MAN und MT Aerospace Raketenproduktion, die "zivile" Raumfahrt und die französische Atomwaffe von Peter Feininger - Informationsstelle Militarisierung

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MAN und MT Aerospace Raketenproduktion, die "zivile" Raumfahrt und die französische Atomwaffe von Peter Feininger - Informationsstelle Militarisierung
IMI-STUDIE                                                                      Nr. 1/2018 - 24.1.2018 - ISSN: 1611-213X

                                   MAN und MT Aerospace
                                   Raketenproduktion, die „zivile“ Raumfahrt
                                   und die französische Atomwaffe
                                   von Peter Feininger

Inhaltsverzeichnis                                                 Einleitung
MAN/MT Aerospace und die Ariane-Raketen - 2                          Schon immer wird das Bild einer vermeintlich „zivilen“ Raum-
 Die Mitteilung - 2                                                fahrt suggeriert, obgleich die Branche schon seit ihren Anfän-
 Die Stahlvariante - 2                                             gen auch militärischen Zwecken dient. Daran hat sich bis heute
 Ohne Ariane kein französisches Atomprogramm - 3                   nichts geändert, wie im Folgenden am Beispiel der Stadt Augs-
 Vorgeschichte: Ariane und französisches                           burg und der Rolle der dort ansässigen MAN bzw. MT Aerospace
 Atomprogramm - 6                                                  gezeigt werden soll, die den deutschen Anteil am Ariane-Pro-
 EADS übernimmt die französische Nuklearwaffe - 7                  gramm in der Hauptsache entwickeln und produzieren. MAN
                                                                   Neue Technologie verwendete bei der Ariane von Anfang an
Die Ariane-Städte: Nahe an der Atomwaffe - 14                      auch NS-Technologie der V2 und entwickelte diese weiter. Mit
 Geschichtliche Leerstellen - 14                                   ihren Gaszentrifugen spielte die MAN eine zentrale Rolle bei
 „Krieg als Vater der Raumfahrt“ - 16                              der Urananreicherung in Europa und sogar weltweit und schuf
 In den Ariane-Städten lagert die Rüstungsindustrie - 17           die technologische Basis für die Proliferation der Atombombe.
 Arianespace vermarktet auch Rüstungsprojekte - 18                 Wir können nachweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen
Fazit: Zur Rolle von MT Aerospace bei Ariane                       den Entwicklungsphasen der französischen U-Boot-gestützten
und M51 - 28                                                       Nuklearrakete M51 und der Produktion der Ariane 5 und 6 gibt.
                                                                   Das Augsburger Raumfahrtunternehmen MT Aerospace, Nach-
Kästen:                                                            folger von MAN Technologie, arbeitet im Auftrag von Airbus
-- CFK-Booster für Ariane 6 erfolgreich getestet                   Safran Launchers, inzwischen ArianeGroup, an der europä-
-- MAN: Führender deutscher Rüstungsbetrieb                        ischen Trägerrakete Ariane 6. ArianeGroup ist gleichzeitig auch
-- Die Anfänge der europäischen Raumfahrt – Vorbereitung des       komplett zuständig für die französischen Atomraketen M51 bzw.
Schlachtfeldes                                                     M51.3. Es ist nicht auszuschließen, dass MT Aerospace über
-- MAN Technologie – auch führend bei der Urananreicherung         ArianeGroup direkt oder indirekt an den französischen Nuklear-
-- Vertrag zur Herstellung des M51-Waffensystems                   raketen mitwirkt. Hinzu kommt die euphorische Raumfahrtpro-
                                                                   paganda über die „Gemeinschaft der Ariane-Städte“, der auch
                                                                   die Stadt Augsburg erliegt und sich damit leichtsinnig einreiht
Titelbild: Das Boostergehäuse aus Carbonfasern für die Ariane      in ein Netzwerk, das von deutsch-französischen Rüstungs- und
6 wurde beim DLR Stuttgart und Augsburg in Kooperation             Atom-Rüstungskonzernen beherrscht wird, darunter Städte, in
mit MT Aerospace entwickelt und gefertigt. Foto: 2015-07-01.       denen die ballistischen Raketen für die französischen Atomwaf-
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)                                            fen hergestellt werden.

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MAN/MT Aerospace und die Ariane-Raketen                               Die Mitteilung

  Im Folgenden soll einer Mitteilung des Augsburger Wirtschafts-        Stolz teilte die Wirtschaftsreferentin der Stadt Augsburg in
referats nachgegangen werden, dass ein neuartiger Booster aus         ihrem Newsletter vom Juli mit, dass ein CFK-Boosters für die
Carbon für die Ariane 6 erfolgreich hergestellt und getestet          Ariane 6 erfolgreich getestet worden sei. Wir geben diese Mittei-
wurde. Hauptbeteiligte sind das Deutsche Zentrum für Luft- und        lung vollständig wieder, da sie neben dem verständlichen Über-
Raumfahrt und hier die Abteilung für Leichtbau, MT Aerospace          schwang sehr faktenreich daherkommt. Sie nennt einige wichtige
Augsburg – früher MAN Technologie –, die europäische Raum-            Tatsachen, lässt andere aber weg und suggeriert damit einen Ein-
fahrtagentur ESA und die Bayerische Staatsregierung. Nicht            druck, der trotz aller Sachlichkeit bei weitem nicht der ganzen
genannt wird zum Beispiel Airbus Safran Launchers, ein Joint          Wahrheit entspricht.3 Natürlich kann man in eine Pressemittei-
Venture, das zu gleichen Teilen von Airbus Defence and Space          lung nicht alles reinpacken, was wichtig wäre. Aber, ob die Tech-
und dem französischen Rüstungs- und Technologiekonzern                nologie des Boosters für die Ariane 6 auch Verwendung finden
Safran gehalten wird. Airbus Safran Launchers, das seit Juli 2017     wird bei der Weiterentwicklung der Trägerrakete der französi-
Jahres als Ariane Group firmiert, entwickelt und liefert zivile und   schen Nuklearstreitmacht M51, wäre schon interessant. Auch,
militärische Trägerraketen. Airbus Safran Launchers schreibt          ob die Eignung des Boosters oder einer Abwandlung davon als
zur Unterzeichnung des Ariane-6-Programms mit der ESA: „Als           nukleare Interkontinentalrakete schon bei der Entwicklung des
Hauptauftragnehmer für die europäischen Trägerraketenfamilien         Ariane 6-Programms eine maßgebliche Rolle gespielt hat und
Ariane 5 und Ariane 6 und für die ballistischen Trägerraketen der     mit den aktuellen Tests des Prototyps auch diese Eigenschaft mit-
französischen Marine verfügt das Unternehmen über modernste           geprüft wird, – auch dies wäre interessant. Die Pressemitteilung
Technologien für Startsysteme und Raketenantriebe.“1                  der Stadt Augsburg, die eigentlich von MT Aerospace stammt,
  Der Hauptauftragnehmer Airbus Safran Launchers ist in der           weiß von alledem nichts und lautet ganz harmlos und sehr zivil
deutschen Öffentlichkeit kaum bekannt und vor allem nicht             (siehe Kasten).
der volle Umfang seines Rüstungsprogramms. Die Augsburger
MT Aerospace AG hat im Juni einen Vertrag mit Airbus Safran           Die Stahlvariante
Launchers über die Entwicklung wesentlicher Tank- und Struk-
tur-Bauteile für die neue europäische Trägerrakete Ariane 6             Zur Erläuterung: Mit Booster wird hier ein Zusatztriebwerk
abgeschlossen. „Der Auftrag beinhaltet alle erforderlichen Ent-       bzw. die erste Stufe einer Trägerrakete bezeichnet. Die Ariane
wicklungsarbeiten im Bereich ‚Tanks und Strukturen‘ bis zum           6 soll mit zwei bzw. vier Boostern ausgerüstet werden. Im Fall
geplanten Erstflug der Rakete im Jahr 2020 …“, schreibt die           der Ariane wird ein Feststoffantrieb eingesetzt. Damit wird der
Augsburger Allgemeine.2                                               Booster befüllt. Die eigentliche Kunst ist aber das Gehäuse, auch
  Im nachfolgenden Teil 1 soll es um die Vorgeschichte der            Raketenmotorgehäuse genannt. Dieses wurde und wird für die
Ariane-Produktion, um die Rolle der französischen Nuklearra-          Ariane-Rakete komplett in Augsburg hergestellt.
keten dabei und die eminente strategische Bedeutung der MAN             „Feststoffraketen werden heute unterschiedlich genutzt, sowohl
als Rüstungskonzern gehen. Die jetzige MT Aerospace AG ist            für militärische als auch zivile Zwecke wie die Luft- und Raum-
ja – wahrscheinlich aus übergeordneten strategischen Gesichts-        fahrt“ – schreibt Wikipedia viel- und nichtssagend.4 Die Fest-
punkten, auf die sich die deutschen Rüstungs-, Wirtschafts-,          stoffbooster sind eine Entwicklung der MAN in Augsburg. Seit
Politik- und Militäreliten verständigt haben – 2005 aus einer         fast 30 Jahren baut die Tochterfirma MAN Technologie „die bis-
MAN-Tochter entstanden.                                               herige Stahl-Variante“ dieser Booster für die Ariane 5 Trägerra-
                                                                      kete.

 CFK-Booster für Ariane 6                     der europäischen Raumfahrt insgesamt.        jekt KOFFER) an der Entwicklung einer
 erfolgreich getestet                         Ich gratuliere der MT Aerospace AG zu        hochmodernen Fertigungstechnologie für
                                              diesem Erfolg. Davon profitiert nicht        die Kohlefaserverarbeitung. Durch das
 „Am 19. Juli hat das Augsburger Raum-        nur Augsburg sondern damit wird der          neu entwickelte Verfahren mit Infusions-
 fahrtunternehmen MT Aerospace AG, eine       Freistaat insgesamt als einer der führen-    technologie werden im Vergleich zum
 Tochter des börsennotierten Technologie-     den europäischen Hightech-Forschungs-        gängigen Nasswickelverfahren wesent-
 konzerns OHB SE, eine neue Technologie       und -Produktionsstandorte gestärkt.“         lich Kosten eingespart, was deutlich zur
 für kohlefaserverstärkte Raketenmotorge-     Das Raketengehäuse mit 3,5 Meter             Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
 häuse (CFK-Booster) erfolgreich getestet.    Durchmesser und 6 Meter Länge                der neuen europäischen Rakete beiträgt.
 Augsburg soll neben dem Standort             wurde in Stuttgart bei der Materialprü-      Bei MT Aerospace läuft bereits seit
 Colleferro nahe Rom der zweite Pro-          fungsanstalt auf Anforderungen eines         2015 die Produktentwicklung für die
 duktionsstandort      für    CFK-Booster     Raketenstarts getestet. Dabei wurden         ARIANE 6 CFK-Booster, begleitet
 der neuen europäischen Trägerrakete          Drucklasten von über 125 bar simuliert.      durch seitens der Bayerischen Staatsre-
 Ariane 6 werden, die die bisherige           Der       CFK-Booster        hat      alle   gierung geförderte Fertigungstechno-
 Stahl-Variante der Ariane 5 ersetzen.        Tests        erfolgreich       bestanden.    logie-Projekte, wie auch die Planungen
 Mit dem erfolgreichen Test wurde ein         Seit Sommer 2013 arbeitet MT Aero-           für die Produktionshallen und -einrich-
 entscheidender Meilenstein erreicht.         space zusammen mit dem Projektpartner        tungen. Der Jungfernflug für die neue
 Bayerns Wirtschafts- und Technologie-        DLR-Zentrum für Leichtbau-Produkti-          ARIANE 6 ist für 2020 avisiert.“ (Quelle:
 staatssekretär Franz Josef Pschierer: „Der   onstechnologie (DLR-ZLP) im Auftrag          www.mt-aerospace.de, 25. Juli 2017)
 erfolgreiche Test der CFK-Booster ist        der Europäischen Raumfahrtagentur
 ein wichtiger Schritt für die Entwicklung    ESA (Projekt FORC) und der Bayeri-
 der ARIANE 6 Trägerrakete und damit          schen Staatsregierung (DLR-ZLP Pro-

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                       Modell einer Ariane-5-Rakete, das vor dem Eingang der Bundeskunsthalle steht. Quelle: DLR (CC-BY 3.0)

  Extra für deren Fertigung wurde eine 5400 m² große sowie 18       strahlschweißanlage mit einer riesigen zylinderförmigen Vaku-
Meter hohe klimatisierte Produktionshalle gebaut und mit einem      umkammer.5
fast vollständig neuartigen Spezialmaschinenpark ausgerü-
stet. „Maschinenfabrik für das nächste Jahrhundert“ nannte der      Ohne Ariane kein französisches Atomprogramm.
damalige bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß den
riesigen Komplex, als er ihn am 30. September 1988 einweihte.         Das französische Atomwaffenprogramm ist bei der Entwick-
  Die Stahl-Varianten der Booster bestehen jeweils aus drei Seg-    lung der Ariane von Anfang an tangiert. Der Spiegel hat dies
menten, sind etwa 30 m lang (24,75 m Segmentlänge), haben           vielleicht als einzige deutsche Zeitung öffentlich erwähnt, ohne
einen Durchmesser von 3,05 m, eine Wandstärke von 8,1 mm            jedoch konkret zu werden. Anlässlich eines Gipfeltreffens der
und fassen jeweils 238 Tonnen Festtreibstoff. Die Wandstärke        europäischen Raumfahrtorganisation (Esa) im November 2012
von 8 mm ohne Einbuße an der nötigen Festigkeit wird durch          gab es Streit zwischen Frankreich und Deutschland um die
Walzen des Stahls in einem komplexen und wahrscheinlich tech-       Weiterentwicklung der Ariane. Frankreich favorisierte mit der
nisch einzigartigen Verfahren erreicht: Die selbst entwickelte      Ariane 6 die Neuentwicklung einer kleineren Rakete – wahr-
zwölf Meter hohe und 550 Tonnen schwere computergesteuerte          scheinlich, weil dies auch besser zu seinem Nuklearwaffenpro-
Gegenrollen-Drückwalzanlage, mit der sich weltweit erstma-          gramm gepasst hätte. Deutschland wollte damals die Ariane 5
lig Teile dieser Größenordnung vollautomatisiert verarbeiten        weiterentwickeln und vergrößern, bzw. eine Ariane 5 ME als
lassen. Ihre vier Rollenpaare „drücken“ mit je 80 Tonnen von        Zwischenschritt.
innen und außen gegen die Wand des sich drehenden Bauteils.           Der Spiegel schrieb damals6: „Nun kommt also zunächst die
Während die Wandstärke allmählich auf 8,1 Millimeter redu-          Ariane 5 ME […]. Die Ariane 6 kommt ebenfalls, nur etwas
ziert wird, „wächst“ der Zylinder auf eine Höhe von 3,5 Meter.      später. Die französische Ministerin Fioraso sagte, bis 2021 oder
Das gesamte Booster-Gehäuse sei mit nur knapp 20 Tonnen ein         2022 solle die neue Rakete fliegen. Antonio Fabrizi, der bei der
Leichtgewicht unter allen verfügbaren Metallhülsen, da sein         Esa die Entwicklung der neuen Geräte verantwortet, stellte schon
Anteil am Gesamtgewicht des Feststoffboosters weit unter zehn       einmal klar: Die unteren beiden Stufen der Ariane 6 werden mit
Prozent liegt, schrieb die European Space Agency ESA vor zehn       Feststofftriebwerken angetrieben, darüber kommt die Oberstufe
Jahren stolz.                                                       der Ariane 5 ME zum Einsatz. Details soll eine Studie bis 2014
  Die Segmente wurden bis 2004 zusammengesteckt. Jede Ver-          klären – ‚um weitere Entscheidungen treffen zu können‘, wie
bindung wurde mit einem O-Ring abgedichtet und mit 180              Hintze sagt. Und das werden die Franzosen zumindest als Teil-
Scherbolzen mit 24 mm Durchmesser gesichert. Heute (Erstein-        erfolg verkaufen. Denn bei diesem Projekt wollen sie klar die
satz 2006) werden sie in einer Elektronenstrahlschweißanlage        Führung übernehmen – unter Verweis auf ihre entscheidende
vakuumverschweißt. Für die Herstellung der Schweißsegmente          Rolle in der Geschichte der Rakete. Denn klar ist: Ohne das fran-
wurde in Augsburg eigens eine neue Fertigungshalle gebaut.          zösische Atomprogramm würde es die Ariane in ihrer aktuellen
Kernstück der Fertigungslinie ist eine gigantische Elektronen-      Form nicht geben.“

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 MAN: Führender deutscher Rüstungsbetrieb

   MAN war und ist einer der größten deut-      Depot der Heeresverwaltung in München       von Zündern und im Frühjahr 1935 der
 schen Rüstungskonzerne und nahm in der         war. Im Auftrag der Heeresverwaltung        Bau von Geschützen. Auch bei der Luft-
 Branche immer wieder auch eine strategi-       entwickelte MAN-Saurer auch einen           rüstung wollte die M.A.N. nicht abseits
 sche Rolle wahr, was sicher auch mit ent-      4-Tonnen-Kettenwagen, der ganz neue         stehen. Schon am 15. August 1933 wurde
 scheidend war, den deutschen Anteil am         Konstruktionen erforderte und erst im       in einer Besprechung des Vorstands
 Arianeprogramm bei MAN anzusiedeln.            Frühjahr 1917 herausgebracht werden         mit Paul Reusch vereinbart, dass sich
   Bereits 1904 lieferte das Augsburger         konnte.                                     das Unternehmen beschleunigt um eine
 Werk der MAN ihren ersten Schiffsdie-            Otto Meyer baute in der Endphase des      Lizenz für den Bau von Flugzeugmotoren
 selmotor an die kaiserliche Werft in Kiel.     1. Weltkriegs als Direktor der Rump-        bemühen sollte. Reusch schlug vor, in
 Drei Jahre später verkaufte sie an die fran-   lerwerke in Augsburg in unmittelbarer       Augsburg Dieselmotoren für Flugzeuge
 zösische Marine Viertakt-Dieselmotoren         Nachbarschaft der Messerschmitt-Werke       und in Nürnberg Benzinmotoren für
 mit 300 PS für den Einbau in U-Boote.          bereits Kampfflugzeuge. Später wurde er     Flugzeuge zu bauen.“
 Während des ersten Kriegsjahres 1914           Direktor und Vorstand der MAN-Werke,          Zum Bau von Flugzeugmotoren kam
 stellte die MAN vor allem in Augsburg          im Faschismus und selbstredend auch         es nicht, aber nach Kriegsbeginn erga-
 und Nürnberg die Fertigung weitgehend          nach dem Krieg. Die MAN war ein zen-        ben sich weitere enorme Geschäftsfelder.
 auf Rüstungsaufträge um. Einen Schwer-         traler Rüstungsbetrieb. Nicht ohne Grund    GHH/MAN wurde nun auch für die Logi-
 punkt bildete die Herstellung von Zün-         galt der erste Luftangriff der Alliierten   stik der Kriegsführung und die Wieder-
 dern und Geschossen, die bei der MAN           über Augsburg während des Zweiten           herstellung von Verkehrsverbindungen in
 in großen Serien gefertigt wurden. Ins-        Weltkriegs nicht etwa den Messerschmitt-    besetzten Gebieten benötigt. Schon der
 gesamt produzierte das Unternehmen             Werken, sondern der MAN – wie von           Überfall der Wehrmacht auf Polen wurde
 während des Ersten Weltkrieges rund            einem alten Arbeiter und VVN-Mitglied       von Brückenbauingenieuren des Kon-
 934.000 Granaten, 254.000 Minen und            noch zu erfahren war.                       zerns begleitet. Johannes Bähr schreibt4:
 fast 2,5 Millionen Zünder. Der Anteil der        1921 kaufte der Actienverein für          „Spezialisten aus Gustavsburg bauten
 Rüstungsgeschäfte am Umsatz der MAN            Bergbau und Hüttenbetrieb Gutehoff-         die zerstörten Weichselbrücken bei
 stieg während des Ersten Weltkrieges auf       nungshütte (GHH) aus Oberhausen die         Dirschau wieder auf, ebenso dann die
 etwa 50 % des Umsatzes und die Firma           Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG        Rheinbrücken zwischen Kehl und Straß-
 expandierte durch den Krieg von 11.700         (M.A.N.), wodurch sich die Belegschaft      burg und andere strategisch wichtige
 auf 22.300 Beschäftigte (ohne Kriegsge-        schlagartig auf über 80.000 verdoppelte     Verbindungen. Nach dem Waffenstill-
 fangene).                                      und zugleich die Grundlage für die spä-     stand im Westen waren die Rheinwerft
   Das wichtigste Produkt der MAN               tere Entwicklung zum heutigen MAN-          Walsum der GHH wie auch das M.A.N.-
 in dieser Zeit waren U-Boot-Diesel-            Konzern gelegt wurde.                       Werk Gustavsburg an der Umrüstung von
 motoren. Sogar der Krupp-Konzern                 1933 waren GHH und MAN nach               über 500 Schiffen und Kähnen für die
 bestückte seine auf der Germania-Werft         Kräften bemüht, sich eine günstige          geplante Invasion Englands («Operation
 gebauten U-Boote mit MAN-Viertakt-             Ausgangsposition im Rüstungsgeschäft        Seelöwe») beteiligt. Später baute das
 Motoren, weil die von Krupp selbst gelie-      zu sichern. Die Aussicht auf umfangreiche   Werk Hafenanlagen im besetzten Frank-
 ferten Aggregate nicht die Anforderungen       Erträge des Heeres, der Marine und          reich aus, und nach dem Angriff auf die
 erfüllten. Johannes Bähr stellt in seinem      der Luftwaffe ließ die Nachteile in den     Sowjetunion wurden die Brückenbau-
 Buch „Die MAN: eine deutsche Indu-             Hintergrund treten, die sich aus der        abteilungen des Konzerns dann auch im
 striegeschichte“ fest1: „Bis Kriegsende        nationalsozialistischen Politik für das     Baltikum und in der Ukraine eingesetzt.“
 stellte die MAN insgesamt 394 U-Boot-          Exportgeschäft des Konzerns ergeben           Die hier geschilderten Rüstungsakti-
 Dieselmotoren her. Diese Fertigung war         mussten. Die Marine war wiederum            vitäten des MAN-Konzerns sind ledig-
 der wichtigste Beitrag der MAN zur deut-       einer der wichtigsten Auftraggeber.         lich Schlaglichter auf ein militärisches
 schen Kriegsrüstung im Ersten Weltkrieg.       MAN zählte zusammen mit Krupp               Gesamtprogramm, das kaum zu ermes-
 Ohne die Motoren aus Augsburg wäre der         und Flick zu den Unternehmen, auf           sen ist. Und damit sind auch die strategi-
 U-Boot-Krieg kaum in dieser Form mög-          die sich die Rüstungsplanungen des          sche Bedeutung des Konzerns und seine
 lich gewesen.“                                 Marinekommandoamts konzentrierten.2         Gefährlichkeit damals wie heute kaum zu
   Auf Drängen der Heeresverwaltung               Im schon erwähnten Buch von               ermessen.
 nahm die MAN 1916 auch die Entwick-            Johannes Bähr werden umfassende               Es gibt in der Literatur keinen Über-
 lung von Motoren für den Flugzeugbau           Rüstungsvorhaben der MAN seit 1933          blick über die Gesamtentwicklung der
 auf, der für die Kriegsrüstung von wach-       geschildert3:                               MAN nach 1945 – und schon gar nicht
 sender Bedeutung war. Zunächst baute           „Während das Augsburger Werk                über ihre Militärproduktionen. Stellver-
 die MAN Otto-Motoren des Marktführers          Geschäfte mit der Marine machte, hatte      tretend für Vieles – auch Unbekanntes –
 Daimler nach. Mitte 1917 wurde der erste       sich das Werk Nürnberg entschlossen,        sei hier zum Beispiel die Produktion von
 von der MAN gebaute Flugzeugmotor              den Bau von Panzern aufzunehmen.            Strahltriebwerken für Kampfflugzeuge
 abgenommen.                                    Schon im Juli 1933 gab die Heeresver-       genannt. Bereits im Oktober 1958 war
   Ab 1915 begann die MAN auch, Last-           waltung hier Panzer in Auftrag, was eine    MAN mit der Gründung der MAN Turbo-
 wagen herzustellen, zunächst in Lindau,        klare Verletzung des Versailler Vertrages   motoren GmbH, München, wieder in den
 dann in Nürnberg. Im Geschäftsjahr             darstellte und deshalb getarnt werden       Bau von Flugzeugmotoren eingestiegen.
 1915/16 stellte MAN-Saurer bereits eine        musste. [...] Im Sommer 1934 nahm die       1960 schloss MAN eine Kooperation mit
 Serie von 123 Fahrzeugen her, wobei der        MAN die Bearbeitung von Stahlgranaten       dem führenden britischen Triebwerke-
 wichtigste Abnehmer das Kraftwagen-            auf. Bald darauf folgten die Produktion     Hersteller Rolls-Royce und begann auch

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MAN und MT Aerospace Raketenproduktion, die "zivile" Raumfahrt und die französische Atomwaffe von Peter Feininger - Informationsstelle Militarisierung
IMI-Studie 1/2018 5

die Zusammenarbeit mit der BMW Trieb-       strie-Ausrüstungen. Ferrostaal managte        des Patriot-Systems. So heißt es in dme
werke GmbH, München, an der sich            zum Beispiel Waffen- und Munitionsfa-         Artikel „PATRIOT-Motorgehäuse“ von
MAN Turbomotoren mit 50 % beteiligte.       briken und Waffentechnologie auch für         Ludwig Röhrl8:
  Die BMW Flugmotorenbau GmbH               Massenvernichtungswaffen und deren            „Ausschlaggebend für die Beauftragung
wurde bereits 1934 gegründet und baute      Lieferung etwa in den Irak oder die           war vor allem das bei der MT vorhan-
unter anderem die Motoren für die Jun-      Türkei.                                       dene Drückwalz-Know-how aus der
kers JU 52 (BMW 132) und die Focke-           Über die riesige und geheime Rüstungs-      Fertigung der Gasultrazentrifugen. Vor-
Wulf FW 190 (BMW 801). Ab 1942              anlage im Irak recherchierte das Forum        aussetzung für das Wirksamwerden des
produzierte BMW auch eines der ersten       solidarisches und friedliches Augsburg        Vertrags war die „Produktlinien Qua-
Serien-Strahltriebwerke der Welt, dessen    im Jahr 20057:                                lifikation“ der MT nach den Vorgaben
Technik nach dem Zweiten Weltkrieg          „Wahrscheinlich hat Ferrostaal diese          der US Armee. Die MT erreichte diese
richtungsweisend war. Die Gemein-           Rüstungsanlage auch vorfinanziert. Denn       Qualifikation problemlos. […] Danach
schaftsproduktion von MAN mit BMW           Ferrostaal hat für die MAN die Funktion       erfolgte das Hochfahren der Produktion
im Triebwerkebau bestand zum Beispiel       eines weltweit agierenden General-            [in Augsburg, Red.] auf die maximale
im Bau der Triebwerke für die F 104 G       unternehmers und Finanziers von               monatliche Kadenz von 50 Motorge-
Starfighter in Lizenz von General Elec-     Geschäften aller Art, gerade auch ‚sen-       häusen. Die letzte Auslieferung erfolgte
tric.                                       sibler‘ Geschäfte einschließlich großer       plangemäß Mitte 1992.“
  MAN strebte damals in den sechzi-         Rüstungsprojekte. [...] Im Geschäftsbe-         Die hier erwähnte MAN Technologie
ger Jahren ein größeres Engagement im       richt 2003 der MAN AG liest sich das          (MT) entstand ursprünglich aus MAN
Triebwerkebau an und wollte eine Mehr-      so: „Ferrostaal, MAN Tochtergesell-           Neue Technologie, die 1965 als Zentral-
heitsbeteiligung der MAN Turbomotoren       schaft, weltweit vertretener Anbieter von     bereich der MAN AG für Forschung und
an BMW Triebwerke. Als sich die Herren      Industriedienstleistungen, Engineering,       Entwicklung gebildet wurde. Seit 1971
Quant als Besitzer von BMW gegen eine       Industrieanlagen (auch Finanzierung),         ist MAN Technologie am Raumfahrtpro-
Fusion wandten, versuchte sogar das Bun-    Handel mit Stahlprodukten, Maschi-            jekt Europa Ariane beteiligt. Im Dezem-
desverteidigungsministerium „auf BMW        nen, Infrastrukturausrüstungen, Piping        ber 1979 startet die erste Ariane 1 mit
einzuwirken, den Widerstand gegen eine      Supply, Vertrieb von Marine- und Han-         Augsburger Beteiligung. 1986 erfolgt die
Fusion der beiden Triebwerkhersteller       delsschiffen. Insbesondere im Rahmen          Gründung der MAN Technologie GmbH
unter Führung der MAN aufzugeben.           der German Naval Group die Durch-             als Tochtergesellschaft der MAN. MAN
Offenbar hoffte man in Bonn, dass ein       führung von Marineprojekten. Erwähnt          Technologie ist von Beginn an an der
großer Hersteller mit zentralen Entschei-   wird auch, dass MAN Industriedienst-          Entwicklung der Ariane 5 beteiligt. Im
dungsbefugnissen die deutsche Position      leistungen – sprich Ferrostaal – zur Zeit     gleichen Jahr 1986 beginnt auch die Ent-
im expandierenden Triebwerkgeschäft         mit dem Neubau einer U-Boot-Werft für         wicklung von Boostern für das Raketen-
stärken würde.“5 Die MAN setzte sich        Griechenland befasst ist.                     system Ariane.
letztendlich, mit Unterstützung des Bun-    Erst jüngst begleiteten Manager von
desverteidigungsministeriums,      durch.   MAN und Ferrostaal den Kanzler auf            Anmerkungen
Der neue Name des Unternehmens lautete      seiner Golf-Tour. Die Agenturen vermel-       1   Bähr, Johannes, Ralf Banken, und Thomas
MAN Turbo GmbH.                             deten knapp: ‚Über den Kauf von bis zu            Flemming. Die MAN: eine deutsche Indu-
  Natürlich gingen die Geschäfte der        fünf deutschen U-Booten verhandelten              striegeschichte. C.H.Beck, 2008.
MAN auch mit der Marine weiter. Hier        die VAE mit der MAN-Tochter Ferro-            2   Nach: Bähr, Die MAN, a. a. O.
sei nur erwähnt, dass bestimmten Grup-      staal, die die Schiffe vermarktet, die von    3   Ebd.
pen von Arbeitern im Augsburger Werk        der HDW gebaut würden. Je nach Aus-           4   Ebd.
                                                                                          5   Ebd.
MAN B&W Diesel jahrelang verboten           stattung könnten die U-Boote pro Stück
                                                                                          6   s. hierzu ein kurzer, bebilderter Streif-
war, ihren Urlaub im Ausland zu verbrin-    mehr als 350 Millionen Euro kosten, hieß          zug     auf    http://www.forumaugsburg.
gen – wie die Tochter eines dieser Arbei-   es. Die Essener Firma MAN Ferrostaal              de/s_5region/Bezirk/050305_unterneh-
ter verriet.                                wird sich mit 420 Millionen US-Dollar             mer/index.htm
  Auch die militärische Bedeutung der       am Bau einer Methanolfabrik beteiligen‘       7   Schwabens Firmen setzen auf Bush!?,
MAN-Trucks ist gewaltig. Das geht bis       [im Oman, Red.].“                                 Forum solidarisches und friedliches
hin zu Abschussrampen für Marschflug-         Nicht zu vergessen die MAN-Tochter              Augsburg, 5.3.2005
körper auf MAN-LKWs und Flugabwehr-         Renk, Augsburg, weltweit führender Her-       8   Ludwig Röhrl, PATRIOT-Motorgehäuse,
und Panzerabwehrraketensystemen, bei        steller von Getrieben für militärische Ket-       in: Hansen, Hans-Georg, und Horst Rauck
                                                                                              (Hg.). Von Ideen und Erfolgen. 40 Jahre
denen das Waffensystem von EADS             tenfahrzeuge (Panzer).
                                                                                              MAN Technologie. Dasing: Paartal-Verl.,
euromissile stammt und das Schwerlast-        Die Tochterfirma MAN Technolo-                  2008.
fahrzeug von MAN.6                          gie leistete mit dem Projekt „Booster“
  Nicht zu vergessen die eminente Bedeu-    nicht nur einen entscheidenden Beitrag
tung der MAN-Tochter Ferrostaal, die        zum Erfolg der europäischen Raumfahrt
teilweise als Generalunternehmen für        und der Ariane 5 – wie wir noch sehen
große deutsche Rüstungsprojekte diente.     werden. MAN Technologie (MT) wurde
1990 erwarb Ferrostaal z. B. die bun-       zum Beispiel 1986 auch beauftragt mit
deseigene Rüstungs-Holding Deutsche         der Fertigung und Lieferung von 2021
Industrieanlagen GmbH (DIAG) und ihre       Motorgehäusen für die Patriot-PAC2-
Tochtergesellschaft Fritz Werner Indu-      Abwehrrakete, der verbesserten Version

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  Gemeint ist damit natürlich nicht das französische Atompro-       Vorgeschichte: Ariane und französisches
gramm ganz allgemein, sondern das französische Atomwaffen-          Atomprogramm
Programm der Force de frappe. Der Spiegel rührte also damals an
ein Thema, das offensichtlich tabu ist in den deutschen Medien.       Schon die Ariane 1, die 1979 erstmals startete, beruhte auf den
Nämlich, dass das Arianeprogramm einen hochbrisanten und            jahrelangen Erfahrungen Frankreichs bei der Trägerraketenent-
hochgefährlichen militärischen Aspekt hat. Ganz abgesehen           wicklung und beim Bau verschiedener militärischer und Höhen-
davon, dass die „zivile“ Arianerakete auch militärische Satelli-    forschungsraketen, die in der dreistufigen Diamant mündeten,
ten ins All bringt oder mit ihren Starts ein Satellitenprogramm     Frankreichs eigener Trägerrakete. Die Triebwerke für diese
ermöglicht wie Galileo, das auch das Militär der europäischen       Raketen wurden federführend von Heinz Springer entwickelt.
Staaten demnächst zur Ortung und Navigation verwenden wird.         „Er verdiente sich seine ersten Sporen noch bei Wernher v. Braun
  Zwei Jahre später, im Vorfeld des ESA-Gipfeltreffens 2014,        in Peenemünde“, schreibt die ESA ungeniert.9 Diese Triebwerke
schrieb der Spiegel7, gestützt auf den Chef des Deutschen Zen-      des NS-Ingenieurs wurden dann auch in der Ariane 1 verwendet.
trums für Luft- und Raumfahrt, Johann-Dietrich Wörner:                Ab Ariane 3 kamen bereits Booster zum Einsatz. Verschiedene
  „Das Lavieren hat gute Gründe: Raumfahrt in Europa ist nicht      Varianten der Ariane 4 waren jeweils mit zwei oder vier Boostern
allein dazu da, Satelliten ins All und Sonden auf ferne Kometen     mit Fest- bzw. Flüssigtreibstoff ausgerüstet und kamen zwischen
zu bringen. Es geht vor allem um Industriepolitik, um Macht und     1988 und 2003 zum Einsatz. Die Kapazitätslücke zum Start mit-
Aufträge und darum, aus Verhandlungen mit den anderen euro-         telschwerer Kommunikationssatelliten wurde danach zunächst
päischen Raumfahrtnationen nicht als Verlierer hervorzugehen        mit der russischen Sojus (seit Ende 2010) abgedeckt.
- manchmal auch auf Kosten der technisch und wirtschaftlich           Die MAN Technologie AG (MT) war von Anfang an dabei,
sinnvollsten Lösung. […] Deshalb auch der Schwenk bei der           zunächst bei der Ariane 1- 4 noch mit der Ariane-Fertigungsstätte
Ariane 5 ME. Noch vor zwei Jahren, bei einem Ministertreffen        der Dasa in Oberpfaffenhofen, die MT übernahm. Klaus-Dieter
in Neapel, hatte die Esa auf Drängen Deutschlands beschlossen,      Naumann schreibt10: „Der Unternehmensbereich „Neue Techno-
bis 2014 mehr als 400 Millionen Euro in die Weiterentwick-          logie (NT)“ der MAN AG hatte Ende der 1970er Jahre, aufbauend
lung der Ariane 5 einschließlich einer neuartigen Oberstufe zu      auf ihrer Erfahrung für die Simulation von Stufentrennungs-Vor-
stecken. Die Franzosen, die zweiten großen Beitragszahler in        gängen bei parallelgestuften Trägerraketen, ein Konzept zur Lei-
Europas Raumfahrt, konnten sich mit ihrem Wunsch nach einer         stungssteigerung der Ariane durch Booster erarbeitet.“
kleineren, komplett neuen Ariane 6 nicht durchsetzen. Statt mit       Die französische SEP Societe Europeenne de Propulsion und
flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff, wie die Ariane 5, sollte      die Vermarktungsgesellschaft Arianesspace SA übernahmen die
sie hauptsächlich von festen Treibstoffen angetrieben werden –      Vorschläge von MAN Technologie zur Produktion von Boo-
ähnlich den französischen Atomraketen. Als Trostpreis wurde         stern. Auftraggeber von MAN Technologie war damals bis ein-
den Franzosen immerhin zugestanden, für 157 Millionen Euro          schließlich der Booster für Ariane 5 die französische SEP. Es
ein Konzept für ihre Ariane 6 entwickeln zu dürfen. Wörner          ist zu befürchten, dass MAN Technologie mit ihrem Booster-
spricht inzwischen von einem ‚Scheinkompromiss‘, auf den man        Vorschlag gleichzeitig von Nutzen war für die Entwicklung
sich damals eingelassen habe. Sicher ist: Deutschland stand mit     der französischen Nuklearrakete, bei deren Antriebskörper der
seinem Beharren auf der Ariane 5 ME in Europa zuletzt isoliert      ersten Stufe auch Booster-Technologie zum Einsatz kam/kommt.
da. Doch auch Frankreich konnte sich mit seiner kleinen Ariane      Zu den üblen Verbindungen der MAN zur SEP, bei der auch das
6 nicht durchsetzen. Stattdessen wollen die zuständigen Minister    Triebwerk der NS-Rakete V2 im Spiel war und ein führender
der 20 ESA-Staaten bei ihrem nächsten Treffen Anfang Dezem-         NS-Raketeningenieur aus Peenemünde, siehe weiter unten den
ber in Luxemburg eine ganz andere Variante beschließen. Sie soll    Exkurs: Die Anfänge der europäischen Raumfahrt – Vorberei-
aus einer umgebauten Hauptstufe der alten Ariane 5 bestehen, aus    tung des Schlachtfeldes.
der geplanten und in Deutschland entwickelten Oberstufe der 5         Parallel dazu wurden seit 1997 die ersten interkontinentalen
ME und aus zwei oder vier Feststoffraketen, die von der kleinen     Raketen auf U-Booten der französischen Marine stationiert. Die
europäischen Vega-Rakete geborgt werden. […] Ob sich damit          M45 nennen sich SLBM (Submarine-launched ballistic missile)
die künftigen Herausforderungen meistern lassen oder durch das      oder MSBS (Mer-Sol-Ballistique-Stratégique). Frankreich unter-
neue Konzept in erster Linie ESA-Staaten mit Industrieaufträgen     hält vier Atom-U-Boote mit Raketenstartrampen. Jedes dieser
bedacht werden sollten, muss sich erst noch zeigen. ‚Das Ergeb-     U-Boote verfügt über 16 Raketen, derzeit noch vom Typ M45 mit
nis ist auf jeden Fall gut für uns‘‚ meint Wörner.“                 jeweils bis zu sechs autonomen Atomsprengköpfen (MIRV).11
  Hier wird vom Spiegel angedeutet, dass die Franzosen eine           Der Hersteller der M45 ist laut dem englischen Wikipedia
Variante der Ariane 6 anstrebten, die „hauptsächlich von festen     Aerospatiale (1996-2000) jetzt EADS SPACE Transport.12 Der
Treibstoffen angetrieben … [wird] – ähnlich den französischen       französische Luftfahrt- und Rüstungskonzern Aerospatiale,
Atomraketen.“ Auch hier also wieder ein Verweis auf die franzö-     genauer Société Nationale Industrielle Aérospatiale (SNIAS),
sischen Atomraketen, ohne konkret zu werden. Immerhin wurde         war ein Hersteller von zivilen und militärischen Flugzeugen,
aus dem „Trostpreis“ von 157 Millionen für die Ariane 6 auf dem     Raketen und Hubschraubern. Er fusionierte 1998 mit Matra Haut
ESA-Gipfel 2014 eine Zusage der Minister der Mitgliedstaaten        Technologie zu Aérospatiale-Matra. Am 10. Juli 2000 fusionierte
der Europäischen Weltraumagentur von rund vier Mrd. Euro für        Aérospatiale-Matra schließlich mit der deutschen DaimlerChrys-
die Entwicklung der Ariane 6. Damit fließt viel Staatsgeld in die   ler Aerospace AG (DASA) und der spanischen Construcciones
Trägerrakete und wichtige Komponenten wie die Booster.              Aeronáuticas SA (CASA) zur European Aeronautic Defence and
  Es ist schon auffallend, welche herausragende Rolle die Boo-      Space Company (EADS).
ster, die eigentlich ja nur Hilfsraketen sind, in der Diskussion      Laut dem deutschen Wikipedia war der Hersteller der ballisti-
um die Ariane 6 spielen. Die Wichtigkeit, die den Boostern bei-     schen Nuklearrakete M45 EADS Astrium, Frankreich.13 Dies gilt
gemessen wird, scheint darauf hinzuweisen, dass sie noch eine       ab dem Jahr 2000, als Astrium als 100-prozentige Tochtergesell-
andere wichtige Funktion – eben für die französische Marine –       schaft der EADS, spezialisiert auf zivile und militärische Raum-
haben, die öffentlich nicht erörtert wird.8                         fahrtsysteme, mit Sitz in Paris gegründet wurde. Die Rechtsform
                                                                    wird mit SARL angegeben, also Société à responsabilité limité,

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eine Rechtsform für haftungsbeschränkte Gesellschaf-
ten mit eigener Rechtspersönlichkeit in Frankreich.
  Astrium gliederte sich in drei Geschäftsfelder, näm-
lich Astrium Satellites, Astrium Services (unter ande-
rem Entwicklung und Lieferung satellitenbasierter
Dienstleistungen für militärische und kommerzielle
Zwecke) und Astrium Space Transportation (AST) für
Trägerraketen und Weltraum-Infrastrukturen.
  Als Produktpalette der Astrium Space Transportation
wird bei Wikipedia u. a. angegeben: Trägerraketen
(kommerziell und militärisch, einschließlich für die
französischen strategischen Seestreitkräfte – FOST):
Ariane (Rakete).14

EADS übernimmt die französische
Nuklearwaffe

  Zentral bei all dem ist, dass die ballistische Nuklear-
rakete M45 noch eine französische Entwicklung war.
Aber spätestens ab dem Jahr 2000 ging das militäri-
sche Raketenprogramm Frankreichs über Astrium in
der EADS auf. In der Firma Astrium organisierten
die Länder Frankreich, Deutschland, Großbritannien,
Spanien und die Niederlande wesentliche kommerzi-
elle und militärische Kapazitäten in der Raumfahrt.            M45 und M51 Interkontinentalraketen in den Hüllen der französischen
2011 hatte Astrium bereits fast 17.000 Mitarbeiter und                  Atom-U-Boote SNLE. Quelle: Dake (Rama) (CC BY-SA 3.0)
einen Umsatz von 5 Mrd. Euro.
  Der Eintrag über Astrium im englischen Wikipedia wird noch 1999 soll die Technologie offenbar auf diesem Feld besonders
etwas genauer: „The Space Transportation company is the prime vorangetrieben werden. Ende 2004 wurde Le Vigilant den Streit-
contractor for the Ariane 5 launcher […]. It also builds laun- kräften übergeben. Bis 2010 sollte die Raketenserie M51 auf
chers for the French nuclear missile program ..., such as the M51 dem am 21. März 2008 vom Stapel gelaufenen U-Boot Le Ter-
SLBM.“15 Hier wird also erstmals die berüchtigte M51 SLBM rible einsatzbereit sein. Die M51 soll eine Reichweite von 8.000
(Submarine-launched ballistic missile, U-Boot gestützte bal- Kilometern haben. Der erste seegestützte Testschuss fand am 27.
listische Rakete) erwähnt und ihre Rolle als Trägerrakete für Januar 2010 statt.“
die französischen Nuklearwaffen. In einem eigenen Wikipedia-          Es schein unklar, ob die M51 schon im Einsatz ist. Bei Wiki-
Eintrag zu Astrium Space Transportation heißt es dann unver- pedia heißt es lediglich, dass die Raketenserie M51 bis 2010
blümt16:                                                            einsatzbereit sein soll. Eigenartigerweise wurde der Wikipedia-
  „Astrium Space Transportation war zudem Hersteller von Eintrag zur Force de frappe im Juli 2017 aktualisiert, ohne zum
U-Boot gestützten Trägersystemen (siehe M51 SLBM) für Einsatz der M51 Genaueres zu sagen. Nach verschiedenen ande-
Nuklearsprengköpfe der französischen Streitkräfte. Rund 4400 ren Quellen wurde die Rakete im Jahr 2010 in Betrieb genom-
Mitarbeiter waren für Space Transportation in Frankreich (Les men.
Mureaux bei Paris, Saint-Médard-en-Jalles bei Bordeaux) und           EADS veröffentlichte in seinen Neun-Monats-Ergebnis-
in Deutschland (Ottobrunn bei München, Lampoldshausen bei sen 2010: „Im Sommer absolvierte die M51 erfolgreich ihren
Heilbronn, Immenstaad bei Friedrichshafen und Bremen) tätig.        Abnahmeflug“.18 In seinen Ergebnissen für das Geschäfts-
  EADS Astrium Space Transportation wurde geleitet vom jahr 2010 gab EADS den „Auslieferungsbeginn des bal-
CEO Alain Charmeau. Astrium und ihre Unternehmensberei- listischen Flugkörpers M51 für die französische Marine“
che wurden im Januar 2014 mit Cassidian und Airbus Military bekannt.19 Für das Jahr 2014 konnte Airbus Defence and
zusammengelegt, und firmiert seitdem als neue Airbus-Sparte Space bereits den Vertrag mit den französischen Streitkräf-
Airbus Defence and Space, deren Hauptsitz in München ist.“          ten über das Modell M51.3 der Rakete bekanntgeben.20
  Im Wikipedia-Eintrag über die Force de frappe heißt es über Zum Schluss sei noch auf die fürchterliche strategische Bedeu-
die ballistischen Raketen M45 und das Nachfolgesystem M5117: tung von Submarine-launched ballistic missiles SLBM hingewie-
  „Als seegestützte Trägermittel dienen seit 1971 atombetrie- sen. Sie bieten auch die Option zu einem atomaren Erstschlag:
bene U-Boote, die Force océanique stratégique (FOST), die             „SLBMs hatten eine große strategische Bedeutung während des
mit SLBMs bestückt sind; gegenwärtig die Triomphant-Klasse. Kalten Krieges. Bis heute dienen Atom-U-Boote zur nuklearen
Frankreich unterhält insgesamt vier sous-marin nucléaire lan- Abschreckung. Die Position dieser Schiffe ist trotz modernster
ceur d‘engins (SNLE, deutsch: Atom-U-Boot mit Raketenstar- Ortungsgeräte, beispielsweise durch Unterwassermikrophone
trampen), von denen zwei ständig auf hoher See einsatzbereit (SOSUS), Magnetsonden und Satelliten nur schwer auszuma-
gehalten werden. Jedes dieser U-Boote verfügt über 16 Raketen, chen und die Beweglichkeit gewährt die Option, dass nicht alle
derzeit noch vom Typ M45 mit jeweils bis zu sechs autonomen SLBM mitführende U-Boote durch den Gegner ausgeschaltet
Atomsprengköpfen (MIRV) und einer Reichweite von 6000 werden können. So bietet eine strategische U-Boot-Flotte die
Kilometern.                                                         Option, einen atomaren Erstschlag und vor allem einen erfolg-
  Nach der Indienststellung der „unterseeischen Raketenab- reichen Zweitschlag bzw. Gegenschlag führen zu können.“21
schussrampen“ Le Triomphant 1997 und Le Téméraire Ende

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8 IMI-Studie 1/2018

 Exkurs: Die Anfänge der europäischen Raumfahrt – Vorbereitung des Schlachtfeldes

   In dem sehr lesenswerten Buch von             logie AG, ab 1997 Sprecher des Vorstands.      Spatiales; Red.] im Auf­ trag der ESA
 Rainer Eisfeld „Mondsüchtig. Wernher            Die EUROPA-Raketenserien waren die             [European Space Agency; Red.] die Trä-
 von Braun und die Geburt der Raum-              Vorläufer des Arianeprogramms und              gerentwicklung unter dem Namen LIIIS/
 fahrt aus dem Geist der Barbarei“1 heißt        hatten militärische Ausgangspunkte. Die        ARIANE4 weiterführte, hatte das für
 es gleich am Anfang: „Die Verführbarkeit        französische Raketentechnik diente von         M.A.N. kaum Auswirkungen.“5
 des Geistes durch die Barbarei in unse­rem      Anfang an militärischen Zwecken, dabei           Bei der hier erwähnten ELDO han-
 Jahrhundert ist oft dargestellt worden.         waren auch deutsche NS-Ingenieure aus          delt es sich um die European Launcher
 Dieses Buch ist aus der Überzeugung             Peenemünde, die britische Atomrakete           Development Organisation, also die
 entstanden, dass derjenige, der lügt oder       Blue Streak spielte am Anfang eine zen-        Organisation zur Entwicklung europä-
 schweigt über die Mechanismen solcher           trale Rolle und als erster Startplatz diente   ischer Trägerraketen. Der MAN-Manager
 Verführbarkeit, mit­verantwortlich ist,         Woomera in Australien, ein ehemaliges          Horst Rauck schreibt: „Sechs europä-
 wenn die Schwelle zur Barbarei erneut           Testgelände der britischen Streitkräfte.       ische Staaten, Belgien, Bundesrepublik
 überschritten wird – ob in Deutschland          Der Vorstand von MAN Technologie MT,           Deutschland, Frankreich, Großbritan-
 oder anderswo.“                                 Horst Rauck, schreibt:                         nien, Italien und die Niederlande sowie
   Und die Schwelle der Barbarei ist nicht         „Frankreich begann bald nach dem             Australien schlossen sich im Jahr 1962
 nur von den NS-Raketeningenieuren –             2. Weltkrieg mit der Entwicklung der           zur ELDO (European Launcher Deve-
 unter ihnen Wernher von Braun – über-           Raketentechnik für militärische Zwecke.        lopment Organisation) zusammen. Die
 schritten worden. Sie wurde auch von den        Dabei wurden auch deutsche Ingenieure          ELDO-Konvention trat am 29. Februar
 US-Ingenieuren, Politikern und Militärs         ein­gesetzt, die während des Zweiten           1964 in Kraft. Erster Präsident der ELDO
 überschritten mit der Produktion und dem        Weltkriegs in Peenemünde in der Rake-          war Prof. Günther Bock von der Techni-
 Einsatz von Atombomben und mit der              tenentwicklung tätig waren und nach dem        schen Hochschule Darmstadt. Die ELDO
 Entwicklung von Trägerraketen für ihre          Krieg nicht in die USA, sondern nach           wurde von den teilnehmenden Staaten
 Nuklearwaffen – unter ihnen wiederum            Frankreich gegangen waren. Etwa 60             mit den erforderli­chen Mitteln ausgestat-
 Wernher von Braun. Rainer Eisfeld kon-          deutsche Ingenieure wurden im LRBA             tet, um den Bau der Rakete EUROPA I …
 statiert, dass sich für die Peenemünder         (Laboratoire de Recherches Balistiques         vor­anzutreiben. Hierfür wurde folgen­der
 NS-Konstrukteure, die dann später für           et Aerodynamiques), Vernon, beschäf-           Finanzierungsschlüssel vereinbart: Eng-
 die USA arbeiteten, gar nicht so viel           tigt und entwickelten unter der Leitung        land 39 %, Frankreich 24 %, Deutschland
 verändert habe: „Mochten sie auch von           des Raumfahrtingenieurs Heinz Bringer          22 %, Italien 10 %, an­dere Staaten 5 %.
 einem Raum­fahrtzeitalter träumen – tat-        Triebwerke für Flüssigrake­ten z. B. für die   Die Gesamtkosten für die Entwicklung
 sächlich arbeiteten sie für ein po­tentielles   VERONIQUE, die im Jahr 1959 das erste          der EUROPA-Rakete wurden auf 70 Mil-
 Schlachtfeld.“2                                 Mal flog, wie auch für die DIAMANT.            lionen £ geschätzt. Das Arbeitsziel war,
   Und auch Frankreich war und ist mit           Mit diesem Träger gelang Frankreich            mit dieser 104 t schweren Rakete im Jahr
 seiner militärischen Raketenentwicklung         im Jahr 1965 von Algeri­en aus der erste       1965 einen Satelliten mit einem Gewicht
 seit dem Zweiten Weltkrieg und seinen           Start eines … Satelliten in die Erdumlauf-     von 850 kg in eine 500 km hohe, kreisför-
 Nuklearwaffen dabei, diese Schwelle             bahn. Der Startplatz für die französi­schen    mige Erdumlaufbahn zu transportieren.“6
 potenziell zu überschreiten. Dies gilt          Trägerraketen wurde im Jahr 1970 nach            Die britische Rakete Blue Streak (blauer
 natürlich prinzipiell auch für Großbritan-      Kourou/Französisch Guyana verlegt.             Streifen), die Basis der europäischen
 nien, das hier aber nur partiell behandelt      Bringer und sein Team steigerten die Lei-      Rakete, war eine Mittelstreckenrakete,
 werden soll. Auch deutsches Personal            stung der von ihnen entwickelten Raketen       habe aber im wesentlichen auf der Tech-
 und deutsche Firmen waren und sind –            immer weiter, bis 1971 mit dem Turbo-          nologie der US-amerikanischen Atlas
 eher verdeckt – beteiligt. In Frankreich        pumpen-Raketentriebwerk VIKING ein             beruht – wie der Raketenexperte Bernd
 waren auch NS-Ingenieure aus Peene-             Schub von 55 t erreicht wurde. Dieses          Leitenberger schreibt7.
 münde zugange und auch die MAN war              Triebwerk war das Endprodukt einer Ent-          Die Atlas war die erste Interkontinen-
 praktisch von Anfang an beteiligt an der        wicklungsreihe von Großtriebwerken …           talrakete der USA (militärische Bezeich-
 Entwicklung europäischer Raketen.                 Noch im Rahmen der ELDO [European            nung: SM-65). Sie wurde entwickelt, um
   Dies wird in dem 2008 erschienenen            Lauchner Development Organisation              die Sprengkraft und die Reichweite der
 Buch „Von Ideen und Erfolgen. 40 Jahre          s. u.; Red.] schlug Frankreich vor, den        Mittelstreckenraketen Jupiter und Thor
 MAN Technologie“ von ehemaligem                 Vorläufer des VIKING-Triebwerks in             zu steigern. Der Entwicklungsauftrag
 MAN-Führungspersonal relativ freimü-            der ersten Stufe der EUROPA III in einer       bestand darin, eine 1,5 t schwere Was-
 tig beschrieben.3 Die Herausgeber des           Vierer-Anordnung in einem Schubgerüst          serstoffbombe 13.000 km weit transpor-
 Buches sind Hans-Georg Hansen, Stu-             einzusetzen. Andere europäische Staaten        tieren zu können. Die Atlas C war schon
 dium der Soziologie und Volkswirtschaft         konnten sich bereits in der Studienphase       sehr nahe an der Serienkonfiguration. Mit
 an der LMU München, Bereichsleiter              an diesem Projekt beteiligen.                  ihr wurden die nuklearen Sprengköpfe
 Betriebswirtschaft und Personal von               So     sicherte    sich     der    Unter­    für den Einsatz qualifiziert. Erststart war
 MAN Technologie, und Horst Rauck,               nehmensbereich »Neue Technologie« der          am 24. Dezember 1958. Die Atlas D war
 Studium des Maschinenbaus mit Ver-              M.A.N. die Mitwirkung an der Fertigung         die erste Interkontinentalrakete, die die
 tiefung in Luft- und Raumfahrt an der           der Turbopumpe, sowie an der Auslegung         US-Armee stationierte. Zwar wurden nur
 technischen Hochschule Darmstadt, 1966          und Fertigung des Schubgerüsts und des         33 stationiert, doch sie stellten das Erst-
 Eintritt in die neu geschaffene Raumfahr-       Wassertanks der 1. Stufe. Als die ELDO         schlagspotential der USA.8 Die Explosi-
 tabteilung der MAN Turbo GmbH, später           im Jahr 1973 ihre Tätigkeit einstellte und     onsstärke der Sprengköpfe der Atlas lag
 Mitglied des Vorstands der MAN Techno-          das CNES [Centre National d‘Etudes             zwischen 1,44 und 3,75 Megatonnen.9

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 Die Wasserstoffbombe, die 1952 gete-            unabdingbar schien. Die junge Republik        begannen. Unter starker Beteiligung der
 stet wurde, ergab eine wesentlich größere       besaß ein aufstrebendes Industriepoten-       Industrie beschäftigte es sich schwer-
 Sprengkraft als die Atombombe. Dadurch          tial und vor allem das benötigte Kapital,     punktmäßig mit der Rüstungsforschung
 sei die Atlas attraktiver geworden, weil        um für die Konstruktion einer Europa-         und finanzierte sich vornehmlich über
 sich dadurch die Zielgenauigkeit von            Rakete von Interesse zu sein.“                Zuschüsse des Landes Baden-Württem-
 Interkontinentalraketen von 500 m auf bis         Wir halten also fest: die Basis der euro-   berg sowie Aufträgen aus den USA. Die
 zu 8 km reduzieren ließ, was durch eine         päischen Raumfahrt ist eine britische         Leitung übernahm der hierfür aus Frank-
 größere Sprengkraft der Bombe ausge-            Nuklearrakete und die starke Beteiligung      reich zurückgekehrte Sänger, der bereits
 glichen wurde, wie Bernd Leitenberger           Frankreichs erfolgte aus militärstrategi-     1943 das erste Hyperschall-Flugzeug
 feststellt.10                                   schen Gründen zum Aufbau einer eigenen        konzipiert hatte, und der bis zu seinem
   Man stelle sich vor, diese brutalste Waffe    Nuklearbewaffnung.                            Tod 1964 einer der Vordenker der deut-
 der Welt war die technologische Basis der                                                     schen Raumfahrt war.“
 britischen Blue Streak und damit indi-          NS-Ingenieure werden                            Sänger stand mit seinen technischen und
 rekt auch der EUROPA-Rakete. Die Blue           unverfroren weiterverwendet                   militärischen Strategien so unverhohlen
 Streak war eine Nuklearrakete, die 1960                                                       in der aggressiven nationalsozialistischen
 von Großbritannien wegen mangeln-                 Ein weiteres empörendes Faktum ist die      Tradition, dass die Bundesregierung
 der Abschreckungswirkung gestrichen             nahtlose und unverfrorene Beteiligung         Abstand nahm – nicht unbedingt von
 wurde, da die Rakete als Zweitschlag-           deutscher NS-Ingenieure, z. T. führen-        seinen Zielen, sondern von seiner Person
 waffe zu verletzlich gewesen wäre und           der Mitarbeiter von Wernher von Braun,        –, um ihre europäischen Raketen- und
 sich der Bau von entsprechenden Silos zu        am Aufbau sowohl des französischen als        Raumfahrtpläne nicht zu gefährden.
 ihrem Schutz innerhalb Großbritanniens          auch des deutschen Raketen- und Raum-         Reinke schreibt15: „Lange hielt die Bezie-
 nicht realisieren ließ. Die Rakete wurde        fahrtprogramms.                               hung zwischen BMV [Bundesministerium
 jedoch noch bis Mitte der sechziger Jahre         Einer von ihnen war der Österreicher        der Verteidigung, Red.] und Sänger nicht.
 im Rahmen des ELDO-Programms ver-               Eugen Sänger, der 1932 Mitglied der           Zu offen sprach sich dieser nun wieder für
 wendet.11                                       NSDAP wurde und 1933 als SS-Mann              die militärische Relevanz der »internatio-
   Niklas Reinke schreibt in seinem umfas-       auftrat. 1936 in Deutschland einge-           nalen Kampfraketen« aus. Er hob hervor,
 senden Werk „Geschichte der deutschen           bürgert, errichtete und leitete er unter      daß jeder Punkt in Europa schon von den
 Raumfahrtpolitik im Rahmen der Schrif-          anderem für die Reichsluftfahrt die rake-     bereits verfügbaren Mittelstreckenraketen
 tenreihe des Forschungsinstituts der            tentechnische Forschungsstelle Trauen         erreichbar sei, weshalb eine Neuausrich-
 Deutschen Gesellschaft für Auswärtige           in der Lüneburger Heide und war an der        tung der Verteidigungsstrategie unab-
 Politik“12: „Im Kern waren es die Regie-        Entwicklung von Hochdruckbrennkam-            dingbar wäre: ‚Die Mehrheit moderner
 rungen in Großbritannien, die mit ihrem         mern maßgeblich beteiligt. Er entwickelte     Waffentechniker ist der Ansicht, daß die
 Vorschlag, auf Basis der BLUE STREAK            ein Staustrahltriebwerk weiter, mit dem       einzig mögliche Gegenwehr gegen bal-
 einen Satelliten-Träger zu entwickeln, die      eine mehrfache Schallgeschwindigkeit          listische Fernraketen im Augenblick in
 Meinungsführung übernommen hatten,              erreicht werden konnte. Sänger testete es     einer ebenso massiven Gegendrohung mit
 und jene im gaullistischen Frankreich,          an verschiedenen Bombern der deutschen        derselben Waffe besteht, was für Europa
 die für eine eigenständige europäische          Luftwaffe. Während des Zweiten Welt-          allerdings schon den Besitz der dritten
 Raketen-Organisation eintraten. Beide           krieges arbeitete er zu Beginn im Rahmen      Kategorie großer Reichweite vorausset-
 versprachen sich hiervon eine Unabhän-          des Amerikabomberprojektes an der Ent-        zen würde. Jeder andere Abwehrversuch
 gigkeit von den USA, technologisches            wicklung eines raketengetriebenen Orbi-       muß heute als durchaus sekundärer Natur
 Know-how und nicht zuletzt politisches          talbombers (Silbervogel). Nach dem Ende       betrachtet werden.‘ Es bleibe, so Sänger
 Prestige. Bei diesen Erwartungen dürfte         des Krieges ging Sänger nach Frankreich,      weiter, Aufgabe der Wissenschaft, länger-
 der zwischenzeitlich etablierte und von         wo er für die dortigen Flugzeughersteller     fristig ein Abwehrsystem für Raketen zu
 der bemühten Öffentlichkeitsarbeit der          verschiedene Entwicklungen betrieb und        errichten, woraus die Notwendigkeit zu
 Raumfahrtlobby forcierte politische Kon-        schließlich die Internationale Astronau-      einer engen Verknüpfung von nationaler
 sens eine entscheidende Rolle gespielt          tische Föderation mitbegründete und ab        Verteidigung und Forschung erwachse.
 haben, daß ein hochindustrialisierter Staat     1951 zwei Jahre leitete.13                      Diese Gedanken entsprachen zwar
 es sich in seinem gesamtwirtschaftlichen          Niklas Reinke schreibt zu Sängers           durchaus den Überlegungen im inter-
 Interesse schlicht nicht leisten könnte, sich   Funktion im Nachkriegsdeutschland14:          nationalen Umfeld, und Sänger dürfte
 dauerhaft der Beteiligung an der Erobe-         „Tatsächlich wurde zum Winterseme-            diesen während seiner Arbeit für das
 rung des Alls zu versagen, ohne Gefahr zu       ster 1954/55 an der Technischen Hoch-         französische Luftfahrtministerium bege-
 laufen, in absehbarer Zeit ein »technisch       schule Stuttgart mit dem aufgrund des         gnet sein, doch stießen sie in der Bun-
 unterentwickeltes Land« zu werden. In           latenten Mißtrauens im Ausland vor-           desrepublik der späten 1950er Jahre auf
 Paris war der Zugang zur fortgeschritte-        sichtig benannten »Forschungsinstitut         deutliche politische Ressentiments. Die
 nen britischen Raketenentwicklung schon         für Physik der Strahlantriebe« (FPS) die      Argumentationsmuster »internationaler
 allein für den Aufbau der eigenen Militär-      erste offizielle Einrichtung für Raketen-     technischer Wettlauf« und »entschei-
 strategie, der force de frappe, von nicht zu    forschung geschaffen – zwei Jahre vor         dende militärische Bedeutung«, die sich
 unterschätzender Bedeutung. In London           der Gründung der ersten Kernforschungs-       für von Braun und Dornberger16 zwan-
 wurde die Beteiligung Frankreichs als für       anstalt. Es gehörte damit zu den Luft-        zig Jahre zuvor noch als äußerst hilfreich
 das Unterfangen essentiell bewertet, wie        fahrtforschungseinrichtungen, die sich        für die Erlangung politischer Unterstüt-
 auch die Einbindung der Bundesrepublik          ab 1953 teils als tradierte Institutionen,    zung erwiesen hatten, zeigten nunmehr
 für ein wirklich europäisches Programm          teils als Neugründungen herauszubilden        gegenteilige Wirkung. Anfang der 1960er

                          Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen
MAN und MT Aerospace Raketenproduktion, die "zivile" Raumfahrt und die französische Atomwaffe von Peter Feininger - Informationsstelle Militarisierung
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