Aktiv dabei 2/2020 April Mai Juni - Stadt Speyer
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2 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Neue Entwicklungen Seite Freiwilliges Engagement Seite Das Leben besteht aus 4-14 Jahreshauptversammlung des 29-30 Veränderungen Fördervereins des Seniorenbüros Gespräch mit Frau Priester Robert Förster Ria Krampitz Seniorenbeirat Speyer 30 Omas for Future 15-17 Redaktion Hanne Kleinen Verabschiedung ehemaliger 31 In den Abend… 17 Seniorenbeiratsmitglieder Ulla Fleischmann Redaktion 10 Hygienetipps 18 Heimbeiräte im Austausch 31 Redaktion Redaktion Schindlers Liste 19-21 Fairtrade Stadt Speyer 32 Die Frau an seiner Seite Ute Brommer Ingrid Kolbinger Karte ab 60 33 Stolpersteine 22 Unterstützung gesucht Ingrid Kolbinger Speyerer Freiwilligenagentur 34 Eiszeit 22 Ute Brommer Ulla Fleischmann Natur Seite Soziales Seite Die Schönheit der Insekten 35-36 Selbsthilfegruppen 23 Dr. Walter Alt Pflegestützpunkte Von Beschaffungspilgern bis zum37-39 Demenzparcours 24 Erhalt der Schöpfung Netzwerk Demenz Hans Wels Netzwerk Kultur und Demenz 25 Kultur Seite Ria Krampitz Wer fährt schon nach Evora? 40-41 11 Tipps zur besseren 27 Dr. Helmuth Wantur Verständigung mit Menschen mit Demenz Wendepunkte 42-46 Alzheimer Gesellschaft Büchertipps Ursula Franz-Schneider Kamishibai 28 Erzähltheater für Menschen Sütterlinschrift ist noch bekannt 47 mit Demenz Ingrid Wemme Solveigh Schneider
aktiv dabei 3 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Kultur Seite Auflistung Anzeigen Seite Herzensangelegenheiten 48-49 Theraneos 11 Helga F. Weisse Salier-Stift 24 Horizont 26 Lokalgeschichte Seite Gemeinnützige 39 Baugenossenschaft Kurt Dehn: Troubadour der 50-53 GEWO 41 Deutschen Weinstraße Sparkasse Vorderpfalz 46 Gabi Dehn-Knight DRK 49 St. Vincentiuskrankenhaus 54 Von Speyer nach England 54-55 Beisel Hüte 58 Wolfgang Kauer Horizont 64 Behördennummer 65 Berichtigung 55 Alloheim 66 Wolfgang Kauer Förderverein des Seniorenbüros 67 Stadtwerke 68 Reisen Seite Impressum Äthiopien 56-58 Redaktion Unterwegs im ältesten Dr. Walter Alt, Ria Krampitz Kulturland Afrikas Werner Schilling Karl-Hein Geier Herausgeber Seniorenbüro Speyer, Maulbronner Passionsspiele Oberammergau 59-60 Hof 1A, 67346 Speyer, Michael Stephan Tel. 06232/142661 E-Mail: Ria.Krampitz@stadt-speyer.de Verschiedenes Seite Titelbild Jessika Mirau Weitersuche 61 Generationen Hand in Hand Uwe Naumer Louis Busenius, Andreas Busenius, Mela- nie Busenius Kulinarische Ecke 62 Fotos Melanie Busenius Privat S. 4, 8, 15, 19, 21, 30, 50,51, 52 Seniorenbüro S. 26; Solveigh Schneider Aus alten Zeiten 63 S. 28; Roland Steiner S. 29; Fritz Schwager Stadtverwaltung s. 31; Freiwilligenagentur S. 32; Dr. Walter Alt S. 35-36, 64 F@irNet 64 Hans Wels S. 37, 38; Dr. Helmuth Wantur S. 40; Karl-Heinz Geier S. 56, 57, 58; Lösung Rätsel 64 Michael Stephan S. 59, 60; Uwe Naumer Redaktionsschluss für die Ausgabe 3/2020 der Zeitschrift „aktiv dabei“ ist der 29. Mai 2020
4 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Das Leben besteht aus Veränderungen Gespräch mit Frau Paula Priester Seit 2011 veröffentlichen wir regelmäßig Gespräche mit Person, die 90 Jahre oder älter sind. Diese Menschen, die in einem hohen Alter sind, möchten wir in den Mittelpunkt stellen. Sie haben viel erlebt, überstanden und wurden durch die Geschehnisse ihrer Zeit geprägt. Dann hat es geklappt und Sie waren auf dieser Welt. Haben Sie noch Geschwis- ter? Ja, ich bin die Jüngste von drei Kindern. Ein Bruder war vor mir dran, davor eine Schwester. Meine Eltern haben sehr jung geheiratet und die Kinder kamen schlag- artig, alle nur ein Jahr auseinander. Was heißt sehr jung? Wie alt waren die Eltern? Meine Mutter war 19 und mein Vater war 20. Mein Vater hat später gesagt, man müsste die Reife haben, die einem früher fehlte. Meine Eltern sind beide schon mit 60 Jahren an Krebs gestorben. Beide am gleichen Tag, aber mit einem Jahr Ab- stand. Beide am 17. März. Je älter ich werde, desto mehr denke ich auch über meine Eltern nach. Die waren sehr arm. Aber wir haben nie etwas entbehrt. Das, was wir gehabt ha- ben, war Liebe und auch die Zuversicht. Frau Priester erwartet mich bereits ge- Wir wurden sehr gut erzogen. Wir können meinsam mit ihrer Tochter. Eine Dame uns nicht beklagen. sitzt mir gegenüber, mit wachem, neu- gierigem Blick wartet sie auf meine Fra- Wenn Sie sagen, die Eltern waren arm, gen. Sie gibt gerne Auskunft. woran machen Sie das fest? Frau Priester ist im November 1926 in Es fehlte an allem. Nachher kam auch die Cuxhaven geboren. Inflation. Wir hatten auch wenig anzuzie- hen. Wir hatten z. B. immer nur Halb- Meine Mutter hatte mir erzählt, dass ich schuhe und die Winter waren damals sehr ein Sonntagskind war und nicht schreien kalt. Meine Eltern konnten nie Sommer- wollte. Man hatte mich schon ein biss- und Winterschuhe kaufen. Das Geld war chen zurückgelegt, bis man mir ordentlich einfach nicht da. auf den Po geklatscht hat. Die Lungen entfalteten sich und dann habe ich den Welche Erinnerungen haben Sie noch ersten Schrei gemacht. an ihre Jugend?
aktiv dabei 5 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Es gab ja damals nicht diesen großen Au- und ich mit meiner Schwester Lisa auf der toverkehr. Wir haben einfach auf der Stra- Mädchenschule. Ich bin auch gerne in die ße gespielt, auch am Seedeich. Das einzi- Schule gegangen. Obgleich es nicht mög- ge, was ich dann mal zu Weihnachten lich war, dass man Englisch lernte oder bekommen habe, das waren Rollschuhe so. Meine Mutter ging nachher arbeiten, und damit sind wir am Deich entlang ge- um alles finanzieren zu können, die drei fahren, unten auf der Promenade. Das Kinder. Und wie gesagt, es war ja auch war eigentlich immer sehr schön. alles arm. Aber ich bin gerne in die Schule gegangen. Und es war auch damals eine Da sind Sie am Wasser groß geworden. große Disziplin in den Klassen. Da war’s Das Wasser hat dann sicher auch eine nicht so wie heute. Wenn die Lehrerin große Rolle in Ihrem Leben gespielt. rein kam, standen wir alle auf und dann Ja sicher, auch die Sturmfluten und so sagte man früh „Guten Morgen“. Danach weiter. Ich war auch sportlich und eine war es mucks Mäuschen still. gute Schwimmerin. Ich habe das Nord- seelangstreckenschwimmen, das sind so Waren die Lehrer streng oder wie ha- drei Kilometer, mitgemacht. Da war ich ben Sie es empfunden? allerdings schon ein junges Mädchen. Wir hatten Fräulein Zorn. Sie war eine sehr gute Lehrerin. Diese Lehrerinnen wa- Das ist eine große Strecke. ren damals auch alle unverheiratet. Sie Ja. Man hat natürlich irgendwann einen waren alle Fräuleins. Fräulein, sagte man toten Punkt. Wie wahrscheinlich beim damals ja noch. Heute würde man Frau Marathon. Irgendwann bin ich ganz au- Zorn sagen. tomatisch geschwommen. Ich hätte bis Hamburg durchschwimmen können. Was war Ihr Lieblingsfach? Erdkunde. Ich weiß noch, ich habe mich Wo haben Sie schwimmen gelernt? immer möglichst weit nach vorne gesetzt, Mit meinem Bruder zusammen. Ich war ja um bei der Landkarte ein bisschen spazie- nie in einem Schwimmverein. Wir haben ren zu gehen. Ich habe immer gesagt: meiner Mutter gesagt, Du musst mal „Mein großer Traum, den ich habe, dass kommen. Er hat mich dann auf den Rü- ich mal zum Bodensee komme.“ Das war cken genommen und wir sind in einer das Entfernteste, was es unten auf der Badeanstalt im Hafenbecken von einem Landkarte gab. Inzwischen habe ich ein Sprungbrett gesprungen. Ich konnte über- bisschen mehr gesehen von der Welt, als haupt nicht schwimmen. Es war ja alles nur den Bodensee. Und lesen. Wenn wir Salzwasser, das trägt natürlich auch. Dann Geburtstag hatten, durften wir auch ein bin ich wie ein Hündchen ran gepaddelt. Gedicht aufsagen. Wir haben sehr viele Gedichte gelernt und ich lese auch heute Hatten Sie keine Angst? noch gerne Gedichte und sage auch heu- Meine Mutter hat sicherlich mehr Angst te noch sehr viele Gedichte auf. gehabt als ich, als sie das gesehen hat. Möchten Sie ein Gedicht aufsagen? Wie war das in Ihrer Schulzeit? Kann ich. Das ist das Gebet eines alten Ich bin auf der Volksschule gewesen und Berliners (Frau Priester trägt den Text flie- wir hatten eine reine Mädchenschule. ßend und frei aus dem Gedächtnis vor). Damals war das ja noch nicht zusammen- „Manchmal sitz ich ganz alleine in der Kir- gelegt. Mein Bruder auf der Jungenschule che vorm Altar
6 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ und dann denk ich, ob mein Leben wohl immer möglichst weg und viel sehen von was Gutes war? der Welt. Da sind wir nach Mörshausen, Ich bin 70, kann noch laufen, kann noch Regierungsbezirk Kassel gekommen, in gucken, kann mir kaufen, was mir ir- ein Landjahrlager. Das war ein altes Bau- gendwie gefällt. erngehöft und da sind wir neun Monate Mir geht’s gut auf dieser Welt. gewesen. Ohne Kontakt nach Hause. Wie ich neulich da so sitze, auf der harten Tagsüber haben wir bei verschiedenen Kirchenbank, Bauern gearbeitet. Da im Winter die Bau- musst ich an die andern denken, die ganz ern nicht so viel zu tun hatten, sind wir einsam sind und krank, nach neun Monaten nach Hause entlas- die alleine sind und weinen, denn für die, sen worden. da gibt’s kaum einen, der sie mal ans Herze drückt oder durch ein Wort be- Wer hat Mörshausen vorgeschlagen? glückt. Es kam eine Führerin von dort, die ge- Lieber Gott, nun fragst Du, ob ich das worben hat. Aus meiner Klasse gingen nicht ändern kann? einige Mädchen. In meiner Klasse war‘s Hör ich richtig? Du, was sagst Du? Ich wär auch so, dass nur drei Mädchen auf ein doch der richtge Mann, der trotz 70 Gymnasium wechselten. Heute gehen so manch einen Armen, könnte doch durch viel auf ein Gymnasium. Früher war das Dein Erbarmen noch ein bisschen Glück anders. bescheren, dass er nicht noch mehr ent- Dann haben Sie auf dem Land gearbei- behre. tet. Und nun guckst Du von Dein Kreuze mit- Ja. Einmal, es war eine sehr große Hitze ten in mein Herze rin, und wir sollten Heu wenden. Wir haben weil Du weißt, dass ich noch immer so aber alle von Cuxhaven und der Lan- ein bisschen gläubig bin. dungsbrücke „Alten Liebe“ mit dem vielen Und nun willst Du, dass ich gehe und Schiffsverkehr geträumt, vom Wasser und nach alte Leute sehe und helfe froh zu haben uns ein bisschen auf die faule Haut sein, nicht nur durch Dein Wort allein. gelegt. Dann kam der Bauer mit der Peit- Nein, auch Taten willst Du sehen. sche: „Ihr verfluchten Mäderchen, wollt ihr Jedenfalls, das denk ich mir, es wird wohl arbeiten,“ hat er gesagt. Beim Dre- schon noch durch mich geschehen. schen haben wir geholfen usw. Das Einzi- Wenn’s nicht geht, dann sag ich‘s Dir. ge ist, als wir beim Bauern waren, gab es Lieber Gott, nun geh ich wieder, singe immer ganz gut zu essen für die Mitarbei- meine frohen Lieder, dass Du weißt, bei ter. Wir hatten ja auch immer Hunger mit Dir war’s schön, so mach’s jut auf Wieder- unseren 14 Jahren. Im Lager war das Es- sehen.“ sen dagegen sehr mäßig. Das haben Sie wunderbar vorgetragen Wie ging‘s nach dem Pflichtjahr weiter? und ganz frei. Das hat mir sehr gut gefal- Da musste ich ja nun das Pflichtjahr voll- len. machen. Da bin ich noch für drei Monate Wie lange waren Sie in der Schule? in der Nähe von Cuxhaven bei einem Acht Jahre Volksschule. Dann kam für Bauern in Holte-Spangen gelandet. Auch mich eine Landjahrzeit. Man musste ja deshalb, weil es da zu essen gab. Nachher damals ein sogenanntes Pflichtjahr ma- bin ich eine lange Zeit immer wieder dort chen. Da haben wir Zucht und Ordnung hingefahren, zu Besuch und so weiter. Da gelernt. Das war die Hitlerzeit. Ich hatte ging es mir sehr gut. Nach den drei Mona- immer so ein Fernweh in mir. Ich wollte
aktiv dabei 7 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ ten wollten die mich ganz gerne behalten. habe ich mich mit meinem späteren Dann war ich bei einem Optiker, das wa- Mann nochmals getroffen. Und wir haben ren Nachbarn von uns zu Hause. Die einen Kletterkurs in Fels und Eis gemacht. suchten eine Kraft für ihren Laden. Da es bei uns ganz in der Nähe war, hab ich Er war Ihnen dann doch nicht so un- gesagt, ja, würde ich wohl machen. Bin da sympathisch. hin und war zehn Jahre beim Optiker. Nein, es war eine reine Kameradschaft. Bei der Abfahrt hat‘s dann doch gefunkt. Haben Sie da eine Ausbildung gemacht? Da hab ich gedacht, so schlecht ist der gar Nein. Wir hatten in dem Laden keine Bril- nicht (lacht). Dann haben wir uns erst mal len oder so was. Wir haben überwiegend lange Zeit geschrieben. Wir haben uns 53 Reparaturen gemacht. Ich habe mit dem kennengelernt und 55 haben wir geheira- Bunsenbrenner gelötet und Brillen, die tet. 57 wurde mein Sohn Michael geboren kaputt waren, geklebt, mit einer besonde- und 59 meine Tochter Bettina. ren Klebmasse. So was haben wir ge- Geheiratet haben wir in Cuxhaven, in der macht. Von da aus habe ich nach Berlin Garnisonenkirche. Meine Schwiegereltern geheiratet. kamen sogar aus Berlin. Mein Mann war Buchdrucker und die hatten einen eige- Wie haben Sie Ihren Mann kennenge- nen Betrieb, Papierwaren und Kalender- lernt? fabrik. Da habe ich nachher mitgearbeitet. Ich hatte eine Freundschaft in Cuxhaven. Dann bin ich einmal alleine mit dem Tau- Sind Sie gleich nach der Hochzeit mit ernexpress zum Skifahren in die Steier- ihrem Mann nach Berlin? mark gefahren. Ich hatte in Cuxhaven ei- Ja, da sind wir erst zwei Tage nach nen Kollegen, der hatte mir seine Skier Worpswede in die Künstlerkolonie gefah- geborgt. Da habe ich meinen Mann ken- ren auf unserer Heimfahrt. Das Auto voller nengelernt. Ein vorlauter Berliner, den ich Blumen usw und dann weiter nach Berlin. gar nicht recht leiden konnte. Der mir Ein Jahr haben wir bei meinen Schwie- nachher Briefe schrieb. Die Hütte zum gereltern gewohnt. Durch Zufall und ein Übernachten war ein Kuhstall und im bisschen Gemauschel haben wir eine Winter eine Skihütte. Wir haben alle auf kleine Wohnung bekommen, worüber wir einem Strohlager geschlafen. Ich bin mit natürlich sehr froh waren. einem Reisekoffer gefahren. Den Koffer konnte ich mit einem Materialaufzug Da war noch große Wohnungsnot. Ber- hochfahren lassen. Aber ich hatte ja noch lin war ja ganz zerstört. eine Reisetasche. Auf dem Weg habe ich Berlin war total zerstört. Wir guckten auf mich zwei Wienern angeschlossen, die ein Trümmerfeld. Ich weiß noch, wir gin- auch zur Hütte wollten, und wäre fast un- gen nur über Trümmer. Mein Sohn hatte terwegs gestorben. Ich kam zur Hütte rein die Augen immer am Boden und hat im- und konnte keinen Piep mehr sagen, so mer was gefunden. Vielleicht wurde er kaputt war ich vom Schleppen. Das waren deshalb später Mineraliensammler. drei Stunden Aufstieg. Als ich morgens die Fensterklappen öffnete, lag vor mir eine Ist Ihnen der Abschied von Cuxhaven weiße Märchenwelt und alle Anstrengung nach Berlin schwer gefallen? war vergessen. Nein. Nicht so schwer, wie nachher von Der Wirt hatte außerdem noch eine Klet- Berlin in die Pfalz. terschule im Ötztal für den Sommer. Da
8 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Sicher der Abschied von Cuxhaven und Mein Schwiegervater hatte noch vier meinen Eltern war nicht einfach. Ich habe Schwestern, die aber alle den Krieg nicht ihnen immer viele Briefe geschrieben und überlebt haben. Er war aber nie ein gläu- alles beschrieben, was war und wo wir biger Jude. Von Beruf war er Architekt, hingefahren sind. Damals war es ja auch musste aber den elterlichen Betrieb über- noch so, dass es Wunschkinder gab. Mei- nehmen. Er hat eine arische Frau geheira- ne Kinder wissen beide, woher sie sind. tet. Die Frieda war sehr beliebt. Mein Sohn kam aus Verona und meine Tochter kam aus Oberaudorf. Das waren Wie ist es der Familie im Krieg ergan- einfach Wunschkinder. (lacht) gen? Der Betrieb wurde geschlossen. Er wurde Sie haben im Betrieb der Schwiegerel- von einem anderen übernommen, aber tern mitgearbeitet. mehr oder weniger nur pro forma. Sie Ja, im Büro und nachher in der Produkti- konnten nicht mehr arbeiten. Es ist ihnen on Pakete gepackt. Wir hatten Werbeka- sehr schlecht ergangen. Auch mit den Le- lender. Es gab so viele kleine Geschäfte bensmittelkarten und und und. Das war damals, Radiohändler, Kohlenhändler, alles ganz reduziert. Ich weiß, meine Elektrogeschäfte und Malerbetriebe usw. Schwiegermutter sollte sich immer schei- Wir mussten immer ein ganzes Jahr vorfi- den lassen. Dann hätte man ihren Mann nanzieren, weil die kleinen Geschäfte die- sofort abgeholt. Sie hatte eine Schwester, se Werbekalender mit den Abreißblöcken meine Tante Else, die ist auch immer zu Besuch gekommen. Die war beim Post- checkamt und da hat man immer gesagt, sie soll sich von der Familie Priester tren- nen, sonst würde sie den Beruf verlieren. Sie hat darauf gesagt: „Ich besuche ja nicht meinen Schwager, sondern meine Schwester.“ Dann war es auch so, dass die Männer mal abgeholt wurden und in der Rosenstraße festgehalten wurden. Da haben die Frauen eine Woche vor dem Haus demonstriert. „Lasst die Männer frei.“ Da war gerade die 6. Armee in Sta- lingrad untergegangen. Da hat man ge- nur zu Weihnachten ihren Kunden dazu sagt: „Wir müssen die Männer frei lassen, gegeben haben. sonst gibt es einen Aufstand.“ Da kam der Mann wieder nach Hause. Das war auch ein finanzielles Risiko für den Betrieb Ihrer Schwiegereltern. Musste Ihr Mann auch Nachteile erlei- Ja und Nein. Das war eigentlich nicht so den? das Problem. Nun muss ich dazusagen, Ja, er wurde aus der Schule entlassen. Er wo der Name Priester herkommt. Mein war schon auf dem Gymnasium. Aber Schwiegervater war aus einer jüdischen dann hieß es, er verlässt die Schule, um Familie. Sein Großvater oder Urgroßvater einen praktischen Beruf zu ergreifen. Er ist war ein Rabbiner. Als die Namensgebung dann Speditionskaufmann geworden. Der der Juden damals war, hat er gesagt, ich Firmenbesitzer hat so ein bisschen die bin ein Priester. Daher kommt der Name. Hand über ihn gehalten.
aktiv dabei 9 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Ihn beschützt. sagte er eines Tages: „Ich gebe den Be- Ja. Er ist auch evangelisch getauft worden. trieb auf.“ Zumal die kleinen Geschäfte Aber das spielte eben alles keine Rolle. abgelöst wurden, durch die großen Läden Dann hat er nochmals umgesattelt. Da und Supermärkte. war dann der Krieg zu Ende usw. Da hat mein Schwiegervater gesagt: „Wir machen Diese vielen Geschäftsketten. weiter und bauen den Betrieb neu auf.“ Ja. Da hat er gesagt: „Ich werde meinen Die alten Maschinen standen ja noch. Da Betrieb aufgeben“. Als ich anfing, da hat- hat mein Mann eine Buchdruckerlehre ten wir ungefähr 12 Mitarbeiterinnen. Das gemacht. Später sogar, im Jahr unserer meiste waren Frauen, die schon früher, Heirat 55, noch seinen Meister. bevor der Betrieb geschlossen wurde, bei uns waren. Die waren alle Trümmerfrau- Und ist in die Firma eingestiegen. en. Da hat meine Schwiegermutter ge- Ja. Er hat die Firma nachher auch über- fragt, ob sie wieder bei uns arbeiten wol- nommen. Meine Schwiegermutter ist lei- len. Da haben die gesagt: Sofort.“ der sehr früh an Krebs gestorben. Ist aber immer mit im Geschäft gewesen, hat sich Wann ist Ihr Mann gestorben? selbst sehr zurückgenommen. 94 ist er gestorben. Hatten sie auch Angestellte? Wie alt war er da? Ja, zu Anfang gab’s sehr viel Angestellte. Er wäre zwei Wochen später 66 gewor- Die haben mit Schablonen, mit einer den. Ich war 67. Nachdem er seinen Be- Spritzpistole diese Figuren und alles, was trieb aufgegeben hatte, hatten wir noch ausgestanzt wurde, bespritzt. Aber mein ein paar sehr gute Jahre. Da sind wir sehr Mann hatte nachher Heidelberger Druck- viel gewandert, damit er viel Sauerstoff maschinen angeschafft. Die gibt es ja heu- hatte. Und auch viel gereist. te immer noch. Ich muss sagen, mein Mann hatte 20 Jah- Konnte er da gut mithalten? Das Wan- re eine Leukämie. dern ist ja auch anstrengend. Er konnte ganz gut mithalten und wollte Das war für sie beide eine schlimme das auch. Er hatte sich ganz gut erholt. Zeit. Aber mit einem Mal brach sein Blutbild Es war eine ganz schlimme Zeit. Es war total zusammen. Ich weiß, ich bin einmal so: Er hatte eine Gallenblasenentzündung nach einem Urlaub mit dem Auto von und ging ins Krankenhaus. Die Gallenbla- Basel zurück nach Berlin gefahren. Unter- se sollte entfernt werden. Als ich ihn be- wegs hat mein Mann schon seinen Arzt suchen wollte, hat man mir gesagt, ich angerufen und gesagt, dass er eine Blut- müsste erst mal beim Arzt vorsprechen. transfusion braucht. Seine Werte waren Da hat er gesagt: „Die Gallenblase ist ent- total schlecht. Er hat sehr viele Bluttrans- fernt worden, aber ihr Mann hat eine sehr fusionen gekriegt im Laufe dieser ganzen schwerwiegende Krankheit“. Da hat man Krankenzeit. Dann war er mal bei einem festgestellt, dass er eine Leukämie hatte Arzt. Der hat gesagt: „Also wie Sie mit Ih- im sehr fortgeschrittenen Stadium. Da- rer Krankheit umgehen, das ist ja fantas- mals hat er sehr viel Kortison und andere tisch“. Da hat mein Mann zu ihm gesagt: Sachen bekommen. Das war so ein engli- „Wissen Sie Herr Doktor, ich möchte ja sches Präparat. Nachher hat er sehr viele auch noch 20 Jahre leben“. Wir hatten Bluttransfusionen erhalten. Als er 58 war, jahrzehntelang einen wunderschönen
10 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Schrebergarten, unser ein und alles. Er Sozialwerk und habe mich auch für den wollte den Kirschbaum schneiden. Er sag- Besuchsdienst entschieden. Mit meiner te: „Mir geht es gut.“ Und er steigt aufs guten Freundin Ruth habe ich genau 10 Laubendach, das war nur zwei Meter Jahre in diesem Pflegeheim Besuche ge- hoch und dann fällt er rückwärts runter macht. Man hat die Menschen ja nur re- auf eine Leiter. Ich war in der Laube und den lassen. Man hat keine pflegerischen habe ihn vorbeifallen sehen. Arbeiten gemacht, sondern man hörte den Leuten zu, was die so aus ihrem Le- Das ist ja furchtbar. ben erzählten. Denn sie waren ja alle mal Das war so furchtbar. Er war vollkommen jung und haben viel erlebt. Dann war es weggetreten. Ich sagte: „Wolfgang, Wolf- so, dass ich neben einer Frau saß und ihr gang“. Dann sagte er: „Regt euch nicht über den Rücken streichelte. Das hat jeder auf“. Sein Knochengerüst, ist aufgrund der gern. vielen Medikamente, wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Das ist Nähe. Dann legte sie bei mir den Kopf an und Das war schlimm. sagte: „Ich wusste gar nicht, dass alte Das war eine sehr schlimme Zeit. Am Menschen so viel Liebe brauchen.“ Das nächsten Tag war meine Tochter da. Mein werde ich nie vergessen, weil mich diese Sohn und die Schwiegertochter kamen Dankbarkeit immer bereichert hat. aus Südamerika an. Er war an Sauerstoff angeschlossen. Und vier Tage später war Das war ja eine sehr wichtige, sinnvolle er tot. Aufgabe, die Sie da übernommen ha- ben. Wo Sie auch eine Bestätigung und Das war ein Schock für Sie. Rückmeldung erhalten haben. Ich war 67 und hatte ja noch Kräfte. Dann Ja. Wir haben das nachher immer zu zweit bin ich durch die Straßen gelaufen. Da gemacht. Eine ging da hin, die andere da gab‘s bei uns im Grunewald die Grune- hin. Wenn man rauskam, war es manch- waldkirche. Mittwochs gab’s da ein klei- mal sehr erfreulich und manchmal sehr nes Café für Gespräche und so weiter. Ich betrüblich. So konnten wir uns später bin da reingegangen und hab mich zu darüber unterhalten. zwei Damen gesetzt, die machten Be- suchsdienst im Pflegeheim schräg gegen- Dann war man nicht alleine mit dem über. Ich kam mit denen ins Gespräch. Erlebten. Dann erzählten sie mir vom Sozialwerk Kann man sagen, dass diese Aufgabe Berlin. Das Sozialwerk Berlin ist auf priva- Ihnen auch geholfen hat, über die Trau- ter Ebene gebaut und geführt worden. Die er zu kommen? beiden Damen haben mir von ihrem Be- Ja. Das hat es auf jeden Fall. Ich habe suchsdienst erzählt. Dann habe ich ge- dann sehr viel in diesem Sozialwerk mit- sagt: „Ich werde mir das Haus mal anse- gearbeitet. Dort wurde auch sehr viel an- hen, dieses Sozialwerk“. Ich bin hin ge- geboten. Sie konnten Englisch lernen, gangen und wurde durchs Haus geführt. Singen, Tanzen, gemeinsame Ausflüge Da war ich so angetan und bin Mitglied machen usw. Wir haben immer zur Weih- geworden. Die hatten auch sonnabends nachtszeit einen Basar gemacht, den ich und sonntags geöffnet, wenn andere so- viele Jahre organisiert habe. Die Leute ziale Einrichtungen geschlossen haben. haben Sachen abgegeben, die wir ver- Dann war ich dort 18 Jahre Mitglied im kauft haben. Das war eine gute Gegend
aktiv dabei 11 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ im Grunewald. Da kamen sehr schöne zu gehen. Mein Sohn sagte: „Du musst Dir Sachen zusammen. Drei Tage vor dem das überlegen“. Und meine Tochter hat ersten Advent war der Basar geöffnet. dann gleich gesagt: „Dann komm zu mir in die Pfalz“. Ganz kurz entschlossen, hab Viele Jahre haben Sie in Berlin gelebt. ich gesagt: „Ja, zu Hause, geht das alleine 63 Jahre. nicht mehr“ und deshalb habe ich mich entschlossen in die Pfalz zu kommen. Ich Wieso sind Sie in die Pfalz gekommen? habe allerdings ein großes Problem. Es ist so, ich bin oft umgefallen und war Wenn zwei Pfälzer zusammen sind und in der letzten Zeit drei Mal im Kranken- sich unterhalten, verstehe ich gar nichts. haus, bis man festgestellt hatte, dass ich Natriummangel habe. Eine Stoffwech- Das ist noch schwierig. Wie lange sind selerkrankung und ich fiel dann einfach Sie schon in der Pfalz? um. Wenn meine Kinder angerufen ha- Also ich bin am 12. November 2018 ge- ben, dann hab ich immer gesagt: „Kinder, kommen. mir geht es gut“. Um ihnen auch keine Sorgen zu machen. Das Datum wissen Sie genau. Ja, das weiß ich genau. Meine Tochter hat Um sie nicht zu beunruhigen. dann genau ein Jahr später, im letzten Ja, genau. Bis es dann hieß, vielleicht ist November, ein Fest gemacht. Ein Jahres es doch sinnvoll in eine Pflegeeinrichtung 103 mm PHYSIOTHERAPIE Bei THERANEOS erhalten Sie eine individuelle, qualifizierte und nach ERGOTHERAPIE den neuesten Erkenntnissen der Medizin ausgerichtete Behandlung. THERANEOS bietet Ihnen ein erweitertes Spektrum moderner Behand- lungsmethoden. Das Team von Physiotherapeuten, Sporttherapeuten, Ergotherapeuten und Osteopathen geht individuell auf Ihr Krankheitsbild ein. Sie werden kompetent beraten und betreut. Angebote wie Medizinische Trainingstherapie oder Rehasport runden das breite Leistungsspektrum ab. Unsere Standorte OSTEOPATHIE Speyer Das Therapiezentrum | Obere Langgasse 5 Telefon 06232 77 555 | therapiezentrum@theraneos.de Physiotherapie | Ärztehaus Medicus | Bahnhofstraße 49 REHA Sport | Judomaxx Sturzprävention | Haus am Germansberg AKTIV & FIT Heim- und Hausbesuche | Speyer und Umgebung Wellness Massagen & Spa | Sport- und Erlebnispark Bademaxx www.theraneos.de
12 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ fest. Ich fühl mich hier in Dudenhofen schon Besuch aus Berlin. Das erste was auch sehr wohl. Ich war erst in einem die Leute gesagt haben: „Ach, ist die Luft Doppelzimmer in Kurzzeitpflege mit einer hier gut“ Dame zusammen, die nachher leider ver- storben ist. Das hat meine Tochter alles Sie haben also noch Kontakte nach Ber- organisiert. Mein Sohn und meine lin. Schwiegertochter haben in Berlin meine Ja, habe ich. Ich telefoniere sehr viel und Wohnung aufgelöst und haben meine schreibe immer noch gerne lange Briefe. ganzen Möbel verschenkt. Sie haben das inseriert, zu verschenken, abzuholen und Haben Sie in der kurzen Zeit schon nichts ist auf den Sperrmüll gekommen. Kontakte knüpfen können? Alles hat noch mit viel Dankbarkeit einen Eine sehr liebe Frau, Sigrid, eine ehemali- Abnehmer gefunden. Von Paris bis nach ge Lehrerin, mit der ich die Nachmittags- Meckpomm und bis in die Ostblocklän- konzerte in Speyer besuche, spiele, erzäh- der. le, lache. Bei mir gegenüber wohnt noch eine Dame, die ist erst ein paar Monate Wie war das für Sie, von Berlin Ab- da. Die ist nach einem Schlaganfall ge- schied zu nehmen. Ihre Wohnung, alles kommen, aus Pirmasens. Ich bin hier voll Vertraute, auch Freunde und Bekannte integriert und werde auch die Sprache zurückzulassen? Was nimmt man mit, in noch verstehen lernen, nicht sprechen. Ich das neue Leben? Es kann ja nur ganz behalte mein Hochdeutsch. wenig sein. Diese Figur (Bildhauerarbeit) hat mein Sie sind immer eine aktive Frau, haben Sohn gemacht. Er macht nebenbei Bild- Ihren Mann begleitet. Sie sind eine hauerarbeiten und ich freue mich immer, starke Frau. Wie ist es jetzt in ihrem wenn ich diese Figur hier bei meiner Alter? Da kommen ja auch Handikaps, Tochter sehe. Die hat in meinem Zimmer sie waren öfter im Krankenhaus. Was keinen Platz mehr. Ein paar wenige schö- macht das mit Ihnen? ne Dinge habe ich mitnehmen können, Ich bekomme hier Salztabletten, esse so wie meinen geliebten Teewagen und gut wie kein Fleisch, gar keine Süßigkei- meine vielen Fotoalben. Übrigens sei es ten, weil mein Körper das Salz braucht. wie ein Lottogewinn, dass es überhaupt in Und immer nur eine halbe Portion. Meine dem Pflegeheim so zeitnah einen Platz für Natriumwerte sind etwas besser. Ich habe mich gab. Denn es gibt zu wenige Plätze. auch einen Rollator. Heute habe ich nur Da hab ich mir gesagt: „Ja, das Leben be- den Stock dabei. steht aus Veränderungen.“ Und ich habe das auch keinen Tag bereut, dass ich hier Benutzen Sie auch Ihren Rollator? in die schöne Pfalz gegangen bin. Immer. Auch wenn ich nachts aufstehe. Man darf nicht fallen, das wäre das Das ist eine sehr gute Haltung. Einen Schlimmste. Man kommt dann nicht wie- Schlussstrich unter einen Lebensab- der hoch. Man kann sich auch leicht et- schnitt ziehen und einen neuen begin- was brechen. Ich nehme den Rollator nen. immer im Zimmer. Ich habe ein Einzel- Meine Tochter versorgt mich derart gut zimmer mit einem großen Bad, einem und zeigt mir die ganze Umgebung usw. Balkon mit vielen Blumen, mit einem Ich bin nun immer ein bisschen auf ihr Baum davor. Sehr schön. Auto angewiesen. Ich hatte zwei Mal
aktiv dabei 13 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Mit Ihrer neuen Wohnsituation sind sie ter, die sind 95, leben noch beide in sehr zu frieden. Das ist ja auch wichtig, Oldenburg. Aber wenn da einer geht, geht weil das ihre Lebensqualität ausmacht. der andere sofort mit. Ich konnte noch- Ich bin sehr damit zufrieden. Wenn ich mals voll durchstarten und jeder sagt das nach Hause komme, sage ich immer: „Ja, auch. Auch mein Sohn oder meine Toch- das ist mein Zuhause.“ ter. Du bist nochmal richtig aufgeblüht, auch durch die Aufgaben, die ich da Das ist schön. übernommen habe. Das war eine gute Da bin ich sehr dankbar. und erfüllende Sache. Was haben Sie noch für Ziele? Was ist Was wäre ihnen noch wichtig zu sagen. Ihnen noch wichtig? Ich weiß nicht, ob das Leute überhaupt Einigermaßen gesund zu bleiben. Das ist interessiert, so ein Leben. mir am aller wichtigsten, dass meine Kin- der gesund bleiben, das ist auch ein sehr Natürlich interessiert das. großer Wunsch. Große Ziele in dem Sinne Es gibt politische Ereignisse, die so wichtig habe ich nicht. Mein Fernweh ist restlos waren. Zum Beispiel, als in Dallas/Texas gestillt. Wir waren einen Monat in Brasili- Kennedy erschossen wurde. Mir liefen die en. Tränen runter, als ich das in der Zeitung gelesen habe. Wir hatten früher nie einen Ihr Sohn hat in Südamerika gelebt. Fernseher. Dann die beiden Flugzeuge, Ja. Mein Sohn ist Bergbauingenieur und die im September 2001 ins World Trade nebenbei Bildhauer. Aber er ist Spezialist Center geflogen sind, das nachher zu- für Entwicklungshilfe geworden. Er war in sammengestürzt ist und so viele Men- 49 Ländern eingesetzt. schen umgekommen sind. Wir haben erst gedacht, das ist ein Krimi. Haben Sie auch Enkelkinder? Das bewegendste Ereignis aber war für Ja, ich habe vier Enkelkinder. Meine liebe mich der Fall der Berliner Mauer am 9. Tochter hat drei Adoptivkinder aus Brasili- November 1989. Wenn ich heute diese en. Drei Brüder. Ich habe drei Nächte Bilder und die Freude der Menschen sehe, nicht geschlafen, als es hieß, von null auf bin ich jedes Mal sehr, sehr glücklich. drei. Wie soll das gehen? Ich war schon 80 Jahre, als ich mir dann Mein Sohn hat auch ein Kind, einen Sohn. doch mal einen Fernseher gekauft habe. Der ist aber im Augenblick in Chile und Früher habe ich sehr viel gelesen. Ich ha- studiert in Portugal Meeresbiologie. Jetzt be zwar jetzt auch einen Fernseher, aber sind es alles gutaussehende junge Män- abends hör ich dann gerne Hör CDs oder ner zwischen 24 und 26. schöne Musik. So kann ich die Augen zu machen. Ich habe sehr schöne Kopfhörer. Da sind Sie stolz auf ihre Familie. Ja, das bin ich. Sie können dann sehr gut genießen. Ja, das kann ich, gut genießen. Das gibt Ihnen sicher ein gutes Gefühl, wenn Sie Ihr Leben überdenken. Möchten Sie am Ende unseres Gesprä- Ja. Ich bin einfach dankbar, dass alles so ches noch ein Gedicht aufsagen? gekommen ist. Es kommt immer darauf Ja, mir fällt noch eins ein. Wir hatten ja an in welchem Alter man seinen Partner das Fontane Jahr, deshalb ein Gedicht von verliert. Die Schwiegereltern meiner Toch- Fontane. (trägt wieder sicher und frei das
14 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Gedicht Herr von Ribbeck auf Ribbeck Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her, vor) Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havel- So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?« land, Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Ein Birnbaum in seinem Garten stand, Dirn, Und kam die goldene Herbsteszeit Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.« Und die Birnen leuchteten weit und breit, So spendet Segen noch immer die Hand Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havel- scholl, land. Der von Ribbeck sich beide Taschen voll, Und kam in Pantinen ein Junge daher, Das haben Sie sehr schön vorgetragen. So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?« Ich bewundere Ihr Gedächtnis, dass Sie Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn, so viele Texte frei vortragen können, ist Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.« ganz wunderbar. Ich wünsche Ihnen So ging es viel Jahre, bis lobesam alles Gute und dass Sie sich weiterhin Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben in der Pfalz wohl fühlen. kam. Ria Krampitz Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit, Wieder lachten die Birnen weit und breit; Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab.« Und drei Tage drauf, aus dem Doppel- dachhaus, Trugen von Ribbeck sie hinaus, Ein Gedicht von Horst Rehmann Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht Sangen »Jesus meine Zuversicht«, Lass uns die Zweisamkeit gestalten, Und die Kinder klagten, das Herze schwer: auf dieser wunderschönen Welt, »He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?« So klagten die Kinder. Das war nicht recht mit der Liebe unser Glück verwalten, Ach, sie kannten den alten Ribbeck damit es lebenslänglich hält. schlecht; Der neue freilich, der knausert und spart, Den Lebensraum lass uns erweitern, Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt. mit Gedankengut und Träumen, Aber der alte, vorahnend schon auch ständig das Gemüt erheitern, Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn, keinen Sonnentag versäumen. Der wußte genau, was damals er tat, Als um eine Birn' ins Grab er bat, Geborgenheit soll uns umhüllen, Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus so wie die Luft den Erdenball, Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus. dann wird Zufriedenheit sich füllen, Und die Jahre gingen wohl auf und ab, rings um uns her und überall. Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, Und in der goldenen Herbsteszeit Leuchtet's wieder weit und breit.
aktiv dabei 15 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Omas for Future Die jungen Leute von Fridays for Future ökologischen Fußabdruck nach sich zieht, haben Unterstützung von Klimawissen- solange dies auf der Grundlage des Ver- schaftlern und vielen anderen gefunden. brennens fossiler Energie beruht. Das hat sie in die Mitte der Gesellschaft gebracht. Weltweit protestieren Millionen So lebte jedenfalls Cordula Weimann, ei- von Menschen, um die Klimakrise zu ne Unternehmerin aus Leipzig. Sie gesteht stoppen. Beim 4. globalen Klimastreik am auf der Website von Omas for Future, 29.11.2019 demonstrierten Bürger in 150 dass sie früher im Höher-weiter-schneller- Ländern. Selbst in abgeschiedenen Gebie- Modus lebte. Sie habe sich wichtig ge- ten der Arktis und Antarktis haben sich fühlt, schöne Gefühle gehabt, aber es ha- Forscher den internationalen Klimaprotes- be sie nicht glücklich gemacht. Ein tief- ten angeschlossen. Doch was ist mit den greifender Wandel setzte bei ihr ein, als älteren Leuten? Viele Ältere sind glückli- sie ein Schaubild der steigenden Fieber- che Profiteure einer in Europa einzig- kurve der Erderhitzung sah. Sie erkannte, artigen Phase des Friedens und Wohl- dass sie mit ihrer Lebensweise dazu bei- stands. Was machen sie heute? Fahren sie trug, die geliebte Erde zu zerstören und fröhlich auf Kreuzfahrtschiffen oder fliegen ihren Enkeln damit Schaden zufügte. in Ferienregionen, während die Jungen Plötzlich fand sie ihr Enkelengagement auf der Straße protestieren? Viele leben grotesk, wenn sie gleichzeitig durch ihr gut und reisen gern, was einen hohen Alltagsverhalten und politisches Stillhalten
16 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ mit dazu beitrug, die Zukunft ihrer Enkel wir wirklich verstehen, dass unser gegen- durch das Aufheizen der Erde zu gefähr- wärtiges Handeln dazu führt, dass es un- den. Tatkräftig, wie sie schon immer war, seren Kindern in Zukunft schlecht gehen gründete sie nur wenige Wochen nach wird, unseren Weg ändern werden. Nach dieser Erkenntnis den gemeinnützigen seiner Meinung können wir eine gute Verein „Leben im Einklang mit der Na- Zukunft schaffen. Wir hätten das Wissen tur“ und die Bewegung „Omas for Future“. und alle notwendigen Mittel in der Hand. Längst gibt es eine professionelle Website Aber wir müssen unsere Prioritäten än- und wissenschaftliche Beratung für diese dern. Ohne Wandel, Kosten und Mühen Organisation. Aus der Ortsgruppe Leipzig gehe es nicht. sollen zügig 100 Ortsgruppen werden. Nicht alle, denen sie ihr Anliegen vorträgt, Es wird uns immer mehr bewusst, dass sind begeistert. Teilweise erfahre sie eisi- hier auf unserem Planeten alles mit allem ges Schweigen. Vielleicht haben viele verbunden ist. Schon vor Jahrzehnten be- Menschen Angst, den Status quo aufge- tonte die NGO Attac, dass ein gutes Leben ben zu müssen. Diesen Status aufgegeben für alle möglich sei, wenn wir keine unfai- hat Dirk Gratzel, ein 49-jähriger Unter- ren Freihandelsverträge abschlössen, un- nehmer, Vater von fünf Kindern, in der sere Konzerne die armen Rohstoffländer Nähe von Aachen. Er fasste den Ent- nicht ausbeuteten und wir in den westli- schluss, so zu leben, dass die Erde durch chen Industrieländern eine gerechtere seinen Lebensstil keinen Schaden davon- Verteilung der Güter auf der ganzen Welt trägt. Mit Hilfe des Direktors des Instituts anstrebten. Heute werden die armen für technischen Umweltschutz an der TU Länder am stärksten von der Klimakrise Berlin, Professor Matthias Finkbeiner, fer- getroffen, die wir großenteils verursacht tigte er eine Ökobilanz seines Lebensstils haben, aber auch wir bekommen die Hit- an. Er hatte in seinem Erwachsenenleben ze, Brände, Trockenheit, Stürme und einen Ausstoß von fast 27 Tonnen Koh- Überschwemmungen allmählich zu spü- lendioxyd jährlich verursacht, mehr als ren. doppelt so viel wie der Durchschnitts- deutsche. Schockiert von diesem Ergebnis Zurück zu Cordula Weimann. Sie will kei- änderte er sein Leben (machbare Wege ne gesellschaftliche Spaltung, sondern mit dem Fahrrad, Tausch des Sportwa- eine Allianz, will „ins Boot“ der jungen gens gegen ein Hybridauto, das er mit Aktivisten. Der Politik wirft sie vor, sie ha- Ökostrom lädt, weniger Klamotten, weni- be den Konsum und Lebensstil von uns ger Fleischkonsum). Er hat es geschafft, Älteren unterstützt und nie deutlich ge- seinen Kohlendioxydausstoß auf 7,8 Ton- sagt, welche Belastung das für die Natur nen pro Jahr zu reduzieren und empfindet ist. Eine neue Idee von ihr ist, Menschen die Maßnahmen, die er ergriffen hat, kei- in Altenheimen einzubinden, denn die neswegs als einschränkend. wüssten oft noch, wie man umweltver- träglich lebt; sie seien aufgewachsen, Dr. Gregor Hagedorn hat „Scientists for nachhaltig mit Kleidung und Nahrungs- Future“ gegründet. Er arbeitet als Wissen- mitteln umzugehen. Die Strukturen sind schaftler in Berlin, sein Vorbild für nach- leider bekanntlich zäh und die Lösung haltigen Lebensstil ist die Natur. Er weist globaler Krisen ist in unterschiedlichen darauf hin, dass wir quer durch alle Par- Systemen von vielen Dingen abhängig. teipräferenzen normalerweise sehr viel Aber Resignieren hilft nicht! dafür tun, dass es unseren Kindern gut geht, und er ist überzeugt, dass wir, wenn Omas for Future wollen mithelfen, dass
aktiv dabei 17 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ auch unsere Enkel ein gutes Leben führen können. Packen wir´s an! www.omasforfuture.de Quellen: Schrot und Korn, Januar 2020, S. 30 bis 35 alverde, Januar 2020, S. 10, 11, 66, 67 Hanne Kleinen In den Abend ... Das alte Pärchen schlendert langsam Hand in Hand seinen Weg entlang. Im gleichen Rhythmus atmend braucht es keine Worte, Klima-Aktionstag um sich zu verstehen. für alle Generationen Aus zwei verschiedenen Wesen am 24. April 2020 von erschuf das Leben Eines, Fridays For Future ihr ICH und sein DU verschmolzen zu einem WIR: In vielen Städten, sicherlich auch in Spey- Zeichen für eine Liebe, er, sind alle Generationen aufgerufen, sich die kein Ende findet. öffentlich für eine klimagerechte Welt ein- Und doch zusetzen. Das ist dringend! Jeden Tag ver- wird dereinst des öffentlichen Wissenschaftler neue Er- Schnitters kalte Sichel kenntnisse, dass die Klimaerhitzung mit durchtrennen, was ihren desaströsen Folgen noch schneller zusammen wuchs und voranschreitet als prognostiziert. Gleich- auf ewig zusammen gehört. zeitig spüren wir es in unserem Alltag. Was war das für ein Winter dieses Jahr Grenzenloser Schmerz ! gegenüber den Wintern früher? Der Wald in Rheinland-Pfalz ist enorm geschwächt von der Trockenheit der vergangenen (Ulla Fleischmann) Sommer. Am 24. April können Sie die jüngere Ge- neration unterstützen, sich für ihre Zu- Mit unserer Zeitschrift „aktiv dabei“ kunft einzusetzen! Seien Sie dabei! Aktu- möchten wir auch andere Organisati- elle Informationen zum Treffpunkt und onen unterstützen. Wenn Sie ein An- zur Uhrzeit erhalten Sie unter: liegen haben, melden Sie sich einfach https://fridaysforfuture.de/savethedate/ im Seniorenbüro, Tel. 06232/142661
18 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ 10 Hygienetipps von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Diese Regeln sollten Sie immer beachten. Regelmäßig Händewaschen Wunden Schützen • Wenn Sie nach Hause kommen • Vor und während der Zu- bereitung von Speisen • Vor den Mahlzeiten Abstand halten • Nach dem Besuch der Toilette • Nach dem Naseputzen, Husten oder Niesen • Vor und nach dem Kontakt mit Er- krankten • Nach dem Kontakt mit Tieren Auf ein sauberes Zuhause achten vor allem in Küche, Hände gründlich waschen Bad und Toilette • Nass machen • Rundum einseifen • Zeit lassen • Gründlich abspülen Mit Lebensmittel • Sorgfältig abtrocknen hygienisch umgehen Hände aus dem Gesicht fernhalten Geschirr und Wäsche heiß waschen Richtig husten und Regelmäßig lüften niesen
aktiv dabei 19 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Schindlers Liste Die Frau an seiner Seite Kerstin Scholl, Lehrerin an der Realschule begleitete sie auf ihren Reisen auf den plus in Dudenhofen und Stolperstein- Spuren der Schindlers. aktivistin, hatte am 12.11.19 eingeladen und sie kam: Frau Dr. Erika Rosenberg, Frau Dr. Rosenberg ist Jüdin und Historikerin und Publizistin aus schilderte zunächst kurz ihr Leben. Ihre Argentinien, eine Wegbegleiterin von Eltern, Deutsche, die Mutter war Ärztin in Emilie Schindler. Beim ersten Vortrag für Hamburg, der Vater Jurist in Berlin, hatten die Schüler der 9. Klasse durfte ich dabei keine Chance mehr ihren Beruf sein. Die Schüler kannten den Film auszuüben, als Hitler das „ Gesetz zur „Schindlers Liste“ und waren gespannt auf Wiederherstellung des Neuigkeiten und Hintergründe der Berufsbeamtentums“ erließ. Geschichte dieses schillernden Ehepaars. Was macht ein Mensch, der seiner Grundlagen beraubt ist? Wenn er die Eigentlich hatte sie vor, ein Buch über Möglichkeiten hat, wandert er aus, in Einwanderer nach Argentinien zu diesem Fall nach Argentinien. schreiben. Dabei führte sie der Zufall bei den Recherchen auf den Namen Emilie Nun zu Emilie Schindler geb. Pelzl: Sie ist Schindler, die verarmt in Argentinien 1907 geboren, wurde in einer lebte. Das Zusammentreffen mit dieser Klosterschule erzogen, war streng gläubig Frau hat ihrem Schaffen eine ganz neue und hatte eine gute Ausbildung. Ihre Richtung gegeben und sie wollte den Eltern kamen aus Mähren, hatten einen Schindlers ein Buch widmen. So legte sie Bauernhof und da kommt Oskar ins Spiel: ihr eigentliches Projekt 20 Jahre auf Eis, er wollte eines Tages ihrem Vater einen freundete sich mit Emilie an und Elektromotor verkaufen. Geheiratet haben
20 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ sie am 6.3.1927 in Zwittau, wo die ein Ungeheuer. Seine Hunde zerfleischten Schwiegereltern wohnten. Menschen und er schaute dabei zu und lächelte. Außerdem machte er morgens Auch die Schindlers kamen aus Mähren, Schießübungen von seinem Balkon aus das nach dem Verfall der k.u.k.Monarchie und schoss wahllos auf die Leute. Es zur Tschechoslowakei geworden ist. Dort waren 4000, die er umgebracht hat. Die entstand unter Konrad Henlein damals Schindlers mussten ihn zuhause em- die Nazipartei, in die Oskar eintrat. Die pfangen, damit sie die jüdischen Arbeiter Beziehungen zu den Parteileuten sollten für die Fabrik bekommen konnten. Göth ihm später nützlich sein für seine trank viel und Oskar trank mit, um sich zu Rettungsaktionen. tarnen und die Rettung „seiner“ Juden nicht aufs Spiel zu setzen. Der 2. Weltkrieg brach aus. Oskar, Spion unter Canaris, dem Chef des Geheim- 1942 liess Oskar Schindler ein Arbeits-und dienstes, hatte den Auftrag nach Krakau Wohnlager für die Juden einrichten. Es zu reisen. Dort entdeckte er eine Email- befand sich direkt neben der neuerwor- warenfabrik, die Juden gehört hatte, benen Kistenfabrik und der Krakauer nahm einen Kredit auf und begann unter Glashütte. Denn inzwischen wurde auf anderem, Töpfe für die Wehrmacht herzu- der Wannseekonferenz die „Endlösung stellen. Einen Teil der Ware verkaufte er der Judenfrage“ beschlossen und die auf dem Schwarzmarkt und konnte so Schindlers wussten, was das für die Juden richtig viel Geld verdienen. bedeutete, wenn sie nicht eine Sonder- Emilie unterstützte ihren Mann aktiv auch genehmigung erhalten, direkt neben der bei seiner Arbeit der Spionageabwehr. Fabrik ein Lager zu bauen. Sie reisten nach Berlin und kehrten mit der Erlaubnis Die Arbeiter in der Fabrik waren Juden, zurück. die zuerst im Ghetto in Krakau gelebt Dann wurde die Fabrik nach Brünnlitz haben und später ins Konzentrationslager (heute Zwittau) verlegt. Erschütternd war nach Plaszow kamen. Die das Foto, das einen Frachtbrief zeigte; die Lebensbedingungen im Lager waren deklarierte“ Fracht“ waren Menschen. Die schlimm. Es gab keine Krankenstation Juden wurden nicht als Menschen und wer krank wurde, war dem Tod gesehen. geweiht. Eine große Gefahr für die Frauen war eine Schwangerschaft. Emilie half Im Januar 1945 entschied Emilie, 120 einer Frau abzutreiben, ohne dem Arzt zu jüdische Arbeiter, die erschossen werden sagen, dass die Schwangere Jüdin war. sollten, in die Fabrik aufzunehmen. Sie Das war für sie als gläubige Katholikin trug die Entscheidung ganz allein, da nicht einfach, da sie immer gegen Oskar auf Reisen war und rettete diese Abtreibung war. Einmal hatte Emilie in der Menschen vor dem sicheren Tod. Fabrik eine angerauchte Zigarette weg- geworfen. Ein jüdischer Häftling stürzte Nach der Kapitulation Deutschlands sich sofort darauf und rauchte sie gierig. musste das Ehepaar schnell fliehen, da sie Das sah ein SS-Mann und er stellte sie zur sonst als deutsche Fabrikanten mit Sicher- Rede wegen Begünstigung von Juden. Er heit umgebracht worden wären. Sie warnte sie: Passen Sie auf! Ich werde Sie landeten in Regensburg. im Auge behalten. Mit Hilfe von 15 000 Dollar einer jüdischen Organisation schifften sie sich 3. Amon Göth, der Lagerkommandant, war Klasse nach Argentinien ein, wo sie 60 km
aktiv dabei 21 ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ südlich von Buenos Aires eine Farm geschieden gewesen und hätte somit betrieben. keinen Anspruch. Das war eine Lüge. Oskar kehrte nach Deutschland zurück, In Jerusalem sollte der Film vorgestellt um eine Art Wiedergutmachung für den werden und Emilie und ihre Begleiterin, Verlust der Fabriken zu bekommen.. Die Frau Dr. Rosenberg, waren eingeladen. Ihr Verhandlungen dauerten insgesamt fünf- Platz war am Tisch 87 in einer der letzten einhalb Jahre. Er kam nicht wieder zu Reihen. Die beiden wollten schon gehen, Emilie zurück. Sie blieben aber weiterhin da sie sich sehr überflüssig vorkamen. Da verheiratet. kam ein Mann auf Emilie zu: Sie sind Emilie Schindler! Er und die anderen Oskar starb 1974 in Hildesheim und „Schindlerjuden“ hatten sie erkannt und wurde in Jerusalem beigesetzt. Emilies bedankten sich gerührt bei ihr. letzter Wunsch war, ihren Lebensabend in Deutschland zu verbringen. Mithilfe ihrer Emilie Schindler hat mutig und heldenhaft Freundin, Frau Dr. Erika Rosenberg, kam gehandelt. Die beiden waren ein sie im Juli 2001 zurück nach Deutschland. ungleiches, jedoch couragiertes Ehepaar. Wenige Wochen später starb sie in der Man sagt: Gegensätze ziehen sich an: Nähe von Berlin und wurde im bayrischen Oskar liebte das Leben, schnelle Autos, Wallkraiburg beerdigt. Hier hatte sie in Frauen, den Alkohol und den Tabak. Er ist einem Alten-und Pflegeheim der Sudeten- mit 66 Jahren gestorben. Emilie ist 94 deutschen-Stiftung ihren Lebensabend Jahre alt geworden. Er war ihre große verbringen wollen. Liebe. Der Film „Schindlers Liste“ von Steven Frau Dr. Rosenberg appellierte an die Spielberg hat seine eigene Geschichte. Schüler: „Es gibt so viele Kriege, Oskar schickte seine Biographie an einen Missverständnisse und Schlimmes auf der amerikanischen Filmverleih. Der lehnte ab Welt. Ihr, die Jugend, macht aus dieser mit der Begründung: Die Amerikaner Welt was Besseres! Ihr schafft das!“ wollen zu diesem Zeitpunkt keine guten Deutschen sehen, sondern Bösewichte. Die höchste Auszeichnung, die ein Das Drehbuch, das Oskar geschrieben Mensch bekommen kann: ein Mensch zu hatte, wurde nie zurückgeschickt, obwohl sein! er ausdrücklich darum gebeten hatte. Ingrid Kolbinger Jahre später drehte Spielberg den Film, ohne aber jemals mit Emilie über die Tatsachen gesprochen zu haben. Für ihn spielte Emilie keine Rolle. Im Gegenteil, er dachte, sie wäre Jüdin gewesen und Oskar hätte sie gerettet. Frau Dr. Rosenberg berichtete, daß sich Frau Schindler an Steven Spielberg wandte, um ihren Anteil an den Einnahmen zu verlangen. Es handelte sich immerhin um die Lebensgeschichte der beiden. Spielberg lehnte ab mit der Begründung, sie wäre ja von ihrem Mann Die Frauen der Stolpersteininitiative
22 aktiv dabei ______________________________________________________________________________________________________________________________________________ Stolpersteine Die nächste Verlegung von Stolpersteinen in Speyer findet am Samstag, 9.5.20 statt. Sie werden für Die jüdischen Familien: Hildesheimer ( Musikalienhandlung ) Gilgenstr. 1 Am Altpörtel / 5 Steine Herz ( Weißwarenausstattung ) Maximilianstr. 33 / 3 Steine Eiszeit Reichenberg (Stoffgeschäft mit Bettwä- Kälte sche ) Maximilianstr. 32 / 3 Steine Ein Eisberg zwischen ihnen Sie umkreisen ihn Moritz (Damenkonfektion, Weiß-Kurz- und Modewaren/ Maximilianstr. 71 / 2 Steine Stillstand Die Zeugen Jehovas: Keine Nähe möglich Angst vor Verletzung Jossé Kleine Gailergasse 1 / 2 Steine Liebe Näheres wird noch in der Presse bekannt- auf Ewigkeiten angelegt gegeben. Ingrid Kolbinger nun zu Eis gefroren Die heilige Flamme erstickte Spenden im Alltag Wenn auch Sie die Stolpersteininitiative Aus WIR unterstützen möchten, so können Sie dies wurde gerne tun. ICH KONTO: Stadt Speyer Jetzt IBAN: DE20 5455 0010 0000 0015 86 die Segel streichen BIC: LUHSDE6AXXX Kennwort: Stolpersteine und aufgeben? Die Webadresse ist folgende: (Ulla Fleischmann) https://www.stolpersteine-speyer.com/
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