MÜNCHNERUNI MAGAZIN - WIE GRÜN IST DIE LMU? NACHHALTIGKEIT AUF DEM CAMPUS - LMU ON ITUNES U
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nr . 3 • 2 0 1 2 MünchnerUni Magazin zeitschrift der ludwig - maximilians - universit ä t münchen E x zelle nz ini t i at ive Nachhaltigkeit auf dem Campus SENSATIO- NELLER ERFOLG Wie Grün ist die LMU? DER LMU
grün gelb pink blau der lmu-shop im »schweinchenbau« Öffnungszeiten im Semester: leopoldstrasse 13 Montag bis Freitag 10 – 16 Uhr Öffnungszeiten in der vorlesungsfreien Zeit: 80802 münchen Dienstag und Donnestag 10 – 16 Uhr www.lmu-shop.de
E di t o ri a l 1 N R. 3 • 2 0 1 2 1 Die Einganstür des Instituts EDITORIAL für Romanische Philologie in der Ludwigstraße 25. Sensationell ist der Erfolg der LMU in der Exzellenzinitiative: Die Universität war mit allen neun Anträgen erfolgreich. Erstklassig ist auch das Projekt „Ökoprofit“. Mit diesem verbindet die LMU Öko- nomie und Ökologie, sodass die Umweltbilanz genauso grün ist wie ihr Logo. Fast einmalig ist die neue Universitätssternwarte auf dem Wen- delstein. Diese erleichtert die Beobachtungen von Galaxien oder Schwarzen Löchern und stärkt nochmals die Spitzenastronomie in München. Ebenfalls einzigartig ist artigo.de. Auf der Webseite machen sich Professoren der LMU das Phänomen „Crowdsourcing“ zunutze und lassen Internetuser in einem Onlinespiel Kunstwerke verschlagworten. Ausgezeichnet ist Max von Laue – und das sogar mit dem Nobel- preis. Dem Physiker gelang vor 100 Jahren an der LMU ein Expe- riment, ohne dessen Erfolg es viele Forschungsgebiete heute nicht geben würde. Prämiert mit dem Preis für gute Lehre wurde außer- dem Andreas Brachmann. Der Biologe verwandelt sich in seinen Vorlesungen in eine Art Günther Jauch bei „Wer wird Millionär?“ und probiert es mit Interaktion statt Frontalunterricht. Vorbildlich sind die Kurse der Bayerischen Akademie des Schrei- bens für ein besseres Literaturverständnis. Beim letzten Mal erklärte dort Bestsellerautor Georg M. Oswald die Gemeinsamkeiten von Schriftstellern und Archäologen. Ein Beispiel nehmen kann man sich zudem an Rugbyspieler und LMU-Student Felix Hintermayer, der trotz eines Kieferbruchs mit dem Studentenstadt Rugby Club in die zweite Liga aufgestiegen ist. Grandios ist die Grande Dame des Liberalismus – Hildegard Hamm- Brücher. Im Exklusivinterview erzählt die 91-Jährige von ihrem Studentenleben an der LMU, von den Geschwistern Scholl, den Studienbedingungen im Krieg, der aktuellen Hochschulpolitik und ihren Gedanken zum 25. Jubiläum der Weißen Rose Stiftung. Viel Spaß beim Lesen, Ihre MUM-Redaktion
Zur Sache Z ur S a c h e Lehre@LMU: Der Qualitätspakt in der Lehre 2 N R. 3 • 2 0 1 2 Ende vergangenen Jahres konnte die LMU rund 23 Nicht nur für Tutorinnen und Tutoren, sondern Millionen Euro im Rahmen des „Bund-Länder-Pro- auch für die Lehrenden – vom wissenschaftlichen gramms für bessere Studienbedingungen und mehr Mitarbeiter bis zum Professor – wird es Angebote Qualität in der Lehre“ einwerben. Mit diesen Mitteln zur fachdidaktischen und allgemeinen Weiterqua- wird jetzt das Programm Lehre@LMU umgesetzt, lifizierung geben; Ziel ist auch hier, die Qualität das an verschiedenen Punkten ansetzt, um die bereits bei der Vermittlung von Lehrinhalten zu verbes- qualitativ hochwertige Lehre an der LMU weiter zu sern. Entsprechend wird das bisherige Angebot verbessern. Die ersten Projekte von Lehre@lmu sind zur hochschuldidaktischen Qualifikation für wis- bereits gestartet, weitere werden in Kürze folgen. senschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter weiter ausgebaut und mithilfe der Virtuellen Kernziel von Lehre@LMU ist, den Studierenden Hochschule um eLearning-Elemente ergänzt. 1 Professor Martin Wirsing, Vize- ein wissenschaftlich fundiertes Urteilsvermögen präsident für den Bereich Studium, auf der Basis exzellenter Forschung zu vermitteln Zur Verbesserung der Chancengleichheit aller stellt das Programm Lehre@LMU und Problemlösungsfähigkeit sowie Handlungs- Studierenden soll die Betreuung besonders in den vor, das jetzt angelaufen ist und kompetenz durch die Integration von Praxisbezug kritischen Übergangsphasen von der Schule in die helfen wird, die bereits qualitativ zu fördern. Dies betrifft besonders die Lehrquali- Hochschule, vom grundständigen zum weiterfüh- hochwertige Lehre an der LMU tät in den vier zentralen Bereichen „Lehrinhalte“, renden Studiengang und von der Hochschule in weiter zu verbessern. „Vermittlung der Lehrinhalte“, „Betreuung der den Beruf intensiviert werden. Dazu werden die Studierenden“ und „Qualitätsmanagement“. bestehenden Mentoring-Programme ausgebaut, zusätzliche Beratungsangebote eingerichtet und Ausbau der Forschungs- und ein Weiterbildungsprogramm für Studiengangko- Praxisorientierung ordinatoren und Fachstudienberater geschaffen. Bei den Lehrinhalten geht es um die systematische Einbeziehung von Forschungs- und Praxisorien- Das Projekt Lehre@LMU bietet viele strukturelle tierung. So werden etwa studentische Forschungs- Verbesserungen und Anreize, um die hohe Qua- projekte gefördert, aber auch Lehrformate, die lität der Lehre an der LMU und die Verbindung Studierende frühzeitig sowohl an die konkrete von Lehre und Forschung noch weiter zu stärken. Forschung heranführen, als auch den nötigen Gerade der LMU als forschungsstarker Spitzenuni- Praxisbezug vermitteln können. versität ist dies ein wichtiges Anliegen und zeigt, wie die Studierenden direkt auch von den Erfolgen Überdies werden zusätzliche Tutorinnen und Tuto- in der Exzellenzinitiative profitieren können. ren eingestellt und durch didaktische Schulungen gezielt auf ihre Lehraufgaben vorbereitet und wei- terqualifiziert. So kann die Qualität von Lehrver- anstaltungen nicht nur gesichert, sondern weiter deutlich gesteigert werden. Der jährlich ausge- lobte LMU Lehrinnovationspreis für die besten Lehrkonzepte sowie der LMU Forscherpreis, der herausragende Studierende für die besten studen- Professor Dr. Martin Wirsing tischen Forschungsprojekte auszeichnet, dienen Vizepräsident der dabei als zusätzlicher Anreiz. Ludwig-Maximilians-Universität
6 MUM NR. 3 · 2012 ■ news 4 meldungen ■ titel 6 Wie grün ist die LMU? Nachhaltigkeit auf dem Campus ■ essay 10 Europas Forschungsuniversitäten schaffen Wirtschaftswachstum ■ profile 12 Leidenschaft, die Leiden schafft Sport ist ihr Hobby: Rugbyspieler Felix Hintermayer Wie grün ist die LMU? Inhalt Nachhaltigkeit auf dem Campus 14 Feldforschung 2.0 Online-Spiele: Kunsthistoriker im digitalen Zeitalter 16 Verbeugung vor einem groSSen Wissenschaftler 3 Vor 100 Jahren an der lmu: MAX von laue auf N R. 3 • 2 0 1 2 Nobelpreiskurs 18 Der Schreiberlehrling Schreibakademie für junge Schriftsteller 20 Variante von Amerikas 22 „Geburtsurkunde“ in der UB Berühmtes Kartenwerk entdeckt 22 Wendelstein meets WestTexas Einweihung des neuen Teleskops des LMU-Observatoriums Einweihung des neuen Teleskops des 24 „Das Ergebnis einer sehr LMU-Observatoriums konsequenten Arbeit“ Wendelstein meets Präsident Professor Huber zum Erfolg WestTexas der LMU im Exzellenz-Wettbewerb 24 26 Die Gewinner: Graduiertenschulen und Exzellenzcluster an der LMU 30 SPoC – übernehmen Sie! Campus-Helpdesk der LMU Präsident Professor Huber 32 Klickern statt Kleckern zum Erfolg der LMU Interaktion statt Frontalunterricht im Exzellenz-Wettbewerb „Das Ergebnis einer sehr ■ Alumni konsequenten Arbeit“ 34 „Freiheit ist etwas Kostbares“ Hildegard Hamm-Brücher 34 ■ menschen 37 neuberufen 43 preise & ehrungen 46 Verstorben ■ service 47 tipps & termine Hildegard Hamm-Brücher „Freiheit ist etwas ■ impressum Kostbares“
News mentellen Colitis“ und Friedrich für seine Arbeit zu „Veränderungen der zerebralen Mikrozirku- lation nach experimenteller Subarachnoidalblu- tung bei der Maus“. „München wird moderner. Stadt und Atmosphäre in den langen 1960er Jahren“ ist die prämierte Dissertation von Dr. Simone Egger vom Institut für News Volkskunde/Europäische Ethnologie. Dr. Florian Grosser von der Fakultät für Philosophie, Wissen- schaftstheorie und Religionswissenschaft erhielt einen Promotionsförderpreis für seine Doktor 4 arbeit über „Revolution Denken. Heidegger und das Politische 1919 bis 1969“ und ein weiterer N R. 3 • 2 0 1 2 Preis ging an Dr. Ralph Alexander Schönrich von der Fakultät für Physik für seine Dissertation mit dem Titel „Struktur, Kinematik und Chemie der Milchstraße“. Mit Habilitationspreisen wurden PD Dr. Sandra 1 Die Promotions- und Habilitationsförderpreisträger Hake vom Adolf-Butenandt-Institut, Medizini- mit LMU-Präsident Professor Bernd Huber (2. von rechts) sche Fakultät, sowie PD Dr. Michael Zehetleitner und dem Vorsitzenden der Universitätsgesellschaft, vom Department Psychologie ausgezeichnet. Ha- Dr. Wolfgang Strassl (4. von rechts), auf dem Stiftungs- ke erhielt die Auszeichnung für ihre Arbeit über fest der LMU. „Identifizierung und Charakterisierung von posttranslationalen Histonmodifizierungen und Histonvarianten“ und Zehetleitner für seine 540. Stiftungsfest an der LMU Schrift über „Salienz: Aufmerksamkeit im Span- Am 29. Juni feierte die LMU ihr 540. Stiftungs- nungsfeld zwischen Einflüssen der Umwelt und fest. Den Festvortrag hielt die Präsidentin des des Organismus“. Deutschen Akademischen Austausch Dienstes, Professor Margret Wintermantel, zum Thema Im Rahmen des Stiftungsfestes wurde zudem wie- „Perspektiven der Internationalisierung deutscher der der mit 20.000 Euro dotierte Georg Heberer Hochschulen“. Award 2012 der Chiles Foundation in Portland/ Oregon vergeben: Er ging an Dr. Hanno Nieß von Das Stiftungsfest soll den Gästen der Universität der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Medi- auch einen Einblick in das breite Spektrum ihrer zinischen Fakultät. Nieß erhielt die Auszeichnung Forschung geben. Dabei steht alljährlich insbe- für seine Arbeit zum Thema „Selective targeting sondere die Nachwuchsförderung im Mittelpunkt. of genetically engineered mesenchymal stem Einige herausragende Promotionen und Habilitati- cells to tumor stroma microenvironments using onen wurden daher mit dem Förderpreis der Mün- tissue-specific suicide gene expression suppres- chener Universitätsgesellschaft ausgezeichnet. Zu- ses growth of hepatocellular carcinoma”. dem wurde im Rahmen des Stiftungsfestes der mit 25.000 US-Dollar dotierte Georg Heberer-Award Der Assistenzarzt und Nachwuchswissenschaftler der Chiles Foundation Portland/Oregon verliehen. erhielt die Auszeichnung für einen innovativen Ansatz bei Leberkrebs, den er im Rahmen seiner Promotionsförderpreise gingen an Dr. Philipp Dissertation entwickelte: Genetisch veränderte Redeker von der Juristischen Fakultät für seine Stammzellen sollen hier die Tumorzellen hoch- Arbeit „Der Eigenschaftsbegriff beim Kauf“, an spezifisch in den Suizid treiben. ■ cg /suwe Dr. Peter Georg Düwell sowie an Dr. Benjamin Pas- quale Friedrich, beide Medizinische Fakultät der LMU. Düwell erhielt den Preis für seine Disser- tation „Die Rolle des NLRP3-Inflammosoms in der Pathogenese entzündlicher Erkrankungen am Beispiel von Atherosklerose und der experi-
News Neue Sonderforschungsbereiche an der LMU Der SFB 1032 „Nanoagenzien für raumzeitliche Kontrolle mole- Die LMU ist an vier von der Deutschen Forschungsgemeinschaft kularer und zellulärer Reaktionen“ zielt auf das Design syntheti- (DFG) neu eingerichteten Sonderforschungsbereichen (SFB) betei- scher Konstrukte, sogenannter „Nanoagenzien“, ab, die molekula- ligt. Für zwei dieser SFB ist die LMU zudem Sprecherhochschule: re und zelluläre Reaktionen kontrollieren können. Ausgehend von So für den transregionalen SFB 127 „Biologie der xenogenen Zell- kleinsten Bausteinen, etwa DNA, Proteine und biologische Mem- und Organtransplantation“ sowie für den SFB 1032 „Nanoagenzien branen, sollen artifizielle Nanostrukturen geschaffen werden, die für raumzeitliche Kontrolle molekularer und zellulärer Reaktionen“. synthetische Reaktionsnetzwerke oder rekonstituierte Netzwerke in synthetischen Umgebungen regulieren können. n ews Der SFB/Transregio 127 „Biologie der xenogenen Zell- und Organ- transplantation“ hat sich zum Ziel gesetzt, neue transgene Schwei- Neben der LMU als Sprecherhochschule mit mehreren beteiligten nelinien zu entwickeln, deren Gewebe weniger Abstoßungsreakti- Instituten gehören dem neuen SFB unter anderem auch die TU Mün- onen bei sogenannten Xenotransplantationen – der Verpflanzung chen sowie das Max Planck-Institut für Biochemie an. Koordinator von Organen und Gewebe tierischen Ursprungs – hervorruft. Dieses des SFB ist Professor Joachim Rädler von der Fakultät für Physik. 5 Gewebe soll dann sowohl in präklinischen als auch in klinischen N R. 3 • 2 0 1 2 Studien untersucht werden – ein besonderer Schwerpunkt liegt da- Des Weiteren ist die LMU an dem an der Universität Mainz angesie- bei auf der Xenotransplantation von Inselzellen bei Typ-1-Diabetes. delten SFB / TR 128 „Initiierungs-, Effektor- und Regulationsmecha- nismen bei Multipler Sklerose“ sowie an dem SFB 1035 „Kontrolle Neben der LMU als Sprecheruniversität sind an dem neuen SFB/ der Proteinfunktion durch konformationelles Schalten“ an der TU Transregio unter anderem die TU München, die Medizinische Hoch- München beteiligt. ■ suwe schule Hannover und das Robert-Koch-Institut beteiligt. Koordinator des SFB ist Professor Bruno Reichart vom Klinikum der Universität München. Ich bin bereit, die Münchener Universitätsgesellschaft in der Förderung von Forschung und Lehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München zu unterstützen: Gesellschaft von Freunden und Förderern der Universität München e.V. 1. Ich spende einen einmaligen Betrag von € .................................................................. 2. Ich erkläre meinen Beitritt zur Münchener Universitätsgesellschaft Kennen Sie schon die Münchener Universitätsgesellschaft? mit einem Jahresbeitrag von € ......................................................................................... 1922 gegründet, sind wir nicht nur eine der ältesten Fördergesellschaften Deutschlands, sondern auch eine der größten. Mindestbeiträge: Einzelpersonen € 40,- Schnelle und wirkungsvolle Förderung von Forschung und Lehre an der Ludwig- Studenten € 20,- Maximilians-Universität – das ist unser Engagement. Juristische Personen, Firmen und Personenvereinigungen € 100,- Helfen Sie mit! Werden Sie Mitglied oder helfen Sie mit einer Spende. Jeder Euro kommt voll und ganz der Forschung und Ausbildung an der Universität zugute. Name: ...................................................................................................................................................... Der Mitgliedsbeitrag ist steuerlich genauso absetzbar wie jede Spende. Ein höherer Betrag als der Mindestbeitrag ist uns natürlich sehr willkommen. Vorname: ................................................................................................................................................. Als Mitglied erhalten Sie: Straße: ..................................................................................................................................................... • einen Bildband über die Geschichte der LMU München • die Forschungszeitschrift EINSICHTEN PLZ/Ort: ................................................................................................................................................... • den Jahresbericht unserer Gesellschaft • die Möglichkeit zur Teilnahme an Veranstaltungen der E-Mail: ..................................................................................................................................................... LMU und der Universitätsgesellschaft Datum: ................................................. Unterschrift: .......................................................................... Münchener Universitätsgesellschaft e.V. Königinstr. 107, 80802 München Münchener Universitätsgesellschaft e. V. • Königinstr. 107 • 80802 München Tel.: (089) 38 91-55 66 • Fax: (089) 38 91- 45 66 Bankverbindung: HypoVereinsbank München (BLZ 700 202 70) Kto. 580 400 26 36 E-Mail: info@unigesellschaft.de • www.unigesellschaft.de Postbank München (BLZ 700 100 80) Kto. 416 00 808
Nachhaltigkeit auf dem Campus t h em a Wie grün ist die LMU? 6 N R. 3 • 2 0 1 2 2012 ist das Jahr der Nachhaltigkeit. Grund ge- weiteren Kollegen aus Betriebstechnik und Haus- nug, das Thema Umweltschutz und Nachhaltig- verwaltung. Begonnen hat man 2003 und 2004 mit keit an der LMU näher zu betrachten und der dem sogenannten Stammgelände – dem Hauptge- Frage nachzugehen: Ist die LMU so grün, wie bäude am Geschwister-Scholl-Platz und den Neu- ihr Logo das vermuten lässt? bauten der unmittelbaren Umgebung in der Ama- lienstraße, Ludwigstraße und Schellingstraße. Die Zeiten sind vorbei, in denen das Wort Umwelt- Allein in diesen Gebäuden spart die LMU durch schutz gleichbedeutend war mit Kostentreiber und Maßnahmen vom Einsatz von Energiesparlampen wirtschaftlichen Nachteilen. Nach und nach ist bis hin zur Einführung von neuen Mülltrennungs- diese Vorstellung der Erkenntnis gewichen, dass systemen etwa 55.000 Euro im Jahr. Bis heute sich Ökonomie und Ökologie verbinden lassen und hochgerechnet ergibt das eine Ersparnis von rund sich Umweltschutzmaßnahmen finanziell auszah- einer halben Million Euro. Langfristig amortisie- len. Wer diese Annahme immer noch als Floskel ren sich somit die Investitionskosten der Umwelt- von Umweltschützern ansieht, kann einen Blick schutzmaßnahmen. Noch mehr als der Geldbeutel auf die LMU werfen: Seit 2003 beteiligt sich die des Steuerzahlers profitiert durch einfache Maß- LMU am Umweltschutzprojekt Ökoprofit der Stadt nahmen die Umwelt: Allein die Stromsparmaßnah- München. Ökoprofit ist eine Abkürzung für „ÖKO- men führen dazu, dass auf dem Stammgelände logisches PROjekt für Integrierte Umwelt-Tech- im Jahr 450.000 Kilowattstunden weniger Strom nik“. Schon der Name steht für die Idee dahinter: verbraucht werden. Das ist so viel wie der Jahres- Umweltschutz spart bares Geld. „Heute sparen wir verbrauch von 130 Durchschnittshaushalten. Die durch Maßnahmen im Rahmen der Umweltschutz- neuen Abfalltrennsysteme schonen ebenfalls die projekte mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr. Umwelt – durch die Einsparung einer Menge von Das reduziert immerhin die vorhandene staatliche 15 großen Müllcontainern weniger Abfall. Beson- Unterfinanzierung im Bereich der Betriebskosten“, ders effektiv sind die Maßnahmen im Hinblick auf sagt Vizepräsident Dr. Christoph Mülke. „Außeror- die wichtigste Ressource des neuen Jahrtausends: dentlich wertvoll ist darüber hinaus das gestiegene Wasser. Versickerungen auf den Dächern, die das Umweltbewusstsein an der LMU.“ Regenwasser ins Grundwasser versickern lassen, und andere Maßnahmen führen zu 40.000 Kubik- 15 Müllcontainer weniger Abfall meter weniger Abwasser – das sind 16 olympische Ein Mitarbeiter im Referat Sicherheitswesen/Um- Schwimmbecken. Zudem wird durch den Einbau weltschutz der LMU kümmert sich darum, dass die von Spülkästen mit Stopptaste und andere Wasser- LMU jedes Jahr mit einem Gebäude an dem Pro- sparmaßnahmen jährlich ein halbes Schwimmbe- jekt teilnimmt. Unterstützt wird er dabei von drei cken an Wasser eingespart.
t h em a 7 N R. 3 • 2 0 1 2 Seitdem das Stammgelände rund um das Hauptgebäude umwelt- Am Ende des Projektes stand ein beachtliches Ergebnis: Das HoEff- freundlicher gestaltet wurde, folgte jedes Jahr ein weiteres Gebäude, Team hat es geschafft, eine Raumklassentypologie mit 15 Klassen unter anderem in der Theresienstraße, Luisenstraße und Richard- zu entwickeln, unter die über 80 Prozent der Gesamtfläche der LMU Wagner-Straße. Das Gebäude mit dem bislang größten finanziellen fallen. Zum Beispiel bilden Räume wie Labore, Büros, Lager, Biblio- Nutzen ist das Gebäude in der Oettingenstraße, in dem Institute aus theken oder EDV-Räume eigene Klassen. Auf Basis dieser Typologie fünf Fakultäten zu Hause sind. Wo vorher durch veraltete Lüftungs- lassen sich nun Aussagen treffen, wie viel die Energie für einen anlagen die Luft nach draußen geblasen und im Winter neue kalte Quadratmeter in der Bibliothek im Vergleich zu einem Quadratme- Luft angesaugt wurde, helfen heute Wärmerückgewinnungssysteme ter im Labor pro Jahr kostet. Die Labore – insgesamt drei Klassen in den raumlufttechnischen Anlagen zusammen mit anderen Um- in der Typologie – haben mit über einem Drittel den größten Anteil weltschutzmaßnahmen, jährlich etwa 112.000 Euro einzusparen. an den Energiejahreskosten. Während ein Bibliotheksquadratmeter Alle bisherigen Einsparungen im Rahmen von Ökoprofit ergeben unter 30 Euro Jahres-Energiekosten aufweist, sind es bei Laboren unterm Strich eine beachtliche Summe von rund 300.000 Euro pro je nach Klasse bis zu 120 Euro pro Quadratmeter. Das Team hat Jahr. Ökoprofit ist also für die LMU weit mehr als eine prestige- mithilfe dieser Typologie Steckbriefe für die Gebäude der LMU trächtige Auszeichnung. Es lohnt sich auch finanziell – und schont erstellt, die zeigen, in welche Klassen die Gebäude zu welchem dabei die Umwelt. Anteil unterteilt sind. Mit diesen Steckbriefen kann zukünftig der tatsächliche Energieverbrauch der Gebäude mit einem Soll- bzw. Steckbriefe zur Energieeffizienz Optimalwert verglichen werden. „Folgen wird dann noch eine Art „An einer großen Universität wie der LMU ist es schwierig, die Ener- ‚Ampelanzeiger‘, der uns sagt, wo die Gebäude im Hinblick auf die gieeffizienz zu bewerten. Das liegt an der Vielzahl und Unterschied- bauliche und technische Energieeffizienz liegen“, sagt Häufle. Auf lichkeit der Gebäude sowie dem Fehlen von Vergleichswerten“, weiß diese Weise ermöglicht HoEff zukünftig energiespezifische Verglei- Ursula Häufle, Leiterin des Dezernats Technik und Sicherheitswesen. che von Gebäuden der LMU und Gebäudekomplexen von anderen Aus diesem Grund initiierte die Diplom-Ingenieurin das Projekt HoEff Universitäten und legt somit den Grundstein für die Beurteilung von – Energieeffiziente Hochschule. HoEff ist ein vom Bundesministeri- Verbesserungsmöglichkeiten – anders gesagt: Die LMU kann noch um für Wirtschaft und Technologie gefördertes Kooperationsprojekt, grüner werden. ■ ski unter anderem mit der Hochschule München. Die Idee zu HoEff kam Häufle auf einem Workshop zum Energiepass. „Der Energiepass ist für Universitäten nicht sinnvoll, weil es keine geeigneten Vergleichs- werte gibt. Auch die Berechnungen nach DIN waren nicht praxis- nah.“ Vorhandene Bewertungsmethoden für Gebäudekomplexe sind also entweder sehr kompliziert oder besitzen nicht die gewünschte Aussagekraft. Das Ziel von HoEff war deshalb, verschiedenartige Weitere Informationen zu Ökoprofit sowie zu den Umweltleitlinien Gebäude – wie sie an Universitäten zu finden sind – einfacher und und den Energiespartipps der LMU unter www.uni-muenchen.de/ schneller bewertbar zu machen und damit auch vergleichbar. oekoprofit
interview mit Ursula Häufle „100 Prozent aus t h em a regenerativer Energie“ 8 N R. 3 • 2 0 1 2 Ursula Häufle ist Leiterin des Dezernats für Technik und Sicher- MUM: Woher kommt dieser „Strom aus der Steckdose“? heitswesen und damit Initiatorin vieler Umweltmaßnahmen. Zu- Häufle: Seit vergangenem Jahr bezieht die LMU ihren Strom von den sammen mit ihrem Team arbeitet die Diplom-Ingenieurin stetig Stadtwerken München zu 100 Prozent aus regenerativer Energie. daran, das Thema Nachhaltigkeit an der Universität zu platzieren Ausschreibungsbestandteil war, dass die gesamte gelieferte Ener- und in das Bewusstsein der Menschen zu bringen. Sie behält den gie aus „erneuerbaren Energien“ erzeugt werden muss. Der Begriff Überblick über den Energieverbrauch an einer Universität, an Erneuerbare Energien bezieht sich dabei auf ein Gesetz und schließt der kein Gebäude dem anderen gleicht. Wasserkraft, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie, Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Deponiegas und Klär- MUM: Frau Häufle, wie viel Strom verbraucht so eine große gas sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Institution wie die LMU? Haushalten und Industrie mit ein. In den letzten Jahren kamen Stück Häufle: Die LMU verbraucht in etwa so viel Strom wie die 18.000 für Stück mehr Anteile an erneuerbaren Energien hinzu, jetzt sind Einwohner von Bad Reichenhall – rund 60 Gigawattstunden pro Jahr. es 100 Prozent. Dafür werden pro Jahr über neun Millionen Euro ausgegeben. MUM: Ist Strom aus erneuerbaren Energien wirtschaftlich? MUM: Das klingt nach sehr viel Geld: Ist das vergleichsweise Häufle: Der Strom aus erneuerbaren Energien wird so lange nicht viel? teurer, so lang die Energieanbieter genug Strom aus ihrem Mix zur Häufle: Wir stehen unter den Universitäten ganz gut da, trotzdem Verfügung haben, der aus erneuerbaren Energien stammt. Ich wür- ist eine Menge Einsparpotenzial vorhanden. Techniker brauchen ja de nicht behaupten, dass wir jetzt den günstigsten Strom beziehen, immer Zahlen, um etwas abschätzen und bewerten zu können. 2004 den man bekommen könnte. Aber ich glaube an das Prinzip „Leben habe ich zum ersten Mal die Entwicklung der Energiekosten seit und leben lassen“. Ich möchte nicht an den Punkt kommen, mit 1997 grafisch aufbereitet. Seitdem haben sich die Gesamtstromkos- Strombrokern zusammenzuarbeiten, die das Allerletzte aus Anbie- ten wegen der Strompreiserhöhung trotz Projekten wie Ökoprofit tern herausquetschen – denn gerade als große Institution ist man da- verdoppelt. Da mehr Gebäude und Flächen dazu gekommen sind, rauf angewiesen, gut mit dem Stromanbieter zusammenzuarbeiten. ist auch der Verbrauch insgesamt gestiegen. Um zukünftig den Der billigste Anbieter ist langfristig oft nicht der wirtschaftlichste. Verbrauch im Einzelnen messen zu können, bauen wir gerade die Wir haben uns daher an der zentralen Ausschreibung für bayerische notwendige Zählerstruktur auf. Früher war es so, dass der Strom ein- Liegenschaften beteiligt. fach aus der Steckdose kam und die Wärme vom Heizkörper – man dachte nicht weiter darüber nach, wer wie viel verbraucht. Mit der neuen Zählerstruktur können wir immerhin sagen, welches Gebäude wie viel an Strom und Heizenergie verbraucht.
t h em a 9 N R. 3 • 2 0 1 2 MUM: Mit Ökoprofit und HoEff wurde in den letzten Jahren einiges an der LMU getan. Gibt es noch weitere Projekte und Maßnahmen? Energiespartipps Häufle: Ökoprofit ist nicht das Einzige, was die LMU dafür tut, eine nachhaltige und energieeffiziente Hochschule zu sein. Wobei man Drei Tipps zur Beleuchtung nicht mit allen Maßnahmen „hausieren“ gehen muss. Ein zukunfts- trächtiges Modell ist zum Beispiel Energiecontracting. Das heißt, Tageslicht nutzen: Steht ihr Schreibtisch richtig? Die Tages- dass ein Investor die Maßnahme durchführt und die Einsparungen lichtzone reicht vom Fenster aus vier Meter tief in einen Raum. der Maßnahmen zunächst zur Finanzierung des Investors herge- Seitenlicht ohne Spiegelung am Bildschirm ist dabei optimal für nommen werden. Also kostet es die LMU kein zusätzliches Geld. die Augen. Als Beispiel: die Investitionskosten in Höhe von 320.000 Euro in der Richard-Wagner-Straße werden vom Investor getragen, die Ein- Licht ausschalten: In Räumen, die länger als zehn Minuten nicht sparung liegt dadurch bei 38 Prozent pro Jahr. Vom eingesparten benutzt werden, kann die Beleuchtung ausgeschaltet werden. Betrag bekommt die LMU nur zehn Prozent und der Investor 90 Häufiges Ein- und Ausschalten schadet den Leuchtstoffröhren Prozent. Nach sieben Jahren ist dann die Maßnahme abfinanziert nicht mehr. Energetisch und wirtschaftlich lohnt es sich, bis zu und die Einsparung liegt von da an vollständig bei der Uni. Rein 65-mal am Tag den Lichtschalter zu bedienen. theoretisch könnte man jetzt sagen, man nimmt das Geld anfangs selbst in die Hand, aber wenn das Geld nicht da ist, muss man eben Energiesparlampen verwenden: Ist in Ihren Räumen noch eine andere Wege finden. Außerdem kommt durch die Spezialisierung Glühlampe im Einsatz? Fragen Sie Ihren Hausmeister – er kann solcher Investoren viel Know-how an die LMU. sie ersetzen. Eine 20 Watt-Energiesparlampe kann eine 100 Watt-Glühlampe ersetzen. Eine einzige Lampe spart im Laufe MUM: Das ist ein spannendes Projekt. Was wäre denn aus Ihrer ihres Lebens 100 Euro Stromkosten. Sicht für die Zukunft wünschenswert? Häufle: Wünschenswert wäre es, die zukünftig ermittelten Werte Energiespartipps für den PC pro Gebäude auch öffentlich zu machen – so könnte man sagen: Ihr habt den oder den Verbrauch – wenn man den Idealwert ansetzen Grundsätzlich: Geräte abends und am Wochenende ausschal- würde, wäre der Verbrauch so und so. Auf diese Weise könnten ten. Vorsicht ist bei Stand-by-Schaltern geboten: Viel Energie die Gebäudenutzer sehen, wo man zum Durchschnitt der Uni steht wird im Stand-by verpufft – das können bis zu zehn Prozent des und was verbessert werden kann. Langfristig würde sinnvoll sein, Normalbetriebs sein. Also: ganz abschalten! dass man für die Kosten-Leistungs-Rechnung die Kosten ermittelt. In der Tat müsste Energiebewusstsein noch deutlich stärker belohnt Schalten Sie den Monitor Ihres PCs ab, wenn Sie ihn länger als werden, als es bisher der Fall ist. ■ Interview: ski 15 Minuten nicht benötigen. Das spart bis zu 60 Prozent Strom. Den PC ganz herunterfahren lohnt sich ab einstündiger Abwe- senheit. Übrigens: Studien belegen, dass es nicht stimmt, dass häufiges Herunterfahren dem PC schadet.
E S Say Europas Forschungsuniversitäten ess a y schaffen Wirtschaftswachstum 10 N R. 3 • 2 0 1 2 Dieser Essay ist die Zusammenfassung eines nahmen, haben nun einen Wert von mehr als Vortrags von Professor Sir Leszek Borysie- einer Milliarde Euro − darunter die Firma Autono- wicz, den er am 10. Mai 2012 in Barcelona bei my, deren Unternehmenssoftware überall in der der Konferenz zum zehnjährigen Bestehen Industrie angewandt wird, aber auch das Com- der League of European Research Universities puterunternehmen ARM, dessen Mikrochips in (LERU) hielt, zu deren Gründungsmitgliedern Ihrem Handy, Ihrem Auto und Ihrem Fernsehgerät auch die LMU gehört. zu finden sind. Wirtschaftswachstum hat Priorität für jede Re- Auch wenn es weniger offensichtlich und sogar gierung in Europa − je schneller es eintritt, desto widersinnig klingen mag: Der wirtschaftliche Bei- besser. Wie können Universitäten dabei helfen? trag, den wir als Universitäten leisten, ist deshalb 1 Professor Sir Leszek Borysiewicz so effektiv, weil er nicht unser vorrangiges Ziel ist. ist Vice Chancellor der Universität Europas Forschungsuniversitäten leisten schon Wirtschaftliche Produktivität ist ein Nebenprodukt Cambridge, was im deutschen Hoch- jetzt einen enormen wirtschaftlichen Beitrag − von Lehre und Forschung, die wir aus anderen schulsystem der Funktion eines das ist offensichtlich. Wir bilden die zukünftigen Gründen ausüben. Sollte die wirtschaftliche Pro- Universitätspräsidenten entspricht. Arbeitskräfte aus, wir forschen für Regierungen, duktivität jedoch zu unserem Hauptziel erhoben Der in Wales geborene Sohn polni- Wirtschaft und Industrie, und unsere Entdeckun- und Universitäten zu Forschungs- und Entwick- scher Eltern studierte Medizin und gen und Erfindungen werden durch das, was in lungsabteilungen der Großindustrie werden, dann kam 1988 zunächst als Dozent nach den letzten Jahren als „Technologietransfer“ for- wäre unser unverwechselbarer Beitrag verloren. Cambridge. Bis 2001 war er Profes- malisiert worden ist, direkt vom privaten Sektor Das „Cambridge-Phänomen“ war ungeplant und sor für Medizin an der University eingesetzt – mit dem Ziel, Erträge zu erwirtschaf- in vielerlei Hinsicht unerwartet: Es ist schwer vor- of Wales, anschließend wirkte er ten. stellbar, dass es erfolgreicher gewesen wäre, wenn bis 2007 als Principal (Dekan) of the die Universität gezielt versucht hätte, diesen wirt- Faculty of Medicine und schließlich Ein Beispiel aus meiner Universität: 1960 gründe- schaftlichen Effekt künstlich zu erzeugen. als Deputy Rector am Imperial Col- ten zwei Absolventen der Universität Cambridge lege London. Vor seinem Wechsel das Unternehmen Cambridge Consultants und ha- Ein Grund dafür ist, dass die Entdeckungen, die nach Cambridge war er Vorsitzender ben damit begonnen, im Umfeld der Universität den größten wirtschaftlichen Erfolg nach sich des Medical Research Council des ein Cluster aus Hightech-Unternehmen aufzubau- ziehen, meist aus der Grundlagenforschung her- Vereinigten Königreichs. en. Später wurde dies auch als das „Cambridge- vorgehen, nicht aus angewandter, „marktnaher“ Phänomen“ bezeichnet: als der Prozess, bei dem Forschung. Wenn ein Pharmaunternehmen Uni- unternehmerisch denkende Wissenschaftler Fir- versitäten zum Beispiel die Aufgabe stellt, die men gründeten, um von der Nähe zu einer re- Wirksamkeit eines bestimmten Medikaments zu nommierten Forschungsuniversität zu profitieren erhöhen, dann wird das Ergebnis wirtschaftlich – und mit zunehmendem Wachstum des Clusters und gesellschaftlich zwar durchaus von Nutzen auch vermehrt von der Nähe zu anderen, ähnlich sein, dieser bleibt aber begrenzt, und es ist viel- ausgerichteten Firmen. Heute haben wir etwa leicht effektiver, wenn diese Forschung innerhalb 1.400 Hightech- und Biotech-Unternehmen im des Unternehmens durchgeführt wird. Demge- Stadtgebiet, von kleinen neuen „Ablegern“ von genüber ist eine grundlegendere Frage, wie etwa Universitätslaboren bis hin zu Niederlassungen die Identifikation eines neuen Zielmoleküls, weit- multinationaler Firmen wie Microsoft. Elf Unter- aus besser in einer großen, multidisziplinären, nehmen, die ihren Anfang im Cambridge-Cluster forschungsintensiven Universität aufgehoben. In
einer solchen Umgebung macht sich ein Forscher − allein angetrie- Es ist also wichtig, dass Universitäten der Ort sind, an dem For- ben von seiner Neugier − daran, herauszufinden, wie ein grundle- schung in ihrer ganzen Bandbreite betrieben werden kann, nicht gender biologischer Prozess funktioniert. Die Ergebnisse können zuletzt, weil Universitäten die letzten Institutionen sind, die noch in die Grenzen bisheriger Annahmen sprengen und weitreichende der Lage sind, Wissen aus vielen verschiedenen Quellen und Diszi- Veränderungen zur Folge haben. Solch eine Form der Forschung plinen miteinander zu verbinden. Universitäten können interessante haben Francis Crick und James Watson 1952 in den Cavendish Entwicklungen da, wo man es nicht erwarten würde, identifizieren Laboratories in Cambridge betrieben: Ihre Entdeckung der Struktur und diese so verknüpfen, dass daraus praktische Lösungen für große der DNS hatte Auswirkungen auf unser aller Leben − und hat dabei, Problemstellungen entstehen. Möglich ist das, weil wir über eine um ein Beispiel für wirtschaftlichen Erfolg als „Nebenprodukt“ zu große akademische Breite verfügen, weil wir autonom sind und nennen, viele Milliarden von Euro generiert. weil wir unseren Forschern die Freiheit geben, vielversprechenden Ideen nachzugehen. Auch wenn es unsere Physiker und Biotechno- Natürlich sind diese beiden Beispiele miteinander verknüpft: Die logen sind, die eine neue Anwendung erfinden, die das Potenzial pharmazeutische Forschung von heute gründet auf der Grundla- hat, finanziell profitabel zu werden, so sind es unsere Geistes- und genforschung, deren Ergebnisse wir gestern erzielt haben. Auch Sozialwissenschaftler − Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, wenn der Weg zwischen beiden lang ist (laut Untersuchungen in Juristen, − die dieses Potenzial in einen nachhaltigen sozioökonomi- manchen Disziplinen bis zu 17 Jahre), ist klar, dass die Verbindung schen Nutzen verwandeln können. Durch unsere integrative Funk- nicht gekappt werden darf − die Grundlagenforschung, die wir jetzt tion haben wir die Möglichkeit, zur Verfügung stehende Mittel für betreiben, wird später von unseren Nachfolgern in die Anwendung die Erforschung gesellschaftlicher Herausforderungen einsetzen zu überführt. Wir dürfen sie nicht mit leeren Händen dastehen lassen. können. Bei der Ausgestaltung von Horizon 2020 sollte die EU der George Porter − ehemaliger Präsident der Royal Society, der Wissen- Tatsache Rechnung tragen, dass gerade die universitäre Forschung, ess a y schaftsakademie des Vereinigten Königreichs − ging noch weiter, als sowohl die angewandte als auch die „noch nicht angewandte“, für er betonte, dass Grundlagenforschung und angewandte Forschung das nachhaltige und langfristige Wachstum sorgt, das Europa so im Kern dasselbe seien: „Es gibt zwei Arten von Forschung: ange- dringend braucht. wandte und ‚noch nicht angewandte’.“ Man darf durchaus die Frage stellen, warum Universitäten diese 11 Europa kann sich glücklich schätzen, dass es starke, forschungsin- große Verantwortung auf sich nehmen wollen. Die Antwort liegt in N R. 3 • 2 0 1 2 tensive Universitäten hat, die sich diesen Herausforderungen stel- unserem Auftrag, der Gesellschaft zu dienen. Falls es jemals eine len können. Viele davon sind Mitglieder der League of European Zeit gegeben haben sollte, in der die akademische Welt in Abgren- Research Universities (LERU), die sich anlässlich der Konferenz zu zung zur „realen Welt“ existierte, so ist diese Zeit mit Sicherheit ihrem zehnjährigen Bestehen gefragt hat, wie die Forschungsuni- vorbei. Der Gesellschaft zu dienen, liegt im Kern dessen, was wir versität der Zukunft aussehen wird. Dabei handelt es sich um eine tun. Indem die Universitäten Europas in allen Disziplinen und allen hochaktuelle Frage, da die Europäische Union (EU) derzeit die Aus- methodischen Herangehensweisen forschen, von der direktesten gestaltung ihres nächsten Forschungsrahmenprogramms mit dem Form innovativer Anwendungen bis hin zu den grundlegendsten Titel „Horizon 2020“ fertigstellt − ein Programm, mit dem in den Fragen zur Funktionsweise unserer Welt, besitzen sie den Schlüssel sieben Jahren zwischen 2013 und 2020 mehr als 80 Milliarden Euro zum Wachstum unserer Wirtschaft − und dem unserer Gesellschaft. in Forschung und Innovation in Europa investiert werden. Diese gro- ßen Summen können Einfluss darauf nehmen, wie sich Universitäten in Europa künftig entwickeln werden. Sollen sich unsere Universitäten nur auf Grundlagenforschung kon- zentrieren und „angewandte” Forschung und Innovation den For- schungsinstituten und den Entwicklungslaboren der Privatwirtschaft überlassen? Das Beispiel des Cambridge-Phänomens widerspricht dieser These deutlich: Was die Universität Cambridge den Unter- nehmen des Clusters bieten kann, ist der Zugang zu einer großen Bandbreite an Forschung − von der Grundlagenforschung bis hin zu angewandter Forschung, verbunden mit einschlägigen Serviceange- boten wie etwa Technologietransferbüros, Wissenschaftsparks und Gründungszentren sowie Startkapital. „Angewandt“ von „noch nicht angewandt“ zu trennen, wäre sicherlich nicht klug, es ist vielleicht nicht einmal möglich.
P r o file Sport ist ihr Hobby: Rugbyspieler Felix Hintermayer Leidenschaft, die Leiden schafft 12 N R. 3 • 2 0 1 2 Der Studentenstadt (StuSta) Rugby Club verbin- Niederrhein, wo er mangels Verein immer 40 Kilo- det Spieler aus über 27 Nationen. Einer davon meter zum Training fahren musste, konnte ihn und ist LMU-Student Felix Hintermayer, dem selbst den elliptischen Ball nicht mehr trennen. So dau- nach einem Kieferbruch die Begeisterung für erte es nach seiner studienbedingten Rückkehr in das intensive Spiel nicht abhandengekommen die bayerische Landeshauptstadt nicht lange, bis ist. Inzwischen finden sogar Frauen zuneh- Felix die Abteilung Rugby des Sportvereins Stu- menden Gefallen an dem einstigen Männer- dentenstadt Freimann e. V. für sich entdeckt hatte. sport. Bei den Play-offs geht es für StuSta Mün- chen auf dem ausgedörrten Platz diesmal um Seitdem sei die Mannschaft für ihn wie eine Art nichts weniger als den Aufstieg in die 2. Liga. Familie geworden, die auch über den Sport hinaus viel miteinander unternimmt. „Man bekommt zwar Die Sonne brennt, der Platz ist staubig. Es riecht auch viel Kritik um die Ohren geschlagen, aber nach gebratenen Würstchen und amerikanischem die nimmt man in einer Großfamilie gerne an“, Kaugummi. Plötzlich werden die „Kämpfen für versichert er. Besonders die vielen Erasmusstudie- 5 LMU-Chemiestudent Felix Hinter StuSta“-Rufe der rund 100 Zuschauer lauter – die renden tragen zur Vielfalt in der Mannschaft bei: mayer spielt seit seinem 17. Lebens- Mannschaft des Studentenstadt Rugby Clubs läuft Nicht selten kommen zum Training knochenharte jahr Rugby und seit knapp drei für ihr letztes Saisonspiel ein. Unter ihnen ist auch Kerle aus 27 verschiedenen Ländern zusammen. Jahren beim StuSta Rugby Club in Felix Hintermayer. Der 21-Jährige studiert im vier- München. ten Semester Chemie und steht jetzt mit seinen Trainiert wird bei jedem Wetter Teamkollegen Arm in Arm im Kreis zum sogenann- Trainiert wird zweimal die Woche – auch im Win- ten Huddle. Dabei schauen sich die Rugbyspieler ter. „Wir rennen bei Regen, Sturm, Blitz und Don- tief in die Augen und schreien sich an, um sich für ner“, bestätigt Felix. „Selbst bei fünf Zentimetern das intensive Match heißzumachen. Schnee.“ In Kombination mit den Spieltagen und seiner mit Vorlesungen vollgepackten 45-Stunden- Im Englischen Garten hinter der Studentenstadt Woche bleiben ihm nicht viele Gelegenheiten zum geht es heute für die 15 Münchener mit Zahn- Lernen. Eine bietet sich auf den langen Karawa- schutz in den Play-offs gegen den Stuttgarter RC nenfahrten durch ganz Deutschland – vorausge- um den Aufstieg aus der dritten in die zweite Liga. setzt, seine „Jungs“ lassen ihn. Kürzlich mussten „Los, Jungs“, grölt Felix seine Kameraden an und sie beispielsweise zum Ligakonkurrenten TuS 95 rennt auf seine Outside Center Position. Eine feste Düsseldorf. Für einen solchen Trip müsse gut und Position hat er aufgrund der vielen Verletzungs- gerne ein ganzes Wochenende eingeplant werden, pausen in den vergangenen zweieinhalb Jahren erläutert Felix. derzeit nicht. Er versucht, seinem Studium allerdings stets mög- Felix kam im Alter von 16 über einen Schüleraus- lichst viel Zeit einzuräumen: „So ein toller Akteur, tausch in Neuseeland zum Rugby. „Dort läuft al- dass ich dafür die Uni vernachlässigen würde, les über den Sport und der ist wie eine Religion“, werde ich nicht mehr.“ Wenn am Samstag Vor- erklärt der muskulöse Münchener. Um mit seinen lesungen stattfinden, hätten diese selbstverständ- Sportfreunden folglich auf einer Augenhöhe reden lich Vorrang. Nur seine Professoren wundern sich zu können, begann er selbst zu trainieren und das manchmal, wenn er wieder kleinere Blessuren am Spiel lieben zu lernen. Sogar ein Umzug an den Kopf hat.
P r o file 13 N R. 3 • 2 0 1 2 Auszeit. Wasser wird auf die müden Spielerhäupter und den aus- LMU auf die Technische Universität München. „Bis dahin muss ich gedörrten Boden gekippt. Dadurch ist der buckelige Platz zwar meine Kräfte sammeln, denn da kämpfen wir jedes Mal extrem hart nicht länger steinhart, jedoch gleicht die Partie im Gegenzug einer gegeneinander“, grinst Felix. Beim letzten Aufeinandertreffen hat Schlammschlacht, als wenige Minuten später wieder alle aufein- natürlich die LMU gewonnen. ■ dl anderliegen. „Ihr seid metergeil“, brüllt der Trainer bei der Mann- schaftsansprache. „Geht tiefer rein.“ Felix ist bei seinem ersten Wettkampf gleich etwas zu tief reingegangen – Diagnose: Kiefer- bruch. In Neuseeland habe ihn zudem ein „stämmiger Neuseelän- der mehrere Minuten ausgeknockt“, als er zu spät ausgewichen sei. Blutverluste, Verstauchungen oder Schürfwunden gehörten zu diesem rigorosen und risikoreichen Kräftemessen nun mal dazu: „Wenn man erst einmal mit dem Adrenalin dabei ist, entwickelt man eine Leidenschaft dafür und außerdem finden Frauen Verletzungen sexy“, lacht er. Für Rugby geeignet seien alle Interessierten, da es entweder als kräftiger Stürmer oder kombinationssicherer Reihenspieler für jeden die richtige Position gebe. Für weibliche Rugby-Begeisterte existiere sogar eine äußerst erfolgreiche Frauenmannschaft. Ledig- lich schnelles Laufen ist von Vorteil, allerdings beschwichtigt Felix auch in diesem Punkt: „Wir zerstören keinen beim ersten Training.“ A Hooligans Game played by GentlemEn Obwohl die Fangesänge mit denen beim Fußball mithalten können, ist Rugby nach wie vor ein Nischensport. „Der Andrang ist nicht so hoch, aber dafür sind alle relaxed und die Stimmung passt immer“, freut sich Felix. Ihn stört vielmehr, dass die Regeln trotz zunehmen- der Fernsehübertragungen weitgehend unbekannt sind und häufig mit denen des American Footballs verwechselt werden. Dabei tragen Footballer Schutzkleidung, brauchen wegen der Unterbrechungen häufig bis zu vier Stunden und haben andere Regeln beim Spiel nach vorne. Rugby sei im Gegensatz dazu „a Hooligans Game played by Gentlemen“. Aus diesem Grund necken sich die Sportler der unter- schiedlichen Lager gern gegenseitig. Nur in einem seien sie einer Meinung: „Beides ist besser als Fußball.“ Inzwischen sind die 80 Minuten vorbei. München gewinnt mit 37:14 gegen Stuttgart und steigt in die zweite Liga auf. Schlachtrufe er- tönen, das verschwitzte Team fällt sich in die Arme und der Gegner wird fair abgeklatscht. Bis die Sommerpause richtig beginnen kann, Informationen zum Studentenstadt Rugby Club: hat der Student jedoch noch ein Ziel. Denn einmal im Jahr trifft die www.stusta-rugby.de
Online-Spiele: Kunsthistoriker im digitalen Zeitalter Feldforschung 2.0 P r o file 14 N R. 3 • 2 0 1 2 Von wegen verstaubt: Kunsthistoriker, Sprachwissenschaftler und Informatiker Jahr 2007 auf die Idee, ARTigo programmieren zu der LMU haben sich zusammengetan, um das Internet für ihre Feldforschung lassen, welches Schön mit großem Aufwand in nutzbar zu machen. Herausgekommen ist dabei unter anderem das Onlinespiel die Realität umsetzte. Ab diesem Zeitpunkt konn- ARTigo.org, bei dem Nutzer Kunstwerke verschlagworten und dafür Punkte ge- ten Internetnutzer im Spiel mit dem sogenannten winnen können. Doch obwohl Crowdsourcing in akademischen Kreisen der USA Tagging gegeneinander Gemälde etikettieren mittlerweile lange Usus ist, haben viele deutsche Kollegen noch Vorbehalte gegen und so wichtige Metadaten für die Optimierung die spielerische Forschungsarbeit. der Bildsuche innerhalb des digitalen Archivs der Münchener Kunsthistoriker liefern. Doch obwohl bereits die finnische Nationalbibliothek Spiele „Verdammt noch mal, das könnte man gut für die nutzt, um Fehler in ihren digitalisierten Archiven Kunst benutzen“, dachte sich der Forschungsde- zu erkennen, und sogar die Deutsche Forschungs- kan der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissen- gemeinschaft (DFG) das Projekt seit 2010 großzü- schaften an der LMU, Professor Hubertus Kohle, gig unterstützt, können viele Wissenschaftler mit nach einem Vortrag von Luis von Ahn von der Car- dem Trend „Gamification“ nichts anfangen. negie Mellon University. Der Informatikprofessor nutzt in seiner Forschungsarbeit das Wissen der Wer auf die Spieleseite ARTigo.org surft, wird Masse „Crowdsourcing“ durch Onlinespiele, deren nach dem Start mit einem anderen Teilnehmer Ergebnisse in abgewandelter Form bei der Goog- verbunden. Daraufhin bekommen die Spieler le-Bildersuche genutzt werden. Gesagt, getan. Kunstwerke vorgeführt, die mit griffigen Begrif- fen in puncto Thema, Stil, Gattung oder Format Angeregt von Informatikprofessor François Bry beschrieben werden müssen. Punkte gibt es erst, setzte Kohle sich kurz darauf mit ihm, seinen Kol- wenn jeweils beide Nutzer dieselbe Beschreibung legen Professor Thomas Krefeld von der Roma- für ein Bildnis gewählt haben – auf diese Weise nischen Philologie und Dr. Stephan Lücke sowie sollen abseitige Assoziationen verhindert werden. Dr. Gerhard Schön von der IT-Gruppe Geisteswis- Inzwischen spielen über 20.000 User regelmäßig senschaften zusammen. Gemeinsam kamen sie im auf der Webseite und haben den 30.000 Meister- werken bereits über sechs Millionen – zum Teil sehr hochwertige – Tags gegeben. „Wenn jeder einzeln etwas eingibt, ist das nicht produktiv“, erklärt Kohle. „Wenn aber mehrere Leute dreimal das Gleiche eingeben, lassen sich Muster feststellen.“ Das einzige Manko ist derzeit die Bildauswahl, da wegen der Rechte hauptsäch- lich Darstellungen aus dem 18. und 19. Jahrhun- dert gezeigt werden können. Seit Kurzem kann ARTigo dafür auch auf Facebook gespielt werden. 7 Selten hat Feldforschung so viel Es daddeln jedoch nicht nur Studierende: Kürz- Spaß gemacht: Bei ARTigo können lich habe Kohle sogar einen Kollegen „erwischt“, Spieler Gemälde verschlagworten erzählt der groß gewachsene Rheinländer augen- und dafür Punkte gewinnen. zwinkernd.
P r o file 15 N R. 3 • 2 0 1 2 Wissenschaft soll Neue Medien nutzen Vorbehalte gegen Online-Feldforschung „Wissenschaft muss sich die Neuen Medien aneignen und traditio- Jedoch bringt den Gründervätern just dieses Data-Mining häufig nelle Dinge aufgeben“, fordert der Linguist Krefeld und schiebt sich Kritik ein. Oft ist zu hören, sie würden die User aussaugen und seine Brille zurecht. Sein Spiel „Metropolitalia“ soll im Juli online ausleuchten, obwohl gar keine personenbezogenen Informationen gehen. Damit versuchen die Romanisten die Verbreitung italieni- gespeichert werden. Auf Wissenschaftsebene wiederum wird gera- scher Redewendungen aufzuspüren und sie dem sozialen Status de diese Intransparenz bemängelt. Für traditionelle Sozialwissen- zuzuordnen. Auch hier gilt: „Das Spiel funktioniert nur, wenn alle schaftler erfüllen die Nutzer in dieser radikal offenen Feldforschung mitmachen“, erläutert er. „Eine einzelne Meinung sagt gar nichts, nicht die Authentizitätsanforderungen an einen verlässlichen In- aber wenn man Tausende fragt, bekommt man sehr verlässliche formanten. Sie möchten diese stärker kontrollieren und lieber mit Aussagen.“ Fragebögen interviewen. „Die empirische Wissenschaft hat aber de facto schon immer quantitativ mit Verzicht auf Informantendaten Krefeld wurde durch Bry und Kohle auf diese kollaborative Datenbe- gearbeitet“, argumentiert Krefeld. Besonders für die Sprachwissen- arbeitung und Analyse aufmerksam. Weil den Sprachwissenschaft- schaft sei der Laie sehr wichtig, weil eben induktive Daten erhoben lern kaum finanzielle Mittel für die teure Feldforschung vor Ort zur werden müssten. Er verlangt für die Neuen Medien eine Kombinati- Verfügung stünden, sei dieses Konzept für ihn wie ein „Erweckungs- on aus der emischen und etischen Perspektive, also einer Herange- erlebnis“ gewesen. „So können wir unsere Probleme wieder in den hensweise, in der die Innensicht des Laien mit der Außensicht des Griff bekommen“, schwärmt er von der Schwarmintelligenz. Da Experten verbunden wird. die Basis der Datenbank in allen Fällen gleich ist, lassen sich auch schnell neue Spielideen für andere Fachbereiche umsetzen. Bis diese unbekannte Wissenswelt des Laien erschlossen ist, wird es allerdings wohl noch ein Weilchen dauern. Dabei sagte bereits Kohle sieht daher ausschließlich Vorteile in dieser Technologie. Schiller: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Sein Paradigma: „Tausende von Amateuren schießen – wenn auch Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ eher zufällig – genauso viele Tontauben vom Himmel wie einige Deswegen tummelt auch Kohle sich gerne vor seinem Spiel und freut wenige Profis.“ Im „Real Life“ ließe sich dies nicht organisieren, im sich über neue Mitspielerinnen und Mitspieler. Lediglich bei den Internet hingegen schon, veranschaulicht er. Durch die Integrati- Preisen für die Bestplatzierten musste er Abstriche machen: „Am on unterschiedlichster Daten und Menschen würden außerdem die Anfang habe ich dem Gewinner noch 50 Euro aus meiner eigenen Wissenswelten miteinander verknüpft. Der andersartige Weg der Tasche gezahlt“, lacht er. „Aber auf Dauer ist das einfach zu teuer Geisteswissenschaftler ist allerdings nicht nur praktisch, sondern geworden.“ ■ dl auch zwingend nötig: „In der Wahrnehmung der akademischen Welt spielen wir keine große Rolle mehr“, klagt Kohle. „Wir haben daher lediglich eine Chance, wenn wir das Verhältnis zur Öffentlichkeit ändern und erklären, wozu wir gut sind.“ Er wundert sich deshalb, warum Psychologen oder die Interkulturelle Kommunikation im Hin- blick auf kognitive Rückschlüsse der Spielteilnehmer nicht interdis- Informationen zu ARTigo und Metropolitalia: ziplinär bei seinem Projekt mitwirken wollen. www.play4science.uni-muenchen.de
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