns. Zum Schutz unseres Klimas fordert der BUND
Bundesländer, Regierungsbezirke oder Landkreise auf, durch-
schnittlich zwei Prozent ihrer Fläche als Vorranggebiete für die
Windenergie auszuweisen, in einem transparenten Beteiligungs
verfahren. Tabu bleiben müssen Natura2000-Flächen, Natur-
schutzgebiete und Nationalparke. In der Nachbarschaft von
besonders bedrohten und windkraftsensiblen Tierarten muss
gutachterlich im Einzelfall über Mindestabstände entschieden
werden. Genehmigt werden dürfen Windräder nur, wenn ihre
Umweltverträglichkeit geprüft wurde. Vor Ort werden wir im Kon-
fliktfall darauf achten, dass erneuerbare Energien wirklich natur-
verträglich gewonnen werden. Und andernfalls Projekte ablehnen.
UNSER FAHRPLAN
Deutschland braucht einen Fahrplan, um sich möglichst
rasch vollständig mit erneuerbarer Energie versorgen zu
können. Beschleunigt ausbauen können wir die Wind- und
Solarenergie aber nur, wenn die Bundesregierung diesem
Ausbau nicht wie bisher Grenzen zieht und stattdessen ein
ehrgeiziges Ausbauziel formuliert.WALD IN NOT
LEITBILD NATUR
Die Klimakrise ist zur Realität geworden. Auch in
Mitteleuropa zeigt sie bereits dramatische Folgen –
am sichtbarsten in unseren Wäldern.
C. Hassel
Vorbildlich: Waldrevier Quierschied im
Saarland, bewirtschaftet in einer Kooperation
von Forstverwaltung und BUND.
HUBERT WEIGER ÖKOLOGISCHE WALDWENDE
In Zeiten der Klimakrise braucht es im Wald nicht weniger als
Der scheidende BUND-Vorsitzende ist gelernter Forstwirt
einen Paradigmenwechsel: eine ökologische Waldwende. Die
und hat im BUNDmagazin schon 1980 über das Tannen-
sterben geschrieben. darbenden Nadelholzforste müssen in stabile, strukturreiche
Laubmischwälder umgewandelt werden – auf der Grundlage ei-
nes neuen Leitbilds für den Wald. Darin muss sich die Forstwirt-
D ie Witterungsextreme der letzten zwei Jahre haben im
Wald deutliche Spuren hinterlassen. Dies gilt vor allem
für die naturfernen Fichten- und Kiefernforste, die hierzulande
schaft wieder mehr an natürlichen
Waldgesellschaften orientieren:
Aus welchen Baumarten setzen
noch immer rund drei Millionen Hektar bedecken. Aber auch sie sich zusammen? Welche Dy-
natürlichere Wälder leiden sichtbar unter den Folgen extremer namik und Struktur verhelfen ih-
Trockenheit und Hitze. Bei Tagestemperaturen von mehr als nen zu einem feuchten Klima im
35 Grad sind nicht nur ältere Menschen oder Kleinkinder Wald und zu mehr Stabilität? Nur
ernsthaft in Gefahr, sondern auch viele Bäume. wenn sie daraus lernt, können
Nur ein entschlossener Klimaschutz wird unsere Wirtschaftswälder anpas-
Mensch und Natur das Überleben sichern. sungs- und widerstandsfähiger
werden – ein zwingen-
des Gebot angesichts
der Klima krise. Und die
Voraussetzung dafür, den
nachwachsenden Rohstoff
Holz auch in Zukunft nach-
haltig nutzen zu können.BUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA 17
Eine Waldwende ist auch nötig, vor allem alter Laubwälder zu steigern; und mehr Totholz im
um den Wald als Lebensraum Tau- Wald zu belassen, als Lebensraum zahlloser Insekten und Pilze.
sender Tiere, Pflanzen und Pilze Längst überfällig ist es, eine »gute fachliche Praxis« für die
zu bewahren. Und damit zu sichern, Forstwirtschaft zu definieren, als Maßgabe im Bundeswald-
was der Wald uns Menschen liefert: Trinkwasser und saubere gesetz. Angesichts sterbender Wälder auf bald 200 000 Hektar
Luft, vitale Böden und viel Raum zur Erholung. Nur naturnahe muss das noch in dieser Legislaturperiode erfolgen.
Wälder vermögen dies zu leisten, nicht aber Holzplantagen, die Was auch heißt: Viele Fehlentwicklungen speziell der letzten
man dazu degradiert, den Rohstoff Holz so billig wie nur möglich 20 Jahre – politisch vorgegeben im Geiste kurzfristigen Profits
zur Verfügung zu stellen. – müssen heute gestoppt und rückgängig gemacht werden.
Massiv geschadet haben dem Wald: der Vormarsch der voll-
MEHR GELD, MEHR PERSONAL mechanischen Holzernte; der Holzeinschlag das ganze Jahr über
Für den ökologischen Umbau der Wälder müssen sich die Bun- und sogar nachts; die engmaschige Erschließung der Wälder mit
desregierung und die Länderregierungen weit mehr als bisher Rückegassen; und der Abbau des Personals im Wald.
engagieren. Sie müssen zusätzliche Finanzmittel in Milliarden-
höhe bereitstellen, plus erheblich mehr Personal im Wald. Und VON DER NATUR LERNEN
sie sind gefordert, den Grundsatz »Wald vor Jagd« durchzusetzen. All dies gilt vorrangig für die dem Gemeinwohl besonders ver-
Was meint: Die Jagd muss den Wildbestand so begrenzen, dass pflichteten öffentlichen Wälder. Mindestens ein Zehntel ihrer Flä-
sich der Wald natürlich verjüngen kann – ohne Zaun und Plastik- che fordert der BUND umgehend ganz der Natur zu überlassen.
hüllen für jedes Bäumchen. Mehr denn je nämlich sollten wir von den natürlichen Prozessen
Wer den Wald bewirtschaftet, muss ihn schonend behandeln einer dynamischen Waldentwicklung lernen. Um die ganzheit-
und sein ökologisches Potenzial erhalten. Und für den muss liche Waldwirtschaft zu fördern, sollte die Bundesregierung auch
selbstverständlich sein, die (standorttypische) biologische Viel- privaten Waldbesitzer*innen mehr Anreize bieten für einen Umbau
falt im Wald zu fördern und zu sichern; seine Fähigkeit zu bewah- ihrer Wälder und die Einrichtung von Naturwäldern. Getreu dem
ren, Wasser zu speichern; die Waldböden zu schonen; den Anteil Prinzip: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen!
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MOBILITÄT
VERKEHRSWENDE JETZT
Wie kann der Verkehrsbereich die Klimaziele erreichen und
gleichzeitig zu einer entspannten Mobilität der Zukunft beitragen?
Nur, wenn die Bundesregierung endlich klar umsteuert.
Rund 25 000 Menschen protestierten zur IAA in
Frankfurt für eine klimafreundliche Verkehrswende.
Georg Wendt
JENS HILGENBERG
leitet das Verkehrsreferat
des BUND.
W ie wir in Deutschland momentan
unsere Mobilität organisieren, ist
mehr als irrational. Schlicht unvereinbar
Auch ohne die Klimakrise wäre das eine
Schreckensbilanz! Und mit ihr ist die auto-
zentrierte Politik der Verkehrsministerien
Doch noch sind viele Menschen in den
alten Strukturen gefangen. In vielen Dör-
fern und Kleinstädten erschöpft sich der
ist unsere Verkehrspolitik mit dem glo- in Bund und Land einfach eine Katastro- öffentliche Verkehr heute darin, dass ein
balen 1,5 Grad-Ziel und den Klimazielen, phe. Die Mobilität der Zukunft müssen wir Bus die Kinder zur nächstgelegenen
die sich die Bundesregierung für 2030 leise, sauber, energie-, ressourcen- und Schule bringt. Da ist es kaum möglich,
selbst gesteckt hat. Immer größere und platzsparend gestalten. Anders wird es das Auto öfter mal stehen zu lassen oder
schwerere und PS-stärkere Autos fahren künftig nicht mehr möglich sein, mobil zu gar ganz abzuschaffen.
immer weitere Strecken. Und immer bleiben, ohne unsere Lebensgrundlagen Die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik
noch mehr Güter werden von Lastwagen zu zerstören. der letzten Jahrzehnte hat die Menschen
durchs Land gefahren. Dafür baut man jenseits der Ballungsräume zu
das ohnehin überdimensionierte Netz der ABHÄNGIG VOM AUTO Abhängigen gemacht: abhän-
Fernstraßen weiter aus. Parallel wächst Dabei befindet sich unsere Ge- gig von den Autokonzernen
die Zahl der Flugpassagiere und die Luft- sellschaft in einem Dilemma. Ei- und ihren Produkten. Während
fracht stark. Dagegen schrumpfte allein nerseits erntet der BUND derzeit in den Straßenbau mehr und
in den letzten 20 Jahren das deutsche mehr Zustimmung denn je, wenn mehr investiert wurde, geriet
Schienennetz um rund ein Viertel, der er eine umwelt- und klimafreund- der Bahnverkehr finanziell
öffentliche Personennahverkehr wurde liche Mobilität fordert. Das Thema ins Abseits. Das Schienen-
massiv ausgedünnt. hat Konjunktur. netz schrumpfte über dieBUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA 19
Jahre und ist heute abseits der zum Auto zu bieten, setzt die Bundes- Gerade im Flugverkehr muss endlich
Hauptlinien in weiten Teilen maro- regierung vorrangig auf einen neuen die Kostenwahrheit Einzug halten: Für je-
de. Verkehrsinfrastruktur Antrieb. Die Lösung soll der den Flug zahlt die Allgemeinheit massiv
hieß in den letzten Elektro- (statt Verbrennungs-) drauf –
durch die Schädigung des Klimas,
Jahrzehnten vor allem: motor bringen, und strom- die immensen Kosten der Infrastruktur,
Straßeninfrastruktur. basierte oder biogene statt die Lärmbelastung von Millionen Anwoh-
Wichtige Schienen- fossile Kraftstoffe. ner*innen etc. Deshalb fordert der BUND
projekte im Nahverkehr Der BUND dagegen for- speziell für innerdeutsche Flüge eine
oder für den Güterver- dert Strategien, wie die deutlich höhere Luftverkehrssteuer. Zu-
kehr blieben aus. Als Zahl der Autos deutlich dem dürfen Flugbenzin und internationale
Folge quälen sich immer gesenkt und Kurzstrecken- Flugtickets nicht länger von Steuern be-
mehr Pendler morgens flüge und Warentranspor- freit werden. Alle Kurzstreckenflüge und
mit dem Auto zur Arbeit, weil te auf die Schiene verla- verstärkt auch die Mittelstreckenflüge
eine Bahnverbindung fehlt gert werden können. Da- müssen auf die Schiene verlagert werden
oder die Züge überfüllt sind. mit der Verkehr klimaverträglicher können. Spätestens 2030 sollten inner-
Parallel werden immer mehr Güter wird, muss der Minister Scheuer ein deutsche Flüge damit der Vergangenheit
per Lkw transportiert, weil das ganzes Bündel von Maßnahmen für angehören.
Schienennetz und die Bahnhöfe eine rasche und nachhaltig wirksame
den Ansprüchen des Güterverkehrs Verkehrswende umsetzen. Unabhän-
nicht mehr gewachsen sind. giger von fossilen Ressourcen wird
unsere Mobilität nur, wenn speziell
UMDENKEN der individuelle Autoverkehr stark MEHR
Wie können wir unser aufs Auto reduziert wird und der Güterverkehr per INFORMATIONEN
zentrierte Verkehrssystem so umbauen, Lkw nicht weiter wächst. www.bund.net/raus-aus-dem-
verkehrschaos
dass es uns erlaubt, das jeweils optimale, Zudem muss der Anteil großer und
umweltschonendste Verkehrsmittel einzu- schwerer Autos sinken. Deren Umstellung
setzen? Abgesehen von der Klimakrise ist auf Elektroantrieb allein bringt uns der
es auch ein Zeichen der Daseinsvorsorge, Nachhaltigkeit nicht näher. Wir schlagen MOBILITÄT ANDERS
sozialen Teilhabe und Solidarität mit ein Bonus-Malus-System vor: Der Kauf Mobilität ist Ausdruck von Freiheit,
Schwächeren, wenn wir als Bürger*innen energetisch ineffizienter Fahrzeuge sollte Selbstbestimmung und Wohlstand –
den öffentlichen Verkehr wieder stärker in damit deutlich verteuert, der Kauf kleiner doch das bisherige Verkehrssystem stößt
an soziale und ökologische Grenzen.
den Mittelpunkt rücken. effizienter Elektromobile über die bisheri-
Die autozentrierte Stadt ist ein Relikt ge Kaufprämie hinaus weiter vergünstigt
von gestern, auch wenn das bei Teilen der werden. MOBILITÄTSATLAS
Daten und Fakten für die Verkehrswende 2019
Politik und Öffentlichkeit noch nicht ange-
kommen ist. Die ständig steigende Zahl MEHR KOSTENWAHRHEIT
der Volksentscheide und Bürgerbegehren Auf jeden Fall muss die Regierung be-
zeigt, dass sich die Zeiten wandeln, dass trächtlich mehr Geld in den öffentlichen
ein Umdenken stattfindet. Die Bürger*in- Verkehr und seinen Betrieb investieren.
nen scheinen da oft viel weiter zu sein als Und ebenso in den Bau und Ausbau kom-
die politischen Akteure. Um ihre Umwelt fortabler Rad- und Fußwegenetze und die
und Gesundheit zu schützen, begehren Schnittstellen zwischen den Verkehrsträ-
die Menschen auf und werden aktiv – gern. Geld dafür wäre genug da: einmal
nicht, um die Mobilität einzuschränken, aus dem überdimensionierten Etat des
sondern um sie mit weniger und anderem Straßenbaus im Bundesverkehrswege-
Verkehr zu verwirklichen. plan; dann aus dem Milliardentopf der
umweltschädlichen Subventionen – vom
ALTERNATIVEN BIETEN Diesel- und Dienstwagenprivileg bis zur Kostenlos bestellen oder downloaden:
Leider greift das Klimakabinett der Bun- Pendlerpauschale; und schließlich auch boell.de/mobilitaetsatlas
desregierung diese Impulse nicht auf. aus den Einkünften einer in naher Zukunft
Statt den Menschen in der Stadt und vor deutlich höheren Besteuerung von Flug- Schumannstr. 8, 10117 Berlin boell.de
allem im ländlichen Raum Alternativen reisen.20 BUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA
20. September, Berlin: Zum Auftakt der
Kampagne fanden sich am Tagungsort
des Klimakabinetts neben Kampagnen-
leiter Thorben Becker (links stehend)
auch der Vorsitzende Hubert Weiger,
Geschäftsführer Olaf Bandt und der stell-
vertretende Vorsitzende Ernst-Christoph
Stolper ein.
J. Farys
NEUE KAMPAGNE
DAS KLIMA KIPPT – HANDELT!
Der BUND fordert von der Bundesregierung ein wirksameres Klimapaket
– bis zum 29. November, kurz vor der Weltklimakonferenz.
M it dem neuen Klimapaket sollte es
endlich konkret werden. Doch
wieder bekamen wir nur mutlose und zu-
gefragt und eine Vielzahl von Instrumen-
ten nötig. So ist es nicht damit getan, CO2
einen geringen Preis zu geben und alles
um für den Aus- und Neubau von Fern-
straßen und Flughäfen. Eine bäuerliche,
klimafreundliche und ökologischere
dem sehr teure Maßnahmen präsentiert. Weitere dem Markt zu überlassen. Dies Landwirtschaft muss die industrielle
Wo bleiben echte Fortschritte beim Klima- hieße nur, die klimapolitische Untätigkeit Tierhaltung ersetzen.
schutz, konkret und verbindlich? Die der letzten Jahre fortzusetzen. •• Der CO2-Preis muss jetzt wirken und
Bundesregierung scheitert an ihrem Bei- Um wirksam das Klima zu schützen, darf nicht durch einen Emissionshandel
trag, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu be- fordern wir die Bundesregierung auf: auf Jahre verzögert werden. Nötig ist
grenzen. Nicht einmal ihr eigenes, wenig •• Mit klaren Regeln aus Kohle, Öl und deshalb bei Wärme und Verkehr ab
ambitioniertes Ziel für 2030 erreicht sie Gas auszusteigen: Deutschland muss 2020 ein CO2-Preis von mindestens
mit ihrem Paket. Das nämlich wird – so sich bis spätestens 2030 von der Koh- 50 Euro pro Tonne, der bis 2030 auf
schätzen die Fachleute – nur etwa ein le verabschieden, neue Ölheizungen 180 Euro steigt.
Drittel der Klimaschutzlücke schließen. sofort verbieten und aus dem Verbren- •• Klimaschutz braucht Verbindlichkeit:
nungsmotor aussteigen. Das angekündigte Klimaschutzgesetz
NÖTIGE ECKPUNKTE •• Den Geldhahn für Öl, Gas und Kohle muss jährliche Klimaziele für sämtliche
Um die Klimakrise zu bewältigen, sind zuzudrehen, indem sie klimaschäd- Bereiche der Wirtschaft festlegen.
Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes liche Subventionen streicht (wie die Werden sie verfehlt, müssen die Klima-
steuerliche Begünstigung von Diesel schutzmaßnahmen verschärft werden.
und Kerosin) und keine neue Gasinfra-
struktur mehr fördert. Thorben Becker
•• 100 Prozent auf erneuerbare Energie
zu setzen. Weg mit den Hürden, die
derzeit den naturverträglichen Ausbau
speziell der Wind- + Solarkraft bremsen! MITMACHEN
•• Zum Klimaschutz gehört die Verkehrs- Unterstützen Sie uns – siehe die
Aktionsseite 25! Ausführliche
und Agrarwende: Mehr Raum für den
Forderungen und eine Bewertung
öffentlichen Verkehr, für Radfahrerin- des Klimapaketes finden Sie unter
nen und Fußgänger! Und ein Moratori- www.bund.net/klimaschutzBUNDmagazin 4 | 19 › TITELTHEMA 21
INTERVIEW Claudia Kemfert leitet die Abteilung
»Energie, Verkehr, Umwelt« am
»ICH BLEIBE
Deutschen Institut für Wirtschafts-
forschung und ist Professorin für
Energieökonomie und Nachhaltigkeit.
OPTIMISTISCH« or
Th
st
en
Fu
th Welche Leerstellen sehen Sie bei dem
Sorgenkind Verkehr?
Ende September sprach die Klimaexpertin Hier passiert weiter viel zu wenig. Die
Regierung müsste den Schienenverkehr
des BUND, Tina Löffelsend, mit Claudia Kemfert deutlich mehr fördern, desgleichen die
über das Klimapaket der Bundesregierung – Elektromobilität. Auch fordern wir eine
streckenbhängige Pkw-Maut. Von unsrem
kurz nach den bundesweiten Massenprotesten umfassenden Maßnahmenkatalog ist nur
zur Rettung des Klimas. sehr wenig übernommen worden.
Müsste die Bundesregierung nicht viel
Frau Kemfert, teilen Sie die Ansicht, dass Ein deutlich höherer CO2-Preis hätte häufiger darauf hinweisen, dass uns
das Klimapaket zu wenig bietet, um die aber Wirkung gezeigt? Nichtstun beim Klimaschutz weit teurer
deutschen Klimaziele zu erreichen? Um den Verkehr und den Gebäudebereich zu stehen kommt als alle jetzt diskutier-
Ja, es reicht auf keinen Fall aus. Was hier klimaverträglicher zu gestalten, braucht ten Schritte?
vereinbart wurde, ist offenbar das, was man einen Preis von 80 Euro aufwärts, Richtig, wir alle zahlen über den Staats-
politisch möglich war. Wohlwollend ge- wie unsere Studie für das Umweltministe- haushalt heimlich die Schäden des Klima-
sagt: Es ist ein Anfang, doch nun muss rium gezeigt hat. wandels und unserer ungezügelten Wirt-
deutlich mehr kommen. schaft. Doch sehe ich zunehmend die Be-
Noch ein Detail: Auch Sie fordern seit reitschaft, so zu argumentieren und zu
Musste man nicht mehr erwarten dürfen, Langem, klimaschädliche Subventionen handeln. Bei aller Enttäuschung bleibe ich
angesichts alarmierender Klimaberichte? zu streichen. Was sagen Sie zur geplanten optimistisch – für die Regierung war das
Ich hatte tatsächlich mehr erwartet. Zu ei- Erhöhung der Pendlerpauschale?* Klimapaket ein relativ großer Schritt …
ner Zeit, da die Folgen des Klimawandels Eine solche Pauschale ergibt nur Sinn,
immer spürbarer werden und 1,4 Millio- wenn sie als nachhaltiges Mobilitäts-
nen Deutsche für das Klima auf die Stra- geld an alle Haushalte gezahlt
ßen gehen, wäre das Momentum gut ge- wird – nur dann erreicht man
wesen, um Pflöcke einzuschlagen. Doch auch die mit niedrigem
offensichtlich sind die Beharrungskräfte Einkommen. In der jetzi-
ZITAT DES RATS
in der Regierung noch zu groß. gen Form übervorteilt sie FÜR NACHHALTIGE
einkommensstarke Haushalte ENTWICKLUNG
Stark kritisiert wurde zum Beispiel der und ist zudem umweltschädlich.
niedrige CO2-Preis. * »Die Erhöhung der Pendlerpauschale mag
Wir haben uns für eine Steuer ausgespro- Was bedeuten die neuen Vorgaben kurzfristig naheliegen, ist aber mittel- und
chen, weil sie kurzfristig durchsetzbar ist, für die Windkraft? langfristig völlig falsch. Die Pauschale fördert
Planungssicherheit schafft, juristisch Nichts Gutes für die Energiewende. das Anwachsen der Pendlerströme, und diese
nicht so heikel ist und eine zumindest Wir müssten den Ausbau der machen den Städten und ihrer Infrastruktur
kleine Lenkungswirkung erzielt hätte. Windkraft eigentlich vervielfachen. bereits heute fast unlösbare Probleme. Es
Stattdessen will man nun den Emissions- Doch mit diesen Vorgaben und wäre sowohl städtebaulich als auch sozial-
preis für Gebäude und Verkehr als Han- neuen Abstandsregelungen wird und gesundheitspolitisch wie eben auch
delssystem einführen – was wahnsinnig man an den Zielen zum Ausbau der klimapolitisch anzuraten, der Trennung von
kompliziert und teuer ist und die Frage Erneuerbaren scheitern. Für mich Wohnen und Arbeiten entgegenzuwirken,
aufwirft, ob das überhaupt je funktioniert. eine der größten Enttäuschungen. statt diese noch anzufachen.«Vogelstimmenuhr
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