Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"

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Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
Nachnutzung Flughafen Tegel
7. Standortkonferenz:
Einblicke in die „Werkstatt Berlin TXL“
Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
Titelfoto: Visualisierung Masterplan, © Andreas Schiebel
Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
Nachnutzung Flughafen Tegel
7. Standortkonferenz:
Einblicke in die „Werkstatt Berlin TXL“

             Dokumentation der Veranstaltung
             am 20. Januar 2015
Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
7. Standortkonferenz | Dokumentation

Inhalt

Begrüßung                                                  7
Uwe Madel,
Rundfunk Berlin-Brandenburg

Einführung                                                 8
Senator Andreas Geisel,
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

TXL: Zum Stand der Entwicklung                            10
Dr. Philipp Bouteiller,
Geschäftsführer, Tegel Projekt GmbH

TXL und Berlin: Zu den veränderten Rahmenbedingungen      14
Michael Künzel,
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

Die „Werkstatt Berlin TXL“                                17
Daniel Bormann,
REALACE GmbH

Im Interview                                              18
Prof. Dr.-Ing. Hans Gerber,
1. Vizepräsident, Beuth Hochschule für Technik

Harald Herweg,
Leitender Branddirektor, Berliner Feuerwehr

Abschlussdiskussion                                       21
Staatssekretär Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup,
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

Dr. Philipp Bouteiller,
Geschäftsführer, Tegel Projekt GmbH

Prof. Dr.-Ing. Hans Gerber,
1. Vizepräsident, Beuth Hochschule für Technik

Moderation
Uwe Madel, rbb Berlin

                                                                                           5
Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
Vorwort

                                                             verbindlich beschlossen. Parallel wurden
                                                             die Bebauungsplanverfahren eingeleitet,
                                                             damit schon mit Rückgabe des Flughafen-
                                                             geländes an die beiden Eigentümer Bund
                                                             (BImA) und Land verbindliches Baupla-
                                                             nungsrecht für die zukünftigen Nutzungen
                                                             besteht.

                                                             Die 7. Standortkonferenz zur Nachnutzung
                                                             des Flughafens Tegel fand am 20. Januar
    Was passiert in Berlin TXL, wenn der Flug-               2015 statt. Die Planungen und konkreten
    hafen geschlossen wird? Diese Frage wird                 Projektvorbereitungen sind weitergegan-
    seit 2008 unter Einbeziehung einer breiten               gen und wurden mit einer interessierten
    Öffentlichkeit intensiv diskutiert. In einem             Öffentlichkeit diskutiert. Dabei wurden
    mehrstufigen diskursiven Werkstattver-                   nicht nur die Maßnahmen für das Projekt
    fahren erarbeiteten sechs internationale                 Berlin TXL – The Urban Tech Republic vor-
    Teams aus Architekten, Stadt- und Land-                  gestellt (einen Industrie- und Forschungs-
    schaftsplanern Ideen, die mit weiteren Ex-               park für urbane Technologien), sondern
    perten und der interessierten Berliner Öffent-           auch die Pläne für ein Wohnprojekt im öst-
    lichkeit in mehreren Standortkonferenzen                 lichen Bereich des fast 500 Hektar großen
    weiterentwickelt wurden. 2011 hat das Land               Flughafengeländes.
    Berlin die Ergebnisse des Planungsprozes-
    ses mit Festsetzung eines entsprechenden                 Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre.
    Flächennutzungsplans manifestiert. In ei-
    nem weiteren Werkstattverfahren mit den
    Planungsteams wurde 2012 der Master-
    plan entwickelt und 2013 vom Land Berlin

                                                             Andreas Geisel
                                                             Senator für Stadtentwicklung und Umwelt

    Die Diskussion zum Wohnprojekt war im Januar 2015 noch geprägt von der Bewerbung Berlins für die Olympi-
    schen Sommerspiele 2024. Dies spiegelt sich in den Beiträgen der Referenten wider, die sich auf die Entstehung
    des Olympischen Dorfes auf dem Flughafengelände beziehen. Inzwischen ist Hamburg der ausgewählte Kandidat
    – aber auch ohne ein Olympisches Dorf wird die Entwicklung eines Wohnprojektes am Kurt-Schumacher-Platz
    vorangetrieben.

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7. Standortkonferenz | Dokumentation

7. Standortkonferenz
Dokumentation
Begrüßung                                      mitzudiskutieren. Wir werden heute einen
                                               Bericht bekommen, wie es im Augenblick in
Uwe Madel                                      der „Werkstatt Berlin TXL“ aussieht. Wie ist
                                               der Stand der Dinge? Wie weit sind die Pla-
Guten Abend, meine Damen und Herren.           ner? Was sind die aktuellen Diskussions-
Ich darf Sie herzlich willkommen heißen        punkte, Schwierigkeiten? Was ist Ihre Mei-
zur mittlerweile 7. Standortkonferenz zur      nung dazu, Ihre Kritik, sind Ihre Wünsche
Nachnutzung des Flughafens Tegel in die-       zum Thema Berlin Tegel und Nachnutzung
ser wunderschönen Peter-Behrens-Halle.         Tegel? – Das wollen wir gemeinsam disku-
Die Halle hat eine lange Zeit der AEG ge-      tieren.
hört, war eine Industriehalle und wird jetzt   Ich freue mich sehr auf Senator Andreas
von Studenten und Forschenden der TU           Geisel, der heute zum ersten Mal bei der
Berlin genutzt, eine Versuchshalle, die in     Standortkonferenz ist und sich in neuer
Nutzung ist. Diese Halle ist ein gelungenes    Funktion als Senator auch der Urban Tech
Beispiel für sinnvolle Nachnutzung einer       Republic widmen wird. Ich freue mich sehr
alten Industriehalle, heute mit neuem Le-      auf Ihre einführenden Worte.
ben gefüllt. Vielleicht ist das ein gutes
Omen für die Diskussion zur Nachnutzung
des Flughafens Tegel.
Ich bin Journalist beim Rundfunk Berlin
Brandenburg und habe die große Freude,
diese Konferenzen moderieren zu dürfen.
Die Diskussion um die Nachnutzung des
Flughafens Tegel ist für Berlin beispielge-
bend. Da haben wir viele andere Erfahrun-
gen gemacht. Hier funktionierte das ganz
gut, ausgehend von der Frage: Was machen
wir eigentlich mit dem Flughafen, wenn der
irgendwann geschlossen wird? Mittlerweile
sind wir beim Masterplan 2012 angekom-
men, beschlossen vom Senat in Berlin:
„Forschungs- und Industriepark Zukunfts-
                                               Uwe Madel, rbb Berlin
technologien“ oder neudeutsch: „Urban
Tech Republic“.
Was das eigentlich genau ist, können wir
heute Abend besprechen. Ist es das, was die
Bürger Berlins auch wollen? Viele Leute
wissen noch gar nicht, was in Tegel pas-
siert. Sie haben auch ihre eigenen berech-
tigten Wünsche. Die haben auch alle eine
Rolle in der Diskussion in den vergangenen
Jahren gespielt. Wir haben viele Argumente
wiedergefunden, die wir auch schon 2008,
2009 und 2010 diskutiert haben.
Ich würde Sie heute gern einladen, wieder

                                                                                                                      7
Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
Einführung                                                   min für die Schließung des Flughafens Te-
                                                                               gel wäre dann etwa ein halbes Jahr nach
                  Andreas Geisel, Senator für                                  Eröffnung des BER, folglich im Jahr 2018
                  Stadtentwicklung und Umwelt                                  möglich.
                                                                               Der zweite Termin ist der 21. März 2015.
                  Sehr geehrter Herr Vizepräsident Prof. Ger-                  Da findet eine außerordentliche Mitglieder-
                  ber, sehr geehrter Herr Dr. Boutellier, sehr                 versammlung des Deutschen Olympischen
                  geehrter Herr Staatssekretär Lütke Dal-                      Sportbundes statt. Entschieden wird, ob es,
                  drup, sehr geehrter Herr Madel, meine sehr                   und wenn ja, mit Hamburg oder Berlin eine
                  geehrten Damen und Herren, ich freue                         deutsche Bewerbung für die Olympischen
                  mich, dass ich heute die 7. Standortkonfe-                   und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028
                  renz zur Nachnutzung des Flughafens Te-                      geben wird.
                  gel eröffnen kann.                                           Ich will die Gelegenheit nutzen, für Olympia
                  Zwei Bemerkungen vorab: Immer wieder                         in Berlin zu werben. Ich weiß, dass wir eine
                  staune ich, über was für tolle Immobilien                    Diskussion in Teilen der Stadt haben nach
                  die Technische Universität verfügt. Die Pe-                  dem Motto: Haben wir keine anderen Pro-
                  ter-Behrens-Halle passt hervorragend zum                     bleme? Ist es angesichts des Zustandes der
                  Konzept der Urban Tech Republic, dem Ge-                     Infrastruktur beispielsweise auf den Sport-
                  danken, Industrialisierung wieder nach                       stätten Berlins, in den Sporthallen vieler
                  Berlin zu holen. Die zweite zu meiner Per-                   Schulen angemessen, ein solches Projekt
                  son: Für mich, muss ich gestehen, ist das                    aufzulegen? Ich sage: Ja, gerade deshalb
                  Thema heute neu. Ich bin die letzten Tage                    wollen wir uns bewerben, weil Berlin Visio-
                  sozusagen druckbetankt worden mit dem,                       nen braucht. Wenn wir wollen, dass sich
                  was in den vergangenen Jahren passiert                       Berlin weiterentwickelt, dass es auch in
                  ist.                                                         zehn, in zwanzig Jahren noch Gründe gibt,
                                                                               Berlin zu besuchen, in Berlin zu investieren,
                                                                               dann brauchen wir neue Ziele. Olympia
                                                                               kann ein solches Ziel sein. In London hat es
                                                                               im Vorfeld eine heftige Diskussion um
                                                                               Olympia gegeben. Zum Schluss waren alle
                                                                               begeistert. London ist mit 30 Mio. Euro plus
                                                                               und einem Schub für die Stadt rausgegan-
                                                                               gen. Allein die Bewerbung für die Olympi-
                                                                               schen Spiele im Jahre 2000 hat Berlin einen
                                                                               Schub gegeben. Viele Sportstätten gäbe es
                                                                               heute sonst nicht. Die Rummelsburger
                                                                               Bucht, damals als olympisches Dorf ge-
                                                                               plant, ist heute ein attraktives kinder- und
                                                                               familienfreundliches Wohngebiet.
                                                                               Meine Damen und Herren, wenn wir wol-
                                                                               len, dass wir in öffentliche Infrastruktur
    Senator Andreas Geisel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt   investieren, dann ist es angemessen, dass
                                                                               sich ein so reiches Land wie Deutschland,
                  Diese Veranstaltung gibt uns allen die                       eine — im weltweiten Vergleich — so rei-
                  Möglichkeit, gemeinsam zu diskutieren.                       che Stadt wie Berlin bewirbt. Wir wollen
                  Der heutige Termin findet zwischen zwei                      keine Gigantomanie, sondern Reformspie-
                  wichtigen Daten statt. Am 12. Dezember                       le. Wenn das IOC seine Entscheidung da-
                  2014 hat der Aufsichtsrat der Flughafenge-                   nach ausrichtet, dass es gigantische Spiele
                  sellschaft Berlin-Brandenburg das zweite                     werden, dann ist das nicht die Berliner Be-
                  Halbjahr 2017 als Termin zur Inbetriebnah-                   werbung. Es geht aber auch ums Herz:
                  me des BER genannt. Der endgültige Ter-                      Denken wir kurz an die Fußballweltmeis-

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7. Standortkonferenz | Dokumentation

terschaft, das Sommermärchen 2006 zu-          Wohnungen. Die Potenziale sind also nicht
rück, was das für die Internationalität Ber-   das Problem. Schwieriger ist es, diese Po-
lins und internationale Anerkennung            tenziale kurzfristig zu erschließen. Das gilt
Deutschlands bedeutet hat. Im Spannungs-       nicht für alle Flächen. Zudem sollen nicht
feld zwischen Schließung des Flughafens        nur Schlafstädte, sondern Orte entstehen,
Tegel und Entscheidung des DOSB wollen         die selber urbane Angebote bieten. Die
wir mit Ihnen heute gemeinsam diskutie-        Menschen sollen gern dort wohnen.
ren.
Nach der Schließung entsteht ein For-
schungs- und Industriepark für urbane
Technologien, die Urban Tech Republic.
Das ist eine Symbiose aus Hochschulen,
Forschungseinrichtungen und Unterneh-
men. Etwa 800 Unternehmen siedeln sich
dort an – 15.000 Arbeitsplätze, 5.000 Stu-
dierende, ein bedeutender Wirtschafts-
standort. Wir alle miteinander sollten aber
auch wissen, dass dies Zeit braucht. Die
WISTA hat mit der Entwicklung von Ad-
lershof Anfang der 1990er-Jahre begonnen
und wird demnächst fertig. Mehr als 25
Jahre. Auch bei der Entwicklung von Tegel
sollten wir eher in Jahrzehnten rechnen.
Im Kurt-Schumacher-Quartier soll ein neu-      Die Peter-Behrens-Halle wird heute von der TU Berlin als Forschungsstandort genutzt.
es Wohnquartier mit 5.000 Wohneinheiten
entwickelt werden. Sollten sich die Berline-   Viel ist weitergegangen seit der letzten
rinnen und Berliner in der Volksbefragung      Standortkonferenz im August 2012. Die
am 13. September 2015 für Olympia 2024         städtebaulichen und freiräumlichen Vor-
oder 2028 entscheiden, könnte im Kurt-         qualifizierungen sind abgeschlossen. Auf
Schumacher-Quartier das Olympische Dorf        dieser Grundlage können Erschließungs-
entstehen. Aber es geht nicht nur um das       planungen, also die Straßen und techni-
Olympische Dorf, sondern um neuen Wohn-        sche Infrastruktur und die Freiraumpla-
raum in Berlin.                                nung im Jahr 2015 weiter vorangetrieben
Die Einwohnerprognose sagt, dass wir bis       werden. Das Bedarfsprogramm der Beuth
zum Jahr 2030 etwa um 250.000 Einwoh-          Hochschule steht kurz vor dem Abschluss.
nerinnen und Einwohner wachsen. Wenn           Die Weiterführung der Planung ist 2015 be-
wir die Istzahl der letzten zwei Jahre be-     absichtigt. Ich habe mit der Präsidentin der
trachten, stellen wir fest, wir übertreffen    Beuth Hochschule bereits einen Termin
die Prognose. Wohnraum wird knapp in           verabredet, um das konkreter zu bespre-
Berlin. Wie stellen wir neuen Wohnraum         chen. Der Standort insgesamt bekommt
möglichst schnell her? Denn wenn wir das       große Bedeutung für Berlin. Und diese Ver-
entsprechende Angebot nicht schnell an         anstaltung, die „Werkstatt Berlin TXL“, ist
den Markt bringen, werden die Mieten in        offen für Ihre Ideen. Sie alle miteinander
der Stadt steigen. Es geht aber vor allem      sind aufgefordert, Fragen zu stellen, Mei-
um bezahlbares Wohnen.                         nungen zu äußern und mit den Referenten
Die Senatsverwaltung für Stadtentwick-         ins Gespräch zu kommen.
lung und Umwelt hat in einer Potenzial-        Tegel habe ich bisher nur als Tourist oder
analyse festgestellt, dass in Berlin an ca.    Dienstreisender kennengelernt. Die letzten
1.000 verschiedenen Standorten Flächen         Male habe ich mir die Frage gestellt, ob ich
für etwa 170.000 Wohnungen vorhanden           dort eigentlich wohnen möchte, wenn ein
sind. Bis 2025 brauchen wir etwa 140.000       Wohnquartier entsteht. Die öffentliche An-

                                                                                                                                      9
Nachnutzung Flughafen Tegel - Standortkonferenz: Einblicke in die "Werkstatt Berlin TXL"
bindung ist ja nicht so gut. Nicht bedacht                      TXL: Zum Stand der Entwicklung
                                           habe ich, dass man das auch im Perspektiv-
                                           wechsel sehen kann. Es ist weniger die An-                      Dr. Philipp Bouteiller
                                           fahrt zum Terminal als der Blick vom Kurt-
                                           Schumacher-Platz, der relevant ist. Dann                        Sehr geehrter Herr Senator Geisel, ich dan-
                                           stellt man fest, dass die U-Bahn-Station                        ke Ihnen sehr für die Einführung. Das The-
                                           Scharnweberstraße ziemlich nah liegt. Es                        ma „Wohnen“ ist in der aktuellen politi-
                                           geht also eigentlich darum, diesen U-Bahn-                      schen Diskussion sehr viel präsenter
                                           Anschluss zu nutzen – beispielsweise durch                      geworden. Dies zeigt sich auch in unserem
                                           den Bau einer Brücke zum neuen Quartier                         Planungsprozess.
                                           hin. Und schon verändert sich die Standort-                     Ich werde Ihnen, sehr geehrte Damen und
                                           qualität. Ich finde, das sollten wir kommu-                     Herren, jetzt einen Abriss darüber geben,
                                           nizieren.                                                       was in den letzten Jahren passiert ist. Be-
                                           Der zweite Punkt ist die Autobahn 100. Der                      vor wir uns anschauen, was urbane Tech-
                                           Stummel, der zur Umfahrung des Tunnels                          nologien eigentlich sind und was wir an
                                           Tegel dient, muss entwidmet werden. Si-                         diesem Standort konkret planen, möchte
                                           cherlich brauchen wir diesen als Ausweich-                      ich noch mal an den Kontext erinnern. Viele
                                           möglichkeit, falls der Tunnel einmal ge-                        von Ihnen waren ja bereits bei unserer
                                           schlossen ist. Aber nicht als Autobahn. Das                     Standortkonferenz 2012 dabei. Es freut
                                           heißt, dort werden wir eine Veränderung                         mich sehr, dass Sie die Entwicklung weiter-
                                           vornehmen. Eine spannende Diskussion ist                        hin verfolgen. Vorweg: Auf dem riesigen
                                           das, zu der ich ganz ausdrücklich aufforde-                     Gelände planen wir eigentlich nicht nur ein
                                           re. Klar ist: Gute öffentliche Anbindung ist                    Projekt, es sind eigentlich drei Großprojek-
                                           notwendig, um ein attraktives Quartier für                      te.
                                           Gewerbe und Wohnen entstehen zu lassen.                         Diese drei Großprojekte gliedern sich ein-
                                           Kurz vor Schluss möchte ich den Zeitdruck                       mal in das, was Sie kennen, nämlich den
                                           nun doch etwas erhöhen: Von Tegel sollte                        Forschungs- und Industriepark Berlin TXL —
                                           ein positives Signal für die Stadtentwick-                      The Urban Tech Republic.
                                           lung ausgehen. Wenn Tegel 2018 geschlos-                        Dazu kommt ein ungefähr 203 Hektar gro-
                                           sen wird, dürfen wir also nicht zu viel Zeit                    ßer Landschaftsraum. Dafür haben die Pla-
                                           ins Land gehen lassen, bevor wir bauliche                       nungen noch nicht begonnen. Das werden
                                           Aktivitäten zeigen. Wir müssen gemeinsam                        wir nachgelagert in Angriff nehmen.
                                           auf dieses Zieldatum 2018 hinarbeiten.                          Als drittes Projekt ist das Thema „Wohnen“
                                           Vielen Dank.                                                    hinzugekommen. Die Erschließung eines
                                                                                                           Wohnquartiers macht vor allem dann Sinn,
                                                                                                           wenn man es vom Kurt-Schumacher-Platz
                                                                                                           her und nicht von der Urban Tech Republic
                                                                                                           aus betrachtet. Wir haben also die ganze
                                                                                                           Perspektive umgedreht. Und dann sehen
                                                                                                           Sie, dass dieses Tortenstück des Flugha-
                                                                                                           fens im Prinzip immer aus der Stadt raus-
                                                                                                           geschnitten war und dass wir die Stadt an
                                                                                                           der Stelle jetzt wieder vervollständigen
                                                                                                           können. Das ist eine sehr sinnvolle Maß-
                                                                                                           nahme, auf die wir uns freuen.
                                                                                                           Es ist unglaublich, was in den letzten 25
                                                                                                           Jahren seit dem Mauerfall in Berlin passiert
                                                                                                           ist. Was alles neu entstanden ist, renoviert,
                                                                                                           restauriert wurde – das gibt es in keiner an-
                                                                                                           deren Metropole in Europa. Dazu gehört,
     Die Entwicklung des ehemaligen Flughafens Tegel ist entscheidend für die Berliner Stadtentwicklung.   dass wir zwei komplett getrennte Städte

10
7. Standortkonferenz | Dokumentation

zusammengefügt haben – mit all ihren In-        Forschungsinstitute befinden sich in der
frastrukturen. Und dazu gehört eben auch,       unmittelbaren Nähe. Es ist eine tolle Umge-
dass wir redundante Infrastrukturen hat-        bung, die sich wirklich perfekt für das eig-
ten, nämlich drei Flughäfen.                    net, was wir vorhaben: die urbanen Tech-
Tempelhof wurde 2008 geschlossen. An            nologien      weiterzuentwickeln.        Die
das Jahr 2017 bei Tegel mache ich kein Fra-     Industriepartner sind im Prinzip schon vor
gezeichen dran, sondern ein Ausrufungs-         Ort.
zeichen. Diesmal rechnen wir damit, dass
der Termin wirklich gehalten wird. Alle un-
sere Planungen sind darauf ausgerichtet.
Kommen wir zum eigentlichen Masterplan
und zu dem, worum es heute geht. Sie se-
hen hier im Zentrum den Campus. Um die-
ses Wissensgebiet mit der Beuth Hochschu-
le und anderen Instituten herum liegt ein
Gewerbeband. In diesem können die Ideen,
die auf dem Campus kreiert werden, in die
Kommerzialisierung gehen. Oberhalb be-
findet sich ein ca. 80 Hektar großes Indus-
trieband. Dort kann das, was pilotiert und
kommerzialisiert wurde, schließlich in die
Großfertigung gehen. Das heißt, auf die-
sem Gelände kann die komplette Wert-
schöpfungskette von der Ideengenerierung        Dr. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH
bis zur Großfertigung realisiert werden.
Das gibt es in dieser Form nirgends.            Als reines Immobilienprojekt wäre die Ent-
Wir haben Hunderte von Industrieparks,          wicklung schwierig. Trotz der zentralen
Gewerbeparks und Forschungsparks welt-          Lage ist das Gebiet ein bisschen isoliert. Im
weit ausgewertet. Die einzigen, die funktio-    Norden grenzt es an ein großes Waldgebiet
nieren, haben eine Universität im Zentrum.      und nordöstlich an ein Gewerbegebiet. Im
Deswegen ist die Ansiedlung der Beuth           Süden liegt eine Kaserne. Die Autobahn
Hochschule an der Stelle so wichtig.            durchschneidet das Gebiet und eine Schie-
Inzwischen haben wir das Konzept verfei-        nenanbindung gibt es nicht. Deswegen
nert und einen Maßstabsprung gemacht.           stand am Anfang des Ganzen die Sinnfra-
Das Gebiet ist riesig: 495 Hektar. Das ent-     ge: Worum geht es eigentlich?
spricht in etwa fünf Prozent der Größe des      Am Ausgangspunkt unserer Überlegungen
Stadtgebietes von Paris. Wir Berliner verlie-   standen die großen Herausforderungen
ren manchmal ein bisschen aus den Augen,        des 21. Jahrhunderts, nämlich Ressourcen-
was das an Planungsaufwand bedeutet.            mangel, Klimawandel, Urbanisierung usw.
Dazu kommt, dass das Gelände eigentlich         Wir hatten die Möglichkeit, das Projekt auf
gar nicht so peripher liegt, sondern ganz im    vielen internationalen Veranstaltungen
Gegenteil ziemlich zentral. Und es ist ein-     vorzustellen. So auch in China und Japan.
gebettet in das traditionelle Industrie- und    Es ist unglaublich, die Städte und die städ-
Fertigungsgebiet Berlins. Rundherum se-         tische Entwicklung dort mit dem zu verglei-
hen Sie zum Beispiel die Fertigungsstätten      chen, was wir hier erleben, und gleichzeitig
von Siemens, die die größten Fertigungsan-      zu sehen, wie sie hilfesuchend zu uns
lagen weltweit nach wie vor hier in Berlin      schauen und nach neuen Konzepten von
haben. Um die Ecke produziert BMW Mo-           Stadt suchen.
torräder für den weltweiten Vertrieb. Wir       Dort werden auf dem Reißbrett Fünf- und
haben hier auch Hidden Champions wie IAV        Zehnmillionenstädte geplant. In China al-
und andere. Die TU Berlin und zahlreiche        lein werden in den nächsten 15 Jahren

                                                                                                                                     11
noch mal etwa 300 Millionen Menschen in         Es ist also nicht nur eine herausragende
     Städte ziehen. Das entspricht der kompletten    Chance für Berlin, sondern auch ein gutes
     urbanen Kapazität Nordamerikas. Nur in          Geschäft. Wir setzen auf einen Wachstums-
     China wird in 10 bis 15 Jahren das komplet-     markt und Berlin ist dafür hervorragend
     te Nordamerika noch mal neu gebaut! Sie         gerüstet. Wir haben nicht nur die vier Uni-
     sehen, es ist eine riesige Herausforderung.     versitäten, sondern über 31 polytechnische
     Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt        und private Hochschulen, 70 außeruniver-
     auf weniger als drei Prozent der Erdober-       sitäre    Forschungseinrichtungen        und
     fläche und verbraucht 75 Prozent der Res-       165.000 Studierende. Berlin wächst jedes
     sourcen. Aber, um es mal andersrum zu           Jahr um die Größe einer Kleinstadt. Das ist
     drehen, es finden auch 80 Prozent der Wert-     eine gigantische Herausforderung. Wie ge-
     schöpfung dort statt. Bevor wir jetzt in eine   hen wir als Stadt damit um?
     Negativspirale kommen, lade ich Sie zu ei-      Schauen wir ein bisschen in den Bereich der
     nem Perspektivwechsel ein. Denn Städte          urbanen Technologien und lassen uns ins-
     sind gut für uns! Sie sind unheimlich res-      pirieren: Warum drucken wir nicht unsere
     sourceneffizient pro Kopf!                      Stadt? In China und Holland werden Häuser
     Städte sind aber vor allem auch Kreativi-       mit 3-D-Druckern gedruckt. Damit sind
     täts-Hubs. Es sind ökologische Wertschöp-       ganz andere Kubaturen möglich, ganz an-
     fungsgiganten. Und die hohe Lebensquali-        dere Farb- und Formgebungen als beim
     tät, die wir alle so schätzen, macht ja den     herkömmlichen Bauen. Das heißt, man
     Reiz von Berlin aus. Deswegen sind wir          kann sich plötzlich völlig von dem lösen,
     auch alle hier in der Stadt.                    was wir bisher als Stadt kennen, als Stadt-
     Diese hohe Lebensqualität ist es, an der wir    bild. Man kann völlig frei arbeiten – hochef-
     im Augenblick arbeiten – emissionsfreie,        fizient, weil Sie nur das Material verbrau-
     lebenswerte, grüne Innenstädte. Das ver-        chen, das Sie drucken.
     bindet uns alle als Ziel. Und weltweit gibt     Als Nächstes möchte ich Ihre Aufmerksam-
     es im Augenblick jede Menge Smart-City-         keit auf das automatisierte Fahren lenken:
     Projekte. Etliche davon haben wir auch          Was passiert eigentlich, wenn wir nicht
     schon gesehen. Nur in Deutschland fehlt         mehr selber die Autos fahren, sondern
     das große Vorzeigeprojekt. Das ist die gro-     wenn das Fahren automatisiert wird? Alle
     ße Chance für uns als Berliner, mit dieser      großen Hersteller arbeiten im Augenblick
     Fläche das große Smart-City-Projekt zu          an diesem Thema. Das wird nicht nur Aus-
     werden. Bei den urbanen Technologien            wirkungen auf unser Mobilitätsverhalten
     geht es darum, am Ende klügere Städte zu        haben, sondern auch auf die Stadtplanung.
     bauen.                                          Wir brauchen weniger Platz für den ruhen-

                                                                      Berlin TXL — The Urban Tech Republic

12
7. Standortkonferenz | Dokumentation

den Verkehr, wenn sich die Fahrzeuge sel-        te-trasse legen? Wenn wir schon keine U-
ber wegparken. Wir können den Straßen-           Bahn und keine S-Bahn haben, kann es
raum wieder den Menschen zur Verfügung           nicht vielleicht auch etwas anderes sein,
stellen, Begegnungsräume schaffen.               eine Spur, die getrennt ist vom fließenden
Ich habe mich bei meinen ehemaligen Kol-         Verkehr, sodass man staufrei durch das
legen von McKinsey schlaugemacht und sie         Gelände kommt? Am Anfang mit Elektro-
haben folgende Zukunftstechnologien als          bussen, später vielleicht mit anderen, mit
Schlüsseltechnologien identifiziert, mit de-     automatisierten Fahrzeugen?
nen wir uns beschäftigen müssen, wenn
wir uns mit der Urban Tech Republic befas-
sen: das Internet der Dinge, Hochleistungs-
werkstoffe, fortgeschrittene Robotik, alter-
native Antriebe, regenerative Energie,
3-D-Druck etc. Das sind Themen, bei denen
wir recht gut dastehen in Deutschland. Auf
der anderen Seite stehen Cyber Security,
Cloud Computing, Big Data oder das mobile
Internet. Da haben uns die Amerikaner den
Rang abgelaufen und wir müssen an unse-
rer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.
Wir tun gut daran, an diesen Trends dran-
zubleiben. Industrie 4.0 verändert unser
Leben. Wir werden zum ersten Mal wieder
in der Lage sein, günstiger zu produzieren
als in Asien. Das ist eine riesige Chance für    Besucher der Standortkonferenz informieren sich über die Potenziale des Flughafengeländes.
Berlin, weil wir so gut aufgestellt sind, weil
wir so viel Talent, Kreativität und die ganze    Wie sieht ein Freizeitkonzept aus? Wie er-
Start-up-Industrie hier haben.                   höhen wir die Aufenthaltsqualität? Im Au-
Es gibt noch viel zu tun! Das wollen wir         genblick sieht es da ziemlich grau aus, wie
nicht nur auf dem Gelände machen. Es geht        Sie wissen. Das muss man aktiv kuratieren,
darum, Wissenschaft, Forschung und In-           sonst bleibt es langweilig.
dustrie zusammenzuführen und miteinan-           Dieser Anspruch zieht sich durch den ge-
der an diesen Lösungen zu arbeiten. Das          samten Planungsprozess durch, macht das
heißt für uns auch, dass wir den Planungs-       Ganze etwas komplexer als eine normale
prozess anders aufgesetzt haben, als das         Planung, aber es soll eben nicht das Gewer-
normalerweise bei Großprojekten passiert.        begebiet am Saatwinkler Damm, sondern
Wir planen Gewerke parallel und versuchen        die Urban Tech Republic werden!
immer wieder mal, alle Planer an einen           Dazu gehört auch, dass dieses das erste
Tisch zu holen. Das sind dann manchmal           Quartier in Berlin wird, das zweite in ganz
20 bis 30 Leute an einem Tisch. Das heißt,       Deutschland, was sich nach DGNB zertifi-
Infrastruktur und Technik und die Ver-           zieren lässt, der Deutschen Gesellschaft für
kehrsplanung werden gleich zusammen              nachhaltiges Bauen. Da sind viele Kriterien
mit den Experimentierfeldern geplant. Das        festgelegt. Wie gehen wir mit den Stoff-
ist ein unheimlicher Kommunikations- und         kreisläufen um? Wie behandeln wir das
Koordinationsaufwand, aber es lohnt sich,        Wasser? Was für Materialien werden ver-
weil am Ende jeder vom anderen weiß, wo-         wendet? Woher kommen die? Das sind
ran er gerade arbeitet.                          ziemlich hohe Anforderungen, aber wir
Fragen, die wir uns stellten, waren: Wie re-     halten das für ausgesprochen wichtig. Die-
integrieren wir das Flughafengelände in          se Konzepte dann hinterher auf das Wohn-
das Stadtbild? Wo sind die Fahrradverbin-        quartier zu übertragen, das ist die große
dungen? Wohin werden wir unsere Freihal-         Chance. Was wir in der Urban Tech Republic

                                                                                                                                              13
an Konzepten entwickeln, können wir im         TXL und Berlin: Zu den veränderten
     Wohngebiet zur Anwendung bringen. So           Rahmenbedingungen
     wird ein Ganzes daraus.
     Vom ersten Tag an werden wir 150.000           Michael Künzel
     Quadratmeter Immobilienbestand haben,
     die wir bespielen müssen. Und eine wesent-     Wir haben uns in den letzten zweieinhalb
     liche Aufgabe ist für uns im Augenblick, Ge-   Jahren seit der 6. Standortkonferenz auf
     bäude für Gebäude durchzugehen und uns         die gewerblich-industrielle Entwicklung
     genau zu überlegen, was man dort machen        und die Nachnutzung der Terminalgebäu-
     kann, mit wem und wie. Welche Nutzung?         de fokussiert. Ein bisschen ist in dieser Zeit
     Was können wir für Fördermittel in An-         aus dem Blickwinkel gefallen, dass sich
     spruch nehmen? Was macht Sinn, zum Bei-        Rahmenbedingungen und Einschätzungen
     spiel bei der Fire and Rescue Academy?         auch verändern können.
     Auch die Feuerwehr ist heute Abend hier        Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in
     vertreten. Das freut mich sehr, herzlich       Berlin hat sich erkennbar verändert. Die
     willkommen. Eines der schönsten Projekte,      Bevölkerungszunahme der letzten Jahre
     wie ich finde, ist tatsächlich die Berliner    und die prognostizierte Entwicklung der
     Feuerwehr- und Rettungsdienstakademie.         nächsten Jahre ergeben einen erhöhten Be-
     Unter der Woche kann die Feuerwehr im          darf an Wohnungsbauflächen und vor al-
     Hangar wetterunabhängig trainieren und         lem an preisgünstigen Wohnungen. Ein
     in der vorlesungsfreien Zeit können dort       Baustein der Wohnungsbaustrategie des
     Messen und Kongresse stattfinden.              Landes Berlin ist die Bereitstellung landes-
     Sie sehen, an vielen Stellen überlegen wir     eigener Flächen zur Entwicklung sozial
     eben nicht nur monothematisch, sondern         ausgeglichener urbaner Wohngebiete.
     wie man die Dinge miteinander verbinden        Daneben hat aber ganz konkret die Auffor-
     kann, sodass wir eine optimale Auslastung      derung des Deutschen Olympischen Sport-
     hinbekommen und auch das meiste raus-          bundes, das Interesse an der Austragung
     holen für die Stadt im Ganzen.                 Olympischer und Paralympischer Spiele
     Das, was aber Senator Geisel eben schon        2024 oder 2028 zu bekunden, eine Stand-
     erwähnte, nämlich die 800 bis 1.000 Unter-     ortsuche für das Olympische und Paralym-
     nehmen, die wir dort in 20 Jahren nach         pische Dorf ausgelöst. Im Ergebnis beider
     Baubeginn angesiedelt haben wollen, die        Themen ist mit dem Kurt-Schumacher-
     15.000 Arbeitsplätze, die wir dort geschaf-    Quartier ein weiterer Projektbaustein für
     fen haben wollen, die etwa zwei Milliarden     eine nachhaltige, sozial verträgliche und
     Euro Umsatz, die dort generiert werden         zukunftsweisende Nachnutzung des Flug-
     sollen, von denen dann etwa 180 Millionen      hafens Tegel auf die Agenda genommen
     an Steuereffekten dem Land direkt zugute-      worden. Heute habe ich die Freude, Ihnen
     kommen, diese Vision, diese Zahlen, die wir    das erste Mal darüber berichten zu können.
     uns vorgenommen haben, sind in Wirklich-       Mit der Aufwertung des Themas „Wohnen“
     keit nichts anderes als das, was wir in den    gegenüber 2008 gelingt eine bessere Inte-
     letzten 20 Jahren in Adlershof geschafft       gration des Flughafengeländes in das
     haben. Das sind nämlich, ehrlich gesagt,       Stadtgefüge. Und die Sozialverträglichkeit,
     die Adlershofer Zahlen. Und das wollen wir     die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit
     wieder erreichen. Das heißt, wir haben es      des gesamten Konzeptes steigt. Auch wenn
     schon einmal gemacht als Stadt und wir         die schon sehr früh geführte und ange-
     wollen es wieder machen. Und Sie alle wer-     mahnte Diskussion über die Mischung von
     den ein Teil dessen sein. Ich freue mich,      Wohnen und Arbeiten nach wie vor im Zu-
     dass Sie hier sind und uns in diesem Pro-      sammenhang mit der angestrebten gewerb-
     zess unterstützen – auch mit kritischen        lich-industriellen Nutzung im Kernbereich
     Fragen. Wir werden noch eine Menge Dis-        nicht möglich sein wird, so ist doch die Nähe
     kussionen haben. Herzlich willkommen.          und Beziehung zwischen beiden Nutzungen

14
7. Standortkonferenz | Dokumentation

und das Gleichgewicht zwischen beiden Nut-
zungen nun deutlich weiterentwickelt.
Das Olympische Dorf soll — auf 40 Hektar
Gesamtfläche — eine zentrale Lage zu den
wichtigen Austragungsorten haben. Es soll
selbst einen Sportstättenbezug haben, ins-
besondere auch zu Trainingsplätzen. Es soll
insgesamt 5.000 Wohneinheiten für ca.
17.500 Athleten und Offizielle enthalten
und, auch aus Sicht des Deutschen Olympi-
schen Sportbundes, eine gute Nachnutz-
barkeit bieten.
Aus Sicht des Landes Berlin war Prämisse für
die Standortfindung ein zusammenhängen-                        Michael Künzel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

des Olympisches Dorf auf einer landeseige-
nen Fläche. Wir wollen das Olympische Dorf                     entwickelt, das sich — weil es natürlich aus
als ein sozial durchmischtes nachhaltiges                      Sicherheitsgründen auch eingezäunt wer-
Wohngebiet nutzen können und wir wollen                        den muss in der Phase, in der es ein Olym-
vorhandene Verkehrsinfrastrukturen im öf-                      pisches Dorf ist — einschmiegt in die gro-
fentlichen Nahverkehr und im Individual-                       ßen Verkehrstrassen, Bezug nimmt auf den
verkehr für eine effiziente und nachhaltige                    Landschaftsraum, der während der Olym-
Erschließung vorhalten.                                        pischen Spiele für temporäre Sportstätten,
Wir wollen aber auch keine stadtentwick-                       für temporäre Veranstaltungsflächen ge-
lungspolitisch wichtigen Vorhaben blockie-                     nutzt werden kann. Teile der gewerblichen
ren oder schwerwiegende Eingriffe in Natur                     Bauflächen könnten als Betriebsflächen ge-
und Landschaft vornehmen.                                      nutzt werden. Und schon im Hinblick auf
Dies alles leistet das Kurt-Schumacher-                        eine spätere Nutzung würde die Plaza sich
Quartier am Standort Flughafen Tegel. An-                      ganz in die Nähe des Kurt-Schumacher-
dere Standorte sind wegen mangelnder                           Platzes schieben, weil dort auch in Zukunft
Größe, wegen schlechter Erreichbarkeit,                        sinnvoll Flächen für Versorgungseinrich-
wegen weiter Wege, wegen Eingriffen in                         tungen, für Dienstleistungen, für Ärzte, für
Natur und Landschaft ausgeschieden. Aus                        Apotheker, für den Bäcker sein könnten.
den Potenzialen am Standort Tegel hat                          Der Vorteil, den wir in dieser Planungspha-
sich ein Konzept für das Olympische Dorf                       se aus dem Gesamtkonzept bereits hatten,

Entwurf für das Kurt-Schumacher-Quartier im Rahmen der Interessenbekundung für die Olympischen Spiele 2024.

                                                                                                                                                 15
war, dass die schalltechnischen Untersu-         ge Ort zu sagen, dass die Spezialgebäude,
     chungen für das Gewerbe- und Industrie-          die in dem Olympischen Dorf unterge-
     gebiet, die Klimauntersuchungen, die Un-         bracht werden, wie eine Mensa, wie eine
     tersuchungen zu Natur und Landschaft             Klinik, wie eine Sporthalle, natürlich von
     und das Verkehrskonzept bereits so weit          Anfang an erstens so positioniert und zwei-
     gediehen waren, dass sie mit relativ wenig       tens auch hochbaulich so konzipiert wer-
     Aufwand auf das Kurt-Schumacher-Quar-            den müssen, dass sie dann nachgenutzt
     tier ausgedehnt werden konnten. Das              werden können als eine Schule, als eine
     heißt, all die Themen, die in den früheren       Kindertagesstätte, als eine Schulsporthalle.
     Standortkonferenzen während des Flä-             Zu guter Letzt wird zu entscheiden sein, in-
     chennutzungsplanverfahrens         diskutiert    wieweit ein Smart Olympic Village entsteht,
     worden sind, haben wir im Sommer 2014            das CO2-neutral ist, das eine Null-Energie-
     nachgearbeitet auf der bereits detaillierte-     Bilanz hat, 100 Prozent recyclebar ist und
     ren Grundlage der Bebauungsplanung, so-          selbst als Gebiet unabhängig zertifiziert
     dass wir erkennen konnten, dass aus Lärm-        werden kann.
     gründen, aus Klimagründen, aus Gründen           Am Schluss möchte ich noch die Philoso-
     der Natur und Landschaft und der Ver-            phie des Olympischen Dorfes und des
     kehrserschließung keinerlei Hindernisse im       Wohngebietes Kurt-Schumacher-Quartier
     Wege liegen, das Gebiet größer zu fassen,        verdeutlichen. Es geht um eine Weiterent-
     als wir das ursprünglich in der Masterplan-      wicklung des Bestandes an der Scharnwe-
     diskussion gedacht haben.                        berstraße und am Kurt-Schumacher-Platz
     Die Kolleginnen und Kollegen von reicher         auf das Flugfeld, um die Wohnquartiere
     haase associierte, die die städtebauliche        Reinickendorfs direkt auf das Flugfeld zu
     Vorqualifizierung für den Kernbereich erar-      bringen, zu verbinden mit den Landschafts-
     beitet haben, haben auch ein Beispiel erar-      räumen, mit dem Tegeler Forst, mit den
     beitet, wie dieses Olympische Dorf sich          Havelseen im Hintergrund, und so ein at-
     dann zum Beispiel im städtebaulichen Bild        traktives und nachhaltiges urbanes Quar-
     präsentieren kann. Für die weitere Bearbei-      tier zu schaffen. An dieser Stelle kann ich
     tung ist hier sicher auch ein qualifizieren-     nur sagen, die Urban Tech Republic sagt
     des Verfahren unter Beteiligung vieler Kol-      „Herzlich Willkommen“ zum Olympischen
     leginnen und Kollegen erforderlich. An           Dorf. Und ich bedanke mich für Ihre Auf-
     dieser Stelle ist dann sicher auch der richti-   merksamkeit. Vielen Dank.

                                                      Studentische Arbeit: Ein Konzept aus der Werkstatt Berlin TXL

16
7. Standortkonferenz | Dokumentation

Die „Werkstatt Berlin TXL“                      Der Grundgedanke war, dass aus der Ver-
                                                netzung und Generierung von Ideen eine
Daniel Bormann                                  Republik entstehen kann. Der Austausch
                                                findet dann nicht innerhalb von Bürowän-
Der Begriff „Urban Technology“ ist für die      den statt, sondern spannt einen Bogen zwi-
meisten Bürger gar nicht verständlich.          schen verschiedenen Unternehmen.
Was ist das eigentlich, wie funktioniert
das? Wir haben auch die 70 Studierenden
bei der Ideenwerkstatt gefragt, ob sie vor-
her etwas von dem Projekt gehört haben.
Es waren drei! Da sieht man, dass das Pro-
jekt bei der „Jugend“, für die das eigentlich
alles gebaut wird, noch gar nicht richtig
angekommen ist.
Warum diese Ideenwerkstatt? Als ich auf
die Marke „Urban Tech Republic“ gestoßen
bin, hatte ich mit der Tegel Projekt GmbH
mal darüber gesprochen, was sie darunter
verstehen. „Urban“ war für mich noch
recht einfach verständlich, aber was ist die
„Republic“ an der Urban Tech Republic? Da
wurde mir die Vision erklärt, dass es darum
geht, eine Standortgemeinschaft auszubil-       Daniel Bormann, REALACE GmbH

den. Aber wie kann das eigentlich gelingen?
Wie funktioniert eine „Republic“, die einem     Ein zweiter wichtiger Punkt war die Diskus-
bestimmten Thema zugeordnet ist?                sion über die Orte der Republik. Welche
Das herauszufinden, war die Aufgabe der         Orte braucht die Gemeinschaft? Wo kön-
Studierenden: Wie kann sich eine „Repu-         nen diese Orte neben den großen Struktu-
blic“ bilden? Was sind Ansätze? Was sind        ren entstehen und bestehen? Sind das klas-
Ideen, so eine Republik zu gründen? Wie         sische Stadtplätze? Oder Orte, die ganz
kann das funktionieren?                         anders funktionieren?
In dem Zusammenhang haben wir mit den           Die Gruppe, die das untersucht hat, kam im
drei Hochschulen TU Berlin, HTW und UdK         ersten Schritt zu einer sehr interessanten
gearbeitet — mit 18 Gruppen, 70 Studie-         Aussage, nämlich, dass die „Urban Tech
renden, in ganz unterschiedlichen Verfah-       Republic“ eigentlich relativ dünn besiedelt
ren — und auch verschiedenste Experten          ist, sie zwar über sehr viel Fläche verfügt,
dazugeholt, um uns Input aus unterschied-       aber sehr wenige Personen dort angesie-
lichen Perspektiven geben zu lassen, was        delt sein werden. Einfach deswegen, weil
diese „Republic“ sein kann. Wir wollten der     die Unternehmen gerade im Industriebe-
Frage auf den Grund gehen, wie eigentlich       reich relativ wenig Personal haben.
Partizipationsprozesse ablaufen? Was            Die Gruppe stellte sich die Frage: Wenn es
muss man alles bedenken? Auf diese As-          eine Agora, also einen zentralen Platz ge-
pekte möchte ich heute ein paar Schlag-         ben sollte, an der sich diese Republik fin-
lichter werfen.                                 det, wo kann dieser überhaupt sein? Wie
Studierende der Gesellschafts- und Wirt-        sieht er genau aus?
schaftskommunikation der UdK haben              Auch wurde überlegt, dass die bisherigen
„Berlins Bricoleure“ entwickelt. Da ging es     Planungen noch erheblich verdichtet wer-
im Wesentlichen darum, wie Ideen an dem         den müssten, um überhaupt eine physische
Standort der Hochschule entstehen kön-          Vernetzung der Republik erreichen zu kön-
nen, die über Crowdfunding oder andere          nen, die dann auch eine gewisse Attraktivi-
Finanzierungsmodelle realisiert werden.         tät darstelle.

                                                                                                                      17
Das letzte Beispiel der Vernetzung stellt     Im Interview
     eine einzelne Person in den Mittelpunkt.
     Der Vorschlag zielt darauf, dass Vernet-      Prof. Dr.-Ing. Hans Gerber und
     zung im Wesentlichen dann stattfindet,        Harald Herweg
     wenn ein gemeinschaftliches Interesse er-
     zeugt werden kann und auch Leidenschaf-       Moderation
     ten geteilt werden können.                    Wir machen jetzt mit einem Gespräch wei-
     Die Frage, wie so etwas entstehen und ge-     ter, in dem wir Ihnen die ersten Nachnut-
     fördert werden kann, führte eine Gruppe       zer, die ersten „Besiedler“ der Urban Tech
     zu... Bob. Bob, der Community-Manager.        Republic vorstellen. Es sitzen also die bei-
     Bob ist eine Figur, die hauptsächlich die     den „Gründungsväter“ der Republik hier
     Aufgabe hat, die Urban Tech Republic da-      auf dem Podium: Prof. Hans Gerber ist der
     hin gehend zu unterstützen, dass die Mit-     Vizepräsident der Beuth Hochschule für
     glieder miteinander reden, dass sie sich      Technik in Berlin und Harald Herweg ist
     vernetzen, dass sie Ideen teilen. So etwas    Leitender Branddirektor für Aus- und Fort-
     passiert nicht einfach von selbst und es      bildung, Chef der Feuerwehrakademie. Wie
     passiert auch nicht im Rahmen normaler        groß ist die Vorfreude auf den Umzug nach
     Stadtentwicklungsprozesse.                    Tegel, Herr Gerber?
     Das Ganze wurde dann durchkonzipiert.
     Wir haben auch schon das Stellenprofil.       Hans Gerber
     Bob kann eingestellt werden. Im Kern geht     Die Vorfreude ist so groß, dass sie die Halle
     es darum, dass er als Community-Entre-        hier sprengen würde. Lassen wir es bei die-
     preneur die „Republic“ und ihre Vernet-       sem Bild.
     zung gestalten kann, dass er Künstler ist,
     dass er ein Idealist ist, dass er das Ganze   Harald Herweg
     nach vorne bringt und ihr ein Herz, ein Ge-   Wir freuen uns auch schon sehr auf den
     sicht und einen Motor gibt, der auf einer     Tag, wo wir unsere Ausrüstung am alten
     völlig anderen Ebene funktioniert, als wir    Standort einpacken und umziehen können
     heute Dinge teilweise tun.                    in eine wirklich zukunftsweisende neue
     Mit Bob als Idee möchte ich enden, danke      Ausbildungsstätte.
     für die Aufmerksamkeit und wünsche Ih-
     nen noch einen spannenden Abend.              Moderation
                                                   Die Vorfreude wird noch ein bisschen auf
                                                   die Probe gestellt. Immer wieder gibt’s

                                                   Nutzungsschema Agora: Connecting the Urban Tech Republic

18
7. Standortkonferenz | Dokumentation

neue Termine, was die Flughafeneröffnung       Moderation
in Schönefeld angeht und damit zusam-          Nun könnte man ja sagen: „Na ja, eine Feu-
menhängend die Schließung von Tegel.           erwehr gibt’s überall. Was hat die mit Ur-
Jetzt haben wir 2017 gehört. Glauben Sie       ban Tech Republic zu tun?“
daran?

Hans Gerber
Das Glauben überlasse ich anderen Perso-
nen. Ich denke, unsere Aufgabe besteht da-
rin, dass wir stetig an dem Prozess der Ent-
wicklung des Areals mitarbeiten, dass wir
für unseren Bereich hohe Qualität errei-
chen. Natürlich braucht man ein gewisses
Maß an Frustrationsfähigkeit. Ich möchte
daran erinnern, dass wir die Schnellbesied-
lung 2012 im Plan hatten. Aber ich denke,
durch die Zeit, die wir nunmehr hatten, ha-
ben die einzelnen Planungsschritte noch
mehr Qualität erreicht. Unsere Vorfreude
ist wirklich noch gewachsen. Aber einfach
abwarten, was kommt? Nein, wir arbeiten        Harald Herweg und Prof. Hans Gerber im Gespräch mit Uwe Madel
daran mit, dass etwas kommt und dass et-
was Gutes kommt.                               Harald Herweg
                                               Das können Sie schon daran erkennen,
Moderation                                     dass Herr Gerber und ich hier nebeneinan-
Herr Herweg, wie sieht es bei Ihnen aus? In    der auf der Bühne stehen. Denn es gibt
der Feuerwehrakademie, die Sie leiten,         schon seit Jahrzehnten eine Kooperation
nehmen 7.000 Teilnehmer pro Jahr an ver-       zwischen der Beuth Hochschule – früher
schiedenen Lehrgängen teil. Wie bilden Sie     der Technischen Fachhochschule – und der
jetzt aus? Und was erhoffen Sie sich vom       Berliner Feuerwehr. Zum Beispiel im Be-
neuen Standort Tegel?                          reich Maschinenbau/Sicherheitstechnik. Es
                                               gibt einige Lehrbeauftragte an der Hoch-
Harald Herweg                                  schule, die kommen aus der Berliner Feuer-
Wir sind zurzeit an einem Standort, der        wehr. Und weil das so gut funktioniert,
uns wirklich sehr limitiert. Unser größtes     wollen wir das auch noch intensivieren. Wir
Problem ist, dass wir keine Halle haben,       arbeiten gerade an der Entwicklung eines
in der wir unsere praktische Ausbildung        dualen Studienganges.
unabhängig von der Witterung und von
der Jahreszeit durchführen können. Die         Moderation
Situation ist für uns sehr, sehr schwierig.    Herr Gerber, mal nach vorne geblickt: Wie
Deswegen ist der Standort Tegel für uns        planen Sie? Wie bereiten Sie so einen Um-
so unglaublich attraktiv und interessant.      zug vor? Wie konkret sind die Vorstellun-
Wir haben dort die Möglichkeit, uns wei-       gen?
terzuentwickeln und unseren Einsatz-
kräften eine Ausbildung zu bieten, die         Hans Gerber
sich auch auf dem Stand der Technik be-        Das waren natürlich mehrere Prozess-
wegt. Ich denke, das haben diese Leute         schritte: Zunächst haben wir uns dem Ort
auch verdient, die teilweise im wahrsten       angenähert. Ist das ein Ort, an dem wir uns
Sinne des Wortes Kopf und Kragen für           wiederfinden können? Wir haben also et-
Berlin, für die Berlinerinnen und Berliner     was entwickelt, was ich „qualifiziertes
riskieren.                                     Bauchgefühl“ nenne. Dann sind wir in die

                                                                                                                                 19
genaueren Planungen eingestiegen, haben                     Moderation
     die Erfordernisse aller Beteiligten zusam-                  Herr Herweg, auf dem Flughafen Tegel gibt
     mengetragen, Raum- und Funktionspro-                        es ja eine Flughafenfeuerwehr. Wenn Sie
     gramme entwickelt – also so eine Art Ein-                   als Akademie da sind, werden Sie dann nur
     passplanung vorgenommen. Dabei haben                        lehren oder auch als Feuerwehr im Einsatz
     wir aber nicht jedem gesagt: „Da wirst du                   sein?
     mal sitzen.“ Es ging um etwas anderes,
     zum Beispiel um die Beziehung zwischen                      Harald Herweg
     innen und außen. Wir haben ja nicht nur                     In dem Moment, in dem der Flugbetrieb in
     Innenräume, sondern auch Flächen im Au-                     Tegel endet, wird auch die Flughafenfeu-
     ßenraum, die für unsere Studiengänge ei-                    erwehr dieses Areal verlassen. Das heißt,
     gentlich überlebenswichtig sind und die die                 dass der gesamte Technologiepark und
     hohe Qualität des Standortes ausmachen.                     die Stadtteile, die sich darum befinden,
     Gerade für urbane Technologien ist der Au-                  letztlich brandschutzmäßig und auch ret-
     ßenraum sehr wichtig.                                       tungsdienstmäßig neu abgedeckt werden
                                                                 müssen. Wir werden nahtlos die Feuerwa-
                                                                 che der Flughafenfeuerwehr dort beset-
                                                                 zen, um der Bevölkerung wieder die ent-
                                                                 sprechende Sicherheit zu gewähren.
                                                                 Daran können Sie schon erkennen, dass
                                                                 wir nicht in einem akademischen Elfen-
                                                                 beinturm sitzen bei der Akademie, son-
                                                                 dern dass wir eine ganz enge Vernetzung
                                                                 zur Praxis haben.
                                                                 Und das, was Herr Gerber schilderte, haben
                                                                 wir auch schon gemacht. Wir haben auch
                                                                 eine Einpassplanung vorgenommen und
                                                                 wissen schon sehr genau, welche Teile der
                                                                 Akademie wo reinpassen in die Bestands-
                                                                 gebäude. Wir wissen auch, wo es noch et-
                                                                 was klemmt. Und was vielleicht auch in
          Die Diskussion wurde auch in den Pausen fortgesetzt.   diesem Zusammenhang interessant ist:
                                                                 Wenn wir Trainingseinrichtungen ersetzen
     Im Ergebnis dieser vielen Einzelschritte                    oder modernisieren müssen, dann bauen
     haben wir gesehen, dass die Hochschule                      wir sie schon seit Längerem so, dass wir sie
     perfekt in den alten Flughafen reinpasst.                   mobil ausführen. Wir können sie am alten
     Man könnte denken, die Ursprungsarchi-                      Standort zerlegen, einpacken, nach Tegel
     tekten haben wohl damals übersehen,                         bringen und dort wieder aufbauen. Sie se-
     dass sie eigentlich eine Hochschule ge-                     hen: Wir wollen dort sehr schnell mit dem
     plant haben, und nur aus Versehen einen                     Betrieb beginnen.
     Flughafen draus gemacht haben. Im
     Ernst: Es gab eine sehr differenzierte                      Moderation
     Auseinandersetzung mit der Frage, wie                       Schnell mit dem Betrieb beginnen – wie
     aus dem Flughafen eine Hochschule wird.                     muss man sich das konkret vorstellen?
     Die Architekten und Planer, die uns da                      Wenn ein halbes Jahr nach der Eröff-
     begleitet haben, haben wirklich gute Ide-                   nung von BER Tegel geschlossen wird,
     en gehabt. Die Attraktivität des Ortes                      wann ziehen Studierende dann ein?
     wuchs und wuchs und wir haben immer                         Wann ist die Feuerwehr vor Ort? Auf wel-
     mehr Chancen entdeckt. Diese Auseinan-                      chen Zeitraum des Leerstandes und der
     dersetzung erfüllt uns auch mit Zuver-                      Zwischennutzung müssen wir uns ein-
     sicht.                                                      stellen?

20
7. Standortkonferenz | Dokumentation

Hans Gerber                                   Kollegen in Berlin sind 2008 mit einem sehr
Die Frage stellen Sie bitte dem Abgeordne-    offenen Ansatz gestartet. Da sind viele be-
tenhaus, denn das hängt natürlich von der     teiligt worden, auch der Bund. Diese Ergeb-
Finanzierung ab. Wir als Hochschule sind      nisse wurden schrittweise zu der Konzept-
bereit. Unser ursprüngliches Ziel lautete     idee für einen Industrie- und Gewerbe-
201X. Daraus müssen wir jetzt wahrschein-     standort mit ergänzenden Wohnfunktio-
lich eine 2020 machen oder 2021.              nen und einem großen Freiraum entwi-
                                              ckelt.
Harald Herweg                                 Ich glaube, das ist eine Entwicklung, die
Was die Feuerwache betrifft, müssen wir       perfekt zu Berlin passt. Wir haben die Blau-
das sozusagen nahtlos gestalten mit einer     pause in Adlershof. Dort sieht man, dass
Schaltsekunde in der Mitte. Bei der Akade-    diese Idee trägt. Dort sitzen heute viele
mie haben wir vielleicht noch einige Wo-      Technologieunternehmen, eine ganze
chen mehr Zeit. Aber dadurch, dass wir uns    Menge Wohnungen werden gebaut, es ist
schon sehr intensiv vorbereitet haben, kön-   ein Park entstanden. Langsam entwickelt
nen wir es aus meiner Sicht auch innerhalb    sich ein richtig urbaner Stadtteil.
weniger Wochen schaffen, mit dem Akade-
miebetrieb zu beginnen.

Moderation
So wird die Feuerwehr in der Tat die
Schnellste sein ...

Harald Herweg
Das ist unser Image.

Moderation
Dann danke ich Ihnen, meine Herren, und
wünsche Ihnen viel Erfolg. Vielen Dank an
die beiden „Gründungsväter“ der Urban
Tech Republic!

Abschlussdiskussion
                                              Engelbert Lütke Daldrup, Hans Gerber und Philipp Bouteiller im Gespräch mit Uwe Madel
Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup
Dr. Philipp Bouteiller                        In Tegel ist der Akzent etwas anders, stär-
Prof. Dr.-Ing. Hans Gerber                    ker industrie- und technologieorientiert,
                                              aber das ist etwas, was Berlin dringend
Moderation                                    braucht! Und wir können darüber hinaus
Herr Prof. Lütke Daldrup, schön, dass Sie     diesen Standort mit seinen Wohnquartie-
bei uns sind. Bei der zweiten Standortkon-    ren am Rande sehr schön mit der Stadt ver-
ferenz waren Sie noch Staatssekretär im       netzen.
Bundesbauministerium. Wir sind bei der        Ich glaube, das ist hier in einem sehr guten
siebten gelandet. Sind wir mittlerweile auf   Prozess durchgebracht worden. Deshalb
einem guten Weg?                              bin ich zufrieden.

Engelbert Lütke Daldrup                       Moderation
Das würde ich natürlich qua Amt schon mal     Sie sind angetreten als Staatssekretär, um
bejahen. Ich muss ehrlich sagen, ich bin      vor allem Wohnungsbau in Berlin voranzu-
über diese Entwicklung sehr zufrieden. Die    treiben. Wie groß ist die Versuchung, noch

                                                                                                                                      21
Moderation
                                                         Philipp Bouteiller, wo sehen Sie möglicher-
                                                         weise Konfliktpunkte zwischen der Industrie
                                                         und der Wohnnutzung? Und wie kann man
                                                         die möglicherweise umgehen oder vermei-
                                                         den?

                                                         Philipp Bouteiller
                                                         Der grundsätzliche Zielkonflikt besteht im-
                                                         mer dann, wenn Industrie an Wohnen grenzt.
                                                         Das Problem dabei ist nicht so sehr der In-
                                                         dustrielärm, sondern im Wesentlichen der
                                                         Lieferverkehr. Deswegen achteten wir von
                                                         vornherein in der Planung darauf, dass das
                                                         Wohnen immer einen respektablen Ab-
                                                         stand zum Industriegebiet hat.
                              Beitrag aus dem Publikum   Diese Segregation, dieses komplette Tren-
                                                         nen zwischen Arbeiten und Wohnen ist ei-
     mal so ein bisschen nachzufragen bei Tegel          gentlich nicht modern, sondern ein Über-
     Projekt, „noch ne Wohnung mehr, noch                bleibsel des letzten Jahrhunderts – und das
     eine mehr?“ Wo ist die Grenze zwischen in-          ist keine moderne Stadtplanung. Aber das
     dustrieller Nutzung und Wohnnutzung in              Planungsrecht lässt es nicht anders zu.
     diesem Areal?                                       Hier soll kein ganz althergebrachtes, son-
                                                         dern sehr smartes und modernes Wohnen
     Engelbert Lütke Daldrup                             entstehen. Das heißt, wir haben sofort ein
     Ich glaube, Stadtentwicklung ist immer ein          Anwendungsfeld für das, was wir im ge-
     Geschäft mit Augenmaß. Wir haben hier ei-           werblich-industriellen Teil oder im wissen-
     nen klaren Profilschwerpunkt. Das sind die          schaftlichen Teil der Urban Tech Republic
     urbanen Technologien. Das ist das Industrie-        entwickeln. Wir können es gleich im Wohn-
     und Gewerbegelände. Das sind die Hoch-              gebiet zur Anwendung bringen.
     schuleinrichtungen, diese Vernetzungside-           Dieses Miteinander, dieser Austausch, die-
     en, die wir heute sehr schön kennengelernt          se Synergien, die dort entstehen, sind un-
     haben.                                              heimlich reizvoll.
     Trotzdem geht es auch darum, dass Ber-
     lin auch andere Probleme lösen muss.                Publikumsbeitrag
     Wer hat hier am Anfang an die Feuerwehr             So ganz überzeugt mich das noch nicht.
     gedacht? Genauso haben wir ein erhebli-             Insbesondere dort, wo wir nicht nur Gewer-
     ches Wohnungsmarktproblem und es                    beflächen, sondern auch Industrieflächen
     gibt Bereiche, die wir vernünftig mit               und produzierendes Gewerbe haben, krie-
     Wohnungsbau am Rand entwickeln kön-                 gen wir immer ein Problem mit dem Thema
     nen und die dann eine Bereicherung für              „Lieferverkehr“. Unter uns gesagt, ich teile
     die urbanen Technologien und das Quar-              Ihren Optimismus nicht, dass das dort so
     tier darstellen.                                    konfliktfrei abgehen wird.
     Ein Wohnquartier kann uns auch dabei hel-           Und: 5.500 Wohnungen sind eine ganze
     fen, die neuen Technologien konkret vor             Menge. Ich habe die Sorge, dass wir der Er-
     Ort zu zeigen. Insofern gibt es eine ganz           satzstandort für Tempelhof werden. Das
     schöne Synergie zwischen der technologi-            betroffene Quartier in Reinickendorf ist
     schen Komponente und einem smarten,                 nicht gerade als sozial stark bekannt. Inso-
     einem interessanten Wohnquartier, wo                fern muss man aufpassen, ob das dort so
     neue Technologien auch vor Ort gezeigt              stadtverträglich ist, wenn dort ein High-
     werden können.                                      tech-Wohnquartier entsteht.

22
7. Standortkonferenz | Dokumentation

Engelbert Lütke Daldrup                          schaftliche herauszuhören, dass es also
Berlin braucht dringend Wohnungen und            nicht nur um technische Trends und Inno-
Berlin braucht auch zusätzlichen Woh-            vationen geht, sondern auch um gesell-
nungsbau in Reinickendorf. Ich weiß, dass        schaftliche Innovationen. Es soll in dem
Reinickendorf bisher nicht sehr viel reali-      Tech-Part ein bisschen Wohnen stattfin-
sieren konnte. Das liegt daran, dass wir ei-     den, vielleicht auch für Studenten, sodass
nen Flughafen haben, der große Teile, die        es abends keine tote Stadt ist oder eine rei-
in Reinickendorf entwicklungsfähig wären,        ne Bürostadt wird.
extrem belastet. Mit der Schließung wird         Wie wäre es denn, nicht nur mit den alten
sich die Situation völlig ändern. Das ist eine   Stadtplanungsvorstellungen an dieses Pro-
große Chance gerade für die Quartiere, die       jekt ranzugehen und dort vielleicht tat-
Probleme haben. Wir werden sehr sorgfäl-         sächlich mal was zu mischen, was früher
tig darüber nachdenken müssen, wie wir           entmischt werden sollte?
das neue Wohnen und das, was im Umfeld
vorhanden ist, so aufeinander beziehen,          Moderation
dass es gut zusammenpasst.                       Das ist eine spannende Frage. Dieses Al-
Die zweite Frage ist: Wie ist eigentlich die     leinstellungsmerkmal, große Flächen zu
Beeinträchtigung von Wohnen und ge-              haben, Abstand zu haben, wie kann man
werblicher Entwicklung?                          das mit dem Bedürfnis nach Wohnraum,
Da macht mir das neue Quartier, das als          nach Nähe, nach Menschen, die da auch le-
Olympisches Dorf im Gespräch ist, eigent-        ben, zusammenbringen?
lich gar keine Sorge. Wir haben klar gesagt,
die Urban Tech Republic mit dem verabre-
deten gewerblichen Konzept ist der Eck-
pfeiler, den wir gesetzt haben – auch durch
Senatsbeschluss. Und das Wohnen ergänzt
diesen Eckpfeiler. Wir werden nichts tun,
was diese Kernentwicklung beeinträchti-
gen wird!

Moderation
Wie kann man einen Kommunikationspro-
zess so gestalten, dass die große Vision
Urban Tech Republic weiterlebt, trotz der
Debatte ums Wohnen?

Hans Gerber
Die zentrale Frage für uns war: Wie beleben      Die Peter-Behrens-Halle blieb bis zum Schluss gut gefüllt.
wir das Areal? So wie wir das auch von
Herrn Bormann gesehen haben, fragen wir          Philipp Bouteiller
uns immer: Was ist abends los? Wo sind die       Urbanität ist in solchen Gebieten immer ein
Menschen? Wo ist die Interaktion, dass ich       kritisches Thema. In Tegel wird es Sonder-
nicht durchs Niemandsland nach Hause             nutzungsformen geben. Das heißt, ein
fahre? Dies kann durch einen attraktiven         bisschen studentisches Wohnen und Ähnli-
Wohnstandort erreicht werden. Es ist eine        ches kann man sich vorstellen. Aber es ist
Chance, auch für die gesamte Erschließung        kein reguläres Wohnen. Es ist nicht die
des Areals.                                      Wohnbebauung, die Sie sonst kennen. Das
                                                 Wohnen bietet die riesige Chance, dass
Publikumsbeitrag                                 eben nicht um 18 Uhr die Bürgersteige
Ich glaube, aus dem Begriff „Republic“ tat-      hochgeklappt werden, sondern dass man
sächlich auch ein bisschen das Gesell-           dort auch Formen von Gastronomie oder

                                                                                                                                       23
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