NEUER CAMPUS IN OBERSCHLEISSHEIM WÄCHST - TIERÄRZTLICHE FAKULTÄT - LMU MÜNCHEN

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NEUER CAMPUS IN OBERSCHLEISSHEIM WÄCHST - TIERÄRZTLICHE FAKULTÄT - LMU MÜNCHEN
nr. 2 • 2019

             zeitschrift der ludwig-maximilians-universität münchen

Tierärztliche Fakultät

Neuer Campus in
OberschleiSSheim wächst
NEUER CAMPUS IN OBERSCHLEISSHEIM WÄCHST - TIERÄRZTLICHE FAKULTÄT - LMU MÜNCHEN
Ein Stipendium –
 Deutschlandstipendium an der LMU München
                                                                   viele Gesichter
                                                                                     Daniel Meierhofer,
                                                                                     Zahnmedizin
                                                                                     Ich engagiere mich für Minderheiten wie
                                                                                     Straßenkinder oder Flüchtlinge. Am meisten
                                                                                     Freude bereitet mir aber der Einsatz als Spre-
                                                                                     cher für queere Studierende an der LMU. Ich
                                  Polina Larina,                                     weiß aus eigener Erfahrung, welche Probleme
                                  Interkulturelle Kommunikation                      ein Outing mit sich bringen kann.
                                  Nach dem Tod meines Vaters lernte ich viel,
                                  um es von Usbekistan in die große, weite Welt
                                  zu schaffen. In München kann ich meinen                              Gideon Arnold,
                                  Traum jetzt verwirklichen: lernen und lehren.                        Jura
                                  Wenn ich für immer an der Uni bleiben dürfte,                        Nach meiner Ausbildung zum Wirtschaftsme-
                                  würde ich das sofort tun.                                            diator habe ich neben meinem Studium einen
                                                                                                       Verein gegründet. Darin engagieren sich jetzt
                                                                                                       Juristen aus ganz Deutschland, um mittellosen
Caroline Schambeck,                                                                                    Menschen durch Mediation bei der außerge-
Geowissenschaft                                                                                        richtlichen Streitschlichtung zu helfen.
Neben dem Studium Geld zu verdienen ist
wegen meiner Mukoviszidose-Erkrankung
unmöglich. Durch das Deutschlandstipendi-
um habe ich bald trotzdem meinen Master in
der Tasche. Das ist ein kleiner Sieg im Kampf
gegen die unheilbare Krankheit.

                                                                                                       Sybille Veit,
                                                                                                       Medizin
                      Sinksar Ghebremedhin,
                                                                                                       Ein Baby während des Studiums bekommen?
                      Medieninformatik
                                                                                                       Das hat bei mir funktioniert – dank des
                      Meine Eltern mussten selbst vor dem Krieg                                        Deutschlandstipendiums. Jetzt helfe ich als
                      fliehen. Daher unterstütze ich mit meinem                                        Fachschaftsgruppenleiterin anderen Stu-
                      Verein »Students4Refugees« Flüchtlinge dabei,                                    dierenden mit Kind beim Organisieren des
                      ein Studium beginnen oder fortsetzen zu                                          Studienalltags.
                      können – vier haben bereits ihren Abschluss
                      geschafft.

                                                                                                                         Ich
                                                                                                                      möchte ein
                                                                                                                       Stipendium
                                                                                                                        stiften
                                     www.lmu.de/deutschlandstipendium
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                                          Zum Dank verdoppelt der Bund Ihre steuerlich absetzbare Spende.
NEUER CAMPUS IN OBERSCHLEISSHEIM WÄCHST - TIERÄRZTLICHE FAKULTÄT - LMU MÜNCHEN
Editorial
                                                                                                                                             1
1 Wendeltreppe im Biozentrum Martinsried

                                                                                                                                           MUM • NR. 2 • 2019
                                           EDITORIAL

                                           Liebe Leserinnen, liebe Leser,

                                           früh aufstehen und viel lernen: Tiermedizin ist kein einfaches Studienfach. Und trotzdem
                                           sehen es die rund 2.000 Studierenden an der LMU als ihre Berufung. Was treibt die jungen
                                           Menschen an? In der Titelgeschichte schauen wir hinter die Kulissen des facettenreichen
                                           Studiums. Im Titelinterview spricht der Dekan der Tierärztlichen Fakultät, Professor Reinhard
                                           Straubinger, über den Umzug der renommierten Tiermedizin der LMU vom Standort am
                                           Englischen Garten nach Oberschleißheim. Dort entsteht ein in Europa einzigartiger Campus
                                           für die Fakultät. Das bedeutet viel zusätzliche Arbeit für alle Beteiligten.

                                           Viel Arbeit haben auch Studierende der Politikwissenschaft hinter sich. Im Rahmen eines
                                           Kooperationsprojektes der regionalen Vertretung der EU-Kommission mit dem Centrum für
                                           Angewandte Politikforschung (CAP) haben sie mit Kommilitonen thematisch nahestehender
                                           Fächer Lösungsvorschläge für die Herausforderungen der EU erarbeitet. Sie wollten nicht
                                           länger „Eigentlich müsste man mal…“ sagen, sondern Probleme aktiv angehen. Die Chance,
                                           dass die Vorschläge auch ihren Adressaten finden, stehen nicht schlecht.

                                           Viel Kraft benötigt es auch, den globalen Temperaturanstieg noch zu bremsen. Jeden Frei-
                                           tag versuchen Schüler und Studierende unter dem Motto „Fridays for Future“ den älteren
                                           Generationen klarzumachen, dass es nicht einen Tag länger so weitergehen kann. Das neue
                                           „Lehrernetzwerk Klimawandel“ will sie beim Kampf gegen die Erderwärmung unterstützen
                                           und Lehrkräfte für das Thema sensibilisieren.

                                           Ein Kraftakt ist auch die Sanierung und Modernisierung des Deutschen Museums. Historiker
                                           Helmuth Trischler leitet dessen Bereich Forschung und wirkt parallel als Professor für Neuere
                                           und Neueste Geschichte sowie Technikgeschichte an der LMU. Im Interview gibt er Einblick
                                           in 30 Jahre Arbeit am Deutschen Museum und verrät seine Lieblingsstücke.

                                           Zu viel Belastung war für manche Studierende das Studium in den Fächern Mathematik,
                                           Informatik, Naturwissenschaft oder Technik. Dort sind die Abbrecherquoten an deutschen
                                           Hochschulen besonders hoch. Beim Verbundprojekt „ReSt@MINT“ der LMU und des Bay-
                                           erischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung wird erforscht, wie
                                           das künftig verhindert werden kann.

                                           Viel Spaß beim Lesen,
                                           Ihre MUM-Redaktion
NEUER CAMPUS IN OBERSCHLEISSHEIM WÄCHST - TIERÄRZTLICHE FAKULTÄT - LMU MÜNCHEN
MUM • NR.2 • 2019
                                                               ■ news
                                                               3    meldungen

                                                               ■ titel
                                                                    Tierärztliche Fakultät
                                                               6    Neuer Campus in OberschleiSSheim wächst
                                                               	Sag Zum Abschied leise "Muh"

                                                               ■ essay
                                                               	für eine Kultur des Hinschauens
                                                               10   „Nur wer für die Juden schreit,
                                                                    darf gregorianisch singen“
                     6
                       Tierärztliche Fakultät
                     Neuer Campus in OberschleiSSheim wächst   ■ profile
Inhalt

                                                               	Studentisches CAP-EU-Projekt
                                                               14	Zukunftsideen für die 27

                                                               	LMU-Mitarbeiter Ehsan Ghafoory
   2                                                           16	Deutschlands berühmtester Pförtner
MUM • NR. 2 • 2019

                                                               	Kooperation LMU-Cambridge
                                                               18   Forschung ohne Grenzen

                                                                    Forscher ergründen Resilienz und Studienerfolg
                                                                    in den MINT-Fächern
                                                               22   „Aus Rückschlägen lernen
                                                                    ist gar nicht so leicht“

                                                                    Förderung für die Byzantinistik
                                                               24	Ein GroSSreich erleben

                                                    14
                                                               	Serie: LMU macht Schule
                                                                    Neues Lehrernetzwerk Klimawandel
                            Studentisches CAP-EU-Projekt
                             Zukunftsideen für die 27          28   Physics for Future

                                                                    20 Jahre Lebensmut
                                                               30   Mit Krebs leben

                                                               ■ Alumni
                                                               	Helmuth Trischler forscht
                                                    24              am Deutschen Museum und an der LMU

                         Förderung für die Byzantinistik
                                                               36   Zwischen Umwelt und Raumfahrt
                            Ein GroSSreich erleben

                                                               ■ menschen
                                                               38	neuberufen
                                                               41   preise & ehrungen
                                                               44   Verstorben

                                                               ■ service
                                                    30
                                                               47	tipps & terminE
                                      20 Jahre Lebensmut
                                       Mit Krebs leben
                                                               ■ impressum
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NEWS

                  Young Academy of Europe gründet Niederlassung an der LMU

                  Im Februar wurde der deutsche Ableger der         sammeln und Spenden erhalten, um so auch
                  Young Academy of Europe (YAE) offiziell an        hierzulande als Community und positive Kraft
                  der LMU gegründet. Den Vorsitz hat Professor      die Wissenschaftspolitik mitzugestalten.
                  Donald B. Dingwell, Inhaber des Lehrstuhls für
                  Mineralogie und Petrologie an der Fakultät für    Konkret setzt sich die YAE etwa für eine europä-
                  Geowissenschaften.                                ische Wissenschaftsagenda ein, fordert eine evi-
                                                                    denzbasierte Politik auf Basis wissenschaftlicher
                  Die YAE wurde 2012 in Brüssel gegründet. Sie      Fakten und nicht von Gruppeninteressen und
                  entstand auf Initiative herausragender junger     Machtkalkül. Auch möchte die YAE junge Wissen-

                                                                                                                        news
                  Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die     schaftlerinnen und Wissenschaftler ermutigen,
                  sich für den wissenschaftlichen Austausch stark   ihre Forschungsergebnisse einer breiten Öffent-
                  machen und sich aktiv in die Wissenschaftspoli-   lichkeit in Europa zu kommunizieren, insbeson-
                  tik einbringen möchten.                           dere, wenn sich die wissenschaftlichen Fragen-
                                                                    stellungen mit Themen befassen, die sich auf die    53
                  Mit dem Status als gemeinnütziger Verein kann     Gesellschaft, die Lebensqualität und den Lebens-

                                                                                                                        • 2019
                  die YAE nun auch in Deutschland Fördermittel      standard auswirken.                          ■ cg

                                                                                                                        2
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NEWS
                 Fachbibliothek Philologicum:
                 Abschluss eines Leuchtturmprojekts in der geisteswissen-
                 schaftlichen Bibliothekslandschaft

                 Zum Wintersemester 2019/20 wird in der Ludwigstraße 25 mit dem Philolo-
                 gicum die größte und modernste Fachbibliothek der LMU eröffnet. Bislang
                 erfolgt die bibliothekarische Versorgung der Fakultät für Sprach- und Litera-
                 turwissenschaften in insgesamt zehn Instituts- und Fachbibliotheken, die auf
                 sechs Liegenschaften der LMU verteilt sind. Im Philologicum werden diese
                 Bibliotheken sowie die philologischen Bestände der Lehrbuchsammlung nun
                 unter einem gemeinsamen Dach vereint. Doch nicht nur das: Neben einer
                 umfassenden Literaturversorgung für die Sprach- und Literaturwissenschaf-
                 ten bietet die neue Fachbibliothek auch über 740 Arbeitsmöglichkeiten. Ein-
                 zelarbeitsplätze sowie zahlreiche Gruppen- und Sonderarbeitsräume bilden
                 ein exzellentes, an sieben Tagen in der Woche und auch in den Abend- und
                 Nachtstunden geöffnetes Lern- und Arbeitsumfeld.
News

                 Bis es soweit ist und die Fachbibliothek für die Nutzerinnen und Nutzer ihre
                 Tore öffnet, gibt es noch viel zu tun. Von Anfang Juli bis Mitte September
                 2019 werden die beteiligten philologischen Bibliotheken in das neue Gebäu-
                 de einziehen. Damit einher gehen notwendigerweise Einschränkungen im
 4               Benutzungsbetrieb und Schließungen der Bibliotheken.		                  ■ ub
• 2019

                  Die Zugänglichkeit der philologischen Buchbestände wird daher zwi-
                  schen dem 01.07.2019 und der Eröffnung des Philologicums zu Beginn
                  des Wintersemesters stark eingeschränkt beziehungsweise größtenteils
                  nicht gegeben sein.
MUM • NR. 2

                  Aktuelle Informationen zur Fachbibliothek Philologicum, insbesonde-
                  re auch zu alternativen Zugängen zu philologischer Literatur während
                  der Bibliotheksumzüge und Schließungen, finden Sie ab Juni auf der
                  Website der Universitätsbibliothek unter: www.ub.uni-muenchen.de

                                                         Studierendenausweis: 1.000 LMUcards ausgestellt

                                                         Klick macht es – und eine weitere LMUcard       tet. Ab April soll die Zahl der Freischaltungen
                                                         ploppt aus dem Drucker. Noch eine Unter-        dann noch deutlich erhöht werden. Wer die
                                                         schrift, und schon hält Moyan seinen neuen      Mail im Postfach hat, kann den Studentenaus-
                                                         multifunktionalen Studentenausweis in der       weis ganz einfach online beantragen und an-
                                                         Hand. Es ist die Nummer 1000. So viele          schließend sofort abholen.“ Um eine reibungs-
                                                         LMUcards haben die studentischen Mitar-         lose Ausstellung zu gewährleisten, empfiehlt
                                                         beiter am IT-Servicedesk bereits ausgestellt.   Loechel, dennoch den Status des Kartenan-
                                                         „Im Minutentakt kommen hier Studierende         trags vor der Abholung zu prüfen. Den Status
                                                         vorbei und holen sich ihre Karte ab“, erzählt   können Studierende jederzeit online einsehen.
                                                         Sema. Sie sitzt an einem der Ausgabeschal-
                                                         ter. „Es geht alles ganz schnell. In wenigen    Mit ein paar Kinderkrankheiten hat die LMU-
                                                         Augenblicken ist man auch schon fertig.         card noch zu kämpfen: „Es gibt ein paar kleine-
                                                         Man braucht nur einen Ausweis und den           re Probleme beim Foto-Upload, zum Beispiel
                                                         Papier-Studentenausweis für das Sommer-         über den Browser Safari. Wir haben aber eine
                                                         semester 2019.“                                 Fotoecke eingerichtet, damit wir im Zweifel
                                                                                                         das Bild vor Ort machen können.“ Und eine
              1 Moyan zeigt stolz seine LMUCard          Der Weg zur LMUcard hat drei Stationen:         Bitte hat Alexander Loechel noch an alle künf-
                                                         Freischaltung, Online-Beantragung und           tigen LMUcard-Besitzer: „Es wäre toll, wenn
                                                         Abholung. „Damit nicht alle Studierenden        die beantragten LMUcards innerhalb von fünf
                                                         auf einmal zur Abholung kommen und wir          Werktagen abgeholt werden könnten. So kön-
                           Schlangen bis zum Odeonsplatz haben, geben wir die LMUcard in Wellen          nen wir schneller mehr Studierende für die Be-
                           heraus“, erklärt Alexander Loechel der zuständige Projektleiter vom IT-De-    antragung freischalten, damit bald jeder eine
                           zernat der LMU. „Seit Februar haben wir etwa 5000 Studenten freigeschal-      LMUcard hat.“                             ■ ps
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                                                                                       PNEUMOLOGIE (M/W)
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                                                                          Ihr Arbeitsplatz
                                                                          Die MVZ Klinikum Straubing GmbH ist ein fachärztliches
                                                                                                                                          5
                                                                          MVZ und 100%ige Tochter des Klinikum St. Elisabeth in
                                                                          Straubing. Es setzt sich aus elf verschiedenen Fach-

                                                                                                                                         • 2019
                                                                          gebieten zusammen, neben der Pneumologie aus der
                                                                          Onkologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, Kardiologie,
                                                                          Neurochirurgie, Orthopädie, HNO, Rheumatologie,
                                                                          Gastroenterologie und Psychotherapie. Es besteht eine
                                                                          enge Zusammenarbeit mit der Sektion Pneumologie der

                                                                                                                                         MUM • NR. 2
                                                                          Klinikum St. Elisabeth Straubing GmbH.

                                                                          Ihr Profil
                                                                          Wir suchen eine engagierte Persönlichkeit
                                                                          ■ mit der Facharztanerkennung Innere Medizin mit
                                                                             Schwerpunkt Pneumologie
                                                                          ■ mit der Bereitschaft, die Praxisabläufe kontinuierlich zum
                                                                             Wohl von Patienten und Mitarbeitern weiterzuentwickeln
                                                                          ■ mit Empathie und Wertschätzung gegenüber Patienten
                                                                             und Mitarbeitern
Neue Broschüre zur Inklusion                                              ■ mit der Fähigkeit zur konstruktiven und
in der Lehrerbildung an der LMU München                                      fachübergreifenden Zusammenarbeit
                                                                          ■ mit einer positiven Einstellung zu den Zielsetzungen
Im Bereich der LMU-Lehrerbildung sind in den vergangenen Jahren              eines MVZ unter katholischer Trägerschaft

                                                                           Wir bieten
zahlreiche neue Lehrveranstaltungsformate entstanden, die auf den
inklusiven Unterricht vorbereiten sollen. Basis für die innovative Wei-
terentwicklung des Lehramtsstudiums ist eine fakultätsübergreifen-        ■ eine abwechslungsreiche und verantwortungsvolle
de Kooperation zahlreicher Lehrstühle der LMU, die besonders von            Tätigkeit in einem engagierten und hoch qualifizierten
der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundesministeriums für           Team
                                                                          ■ Ein Fort- und Weiterbildungsangebot für Ihre berufliche
Bildung und Forschung (BMBF) profitieren konnte: Unter Federfüh-
                                                                            und persönliche Weiterentwicklung
rung des „Münchener Zentrums für Lehrerbildung (MZL)“ wurde das
                                                                          ■ Geregelte Arbeitszeiten
universitätsweite Projekt „Lehrerbildung@lmu“ entwickelt und die          ■ Einen Arbeitsplatz in einem zukunftsorientierten MVZ in
Lehrerbildung an der LMU stark ausgebaut. Ein wichtiger Schwer-             einer Umgebung die hohe Lebensqualität und
punkt liegt hier bei der Vorbereitung auf ein inklusives Schulsystem.       bezahlbaren Wohnraum bietet
Die Aktivitäten und Projekte hierzu werden in der neuen Broschüre
Inklusion in der Lehrerbildung an der LMU München gebündelt dar-          Wir übernehmen bis zu 2.000 Euro Ihrer Umzugskosten
gestellt, die am Lehrstuhl für Lernbehindertenpädagogik von Profes-       und unterstützen Sie gerne bei Ihrer Wohnungssuche.
sor Ulrich Heimlich bezogen werden kann:
www.edu.lmu.de/lbp

                  Im nächsten Schritt sollen sich die dort vorgestell-
                  ten Projekte zudem verstärkt Fragen der Evaluation
                                                                           Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung über
                  und Erprobung zuwenden. Im Fokus stehen hier
                                                                           unser Online-Portal.
                  insbesondere Angebote der zweiten Phase der Leh-
                                                                           www.klinikum-straubing.de/stellenangebote
                  rerbildung (Referendariat) und der dritten Phase         Herrn Dr. med. J. Gamarra
                  (Lehrerfortbildung).                          ■ red      Tel. 09421 710-1638
                                                                           MVZ Klinikum Straubing GmbH
                                                                           St.-Elisabeth-Straße 23, 94315 Straubing

                                                                           www.mvz-klinikum-straubing.de
NEUER CAMPUS IN OBERSCHLEISSHEIM WÄCHST - TIERÄRZTLICHE FAKULTÄT - LMU MÜNCHEN
thema

                     Tiermedizin zieht nach OberschleiSSheim

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                     Sag zum Abschied leise MUH
MUM • NR. 2 • 2019

                                                          In die Medien schaffen es meist nur die Waschbären mit Herzschrittmacher
                                                          oder die adipösen Haustiere. Wie facettenreich und fordernd das Studium
                                                          und die Arbeit der Tiermedizinerinnen und Tiermediziner ist, darüber gibt
                                                          es oft zu wenig Einblicke. Dabei stecken hinter den Kulissen vor allem Men-
                                                          schen, denen man ihre Berufung anmerkt.

                                                          Fünf Uhr morgens ist das Licht in den Ställen des Bauernhofs noch gedimmt.
                                                          Die ersten Studierenden haben ihre Gummistiefel und Schmutzoveralls schon
                                                          angezogen und beginnen ihre Arbeit: Kühe melken, ausmisten, füttern. Es gilt,
                                                          etwa 300 Rinder, davon 130 Milchkühe, Kälber und knapp 900 Schweine in-
                                                          klusive Ferkel zu versorgen, und die Aufgaben sind gut verteilt. Es ist nicht
                                                          irgendein Bauernhof, es ist der Unibauernhof der LMU, das sogenannte Lehr-
                                                          und Versuchsgut. Die Studierenden absolvieren gerade ihr landwirtschaftliches
                                                          Pflichtpraktikum. „Ein starker Fokus bei der Ausbildung der Tiermedizin sind
                                                          Nutztiere“, erklärt Thomas Göbel, Studiendekan der Tierärztlichen Fakultät.
                                                          „Es ist wichtig, das von Anfang an zu vermitteln und ich kann sagen, dass die
                                                          Studierenden dieses Praktikum lieben.“

                                                           Im Studium um fünf Uhr aufstehen ist sicher für die meisten eine Horrorvor-
                                                           stellung. Nicht aber für Angelina, die jetzt im vierten Semester studiert und das
                                                           Praktikum schon gemacht hat. Lachend erinnert sie sich an das Wiegen der
                                                           Kälber. „Ich bin ein Stadtkind. Und für uns hat das erst einmal süß geklungen,
                                                           Kälber zu wiegen, und so haben wir es uns dann auch vorgestellt. Aber ein Kalb
                                                           wiegt schon 100 Kilogramm, und die wenigsten von ihnen hatten an dem Tag
                                                           Lust zum Wiegen. Wir sind jedenfalls echt ins Schwitzen gekommen und waren
                                  froh, danach zum Ausmisten zu dürfen.“ Angelina kommt ursprünglich aus Moskau und hat dort schon
                                  Tiermedizin studiert. „Allein in Moskau gibt es fünf Hochschulen für ein Tiermedizinstudium, so viele
                                  wie in ganz Deutschland. Der Praxisanteil ist an der LMU allerdings viel höher als woanders. Ich bin
                                  sehr glücklich, hier zu studieren“, erzählt Angelina.

                                  „Tiermedizin ist eine Berufung“
                                  Angelina studiert eines der schwersten Fächer. Vor allem in den ersten Semestern heißt es lernen, ler-
                                  nen, lernen: Anatomie, Chemie, Physik, Biologie, Tierschutz, Tierhaltung und vieles mehr. In einer Pause
                                  schreibt sie auf Instagram: „Ich habe den ganzen Samstag im Labor verbracht, um DNA zu isolieren
                                  und PCR-Diagnostik zu machen. Aber anstatt mich danach zu entspannen, lerne ich weiter. Jede Woche
                                  lernen ohne Wochenenden, jede Woche Examen, um ein paar glückliche Momente mit diesen wunder-
                                  vollen Lebewesen zu verbringen? Ja, ich liebe es.“ Göbel ist dieser Enthusiasmus nicht fremd. „Es ist
                                  immer dieselbe Geschichte, die ich im Lebenslauf lese: Seit ich sechs bin, möchte ich Tierärztin werden.
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Tiermedizin ist eine Berufung, für die
                          meisten gibt es keinen Plan B.“

                                                                                                                                                  thema
                        Das trifft auch auf Laura zu, die ihren Stu-
dienabschluss gemacht hat und jetzt ein Trainingsprogramm für
Absolventen an der Medizinischen Kleintierklinik absolviert. Damit
kann sie sich weiterqualifizieren. Im Gegensatz zu Angelina, der es
die großen Tiere angetan haben, sind es bei Laura vor allem Hunde.                                                                                  7
„Ich möchte mit den Tieren ‚reden‘ können. Und ich kann mit Klein-

                                                                                                                                                  MUM • NR. 2 • 2019
tieren gut umgehen.“ An den Anfang ihres Studiums erinnert sie
sich noch gut: „Man wird schon ins kalte Wasser geworfen. Schon
in meiner zweiten Woche musste ich im Präparationskurs ein Hun-
debein bearbeiten.“ Dennoch gehört Anatomie zu den Bereichen,
die ihr am meisten Spaß gemacht haben. Richtig spannend, erzählt
sie, wird es ab dem 5. Semester, wenn die Vorlesungen und Kurse
spezieller werden und jeder Studierende die sechs Kliniken im Ro-
tationsprinzip durchläuft. „Wir hatten da zum Beispiel einen Milch-
kurs und einen Käsereikurs. Es gibt kein tierisches Lebensmittel, das
nicht von einem Tierarzt geprüft wird. Am Ende des Käsereikurses
haben wir diesen mit Rotwein verköstigt.“

Laura hat jede Sekunde, die sie erzählt, ein Lächeln im Gesicht.
Dennoch, das betont sie immer wieder, sei Tiermedizin ein „inten-
sives Studium, bei dem man mit Herz und Seele dabei sein muss“.
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn Tiermedizin ist eine
Hochleistungsmedizin. „Wir benutzen die gleichen Verfahren und           7 1
Hilfsmittel wie in einem Krankenhaus. Wir arbeiten hier nach den         Kühe füttern und melken, Schweine versorgen oder Ställe ausmisten: Das
höchsten Standards und führen komplizierteste Operationen durch,         Studium der Tiermedizin ist in jeder Hinsicht harte Arbeit.
in allen nur erdenklichen Größenordnungen – vom kleinsten Fisch
bis zum Elefanten“, sagt Göbel. Und das spiegelt sich natürlich auch
in der breiten Ausbildung wider. Wie stark die Tiermedizin an der
LMU ist, zeigt das jüngste QS-Fächerranking. Weltweit ist die Tier-
medizin der LMU in den Top 25, in Deutschland mit großem Abstand         Kollegen und Studierenden der École Nationale Vétérinaire de Tou-
auf Platz eins. Damit das so bleiben kann, muss auch die Infrastruk-     louse, das Tragen der Talare beim Abschluss oder die Tradition,
tur stimmen. Und da ist gerade eine große Veränderung im Gan-            dass die Studierenden in niedrigeren Semestern den Absolventen
ge. Die Süddeutsche Zeitung sprach gar von einer „Jahrhundert-           einen Doktorhut basteln. Und natürlich werden alle, die am histo-
entscheidung“ der Fakultät, ganz nach Oberschleißheim zu ziehen.         risch gewachsenen Standort am Englischen Garten studiert, gelehrt
                                                                         und geforscht haben, auch ein wenig wehmütig zurückblicken. Min-
Tradition wird Moderne – ein Campus entsteht                             destens die 15 Minuten Baden im Eisbach zwischen den Vorlesun-
Bisher gibt es in Oberschleißheim ein hübsches Schloss, den ältes-       gen wird Angelina vermissen. Und Laura? „Es war wie ein eigenes
ten noch aktiven Flugplatz Deutschlands und eine Kaderschmiede           kleines Dorf am Englischen Garten“, erzählt sie. „Ich habe aber die
des FC Bayern. Und mittelfristig zieht dort die gesamte Tierärztliche    Abschlussprüfung schon im neuen Hörsaal in Oberschleißheim ge-
Fakultät der LMU auf „einen in Europa einzigartigen Campus“ – so         macht und muss sagen, die Einrichtungen sind schon toll.“ Genau
der Dekan der Fakultät, Reinhard Straubinger (siehe Interview auf        das wird den neuen Campus ausmachen: tolle neue Einrichtungen,
Seite 8).                                                                von der Bibliothek bis zum Skills Labor für Studierende über die
                                                                         Kliniken bis hin zu modernster Infrastruktur für Wissenschaftlerin-
Dabei hat die Tiermedizin gerade in der Innenstadt, in Schwabing,        nen und Wissenschaftler. Und sicher wird bis dahin auch die Nah-
ihren Nukleus – das war die 1790 gegründete Tierarzneischule. Die        verkehrsverbindung gut sein – damit die etwa 1.600 Studenten, 300
Fakultät selbst feierte 2014 ihr 100-jähriges Bestehen. Sie pflegt       Doktoranden und 450 Mitarbeiter im Campus Oberschleißheim ein
ihre Traditionen, sei es das jährliche Grillfest mit den französischen   neues Zuhause für ihre Tiermedizin finden.                     ■ ski
NEUER CAMPUS IN OBERSCHLEISSHEIM WÄCHST - TIERÄRZTLICHE FAKULTÄT - LMU MÜNCHEN
Interview zum Campus OberschleiSSheim
                       „Ein in Europa einzigartiger
                       Campus“
                     Die Tiermedizin der LMU ist weltweit renommiert. Ihr Standort am Englischen Garten
                     ist aus dem Nukleus der „Thier-Arzney-Schule“ seit über 200 Jahren historisch, aber
                     nicht mehr den neuesten Entwicklungen in Forschung und Lehre gewachsen. In Ober-
                     schleißheim entsteht deshalb ein in Europa einzigartiger Campus für die Tierärztliche
                     Fakultät. Die MUM sprach mit Dekan Reinhard Straubinger über Entwicklungen und
thema

                     Herausforderungen.

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                     MUM: Herr Professor Straubinger, ein kurzer Blick zurück: Die       Straubinger: Ich sehe das als sehr positive Entwicklung, die wir da
MUM • NR. 2 • 2019

                     Tierärztliche Fakultät kann auf eine lange Tradition zurückbli-     durchlaufen. Weil wir einen Campus gestalten werden, der aus mei-
                     cken – auch auf dem Campus am Englischen Garten. Werden Sie         ner Sicht einmalig sein wird in Europa – von der Fläche, von der
                     den vermissen?                                                      Konzeption und von der Ansammlung der verschiedensten wichti-
                     Prof. Dr. Reinhard Straubinger: Die Gebäude und die Lage haben      gen veterinärmedizinischen Einrichtungen her – angefangen bei der
                     natürlichen schon ihren Charme – das ist sicher etwas, was wir      Fakultät selbst, über das Lehr- und Versuchsgut, das direkt nebenan
                     vermissen werden. Wie zum Beispiel das Eingangstor der Fakultät,    ist, bis hin zum Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicher-
                     das aber bestehen bleibt. Andererseits haben wir nun die Chance,    heit. So eine Konstellation werden Sie in Europa selten oder gar
                     zum ersten Mal die gesamte Fakultät auf einem Campus zu vereinen.   nicht finden.
                     Wir waren bisher auf bis zu vier Standorte verteilt.
                                                                                         MUM: Die Tiermedizin der LMU ist international renommiert und
                     MUM: Ein kurzer Ausblick nach vorne: Wie sehen Sie die Ent-         wird weltweit in den Top 25 gerankt. Was sind Gründe dafür?
                     wicklung des neuen Campus Oberschleißheim?                          Straubinger: Wir haben großartige Wissenschaftlerinnen und Wis-
                                                                                         senschaftler, die stark vernetzt zusammenarbeiten. Nicht nur in-
                                                                                         nerhalb der Tiermedizin, sondern auch über Fächergrenzen hin-
                                                                                         weg – etwa mit den Humanmedizinern und den Biologen. Das ist
                                                                                         attraktiv und schlägt sich in der Reputation nieder. Aber auch die
                                                                                         Forschungsbedingungen sind sehr gut, wenngleich die räumlichen
                                                                                         Gegebenheiten in Schwabing in den letzten Jahren ein Schwach-
                                                                                         punkt waren und derzeit noch sind. Aber der Ausbau in Oberschleiß-
                                                                                         heim wird das wesentlich verbessern, zumal unsere Forscherinnen
                                                                                         und Forscher in den Prozess stark eingebunden sind.

                                                                                         MUM: Sie sprechen von der Leistung der Wissenschaftlerinnen
                                                                                         und Wissenschaftler. Gibt es Beispiele für besonders starke For-
                                                                                         schungsfelder?
                                                                                         Straubinger: Die Bereiche Public Health, Lebensmittelhygiene, In-
                                                                                         fektionskrankheiten, insbesondere die Zoonosen sowie Einzeltier-
                                                                                         medizin und Bestandsbetreuung spielen große Rollen für unseren
                                                                                         Berufsstand – um nur einige Bereiche zu nennen. Viele unserer Wis-
                                                                                         senschaftlerinnen und Wissenschaftler haben weltweit einen ausge-
                                                                                         zeichneten Ruf. Zum Beispiel Professor Gerd Sutter, der führend in
                                                                                         der Entwicklung der viralen Vektor-Impfstoffe ist. Oder Professor
                                                                                         Eckhard Wolf – weltweit einer unserer besten Reproduktionsmedi-
                                                                                         ziner. Auch die Arbeiten von Professor Joris Peters auf dem Gebiet
                                                                                         der Paläoanatomie gehören zur Weltspitze. Des Weiteren denke ich
                                                                                         an den Kollegen Professor Markus Meißner, unser Parasitologe,
                                                                                         der mit seinen Mitarbeitern in sehr renommierteren Zeitschriften
                                                                                         seine Ergebnisse veröffentlicht. Natürlich denke ich auch an die
                                                                                         herausragenden Tiermediziner aus unseren Kliniken, ob nun aus der
                                                                                         Kleintierklinik, die zum Beispiel herausragende Innere Medizin oder
                                                                                         Chirurgie anbieten oder Professor Rüdiger Korbel, der die Klinik für
Vögel und Reptilien leitet und auf dem Gebiet der Augenkrankheiten
der Vögel weltweit führend ist. Wenn ein Jagdvogel eines Scheichs,
der ein Vermögen wert sein kann, krank wird, dann kommt dieser
schon mal nach Oberschleißheim. Ich könnte noch mehr Namen und
Fachgebiete nennen.

MUM: Die Vogelklinik war die erste Einrichtung am Campus
Oberschleißheim, mittelfristig wird die gesamte Fakultät dort
sein. Was sind die Vorteile für die Forschung?
Straubinger: Zunächst der direkte Kontakt und wissenschaftliche
Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen; die Möglichkeit, ohne
lange Wege aktuelle Themen und Hot Topics aus der Tiermedizin            Campusentwicklung 2019:
zu diskutieren und anzupacken. Wichtig ist zudem, Core-Facilities        Nano-institut, Philologicum, Pferdeklinik
zu bilden – zum Beispiel mit Geräten für bildgebende Verfahren,
für moderne molekulare Methoden oder für aufwendige, hochauf-            Der Umzug der Tiermedizin nach Oberschleißheim ist in vollem
lösende Mikroskopie. Das ist hier am Englischen Garten baulich           Gange: Jüngst wurden der neue Hörsaal und die Cafeteria auf
nicht mehr möglich. Durch die neue Infrastruktur sind wir sehr gut       dem Campus eingeweiht, schon geht es weiter. Im Sommer wird
vorbereitet für Forschungsverbünde und auch für Partner, die nicht       Richtfest gefeiert für das Gebäude, in das die zwei Lehrstühle für
unbedingt von der Universität kommen müssen. Die Forschung kann          Mikrobiologie einziehen werden, und der Bau der neuen Pferde-

                                                                                                                                                   thema
sich noch stärker vernetzen. Für mich ist klar: Durch den Campus         klinik läuft auf Hochtouren. 2020 soll auch sie fertig sein.
werden wir ideal aufgestellt sein in Forschung, Lehre und Service.
                                                                         Das ist aber nur ein Teil der Anstrengungen, den Zuschnitt der
MUM: Stichwort Lehre. Wie profitieren die rund 1.600 angehen-            vier wichtigen Standorte der LMU neu zu gestalten und weiter
den Tiermedizinerinnen und -mediziner, die dann dort ihre Aus-           auszubauen. So ist mit dem Nano-Institut auch der erste Bau des
bildung absolvieren, vom Campus Oberschleißheim?                         künftigen Physik-Campus fertiggestellt, der mit den Jahren am               9
Straubinger: Auch hier sind es erst mal die ganz kurzen Wege. Die        Englischen Garten entstehen wird. Der Neubau an der Königinstra-

                                                                                                                                                   MUM • NR. 2 • 2019
Studierenden müssen im Moment teilweise einmal pro Tag von hier          ße wird im Juni 2019 offiziell eröffnet. Dort forschen LMU-Physiker
nach Oberschleißheim rund 30 Kilometer fahren, und die öffentliche       an den Grundlagen unter anderem von effizienten Systemen der
Verbindung ist noch nicht optimal. Nach dem Umzug haben sie dann         Energiekonversion. Als nächstes soll das sogenannten Forumsge-
alles an einem Ort. Und natürlich profitieren sie von modernsten         bäude gebaut werden, das etwa auch ein Schülerlabor beherbergt.
Einrichtungen für die Lehre: neue Hörsäle mit der Möglichkeit, die
Anatomie der Tiere zu demonstrieren, ein zentrales Skills Lab, wo sie    Und zu Beginn des nächsten Wintersemesters öffnet mit dem
an Modellen üben können; eine neue, geräumige Bibliothek mit ent-        Philologicum die neue Bibliothek für die Sprach- und Literatur-
sprechenden Arbeitsmöglichkeiten und Seminarräume; auch nicht            wissenschaften. Direkt an der Ludwigstraße, in Nachbarschaft zur
zu unterschätzen ist die campusnahe Cafeteria. Und letztendlich          zentralen Universitätsbibliothek der LMU und zur Bayerischen
dann eine Mensa in Reichweite – all das ist für die Studierenden         Staatsbibliothek, werden erstmals alle philologischen Fächer der
ein Riesengewinn.                                                        LMU einen gemeinsamen und besonders gestalteten Ort zum
                                                                         Lernen, Forschen und Austausch haben.
MUM: Und zum Jetzt: dem Status quo des neuen Campus. Wie
muss man sich die Arbeit im Hintergrund vorstellen?                      ■ In Kürze wird im Instagram-Account der LMU ein Rund-
Straubinger: Das heißt zunächst einmal, dass sehr viele Leute im           gang über den neuen Campus in Oberschleißheim zu sehen
Hintergrund zusammenarbeiten. Was am Anfang leicht unterschätzt            sein: www.instagram.com/LMU.muenchen
wird, ist die Komplexität, alles nach Oberschleißheim zu verlegen.
Die Lehrstühle wissen natürlich genau, was sie brauchen und wel-
che Ansprüche sie haben. Aber es gibt viele Bereiche aus Lehre
und Forschung, bei denen man auf ganz besondere Anforderungen
achten muss – zum Beispiel im Falle der Hörsäle, Seminarräume           bliothek. Von der Planung her gesehen wird die neue Bibliothek ein-
oder den genannten Core-Facilities. Diese Planungen sind komplexe       malig. Modern mit großen Räumen, in denen man auch diskutieren
Prozesse, die aus meiner Sicht die Fakultät noch mehr zusammen-         kann, ohne die anderen Lernenden und Besucher zu stören. Viele
schweißen.                                                              Menschen sind am Entwicklungsprozess beteiligt, die aus verschie-
                                                                        denen Bereichen Erfahrung mitbringen, mitdenken, mitarbeiten und
MUM: Bedeutet aber auch zusätzliche Arbeit?                             das derzeit immer noch tun. Nicht zu vergessen die Studierenden,
Straubinger: Natürlich. Wir müssen viel planen, in Jour fixes zusam-    die stark eingebunden sind. Vor allem bei der Planung der Hörsäle
menarbeiten und Betriebskonzepte erstellen. Und wir haben natür-        und der Bibliothek haben wir eng mit der Fachschaft zusammenge-
lich nicht nur einen alltäglichen Laborflächenbedarf. Zum Beispiel      arbeitet und deren Wünsche angehört und berücksichtigt.
gibt es gerade bei den Lehrstühlen für Pathologie und Anatomie
ganz besondere Anforderungen. Die Anatomie muss so ausgelegt            MUM: Der Vizepräsident für den Bereich Studium, Martin Wir-
sein, dass man im Lehrbetrieb große Flächen hat, damit die Studie-      sing, sagte letztens: „So langsam entsteht Campusatmosphäre.“
renden im Studium Tierkörper präparieren können und der Anato-          Spüren Sie das?
mieunterricht praktisch ist. Manche Bereiche müssen zudem von           Straubinger: Also wenn ich in Oberschleißheim vor Ort bin und das
der Statik so konzipiert sein, dass auch mal sechs bis acht Tonnen      jetzt sehe – die neuen Bauprojekte, den bereits fertigen Hörsaal und
bewegt werden können – etwa wenn ein Elefant zur Untersuchung           die Cafeteria, in der die Studierenden sitzen –, fühlt es sich schon
angeliefert wird. Letzte Woche zum Beispiel hatten wir in der Pa-       langsam nach einem Campus an, und ich kann mir ganz gut vor-
thologie ein Nashorn zur Untersuchung.                                  stellen, wie das mal wird. Vor Kurzem waren Kollegen aus anderen
Etwas sehr Positives ist die Zusammenarbeit so vieler unterschiedli-    tierärztlichen Fakultäten zu Besuch, die waren höchst erstaunt. Die
cher Stellen. Sei es das Studentenwerk mit der Planung von Cafeteria    Kinnlade ging runter, als sie sahen, wie das, was bisher Pläne und
und Mensa, die Gemeinde Oberschleißheim oder die Universitätsbi-        Träume waren, Wirklichkeit wird.                    ■ Interview: ski/cdr
E S Sa y
                                                   für eine Kultur des Hinschauens

                                                   „Nur wer für die Juden schreit,
                                                   darf gregorianisch singen“
                                               Im vergangenen Februar hielt Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung
                                               für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe,
essay

                                               die Weiße-Rose-Gedächtnisvorlesung in der Großen Aula der LMU. Seine Rede in gekürzter Form

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M U M • N R. 2 • 2 0 1 9

                                                                    Das Krebsgeschwür einer freien Gesellschaft, der Antisemitismus, zeigt in diesen Ta-
                                                                    gen wieder seine Fratze. In Paris wurde der Philosoph Alain Finkielkraut antisemitisch
                                                                    beschimpft. In Quatzenhaim im Elsass ist ein jüdischer Friedhof in besonders infamer
                                                                    Weise geschändet worden. Im Land der Freiheit, der Gleichheit und Brüderlichkeit
                                                                    sind antisemitische Übergriffe signifikant angestiegen – wie leider in vielen Ländern
                                                                    in Europa.

                                                                    „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.“ Dem evangelischen Theo-
                                                                    logen Dietrich Bonhoeffer werden diese dramatischen Worte aus dem Jahr 1938 zuge-
                                                                    sprochen. Einen eindeutigen Quellenbeleg für dieses Zitat haben wir nicht. Bonhoeffers
                                                                    Ausspruch bringt aber seine Haltung auf den Punkt. Und seine Haltung muss die unsere
                                                                    sein: „Bis hierher und nicht weiter.“ Anstand und Zivilcourage. In dieser Haltung stimmt
                                                                    der spätere Widerstandskämpfer mit den Mitgliedern der Weißen Rose vollkommen
                                                                    überein.
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                           Dr. Ludwig Spaenle ist Beauftragter      Fast wären sie sich persönlich begegnet. Hans Scholl und Alexander Schmorell waren
                           der Bayerischen Staatsregierung für      im November 1942 vom Dienst in einem Feldlazarett in Russland zurückgekehrt, wo
                           Jüdisches Leben und gegen Antise-        ihnen die Grausamkeit der Kriegsführung schmerzlich bewusst geworden war. Bereits
                           mitismus, für Erinnerungsarbeit und      zuvor hatten sie die ersten vier Flugblätter der Weißen Rose geschrieben. Nach der
                           geschichtliches Erbe.                    Rückkehr bereiteten sie ein fünftes Flugblatt vor und versuchten, ihr konspiratives
                           Er war zuvor Bayerischer Staatsmi-       Netzwerk weiter auszubauen.
                           nister für Unterricht und Kultus, Wis-
                           senschaft, Forschung und Kunst.          In diesem Rahmen trafen sie in Chemnitz und München den Regisseur Falk Harnack.
                                                                    Sein Vetter war Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer und Hans Scholl sollten sich am 25.
                                                                    Februar 1943 in Berlin treffen – doch dazu kam es nicht mehr.

                                                                    Während Reichspropagandaminister Joseph Goebbels am 18. Februar vor 76 Jahren
                                                                    im Berliner Sportpalast vor einem fanatischen Publikum den „totalen Krieg“ ausrief,
                                                                    wurden in München Mitglieder der Weißen Rose verhört. Wenige Tage später fand ein
                                                                    Verfahren des Volksgerichtshofs statt, an dessen Ende der Justizmord an Hans und
                                                                    Sophie Scholl sowie Christoph Probst stand. In einem zweiten Verfahren im April 1943
                                                                    wurden Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Kurt Huber zum Tod verurteilt
                                                                    und danach hingerichtet. Viele weitere Unterstützer wurden, teils bis kurz vor Kriegs-
                                                                    ende 1945, verfolgt, eingesperrt und ebenfalls hingerichtet.

                                                                    Was hat diese Menschen dazu bewogen, sich gegen ein totalitäres Regime zu stellen,
                                                                    genau hinzuschauen und der eigenen Wahrnehmung, der Empfindung von allgegen-
                                                                    wärtiger Ungerechtigkeit und Lüge, kurz: dem eigenen Gewissen mehr zu vertrauen
                                                                    als der staatlichen Propaganda? Was hat sie letztlich geführt, aus dem Gesehenen und
                                                                    Erlebten auch Konsequenzen zu ziehen, mit den geringen Mitteln des passiven Wider-
                                                                    stands und unter bewusster Inkaufnahme des eigenen Todes?
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                                                                                                                                                    11

                                                                                                                                                 M U M • N R. 2 • 2 0 1 9
Zu Recht hat die Historikerin Miriam Gebhardt darauf verwiesen, dass    antisemitischer Sprache und Tat scheint schwächer zu werden. Ge-
„die Mitglieder der Weißen Rose aus dem Gesamtbild des deutschen        sellschaftliche Hemmschwellen sinken. Ein Ausweis ist die Zahl anti-
Widerstands herausragten“. Sie gehörten keiner der unterdrückten        semitischer Straftaten, die von 2017 bis 2018 deutlich zugenommen
Parteien wie Sozialdemokraten und Kommunisten an. Sie waren kei-        hat. So hat die Polizei in Deutschland 2018 bundesweit 1.646 antise-
ne Berufsoffiziere wie die Mitglieder des militärischen Widerstands.    mitische Taten registriert, fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die
Sie begründeten, so Miriam Gebhardt, „ihren Widerstand mit nichts       Zahl der gegen Juden gerichteten Gewalttaten ist nach Polizeianga-
weiter als mit ihrer persönlichen Einsicht in das Unrecht der natio-    ben von 2017auf 2018 von 37 auf 62 angestiegen.
nalsozialistischen Diktatur. Sie haben als Privatmenschen gehandelt.
Ihr einziges Kapital war ihre innere Autonomie.“                         „Nirwana des Internets“
                                                                         Woher kommt diese Entwicklung? Antisemitismus ist so alt wie das
Besonders bemerkenswert scheint mir, dass die Mitglieder der Wei-        Judentum selbst. Seit dem Jahr 70 nach Christus war das Judentum
ßen Rose frühzeitig auf die Verfolgung und Ermordung jüdischer           die wohl prominenteste Minderheit auf diesem Erdball. Und das Ju-
Menschen hingewiesen haben. „Hier sehen wir das fürchterlichste          dentum sah sich immer der Notwendigkeit ausgesetzt, sich in Mehr-
Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich           heitsgesellschaften einzubringen und dabei ein Stück weit seine
kein ähnliches in der ganzen Men-                                                                         Identität zu bewahren. Das stieß
schengeschichte an die Seite stellen                                                                      immer wieder auf Ablehnung, auf
kann“, heißt es im zweiten Flugblatt. „Hier sehen wir das              fürchterlichste                    Erklärungsbedarf, auf Missver-
Und ebenso klar ist die Schlussfolge-                                                                     ständnisse.
rung: „Jetzt, da man sie [die Natio-  Verbrechen an der Würde des Menschen,
nalsozialisten] erkannt hat, muss es                                                                      Damit geht in unseren Tagen eine
die einzige und höchste, ja heilige                                                                       Verrohung von Teilen der Gesell-
                                      ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches
Pflicht eines jeden Deutschen sein,                                                                       schaft einher, die sich auch auf an-
diese Bestien zu vertilgen!“                                                                              tisemitische Einstellungen, Aussa-
                                        in der ganzen Menschengeschichte an die gen und Handlungen bezieht. Die
Anstand und Mut zum                                                                                       Gründe sind vielfältig: Die Globa-
Widerstand                              Seite stellen kann.“                                              lisierung, das Nachlassen sozia-
Die Mitglieder der Weißen Rose sind                                                                       ler Bindungen mögen dabei eine
nach allen gängigen Maßstäben das,                                                                        Rolle spielen. Im „Nirwana des
was man ein Vorbild nennen kann. Welche anderen Voraussetzungen Internets“ lassen sich Ressentiments und Hass mühelos und schran-
für ihr Tun fänden sie im Hier und Heute vor? Eine demokratische kenlos verbreiten. Tatsachen werden nach Bedarf und Interessenla-
Gesellschaft mit unveräußerlichen Grundrechten ihrer Bürger, ein ge verdreht, Nachrichten manipuliert und verfälscht. Und jetzt der
wohlhabendes Land, das zum Zielort für Menschen aus aller Welt entscheidende Punkt: Aus Ideen und Ansichten werden Worte, aus
geworden ist. Ein Land, in dem Meinungsvielfalt und Meinungsfrei- Worten leider rasch Handlungen. Deshalb bedarf es einer Kultur des
heit herrschen, ein Land, in dem der Staat sogar einen Beitrag leistet, Hinschauens, eines klaren „nicht weiter“, eines „wir widerstehen“.
dass die Menschen ihren Glauben aktiv leben dürfen.
                                                                        Für uns alle erschreckend ist das Erstarken rechtsgerichteter, popu-
Antisemitismus erreicht neue Dimension                                  listischer Parteien und Bewegungen. Mich trifft es als Politiker und
Umso erschreckender ist es, dass in unserem Staat der Antisemitis- als Historiker besonders hart, dass der gesellschaftliche Konsens des
mus uns immer noch seine hässliche Fratze zeigt. Mit Bestürzung „Nie wieder“ in Teilen der Gesellschaft anscheinend zur Disposition
registrieren wir ganz aktuell verbale und physische Gewalt gegen steht. Wer das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in der
jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Das lange Zeit gültige Tabu Mitte unserer Hauptstadt als „Mahnmal der Schande“ bezeichnet,
wer die zwölf Jahre nationalsozialistischer Gewaltherrschaft als „Vo-     stellen – und da passt der Begriff einmal – ein Commitment unseres
                           gelschiss in der deutschen Geschichte“ (beides Zitate) abtut, der zeigt   Staates und unserer Gesellschaft dar.
                           deutlich, an welche geistige Haltung hier angeschlossen wird. Dazu
                           gehört auch der gespenstisch anmutende Aufmarsch im Zusammen-             Wir erhalten viele positive Reaktionen. Im Gespräch etwa mit den
                           hang mit den Vorfällen in Chemnitz im vergangenen Sommer. Eine            israelitischen Kultusgemeinden in Bayern wurde mir sehr deutlich
                           dreistere missbräuchliche Inanspruchnahme der Weißen Rose ist mir         gemacht, dass ein solcher Ansprechpartner bisher gefehlt hat. Wenn
                           persönlich noch nie begegnet. Hier geht es um bewusst kalkulierte         antisemitische Vorfälle in der Öffentlichkeit bekannt wurden, dann
                           Tabubrüche, auch wenn diese danach scheinbar relativiert werden.          kam man über die tagesaktuelle Erregung hinaus oftmals zu der
                           Selbst die Relativierung ist Teil einer Strategie, um die Grenzen für     Aussage: „Das ist eure Sache.“ Es ist nicht ihre Sache. Es ist unsere
                           Aussagen und Handlungen sukzessive zu verschieben.                        Sache, wenn in der Mitte unserer Gesellschaft Menschen aufgrund
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                                                                                                     ihres Glaubens in ihrer Unversehrtheit angegangen werden.
                           Doch auch in der Maske der Israel-Kritik treten antisemitische Auffas-
                                                                                           Ein umfassendes Gesamtkonzept gegen
                           sungen deutlich zutage – nicht zuletzt im linksextremen Feld. Kritik
                           an jeder Regierung auf der Welt ist legitim und möglich. Doch esAntisemitismus
10                         findet sich kein Land der Welt, dessen Eigenname als Kompositum In einer offenen Gesellschaft mit freier Berichterstattung ziehen anti-
                           mit dem Wort „Kritik“, also „Israelkritik“, im Duden verzeichnet wäre
                                                                                           semitische Vorfälle zu Recht Protest und Verurteilung nach sich. Das
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                           – außer eben beim Staat Israel.                                 Phänomen des Antisemitismus ist so aber nicht wirkungsvoll zu be-
                                                                                                                              kämpfen. Dies gilt umso mehr, als
                           Aktueller denn je sehen wir uns in                                                                 Deutschland leider keinen Einzel-
                           Deutschland, auch in Bayern, mit           Es geht auch darum, das Bewusstsein                     fall darstellt. In ganz Europa zeigen
                           islamistisch begründetem Antisemi-                                                                 sich verstärkt antisemitische Ten-
                           tismus konfrontiert – Vorfälle wie in      dafür zu schärfen, dass jüdisches Leben                 denzen, teils gefördert von auto-
                           Berlin haben bundesweit für Schlag-                                                                ritären, nationalistischen Parteien
                           zeilen gesorgt. Es bedarf auch hier                                                                und häufig verbunden mit Motiven
                           einer Kultur des Hinschauens. Es ist       seit Jahrhunderten unser Land prägt.                    von Fremdenfeindlichkeit.
                           schlimm genug, wenn der Präsident
                           des Zentralrats der Juden, Dr. Schus-                                                                       Im Dezember hat die Menschen-
                           ter, einmal davor gewarnt hat, die Kippa in der Öffentlichkeit zu tra-    rechtsagentur der Europäischen Union dazu eine europaweite Studie
                           gen. Dies kann nicht sein.                                                vorgelegt: Über 80 Prozent der befragten Jüdinnen und Juden waren –
                                                                                                     in unterschiedlichen Formen – mit Antisemitismus konfrontiert. Jeder
                           Eine zusätzliche Herausforderung besteht aus dem Zuzug zehntau-           Vierte hat bereits über Auswanderung nachgedacht.
                           sender Muslime in den vergangenen Jahren. Viele Menschen kamen
                           zu uns ins Land, denen von Jugend an Israel als Feindesland präsen-       Angesichts dieser Situation brauchen wir ein Gesamtkonzept, das
                           tiert wurde.                                                              uns aus der Reaktion in die Aktion bringt, das antisemitische Ein-
                                                                                                     stellungen langfristig und nachhaltig bekämpft und antisemitische
                           Wachsamkeit ist gefragt – Beauftragte für                                 Taten verhindert.
                           jüdisches Leben und gegen Antisemitismus
                           Angesichts dieser komplexen Situation sind wir alle zu intellektu-        Konkrete Vorhaben – Meldestelle, Jugendwerk
                           eller Wachsamkeit und Gegenwehr aufgefordert. Und zwar auf der            und Digitalisierung von Archiven
                           Grundlage eines Menschenbildes, das auf den Werten der christlich-        Ein erster wichtiger Schritt liegt in der Einrichtung einer niedrig-
                           jüdisch-abendländischen Vorbildern und der Aufklärung ruht.               schwelligen Meldestelle für antisemitische Vorfälle, die dank der Un-
                                                                                                     terstützung des Bayerischen Sozialministeriums und des Bayerischen
                           Die Einrichtung eines Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung,       Jugendrings nun erfolgt. Jüdische wie nicht-jüdische Betroffene und
                           auch von Beauftragten in anderen Ländern und auf Bundesebene, die         Zeugen werden die Möglichkeit erhalten, Vorfälle von Beschimp-
                           sich mit diesem Thema beschäftigen, setzt hier ein wichtiges Zeichen.     fungen bis hin zu physischen Übergriffen zu melden – ohne große
                           Wichtig ist aber auch, dass nun voransteht, für was die Beauftragung      Hürden, bei möglichst weitgehender Wahrung der Anonymität. Ge-
                           steht: nämlich für jüdisches Leben in der Mitte unserer Gesellschaft,     schultes Personal wird entsprechend beraten und dann im Einzelfall
                           gegen Antisemitismus, und für die Erinnerung an das, was in deut-         mit den Sicherheitsbehörden in Kontakt treten. Damit können wir
                           schem Namen geschah. Das ist der Auftrag, der mir gegeben ist. Es         Menschen, die unter solchen Vorfällen leiden, ein Stück weit Hilfe
                           geht bei diesem Ringen um eine Kultur des Hinschauens um nichts           anbieten.
                           weniger als um die Bewahrung der Menschenwürde im Alltag.
                                                                                                     Als zentrales Projekt habe ich die gesamtgesellschaftliche Durchdrin-
                           Dass es diese Beauftragten heute gibt, löst ein zwiespältiges Gefühl      gung mit einem proaktiven Dialog zum Thema „Antisemitismus“ an-
                           aus: Ich hätte mir selbst in meiner politischen Arbeit vor zehn Jahren    gestoßen. Ziel ist eine Präventionsstrategie zur Sensibilisierung aller
                           nicht vorstellen können, dass solche Funktionen einmal dringend ge-       politischen und gesellschaftlichen Gruppen. Ich will allen politischen
                           braucht werden. Mir ist bewusst, dass diese Aufgabe sehr groß ist,        Entscheidungsträgern die Annahme einer Antisemitismus-Definition
                           man im Prinzip sisyphusartig unterwegs ist. Aber diese Beauftragten       der IHRA empfehlen. Die IHRA, die International Holocaust Remem-
brance Alliance, ist ein Expertengremium mit Vertretern aus 31            Wir geben Bayern sein jüdisches Gesicht wieder, wenn dieser Weg
Staaten, das 2016 eine knappe Arbeitsdefinition von Antisemitismus        gegangen werden sollte.
entwickelt hat. Sie ist mittlerweile von neun Staaten und Gebietskör-
perschaften in Europa angenommen worden, auch vom Deutschen               Wir müssen auch das Bild des Staates Israel in seiner ganzen Dif-
Bundestag. Mein Ziel ist es, dass auch die Bayerische Staatsregierung     ferenziertheit deutlicher machen. Und was kann dazu besser bei-
und der Landtag sich diese Definition zu eigen machen, aus der prak-      tragen als das gegenseitige Kennenlernen. Deswegen habe ich den
tische Konsequenzen erwachsen können.                                     Vorschlag unterbreitet, ein bayerisch-israelisches Jugendwerk zu
                                                                          schaffen, das aufbauen kann auf Jahrzehnte von Austauscharbeit
Darüber hinaus empfehle ich die Diskussion und die Annahme dieser         unterschiedlichster Einrichtungen und Personen. Ich habe selbst in
Definition aber auch allen kommunalen Spitzenverbänden, allen Insti-      meiner früheren Funktion einen Rahmenvertrag zwischen dem Frei-

                                                                                                                                                  essay
tutionen aus Wirtschaft, Politik, Kirchen, Gesellschaft, Sport und Kul-   staat Bayern und dem Staat Israel schaffen können, der sich genau
tur. Auch der LMU und den anderen bayerischen Hochschulen werde           mit diesen Fragen der Erinnerungsarbeit, des historischen Lernens,
ich dies vorschlagen. Wir brauchen eine breite öffentliche Diskussion     des Austauschs beschäftigt.
und Bewusstseinsschärfung darüber, wie Antisemitismus wirkt und
wie er sich wirkungsvoll bekämpfen lässt. Diese Strategie hat sowohl      Im schulischen Bereich setze ich mich für eine stärkere Vermittlung        11
national wie auch auf europäischer Ebene sowie im Dialog mit dem          des Nahostkonflikts ein, vor allem aber eben auch für die Vermittlung

                                                                                                                                                  M U M • N R. 2 • 2 0 1 9
US-Beauftragten gegen Antisemitismus Interesse gefunden.                  eines differenzierten, faktengetreuen Bildes des Staates Israel. Das
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Doch es ist mir wichtig, den Kampf nicht nur gegen etwas zu führen,       notwendig.
sondern auch Positives zu benennen, Kenntnis davon zu geben, da-
für zu werben. Es war ein Wunsch der jüdischen Community, dass            Als letzten Punkt meiner Agenda will ich das demokratische Bayern
wir für jüdisches Leben, für Erinnerungsarbeit und in Bayern auch         stärker in den Blickpunkt rücken. Vor gut 100 Jahren wurde der Frei-
für geschichtliches Erbe und seine Tradierung eintreten. Der Einsatz      staat Bayern gegründet, vor rund 70 Jahren traten die bayerische Ver-
für jüdisches Leben basiert auf dem Grundgedanken, dass eigene            fassung und das Grundgesetz in Kraft. Doch viele Persönlichkeiten,
Erfahrungen und eigenes Wissen gute Mittel gegen Vorurteile und           die daran beteiligt waren, werden öffentlich kaum wahrgenommen.
Hass sind. Es ist mir ein Anliegen, dass dieser Spruch „Wenn dir hier     Die Bedeutung demokratischer Strukturen, die Wichtigkeit von Prin-
etwas nicht passt, dann geh in deine Heimat Israel!“ nicht mehr fällt.    zipien wie Föderalismus und Subsidiarität, müssen in allen Bereichen
                                                                                                          wieder stärkere Beachtung finden.
Es geht auch darum, das Bewusst-
sein dafür zu schärfen, dass jüdi-       Der Einsatz für jüdisches Leben basiert                      Auch hier kann man sich auf die
sches Leben seit Jahrhunderten un-                                                                    Weiße Rose berufen. Es ist immer
ser Land prägt. Wir werden im Jahr       auf dem Grundgedanken, dass eigene                           eine Herausforderung, historische
2021 besondere Gelegenheit haben,                                                                     Persönlichkeiten mit heutigen Maß-
daran zu erinnern. Anlass ist ein De-                                                                 stäben zu messen und sie gleichsam
kret Kaiser Konstantins aus dem Jahr
                                         Erfahrungen und eigenes Wissen gute                          für aktuelle Zwecke in Dienst zu neh-
321 nach Christus, das als frühester                                                                  men. Das fünfte Flugblatt der Wei-
Beleg einer jüdischen Gemeinde in        Mittel gegen Vorurteile und Hass sind.                       ßen Rose schließt aber mit Forde-
Köln gilt. Für Bayern kann man viel-                                                                  rungen ab, die wir alle übernehmen
leicht sagen, dass im Land südlich                                                                    dürfen und sollen:
des Limes mit dem Kommen der Römer auch jüdisches Leben be- „Das kommende Deutschland kann nur föderalistisch sein… Freiheit
gonnen hat. In unserer Stadt war es Abraham der Municher im 13. der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers
Jahrhundert. Seit Jahrhunderten prägen Jüdinnen und Juden dieses vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grund-
Land und unser historisches Erbe. Diese Tatsache werden wir 2021 lagen des neuen Europa.“
mit einem breit angelegten Reigen von Veranstaltungen würdigen.
                                                                       Im Jahr der Europa-Wahl steht es uns allen gut an, auf diese Worte
Dazu habe ich ein besonderes Projekt vorgeschlagen. In der Reichs- zu hören.
pogromnacht kam von Reinhard Heydrich, dem Chef des Reichssi-
cherheitshauptamtes, die Anordnung, die Archive der später zerstör- Summa
ten jüdischen Gemeinden in ganz Deutschland sicherzustellen und Nur mit einer engagierten Kultur des Hinschauens – wie sie die Weiße
zu sammeln. Diesem Auftrag wurde Folge geleistet. Die Archivalien Rose praktiziert hat – werden wir heute unserer Verantwortung für
haben den Krieg überlebt und sind Anfang der 1950er-Jahre an den Jüdinnen und Juden in unserem Land gerecht. Denn unter vielfältigen
jungen Staat Israel überstellt worden. Ich war selbst in Jerusalem und Gestalten und unterschiedlichen Motiven kommt der Antisemitismus
konnte in den Central Archives for the History of the Jewish People wieder zum Vorschein. Ja, er war immer da. Wir sind also gefordert,
deren Reichtum kennenlernen. Mein Vorschlag geht dahin, dass die uns an die Seite von Jüdinnen und Juden zu stellen.
Archivalien dieser mehr als 300 ehemaligen jüdischen Gemeinden in
Bayern digitalisiert werden und über die Staatlichen Archive Bayerns
einsehbar werden – für die Wissenschaft und für alle Interessierten.
Profile

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MUM • NR. 2 • 2019

                     Studentisches CAP-EU-Projekt

                     Zukunftsideen für die 27
                          Im Rahmen eines Kooperationsprojektes der regionalen Vertretung der EU-Kommission mit
                          dem Centrum für Angewandte Politikforschung (CAP) haben Studierende der Politikwis-
                          senschaft und thematisch anschlussfähiger Fächer Lösungsvorschläge für die Herausforde-
                          rungen der EU erarbeitet. Die Chance, dass die Vorschläge auch ihren Adressaten finden,
                          stehen nicht schlecht.

                                       Professor Werner Weidenfeld zählt auf, wie viele „Begrüßungsküsschen“ ihm der Noch-Chef der EU-Kom-
                                       mission Jean-Claude Juncker beim letzten Treffen in Brüssel verabreicht hat: insgesamt 9. Eine Geste der
                                       Herzlichkeit, die im Umgang vieler EU-Staaten miteinander nicht mehr vorhanden ist – die Rückbesinnung
                                       auf die Nation ist Programm, nur allein scheint man stark zu sein.

                                       Und im Mai ist Europawahl. Da will die EU-Administration natürlich viele Europäer zum Urnengang motivie-
                                       ren. Denn eine gute Wahlbeteiligung wäre ein starkes Signal für den Staatenverbund nach dem Brexit-Desas-
                                       ter und angesichts zahlreicher Herausforderungen in der Sozial-, Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik. Vor
                                       allem die sinkende Akzeptanz der EU ist ein Problem. Treffend heißt es im Weißbuch dazu: „Und dennoch
                                       ist die Union für viele Europäer entweder viel zu weit weg .... Andere bezweifeln, dass ihnen Europa etwas
                                       bringt und fragen sich, wie Europa ihren Lebensstandard verbessern kann.“ Das Weißbuch ist ein 2017 von
                                       Jean-Claude Juncker angestoßenes Projekt, mit dem die zukünftige Entwicklung der Union aus Sicht ihrer
                                       Bürger eingeschätzt werden soll; sie sollen ihre Vorschläge, Wünsche und Hoffnungen artikulieren – mehr
                                       Bürgernähe ist ein Ziel des Projekts.

                                       Gerade junge Menschen mit wissenschaftlichem Background sind dabei eine attraktive Zielgruppe. Die Mün-
                                       chener Vertretung der EU-Kommission nutzte ihre guten Kontakte zum CAP, um gemeinsam Studierende
                                       zu motivieren, ihre ganz eigenen Lösungsvorschläge zu verschiedenen Themen zu artikulieren. Mit Begeis-
                                       terung machten sich im vergangenen Semester zwölf Studentinnen und Studenten verschiedener Fächer
                                       und verschiedener bayerischer Universitäten an die Arbeit. Im Februar wurden die Ergebnisse präsentiert
                                       und anschließend mit Landtagspolitikern diskutiert. „Das Schöne war, dass wir uns die Themen selbst
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