Meer erleben - die chinesische Armada auf dem Weg ins 21. Jahrhundert
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Meer erleben - die chinesische Armada auf dem Weg ins 21. Jahrhundert von Andreas Seifert „Ein Land, das sich anschickt, eine Großmacht zu sein, muss danach trachten, Kontrolle über die Ozeane zu erlangen. Der Ausbau der Selbstverteidigungsmarine Japans geschieht mit der Behauptung, tausend Seemeilen ‚Lebensadern’ beschützen zu müssen. Auch andere Militärmächte beschaffen moder- ne Kampfschiffe. Ziel bei allen ist es, Seemacht zu bewahren. Bei objektiver Betrachtung, kommt die chinesische Marine also nicht umhin, die Entwicklungstrends in der Weltseepolitik und die Bedeutung von militärischer Kraft auf dem Wasser in all seiner Tiefe anzuerkennen. […] Mit einem Wort: Seemacht ist das Fundament der Wiedergeburt der chinesischen Nation und ein Garant für die Sicherheit unseres Staates.“1 Mit 14.000 Kilometern Küste und einer auf Export ausge- richteten Wirtschaft liegt der Gedanke nahe, China würde auch über eine große und schlagkräftige Flotte verfügen, um seine Küsten und Handelsrouten zu schützen. Und auch die von China im Südchinesischen Meer reklamierten Inseln lassen immer wieder vermuten, dass seine Flotte jederzeit bereit ist, gegen Eindringlinge vorzugehen. Mit einer Perlen- kette von Häfen entlang der eurasischen Küste schiebt Chi- na zudem augenscheinlich in letzter Zeit seinen maritimen Einflussbereich immer weiter gen Westen. Auch China ent- sandte eine kleine Flottille, um vor Somalia auf Piratenjagd Cover Proceedings Magazin May 2009 zu gehen. Ist China somit bereits dabei, die Vorherrschaft der USA auf dem Wasser in Frage zu stellen und damit eine neue geopolitische Dimension zu entwickeln? Das staatliche Die Bush-Administration sah hier allerdings bereits vor ei- chinesische Fernsehen CCTV lieferte zur Flottenparade zum niger Zeit eine Trendwende: hemmungslose Modernisierung 60. Geburtstag der chinesischen Marine 2009 die passende der Flotte um Taiwan einzunehmen und der Pazifik als Auf- Propaganda: Chinas Marine sei eine hochseegängige Flotte, marschfläche für Raketenbestückte Atom-U-Boote.4 Jüngst die 2050 weltweit einsetzbar sein werde. China, die Seemacht titelte ein Magazin des amerikanischen War-College sogar des 21. Jahrhunderts! Ist dies ein realistisches Bild? mit dem Schreckensszenario, dass ein amerikanischer Flug- Scharmützel, wie Anfang 2009 mit dem amerikanischen zeugträger von einer chinesischen Rakete tödlich getroffen Spionage/Forschungsschiff USS Impeccable2 offenbaren eine werden würde (siehe Abb.1). andere Facette: Fischerboote verteidigen das Mutterland. So divergierend diese Bilder sein mögen, offenbaren sie doch Flottenbesuche aus China sind in anderen Ländern kein in erster Linie, dass man zu wenig weiß, als dass sich hieraus wiederkehrendes Ereignis, sondern die Ausnahme. Der tech- eine Einschätzung ableiten ließe, die in irgendeiner Art und nologische Standard der chinesischen Flotte hängt deutlich Weise Bestand haben könnte. Vielfach bleibt die Spekula- hinter dem anderer Länder, sodass das internationale Interes- tion übrig, die die tendenzielle Überschätzung chinesischer se, chinesische Kriegsschiffe zu kaufen, gering ist.3 Technolo- Möglichkeiten billigend in Kauf nimmt, um vielleicht ganz gisch versprüht Chinas große Flotte aus der Nähe betrachtet andere, eigene Ziele zu verfolgen: Den Ausbau der eigenen mehr Rost, als dass sie Erfurcht gebietet. Marine. 1 Zhang Xu 张旭, Zhang Yongchi 张勇池, Die realistischen Seemachts- in philippinisch/chinesischen Gewässern mit dem Schleppsonar des Zer- theorien und Chinas erwachtes Bewußtsein für Seemacht 现实主义海权 störers USS John S. McCain kollidiert. 理论和中国海权意识的觉醒, in: Legal System and Society 法制与社 3 Der einzig nennenswerte Verkauf der letzten Jahre besteht in vier Fre- 会, 10/2008, S. 354. gatten an Pakistan, der mit einem umfangreichen Technologietransfer 2 Der Zwischenfall vom 8. März 2009 erregte einige Aufmerksamkeit einherging. Mit den Schiffen vom Typ Jiangwei II verkauft China seine - die Impeccable (die „Unfehlbare“) ist ein Sonar-Überwachungsboot wel- Technologie an eine pakistanische Werft, die eines der Schiffe selbst baut ches teilweise mit zivilem Personal betrieben wird. Es wurde 75 Seemeilen (siehe weiter unten im Text). vor der Südspitze Hainans im südchinesischen Meer von Fischerbooten 4 Sydney E. Dean, USA nehmen Chinas wachsendes Machtpotenzial gestoppt. Hierbei haben diese versucht, das Schleppsonar der Impeccable ernst, in: Europäische Sicherheit, 10/2005, S. 12-15. Aktueller: Richard zu kappen. Das Schleppsonar wird unter die ersten Wasserschichten ab- Fisher, Jr., (Testimony before the U.S.-China Economic and Security Re- gelassen um effektiv auch den Grund von Meeren absuchen zu können. view Commission) The Implications of China’s Naval Modernization fort Über diesen Vorfall hinaus ist am 11. Juni 2009 ein chinesisches U-Boot he United States, www.strategycenter.net, 11.7.2009.
Propagandafoto der 70er Jahre: revolutionäre Marine Worin bestehen Beijings Pläne für die Marine und wie sind nie wieder danach war die See so leer und unbeansprucht diese eingebunden in ein außenpolitisches Konzept? Der von anderen - Zheng He hatte keine Konkurrenz! Dennoch Beitrag hier versucht eine Bestandaufnahme der chinesischen waren Zheng Hes Fahrten nur eine kurze Episode und ein Ambitionen zur See und verknüpft sie mit den globalen und Thronwechsel reichte aus, um das Abenteuer Seemacht wieder regionalen Interessen der VR China. zu beenden.5 Bereits ein paar Jahrhunderte nach Zheng He Es zeigt sich, dass die maritime Aufrüstung der Volksrepub- plünderten japanische Piraten chinesische Küstenprovinzen. lik nicht nur kurzfristigen Bedrohungsannahmen, sondern Und wieder nur wenig später stürmten europäische Kano- darüber hinaus dem langfristigen Ziel folgt, den Einfluss der nenboote die chinesischen Küstenstädte und richteten es sich VR China auch auf dem Wasser gelte machen zu können. in Konzessionsgebieten gemütlich ein. Das darauf folgende Chinas Aufrüstung entspricht einem weltweiten Trend, „ma- maritime Aufrüstungsprogramm des späten Qing-Kaiser- ritime Sicherheit“ durch Kriegsschiffsbau zu erreichen - die reichs resultierte in einer Flotte, die bei erster Gelegenheit chinesische Strategie ist demnach nicht einzigartig, wird aber 1895 von japanischen Verbänden auf den Grund des Meeres die Tendenz dahingehend fördern, dass sich das begonnene geschickt wurde: China hatte zur Jahrhundertwende wieder Aufrüsten in ein Wettrüsten verwandeln wird. Das dies nicht keine Marine. Die politisch wirren Zeiten seit dem Ende des in eine Sicherung der Weltmeere, sondern in deren Militari- Kaiserreichs 1911 bis zum Ende des Bürgerkriegs 1949 lie- sierung münden wird, erscheint heute bereits zwangsläufig: ßen wenig Raum, das Meer in die Planungen mit einzube- Die Gefahr von militärischen Auseinandersetzungen steigt. ziehen - der Aufbau einer Marine wurde vernachlässigt, bzw. als unnötig eingestuft. Die Marine der Volksbefreiungsarmee China als Seemacht war zum Zeitpunkt ihrer Gründung 1949 nicht in der Lage, Wenn es um die militärische Kraft zur See geht, wird von die Flucht der Guomindang-Truppen nach Taiwan zu ver- chinesischer Seite gerne auf den großen Admiral Zheng He hindern, oder gar ihnen dorthin zu folgen. Mangelnde mari- verwiesen, der bereits im 15. Jahrhundert eine gigantische time Fähigkeiten hatten, so kann man vereinfachend festhal- Flotte durch den indische Ozean steuerte, um bis nach Afri- ten, dazu beigetragen, dass die Patt-Situation sich vom Ende ka Handel zu treiben und Stärke zu demonstrieren. Ein Hö- des Bürgerkrieges bis heute erhalten hat: Taiwans (relative) hepunkt ohnegleichen: nie wieder erreichte Chinas Flotte militärische Stärke ergänzt sich zum volksrepublikanischen solche Ausmaße, nie wieder eine solche Reichweite. Und Unvermögen auf dem offenen Wasser.6 Chinas Marine war 5 Zheng Hes Fahrten sind inzwischen umfangreich in der Literatur behan- ökonomie. Siehe auch die historische Einleitung zu Ye Zicheng 叶自成, delt worden - ihr Scheitern ebenso. Gründe, warum China aus diesen Er- Mu Xinhai 慕新海, Einige Überlegungen zur Entwicklungsstrategie der fahrungen kein Kapital schlagen und auch nach Zheng He keine Seemacht chinesischen Seemacht 对中国海权发展战略的几点思考, in „Studies bleiben konnte, sind vielfältig - entscheidend ist aber, dass der direkte öko- of International Politics“ 国际政治研究, No. 3, 2005, S. 5-17. nomische Nutzen gering war und keine „Außenhandelswirtschaft“ nach 6 Für eine historische Herleitung des Zustandes der chinesischen Marine sich zog. Spätere Kaiser konzentrierten sich auf den Ausbau der Binnen- siehe David G. Muller, China as a Maritime Power, Boulder 1983.
(und ist es noch in großen Teilen) eine Marine für die un- Radaranlagen,9 Feuerleitsystemen und mit verbesserten Ra- mittelbaren Küstengewässer und fähig, Anlandungsversuche keten. Die technologische Lücke, die China in den letzten wirksam zu verhindern. zwanzig Jahren mehr oder minder gezwungen hat, moderne Das ehemalige Konzessionsgebiet Shanghai wäre ohne die Technologien im Ausland (EU-Europa, Russland und Ukrai- Invasion der Ausländer Ende des 19. Jahrhunderts immer ne) einzukaufen, schließt sich zusehends. Das vergleichsweise noch ein kleines Fischerdorf, das zwar schon lange auf chi- kleine Kampfschnellboot Typ 22 (Houbei Class) ist nach der nesischen Karten verzeichnet war, doch kaum eine regionale Meinung von Fachleuten sogar der erste „Kampfkatamaran“ Bedeutung hatte. Shanghai ist heute eine der größten Häfen im Dienste einer Marine und weit mehr als nur ein „Ersatz“ der Welt und die dortigen Werften bauen Schiff um Schiff für die in die Jahren Schiffe der Osa und Houku Klassen. für den Weltmarkt - Sinnbild der Globalisierung. Überträgt Auch wenn das Design des Bootes in Kooperation mit einem sich diese Schwerpunktverschiebung nun auch auf die mili- australischen Ingenieurbüro entstanden ist, offenbart es wie- tärischen Kräfte? derum den Willen der Marineführung, eigenständige Tech- nik zu entwickeln und die Unabhängigkeit von Importen Aufrüstung: Technische Aspekte graduell zu steigern. Sichtbar wird dies auch an dem neuen Der Ausbau der Marine in China seit den 80er Jahren ist Teil Landungsschiff Kunlunshan (Yuzhao-Klasse), ebenfalls eine einer sich beschleunigenden Aufrüstung, die ihren Schwer- Eigenentwicklung und hergestellt in heimischen Werften. punkt vor allem seit den 90er Jahren auf die Einführung fort- Die bereits erwähnte Truppenparade zum 60. jährigen Ge- schrittlicher technischer Systeme in die Streitkräfte legt. Der burtstag der Marine im April in Qingdao war in diesem Sin- historische Ballast der „Landmacht“ China, seine gigantische ne eine Parade „einheimischer“ Schiffe und zeigte die Stärken und wenig effektive Armee, soll dabei zugunsten von High- und Schwächen der chinesischen Produktion auf.10 tech-Kriegern in vernetzten Systemen reduziert, bzw. in eine Die voranschreitende Umgestaltung des Militärisch-Indus- Truppe verwandelt werden, die mehr und mehr Aufgaben im triellen-Komplexes seit den 1980er Jahren hatte chinesische Inneren übernehmen kann, dann aber auch neuen Leitungs- Waffenproduzenten in die unvorteilhafte Lage gebracht, dass strukturen unterstehen wird.7 Die Luftwaffe soll wie die 2. nicht einmal die chinesische Armee und Marine mehr ihre Artillerie (der Truppenteil, der für die strategischen Raketen Produkte haben wollte. Heute, einige Konzentrationswel- zuständig ist) mit modernen Waffensystemen ausgestattet len später, ist die Waffenindustrie insgesamt, aber auch der werden, die sie in ihrer „defensiven“ Rolle bestärken.8 Für Schiffsbau im Besonderen, in der Lage, anspruchsvolle Pro- die Marine gilt diese Stärkung auf Verteidigung ausgerich- dukte zu entwickeln. Die effektive Integration von Entwick- teter Komponenten nur zum Teil, wie ein Blick auf die An- lung, Erprobung und Produktion auch im zivilen Schiffsbau schaffungen Beijings zeigt. Neue atomgetriebene strategische erlauben Synergien zur Marine. Diese wiederum kann dank U-Boote und auch der Wunsch, über einen Flugzeugträger veränderter Übungen und Trainingsszenarien wesentlich zu verfügen, deuten eher auf die Absicht hin, ein offensives präzisere Tests auch an zur Erprobung geliefertem Material Potential auszubilden, als die „Küstenverteidigung“ zu ver- durchführen.11 Hier sind die Grundbedingungen für die er- bessern. folgreiche Einführung von neuen Waffensystemen wie dem Neue Zerstörerklassen wie die Luyang-II zeigen dabei auch Typ 22 gegeben. Längst lässt sich noch nicht alles realisieren, auf, dass chinesische Schiffbauer moderne Konzepte des was die chinesische Marine gerne hätte, doch schickt sich Marineschiffbaus nicht nur erfolgreich kopieren, sondern z.B. die China State Shipbuilding Corporation an, zu den die vorhandenen Komponenten weiter entwickeln und in- größten Werften der Welt aufzusteigen: Masse und, nach tegrieren können. Die Anschaffung von Sovremenny-Zer- Möglichkeit, auch Klasse. 2008 rangierten Chinas Werf- störern in Russland ist hierfür mehr als nur ein gutes Bei- ten an zweiter Stelle hinter Süd-Korea.12 Der Ausbau ziviler spiel. Als die ersten beiden Boote Ende der 90er Jahre an Schiffbauindustrie, aber auch der Handelsschifffahrt wirkt China ausgeliefert wurden handelte es sich um Exemplare, hier als Katalysator für den Ausbau der Marine. Einerseits in- die aus russischen Aufrüstungsplänen gestrichen wurden und dem technische Entwicklungen im Schiffbau auf die Marine erst in China fertig gebaut wurden - sie hatten sogar noch durchschlagen können (und umgekehrt!), aber andererseits russische Namen bekommen. Die beiden später gelieferten auch indem für China die Sicherheit von Handelsrouten und stellen bereits Schiffe dar, die China auf der Basis des Ur- chinesischen Handelsschiffen zu einem „chinesischen Inter- sprungsmodells entwickeln ließ und die in China selbst noch esse“ wird (siehe weiter unten in der Diskussion des Einsatzes weiter um-/aufgerüstet wurden - unter anderem mit neuen chinesischer Schiffe vor der Küste Afrikas). 7 Andreas Seifert, Stabilität um jeden Preis, IMI-Studie 8/2009, April 10 „Of more interest was the fact that all Chinese vessels on Review were 2009. Für eine Einschätzung, die nicht auch die People’s Armed Police, domestically manufactured, a point repeatedly stressed by the Chinese me- sondern nur die chinesische Armee (PLA) als die entscheidende Kraft im dia. This emphasis symbolises a Chinese desire to show the world that innenpolitischen Gefüge der Zukunft sieht, siehe Ryan Clarke, The PLA they are no longer dependent on imported ships. The modern Luzhou, in 2009: The Year of the Ground Force?, www.rusi.org. Luyang, Luhu, and Jiangkai II class destroyers and frigates are the pride 8 Eine „Aufrüstung“ im Atom-Bereich wird in China nicht unbedingt als of the PLAN, and for good reason.“ Gary Li, China’s Sixtieth Anniversary vordringlich angesehen, vielmehr, so Jeffrey Lewis, hat sich in der chine- Naval Review: Following the trend of modernisation and its strategic im- sischen Führung schon früh der Gedanke durchgesetzt, dass Abschreckung plications, www.rusi.org. relativ unbeeinflusst von Veränderungen im Umfang, der Zusammenset- 11 Die Schilderung von aktuellen Trainingsszenarien und den Verände- zung oder der Bereitschaft des Atomarsenals ist. Jeffrey Lewis, The Mini- rungen, denen sie seit 2000 unterworfen waren kann man dem China’s mum Means of Reprisal, März 2007. Navy 2007 entnehmen. Office of Naval Intelligence, China’s Navy 2007, 9 Mit Verweis auf die Radar- und Datenübertragungssysteme der neuen Kapitel 13, Unit Training, S. 87-101. www.nmic.navy.mil Sovremenny wirft Moskau Beijing vor, ein „reverse-engineering“ zu betrei- 12 Nach dem Branchendienst SSMR in seinem Comment on World Mer- ben, d.h. originär russische Technologie nachzubauen (und zu verbessern). chant Fleet, Januar/Februar 2008 haben Süd-Koreas Werften einen Welt- The Military Balance 2009, S. 364. marktanteil von 36,6 % an aktuellen Ordern, China folgt auf Platz zwei mit 29,2 % und Japan an dritter Stelle mit 17,2 %.
Die Diskussion um einen chinesischen Flugzeugträger wurde in China immer wieder mit viel Pathos geführt. Ein eigener Flugzeugträger wird als Beweis nationaler Größe ge- sehen, als überfälliger Beleg für Chinas Status als friedlicher Weltmacht - er wird auch als „Normalität“ für ein Land von Chinas Größe begründet.13 Entwürfe der Internet-Gemein- de sind dementsprechend um das Wappen der VR regelrecht herumgeschmiedet und weniger daran orientiert, was tech- nisch machbar oder militärisch sinnvoll ist (siehe Abb. 2). Man mag über diese Kreativität lächeln, doch weist sie über deren spielerischen Eifer hinaus auf die Unterstützung hin, die maritime Aufrüstung und Militär in der chinesischen Öf- fentlichkeit genießen. Der chinesische Verteidigungsminister kündigte bereits in Gesprächen in Japan im März 2009 an, China brauche einen Träger, um seine Rolle als verantwor- tungsvolles Land wahrnehmen zu können und als Admiral Wu Shengli im Vorfeld der Feierlichkeiten im April ankün- digte, China werde neue Schiffe bauen lassen, waren sich die Analysten in China und in den USA schnell einig, dass dies auch heißen kann, dass ein Träger gebaut wird. Mit dem Bau der neuen Werftanlage der Jiangnan-Werften im Yangt- ze-Delta scheinen nun auch die produktionstechnischen Vorbedingungen für ein solches Projekt geschaffen14 - einen Visionen in der chinesischen Internetgemeinde: Flugzeugträger offiziellen Beleg für den Beginn eines konkreten Baus gibt es dennoch nicht. Neben der Kiellegung neuer Schiffe werden der Ausbau bestehender Hafenanlagen und die Anpassung der Logistik griffe geschützt, da ihre Radaranlagen und Abwehrmaßnah- vorangetrieben. Der Ausbau der Basis in Sanya, dem süd- men noch nicht ausreichend koordiniert sind. Und es fehlt lichsten Punkt der Insel Hainan, zu einem Hafen mit um- der Flotte an Kapazitäten und Nachschubmöglichkeiten fangreichen unterirdischen Anlagen zeigt auf, dass man sich längere (Kampf-)Einsätze weit ab der eigenen Küste durch- (bei aller „neuen Offenheit“) dabei nur ungern in die Kar- führen zu können. Landungsboote, die an fremden Küsten ten schauen lässt. So spekuliert die Internetgemeinde eben- große Mengen Material und Soldaten absetzen können, sind so wie das Pentagon über die seeseitigen Eingänge in einen nur in geringem Maße vorhanden.17 Schließlich sind auch Berg als einem Zugang zu einer verborgenen Hafenanlage die Marineflieger nur beschränkt in der Lage, Einsätze auf für U-Boote.15 Sind erst einmal wichtige Teile des Hafens hoher See zu unterstützen, da unter anderem Kapazitäten nicht mehr sichtbar, wächst hier die Angst, dass insgeheim fehlen, sie in der Luft zu betanken. Eine luftgestützte Flug- Vorbereitungen für Marineoperationen im Südchinesischen raumüberwachung wie das AWACS-System der NATO ist in Meer getroffen werden. Unter diesem Blickwinkel betrachtet China in der Entwicklung und wurde bei den Paraden zum sind die militärischen Zwischenfälle, wie der mit dem US- Nationalfeiertag 2009 der Öffentlichkeit präsentiert - ob es amerikanischen Schiff vor der südlichen Küste Chinas keine auch schon einsatzbereit ist, bleibt offen.18 Satellitenaufklä- Zufälle, sondern durchaus bewusste Akte der Provokation. rung ist ebenfalls noch eine Domäne amerikanischer und Moderne Logistiksysteme und die Umgestaltung des Nach- europäischer Akteure, auch wenn China Waffen entwickelt schubs für immer weiter von der Küste entfernte Einsätze, hat, diese im Zweifelsfall zu zerstören. China ist ebenfalls da- komplettiert diesen Bereich.16 bei, ein Positionierungssystem wie GPS zu entwickeln - eine Trotz all dieser Bemühungen gibt es immer noch eine Reihe Vorraussetzung u.a. für die Zielgenauigkeit seiner Raketen von Schwachstellen, die sich auch in einem engeren Zeitrah- - doch wird nicht damit gerechnet, es vor 2020 in Betrieb men von 10 Jahren sicher nicht beheben lassen. So sind die zu nehmen.19 Mit den zukünftigen Aufrüstungsprogrammen meisten Fregatten der Flotte nicht genügend gegen Luftan- werden sich diese Unzulänglichkeiten reduzieren. 13 People’s Daily Online über www.chinaview.cn 25.4.2009; news.xin- 17 Dieser Punkt ist vor allem unter dem Aspekt der „Rückeroberung“ oder huanet.com/english/2009-04/25/content_11255500.htm: Justifiable and „Befreiung“ Taiwans von entscheidender Bedeutung - China baut seine reasonable for China to have its own aircraft carriers. Landungsbootflotte seit Beginn der 1990er Jahre massiv aus und trainiert 14 Guangzhou Daily, 12.6.2009 und www.spacewar.com/reports/Analy- seit Mitte der 1990er Jahre auch in größerem Rahmen solche Einsätze, sis_China_to_build_aircraft_ carrier_999.html dennoch hält sogar das amerikanische Verteidigungsministerium einen 15 http://www.sinodefence.com/navy/facilities/yulin.asp solchen Vorstoß für wenig wahrscheinlich und geht davon aus, dass die 16 Gerade die Frage des Nachschubs auf See, bzw. auf Einsätzen zeigt den Kapazitäten auf VR Seite hierzu nicht ausreichen. Department of Defense, Wandel zu einer Professionalisierung besonders auf - bisher wird der un- Military Power of the People’s Republik of China 2009, Washington 2009, mittelbare Nachschub für küstennahe Einsätze bei Bedarf auch durch die S. 44-45. Miliz, d.h. durch paramilitärische Truppen, gewährleistet. Moderne La- 18 Xinhua, 17.9.2009. germanagementsysteme, aber auch die Indienststellung von Versorgungs- 19 Minie Chan, ‚Unforgettable humiliation‘ led to development of GPS schiffen (äquivalent zu den Einsatzgruppenversorgern der deutschen Mari- equivalent, South China Morning Post, 13.11.2009, online. ne) erhöhen den Einsatzradius der chinesischen Marine erheblich.
Tabelle: Marinekapazitäten in Asien 2009 China Taiwan Japan N-Korea S-Korea Indien Thailand Seemannschaft 215.000 45.000 44.100 46.000 68.000 55.000 70.600 Marines 10.000 15.000 25.000 1.200 23.000 Marineflieger 27.000 9.800 7.000 1.940 U-Boote 61 65 4 4 16 16 71 63 6 13 17 16 Flugzeugträger 1 1 1 1 Zerstörer 18 28 18 4 37 44 7 10 6 8 Fregatten 36 50 18 22 21 8 3 3 9 9 13 14 12 10 Korvetten 3 3 5 28 28 24 24 7 9 Die kleinen Ziffern sind Vergleichszahlen von 1997. Quelle: The Military Balance Ein Bereich, in dem China inzwischen Fortschritte erzielt Äußerungen unterstreichen. Dieses „Bekenntnis“ zur eigenen hat, die bereits umfangreiche Ängste ausgelöst haben, ist die „Verantwortung“ lehnt sich in weiten Teilen an einen inter- Raketentechnologie. Der erfolgreiche Test einer ballistischen nationalen Sprachstandard an, der offensive Interessenpolitik Anti-Schiff-Rakete ist eine neue Qualität in der Bewaffnung. hinter wohlklingenden Mutmaßungen über die Legitimität Die hohe Geschwindigkeit und die, im Vergleich zu Cruise der eigenen Aktionen verbirgt. Bei dem nun folgenden Ab- Missile, große Sprengkraft von ballistischen Raketen wird schnitt soll diese chinesische Position wiedergegeben wer- von amerikanischer Seite als enorme Gefahr vor allem für den. die Flugzeugträgerflotte der USA gesehen.20 Sollte die Rakete Das Weißbuch spricht in Analogie zur Verantwortung da- einsatzfähig sein, würde sie das Kräftegleichgewicht deutlich von den Ausbau der Armee mit dem Ziel zu betreiben, lokale ändern - natürlich nur solange, bis entsprechende Abwehr- Kriege unter den Bedingungen elektronischer Kampfführung waffen entwickelt sind. Bei dieser (konventionellen) Waffe gewinnen zu können und überdies die Fähigkeiten auszubau- besteht die Gefahr jedoch nicht nur in ihrem Besitz, sondern en, in entfernten Gewässer Operationen durchzuführen und auch in ihrer Verbreitung - sie hätte das Potential, den Vor- auch nicht-traditionellen Gefahren (z.B. Terrorismus) zu be- sprung amerikanischer Einsatzfähigkeit, die zu großen Teilen gegnen.21 auf ihren Flugzeugträgern basiert, zu nullifizieren. Mit Bezug zur Marine stellt diese Erweiterung des Aufga- Aufrüstung: Strategische Aspekte bengebietes im Kern einen weiteren Schritt in der Entwick- lung hin zu einer „blue-water-navy“22 dar - ein Ziel welches Die entscheidende Frage allerdings, ob China z.B. einen man 2050 erreicht haben will. Mitte der 80er Jahre deutete Flugzeugträger braucht und wie er eingesetzt werden sollte, sich dies bereits in einigen Äußerungen hoher Marinekader ist bei der prinzipiellen öffentlichen Unterstützung für den an, die der amerikanische Militärautor David Muller folgen- Marineausbau in China nicht vordringlich. Einsatzspektren dermaßen zusammenfasste: „Im Hinblick auf das Material für die Flotte spielen bei der öffentlichen Diskussion ebenso sah die Marine der Volksrepublik 1983 nicht viel anders aus, keine Rolle wie die möglichen Kosten. Bleiben am Ende die als bereits 1975. Aber sie war anders, völlig anders - weil sie Aufrüstung der „Anderen“ und das Vorhandensein von Flug- gelernt hatte, anders über sich selbst und ihre Missionen zu zeugträgern in den Händen von (potentiell verfeindeten) denken.“23 Mächten die einzigen Begründungen für eigene Aufrüstungs programme? Der strategische Umschwung von einer Marine, die in den Küstengewässern dümpelnd eine Invasion US-amerika- Liangs Aussage, dass China eine verantwortungsvolle Rolle nischer oder taiwanesischer Truppen zu verhindern suchte, in der internationalen Politik spielen möchte und dement- zu einer Marine, die das offene Wasser als ihren Gestaltungs- sprechend auch militärische Fertigkeiten ausbilden muss, raum begreift, ist also nicht vollkommen neu, doch realisiert weist in eine andere Richtung und gibt dabei im Grundte- sich das damalige Szenario in schnellerer Zeit, als man in den nor die Line des Verteidigungsweißbuchs wieder. China sieht 80ern noch vermutete. Diesem Umschwung liegt eine Be- sich demnach aufgrund seiner gestiegenen wirtschaftlichen drohungsanalyse zugrunde, die immer noch einer Wandlung Bedeutung für die Welt politisch in der Pflicht, ein zuver- unterliegt. Einerseits hat sich die angenommene Bedrohung lässiger Partner im internationalen System zu werden. Die durch die Sowjetunion bzw. durch Russland aufgelöst und Indienststellung eines Trägers kann die Signalwirkung dieser 20 Office of Naval Intelligence, The People‘s Liberation Army Navy, A 21 Chinesisches Verteidigungsweißbuch 2008, Beijing 2009, S. 31. Modern Navy with Chinese Characteristics, August 2009, S. S.26. Laut 22 Mit blue-water-navy ist eine hochseetaugliche Marine gemeint, die sich Aussage eines hohen US Admirals bei der Vorstellung des Berichts im von einer Küstenmarine unterscheidet, die man als green- oder yellow- November hat die Entwicklung dieser Waffe sogar die Anschaffungspläne water-navy kennzeichnet. Eine blue-water-navy zeichnet sich dadurch aus, der US Navy dahingehend verändert, dass statt der vorgesehenen Zerstö- dass sie nicht über entsprechende Schiffe verfügt, sondern auch in der Lage rer (DDG-1000, Zumwalt) anderer, kleines angeschafft werden, die bes- ist, längere Zeit ohne einen Hafen anzulaufen ihre Mission erfüllen kann. ser gegen Angriffe mit Raketen geschützt sind (Aegis-Class). Bloomberg 23 David G. Muller, China as a Maritime Power, Boulder 1983, S. 224. 18.11.2009. Als Basis für diese Rakete soll die Mittelstreckenrakete DF-21 (Übers. as) (CSS-05) dienen, die auch mit Atomsprengköpfen zu bestücken ist.
ist einer (weitgehend) kooperativen Struktur gewichen, was Entwicklungspotentiale in anderen Bereichen frei gesetzt hat. Zum anderen ist auch die in den 60er und 70er Jah- ren noch vorhandene Gefahr einer seeseitigen Invasion na- hezu verschwunden: weder Taiwan noch die USA werden China in dieser Form angreifen. Umgekehrt ist man sich in Beijing klar geworden, dass eine atomare Abschreckung mit landgestützten Raketen nur bedingt möglich ist. In der Konsequenz bedeutet dies, dass man sich im Rahmen rein militärischer Konflikte auf kleinere Kriege in einem eng um- grenzten geografischen Raum an den Außengrenzen einstellt bzw. mit Blick auf die Atomkriegsfrage, davon ausgeht, dass sich das Abschreckungspotential nur aufrecht erhalten lässt, wenn man das eigene Atomarsenal mobil macht. An diesem Punkt wurde die Marine bereits in den frühen 80er Jahren eine wichtige Figur, denn die Entwicklung von U-Booten, die durch lange Tauchfahrten bessere Abschusspositionen für Raketen erreichen konnten, hatte bis dahin keine Priorität in der strategischen Planung der VR.24 Die Analyse, die auch dem Verteidigungsweißbuch von 2008 zugrunde liegt, sieht andere Bedrohungen auf China Die „Perlenkette“ Chinas im Kontext indischer Basen und Piratenattacken zukommen als noch Mitte der 80er. So beobachtet man die Entwicklungen in den Nachbarstaaten mit Sorge und sieht Planung der VR. Das Anti-Sezessions-Gesetz von 2008 hat sich durch Instabilität der Staaten an der Peripherie Chinas den Rahmen geschaffen, in dem der Staatsrat zur Verhinde- „gefährdet“. Zentralasiens Radikalisierung in politischer und rung einer Abspaltung (bzw. einer Unabhängigkeitserklärung religiöser Hinsicht stellt für China demnach dann eine Be- Taiwans) massiv einschreiten muss: also auch militärisch re- drohung dar, wenn Konflikte ihren Weg nach China finden agieren wird.27 Die Taiwan-Frage stellt auch einen der zen- oder zum Aufbegehren der Minderheiten in den Randgebie- tralen Konfliktpunkte mit den USA dar, die immer noch als ten beitragen. Dies gilt nicht nur für den Nordwesten, son- Schutzmacht für die Republik im Hintergrund stehen. Auch dern auch bedingt für die Grenze mit Myanmar, wo ethnisch wenn die amerikanischen Garantien für Taiwans Sicherheit motivierte Konflikte drohen, über die Grenze nach China in den vergangenen 40 Jahren teilweise abgebaut wurden, auszustrahlen.25 Myanmar, aber z.B. auch Nord-Korea, stel- tritt die USA nach wie vor für eine „friedliche Beilegung len für China auch unter dem Aspekt möglicher Flüchtlings- des Konflikts“ ein. Aus US-amerikanischer Sicht ist Taiwan ströme eine Herausforderung für die Sicherheit dar.26 Nicht aber auch von strategischer Bedeutung, da mit einem qua- geklärte Grenzstreitigkeiten mit Indien und fortdauernde si-unabhängigen und an die USA angelehnten Taiwan eine Konflikte mit Vietnam sind ebenfalls prominente Bedro- geschlossene Inselgruppe von Korea im Norden über Japan hungen für die chinesische Regierung. Mit Blick auf das Süd- und Taiwan bis zu den Philippinen im Süden der VR-China chinesische Meer (Spreatly und Paracels, siehe hierzu auch den freien Zugang zum Pazifik erschwert (siehe hierzu auch weiter unten) macht China ebenfalls eine Bedrohung seiner die Diskussion um die Diaoyu-Inseln weiter unten). territorialen Integrität aus. Neben diesen zumindest teilweise noch traditionellen Be- Die Republik China auf Taiwan, bzw. in der Lesart der drohungen haben sich aber neue hinzugesellt, die die chi- VR, das ungeklärte Problem der abtrünnigen Provinz Taiwan, nesische Regierung ganz wesentlich für ihre strategischen spielt eine große Rolle in der militärischen und politischen Entscheidungen heranzieht. Zum einen sind die „neue“ Be- 24 Kommentatoren, wie z.B. Gary Li des Asia Programme des RUSI, be- Chinesen“ in Myanmar gehen auseinander, liegen aber deutlich oberhalb zweifeln den technischen Erfolg dieser Bemühungen seit den 80er Jah- von 50.000. Der Regierung Myanmars versucht seit Jahren mehr Kontrolle ren, da das hierfür entwickelte atomgetrieben U-Boot der Xia-Klasse zu über die Region auszuüben - die jüngste Offensive von Regierungstruppen laut und zu eingeschränkt in seiner Leistungsfähigkeit geraten ist. Gary hat einen Flüchtlingsstrom nach China ausgelöst. Frankfurter Rundschau, Li, China’s Sixtieth Anniversary Naval Review, www.rusi.org. Lewis geht Birmas Junta vertreibt Rebellenmiliz, FR 31.8.2009, S. 8. sogar noch einen Schritt weiter und geht davon aus, dass das Boot nie 26 Siehe hierzu auch den Beitrag von Drew Thompson, Border Burdens: wirklich einsatzfähig war. Jeffrey Lewis, The Minimum Means of Reprisal, China’s Response to the Myanmar Refugee Crisis, in: China Security, Vol. März 2007, S. 196. Inzwischen kann man davon ausgehen, dass die drei 5 No. 3, 2009, S. 11-20. neuen nuklear-betriebenen U-Boote in der Lage sind, auch Raketen zu 27 In dem bereits angeführten Report des Office of Naval Intelligence wird tragen, siehe z.B. Jason J. Blazevic, Defensive Realism in the Indian Ocean: interessanterweise eine andere Interpretation des Gesetzes vorgenommen, Oil, Sea Lanes and the Security Dilemma, in: China Security, Vol. 5 No. als die allgemein verbreitete. Hier steht nicht der aggressive Ton der ange- 3, 2009, S. 57-70, S. 61 mit Verweis auf den jährlichen Bericht über die drohten Gewalt im Vordergrund, als vielmehr eine Interpretation des Ge- militärischen Fähigkeiten Chinas an den Kongress. setzes als ein Schwenk von der ultimativen Position Beijing der Vereinigung 25 Die Gegend ist zudem als Drogenanbaugebiet von gewisser Relevanz. zur Verhinderung von Unabhängigkeit. Insofern würde trotz des zugrunde Nach Ende des Bürgerkriegs 1949 haben sich einige Guomindang-Truppen liegenden Tones eine „Annäherung“ eher möglich, als vorher und Beijing über die Grenze nach Birma/Myanmar zurückgezogen und jenseits neue signalisiere eher Entgegenkommen. Office of Naval Intelligence, The Peo- Gemeinschaften ausgebildet. Seit China und Myanmar ihre wirtschaftli- ple‘s Liberation Army Navy, A Modern Navy with Chinese Characteristics, chen Verbindungen gestärkt haben, hat es eine neue Welle von Chinesen August 2009, S. S.8. in die Grenzregion gezogen - Schätzungen über die Anzahl „ethnischer
Hintergrundkasten: Der Mythos Perlenketten Mit der String of Pearls wird eine Ket- cke anzunehmen. Dies gilt besonders aus Afrika zeigen, dass die chinesische te von Einrichtungen bezeichnet, die für die Hafenanlagen in Kambod- Regierung hier große Geduld hat und China entlang der Küstenlinie von scha, Myanmar und Gwadar, die als in langfristigen Zeiträumen zu den- Shanghai bis in den vorderen Orient Anlandungspunkt von Gütern dienen ken, in der Lage ist. installiert hat, um, der Idee nach, eine können, um ihren Weg nach China Drittens sollte man festhalten, dass Absicherung der Ressourcenversor- über Land fortzusetzen. Von Pakistan China bei verschiedenen Projekten gung zu erreichen und eine Nachschu- aus waren Pipelines und der Ausbau keineswegs die einzige treibende Kraft broute für maritime oder militärische des Karakorum-Highways geplant, der ist und es kaum als alleinige „Inhaber“ Operationen zu bilden. Viele dieser den Transport von Öl und Erzen über dieser Kette oder ihrer Glieder gese- Perlen sind nicht per se „militärisch“ Land bis zu den Pipelineanschlüssen, hen werden darf. Chinas politische oder stehen im Zusammenhang mit bzw. Bahnanschlüssen im Nordwes- Friktionen mit Vietnam und Thailand militärischen Überlegungen, wer- ten Chinas vorsah. Von Myanmar aus lassen die Wahrscheinlichkeit einer den aber hergenommen, um eine lassen sich die südlichen Ausläufer des Umsetzung der Landbrücken durch „Annäherungsbewegung“ chinesischer Himalaja überqueren, um dann von Indochina, bzw. der Umsetzung des Machtprojektion an Europa zu ver- der chinesischen Provinz Yunnan aus Durchbruchs am Isthmus von Kra, un- deutlichen. Sie sind damit, z.B. bei die Waren weiter zu transportieren. ter chinesischer Führung eher gering James Rogers, Ausdruck einer aggres- Der kambodschanische Hafen dient erscheinen. Man sollte sie jedoch nicht siven Geopolitik Chinas.* als Zugang zu den Flusssystemen des ausschließen, da die Vorteile beider Die Kette beginnt mit den Heimat- Mekong, bzw. als Anschluss an teilwei- Projekte nicht allein China zugute kä- basen im und am Südchinesischen se vorhandene Bahnlinien quer durch men, sondern zu einer ökonomischen Meer. Ausgehend von der Basis in Sa- Indochina nach Norden. Beflügelung in der Region insgesamt nya an der Südspitze Hainans wird sie Zum Zweiten darf die politische beitragen könnten. über die Station auf einer der größe- und militärische Loyalität sämtlicher Viertens und dies ist derzeit und für ren Inseln der Spreatly Gruppe tief ins Gaststaaten der „Perlen“ angezweifelt die nahe Zukunft von 15 bis 20 Jahren Südchinesische Meer geführt. Nächs- werden. Dies gilt auch und gerade für entscheidend: Chinas Marine ist nicht te Stationen sind eine Radarstation die repressiveren Systeme, wie Myan- in der Lage, eine solche Kette zu be- im Süden Myanmars nahe der Straße mar oder Pakistan. Letzteres ist in den dienen. Der technische Stand und der von Malakka, sowie ein Hafen wei- letzten Jahren von den USA erheblich Ausbildungsstand der chinesischen ter nördlich an der Küste. Beide Ein- mit Waffen und Waffenhilfe unter- Marine lassen umfangreiche Opera- richtungen wurden von chinesischen stützt worden, so dass die gemein- tionen im Umfang der Seeroutensi- Technikern gebaut und die Radarsta- samen Programme mit den Chinesen cherung entlang der Küste nicht zu. tion soll sogar von Chinesen betrieben in den Hintergrund treten (z.B. Bau Dies zumal, da allein die „Idee“ einer werden - ob diese allerdings der Mari- und Vermarktung eines gemeinsamen solchen Kette entsprechende „Beißre- ne zuzuordnen sind oder anderen Ins- Kampffliegers). Der Hafen von Gwa- flexe“ bei Nachbarn wie Konkurrenten titutionen unterstehen, ist unbekannt. dar wird inzwischen von einer Inves- auslöst (z.B. Indien) - ein Umstand, an Noch weiter im Norden befindet sich torengruppe aus Singapur geführt. dem China nicht gelegen sein kann. ein weiterer Hafen in Bangladesh, Die ökonomischen Begleitprojekte, Die Perlenkette Chinas nach Eur- der ebenfalls von chinesischen Tech- dies gilt auch für Myanmar, wie Pipe- opa erscheint so mehr als ein Droh- nikern und Arbeitern ausgebaut wur- linebau, oder Straßenausbau, liegen gespenst, welches bemüht wird, um de. Die Kette setzt sich fort mit einer derzeit auf Eis. Myanmar (wie auch Aufrüstungsbestrebungen an anderer (angenommenen) Basis auf Sri Lanka Bangladesh) erfährt zudem von Indien Stelle - auch, und vielleicht sogar be- (Hambantota) und einem Hafen im gesteigerte Aufmerksamkeit, die sich sonders in Europa - zu rechtfertigen, pakistanischen Gwadar. Je nach Inten- in Wirtschaftsprojekten und Hilfslie- als ein tragfähiger Beleg für die These tion werden manchmal noch ein Ha- ferungen niederschlägt, was wiederum eines aggressiven Chinas. In gewisser fen in Kambodscha, der von Chinesen nahe legt, dass das Regime in Naypy- Weise ist es unerheblich, ob die „Kette“ ausgebaut wurde, sowie eine Anlage idaw eher einen ausgleichenden Kurs wirklich zu einer Umsetzung kommt in Port Sudan direkt im Roten Meer zwischen den beiden großen Staaten oder nicht: ihre Idee hat sich längst hinzugerechnet. In dies Konzept wird Indien und China fährt, als sich auf verselbstständigt und zeitigt auch wei- zudem der Durchbruch am Isthmus eine Seite zu schlagen. China wird sich terhin Folgen. Hier wird deutlich, dass von Kra (auf thailändischem Boden) weiter um diese „Perlen“ bemühen, die strategische Wahl von Akteuren ab- eingebaut, der es theoretisch ermögli- wird aber, so rational wie die chine- hängt auch von der Wahrnehmung stra- chen würde, die Straße von Malakka sische Führung auftritt, einzelne Pro- tegischer Absichten anderer Akteure. zu umgehen/ergänzen. jekte auch fallen lassen, wenn sich ihr * Rogers. James Rogers, From Suez to Shanghai: Die Tragfähigkeit dieser Kette zerfällt ökonomisches Potential nicht umset- The European Union and Eurasian Maritime allerdings bei näherem Besehen. Zum zen lässt. Die Zeitspanne allerdings, Security, EUISS Occasional Paper 77, 3/2009, Ersten sind für alle Einrichtungen bis dieser „Schmerzpunkt“ erreicht ist, S. 10. www.iss.europa.eu primär andere, als militärische Zwe- ist nicht zu ermessen - Erfahrungen
drohungen im Inneren, die in gewaltsame Konflikte münden man sich vor allem für kleinere Konflikte an der eigenen können. Dies sind z.B. von Beijing als separatistische Grup- Peripherie und setzt sich zum Ziel, in enger Nähe zu Chi- pierungen eingeschätzte Bewegungen im äußersten Westen na Kriege in geografisch kleinen Gebieten unter den Bedin- Chinas und in Tibet, aber auch soziale Bewegungen in unter- gungen elektronischer Kampfführung zu gewinnen. Diese schiedlichen Kernprovinzen. Beide Phänomene werden von Maßgabe gilt besonders für die Armee, deren unmittelbare der Regierung als eine „terroristische Bedrohung“ deklariert, Einsatzfähigkeit gestärkt wird, aber auch für die Marine, die gegen die vor allem der massive Ausbau zentraler Sicherheits- in „integrierten Missionen“ geschult wird. Hier fungiert die kräfte gerichtet ist. Armee jedoch bereits als limitierender Faktor: die Marine Neue Bedrohungen sieht Beijing aber auch von Außen kann ihr Kampfgebiet nur so weit ausdehnen, wie die ande- auf sich zukommen bzw. sieht seine Interessen und Bürger ren Waffengattungen folgen können.28 Für das strategische im Ausland „bedroht“. Einerseits fühlt man sich zusehends Arsenal der VR gilt die Aufrechterhaltung des Abschre- durch Computerkriminalität, elektronischer Industriespi- ckungspotentials als oberste Priorität, d.h. sie hat ihre Mobi- onage und durch elektronische Kriegsführung angegriffen lität zu erhalten und auszudehnen - wozu dann, wie bereits und setzt sich mit entsprechenden Einheiten zur Wehr (und erwähnt die Schaffung bzw. der Ausbau von auf U-Booten startet seinerseits gezielte Attacken). Hier sieht man sich im stationierte Raketen gehören.29 Hintertreffen gegenüber den technologisch hochgerüsteten Bedrohungen, vor allem solche, die man als „terroristisch“ Ländern Europas und den USA, deren vernetzter Kriegsfüh- definiert, jenseits der eigenen Landesgrenzen kann man mit rung man wenig entgegen zu setzen hat. Andererseits und diesen Mitteln jedoch nicht beikommen, weshalb sich der damit Kernpunkt im Kontext hier, ist aber die Bedrohung Fokus erweitert und (in der Rhetorik des Verteidigungsweiß- chinesischer Interessen und Bürger im Ausland - ihr Schutz, buchs) militärische Mittel durch zivile Formen wesentlich so lässt sich aus Sicht der Marine argumentieren, ist nur über erweitert werden müssen. Indem man andeutet, dass China die See möglich. Insbesondere die Handelsrouten, über die nun bereit ist, „internationalem Terrorismus“ auch militä- der chinesische Export, aber auch der Rohstoffimport er- risch zu begegnen, gibt man auch den Rahmen an, in dem folgt, geraten hier in den Fokus der Regierung. Terroristi- dies geschehen soll: Sicherheitspartnerschaften mit einzelnen sche Angriffe, aber auch reguläre, d.h. von Staaten initiierten, Ländern bzw. ein stärkeres Engagement in der UNO.30 Aus Blockaden durch Kampfschiffe, können diese Routen unter- dem Blickwinkel der militärisch technischen Möglichkeiten brechen und damit der chinesischen Wirtschaft und den chi- der VR betrachtet ist dies nur konsequent, da es der Regie- nesischen Interessen Schaden zufügen. Zum anderen sind es rung so möglich wird, mit der Unterstützung anderer in Re- die Schiffe der chinesischen Handelsflotte (siehe Kasten), die gionen einzugreifen, die für sie allein nicht erreichbar sind. selbst Ziel von Angriffen von Piraten oder Terroristen wer- Zudem bieten Einsätze in multinationalen Einheiten im den können. Chinesen, die sich für ihre Arbeit im Ausland Rahmen von „Friedensmissionen“ eine Gelegenheit, Mate- aufhalten, zu schützen, ist ein weiterer Punkt in der Liste. rial und Mannschaften zu testen und zu schulen. UNO-Ein- Mit chinesischen Rohstoffunternehmungen weltweit, aber sätzen haftet zudem politische Legitimation an, die einem besonders in autoritären Staaten Afrikas, steigt die Gefahr alleinigen Vorgehen Chinas jenseits der Landesgrenzen feh- von Ressentiments gegenüber chinesischen Staatsbürgern. len würde. Bereits bekannte Kidnapping-Fälle, wie z.B. in Nigeria, aber Dabei ist das verstärkte Engagement Chinas in den Verein- auch im Sudan haben die chinesische Regierung dazu veran- ten Nationen und seinen Missionen vielmehr politisch gebo- lasst, solche Angriffe in ihr Kalkül mit einzubeziehen. Dies ten, als militärisch. Chinas „peaceful rise“ ist verknüpft mit reicht so weit, dass Evakuierungspläne für z.B. die Chinesen dem eingeschränkten Vermögen, militärische Macht zu pro- in Nigeria erstellt wurden. jizieren und seinen weltweiten wirtschaftlichen Ambitionen. Auch wenn im Augenblick die (als Bedrohungen empfun- denen) Zustände in Zentralasien und in den chinesischen Kontext chinesischer Aufrüstung Grenzprovinzen Xinjiang und Yunnan, bzw. die separatisti- Der Ausbau der chinesischen Marine steht auch im Kontext schen und religiösen Bewegungen in Tibet, Yunnan, Qing- einer maritimen Aufrüstung in Ost- und Südasien. Japan an- hai, Xinjiang, Ningxia im Zentrum der Aufmerksamkeit tizipiert eine nord-koreanische Bedrohung und nimmt sie als Bejings stehen, so sind ähnliche Bedrohungen außerhalb Anlass, seine Marine in größerem Umfang zu modernisie- Chinas durchaus ein Thema. Die Regierung verwendet hier- ren und Raketenabwehrwaffen in größerer Zahl zu kaufen. für oftmals den Begriff des Terrorismus und vergibt damit Die Kontroverse um die Hubschrauberträger der Hyuga- die Chance, zu einer Bewertung der Ursachen dieser „Bedro- Klasse, von denen Japan in diesem Jahr den ersten in Dienst hungen“ zu kommen. stellt, ist dabei von besonderer Bedeutung. Das Schiff, das Die Lagebewertung mündet in eine Strategie, die alle As- als „Hubschrauber tragender Zerstörer“ klassifiziert31 ist, ist pekte berücksichtigt, aber auch Prioritäten setzt. So rüstet das größte Schiff der Japanischen Verteidigungskräfte und 28 Erweiternd lassen sich Beiträge anführen, die eine stärkere Integration senden. In Haiti hat China erstmals Polizeitruppen für eine UN-Mission nicht nur von Armee-Marine und Luftwaffe, sondern auch die Beteili- zur Verfügung gestellt, die durch die PAP geschult wurden. Nachdem die gung der Küstenwache fordern, die Teil der PAP (People’s Armed Police) Volksbefreiungsarmee nach den Erfahrungen des Erbebens in Sichuan ihre ist. Die so ebenfalls integrierte Strafverfolgung spielt auch eine Rolle bei Katastrophenarbeit umorganisiert hat, steht zu erwarten, dass auch die internationalen Missionen, wie vor Somalia. Song Zenghua 宋增华, The Schulung der Katastrophenhilfstruppen für internationale Einsätze neu Development Trend of Sea Power and the Vision on China Sea Power De- strukturiert wird. http://eng.mod.gov.cn/DefenseNews/2009/09/16/-con- velopment Strategy 海权的发展趋势及中国海权发展战略构想, in: tent_4088516.htm. Siehe auch Drew Thompson, Border Burdens, op zit. Zhongguo ruan kexue 中国软科学 7/2009, S. 187-192. 31 Die Klassifizierung von Hubschrauberträgern zu einer Gruppe ist nicht 29 siehe FN 24. einheitlich. Ausschlaggebend soll die primäre Rolle eines Schiffes sein - so 30 China steigert seit Jahren seine Beteiligung an UN-Friedensmissionen, sind die meisten Hubschrauberträger weltweit als Landungsboote dekla- beschränkt sich aber in weiten Teilen darauf, medizinische und logisti- riert. sche Hilfe vor Ort, oder Pioniere für Straßen- und Brückenbau zu ent-
augenscheinlich auch in der Lage, Flugzeuge zu tragen.32 Die Diese insgesamt bescheidenen Aufrüstungsprogramme sind Anschaffung von Flugzeugträgern ist der japanischen Mari- das Ergebnis angespannter Haushaltslagen in den jeweiligen ne jedoch qua Verfassung verboten, da man sie als Vorstufe Ländern und, angesichts oftmals erheblicher innenpoli- zur Bildung einer offensiven Militärkraft ansieht. Auch die tischer Probleme, anderer Prioritätensetzungen. Umgekehrt, chinesische Diskussion reflektiert diese Befürchtungen und das Beispiel Vietnams mag dies belegen, führt eine positive fordert eine Erklärung hierzu.33 Taiwan will zwei Zerstörer Haushaltslage dazu, lang aufgeschobene Vorhaben in Angriff erwerben, um die Situation in der Straße von Taiwan ausge- zu nehmen. Die andauernden Streitigkeiten mit China um glichen zu halten und provoziert hiermit einmal mehr volkre- die Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer werden dazu publikanisches Säbelrasseln. Man kann allerdings feststellen, führen, dass der ein oder andere Staat wieder in die Auf- dass die amerikanische Präsenz und Dominanz im Pazifik rüstungsspirale einsteigt, um gegenüber der VR China nicht zwar einerseits die Aufrüstung der VR forciert, andererseits ins Hintertreffen zu geraten (siehe hierzu auch weiter unten sich die „Partner“ der USA, vor allem S-Korea, Japan und im Kontext der Spreatly-Inseln und dem amerikanischen En- Taiwan mit ihrer Reaktion auf die „chinesische Bedrohung“ gagement in der Region). noch zurückhalten. Die Reduktion der amerikanischen Prä- Zwei weitere große „Aufrüster“ in Asien sind Pakistan und senz in der Region z.B. durch Truppenabbau oder Verlegung Indien. Während Pakistan als Verbündeter der Volksrepublik größerer Marineverbände in andere Regionen Asiens würde gilt ist das indisch-chinesische Verhältnis eher als gespannt zu mit einer gewissen Sicherheit in die forcierte Stärkung der bezeichnen - mit auch entsprechenden Implikationen für die militärischen Kräfte in Japan, Korea und Taiwan münden. Rüstungsbestrebungen. Aber im Augenblick ist die Aufrüstungssituation im Nord- osten Asiens eher von Stabilität gekennzeichnet, als dies im Pakistan plagt sich vor allem mit inneren Problemen und südlichen Teil der Fall ist. seinem schlechten Verhältnis zu Indien ab, womit vor allem Vietnam hat jüngst seine (immer noch bescheiden anmu- das Heer von den Zuwächsen im Militäretat profitiert. An- tenden) Einkäufe von Waffen in Russland um maritime dererseits wird vergleichsweise wenig Geld in die kleine Ma- Komponenten ergänzt: mit U-Booten der Kilo-Klasse und rine gesteckt.37 Pakistans Regierung pflegt seit Jahren inten- Gepard-Kampfschiffen verfolgt Vietnam eine weitgehend siven Austausch mit China und entwickelt mit chinesischen auf Küstenverteidigung ausgelegte Strategie.34 Die Gepard Rüstungsfirmen ein Kampfflugzeug (JF-17 Thunder), wel- mögen dabei den chinesischen Typ 22 Angriffsbooten unter- ches auch für den Export vorgesehen ist. Darüber hinaus legen sein, sind aber durchaus geeignet, den Bewegungsfrei- führen beide Länder regelmäßig gemeinsame Militärmanö- raum chinesischer Verbände zu stören. Sie sind überdies, wie ver durch. Andere Aspekte der Kooperation sind technische die Kilo-U-Boote, mit Raketen zu bestücken, die auch das Hilfe bei der Raketen- und Marschflugkörpertechnologie chinesische Festland erreichen können. Diese „Aufrüstung“ sowie bei der Weiterentwicklung des pakistanischen Al-Kha- ist schon längst nicht mehr in der Lage, den Vorsprung den lid-Panzers.38 Pakistan hat zudem kleinere Stückzahlen des die chinesische Marine hat, zu reduzieren, aber sie verhindern Chengdu J-10 Kampfflugzeug erworben. Mit drei Jiangwei als Drohpotential ein noch aggressiveres Auftreten der Chi- II-Fregatten aus chinesischer Produktion und einer weiteren nesen. Die Auflösung der ehemals sowjetischen/russischen in Karachi gefertigten Jiangwei erhält Pakistan bis 2013 zu- Basis an der Küste Vietnams vor einigen Jahren zwingt Viet- dem moderne chinesische Marinetechnologie.39 An verschie- nam sukriler Weise heute dazu, auf die amerikanische Flotte denen Stellen ist auch von einem Ausbau der U-Boot-Flot- als limitierendem Element in der Region zu setzen. te Pakistans die Rede, die über die drei Agosta U-Boote 90 Singapur hat seit 2000 seine Bemühungen verstärkt, die aus Frankreich hinaus um drei in Karachi gefertigte gleichen Schlagkraft seiner Armee, Flotte und Luftwaffe auszubauen. Typs erweitert werden soll.40 Pakistan, das sich nach 2001 Zuletzt ist die letzte von 6 französischen Fregatten der Formi- deutlich dem „Kampf gegen den Terror“ unter amerika- dable-Klasse in Dienst gestellt worden.35 Zudem bildet Sin- nischer Führung angeschlossen hat und hierfür auch mit Mi- gapur seine Truppen konsequent im internationalen Umfeld litärhilfe gefördert wurde, hält sich die „chinesische Karte“ in (z.B. in Südafrika) aus, was von Beobachtern als systematisch der Hinterhand. So ist auch die neue Führung unter Asif Ali im Gegensatz zu den Aktionen seiner unmittelbaren Nach- Zardari regelmäßiger Gast in China - ein deutliches Signal an barn interpretiert wird.36 Andere Staaten in Region rüsten die USA und Indien.41 mit U-Booten (Malaysia franz. Scorpene; Indonesien russ. Indien erlebt seit 2000 erhebliche Zuwächse im Militär- Kilo-Klasse sowie korea. Chang Bogo-Klasse) und kleinen haushalt42 und steckt diese einerseits in den Ersatz überal- Küstebooten auf. terter Jagdflugzeuge sowjetischer Herkunft, andererseits aber 32 http://www.globaldefence.net/newsflashes/defence_news/umstritten- worden auf den pakistanischen Bestand. ste_kampfschiff_fuer_die_japanische_ marine_in_yokohama_vom_sta- 39 http://www.thaindian.com/newsportal/world-news/pakistani-navy-to- pel_gelaufen_4414_113.html induct-two-chinese-built-frigates_1002 00847.html. Der „Ausbau“ der 33 今日关注:日本新下水"伊势"号算不算航母?Heute im Fo- Marine mit modernen Fregatten ist aber eher als „Ersatz“ zu werten, da in kus: Zählt die in Japan neu vom Stapel gelaufene "Ise" als Flugzeugträger? gleicher Menge Schiffe aus dem Bestand genommen werden. The Military http://news.xinhuanet.com/mil/2009-08/24/content_11933354.htm Balance 2008, S. 341. 34 The Military Balance 2009, S. 368. 40 The Military Balance 2009, S. 330. Pakistans U-Boot-Flotte umfasst 35 ebenda. inkl. der drei aus Frankreich kommenden Schiffe derzeit 5 Boote. 36 ebenda. 41 Pakistan to promote co-op with south China‘s Guangdong Provin- 37 Ein nicht geringer Teil des gestiegenen Budgets geht auf amerikanische ce, http://news.xinhuanet.com/english/2009-08/23/content_11932453. Militärhilfe zurück, die im Zuge des „Kampfs gegen den Terror“ um die 7 htm (23.8.2009) über den vierten Besuch des Präsidenten seit September Milliarden USD ausmachte - 43% des Verteidigungsbudgets gehen an das 2008. Heer, 10% an die Marine. 42 Im Zeitraum von 2009 bis 2013 verdreifacht sich das Anschaffungs- 38 Elemente des Al-Khalid-Panzers spiegeln sich im chinesischen Typ 90 budget der Indischen Streitkräfte. The Military Balance 2009, S. 334. Panzer - umgekehrt sind die Weiterentwicklung in China rück-übertragen
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