Mehr als nur Corona Deutscher Lokaljournalistenpreis 2020 - www.kas.de - Konrad-Adenauer-Stiftung

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Mehr als nur Corona
Deutscher Lokaljournalistenpreis 2020

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Mehr als nur Corona

Deutscher Lokaljournalistenpreis 2020

Herausgeber: Jochen Blind, Robert Domes
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In Krisenzeiten brauchen wir
verlässlichen Journalismus

Prof. Dr. Norbert Lammert

             Wenn es dieses Beweises noch bedurft hätte, so wurde
             er in der Corona-Krise erbracht: Qualitätsjournalismus –
             besonders im Lokalen – stillt nicht nur das Informations-
             bedürfnis der Menschen, er blickt hinter die Kulissen,
             klärt auf, versachlicht die Debatte und baut Vorurteile
             ab. Er holt die Menschen dort ab, wo sie sich befinden,
             bringt sie ins Gespräch und sorgt für Verbundenheit.

                                Gerade in Krisen suchen die Menschen     Darüber hinaus gewinnt die Rolle des
                                verlässliche Nachrichtenquellen – und    Lokalmediums als Forum an Bedeu-
                                dazu zählen nach wie vor die konven-     tung. Während des Lockdowns, als ein
                                tionellen Medien. Das zeigen Zahlen      direkter Austausch kaum mehr mög-
                                des BDZV, wonach die Zeitungen in        lich war, haben viele Lokalredaktionen
                                Deutschland im Pandemiejahr 2020         den öffentlichen Diskurs geführt und
                                mehr als drei Millionen zusätzliche      moderiert. Sie haben Plattformen ins
                                Leserinnen und Leser pro Woche ge-       Leben gerufen, um den lokalen Han-
                                winnen konnten. Gerade die Lokal-        del, die Gastronomie und die Kultur
                                und Regionalzeitungen können auf         zu unterstützen. Damit fördert der
                                großes Vertrauen bauen, denn sie         Lokaljournalismus Gemeinsinn und
                                stehen für Glaubwürdigkeit.              leistet einen wichtigen Beitrag für
                                                                         eine funktionierende demokratische
                                Ein Vorteil gegenüber sozialen Medien    Gesellschaft.
                                ist, dass Zeitungen nicht nur Informa-
                                tionen, sondern dazu Einordnung und      Den historischen Herausforderungen
                                Hintergrund liefern. Gerade in Krisen-   in der Corona-Krise widmet diese Pub-
                                zeiten fragen die Menschen besorgt:      likation einen Sonderteil „Lokaljourna-
                                Welche Gefahren bestehen für mich        lismus in Zeiten der Pandemie“. Bei-
                                und meine Familie? Welche Folgen         spiele zeigen, wie kreativ die Redak-
                                haben die staatlichen Maßnahmen          tionen mit dem Ausnahmezustand
                                für meinen Arbeitsplatz, meine Frei-     umgegangen sind. Begleitet werden
                                zeit, meinen Alltag? Antworten darauf    sie durch Beiträge aus Wissenschaft,
                                liefern gute Lokalredaktionen.           Politik und Medien.
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Der Vorsitzende                         3

Ebenso werden in dieser Publikation die drei Hauptpreise,       Über die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger hat
der Volontärspreis und die acht Nominierten auf der Aus-        eine neu zusammengesetzte Jury entschieden. Neue Vor-
wahlliste dokumentiert. Sie haben sich unter 354 Einsendun-     sitzende ist Jana Klameth, stellvertretende Chefredakteurin
gen durchgesetzt, darunter 45 Volontärsbeiträge.                der Freien Presse in Chemnitz. Uwe Conradt, Oberbürger-
                                                                meister der Landeshauptstadt Saarbrücken, sowie Jasmin
Den ersten Preis vergibt die Jury an den Südkurier für seine    Off, stellvertretende Chefredakteurin der Lübecker Nach-
eindrucksvolle Berichterstattung über die Grenzschließung       richten, sind seit diesem Jahr neu in der Jury.
zur Schweiz. Die Redaktion hat die einschneidenden Ereig-
nisse nicht nur beschrieben, sondern den Leserinnen und         Abschließend danke ich den Jurymitgliedern, die turnus-
Lesern zugleich vor Augen geführt, dass ein friedlich verein-   mäßig ausgeschieden sind: Heike Groll, Peter Pauls, Anton
tes Europa mit offenen Grenzen unersetzlich ist. Der zweite     Sahlender und Hans-Josef Vogel haben über Jahre hinweg
Preis geht an die Hamburger Morgenpost für ihre Serie           wertvolle Arbeit für den Deutschen Lokaljournalistenpreis
„Jüdisches Leben in Hamburg“. Ein Jahr bevor offener Anti-      geleistet.
semitismus zunehmend für negative Schlagzeilen sorgte,
hat die Redaktion das Thema aufgegriffen, für Aufklärung
gesorgt und für Verständigung geworben. Mit dem dritten
Preis wird der Hanauer Anzeiger ausgezeichnet, der über
den schockierenden Terrorakt in der Stadt berichten muss-
te und sich dabei nicht nur als einfühlsame und verlässliche
Nachrichtenquelle zeigte, sondern auch als Mediator in          Prof. Dr. Norbert Lammert
einer erschütterten Stadtgesellschaft.                          Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
                                                                Präsident des Deutschen Bundestages a. D.
Der Volontärspreis geht an zwei Nachwuchsjournalistinnen
der Rheinischen Post, die durch ihre Heimat fuhren und
das Lebensgefühl der Menschen einfingen. Mit ihrer Serie
„Rheinstories“ zeigen sie, dass auch in sozialen Medien
guter Lokaljournalismus möglich ist und man damit junge
Menschen erreichen kann.
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Journalismus und Pandemie –
ein ambivalentes Verhältnis

Jana Klameth

               Als im Dezember 2019 das erste Mal         vicecharakter, sie berichteten über
               von einem neuen Erreger in der Milli-      Schicksale und versorgten ihre Leser
               onenmetropole Wuhan Meldungen              mit Informationen über die aktuells-
               über die Ticker liefen, schwappte die      ten Regeln, die sie verständlich und
               Diskussion auch in der Redaktion hoch:     übersichtlich aufbereiteten.
               Ein Teil der Kollegen meinte: Bitte
               keine Panik machen, das ist weit weg.      All das leisteten Regionalzeitungen
               Andere waren der Meinung: Dieses           deutschlandweit zuverlässig und von
               Corona wird auch uns ereilen, und das      Monat zu Monat professioneller. Heu-
               wird nicht lustig. Die anderen behiel-     te können Verlage nicht nur über ein
               ten recht. Am 27. Januar 2020 wurde        gewachsenes Leserinteresse berich-
               ein erster Fall in Deutschland gemel-      ten, sondern nach vielen Jahren sin-
               det – seitdem hat das Virus auch die       kender Abozahlen teils auch über eine
               Medien fest im Griff.                      Trendwende. Regionale Medien punk-
                                                          ten gerade in der Pandemie mit Kom-
               Und das Verhältnis Pandemie – Jour-        petenz, Glaubwürdigkeit und Relevanz,
               nalismus ist ein ambivalentes. Auf der     erweisen sich in der Krise als verlässli-
               einen Seite brachen Anzeigen in nicht      che Nachrichtenquelle. Und sie haben
               unbeträchtlichen Größenordnungen           zugleich vielerorts – teils notgedrun-
               weg. Das öffentliche Leben war ja mehr     gen – einen großen Schritt in Richtung
               oder weniger zum Erliegen gekommen,        Digitalisierung gemacht. Auch Verlage,
               mit enormen Auswirkungen auf Wirt-         die auf diesem Gebiet noch hinter-
               schaft, Kultur, Sport, Freizeit. Verlage   herhinkten, waren plötzlich gezwun-
               waren also angehalten, möglichst an        gen, in die technische Ausstattung zu
               allen Ecken und Enden zu sparen. Viele     investieren. Homeoffice war nicht nur
               griffen zum Mittel der Kurzarbeit, auch    möglich, sondern von einem Tag auf
               in den Redaktionen. Gegenläufig wuchs      den anderen nötig. Mit dem mobilen
               Tag für Tag das Informationsinteresse      Arbeiten einher ging die zunehmende
               der Menschen. Vor allem im Regiona-        Konzentration auf digitale Angebote,
               len und im Lokalen. Zahlen und Daten       die wiederum gerade in der Krise von
               zur Pandemie erwiesen sich als heiße       neuen, jüngeren Nutzern gern ange-
               Ware. Je detaillierter und ortsgenauer     nommen wurden. Die Trendwende bei
               Regionalzeitungen sie veröffentlichten,    der Aboentwicklung ist nicht zuletzt
               umso größer war das Leserinteresse.        auf eine starke Zunahme der Online-
               Zudem lieferten die Redaktionen Bei-       Angebote zurückzuführen.
               träge mit Hintergrundwissen und Ser-
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Die Sprecherin der Jury                    5

                                                              Neben dem Südkurier haben sich viele Redaktionen mit
                                                              Corona beschäftigt und Beiträge dazu eingesendet. Die
                                                              große thematischen Breite und die Umsetzung auf allen
                                                              Kanälen haben dabei überzeugt und teils auch überrascht.
                                                              Der Lokaljournalismus punktete gerade in der Krise mit
                                                              Kreativität. Und letztlich sind alle Arbeiten des Jahres 2020
                                                              unter Pandemiebedingungen entstanden: Interviews konn-
                                                              ten nicht persönlich stattfinden, Reporter konnten nur
                                                              selten vor Ort recherchieren, Fotos und Videos waren nur
                                                              schwer möglich …

                                                              Noch ist die Pandemie nicht vorbei. Aber irgendwann wird
Also alles gut in der regionalen Medienlandschaft? Man        es eine Zeit nach Corona geben. Wie werden die regionalen
kann sicher sagen, dass die Pandemie in vielen Bereichen      Medien damit umgehen? Zurückkehren zum Terminjour-
des Journalismus als Entwicklungsbeschleuniger wirkt.         nalismus? Oder hat sich das eigene Themensetzen mitt-
Aber es gibt auch immer Luft nach oben. Fragt man die         lerweile etabliert? Es ist und bleibt spannend. Die Bewer-
Leser, dann haben die eine Reihe von Forderungen. Eine        bungen um den Lokaljournalistenpreis 2021 werden erste
der wichtigsten ist, Informationen nicht nur zu verbreiten,   Antworten liefern. Die Jury freut sich darauf.
Politikermeinungen und -entscheidungen nicht nur zu ver-
öffentlichen, sondern sie auch zu hinterfragen: Hat das
Ganze wirklich Sinn? Welche Folgen hat diese oder jene
Entscheidung? Die Grenzschließung 2020 zum Beispiel.
„Deutschland hat da völlig überreagiert und unsere Nach-
barn brüskiert. Ich habe mich geschämt für unser Land.“
Das sagt Uwe Conradt, Oberbürgermeister von Saarbrü-
cken und Jurymitglied für den Lokaljournalistenpreis der
Konrad-Adenauer-Stiftung. Diesen Aspekt hat er auch bei
der Berichterstattung des Südkuriers etwas vermisst. Aber
im Vergleich zu anderen Regionalblättern lag die Zeitung
bei der Umsetzung dieses Themas sehr weit vorn und ist
ein würdiger Preisträger.

                                                               Jana Klameth ist stellvertretende Chefredakteurin
                                                               der Freien Presse in Chemnitz. Seit 2021 ist sie
                                                               Sprecherin der Jury.
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Die Jurymitglieder

      Jana Klameth ist seit 2011 stellver-       Jasmin Off ist seit 2018 stellvertreten-
      tretende Chefredakteurin der Freien        de Chefredakteurin der zur Madsack
      Presse in Chemnitz. Sie ist dort in ers-   Mediengruppe gehörenden Lübecker
      ter Linie für Inhalte und Organisation     Nachrichten. Nach dem Studium in
      der 19 Lokalredaktionen sowie die Aus-     München und Washington, D.C. volon-
      bildung der Volontärinnen und Volon-       tierte die ehemalige Stipendiatin der
      täre verantwortlich. Nach dem Studium      Journalistischen Nachwuchsförderung
      der Journalistik in Leipzig begann sie     der Konrad-Adenauer-Stiftung bei Süd-
      1987 ihre berufliche Laufbahn bei der      deutsche.de. Von 2016 bis 2018 leitete
      Sächsischen Zeitung, wo sie ab 1998        sie die Online-Redaktion der Schwäbi-
      in der Chefredaktion Lokales und           schen Zeitung. Seit 2021 ist sie Mitglied
      Gesamtausgabe miteinander verband.         der Jury.
      Seit 2021 ist sie Sprecherin der Jury.
                                                 Uwe Conradt ist seit 2019 Ober-
      Inken Boyens ist Verlegerin und            bürgermeister der Landeshauptstadt
      Geschäftsführerin der Boyens Medien        Saarbrücken. Zuvor war er Direktor
      GmbH & Co. KG in Heide. Das Medien-        der Landesmedienanstalt Saarland.
      haus gibt unter anderem die Dithmar-       Von 2009 bis 2019 war er Mitglied im
      scher Landeszeitung sowie deren Man-       Stadtrat von Saarbrücken und von
      telausgaben Brunsbütteler Zeitung,         2012 bis 2016 Mitglied des Saarlän-
      Marner Zeitung und Dithmarscher            dischen Landtags sowie medien- und
      Kurier heraus. Außerdem ist sie stell-     jugendpolitischer Sprecher der CDU-
      vertretende Vorsitzende des Verban-        Landtagsfraktion. Seit 2021 ist der
      des Deutscher Lokalzeitungen. Seit         Altstipendiat der Konrad-Adenauer-
      2018 ist sie Mitglied der Jury.            Stiftung Mitglied der Jury.

      Dr. Jost Lübben ist seit 2015 Chef-        Dr. Jochen Blind ist seit 2019 Presse-
      redakteur der Westfalenpost und der        sprecher der Konrad-Adenauer-Stif-
      Westfälischen Rundschau. Zuvor war         tung und leitet das Medienzentrum.
      er Chefredakteur der Nordsee-Zei-          Der ausgebildete Journalist und Alt-
      tung, bei der er auch volontiert hatte,    stipendiat war von 2010 bis 2018 in
      sowie der Zevener Zeitung und der          der Pressestelle der CDU Deutschlands
      Kreiszeitung Wesermarsch. Er arbeitet      beschäftigt, die letzten vier Jahre als
      unter anderem mit beim Journalisten-       Sprecher der Partei. Danach arbeitete
      programm der Bundeszentrale für            er im Leitungsbereich des Bundesmi-
      politische Bildung und ist Speaker bei     nisteriums der Verteidigung. Seit 2020
      der Wiener Medienstiftung fjum. Seit       ist er Mitglied der Jury.
      2018 ist er Mitglied der Jury.
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Inhaltsverzeichnis

Preisträger 2020                                  8   Lokaljournalismus in Zeiten der Pandemie                            20

Grenzschließung zur Schweiz –                         Täglicher Blog über das Familienleben in Corona-Zeiten
Chronik einer Ausnahmesituation                       Mannheimer Morgen                                    20
Südkurier                                        8
                                                      Reflexionen zur Krise mit Essays von A bis Z
Einblicke in jüdisches Leben helfen                   Mindener Tageblatt                                                  22
Vorurteile abzubauen
Hamburger Morgenpost                             10   In den Netzwerken der Querdenkerszene
                                                      Weißenburger Tagblatt                                               24
Nach Terrorakt steht die Würde der Opfer
an erster Stelle                                      Lebensbegleitung durch versammelten Expertenrat
Hanauer Anzeiger                                 12   Kölner Stadt-Anzeiger                           26

Reise durch die Region als digitaler Road Trip        Lokalmedien konnten ihren
Rheinische Post                                  14   Vertrauenskredit vergrößern
                                                      Interview mit Wiebke Möhring                                        28

Auswahlliste 2020                                16   Lokaljournalismus als Kampf gegen eine „Infodemie“
                                                      Hans-Josef Vogel                                   30
Gedenkseite für Corona-Tote
Der Tagesspiegel                                 16   Die Krise ist Bestätigung und Verpflichtung zugleich
                                                      Jost Lübben                                          32
Die Erfindung eines Verbrechens
Berliner Zeitung                                 16   Digitalisierung und Organisation:
                                                      Veränderungen durch die Krise
Ein Abgeordneter auf Abwegen                          Jasmin Off                                                          34
Mannheimer Morgen                                17
                                                      Umfrage: Was uns die Krise lehrt
Mit Auswanderern um die Welt                          und was davon bleiben wird
Mitteldeutsche Zeitung                           17   Robert Domes                                                        36

Fakten und Erfolgsgeschichten
Neue Presse Hannover                             18

Schmerzmittel im Sport
Heidenheimer Zeitung                             18

Jahrmarkt virtuell und „dahoam“
                                                                                                                 n
Mittelbayerische Zeitung                         19                                                       atione
                                                                                              d  Inform
                                                                                   halte  u n                rna s-
                                                                                                                li
                                                                            Alle In            n  L o kaljou
Das Märchen vom schnellen Geld                                                      eutsch
                                                                                             e                 ehe-
                                                                            zum D              k tu e llen und
                                                                                             a                 das
Badische Zeitung                                 19                                 is, die              sowie
                                                                             tenpre          w  inner
                                                                               malige
                                                                                       n G  e               den Sie
                                                                                             g sp  ortal fin        er-
                                                                                Bewer
                                                                                       bun                   utsch
                                                                                              .k a s .de/de
                                                                                      www                        is
                                                                               unter                      enpre
                                                                                          ljo u r  nalist
                                                                                    loka
Mehr als nur Corona Deutscher Lokaljournalistenpreis 2020 - www.kas.de - Konrad-Adenauer-Stiftung
8

Grenzschließung zur Schweiz –
Chronik einer Ausnahmesituation

Für rund drei Monate werden im Frühjahr 2020 die Grenzen zur Schweiz               1. Preis
geschlossen. Mit Zäunen abgeriegelt, bewacht von bewaffneten Bundes-               Begründung der Jury
polizisten. Der Südkurier hat die historische Ausnahmesituation von allen
Seiten beleuchtet und sich der Fragen, Sorgen und Nöte der Menschen                Die Redaktion des Südkuriers hat
angenommen.                                                                        es sich vom ersten Tag der Grenz-
                                                                                   schließung an zur Aufgabe gemacht,
Um die Ausbreitung des Corona-Virus      Das komplexe Thema wird in viele Be-      für das Miteinander an der Grenze
einzudämmen, werden am 16. März          reiche zerlegt und sorgfältig aufberei-   zu kämpfen. In Wort, Bild und Gra-
über Nacht 200 Kilometer Grenze zur      tet. Auf der Grundlage von täglichen      fik widmete sie sich allumfassend
Schweiz dichtgemacht. Menschen wer-      Datenanalysen kann die Redaktion          diesem Thema. Mit der Vielfalt der
den getrennt, Familien und Liebes-       schnell ableiten, wie stark ein Thema     Aspekte, der Tiefe der Recherche,
paare auseinandergerissen, der Berufs-   interessiert und welche Aspekte beson-    der gelungenen optischen Umset-
und Warenverkehr wird eingeschränkt,     dere Aufmerksamkeit wecken.               zung und der crossmedialen Aufbe-
der Privatverkehr verboten.                                                        reitung hat der Südkurier Außerge-
                                         Als Segen erweist sich, dass auch aus     wöhnliches geleistet und Maßstäbe
Am Grenzzaun zwischen dem deut-          der Schweiz stammende und dort            im Lokaljournalismus gesetzt. Die
schen Konstanz und dem schweizeri-       wohnberechtigte Kollegen im Redak-        Redaktion verstand sich als Verbün-
schen Kreuzlingen kommt es zu herz-      tionsteam mitarbeiten. So kann von        dete der Leserinnen und Leser,
zerreißenden Szenen, Paare küssen        beiden Seiten des neuen Grenzzauns        nahm sich der alltäglichen Sorgen
sich durch Gitterstäbe. Um auch das      berichtet werden. Ein wichtiger Beitrag   und Nöte an, beantwortete drän-
zu unterbinden, errichtet die Schweiz    entsteht in Kooperation mit Schweizer     gende Fragen, lieferte Service. Das
einen zweiten Zaun in zwei Metern        Medien: die bildliche Dokumentation       ist Lokaljournalismus vom Feinsten.
Abstand – küssen unmöglich. Für die      des Ausnahmezustands. Fotografen
900.000 Einwohner in den Landkrei-       halten beiderseits der Grenze an Hun-     Link:
sen der Grenzregion, die eng mitei-      derten Punkten die Sperrgitter, gesenk-   www.suedkurier.de/baden-
nander verflochten sind, ist es ein      te Schlagbäume und bewachte Bürger-       wuerttemberg/grenzschliessun-
einschneidendes Erlebnis.                steige fest.                              gen-eine-chronologie-der-sehn-
                                                                                   sucht-des-hoffens-und-des-ban-
Die Redaktion des Südkuriers steht       Online und in der gedruckten Zeitung      gens;art417930,10504475
vor einer Aufgabe, für die niemand       entsteht damit ein Dokument über ein
einen Projektplan schreiben konnte.      Stück Zeitgeschichte. Die Redaktion       Kontakt:
Sechs der 17 Lokalredaktionen liegen     legt auf diese Weise offen, wie eng die   Jörg-Peter Rau, Chefredaktion
nahe oder direkt an der Grenze. Sie      Menschen der Grenzregion miteinan-        Lokales, Südkurier GmbH
entwickeln mit dem Mantelteam meh-       der verbunden sind. Und sie zeigt, wie    T +49 7531 999-1510
rere Themenstränge, um jeweils ver-      wichtig offene Grenzen sind.              T +49 170 577 7285
schiedene Zielgruppen anzusprechen:                                                joerg-peter.rau@suedkurier.de
Wirtschaft und Arbeitswelt, Trennung     Die umfassende Berichterstattung ist
und Wiedersehen, Leserservice, Zeit-     bei den Leserinnen und Lesern ange-       Simone Ise, Projektredakteurin
geschichte, Menschen und Schicksale,     kommen und hat auch zum wirtschaft-       in der Chefredaktion
Kurioses.                                lichen Erfolg des Medienhauses in der     T +49 7531 999-1235
                                         Krise beigetragen.                        T +49 151 544 08674
                                                                                   simone.ise@suedkurier.de
     Tipp:
                                                                                   Medium: Südkurier
     „Wenn etwas ganz Großes passiert, zerlegt es mutig                            Auflage: 114.000

     in kleine Teile – einzelne Schauplätze, Lebenslagen,                          Verbreitungsgebiet: Bodensee,
                                                                                   Schwarzwald, Hochrhein
     Alltagsfragen, Blickwinkel. Habt keine Angst vor                              Anzahl Lokalteile: 12
     scheinbar trivialen Fragen, denn oft sind sie die                             Redaktionsgröße: 100

     besten. Und schafft über starke Bilder eine emotio-
     nale Brücke zu den Lesern.“
Mehr als nur Corona Deutscher Lokaljournalistenpreis 2020 - www.kas.de - Konrad-Adenauer-Stiftung
Preisträger                                                9

18 KONSTANZ
                                                                                                                                                                                      SÜDKURIER NR. 66 | K
18 KONSTANZ
D
S ÜO DN KN UE R ISETRA GN,R 1. 96. 6M| ÄKR Z 2 0 2 0
                                                                                                                                                                                 DONNERSTAG, 19. MÄRZ 2020

                                                       Plötzlich wieder getrennt
                                   Ein fotografischer Spaziergang entlang der gesperrten Grenzübergänge zwischen Konstanz und Kreuzlingen. Seit Montag
                                wirkt sich die Corona-Krise auch auf die Bewegungsfreiheit vieler Konstanzer und ihrer Nachbarn in Kreuzlingen aus. Durch die
                                Schließung der Grenzen – inklusive vorläufiger Sperrungen der kleineren Übergänge – erinnern sich viele Menschen an längst
                                                     vergangene Zeiten zurück. Unsere Fotografin hat Eindrücke aus Konstanz gesammelt.

 Trotz wieder errich-
    tetem Grenzzaun
   ist es zahlreichen
      Schweizern und
     Deutschen – wie
hier Sandra Lenherr
 aus Tägerwilen und
    Gabi Rasche aus
 Konstanz – ein Her-
   zensanliegen, die
grenzüberschreiten-
den Freundscha� �                                                                                                                                    2006 wurde der Grenzzaun zwischen Konstanz und Kreuzlingen am
   weiter zu pflegen.                                                                                                                                 Klein Venedig abgebaut, nun steht er provisorisch wieder.

                                                                              Auch der Konstanzer
                                                                              Uli Topka musste die
                                                                              erneute Grenzzaun-
                                                                              Ziehung mit eige-
                                                                              nen Augen gesehen
                                                                              haben. „Das hätte
                                                                              ich mir nie im Leben
                                                                              vorstellen können“,      Kein Durchkommen mehr am Zoll Klein Venedig. Vor Jahren fiel auch hier der deutsch-schweizerische Grenzzaun,
                                                                              erklärt er.              nun ist wieder unübersehbar eine Absperrung vorhanden.

       Dem Zaun zum
    Trotz: Sie können
     sich weder dies-
    noch jenseits der
  Grenze tr� e�n und
   halten deshalb ei-
  nen Plausch durch
 das Gitter hindurch
  (v.l.): Gabi Rasche,
   Dagmar Meinicke,
 Dominik Böhringer,                                                                                                                                                                                Die grüne Grenze an
     Sandra Lenherr,                                                                                                                                                                               der Grenzbachstra-
Werner Sauter, Hugo                                                                                                                                                                                ße wurde bisher nur
     Pf� hauser und                                                                                                                                                                                mittels Absperrband
           David Roth.                                                                                                                                                                             geschlossen.

                                                                              Auch der Übergang
                                                                              von der Wiesenstra-
                                                                              ße nach Kreuzlingen
                                                                              ist jetzt provisorisch   Auch der Grenzübergang Tägerwilen, umgangssprachlich als Gottlieber Zoll bekannt, ist gesperrt – und damit auch
                                                                              abgeriegelt.             der Zugang zum Tägermoos, das eigentlich eine Gemarkung von Konstanz ist. BILDER: AURELIA SCHERRER
10

Einblicke in jüdisches Leben
helfen Vorurteile abzubauen

Seit Ende 2019 wird in Hamburg über den Wiederaufbau der Bornplatz-                  2. Preis
synagoge diskutiert. Eine Initiative will das 1938 zerstörte Gebäude wie-            Begründung der Jury
dererrichten. Kritiker lehnen das ab. Damit die Verständigung nicht aus
dem Blick gerät, stellt die Hamburger Morgenpost in einer Serie „Jüdi-               Die Redaktion hat Mut bewiesen, sich
sches Leben in Hamburg“ vor.                                                         mit dieser Intensität dem jüdischen
                                                                                     Leben in Hamburg zu widmen. Und
Die Hauptsynagoge am Bornplatz war         Hamburger Judentums vor. Und sie          das auf eine Art und Weise, die Spaß
ein repräsentatives Gebäude mit einer      lassen sich vom Alltag als Jude erzäh-    macht, die Geschichten zu lesen. Die
Kuppel, das 1906 eingeweiht wurde. In      len, zu dem auch Übergriffe und Hass      Beiträge sind optisch hervorragend
der Reichspogromnacht 1938 wurde           gehören.                                  umgesetzt, die Texte zeichnen sich
sie von Nazis verwüstet und 1939 ab-                                                 durch eine wohltuende Sachlichkeit
gerissen. Heute erinnert ein Boden-        Die Autorinnen setzen auf nüchterne       und zugleich einen hohen Unterhal-
mosaik an die Synagoge. Seit eine Ini-     Beschreibungen, lassen die Protago-       tungswert aus. Hervorzuheben ist,
tiative ihren Wiederaufbau fordert,        nisten sprechen. Einer von ihnen sagt:    dass die Serie von einer Volontärin –
findet die Diskussion quer durch alle      „Ein Problem ist, dass so wenige Men-     Nicola Daumann – gemeinsam
politischen Lager statt und spaltet        schen etwas über das jüdische Leben       mit der Redakteurin Nina Gessner
auch die jüdische Gemeinde selbst.         wissen." Die Reportagen sollen dem        umgesetzt wurde. Beide haben ein
                                           abhelfen, wollen Einblicke geben, Wis-    relevantes Thema frühzeitig erkannt
Für die einen wäre die Rekonstruk-         sen vermitteln, Vorurteile ab- und Nähe   und hervorragend umgesetzt. Auch
tion des neoromanischen Gebäudes           aufbauen.                                 wenn die Jury eine digitale Umset-
ein Symbol der Versöhnung und ein                                                    zung des Themas vermisste, hält sie
Zeichen im Kampf gegen Antisemitis-        Größte Schwierigkeit dabei sind die       diese Serie für absolut preiswürdig.
mus. Für die anderen bedeutet dies         Corona-Beschränkungen, die den Zu-
die Zerstörung eines wichtigen Orts        tritt zu Gebäuden und Kontakte zu         Kontakt:
der Erinnerungskultur und damit die        Personen erschweren. Die Reportagen       Nina Gessner, Redakteurin
Verschleierung der nationalsozialisti-     gelingen nicht zuletzt dank der Unter-    T +49 40 809 057 223
schen Verbrechen.                          stützung der Jüdischen Gemeinde.          nina.gessner@mopo.de

Die Hamburger Morgenpost beglei-           Die Redaktion bekommt viele Leser-        Nicola Daumann, Volontärin
tet die Debatte von Anfang an. Die         briefe zu den Artikeln. Neben großer      T +49 40 809 057 503
Redaktion entschließt sich zu einer        Zustimmung gibt es auch nicht wenige      nicola.daumann@mopo.de
Serie, die nicht den Streit in den Blick   Stimmen mit antisemitischem Hinter-
nimmt, sondern für Aufklärung sorgt.       grund, wie etwa die Forderung, die        Medium: Hamburger Morgenpost
Titel: „Jüdisches Leben in Hamburg“.       jüdische Gemeinde solle „gefälligst       Auflage: 40.000
Redakteurin Nina Gessner und Volon-        selbst“ den Wiederaufbau bezahlen.        Verbreitungsgebiet: Region
tärin Nicola Daumann porträtieren          Die Autorinnen treten mit einigen         Hamburg
Mitglieder der jüdischen Gemeinde,         Lesern per E-Mail in Dialog und stellen   Anzahl Lokalteile: 1
sie geben Einblicke in die bestehende      fest, dass häufig Unkenntnis hinter       Redaktionsgröße: 45
Synagoge, berichten über die jüdische      den Vorurteilen steckt. Sie sehen sich
Schule, besuchen einen koscheren           in ihrer Arbeit bestätigt.
Laden. Sie stellen Traditionen und
die verschiedenen Strömungen des

     Tipp:

     „Unserer Ansicht nach ist es wichtig, bei Themen
     dieser Art besonders darauf zu achten, nicht zu
     vereinheitlichen und nicht zu sehr zu verkürzen.
     Sonst läuft man Gefahr, mit den Artikeln selbst
     Vorurteile zu schüren und zu verbreiten.“
Preisträger                                  11

16 HAMBURG

                                                                                           Foto: Quandt
Foto: Meyer

                                                                                                          Shelly Meyer
                                                                                                          lebt in
                                                                                                          Hamburg, seit
                                                                                                          sie sechs Jahre
                                                                                                          alt ist.

     Bei einer Ferienfreizeit der
     „Zentralwohlfahrtstelle der
     Juden in Deutschland“ in Israel
     wird ausgelassen getanzt.

                „Die meisten Vorurteile
               entstehen, weil viele keine
                     Juden kennen“
              MEET A JEW Wie sich zwei junge Hamburger ehrenamtlich gegen Antisemitismus einsetzen
NICOLA DAUMANN                         Schüler der Jahrgangsstufe     se Hebräisch spricht.                         nur wenige Juden in            weisen.“ Für sie persönlich
                                       11 schon erlebt, viele von       Meyer engagiert sich in                     Deutschland“, sagt Sheffer,    hat das Judentum mehr mit
nicola.daumann@mopo.de                 ihnen in der Schule. „Häufig   der Jüdischen Gemeinde,                       „und die meisten Vorurteile    Traditionen als mit ihren re-
                                       wurden die Vorfälle kaum       seit sie 14 Jahre alt ist, und                entstehen, weil viele keine    ligiösen Überzeugungen zu
Schmierereien, Beleidigun-             beachtet“, erzählt Sheffer     hilft derzeit als Mitarbeiterin               Juden kennen.“                 tun. Meyer ernährt sich nicht
gen, körperliche Angriffe:             der MOPO. Um sich dem          des Jugendreferats beim                          Häufig bringen die Frei-    koscher und hält den Schab-
2032 antisemitische Strafta-           nicht auszusetzen, ver-        Aufbau des Jugendzentrums                     willigen eigene persönliche    bat ebenfalls nicht ein. Und
ten wurden 2019 deutsch-               schweigen viele seiner jüdi-   und einer Community für 18-                   Gegenstände wie einen Cha-     trotzdem: Wenn sie jüdi-
landweit gemeldet – doch die           schen Freunde in ihren Schu-   bis 35-Jährige. Sie hat die                   nukka-Leuchter zu den Be-      schen Festen oder Bräuchen
Dunkelziffer ist weit höher.           len, dass sie Juden sind, so   Veranstaltung „Sushi in der                   gegnungen mit oder vertei-     beiwohnt, fühle sich das hei-
Die MOPO hat mit zwei jun-             Sheffer.                       Sukka“ am 4. Oktober 2020                     len koschere Gummibärchen      misch an.
gen Juden gesprochen, die                 Auch Shelly Meyer wurde     organisiert, bei der ein guter                – so soll die abstrakte Idee      Meyers Großeltern haben
selbst angefeindet wurden              schon antisemitisch belei-     Freund vor der Synagoge mit                   vom Judentum, das den          den Holocaust erlebt. Trotz-
– und etwas ändern wollen.             digt und sogar körperlich an-  einem Klappspaten angegrif-                   meisten nur aus dem Religi-    dem macht es sie wütend,
                                       gegangen. Die 25-jährige Stu-  fen und verletzt wurde. Seit-                 ons- oder Geschichtsunter-     wenn sich junge Menschen
Noah Sheffer ist 16 Jahre alt.         dentin wurde in Israel gebo-   dem sei sie vorsichtiger ge-                  richt bekannt ist, mit Leben   für die Verbrechen des Nazi-
Er mag Apfelsaft, interes-             ren und lebt in Hamburg,       worden, erzählt sie.                          gefüllt werden. Zu Nicht-Co-   Regimes bei ihr entschuldi-
siert sich für Politik und             seit sie sechs Jahre alt ist.    Aber Sheffer und Meyer                      rona-Zeiten finden über das    gen. Natürlich dürfe man den
möchte später einmal in den            „Du Juden-                                        arbeiten ak-               Projekt bundesweit zwi-        Holocaust nicht vergessen, so

                                                       Moin,
USA Wirtschaftswissen-                 schwein“                                          tiv gegen                  schen 50 und 60 Begegnun-      Meyer. „Für das, was damals
schaften studieren. Wie vie-           wurde ihr                                         Antisemi-                  gen im Monat statt.            passiert ist, tragen wir heute

                                                       Schal m
le andere Jungs in seinem              schon hin-                                        tismus an:                    Die Ehrenamtlichen sind     aber keine Schuld“, sagt sie.
Alter spielt er in seiner Frei-        terhergeru-                                       Sie     sind               immer zu zweit, häufig aus     „Aber wir tragen Verantwor-
zeit gern Computer. Weniger            fen, Haken-                                       zwei von                   unterschiedlichen jüdischen    tung für die Gegenwart und
gewöhnlich ist hingegen sein           kreuze auf                                        über 300                   Strömungen, um die Vielsei-    dafür, was in Zukunft sein       Noah Sheffer bei e
ehrenamtliches Engagement:             ihr Bild ge- Jüdisches Leben in Hamburg Fr e iw i l l i -                    tigkeit des jüdischen Lebens   wird.“                           Kundgebung der In
Denn er erzählt Interessier-           malt oder                                         gen, die sich              zu zeigen. „Ich möchte, dass      Was jeder Einzelne gegen      die Bornplatz-Syna
ten von seinem Alltag – und            Hassnachrichten in den so-     bundesweit bei dem Projekt                    das „Jüdischsein“ gesell-      Antisemitismus tun kann?         Hamburg vor dem
baut so Vorurteile gegen Ju-           zialen Medien geschrieben.     „Meet a Jew“ vom Zentralrat                   schaftlich      normalisiert   Nicht einfach an Schmiere-
den ab.                                Um Anfeindungen zu entge-      der Juden engagieren und in                   wird“, so Meyer. „Ich zeige    reien oder Beleidigungen vor-
   Sheffer ist in Hamburg ge-          hen, telefoniert sie mit ihren Schulen, Unis, Vereinen oder                  mich selbst und damit auch,    beigehen, sondern sie melden,
boren und aufgewachsen.                Eltern an öffentlichen Orten   Unternehmen Fragen über                       dass wir zwar andere Bräu-     sagt Sheffer. Und den betrof-
Und er ist Jude. Mehrere an-           auf Deutsch oder Englisch      ihr Leben und ihren Alltag                    che haben, aber menschlich     fenen Menschen zeigen, dass
tisemitische Vorfälle hat der          – obwohl die Familie zu Hau-   beantworten. „Es gibt eben                    viele Gemeinsamkeiten auf-     sie nicht alleine sind.
12

Nach Terrorakt steht die Würde
der Opfer an erster Stelle

In der Nacht vom 19. auf den 20. Februar 2020 erschießt ein Mann in                   3. Preis
Hanau zehn Menschen und sich selbst. Mit diesem Terrorakt beginnt                     Begründung der Jury
für den Hanauer Anzeiger eine Ausnahmezeit. Die Redaktion ist nicht
nur Berichterstatter, sondern Mediator in einer Stadt, die in ihren                   Am 20. Februar 2020, dem Tag
Grundfesten erschüttert ist.                                                          nach dem schrecklichen Terrorakt
                                                                                      in Hanau, bündelt die Redaktion
Am späten Abend des 19. Februar            schen aus dem Umfeld der Opfer, mit        des Hanauer Anzeigers alle Kräfte –
bekommt die Redaktion vage Infor-          Politikern, Polizei und Experten. Sie      Online, Print, Layout und freie Foto-
mationen über eine Schießerei in der       beschreibt die Fassungslosigkeit, die      grafen. Sie erarbeitet ein Konzept
Hanauer Innenstadt. Im Laufe der           Trauer, aber auch die große Solidari-      und stemmt eine Ausgabe, die die
Nacht wird klar: Ein rechtsextremer        tät in der Stadt.                          Jury mit dem dritten Preis auszei-
Täter hat neun Menschen erschossen,                                                   chnet. Das kleine Team hat es von
anschließend seine Mutter und sich         In den Tagen und Wochen danach             der ersten bis zur letzten Seite die-
selbst.                                    versucht die Redaktion, alle Themen        ser Ausgabe geschafft, ein allum-
                                           abzubilden, die die Menschen im            fassendes Bild der Ereignisse zu
In Windeseile erstellt die Redaktion ein   Zusammenhang mit den Attentaten            zeichnen. Dabei ist es Dank einer
Konzept für den Folgetag und die Tage      bewegen. Dazu zählen Trauerfeiern          sehr guten Bildarbeit und sensibler
danach. Alle redaktionellen Kräfte wer-    und Kundgebungen, Initiativen, die         Berichterstattung gelungen, die
den einbezogen. In den frühen Morgen-      sich gründen, gesellschaftliche und        Opfer des Attentats und das Leid
stunden wird eine Whatsapp-Gruppe          politische Debatten, etwa über die         der Angehörigen in den Mittelpunkt
eröffnet mit Redakteuren, Fotografen,      richtige Form und den richtigen Ort        der Berichterstattung zu stellen.
Online-Kollegen. Dort werden die Auf-      der Trauer.                                Die Redaktion hat den Opfern ein
gaben verteilt und redaktionelle Fra-                                                 Gesicht und Würde gegeben.
gen diskutiert.                            Vor allem sucht die Lokalredaktion das
                                           Gespräch mit Betroffenen. Die Würde        Links:
Es ist ein Spagat. Einerseits muss die     der Opfer und ihrer Angehörigen steht      www.hanauer.de/thema/terror-in-
Redaktion die schwierige Nachrichten-      an vorderster Stelle. In ständiger Dis-    hanau-sti1519756/
lage aufbereiten, bekommt Anfragen         kussion wird im Team abgewogen,
von Medien aus aller Welt. Andererseits    welche Informationen an die Leser          Kontakt:
ist allen bewusst, dass sie auch der       weitergegeben werden.                      Yvonne Backhaus-Arnold,
Stimmung einer aufgewühlten Stadt-                                                    Redaktionsleiterin
gesellschaft Rechnung tragen muss.         Am Tag der Trauerfeier werden neun         T +49 618 129 03-317
                                           der zehn Ermordeten einfühlsam por-        yvonne.backhaus-arnold@hanauer.de
Am Tag nach der Bluttat zeigt das          trätiert. Die Seiten entstehen in enger
Titelblatt nur eine Kerze vor schwar-      Abstimmung mit der Stadt Hanau und         Holger Weber-Stoppacher,
zem Hintergrund, darüber das Datum         den Angehörigen. Der 19. Februar be-       Redakteur
19.2.2020. Die Redaktion arbeitet in       schäftigt die Lokalzeitung bis heute. Es   T +49 618 129 03-366
einer Sonderausgabe die Tat und die        geht um die juristische Aufarbeitung,      holger.weber@hanauer.de
Hintergründe auf, spricht mit Ange-        Fragen der Gedenkkultur und des
hörigen und Augenzeugen, mit Men-          Zusammenlebens in der Stadt. Die           Medium: Hanauer Anzeiger
                                           Redaktion sieht ihre Aufgabe weiter-       Auflage: 13.500
                                           hin als Mediator und Medium an.            Verbreitungsgebiet: Hanau/
     Tipp:                                                                            Main-Kinzig-Kreis
                                                                                      Anzahl Lokalteile: 1
     „Auch in Extremsituationen ist es wichtig, Diskus-                               Redaktionsgröße: 20

     sionen zuzulassen und so Abwägungsprozesse
     zu ermöglichen. Nie haben wir so viel miteinan-
     der gesprochen wie in den Tagen und Wochen
     nach dem 19. Februar – auch deshalb war unsere
     Berichterstattung so vielfältig und so gut.“
Preisträger                          13

295. Jahrgang / Nr. 44 • D 3438 A • 1,70 €

                                               FREITAG, 21. FEBRUAR 2020

                                             19. 2. 2020

                                                                                         Foto: Argazs/Pixabay
14

Reise durch die Region
als digitaler Road Trip

Lokaljournalismus für eine junge Zielgruppe, mit Themen, die junge Men-                  Sonderpreis für Volontärsprojekte
schen interessieren, auf Kanälen, die sie nutzen. Das nahmen sich Maren                  Begründung der Jury
Könemann und Marie Ludwig vor. Herausgekommen sind die RheinStories,
eine Reise durch Nordrhein-Westfalen, über die die Volontärinnen im                      Maren Könemann und Marie Ludwig –
digitalen Format berichten.                                                              damals beide Volontärinnen bei der
                                                                                         Rheinischen Post – haben für ihre
Vor dem Road Trip steht über ein Jahr        vom Schüler-Start-up bis zur Tier-          „RheinStories“ ein Konzept entwickelt,
Arbeit. Könemann und Ludwig sind             retterin, vom Ballonfahrer bis zur          um junge Menschen zwischen 24
davon überzeugt, dass Tageszeitungs-         Biobauernfamilie. Es sind bunte und         und 45 zu erreichen. Sie senden ihre
verlage noch aktiver auf jüngere Gene-       spannende Geschichten ebenso wie            Geschichten über Instagram, spre-
rationen zugehen müssen. Daher ent-          nachdenkliche und berührende.               chen Podcasts auf und nutzen weitere
wickeln sie die Idee, das Format und                                                     digitale Kanäle. Dabei setzen sie auf
die Inhalte für #RheinStories. Sie erstel-   Die zwei Frauen, beide unter 30, haben      die Themen Nachhaltigkeit, Heimat-
len einen Businessplan und sorgen in         einen jungen Blick auf Land und Leute.      liebe und Freiheit. Acht Wochen lang
Zusammenarbeit mit der Anzeigenab-           Das zeigen nicht nur die Themen, son-       sind die beiden durchs Rheinland
teilung für Kooperationspartner, um          dern auch die flotte, sehr persönliche      getourt und haben täglich Stories
das Projekt auch wirtschaftlich auf eine     Erzählweise. Auf Instagram erhalten die     produziert – locker, unterhaltsam,
solide Basis zu stellen.                     #RheinStories 21.000 Likes.                 spannend, lehrreich. Das Projekt ist
                                                                                         glänzend gemacht, gut durchdacht
Vor allem suchen sie abwechslungs-           Jeden Tag recherchieren, moderieren         und super strukturiert. Ein gelunge-
reiche Geschichten, die sich nach der        und erstellen sie eine Instagram-Story      nes Beispiel für guten Lokaljournalis-
Lebenswirklichkeit junger Menschen           auf dem Kanal @rheinischepost, die          mus der Zukunft.
zwischen 24 und 45 Jahren richten.           live gesendet wird. Außerdem produ-
Dazu schöne Orte und Alltagshelden.          zieren sie einen wöchentlichen Rhein-       Link:
Nachhaltigkeit, Heimatliebe und Frei-        Stories-Podcast, in dem sie von den         Instagram: www.instagram.com/
heit sind die Grundthemen. Dazu das          Begegnungen der Woche erzählen und          rheinischepost
Ziel, den Menschen das Rheinland und         auch hinter die Kulissen ihrer Arbeit       Podcast: rp-online.de/nrw/rheinsto-
seine Besonderheiten näherzubringen.         blicken lassen. Mehrere Artikel für Print   ries/rheinstories-der-podcast-nach-
Bevorzugter Kanal ist Instagram.             und Online ergänzen das Paket. Damit        haltige-bulli-reise-durchs-rheinland_
                                             verwirklichen die beiden Frauen das         aid-51598523
Mehr als 60 Themen haben die beiden          bislang größte Multimediaprojekt des        RP Online: rp-online.de/nrw/rheinsto-
Volontärinnen im Gepäck, als sie sich        Verlags.                                    ries/, https://interaktiv.rp-online.de/
im Sommer 2020 mit einem elektrisch                                                      rheinstories
umgebauten T1-Bulli auf die Reise            Könemann und Ludwig, die inzwischen
durch das Rheinland machen. In acht          als Redakteurinnen beim WDR arbei-          Kontakt:
Wochen besuchen sie acht Regionen,           ten, bekommen viel positive Resonanz        Maren Könemann, Redakteurin,
verbringen 55 Nächte im Dachzelt und         auf ihre RheinStories. Das Projekt zeige,   derzeit WDR
produzieren täglich Geschichten.             dass sich auch junge Menschen für           T +49 178 628 8917
                                             lokale Themen interessieren, wenn           kontakt@marenkoenemann.de
Die Themenpalette reicht vom Borus-          die Geschichten auf den richtigen
sia-Fan bis zum Karnevalswagenbauer,         Plattformen stattfinden und zielgrup-       Marie Ludwig, Redakteurin, derzeit
                                             pengerecht aufbereitet seien.               WDR/funk
                                                                                         T+49 / 173 828 2850
     Tipp:                                                                               post@marieludwig.de

                                                                                         Medium: Rheinische Post
     „Wichtig sind vor allem: genügend Teampower für                                     Auflage: 262.500
     qualitatives Community-Management, strukturier-                                     Verbreitungsgebiet: Nordrhein-
     tes Story-Scripting, genug Puffer zwischen Produk-                                  Westfalen
                                                                                         Anzahl Lokalteile: 19
     tion und Ausstrahlung – und ganz viel rheinisches                                   Redaktionsgröße: 230
     „Lebensjeföhl“ ;).“
Preisträger   15
16

Gedenkseite für                                                  Die Erfindung
Corona-Tote                                                      eines Verbrechens

Für die Toten der Pandemie gibt es keine große                   34 Jahre nach dem Tod eines Mosambikaners in der
Trauerfeier. Diese Menschen verschwinden leise.                  DDR wird aus dem Unglück ein Gewaltverbrechen. Die
Der Berliner Tagesspiegel ruft für sie ein Online-               Berliner Zeitung deckt die Geschichte einer Lüge auf.
Gedenkprojekt ins Leben.
                                                                 Der 23-jährige DDR-Vertragsarbeiter Manuel Diogo stirbt
Zu den täglichen Meldungen rund um die Corona-Pan-               1986 bei einer Zugfahrt in Brandenburg. Für die DDR-
demie gehört die Zahl der Verstorbenen. Auch in der              Behörden ist es ein Unfall. Aber mehr als 30 Jahre später
Redaktion des Tagesspiegels sind sie Alltag. Ende des Jah-       heißt es plötzlich, der Mosambikaner sei von Neonazis
res 2020 beschließt die Story-Redaktion, den Zahlen etwas        ermordet worden. Die Staatsanwaltschaft rollt den Fall
entgegenzusetzen. Sie will den Toten ein Gesicht geben,          neu auf. Ein Historiker aus dem Westen hat die These vom
mahnen und auch trösten.                                         Neonazimord aufgestellt. Die Stasi habe den Mord ver-
                                                                 tuscht. Zeitungen und Fernsehen verbreiten die Mord-
Zusammen mit dem Team des Innovation Lab wird eine               these, Bücher werden dazu veröffentlicht.
Online-Gedenkseite eröffnet für jene, die an und mit
COVID-19 gestorben sind. Dort wird ihre Geschichte in klei-      Anja Reich und Jenni Roth von der Berliner Zeitung recher-
nen Texten erzählt. Am Verfassen der Nachrufe beteiligen         chieren, was damals wirklich passiert ist. Sie finden her-
sich diverse Autorinnen und Autoren des Tagesspiegels.           aus: Es gibt keinen Hinweis auf einen Mord. Sie erzählen
Die Informationen kommen von Hinterbliebenen, die sich           die Geschichte einer Lüge und wie sich ein ganzes System
per E-Mail melden.                                               darum herum bilden konnte, zu dem Zeitungen, Fernseh-
                                                                 sender, Buchverlage, Historiker und Politiker gehören.
Die Gedenkseite, die laufend aktualisiert wird, erhebt keinen    Alle haben sich schnell auf eine Seite geschlagen, ohne
Anspruch auf Vollständigkeit. Allerdings findet sich für jeden   die andere richtig geprüft zu haben. Bei der Recherche
Corona-Toten Berlins eine digitale Kerze. Als die Seite kurz     wird klar: Es geht gar nicht um Fakten, sondern darum,
vor Weihnachten erscheint, sind es bereits über 1.000 Ker-       wie DDR-Geschichte heute erzählt wird.
zen. Im Januar kommen 1.005 neue Flammen hinzu, so viele
Tote wie in keinem anderen Monat der Pandemie. Auch              Die Redakteurinnen veröffentlichen ihre Recherchen in
diese Botschaft wollen die Macher der Seite geben: Passt auf     einem Report, beleuchten die Hintergründe in mehreren
euch und auf die Menschen um euch herum auf. Auch im             Artikeln und Porträts. Sie arbeiten den Fall in einem mehr-
Blatt wird das Projekt mit mehreren Seiten begleitet.            teiligen Doku-Podcast auf.

Link:                                                            Link:
interaktiv.tagesspiegel.de/lab/den-toten-der-                    www.berliner-zeitung.de/podcast/wie-aus-einem-tragi-
coronapandemie                                                   schen-unfall-ein-brutaler-neonazi-mord-wurde-li.125336

Kontakt:                                                         Kontakt:
Maris Hubschmid, Stellvertretende Ressortleiterin Story          Anja Reich, Teamchefin Dossier
dritte@tagesspiegel.de                                           anja.reich@berlinerverlag.com
                                                                 Jenni Roth, Redakteurin – Schwerpunkt Podcast
Medium: Der Tagesspiegel                                         T +49 163 235 7646
Auflage: 110.000                                                 jenni.roth@berlinerverlag.com
Verbreitungsgebiet: Berlin
Anzahl Lokalteile: 2                                             Medium: Berliner Zeitung
Redaktionsgröße: 130                                             Auflage: 87.000 (Verbreitung 3/2020),
                                                                 Reichweite: 0,28 Mio. (MA 2019)
                                                                 Verbreitungsgebiet: Berlin und Region
                                                                 Anzahl Lokalteile: 1
                                                                 Redaktionsgröße: 150
Auswahlliste                            17

Ein Abgeordneter                                            Mit Auswanderern
auf Abwegen                                                 um die Welt

Im Wahlkampf machte sich Nikolas Löbel für                  Tausende Sachsen-Anhalter sind ausgewandert, leben
bezahlbaren Wohnraum stark. Doch er selbst                  heute irgendwo auf der Welt. Die Mitteldeutsche Zei-
vermietet teure Wohnungen. Nur eine von vielen              tung stellt einige von ihnen in einer Serie vor.
Ungereimtheiten.
                                                            Sie leben in New York, Toronto oder Moskau, in Peru, Boli-
Der Mannheimer Nikolas Löbel zieht 2017 für die CDU in      vien oder auf Saba in der Karibik. Es sind einige der vielen
den Bundestag ein. Drei Jahre später gerät der Politiker    Menschen, die Sachsen-Anhalt verlassen haben. Wie sieht
in die Kritik. Grund sind seine privaten und unternehme-    ihr Alltag aus, die Arbeit, ihre Beziehungen? Wie hoch ist die
rischen Aktivitäten. Der 34-Jährige vermietet Wohnun-       Miete, wie groß die Wohnung? Was ist ihr Lieblingsplatz? Was
gen über Kurzzeitwohnportale, für andere Wohnungen          aus ihrer alten Heimat vermissen sie? In der Serie werden
verlangt er eine teure Miete. Einem langjährigen Mieter     sehr persönliche Geschichten von Auswanderern erzählt.
seines Hauses hat er gekündigt und die Wohnung –
wesentlich teurer – weitervermietet. Dabei hatte sich       Betreut wird die Serie von der freien Autorin Janine Gürtler,
Löbel im Wahlkampf 2017 für die Schaffung von mehr          die selbst ausgewandert ist und von den USA aus arbeitet.
und bezahlbarem Wohnraum starkgemacht.                      Sie findet Protagonisten mithilfe sozialer Netzwerke, Mund-
                                                            propaganda und viel Beharrlichkeit. Fotos und Videos liefern
Stefan Proetel recherchiert diese Geschäftspraktiken        die Protagonisten. Per Selfie-Video zeigen sie ihre Wohnung,
und die Hintergründe für den Mannheimer Morgen und          ihr Umfeld, berichten von ihrem Alltag.
stößt auf immer mehr Ungereimtheiten. Etwa bei der
Untervermietung von Räumen der CDU-Geschäftsstelle          Die Serie will neue Perspektiven auf andere Länder eröffnen
an Löbels Firma. Trotz der wachsenden Kritik steht die      und zugleich den Bezug der Protagonisten zu ihrer alten
Mehrheit des Kreisverbands hinter dem Politiker, viel-      Heimat zeigen. Warum sind sie ausgewandert? Hatten sie
mehr wird der Reporter angefeindet. Löbel geht juristisch   Zweifel? Denken sie daran zurückzukehren?
gegen die Berichterstattung vor. Seine Partei duckt sich
weg und mauert. Proetel bleibt unverdrossen dran. Seine     Die Serie erscheint jeden Monat im Print und auf mz-web.
investigativen Recherchen über Löbels Geschäfts- und        de. Die Videos können mit der App „MZ virtuell“ abgespielt
Politikstil finden wenige Monate darauf eine Bestätigung.   werden. Zusätzlich werden sie für Instagram aufbereitet.
Beim Kauf von Corona-Masken kassiert Löbels Firma           Die Abrufzahlen sind überdurchschnittlich.
hohe Provisionen. Der Politiker muss zurücktreten.

Kontakt:                                                    Link:
Stefan Proetel, Ressortleiter Lokales/Regionales            www.mz-web.de
und Mitglied der Chefredaktion
T +49 621 392-1338                                          Das Team:
sproetel@mamo.de                                            Idee, Layout, Produktion: Jessica Quick
                                                            Recherche, Umsetzung, Briefing: Janine Gürtler
Medium: Mannheimer Morgen                                   Illustration: Tobias Büttner
Auflage: 45.000 (Mannheimer Morgen und
Südhessen Morgen)                                           Kontakt:
Verbreitungsgebiet: Mannheim, Teile des                     Jessica Quick, Ressortleiterin Neue Medien/Sonderprojekte
Rhein-Neckar-Kreises, Südhessen                             T +49 345 565 4020
Lokalteile: 2 (Mannheimer Morgen und                        jessica.quick@mz.de
Südhessen Morgen)
Redaktionsgröße: 60                                         Medium: Mitteldeutsche Zeitung
                                                            Auflage: ca. 146.000
                                                            Reichweite Online: 12 Mio. Visits, 4 Mio. Unique User
                                                            Verbreitungsgebiet: Südliches Sachsen-Anhalt
                                                            Anzahl Lokalteile: 17
                                                            Redaktionsgröße: ca. 150
18

Fakten und                                                     Schmerzmittel
Erfolgsgeschichten                                             im Sport

Fünf Jahre nach dem berühmten Satz der Kanzlerin zur           Schmerzmittel gelten im Amateursport als kleines
Flüchtlingspolitik erzählt die Neue Presse Hannover            Doping. Wie verbreitet und wie gefährlich der Miss-
Geschichten von Flüchtlingen, die es geschafft haben.          brauch ist, zeigt eine Serie der Heidenheimer Zeitung.

„Wir schaffen das“, sagte Angela Merkel im August 2015.        Ein ARD-Beitrag über Schmerzmittelkonsum im Fußball
Fünf Jahre danach fragt die Redaktion der NP: Was hat die-     ist für die Zeitung der Anlass, auf lokaler Ebene nachzu-
ses Land und was haben die Flüchtlinge tatsächlich erreicht?   fragen. Denn offenbar ist das Thema nicht nur im Profi-
                                                               sport präsent. Reporter Marc Hosinner will herausfinden,
Als Antwort darauf entsteht eine Serie mit acht Folgen in      wie Athleten in und um Heidenheim mit Schmerzmitteln
Print und Online. Die Autorinnen und Autoren stellen sechs     umgehen. Er verteilt einen Fragebogen an Sportler und
Geschichten von Flüchtlingen vor. Sie berichten von ihrem      Mannschaften aus unterschiedlichen Disziplinen. 100
beschwerlichen Weg nach Hannover und davon, wie sie es         Sportler geben anonym Antworten.
geschafft haben. Erzählt wird von einem jungen Mann aus
Pakistan, der heute Auszubildender in einer Tischlerei ist.    Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, aber dennoch
Von einer jungen Frau aus Syrien, die ihr Abitur geschafft     überraschend. 41 Prozent der Befragten geben an, dass
hat. Von einem syrischen Paar, das neue Berufe erlernt hat.    sie auf Schmerzmittel zurückgreifen. Die meisten neh-
                                                               men die Pillen bei Verletzungen oder Schmerzen, was ja
Zum Auftakt der Serie gibt die Redaktion Antwort auf           Sinn der Sache ist. Aber immerhin ein Viertel von ihnen
50 Fragen: Wie viele Menschen kamen seit 2015 nach             nimmt die Mittel vor einem Wettkampf oder einem Spiel.
Deutschland und Hannover? Was hat das die Stadt gekos-         Und hier sprechen Experten bereits von Missbrauch.
tet? Wie viele sind an der Universität immatrikuliert? Wie
entwickelt sich die Zahl der von Flüchtlingen begangenen       Nach fünf Monaten Vorarbeit verarbeitet Hosinner die
Straftaten? Am Ende der Serie zieht ein Sozialpsychologe       Recherchen zu einer fünfteiligen Serie. Darin beschreibt
ein – überwiegend positives – Fazit.                           er die Fakten für Heidenheim und Umgebung, er spricht
                                                               mit Sportlern und Betreuern über ihre Erfahrungen,
Zur Planung gehört neben den Inhalten auch die Optik. Zah-     befragt Mediziner und eine Politikerin. Vor allem schildert
len und Daten für Grafiken müssen beschafft werden. Die        er die Nebenwirkungen der rezeptfreien Analgetika, die
Visualisierung soll dem Thema gerecht werden und seine         offenbar von vielen Sportlern unterschätzt werden.
Aussage sichtbar machen.

Das Team:                                                      Link:
Idee und Konzept: Zoran Pantic                                 Zusätzlich zu der Serie in Print und Online gibt es auch
Autoren: Petra Rückerl, Josina Kelz, Britta Lüers,             einen Podcast zum Thema: www.hz.de/sport/mehr/
Christian Bohnenkamp, Andreas Krasselt, Zoran Pantic           podcast-unterm-dach-_33_-warum-amateursportler-
Layout und Grafik: Mirja Pflug, Sigrun Fleischhauer            aus-dem-kreis-heidenheim-zu-schmerzmitteln-grei-
                                                               fen-53514863.html
Kontakt:
Mirja Pflug, Art Director                                      Kontakt:
T +49 511 121 222 08                                           Marc Hosinner, Reporter/Rechercheteam
pflug@neuepresse.de                                            Heidenheimer Zeitung
                                                               T +49 732 134 7163
Medium: Neue Presse                                            marc.hosinner@hz.de
Auflage: 37.000
Verbreitungsgebiet: Stadt und Region Hannover                  Medium: Heidenheimer Zeitung
Anzahl Lokalteile: Vollredaktion mit lokaler Berichterstat-    Auflage: 23.000
tung in allen Ressorts                                         Verbreitungsgebiet: Landkreis Heidenheim
Redaktionsgröße: 29 Redakteure, 1 Fotograf, 3 Layouter         Anzahl Lokalteile: 1
                                                               Redaktionsgröße: 20
Auswahlliste                               19

Jahrmarkt virtuell                                            Das Märchen
und „dahoam“                                                  vom schnellen Geld

Für die Menschen und die Mittelbayerische Zeitung             Eine Frau aus dem Schwarzwald ist die meistgesuchte
gehört der „Gillamoos“ zur Hallertau. Als 2020 das            Betrügerin der Welt. Volontärin Tamara Keller macht
Fest abgesagt wird, initiiert die Redaktion den „Gilla-       sich für die Badische Zeitung auf Spurensuche.
moos dahoam“.
                                                              Ein Podcast der BBC bringt Tamara Keller auf das Thema.
Eine umfangreiche Berichterstattung über den Jahrmarkt        In „The Missing Cryptoqueen“ wird von einer weltweit
„Gillamoos“ hat für die Mittelbayerische Zeitung Tradition.   gesuchten Betrügerin erzählt, die in einer Kleinstadt im
Seit 2018 geht die Redaktion dabei neue Wege, schreibt        Schwarzwald aufgewachsen ist. Mit der angeblichen Krypto-
und sendet auf allen Kanälen bis hin zum Web-TV vom           währung OneCoin hat sich die Frau Gelder in Milliarden-
Festplatz. Für 2020 wurden die Pläne ausgebaut und ver-       höhe erschwindelt. Seit 2017 ist sie spurlos verschwunden.
feinert. Dann kommt die coronabedingte Absage.
                                                              Keller fokussiert sich auf die Betroffenen, über die bisher
Benjamin Neumaier von der Lokalredaktion Kelheim              niemand berichtet hatte. Über mehrere Aufrufe findet sie
(inzwischen Leiter Videoredaktion) organisiert in enger       Opfer des Betrugs in Südbaden. Sie erzählen von OneCoin-
Zusammenarbeit mit der Stadt Abensberg einen virtuel-         Informationstreffen, auf denen versprochen wurde, dass
len Ersatzjahrmarkt: den „Gillamoos dahoam“. Hauptbe-         sie mit der neuen Kryptowährung schnell Geld verdienen.
standteil soll die Web-TV-Show Gillamoos-TV werden, um        Davon, dass sie naiv daran geglaubt und in ein Schneeball-
das nötige Gillamoos-Gefühl in die heimischen Wohnzim-        system investiert haben.
mer zu bringen. So entsteht ein 75-minütiges Liveformat
in einem eigens eingerichteten Studio. Mehrere Teaser-        Die Journalistin spürt dem Leben der Frau nach, die als
Videos sorgen für Spannung und machen Vorgeschmack            Strippenzieherin des Betrugs gilt. Und sie recherchiert die
auf mehr. Eine Spendenaktion für Jahrmarktskaufleute,         schleppende Aufklärung des Falls. Dabei findet sie heraus,
eine Gillamoos-Wiese, die virtuell besucht werden kann,       dass in Deutschland gerade einmal zehn Strafanzeigen
eine virtuelle Bierprobe und real existierende Markt-         bekannt sind, obwohl bundesweit 360 Millionen Euro ver-
stände für Gillamoos-Artikel to go runden das Konzept ab.     untreut wurden. Viele Opfer schämen sich, andere glauben
                                                              weiterhin an die Geldvermehrung.
Das Format kommt gut an. Gillamoos-TV erreicht über
die Website und Facebook-Kanäle der Zeitung insgesamt         Nach Veröffentlichung des Reports melden sich weitere
rund 186.500 User. 25.000 Menschen sind live dabei.           Betroffene. Die Journalistin bleibt an der Geschichte dran.

Link:                                                         Link:
video.mittelbayerische.de/region/kelheim/gillamoos-tv-        www.badische-zeitung.de/der-weltweit-groesste-kryp-
2020-wird-dahoam-gefeiert-23776-vid73941.html                 towaehrungsbetrug-hinterliess-auch-spuren-in-heiters-
                                                              heim—201196629.html (bezahlpflichtig)
Kontakt:                                                      tamara-keller.net/portfolio/wie-die-schramberger-krypto-
Benjamin Neumaier, Leiter Videoredaktion                      queen-menschen-aus-suedbaden-schaedigte/
T +49 944 120 324
benjamin.neumaier@mittelbayerische.de                         Kontakt:
                                                              Tamara Keller, zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes
Medium: Mittelbayerische Zeitung                              Volontärin, jetzt Redakteurin Redaktion Emmendingen
Auflage: 95.500 (Regionalausgabe Kelheim: 10.700)             T +49 761 496 9764
Verbreitungsgebiet: Ostbayern (Oberpfalz,                     keller@badische-zeitung.de
Niederbayern)
Anzahl Lokalteile: 13                                         Medium: Badische Zeitung
Redaktionsgröße Lokalredaktion Kelheim: 7 Redak-              Auflage: 129.000
teure, 1 Pauschalist, 2 Reporter mit Zeitkontingent           Verbreitungsgebiet: Südbaden
                                                              Anzahl Lokalteile: 12 Lokalausgaben
                                                              Redaktionsgröße: 150
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Täglicher Blog über das
Familienleben in Corona-Zeiten

Wie verändert sich das tägliche Leben einer Familie in Zeiten der Pande-            Link:
mie – ohne Schule, Sportvereine und öffentliche Freizeitmöglichkeiten?              morgenweb.de/zwangsauszeit
Eva Baumgartner, Redakteurin beim Mannheimer Morgen und Mutter
von vier Kindern, schreibt darüber in einem täglichen Blog. Vom ersten              Kontakt:
Tag des Lockdowns bis heute.                                                        Eva Baumgartner, Redakteurin
                                                                                    in der Lokalredaktion des Mann-
Die Idee entsteht in der Kantine. Als     breitungsgebiet ein, Berichte über ver-   heimer Morgen
der erste Lockdown beginnt, wird Eva      hängte Ausgangssperren, aktuelle Inzi-    T +49 621 392-1317
Baumgartner von Kollegen gefragt,         denzzahlen, ebenso bundesdeutsche         ebaumgartner@mamo.de
wie es für sie und ihre sechsköpfige      Geschehnisse oder auch Weltnach-
Familie weitergeht. Kurzerhand rich-      richten wie etwa die Amtseinführung       Medium: Mannheimer Morgen
tet sie einen Online-Blog mit dem         Joe Bidens als neuer US-Präsident. So     Auflage: 45.000 (Mannheimer
Titel „Corona-Zwangsauszeit“ ein.         entsteht ein umfassendes Bild des         Morgen und Südhessen Morgen)
Dort berichtet sie seit dem 14. März      vergangenen Jahres, jedoch mit ganz       Verbreitungsgebiet: Mannheim,
2020, Tag 1 des ersten Lockdowns in       persönlichem Einschlag. Die Länge         Teile des Rhein-Neckar-Kreises,
Deutschland, täglich – sieben Tage        und Form der Beiträge ist variabel,       Südhessen
die Woche – mit Texten, Bildern und       an manchen Tagen sind es wenige           Lokalteile: 2 (Mannheimer Morgen
Videos vom Familienleben in Corona-       Sätze, in anderen Fällen sind es Glos-    und Südhessen Morgen)
Zeiten.                                   sen, Videos oder längere Berichte.        Redaktionsgröße: 60

Baumgartner erzählt vom Alltag mit        Baumgartner setzt dieses sehr persön-
vier sportbegeisterten Kindern ange-      liche, lokale und digitale Corona-Pro-
sichts geschlossener Sportstätten,        jekt komplett in Eigenregie um – neben
vom neuen Leben als Reservelehrerin,      ihrer normalen Tätigkeit als Redakteu-
vom Dauereinsatz zwischen Kindern,        rin in der Lokalredaktion Mannheim.
Küche, Homeoffice, von Omas, die          Das Format kommt an. Leserinnen und
unter der Distanz leiden, und Freun-      Leser melden sich, berichten von ähn-
den, die Existenzsorgen haben. Aber       lichen Erfahrungen und davon, dass die
es geht auch um schöne Momente,           Lektüre des Blog-Eintrags mittlerweile
Mitgefühl, Entschleunigung, Nähe          zu ihrem täglichen Ritual gehöre.
und Zusammenhalt.
                                          Auch mehr als 500 Tage nach der
Ziel ist, den Leserinnen und Lesern des   ersten Veröffentlichung geht der Blog
Mannheimer-Morgen-Onlineauftritts         weiter. Noch immer gibt es täglich Neu-
Mut zu machen, die Menschen zum           igkeiten zu Corona, die Auswirkungen
Lachen oder auf andere Gedanken zu        auf das Familienleben haben und die
bringen.                                  Menschen beschäftigen. Die Autorin
                                          kann sich auch vorstellen, ihr Projekt
Immer wieder fließen in den Blog          in eine Art Familienblog umzuwandeln,
auch lokale Ereignisse aus dem Ver-       sollte die Pandemie überstanden sein.
                                          Denn, so Baumgartner: „Mit vier Kin-
                                          dern passiert immer etwas.“
     Tipp:

     „Bei einem täglichen Corona-Blog sollte zwar auf
     aktuelle Geschehnisse reagiert werden, doch es
     gibt durchaus Tage, an denen nichts zum Thema
     passiert. Deshalb ist es ratsam, immer einige zeit-
     lose Blog-Einträge auf Vorrat zu produzieren –
     Glossen eignen sich dafür prima.“
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