Aktiv dabei 2/2020 April Mai Juni - Stadt Speyer

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Aktiv dabei 2/2020 April Mai Juni - Stadt Speyer
aktiv dabei
 April
 Mai
 Juni

2/2020

         Seniorenbüro der Stadt Speyer
Aktiv dabei 2/2020 April Mai Juni - Stadt Speyer
2 aktiv dabei
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Neue Entwicklungen                                  Seite                 Freiwilliges Engagement                              Seite

Das Leben besteht aus                               4-14                  Jahreshauptversammlung des      29-30
Veränderungen                                                             Fördervereins des Seniorenbüros
Gespräch mit Frau Priester                                                Robert Förster
Ria Krampitz
                                                                          Seniorenbeirat Speyer                                30
Omas for Future                                     15-17                 Redaktion
Hanne Kleinen
                                                                          Verabschiedung ehemaliger                            31
In den Abend…                                       17                    Seniorenbeiratsmitglieder
Ulla Fleischmann                                                          Redaktion

10 Hygienetipps                                     18                    Heimbeiräte im Austausch                             31
Redaktion                                                                 Redaktion

Schindlers Liste                                    19-21                 Fairtrade Stadt Speyer                               32
Die Frau an seiner Seite                                                  Ute Brommer
Ingrid Kolbinger
                                                                          Karte ab 60                                          33
Stolpersteine                                       22                    Unterstützung gesucht
Ingrid Kolbinger
                                                                          Speyerer Freiwilligenagentur                         34
Eiszeit                                             22                    Ute Brommer
Ulla Fleischmann
                                                                          Natur                                                Seite
Soziales                                            Seite
                                                                          Die Schönheit der Insekten                           35-36
Selbsthilfegruppen                                  23                    Dr. Walter Alt
Pflegestützpunkte
                                                                          Von Beschaffungspilgern bis zum37-39
Demenzparcours                                      24                    Erhalt der Schöpfung
Netzwerk Demenz                                                           Hans Wels

Netzwerk Kultur und Demenz                          25                    Kultur                                               Seite
Ria Krampitz
                                                                          Wer fährt schon nach Evora?                          40-41
11 Tipps zur besseren                               27                    Dr. Helmuth Wantur
Verständigung mit Menschen
mit Demenz                                                                Wendepunkte                                          42-46
Alzheimer Gesellschaft                                                    Büchertipps
                                                                          Ursula Franz-Schneider
Kamishibai                                          28
Erzähltheater für Menschen                                                Sütterlinschrift ist noch bekannt 47
mit Demenz                                                                Ingrid Wemme
Solveigh Schneider
Aktiv dabei 2/2020 April Mai Juni - Stadt Speyer
aktiv dabei         3
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Kultur                                              Seite                 Auflistung Anzeigen                                  Seite

Herzensangelegenheiten                              48-49                 Theraneos                                            11
Helga F. Weisse                                                           Salier-Stift                                         24
                                                                          Horizont                                             26
Lokalgeschichte                                     Seite                 Gemeinnützige                                        39
                                                                          Baugenossenschaft
Kurt Dehn: Troubadour der                           50-53                 GEWO                                                 41
Deutschen Weinstraße                                                      Sparkasse Vorderpfalz                                46
Gabi Dehn-Knight                                                          DRK                                                  49
                                                                          St. Vincentiuskrankenhaus                            54
Von Speyer nach England                             54-55                 Beisel Hüte                                          58
Wolfgang Kauer                                                            Horizont                                             64
                                                                          Behördennummer                                       65
Berichtigung                                        55                    Alloheim                                             66
Wolfgang Kauer                                                            Förderverein des Seniorenbüros                       67
                                                                          Stadtwerke                                           68
Reisen                                              Seite
                                                                          Impressum
Äthiopien                                           56-58                 Redaktion
Unterwegs im ältesten                                                     Dr. Walter Alt, Ria Krampitz
Kulturland Afrikas                                                        Werner Schilling
Karl-Hein Geier                                                           Herausgeber
                                                                          Seniorenbüro Speyer, Maulbronner
Passionsspiele Oberammergau 59-60                                         Hof 1A, 67346 Speyer,
Michael Stephan                                                           Tel. 06232/142661
                                                                          E-Mail: Ria.Krampitz@stadt-speyer.de
Verschiedenes                                       Seite                 Titelbild
                                                                          Jessika Mirau
Weitersuche                                         61                    Generationen Hand in Hand
Uwe Naumer                                                                Louis Busenius, Andreas Busenius, Mela-
                                                                          nie Busenius
Kulinarische Ecke                                   62                    Fotos
Melanie Busenius                                                          Privat S. 4, 8, 15, 19, 21, 30, 50,51, 52
                                                                          Seniorenbüro S. 26; Solveigh Schneider
Aus alten Zeiten                                    63                    S. 28; Roland Steiner S. 29;
Fritz Schwager                                                            Stadtverwaltung s. 31; Freiwilligenagentur
                                                                          S. 32; Dr. Walter Alt S. 35-36, 64
F@irNet                                             64                    Hans Wels S. 37, 38; Dr. Helmuth Wantur
                                                                          S. 40; Karl-Heinz Geier S. 56, 57, 58;
Lösung Rätsel                                       64                    Michael Stephan S. 59, 60;
Uwe Naumer

                             Redaktionsschluss für die Ausgabe 3/2020 der
                              Zeitschrift „aktiv dabei“ ist der 29. Mai 2020
Aktiv dabei 2/2020 April Mai Juni - Stadt Speyer
4 aktiv dabei
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        Das Leben besteht aus Veränderungen
                                Gespräch mit Frau Paula Priester
        Seit 2011 veröffentlichen wir regelmäßig Gespräche mit Person, die 90 Jahre
        oder älter sind. Diese Menschen, die in einem hohen Alter sind, möchten wir
         in den Mittelpunkt stellen. Sie haben viel erlebt, überstanden und wurden
                          durch die Geschehnisse ihrer Zeit geprägt.

                                                                          Dann hat es geklappt und Sie waren auf
                                                                          dieser Welt. Haben Sie noch Geschwis-
                                                                          ter?
                                                                          Ja, ich bin die Jüngste von drei Kindern.
                                                                          Ein Bruder war vor mir dran, davor eine
                                                                          Schwester. Meine Eltern haben sehr jung
                                                                          geheiratet und die Kinder kamen schlag-
                                                                          artig, alle nur ein Jahr auseinander.

                                                                          Was heißt sehr jung? Wie alt waren die
                                                                          Eltern?
                                                                          Meine Mutter war 19 und mein Vater war
                                                                          20. Mein Vater hat später gesagt, man
                                                                          müsste die Reife haben, die einem früher
                                                                          fehlte. Meine Eltern sind beide schon mit
                                                                          60 Jahren an Krebs gestorben. Beide am
                                                                          gleichen Tag, aber mit einem Jahr Ab-
                                                                          stand. Beide am 17. März. Je älter ich
                                                                          werde, desto mehr denke ich auch über
                                                                          meine Eltern nach.
                                                                          Die waren sehr arm. Aber wir haben nie
                                                                          etwas entbehrt. Das, was wir gehabt ha-
                                                                          ben, war Liebe und auch die Zuversicht.
Frau Priester erwartet mich bereits ge-                                   Wir wurden sehr gut erzogen. Wir können
meinsam mit ihrer Tochter. Eine Dame                                      uns nicht beklagen.
sitzt mir gegenüber, mit wachem, neu-
gierigem Blick wartet sie auf meine Fra-                                  Wenn Sie sagen, die Eltern waren arm,
gen. Sie gibt gerne Auskunft.                                             woran machen Sie das fest?
Frau Priester ist im November 1926 in                                     Es fehlte an allem. Nachher kam auch die
Cuxhaven geboren.                                                         Inflation. Wir hatten auch wenig anzuzie-
                                                                          hen. Wir hatten z. B. immer nur Halb-
Meine Mutter hatte mir erzählt, dass ich                                  schuhe und die Winter waren damals sehr
ein Sonntagskind war und nicht schreien                                   kalt. Meine Eltern konnten nie Sommer-
wollte. Man hatte mich schon ein biss-                                    und Winterschuhe kaufen. Das Geld war
chen zurückgelegt, bis man mir ordentlich                                 einfach nicht da.
auf den Po geklatscht hat. Die Lungen
entfalteten sich und dann habe ich den                                    Welche Erinnerungen haben Sie noch
ersten Schrei gemacht.                                                    an ihre Jugend?
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Es gab ja damals nicht diesen großen Au-                                  und ich mit meiner Schwester Lisa auf der
toverkehr. Wir haben einfach auf der Stra-                                Mädchenschule. Ich bin auch gerne in die
ße gespielt, auch am Seedeich. Das einzi-                                 Schule gegangen. Obgleich es nicht mög-
ge, was ich dann mal zu Weihnachten                                       lich war, dass man Englisch lernte oder
bekommen habe, das waren Rollschuhe                                       so. Meine Mutter ging nachher arbeiten,
und damit sind wir am Deich entlang ge-                                   um alles finanzieren zu können, die drei
fahren, unten auf der Promenade. Das                                      Kinder. Und wie gesagt, es war ja auch
war eigentlich immer sehr schön.                                          alles arm. Aber ich bin gerne in die Schule
                                                                          gegangen. Und es war auch damals eine
Da sind Sie am Wasser groß geworden.                                      große Disziplin in den Klassen. Da war’s
Das Wasser hat dann sicher auch eine                                      nicht so wie heute. Wenn die Lehrerin
große Rolle in Ihrem Leben gespielt.                                      rein kam, standen wir alle auf und dann
Ja sicher, auch die Sturmfluten und so                                    sagte man früh „Guten Morgen“. Danach
weiter. Ich war auch sportlich und eine                                   war es mucks Mäuschen still.
gute Schwimmerin. Ich habe das Nord-
seelangstreckenschwimmen, das sind so                                     Waren die Lehrer streng oder wie ha-
drei Kilometer, mitgemacht. Da war ich                                    ben Sie es empfunden?
allerdings schon ein junges Mädchen.                                      Wir hatten Fräulein Zorn. Sie war eine
                                                                          sehr gute Lehrerin. Diese Lehrerinnen wa-
Das ist eine große Strecke.                                               ren damals auch alle unverheiratet. Sie
Ja. Man hat natürlich irgendwann einen                                    waren alle Fräuleins. Fräulein, sagte man
toten Punkt. Wie wahrscheinlich beim                                      damals ja noch. Heute würde man Frau
Marathon. Irgendwann bin ich ganz au-                                     Zorn sagen.
tomatisch geschwommen. Ich hätte bis
Hamburg durchschwimmen können.                                            Was war Ihr Lieblingsfach?
                                                                          Erdkunde. Ich weiß noch, ich habe mich
Wo haben Sie schwimmen gelernt?                                           immer möglichst weit nach vorne gesetzt,
Mit meinem Bruder zusammen. Ich war ja                                    um bei der Landkarte ein bisschen spazie-
nie in einem Schwimmverein. Wir haben                                     ren zu gehen. Ich habe immer gesagt:
meiner Mutter gesagt, Du musst mal                                        „Mein großer Traum, den ich habe, dass
kommen. Er hat mich dann auf den Rü-                                      ich mal zum Bodensee komme.“ Das war
cken genommen und wir sind in einer                                       das Entfernteste, was es unten auf der
Badeanstalt im Hafenbecken von einem                                      Landkarte gab. Inzwischen habe ich ein
Sprungbrett gesprungen. Ich konnte über-                                  bisschen mehr gesehen von der Welt, als
haupt nicht schwimmen. Es war ja alles                                    nur den Bodensee. Und lesen. Wenn wir
Salzwasser, das trägt natürlich auch. Dann                                Geburtstag hatten, durften wir auch ein
bin ich wie ein Hündchen ran gepaddelt.                                   Gedicht aufsagen. Wir haben sehr viele
                                                                          Gedichte gelernt und ich lese auch heute
Hatten Sie keine Angst?                                                   noch gerne Gedichte und sage auch heu-
Meine Mutter hat sicherlich mehr Angst                                    te noch sehr viele Gedichte auf.
gehabt als ich, als sie das gesehen hat.
                                                                          Möchten Sie ein Gedicht aufsagen?
Wie war das in Ihrer Schulzeit?                                           Kann ich. Das ist das Gebet eines alten
Ich bin auf der Volksschule gewesen und                                   Berliners (Frau Priester trägt den Text flie-
wir hatten eine reine Mädchenschule.                                      ßend und frei aus dem Gedächtnis vor).
Damals war das ja noch nicht zusammen-                                    „Manchmal sitz ich ganz alleine in der Kir-
gelegt. Mein Bruder auf der Jungenschule                                  che vorm Altar
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und dann denk ich, ob mein Leben wohl                                     immer möglichst weg und viel sehen von
was Gutes war?                                                            der Welt. Da sind wir nach Mörshausen,
Ich bin 70, kann noch laufen, kann noch                                   Regierungsbezirk Kassel gekommen, in
gucken, kann mir kaufen, was mir ir-                                      ein Landjahrlager. Das war ein altes Bau-
gendwie gefällt.                                                          erngehöft und da sind wir neun Monate
Mir geht’s gut auf dieser Welt.                                           gewesen. Ohne Kontakt nach Hause.
Wie ich neulich da so sitze, auf der harten                               Tagsüber haben wir bei verschiedenen
Kirchenbank,                                                              Bauern gearbeitet. Da im Winter die Bau-
musst ich an die andern denken, die ganz                                  ern nicht so viel zu tun hatten, sind wir
einsam sind und krank,                                                    nach neun Monaten nach Hause entlas-
die alleine sind und weinen, denn für die,                                sen worden.
da gibt’s kaum einen, der sie mal ans
Herze drückt oder durch ein Wort be-                                      Wer hat Mörshausen vorgeschlagen?
glückt.                                                                   Es kam eine Führerin von dort, die ge-
Lieber Gott, nun fragst Du, ob ich das                                    worben hat. Aus meiner Klasse gingen
nicht ändern kann?                                                        einige Mädchen. In meiner Klasse war‘s
Hör ich richtig? Du, was sagst Du? Ich wär                                auch so, dass nur drei Mädchen auf ein
doch der richtge Mann, der trotz 70                                       Gymnasium wechselten. Heute gehen so
manch einen Armen, könnte doch durch                                      viel auf ein Gymnasium. Früher war das
Dein Erbarmen noch ein bisschen Glück                                     anders.
bescheren, dass er nicht noch mehr ent-                                   Dann haben Sie auf dem Land gearbei-
behre.                                                                    tet.
Und nun guckst Du von Dein Kreuze mit-                                    Ja. Einmal, es war eine sehr große Hitze
ten in mein Herze rin,                                                    und wir sollten Heu wenden. Wir haben
weil Du weißt, dass ich noch immer so                                     aber alle von Cuxhaven und der Lan-
ein bisschen gläubig bin.                                                 dungsbrücke „Alten Liebe“ mit dem vielen
Und nun willst Du, dass ich gehe und                                      Schiffsverkehr geträumt, vom Wasser und
nach alte Leute sehe und helfe froh zu                                    haben uns ein bisschen auf die faule Haut
sein, nicht nur durch Dein Wort allein.                                   gelegt. Dann kam der Bauer mit der Peit-
Nein, auch Taten willst Du sehen.                                         sche: „Ihr verfluchten Mäderchen, wollt ihr
Jedenfalls, das denk ich mir, es wird                                     wohl arbeiten,“ hat er gesagt. Beim Dre-
schon noch durch mich geschehen.                                          schen haben wir geholfen usw. Das Einzi-
Wenn’s nicht geht, dann sag ich‘s Dir.                                    ge ist, als wir beim Bauern waren, gab es
Lieber Gott, nun geh ich wieder, singe                                    immer ganz gut zu essen für die Mitarbei-
meine frohen Lieder, dass Du weißt, bei                                   ter. Wir hatten ja auch immer Hunger mit
Dir war’s schön, so mach’s jut auf Wieder-                                unseren 14 Jahren. Im Lager war das Es-
sehen.“                                                                   sen dagegen sehr mäßig.

Das haben Sie wunderbar vorgetragen                                       Wie ging‘s nach dem Pflichtjahr weiter?
und ganz frei. Das hat mir sehr gut gefal-                                Da musste ich ja nun das Pflichtjahr voll-
len.                                                                      machen. Da bin ich noch für drei Monate
Wie lange waren Sie in der Schule?                                        in der Nähe von Cuxhaven bei einem
Acht Jahre Volksschule. Dann kam für                                      Bauern in Holte-Spangen gelandet. Auch
mich eine Landjahrzeit. Man musste ja                                     deshalb, weil es da zu essen gab. Nachher
damals ein sogenanntes Pflichtjahr ma-                                    bin ich eine lange Zeit immer wieder dort
chen. Da haben wir Zucht und Ordnung                                      hingefahren, zu Besuch und so weiter. Da
gelernt. Das war die Hitlerzeit. Ich hatte                                ging es mir sehr gut. Nach den drei Mona-
immer so ein Fernweh in mir. Ich wollte
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ten wollten die mich ganz gerne behalten.                                 habe ich mich mit meinem späteren
Dann war ich bei einem Optiker, das wa-                                   Mann nochmals getroffen. Und wir haben
ren Nachbarn von uns zu Hause. Die                                        einen Kletterkurs in Fels und Eis gemacht.
suchten eine Kraft für ihren Laden. Da es
bei uns ganz in der Nähe war, hab ich                                     Er war Ihnen dann doch nicht so un-
gesagt, ja, würde ich wohl machen. Bin da                                 sympathisch.
hin und war zehn Jahre beim Optiker.                                      Nein, es war eine reine Kameradschaft.
                                                                          Bei der Abfahrt hat‘s dann doch gefunkt.
Haben Sie da eine Ausbildung gemacht?                                     Da hab ich gedacht, so schlecht ist der gar
Nein. Wir hatten in dem Laden keine Bril-                                 nicht (lacht). Dann haben wir uns erst mal
len oder so was. Wir haben überwiegend                                    lange Zeit geschrieben. Wir haben uns 53
Reparaturen gemacht. Ich habe mit dem                                     kennengelernt und 55 haben wir geheira-
Bunsenbrenner gelötet und Brillen, die                                    tet. 57 wurde mein Sohn Michael geboren
kaputt waren, geklebt, mit einer besonde-                                 und 59 meine Tochter Bettina.
ren Klebmasse. So was haben wir ge-                                       Geheiratet haben wir in Cuxhaven, in der
macht. Von da aus habe ich nach Berlin                                    Garnisonenkirche. Meine Schwiegereltern
geheiratet.                                                               kamen sogar aus Berlin. Mein Mann war
                                                                          Buchdrucker und die hatten einen eige-
Wie haben Sie Ihren Mann kennenge-                                        nen Betrieb, Papierwaren und Kalender-
lernt?                                                                    fabrik. Da habe ich nachher mitgearbeitet.
Ich hatte eine Freundschaft in Cuxhaven.
Dann bin ich einmal alleine mit dem Tau-                                  Sind Sie gleich nach der Hochzeit mit
ernexpress zum Skifahren in die Steier-                                   ihrem Mann nach Berlin?
mark gefahren. Ich hatte in Cuxhaven ei-                                  Ja, da sind wir erst zwei Tage nach
nen Kollegen, der hatte mir seine Skier                                   Worpswede in die Künstlerkolonie gefah-
geborgt. Da habe ich meinen Mann ken-                                     ren auf unserer Heimfahrt. Das Auto voller
nengelernt. Ein vorlauter Berliner, den ich                               Blumen usw und dann weiter nach Berlin.
gar nicht recht leiden konnte. Der mir                                    Ein Jahr haben wir bei meinen Schwie-
nachher Briefe schrieb. Die Hütte zum                                     gereltern gewohnt. Durch Zufall und ein
Übernachten war ein Kuhstall und im                                       bisschen Gemauschel haben wir eine
Winter eine Skihütte. Wir haben alle auf                                  kleine Wohnung bekommen, worüber wir
einem Strohlager geschlafen. Ich bin mit                                  natürlich sehr froh waren.
einem Reisekoffer gefahren. Den Koffer
konnte ich mit einem Materialaufzug                                       Da war noch große Wohnungsnot. Ber-
hochfahren lassen. Aber ich hatte ja noch                                 lin war ja ganz zerstört.
eine Reisetasche. Auf dem Weg habe ich                                    Berlin war total zerstört. Wir guckten auf
mich zwei Wienern angeschlossen, die                                      ein Trümmerfeld. Ich weiß noch, wir gin-
auch zur Hütte wollten, und wäre fast un-                                 gen nur über Trümmer. Mein Sohn hatte
terwegs gestorben. Ich kam zur Hütte rein                                 die Augen immer am Boden und hat im-
und konnte keinen Piep mehr sagen, so                                     mer was gefunden. Vielleicht wurde er
kaputt war ich vom Schleppen. Das waren                                   deshalb später Mineraliensammler.
drei Stunden Aufstieg. Als ich morgens die
Fensterklappen öffnete, lag vor mir eine                                  Ist Ihnen der Abschied von Cuxhaven
weiße Märchenwelt und alle Anstrengung                                    nach Berlin schwer gefallen?
war vergessen.                                                            Nein. Nicht so schwer, wie nachher von
Der Wirt hatte außerdem noch eine Klet-                                   Berlin in die Pfalz.
terschule im Ötztal für den Sommer. Da
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Sicher der Abschied von Cuxhaven und                                      Mein Schwiegervater hatte noch vier
meinen Eltern war nicht einfach. Ich habe                                 Schwestern, die aber alle den Krieg nicht
ihnen immer viele Briefe geschrieben und                                  überlebt haben. Er war aber nie ein gläu-
alles beschrieben, was war und wo wir                                     biger Jude. Von Beruf war er Architekt,
hingefahren sind. Damals war es ja auch                                   musste aber den elterlichen Betrieb über-
noch so, dass es Wunschkinder gab. Mei-                                   nehmen. Er hat eine arische Frau geheira-
ne Kinder wissen beide, woher sie sind.                                   tet. Die Frieda war sehr beliebt.
Mein Sohn kam aus Verona und meine
Tochter kam aus Oberaudorf. Das waren                                     Wie ist es der Familie im Krieg ergan-
einfach Wunschkinder. (lacht)                                             gen?
                                                                          Der Betrieb wurde geschlossen. Er wurde
Sie haben im Betrieb der Schwiegerel-                                     von einem anderen übernommen, aber
tern mitgearbeitet.                                                       mehr oder weniger nur pro forma. Sie
Ja, im Büro und nachher in der Produkti-                                  konnten nicht mehr arbeiten. Es ist ihnen
on Pakete gepackt. Wir hatten Werbeka-                                    sehr schlecht ergangen. Auch mit den Le-
lender. Es gab so viele kleine Geschäfte                                  bensmittelkarten und und und. Das war
damals, Radiohändler, Kohlenhändler,                                      alles ganz reduziert. Ich weiß, meine
Elektrogeschäfte und Malerbetriebe usw.                                   Schwiegermutter sollte sich immer schei-
Wir mussten immer ein ganzes Jahr vorfi-                                  den lassen. Dann hätte man ihren Mann
nanzieren, weil die kleinen Geschäfte die-                                sofort abgeholt. Sie hatte eine Schwester,
se Werbekalender mit den Abreißblöcken                                    meine Tante Else, die ist auch immer zu
                                                                          Besuch gekommen. Die war beim Post-
                                                                          checkamt und da hat man immer gesagt,
                                                                          sie soll sich von der Familie Priester tren-
                                                                          nen, sonst würde sie den Beruf verlieren.
                                                                          Sie hat darauf gesagt: „Ich besuche ja
                                                                          nicht meinen Schwager, sondern meine
                                                                          Schwester.“ Dann war es auch so, dass
                                                                          die Männer mal abgeholt wurden und in
                                                                          der Rosenstraße festgehalten wurden. Da
                                                                          haben die Frauen eine Woche vor dem
                                                                          Haus demonstriert. „Lasst die Männer
                                                                          frei.“ Da war gerade die 6. Armee in Sta-
                                                                          lingrad untergegangen. Da hat man ge-
nur zu Weihnachten ihren Kunden dazu                                      sagt: „Wir müssen die Männer frei lassen,
gegeben haben.                                                            sonst gibt es einen Aufstand.“ Da kam der
                                                                          Mann wieder nach Hause.
Das war auch ein finanzielles Risiko für
den Betrieb Ihrer Schwiegereltern.                                        Musste Ihr Mann auch Nachteile erlei-
Ja und Nein. Das war eigentlich nicht so                                  den?
das Problem. Nun muss ich dazusagen,                                      Ja, er wurde aus der Schule entlassen. Er
wo der Name Priester herkommt. Mein                                       war schon auf dem Gymnasium. Aber
Schwiegervater war aus einer jüdischen                                    dann hieß es, er verlässt die Schule, um
Familie. Sein Großvater oder Urgroßvater                                  einen praktischen Beruf zu ergreifen. Er ist
war ein Rabbiner. Als die Namensgebung                                    dann Speditionskaufmann geworden. Der
der Juden damals war, hat er gesagt, ich                                  Firmenbesitzer hat so ein bisschen die
bin ein Priester. Daher kommt der Name.                                   Hand über ihn gehalten.
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Ihn beschützt.                                                            sagte er eines Tages: „Ich gebe den Be-
Ja. Er ist auch evangelisch getauft worden.                               trieb auf.“ Zumal die kleinen Geschäfte
Aber das spielte eben alles keine Rolle.                                  abgelöst wurden, durch die großen Läden
Dann hat er nochmals umgesattelt. Da                                      und Supermärkte.
war dann der Krieg zu Ende usw. Da hat
mein Schwiegervater gesagt: „Wir machen                                   Diese vielen Geschäftsketten.
weiter und bauen den Betrieb neu auf.“                                    Ja. Da hat er gesagt: „Ich werde meinen
Die alten Maschinen standen ja noch. Da                                   Betrieb aufgeben“. Als ich anfing, da hat-
hat mein Mann eine Buchdruckerlehre                                       ten wir ungefähr 12 Mitarbeiterinnen. Das
gemacht. Später sogar, im Jahr unserer                                    meiste waren Frauen, die schon früher,
Heirat 55, noch seinen Meister.                                           bevor der Betrieb geschlossen wurde, bei
                                                                          uns waren. Die waren alle Trümmerfrau-
Und ist in die Firma eingestiegen.                                        en. Da hat meine Schwiegermutter ge-
Ja. Er hat die Firma nachher auch über-                                   fragt, ob sie wieder bei uns arbeiten wol-
nommen. Meine Schwiegermutter ist lei-                                    len. Da haben die gesagt: Sofort.“
der sehr früh an Krebs gestorben. Ist aber
immer mit im Geschäft gewesen, hat sich                                   Wann ist Ihr Mann gestorben?
selbst sehr zurückgenommen.                                               94 ist er gestorben.

Hatten sie auch Angestellte?                                              Wie alt war er da?
Ja, zu Anfang gab’s sehr viel Angestellte.                                Er wäre zwei Wochen später 66 gewor-
Die haben mit Schablonen, mit einer                                       den. Ich war 67. Nachdem er seinen Be-
Spritzpistole diese Figuren und alles, was                                trieb aufgegeben hatte, hatten wir noch
ausgestanzt wurde, bespritzt. Aber mein                                   ein paar sehr gute Jahre. Da sind wir sehr
Mann hatte nachher Heidelberger Druck-                                    viel gewandert, damit er viel Sauerstoff
maschinen angeschafft. Die gibt es ja heu-                                hatte. Und auch viel gereist.
te immer noch.
Ich muss sagen, mein Mann hatte 20 Jah-                                   Konnte er da gut mithalten? Das Wan-
re eine Leukämie.                                                         dern ist ja auch anstrengend.
                                                                          Er konnte ganz gut mithalten und wollte
Das war für sie beide eine schlimme                                       das auch. Er hatte sich ganz gut erholt.
Zeit.                                                                     Aber mit einem Mal brach sein Blutbild
Es war eine ganz schlimme Zeit. Es war                                    total zusammen. Ich weiß, ich bin einmal
so: Er hatte eine Gallenblasenentzündung                                  nach einem Urlaub mit dem Auto von
und ging ins Krankenhaus. Die Gallenbla-                                  Basel zurück nach Berlin gefahren. Unter-
se sollte entfernt werden. Als ich ihn be-                                wegs hat mein Mann schon seinen Arzt
suchen wollte, hat man mir gesagt, ich                                    angerufen und gesagt, dass er eine Blut-
müsste erst mal beim Arzt vorsprechen.                                    transfusion braucht. Seine Werte waren
Da hat er gesagt: „Die Gallenblase ist ent-                               total schlecht. Er hat sehr viele Bluttrans-
fernt worden, aber ihr Mann hat eine sehr                                 fusionen gekriegt im Laufe dieser ganzen
schwerwiegende Krankheit“. Da hat man                                     Krankenzeit. Dann war er mal bei einem
festgestellt, dass er eine Leukämie hatte                                 Arzt. Der hat gesagt: „Also wie Sie mit Ih-
im sehr fortgeschrittenen Stadium. Da-                                    rer Krankheit umgehen, das ist ja fantas-
mals hat er sehr viel Kortison und andere                                 tisch“. Da hat mein Mann zu ihm gesagt:
Sachen bekommen. Das war so ein engli-                                    „Wissen Sie Herr Doktor, ich möchte ja
sches Präparat. Nachher hat er sehr viele                                 auch noch 20 Jahre leben“. Wir hatten
Bluttransfusionen erhalten. Als er 58 war,                                jahrzehntelang einen wunderschönen
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Schrebergarten, unser ein und alles. Er                                   Sozialwerk und habe mich auch für den
wollte den Kirschbaum schneiden. Er sag-                                  Besuchsdienst entschieden. Mit meiner
te: „Mir geht es gut.“ Und er steigt aufs                                 guten Freundin Ruth habe ich genau 10
Laubendach, das war nur zwei Meter                                        Jahre in diesem Pflegeheim Besuche ge-
hoch und dann fällt er rückwärts runter                                   macht. Man hat die Menschen ja nur re-
auf eine Leiter. Ich war in der Laube und                                 den lassen. Man hat keine pflegerischen
habe ihn vorbeifallen sehen.                                              Arbeiten gemacht, sondern man hörte
                                                                          den Leuten zu, was die so aus ihrem Le-
Das ist ja furchtbar.                                                     ben erzählten. Denn sie waren ja alle mal
Das war so furchtbar. Er war vollkommen                                   jung und haben viel erlebt. Dann war es
weggetreten. Ich sagte: „Wolfgang, Wolf-                                  so, dass ich neben einer Frau saß und ihr
gang“. Dann sagte er: „Regt euch nicht                                    über den Rücken streichelte. Das hat jeder
auf“. Sein Knochengerüst, ist aufgrund der                                gern.
vielen Medikamente, wie ein Kartenhaus
zusammengefallen.                                                         Das ist Nähe.
                                                                          Dann legte sie bei mir den Kopf an und
Das war schlimm.                                                          sagte: „Ich wusste gar nicht, dass alte
Das war eine sehr schlimme Zeit. Am                                       Menschen so viel Liebe brauchen.“ Das
nächsten Tag war meine Tochter da. Mein                                   werde ich nie vergessen, weil mich diese
Sohn und die Schwiegertochter kamen                                       Dankbarkeit immer bereichert hat.
aus Südamerika an. Er war an Sauerstoff
angeschlossen. Und vier Tage später war                                   Das war ja eine sehr wichtige, sinnvolle
er tot.                                                                   Aufgabe, die Sie da übernommen ha-
                                                                          ben. Wo Sie auch eine Bestätigung und
Das war ein Schock für Sie.                                               Rückmeldung erhalten haben.
Ich war 67 und hatte ja noch Kräfte. Dann                                 Ja. Wir haben das nachher immer zu zweit
bin ich durch die Straßen gelaufen. Da                                    gemacht. Eine ging da hin, die andere da
gab‘s bei uns im Grunewald die Grune-                                     hin. Wenn man rauskam, war es manch-
waldkirche. Mittwochs gab’s da ein klei-                                  mal sehr erfreulich und manchmal sehr
nes Café für Gespräche und so weiter. Ich                                 betrüblich. So konnten wir uns später
bin da reingegangen und hab mich zu                                       darüber unterhalten.
zwei Damen gesetzt, die machten Be-
suchsdienst im Pflegeheim schräg gegen-                                   Dann war man nicht alleine mit dem
über. Ich kam mit denen ins Gespräch.                                     Erlebten.
Dann erzählten sie mir vom Sozialwerk                                     Kann man sagen, dass diese Aufgabe
Berlin. Das Sozialwerk Berlin ist auf priva-                              Ihnen auch geholfen hat, über die Trau-
ter Ebene gebaut und geführt worden. Die                                  er zu kommen?
beiden Damen haben mir von ihrem Be-                                      Ja. Das hat es auf jeden Fall. Ich habe
suchsdienst erzählt. Dann habe ich ge-                                    dann sehr viel in diesem Sozialwerk mit-
sagt: „Ich werde mir das Haus mal anse-                                   gearbeitet. Dort wurde auch sehr viel an-
hen, dieses Sozialwerk“. Ich bin hin ge-                                  geboten. Sie konnten Englisch lernen,
gangen und wurde durchs Haus geführt.                                     Singen, Tanzen, gemeinsame Ausflüge
Da war ich so angetan und bin Mitglied                                    machen usw. Wir haben immer zur Weih-
geworden. Die hatten auch sonnabends                                      nachtszeit einen Basar gemacht, den ich
und sonntags geöffnet, wenn andere so-                                    viele Jahre organisiert habe. Die Leute
ziale Einrichtungen geschlossen haben.                                    haben Sachen abgegeben, die wir ver-
Dann war ich dort 18 Jahre Mitglied im                                    kauft haben. Das war eine gute Gegend
aktiv dabei         11
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im Grunewald. Da kamen sehr schöne                                        zu gehen. Mein Sohn sagte: „Du musst Dir
Sachen zusammen. Drei Tage vor dem                                        das überlegen“. Und meine Tochter hat
ersten Advent war der Basar geöffnet.                                     dann gleich gesagt: „Dann komm zu mir
                                                                          in die Pfalz“. Ganz kurz entschlossen, hab
Viele Jahre haben Sie in Berlin gelebt.                                   ich gesagt: „Ja, zu Hause, geht das alleine
63 Jahre.                                                                 nicht mehr“ und deshalb habe ich mich
                                                                          entschlossen in die Pfalz zu kommen. Ich
Wieso sind Sie in die Pfalz gekommen?                                     habe allerdings ein großes Problem.
Es ist so, ich bin oft umgefallen und war                                 Wenn zwei Pfälzer zusammen sind und
in der letzten Zeit drei Mal im Kranken-                                  sich unterhalten, verstehe ich gar nichts.
haus, bis man festgestellt hatte, dass ich
Natriummangel habe. Eine Stoffwech-                                       Das ist noch schwierig. Wie lange sind
selerkrankung und ich fiel dann einfach                                   Sie schon in der Pfalz?
um. Wenn meine Kinder angerufen ha-                                       Also ich bin am 12. November 2018 ge-
ben, dann hab ich immer gesagt: „Kinder,                                  kommen.
mir geht es gut“. Um ihnen auch keine
Sorgen zu machen.                                                         Das Datum wissen Sie genau.
                                                                          Ja, das weiß ich genau. Meine Tochter hat
Um sie nicht zu beunruhigen.                                              dann genau ein Jahr später, im letzten
Ja, genau. Bis es dann hieß, vielleicht ist                               November, ein Fest gemacht. Ein Jahres
es doch sinnvoll in eine Pflegeeinrichtung
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                             mm

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       Das Therapiezentrum | Obere Langgasse 5
       Telefon 06232 77 555 | therapiezentrum@theraneos.de

       Physiotherapie | Ärztehaus Medicus | Bahnhofstraße 49
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       Sturzprävention | Haus am Germansberg                                                               AKTIV & FIT
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12 aktiv dabei
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fest. Ich fühl mich hier in Dudenhofen                                    schon Besuch aus Berlin. Das erste was
auch sehr wohl. Ich war erst in einem                                     die Leute gesagt haben: „Ach, ist die Luft
Doppelzimmer in Kurzzeitpflege mit einer                                  hier gut“
Dame zusammen, die nachher leider ver-
storben ist. Das hat meine Tochter alles                                  Sie haben also noch Kontakte nach Ber-
organisiert. Mein Sohn und meine                                          lin.
Schwiegertochter haben in Berlin meine                                    Ja, habe ich. Ich telefoniere sehr viel und
Wohnung aufgelöst und haben meine                                         schreibe immer noch gerne lange Briefe.
ganzen Möbel verschenkt. Sie haben das
inseriert, zu verschenken, abzuholen und                                  Haben Sie in der kurzen Zeit schon
nichts ist auf den Sperrmüll gekommen.                                    Kontakte knüpfen können?
Alles hat noch mit viel Dankbarkeit einen                                 Eine sehr liebe Frau, Sigrid, eine ehemali-
Abnehmer gefunden. Von Paris bis nach                                     ge Lehrerin, mit der ich die Nachmittags-
Meckpomm und bis in die Ostblocklän-                                      konzerte in Speyer besuche, spiele, erzäh-
der.                                                                      le, lache. Bei mir gegenüber wohnt noch
                                                                          eine Dame, die ist erst ein paar Monate
Wie war das für Sie, von Berlin Ab-                                       da. Die ist nach einem Schlaganfall ge-
schied zu nehmen. Ihre Wohnung, alles                                     kommen, aus Pirmasens. Ich bin hier voll
Vertraute, auch Freunde und Bekannte                                      integriert und werde auch die Sprache
zurückzulassen? Was nimmt man mit, in                                     noch verstehen lernen, nicht sprechen. Ich
das neue Leben? Es kann ja nur ganz                                       behalte mein Hochdeutsch.
wenig sein.
Diese Figur (Bildhauerarbeit) hat mein                                    Sie sind immer eine aktive Frau, haben
Sohn gemacht. Er macht nebenbei Bild-                                     Ihren Mann begleitet. Sie sind eine
hauerarbeiten und ich freue mich immer,                                   starke Frau. Wie ist es jetzt in ihrem
wenn ich diese Figur hier bei meiner                                      Alter? Da kommen ja auch Handikaps,
Tochter sehe. Die hat in meinem Zimmer                                    sie waren öfter im Krankenhaus. Was
keinen Platz mehr. Ein paar wenige schö-                                  macht das mit Ihnen?
ne Dinge habe ich mitnehmen können,                                       Ich bekomme hier Salztabletten, esse so
wie meinen geliebten Teewagen und                                         gut wie kein Fleisch, gar keine Süßigkei-
meine vielen Fotoalben. Übrigens sei es                                   ten, weil mein Körper das Salz braucht.
wie ein Lottogewinn, dass es überhaupt in                                 Und immer nur eine halbe Portion. Meine
dem Pflegeheim so zeitnah einen Platz für                                 Natriumwerte sind etwas besser. Ich habe
mich gab. Denn es gibt zu wenige Plätze.                                  auch einen Rollator. Heute habe ich nur
Da hab ich mir gesagt: „Ja, das Leben be-                                 den Stock dabei.
steht aus Veränderungen.“ Und ich habe
das auch keinen Tag bereut, dass ich hier                                 Benutzen Sie auch Ihren Rollator?
in die schöne Pfalz gegangen bin.                                         Immer. Auch wenn ich nachts aufstehe.
                                                                          Man darf nicht fallen, das wäre das
Das ist eine sehr gute Haltung. Einen                                     Schlimmste. Man kommt dann nicht wie-
Schlussstrich unter einen Lebensab-                                       der hoch. Man kann sich auch leicht et-
schnitt ziehen und einen neuen begin-                                     was brechen. Ich nehme den Rollator
nen.                                                                      immer im Zimmer. Ich habe ein Einzel-
Meine Tochter versorgt mich derart gut                                    zimmer mit einem großen Bad, einem
und zeigt mir die ganze Umgebung usw.                                     Balkon mit vielen Blumen, mit einem
Ich bin nun immer ein bisschen auf ihr                                    Baum davor. Sehr schön.
Auto angewiesen. Ich hatte zwei Mal
aktiv dabei         13
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Mit Ihrer neuen Wohnsituation sind sie                                    ter, die sind 95, leben noch beide in
sehr zu frieden. Das ist ja auch wichtig,                                 Oldenburg. Aber wenn da einer geht, geht
weil das ihre Lebensqualität ausmacht.                                    der andere sofort mit. Ich konnte noch-
Ich bin sehr damit zufrieden. Wenn ich                                    mals voll durchstarten und jeder sagt das
nach Hause komme, sage ich immer: „Ja,                                    auch. Auch mein Sohn oder meine Toch-
das ist mein Zuhause.“                                                    ter. Du bist nochmal richtig aufgeblüht,
                                                                          auch durch die Aufgaben, die ich da
Das ist schön.                                                            übernommen habe. Das war eine gute
Da bin ich sehr dankbar.                                                  und erfüllende Sache.

Was haben Sie noch für Ziele? Was ist                                     Was wäre ihnen noch wichtig zu sagen.
Ihnen noch wichtig?                                                       Ich weiß nicht, ob das Leute überhaupt
Einigermaßen gesund zu bleiben. Das ist                                   interessiert, so ein Leben.
mir am aller wichtigsten, dass meine Kin-
der gesund bleiben, das ist auch ein sehr                                 Natürlich interessiert das.
großer Wunsch. Große Ziele in dem Sinne                                   Es gibt politische Ereignisse, die so wichtig
habe ich nicht. Mein Fernweh ist restlos                                  waren. Zum Beispiel, als in Dallas/Texas
gestillt. Wir waren einen Monat in Brasili-                               Kennedy erschossen wurde. Mir liefen die
en.                                                                       Tränen runter, als ich das in der Zeitung
                                                                          gelesen habe. Wir hatten früher nie einen
Ihr Sohn hat in Südamerika gelebt.                                        Fernseher. Dann die beiden Flugzeuge,
Ja. Mein Sohn ist Bergbauingenieur und                                    die im September 2001 ins World Trade
nebenbei Bildhauer. Aber er ist Spezialist                                Center geflogen sind, das nachher zu-
für Entwicklungshilfe geworden. Er war in                                 sammengestürzt ist und so viele Men-
49 Ländern eingesetzt.                                                    schen umgekommen sind. Wir haben erst
                                                                          gedacht, das ist ein Krimi.
Haben Sie auch Enkelkinder?                                               Das bewegendste Ereignis aber war für
Ja, ich habe vier Enkelkinder. Meine liebe                                mich der Fall der Berliner Mauer am 9.
Tochter hat drei Adoptivkinder aus Brasili-                               November 1989. Wenn ich heute diese
en. Drei Brüder. Ich habe drei Nächte                                     Bilder und die Freude der Menschen sehe,
nicht geschlafen, als es hieß, von null auf                               bin ich jedes Mal sehr, sehr glücklich.
drei. Wie soll das gehen?                                                 Ich war schon 80 Jahre, als ich mir dann
Mein Sohn hat auch ein Kind, einen Sohn.                                  doch mal einen Fernseher gekauft habe.
Der ist aber im Augenblick in Chile und                                   Früher habe ich sehr viel gelesen. Ich ha-
studiert in Portugal Meeresbiologie. Jetzt                                be zwar jetzt auch einen Fernseher, aber
sind es alles gutaussehende junge Män-                                    abends hör ich dann gerne Hör CDs oder
ner zwischen 24 und 26.                                                   schöne Musik. So kann ich die Augen zu
                                                                          machen. Ich habe sehr schöne Kopfhörer.
Da sind Sie stolz auf ihre Familie.
Ja, das bin ich.                                                          Sie können dann sehr gut genießen.
                                                                          Ja, das kann ich, gut genießen.
Das gibt Ihnen sicher ein gutes Gefühl,
wenn Sie Ihr Leben überdenken.                                            Möchten Sie am Ende unseres Gesprä-
Ja. Ich bin einfach dankbar, dass alles so                                ches noch ein Gedicht aufsagen?
gekommen ist. Es kommt immer darauf                                       Ja, mir fällt noch eins ein. Wir hatten ja
an in welchem Alter man seinen Partner                                    das Fontane Jahr, deshalb ein Gedicht von
verliert. Die Schwiegereltern meiner Toch-                                Fontane. (trägt wieder sicher und frei das
14 aktiv dabei
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Gedicht Herr von Ribbeck auf Ribbeck                                      Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
vor)
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havel-                                    So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?«
land,                                                                     Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,                                      Dirn,
Und kam die goldene Herbsteszeit                                          Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«
Und die Birnen leuchteten weit und breit,                                 So spendet Segen noch immer die Hand
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme                                       Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havel-
scholl,                                                                   land.
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,                                      Das haben Sie sehr schön vorgetragen.
So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«                                      Ich bewundere Ihr Gedächtnis, dass Sie
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,                                so viele Texte frei vortragen können, ist
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«                                       ganz wunderbar. Ich wünsche Ihnen
So ging es viel Jahre, bis lobesam                                        alles Gute und dass Sie sich weiterhin
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben                                    in der Pfalz wohl fühlen.
kam.                                                                                                   Ria Krampitz
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun
ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppel-
dachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
                                                                                  Ein Gedicht von Horst Rehmann
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
                                                                              Lass uns die Zweisamkeit gestalten,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
                                                                               auf dieser wunderschönen Welt,
»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht                                    mit der Liebe unser Glück verwalten,
Ach, sie kannten den alten Ribbeck                                                damit es lebenslänglich hält.
schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,                                    Den Lebensraum lass uns erweitern,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.                                        mit Gedankengut und Träumen,
Aber der alte, vorahnend schon
                                                                               auch ständig das Gemüt erheitern,
Und voll Mißtraun gegen den eigenen
Sohn,                                                                            keinen Sonnentag versäumen.
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,                                              Geborgenheit soll uns umhüllen,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus                                         so wie die Luft den Erdenball,
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.                                           dann wird Zufriedenheit sich füllen,
Und die Jahre gingen wohl auf und ab,                                            rings um uns her und überall.
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem
Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
aktiv dabei         15
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                                            Omas for Future
Die jungen Leute von Fridays for Future                                   ökologischen Fußabdruck nach sich zieht,
haben Unterstützung von Klimawissen-                                      solange dies auf der Grundlage des Ver-
schaftlern und vielen anderen gefunden.                                   brennens fossiler Energie beruht.
Das hat sie in die Mitte der Gesellschaft
gebracht. Weltweit protestieren Millionen                                 So lebte jedenfalls Cordula Weimann, ei-
von Menschen, um die Klimakrise zu                                        ne Unternehmerin aus Leipzig. Sie gesteht
stoppen. Beim 4. globalen Klimastreik am                                  auf der Website von Omas for Future,
29.11.2019 demonstrierten Bürger in 150                                   dass sie früher im Höher-weiter-schneller-
Ländern. Selbst in abgeschiedenen Gebie-                                  Modus lebte. Sie habe sich wichtig ge-
ten der Arktis und Antarktis haben sich                                   fühlt, schöne Gefühle gehabt, aber es ha-
Forscher den internationalen Klimaprotes-                                 be sie nicht glücklich gemacht. Ein tief-
ten angeschlossen. Doch was ist mit den                                   greifender Wandel setzte bei ihr ein, als
älteren Leuten? Viele Ältere sind glückli-                                sie ein Schaubild der steigenden Fieber-
che Profiteure einer in Europa einzig-                                    kurve der Erderhitzung sah. Sie erkannte,
artigen Phase des Friedens und Wohl-                                      dass sie mit ihrer Lebensweise dazu bei-
stands. Was machen sie heute? Fahren sie                                  trug, die geliebte Erde zu zerstören und
fröhlich auf Kreuzfahrtschiffen oder fliegen                              ihren Enkeln damit Schaden zufügte.
in Ferienregionen, während die Jungen                                     Plötzlich fand sie ihr Enkelengagement
auf der Straße protestieren? Viele leben                                  grotesk, wenn sie gleichzeitig durch ihr
gut und reisen gern, was einen hohen                                      Alltagsverhalten und politisches Stillhalten
16 aktiv dabei
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mit dazu beitrug, die Zukunft ihrer Enkel                                 wir wirklich verstehen, dass unser gegen-
durch das Aufheizen der Erde zu gefähr-                                   wärtiges Handeln dazu führt, dass es un-
den. Tatkräftig, wie sie schon immer war,                                 seren Kindern in Zukunft schlecht gehen
gründete sie nur wenige Wochen nach                                       wird, unseren Weg ändern werden. Nach
dieser Erkenntnis den gemeinnützigen                                      seiner Meinung können wir eine gute
Verein „Leben im Einklang mit der Na-                                     Zukunft schaffen. Wir hätten das Wissen
tur“ und die Bewegung „Omas for Future“.                                  und alle notwendigen Mittel in der Hand.
Längst gibt es eine professionelle Website                                Aber wir müssen unsere Prioritäten än-
und wissenschaftliche Beratung für diese                                  dern. Ohne Wandel, Kosten und Mühen
Organisation. Aus der Ortsgruppe Leipzig                                  gehe es nicht.
sollen zügig 100 Ortsgruppen werden.
Nicht alle, denen sie ihr Anliegen vorträgt,                              Es wird uns immer mehr bewusst, dass
sind begeistert. Teilweise erfahre sie eisi-                              hier auf unserem Planeten alles mit allem
ges Schweigen. Vielleicht haben viele                                     verbunden ist. Schon vor Jahrzehnten be-
Menschen Angst, den Status quo aufge-                                     tonte die NGO Attac, dass ein gutes Leben
ben zu müssen. Diesen Status aufgegeben                                   für alle möglich sei, wenn wir keine unfai-
hat Dirk Gratzel, ein 49-jähriger Unter-                                  ren Freihandelsverträge abschlössen, un-
nehmer, Vater von fünf Kindern, in der                                    sere Konzerne die armen Rohstoffländer
Nähe von Aachen. Er fasste den Ent-                                       nicht ausbeuteten und wir in den westli-
schluss, so zu leben, dass die Erde durch                                 chen Industrieländern eine gerechtere
seinen Lebensstil keinen Schaden davon-                                   Verteilung der Güter auf der ganzen Welt
trägt. Mit Hilfe des Direktors des Instituts                              anstrebten. Heute werden die armen
für technischen Umweltschutz an der TU                                    Länder am stärksten von der Klimakrise
Berlin, Professor Matthias Finkbeiner, fer-                               getroffen, die wir großenteils verursacht
tigte er eine Ökobilanz seines Lebensstils                                haben, aber auch wir bekommen die Hit-
an. Er hatte in seinem Erwachsenenleben                                   ze, Brände, Trockenheit, Stürme und
einen Ausstoß von fast 27 Tonnen Koh-                                     Überschwemmungen allmählich zu spü-
lendioxyd jährlich verursacht, mehr als                                   ren.
doppelt so viel wie der Durchschnitts-
deutsche. Schockiert von diesem Ergebnis                                  Zurück zu Cordula Weimann. Sie will kei-
änderte er sein Leben (machbare Wege                                      ne gesellschaftliche Spaltung, sondern
mit dem Fahrrad, Tausch des Sportwa-                                      eine Allianz, will „ins Boot“ der jungen
gens gegen ein Hybridauto, das er mit                                     Aktivisten. Der Politik wirft sie vor, sie ha-
Ökostrom lädt, weniger Klamotten, weni-                                   be den Konsum und Lebensstil von uns
ger Fleischkonsum). Er hat es geschafft,                                  Älteren unterstützt und nie deutlich ge-
seinen Kohlendioxydausstoß auf 7,8 Ton-                                   sagt, welche Belastung das für die Natur
nen pro Jahr zu reduzieren und empfindet                                  ist. Eine neue Idee von ihr ist, Menschen
die Maßnahmen, die er ergriffen hat, kei-                                 in Altenheimen einzubinden, denn die
neswegs als einschränkend.                                                wüssten oft noch, wie man umweltver-
                                                                          träglich lebt; sie seien aufgewachsen,
Dr. Gregor Hagedorn hat „Scientists for                                   nachhaltig mit Kleidung und Nahrungs-
Future“ gegründet. Er arbeitet als Wissen-                                mitteln umzugehen. Die Strukturen sind
schaftler in Berlin, sein Vorbild für nach-                               leider bekanntlich zäh und die Lösung
haltigen Lebensstil ist die Natur. Er weist                               globaler Krisen ist in unterschiedlichen
darauf hin, dass wir quer durch alle Par-                                 Systemen von vielen Dingen abhängig.
teipräferenzen normalerweise sehr viel                                    Aber Resignieren hilft nicht!
dafür tun, dass es unseren Kindern gut
geht, und er ist überzeugt, dass wir, wenn                                Omas for Future wollen mithelfen, dass
aktiv dabei         17
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auch unsere Enkel ein gutes Leben führen
können. Packen wir´s an!
www.omasforfuture.de

Quellen: Schrot und Korn, Januar 2020,
S. 30 bis 35 alverde, Januar 2020, S. 10,
11, 66, 67
                           Hanne Kleinen

                                                                                         In den Abend ...

                                                                                            Das alte Pärchen
                                                                                          schlendert langsam
                                                                                             Hand in Hand
                                                                                          seinen Weg entlang.
                                                                                     Im gleichen Rhythmus atmend
                                                                                        braucht es keine Worte,
         Klima-Aktionstag                                                                um sich zu verstehen.

       für alle Generationen                                                        Aus zwei verschiedenen Wesen
              am 24. April 2020 von                                                     erschuf das Leben Eines,
               Fridays For Future                                                 ihr ICH und sein DU verschmolzen
                                                                                             zu einem WIR:
In vielen Städten, sicherlich auch in Spey-                                              Zeichen für eine Liebe,
er, sind alle Generationen aufgerufen, sich                                               die kein Ende findet.
öffentlich für eine klimagerechte Welt ein-
                                                                                                Und doch
zusetzen. Das ist dringend! Jeden Tag ver-
                                                                                            wird dereinst des
öffentlichen Wissenschaftler neue Er-                                                     Schnitters kalte Sichel
kenntnisse, dass die Klimaerhitzung mit                                                     durchtrennen, was
ihren desaströsen Folgen noch schneller                                                  zusammen wuchs und
voranschreitet als prognostiziert. Gleich-                                             auf ewig zusammen gehört.
zeitig spüren wir es in unserem Alltag.
Was war das für ein Winter dieses Jahr                                                    Grenzenloser Schmerz !
gegenüber den Wintern früher? Der Wald
in Rheinland-Pfalz ist enorm geschwächt
von der Trockenheit der vergangenen                                                           (Ulla Fleischmann)
Sommer.
Am 24. April können Sie die jüngere Ge-
neration unterstützen, sich für ihre Zu-                                     Mit unserer Zeitschrift „aktiv dabei“
kunft einzusetzen! Seien Sie dabei! Aktu-                                    möchten wir auch andere Organisati-
elle Informationen zum Treffpunkt und                                        onen unterstützen. Wenn Sie ein An-
zur     Uhrzeit    erhalten    Sie    unter:                                 liegen haben, melden Sie sich einfach
https://fridaysforfuture.de/savethedate/                                     im Seniorenbüro, Tel. 06232/142661
18 aktiv dabei
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                                            10 Hygienetipps
                          von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
                                Diese Regeln sollten Sie immer beachten.

                                     Regelmäßig
                                     Händewaschen
                                                                                                         Wunden Schützen
                              • Wenn Sie
                          nach Hause
                          kommen
                              • Vor und
                          während der Zu-
          bereitung von Speisen
    •     Vor den Mahlzeiten                                                                             Abstand halten
    •     Nach dem Besuch der Toilette
    •     Nach dem Naseputzen, Husten
          oder Niesen
    •     Vor und nach dem Kontakt mit Er-
          krankten
    •     Nach dem Kontakt mit Tieren                                                                    Auf ein sauberes
                                                                                                         Zuhause achten
                                                                                                         vor allem in Küche,
Hände gründlich waschen                                                                                  Bad und Toilette
  • Nass machen
  • Rundum einseifen
  • Zeit lassen
  • Gründlich abspülen                                                                                 Mit Lebensmittel
  • Sorgfältig abtrocknen                                                                              hygienisch umgehen

                            Hände aus dem
                            Gesicht fernhalten
                                                                                                      Geschirr und Wäsche
                                                                                                      heiß waschen

                            Richtig husten und                                                        Regelmäßig lüften
                            niesen
aktiv dabei         19
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                                    Schindlers Liste
                                Die Frau an seiner Seite
Kerstin Scholl, Lehrerin an der Realschule                                begleitete sie auf ihren Reisen auf den
plus in Dudenhofen und Stolperstein-                                      Spuren der Schindlers.
aktivistin, hatte am 12.11.19 eingeladen
und sie kam: Frau Dr. Erika Rosenberg,                                    Frau Dr. Rosenberg ist Jüdin und
Historikerin     und     Publizistin   aus                                schilderte zunächst kurz ihr Leben. Ihre
Argentinien, eine Wegbegleiterin von                                      Eltern, Deutsche, die Mutter war Ärztin in
Emilie Schindler. Beim ersten Vortrag für                                 Hamburg, der Vater Jurist in Berlin, hatten
die Schüler der 9. Klasse durfte ich dabei                                keine    Chance     mehr    ihren     Beruf
sein. Die Schüler kannten den Film                                        auszuüben, als Hitler das „ Gesetz zur
„Schindlers Liste“ und waren gespannt auf                                 Wiederherstellung                       des
Neuigkeiten und Hintergründe der                                          Berufsbeamtentums“ erließ.
Geschichte dieses schillernden Ehepaars.                                  Was macht ein Mensch, der seiner
                                                                          Grundlagen beraubt ist? Wenn er die
Eigentlich hatte sie vor, ein Buch über                                   Möglichkeiten hat, wandert er aus, in
Einwanderer      nach    Argentinien    zu                                diesem Fall nach Argentinien.
schreiben. Dabei führte sie der Zufall bei
den Recherchen auf den Namen Emilie                                       Nun zu Emilie Schindler geb. Pelzl: Sie ist
Schindler, die verarmt in Argentinien                                     1907       geboren, wurde in einer
lebte. Das Zusammentreffen mit dieser                                     Klosterschule erzogen, war streng gläubig
Frau hat ihrem Schaffen eine ganz neue                                    und hatte eine gute Ausbildung. Ihre
Richtung gegeben und sie wollte den                                       Eltern kamen aus Mähren, hatten einen
Schindlers ein Buch widmen. So legte sie                                  Bauernhof und da kommt Oskar ins Spiel:
ihr eigentliches Projekt 20 Jahre auf Eis,                                er wollte eines Tages ihrem Vater einen
freundete sich mit Emilie an und                                          Elektromotor verkaufen. Geheiratet haben
20 aktiv dabei
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sie am 6.3.1927 in Zwittau, wo die                                        ein Ungeheuer. Seine Hunde zerfleischten
Schwiegereltern wohnten.                                                  Menschen und er schaute dabei zu und
                                                                          lächelte. Außerdem machte er morgens
Auch die Schindlers kamen aus Mähren,                                     Schießübungen von seinem Balkon aus
das nach dem Verfall der k.u.k.Monarchie                                  und schoss wahllos auf die Leute. Es
zur Tschechoslowakei geworden ist. Dort                                   waren 4000, die er umgebracht hat. Die
entstand unter Konrad Henlein damals                                      Schindlers mussten ihn zuhause em-
die Nazipartei, in die Oskar eintrat. Die                                 pfangen, damit sie die jüdischen Arbeiter
Beziehungen zu den Parteileuten sollten                                   für die Fabrik bekommen konnten. Göth
ihm später nützlich sein für seine                                        trank viel und Oskar trank mit, um sich zu
Rettungsaktionen.                                                         tarnen und die Rettung „seiner“ Juden
                                                                          nicht aufs Spiel zu setzen.
Der 2. Weltkrieg brach aus. Oskar, Spion
unter Canaris, dem Chef des Geheim-                                       1942 liess Oskar Schindler ein Arbeits-und
dienstes, hatte den Auftrag nach Krakau                                   Wohnlager für die Juden einrichten. Es
zu reisen. Dort entdeckte er eine Email-                                  befand sich direkt neben der neuerwor-
warenfabrik, die Juden gehört hatte,                                      benen Kistenfabrik und der Krakauer
nahm einen Kredit auf und begann unter                                    Glashütte. Denn inzwischen wurde auf
anderem, Töpfe für die Wehrmacht herzu-                                   der Wannseekonferenz die „Endlösung
stellen. Einen Teil der Ware verkaufte er                                 der Judenfrage“ beschlossen und die
auf dem Schwarzmarkt und konnte so                                        Schindlers wussten, was das für die Juden
richtig viel Geld verdienen.                                              bedeutete, wenn sie nicht eine Sonder-
Emilie unterstützte ihren Mann aktiv auch                                 genehmigung erhalten, direkt neben der
bei seiner Arbeit der Spionageabwehr.                                     Fabrik ein Lager zu bauen. Sie reisten
                                                                          nach Berlin und kehrten mit der Erlaubnis
Die Arbeiter in der Fabrik waren Juden,                                   zurück.
die zuerst im Ghetto in Krakau gelebt                                     Dann wurde die Fabrik nach Brünnlitz
haben und später ins Konzentrationslager                                  (heute Zwittau) verlegt. Erschütternd war
nach       Plaszow       kamen.        Die                                das Foto, das einen Frachtbrief zeigte; die
Lebensbedingungen im Lager waren                                          deklarierte“ Fracht“ waren Menschen. Die
schlimm. Es gab keine Krankenstation                                      Juden wurden nicht als Menschen
und wer krank wurde, war dem Tod                                          gesehen.
geweiht. Eine große Gefahr für die Frauen
war eine Schwangerschaft. Emilie half                                     Im Januar 1945 entschied Emilie, 120
einer Frau abzutreiben, ohne dem Arzt zu                                  jüdische Arbeiter, die erschossen werden
sagen, dass die Schwangere Jüdin war.                                     sollten, in die Fabrik aufzunehmen. Sie
Das war für sie als gläubige Katholikin                                   trug die Entscheidung ganz allein, da
nicht einfach, da sie immer gegen                                         Oskar auf Reisen war und rettete diese
Abtreibung war. Einmal hatte Emilie in der                                Menschen vor dem sicheren Tod.
Fabrik eine angerauchte Zigarette weg-
geworfen. Ein jüdischer Häftling stürzte                                  Nach der Kapitulation Deutschlands
sich sofort darauf und rauchte sie gierig.                                musste das Ehepaar schnell fliehen, da sie
Das sah ein SS-Mann und er stellte sie zur                                sonst als deutsche Fabrikanten mit Sicher-
Rede wegen Begünstigung von Juden. Er                                     heit umgebracht worden wären. Sie
warnte sie: Passen Sie auf! Ich werde Sie                                 landeten in Regensburg.
im Auge behalten.                                                         Mit Hilfe von 15 000 Dollar einer
                                                                          jüdischen Organisation schifften sie sich 3.
Amon Göth, der Lagerkommandant, war                                       Klasse nach Argentinien ein, wo sie 60 km
aktiv dabei         21
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südlich von Buenos Aires eine Farm                                        geschieden gewesen und hätte somit
betrieben.                                                                keinen Anspruch. Das war eine Lüge.

Oskar kehrte nach Deutschland zurück,                                     In Jerusalem sollte der Film vorgestellt
um eine Art Wiedergutmachung für den                                      werden und Emilie und ihre Begleiterin,
Verlust der Fabriken zu bekommen.. Die                                    Frau Dr. Rosenberg, waren eingeladen. Ihr
Verhandlungen dauerten insgesamt fünf-                                    Platz war am Tisch 87 in einer der letzten
einhalb Jahre. Er kam nicht wieder zu                                     Reihen. Die beiden wollten schon gehen,
Emilie zurück. Sie blieben aber weiterhin                                 da sie sich sehr überflüssig vorkamen. Da
verheiratet.                                                              kam ein Mann auf Emilie zu: Sie sind
                                                                          Emilie Schindler! Er und die anderen
Oskar starb 1974 in Hildesheim und                                        „Schindlerjuden“ hatten sie erkannt und
wurde in Jerusalem beigesetzt. Emilies                                    bedankten sich gerührt bei ihr.
letzter Wunsch war, ihren Lebensabend in
Deutschland zu verbringen. Mithilfe ihrer                                 Emilie Schindler hat mutig und heldenhaft
Freundin, Frau Dr. Erika Rosenberg, kam                                   gehandelt. Die beiden waren ein
sie im Juli 2001 zurück nach Deutschland.                                 ungleiches, jedoch couragiertes Ehepaar.
Wenige Wochen später starb sie in der                                     Man sagt: Gegensätze ziehen sich an:
Nähe von Berlin und wurde im bayrischen                                   Oskar liebte das Leben, schnelle Autos,
Wallkraiburg beerdigt. Hier hatte sie in                                  Frauen, den Alkohol und den Tabak. Er ist
einem Alten-und Pflegeheim der Sudeten-                                   mit 66 Jahren gestorben. Emilie ist 94
deutschen-Stiftung ihren Lebensabend                                      Jahre alt geworden. Er war ihre große
verbringen wollen.                                                        Liebe.

Der Film „Schindlers Liste“ von Steven                                    Frau Dr. Rosenberg appellierte an die
Spielberg hat seine eigene Geschichte.                                    Schüler: „Es gibt so viele Kriege,
Oskar schickte seine Biographie an einen                                  Missverständnisse und Schlimmes auf der
amerikanischen Filmverleih. Der lehnte ab                                 Welt. Ihr, die Jugend, macht aus dieser
mit der Begründung: Die Amerikaner                                        Welt was Besseres! Ihr schafft das!“
wollen zu diesem Zeitpunkt keine guten
Deutschen sehen, sondern Bösewichte.                                      Die höchste Auszeichnung, die ein
Das Drehbuch, das Oskar geschrieben                                       Mensch bekommen kann: ein Mensch zu
hatte, wurde nie zurückgeschickt, obwohl                                  sein!
er ausdrücklich darum gebeten hatte.                                                           Ingrid Kolbinger
Jahre später drehte Spielberg den Film,
ohne aber jemals mit Emilie über die
Tatsachen gesprochen zu haben. Für ihn
spielte Emilie keine Rolle. Im Gegenteil, er
dachte, sie wäre Jüdin gewesen und
Oskar hätte sie gerettet.

Frau Dr. Rosenberg berichtete, daß sich
Frau Schindler an Steven Spielberg
wandte, um ihren Anteil an den
Einnahmen zu verlangen. Es handelte sich
immerhin um die Lebensgeschichte der
beiden. Spielberg lehnte ab mit der
Begründung, sie wäre ja von ihrem Mann                                         Die Frauen der Stolpersteininitiative
22 aktiv dabei
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            Stolpersteine
Die nächste Verlegung von Stolpersteinen
in Speyer findet am Samstag, 9.5.20 statt.
Sie werden für

Die jüdischen Familien:

Hildesheimer ( Musikalienhandlung )
Gilgenstr. 1 Am Altpörtel / 5 Steine

Herz ( Weißwarenausstattung )
Maximilianstr. 33 / 3 Steine                                                                        Eiszeit
Reichenberg (Stoffgeschäft mit Bettwä-                                                       Kälte
sche ) Maximilianstr. 32 / 3 Steine                                               Ein Eisberg zwischen ihnen
                                                                                       Sie umkreisen ihn
Moritz (Damenkonfektion, Weiß-Kurz- und
Modewaren/ Maximilianstr. 71 / 2 Steine
                                                                                             Stillstand
Die Zeugen Jehovas:                                                                     Keine Nähe möglich
                                                                                        Angst vor Verletzung
Jossé Kleine Gailergasse 1 / 2 Steine
                                                                                              Liebe
Näheres wird noch in der Presse bekannt-
                                                                                     auf Ewigkeiten angelegt
gegeben.
                         Ingrid Kolbinger                                              nun zu Eis gefroren

                                                                                         Die heilige Flamme
                                                                                              erstickte
Spenden                                                                                       im Alltag

Wenn auch Sie die Stolpersteininitiative                                                            Aus WIR
unterstützen möchten, so können Sie dies                                                             wurde
gerne tun.                                                                                            ICH

KONTO: Stadt Speyer                                                                              Jetzt
IBAN: DE20 5455 0010 0000 0015 86
                                                                                          die Segel streichen
BIC: LUHSDE6AXXX
Kennwort: Stolpersteine                                                                     und aufgeben?

Die Webadresse ist folgende:                                                                  (Ulla Fleischmann)
https://www.stolpersteine-speyer.com/
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