MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies

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MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
FREUDENBERG SEALING TECHNOLOGIES

                        GAR NICHT FUTURISTISCH                  EINFACH MACHEN

MENSCH
                        Interview mit der Robotik-Professorin   Was hinter „Automatisierung
                        Selma Šabanović.                        für alle“ von Kuka steckt.

oder Maschine?          NATUR ALS BLAUPAUSE

                                                                                 2_ 21
                        Faszinierende Roboter ahmen die
                        Bewegungen von Lebewesen nach.          das magazin
MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
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  DAS MAGAZIN online unter:
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Titelthema   3

                                  I N F Ü N FZ I G WO RT E N

                                                    FREUDENBERG SEALING TECHNOLOGIES
                                                                                                                                 Roboter faszinieren. Sie stehen
                                                                                                                                 seit jeher für Hoffnungen, aber
                                                                                                                                 auch für Ängste. Einst große
                                                                                                                                 Maschinen in Fabriken, dem-

ESSENTIAL DAS MAGAZIN – #2 2021
                                                           GAR NICHT FUTURISTISCH                  EINFACH MACHEN

                                   MENSCH
                                                           Interview mit der Robotik-Professorin   Was hinter „Automatisierung
                                                           Selma Šabanović.                        für alle“ von Kuka steckt.

                                   oder Maschine?          NATUR ALS BLAUPAUSE

                                                                                                                    2_ 21
                                                           Faszinierende Roboter ahmen die
                                                           Bewegungen von Lebewesen nach.          das magazin

                                                                                                                                 nächst Kollegen, Fahrzeuge,
                                                                                                                                 winzig oder virtuell! Autonome
                                                                                                                                 Helfer erobern Branchen und
                                                                                                                                 Lebensbereiche. Doch was ist
                                                                                                                                 ein Roboter? Was soll er können?
                                                                                                                                 Auf der Suche nach Intelligenz
                                                                                                                                 und Interaktion, nach Mechanik,
                                                                                                                                 Ethik und Emotionen.
MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
4     Essay                                                                                                                                                                                                                                                       Essay      5

    Mensch oder
    Maschine?
    Von Claus Möhlenkamp, Chief Executive Officer,
    Freudenberg Sealing Technologies

    Der Traum vom Roboter ist alt – sehr alt. Schon die Griechen        einer ist, wenn ich einen sehe.“ Engelberger verstarb 2015,         Bewegung ist auch längst in den Markt der Industrieroboter        schneller als das modernste Neuronennetzwerk. Es wird auch
    der Antike erzählen die Sage der belebten Bronzestatue Talos,       und vielleicht käme selbst er heute beim zweiten Satz ins           gekommen, auch hier lernen die Maschinen hinzu, sollen im-        in Zukunft Entwicklungen geben, die uns überraschen – und
    im buddhistischen Indien stellte man sich vor dreitausend Jah-      Schleudern: Roboterhunde, autonome Fahrzeuge, Chatbots,             mer selbstständiger arbeiten oder sich fortbewegen und mit        andere, die nicht so schnell Realität werden wie erwartet.
    ren Automaten als Grabwächter vor. Ingenieure aus Rom,              der Mars-Rover, Mähroboter, einarmige Industriemaschinen –          menschlichen Mitarbeitern kommunizieren. Mensch und
    Athen oder Ägypten konstruierten bereits vor langer Zeit            die Vielfalt an Robotern und autonomen Geräten ist immens           Maschine heißt es hier. Sehr alt ist auch die damit verbunde-     Klar ist: Der Robotermarkt wird weiter wachsen. Und es wer-
    Maschinen und Statuen, die sich täuschend echt bewegten,            geworden. Und gerade unter Experten wird darüber gestrit-           ne Angst der Menschen, dass Roboter einmal intelligenter          den auch Fortschritte in der Mechanik hinzukommen. Noch
    wenn auch vermutlich mit Hydraulik und Drähten. Seit Jahr-          ten, wo die Definition des Roboters anfängt.                        sein werden als wir – und am Ende gar die Weltherrschaft          präziser arbeitende Gelenke, die noch mehr Branchen und
    tausenden sinnieren die Menschen darüber, ob nicht intelli-                                                                             übernehmen. Diese Angst fußt zum Teil auf einem Missver-          Einsatzbereiche erobern, teilweise unter Extrembedingungen,
    gente Mensch-Maschinen unsere Arbeit übernehmen könn-               So sind Software-Bots auf den ersten Blick weit entfernt von        ständnis von Intelligenz: Maschinen können Begriffe benut-        von der Arktis bis zur Tiefsee. Das alles bedeutet, dass die
    ten. Und überlegen gleichzeitig, welche Chancen und Risiken         Robotik, schließlich existieren sie nur virtuell. In dem, was sie   zen oder interpretieren, ohne jemals zu verstehen, was der        Ansprüche an Dichtungen steigen – und damit die Chance für
    darin stecken. Roboter faszinieren.                                 tun, sind sie autonomen Maschinen aus Metall und Kunststoff         Begriff tatsächlich bedeutet. Intelligenz ist nicht nur Rechen-   uns als Freudenberg Sealing Technologies, unser Know-how
                                                                        aber erstaunlich ähnlich: eigenständig arbeiten, selbstständig      leistung, sondern umfasst Sinne, Emotionen und Vorstel-           und unsere Qualitätsansprüche auszuspielen. Auch dazu
    Nun waren die Automaten der antiken Sagen und die frühen            hinzulernen, mithilfe von künstlicher Intelligenz auf unvorher-     lungskraft. Themen, von denen selbst modernste Roboter            haben wir Beispiele in der aktuellen Ausgabe der ESSENTIAL
    Apparate noch keine „richtigen“ Roboter. Der berechtigte            gesehene Ereignisse reagieren. Die Fortschritte in der Informa-     noch sehr weit entfernt sind oder die sie möglicherweise          gesammelt. Wir sind neugierig auf diese Zukunft und wir sind
    Einwand führt uns allerdings direkt zur Frage, was genau das        tionstechnologie haben uns komplett neue Möglichkeiten              niemals beherrschen können.                                       überzeugt, unseren Beitrag dazu leisten zu können. Die Robo-
    eigentlich ist, ein „richtiger Roboter“. „Ich kann nicht genau      eröffnet. In den USA verfügt jeder Haushalt statistisch bereits                                                                       ter des 21. Jahrhunderts werden keine versteckten Drähte
    sagen, was ein Roboter ist“, wird Joseph Engelberger zitiert, ei-   über sechs intelligente und vernetzte Geräte, vom Smart-            Tatsächlich sollten wir nicht vergessen, dass die Geschwindig-    mehr haben wie ihre Vorgänger aus der Antike – aber sehr
    ner der Pioniere industrieller Robotik: „Aber ich weiß, dass es     phone über das Auto bis zum Staubsauger. Noch sind viele            keit des Fortschritts in der Robotik häufig auch überschätzt      viele von ihnen werden Dichtungen besitzen.
                                                                        dieser Geräte keine Roboter, aber sie beginnen bereits damit,       wurde. Als die Anfänge der künstlichen Intelligenz in den
                                                                        Informationen über uns zu sammeln, diese zu interpretieren          1950er Jahren entwickelt wurden, erwartete man innerhalb
                                                                        und im wahrsten Sinne des Wortes mit uns zu interagieren. Bis       eines Jahrzehnts, menschliche Sprache interpretieren zu kön-
                                                                        zu dem, was die meisten von uns „Roboter“ nennen würden,            nen – bis heute haben Roboter damit ihre Probleme. Es gilt
    	Roboterhunde, autonome                                            ist der Schritt gar nicht mehr so weit. Gleichzeitig wirkt die
                                                                        steigende Vernetzung intelligenter Geräte wie ein Katalysator
                                                                                                                                            noch immer das in den 1980er Jahren formulierte Paradox von
                                                                                                                                            Hans Moravec: Die schwierigsten Herausforderungen für Ro-
                                                                                                                                                                                                               	Die schwierigsten Heraus-
      Fahr zeuge, Chatbots –                                            für das gesamte Segment der Serviceroboter, die so auf noch         boter sind oft diejenigen, die uns Menschen am einfachsten           forderungen für Roboter
                                                                        mehr Informationen zugreifen können und sich leichter per
      die Vielfalt an Robotern                                          Endgerät steuern lassen. Serviceroboter erobern alle Branchen:
                                                                                                                                            fallen. Dazu zählen vor allem unsere Wahrnehmung und unse-
                                                                                                                                            re Motorik. Trotz Innovation in der Sensorik nehmen viele
                                                                                                                                                                                                                 fallen uns Menschen of t
      ist immens geworden.                                              Logistik, Sicherheit, Bildung, Einzelhandel oder Medizin und        Maschinen bis heute ihre Umgebung noch immer nicht gut               am einfachsten.
                                                                        Pflege. Die aktuelle Ausgabe der ESSENTIAL wirft Schlaglichter      wahr und scheitern daran, Gegenstände vom Boden aufzuhe-
                                                                        auf einige dieser Branchen und Einsatzmöglichkeiten.                ben. Je nach Maßstab lernen Kleinkinder zehn- bis tausendmal
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                                                                                        Interview                                                                            Android an der Tafel

Inhalt
                                                                                 Robotik-Professorin Selma                                                                         Wo können Roboter
                                                                             Šabanović im Interview über tech-                                                               in der Pädagogik eine sinnvolle
                                                                            nischen Fortschritt und Emotionen.                                                                        Rolle spielen?

03                            04                             08                                                             42                               46
In fünfzig Worten             Essay                          Bilderstrecke                                                  Kein Tropfen Öl                  Herz und Drehzahl
Roboter: Mensch               Warum der Roboter              Roboter entspringen Comics,                                    Neue Roboter-Arbeitsbe-          In Weinheim werden
oder Maschine?                uns Menschen                   unterstützen Muskeln und                                       reiche: Andere Anforde-          Getriebe, Schmierstoffe
                              so fasziniert.                 erkunden Unerforschtes.                                        rungen an Dichtungen.            und Dichtungen getestet.

20                                                           27                             28                              52                                                              59
Automatisch autonom?                                         Zahlencheck                    Zwei Arme und drei Sterne       Mähst du noch?                                                  Jetzt erzähle ich
Wie unsere Sicht auf das                                     Vor 101 Jahren erblickte       Vollautomatische Restau-        Mähroboter müssen auch                                          Künstliche Intelligenz hilft
Auto den Blick auf auto­                                     der Begriff Roboter das        rants und Küchenhelfer          unter rauen Bedingungen                                         uns im Alltag. Dabei agiert sie
nome Fahrzeuge prägt.                                        Licht der Welt.                sind auf dem Vormarsch.         dauerhaft funktionieren.                                        logisch … und stupide.

30                            33                                                            40                              60                               64                             68
Greifen oder Denken           Essenziell – Sensoren                                         Infografik                      Nicht mehr wegzudenken           Organisierte Ameisen           Wissenswert
Warum es so schwierig ist,    Ein kleines Bauteil ist ent-                                  Die Robotik ist weltweit auf    Zwei Protagonisten berich-       Autonome Roboter               Neues aus der Welt
die menschliche Hand zu       scheidend für Innovation                                      dem Vormarsch: im Indus­trie-   ten, wie ihre Firmen und Län-    bringen Güter sicher           von Freudenberg Sealing
imitieren.                    in der Robotik.                                               wie im Servicesektor.           der von Robotern profitieren.    und präzise ans Ziel.          Technologies.

                      22                                                            34                                                             54
                 „Tupfer bitte,                                               Einfach machen                                              Copyright by nature
                Doktor Roboter“                                                Was hinter der Kuka-                                            Der Mensch lässt sich
              Wie Roboter Medizin und den                                   Strategie „Automatisierung                                       von der Natur inspirieren.
                 Ärztealltag verändern.                                           für alle“ steckt.                                            Auch bei der Robotik.
MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
Deep Deep Down
In die Sphären, in die der Mensch nicht vordringen kann, entsen-
det er Roboter. So gelingt es ihm, sich ein Bild von unbekannten
Welten zu machen und sein Wissen zu mehren. Doch nicht nur
auf weit entfernten Planeten vertrauen Forschende auf die High-
tech-Maschinen. Auch auf der Erde erkunden sie Orte mit deren
Hilfe. Etwa die Tiefsee. Selbst mit Spezialtauchbooten drang der
Mensch noch nicht bis an die tiefste Stelle im pazifischen Maria-
nengraben vor. Das gelang bislang nur Robotern. Zuletzt im März
2021 einem Softbot der Universität von Hangzhou. Bestimmte
Tauchroboter können inzwischen Tieren autonom folgen und so
deren Lebensweise dokumentieren. Das hier abgebildete Exem­
plar wird zur Inspektion von Öl- und Gasleitungen im Südchinesi-
schen Meer genutzt.
MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
Stabiles Korsett
Krebstiere und Insekten besitzen ein Exoskelett. Es schützt und
stützt – wie es das bei diesen Zikaden getan hat – den Körper
mit seiner verstärkenden äußerlichen Struktur. Der Mensch hat
sich davon inspirieren lassen. Schon in den 1960er Jahren gab
es Versuche, das Heben schwerer Lasten durch maschinelle Hilfe zu
erleichtern. Heute sind Exoskelette funktional und leicht. Die trag-
bare Robotik registriert, wenn Muskeln angespannt und Bewegun-
gen ausgeführt werden, und unterstützt diese automatisch. Exo-
skelette helfen in der Produktion und Logistik beim Heben schwerer
Gegenstände sowie bei Überkopf- und Überschulterarbeiten. Auch
die Medizin macht sich Exoskelette zunutze. Dort ermöglichen sie
älteren und gehbehinderten Menschen, wieder auf eigenen Beinen
zu stehen und eigenständig kurze Strecken zu gehen.
MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
Reale Fiktion
In Japan erfreuen sich Roboter ganz besonders großer Populari-
tät. Beflügelt wird diese seit vielen Jahrzehnten durch zahl­reiche
Animationsfilme. Auf das Jahr 1979 geht das erfolgreiche Gun-
dam-Franchise zurück. In der ersten TV-Produktion spielte eine
Einheit von Kampfrobotern unter just diesem Namen eine zen­
trale Rolle. Es folgten Manga-Hefte und Kinofilme, die Fan­szene
wuchs. Im letzten Jahr schaffte ein Roboter der Serie gar den
Sprung in die Realität … auf denkbar imposante Weise. Im Hafen
von Yokohama steht eine 18 Meter große und 25 Tonnen schwe-
re Version des Riesenroboters Gundam RX-87-2. Die Realisierung
der Touristenattraktion erforderte sechs Jahre Entwicklungs-
und Bauzeit. 24 bewegliche Teile erlauben es der Figur sogar, sich
hinzuknien sowie Arme und Finger zu bewegen.
MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
14    Interview – Dr. Selma Šabanović                                            Interview – Dr. Selma Šabanović     15

„Wir sprechen
                                                                         Dr. Selma Šabanović

                                                                         Außerordentliche Professorin für Infor-
                                                                         matik und kognitive Wissenschaft an der
                                                                         Indiana University, Bloomington, USA.

 über Robotik,
                                                                         Sie leitet dort das R-House Human-
                                                                         Robot Interaction Lab, das sie selbst ge-
                                                                         gründet hat. Ihre Forschung kombiniert
                                                                         Studien zu Design, Nutzung und Konse-
                                                                         quenzen von sozial interaktiven und
                                                                         assistierenden Robotern. Šabanović ist

 als läge das in
                                                                         Chefredakteurin der Zeitschrift ACM
                                                                         Transactions on Human-Robot Interaction
                                                                         und Co-Autorin des Buchs „Mensch-
                                                                         Roboter-Interaktion: Eine Einführung“.
                                                                         Das Buch richtet sich insbesondere an
                                                                         Studierende und alle, die sich einen
                                                                         Überblick über den Forschungsstand

 der Zukunft“
                                                                         verschaffen wollen. Die Themen reichen
                                                                         von den Teilbereichen der Mechanik bis
                                                                         hin zu ethischen Fragen. Auf Deutsch
                                                                         2020 erschienen bei Hanser.

     Roboter und Mensch werden künftig immer enger interagieren.
     Die Wissenschaftlerin Selma Šabanović von der Indiana University
     argumentiert sogar: Robotik ist längst in unserem Alltag an­ge­-­
     kommen – wir nehmen sie nur nicht wahr. Ein Gespräch über
     Emotionen und kulturelle Sichtweisen und warum ausgerechnet
     Staubsaugerroboter so erfolgreich sind.
MENSCH oder Maschine? - Freudenberg Sealing Technologies
16     Interview – Dr. Selma Šabanović                                                                                                                                                                                       Interview – Dr. Selma Šabanović   17

                                         Aber sobald sie Sensoren haben,
                                         werden sie zu Robotern. Erst der
                                         Sensor bewirkt, dass Maschinen
                                         planen und ausführen können.“

     FRAU ŠABANOVIĆ, WO FÄNGT ROBOTERSEIN AN?                          WAS IST MIT DEM AUTONOMEN AUTO?                                   Unternehmen arbeitest, wurden die Mitarbeitenden umge-
     WAS IST EIN ROBOTER?                                              Auch das ist ein Roboter. Denken Sie an Einparkhilfen oder        schult. Das war ein Unterschied. Den spüren wir bis heute.
     Das ist die große Frage, die viele immer wieder stellen. Und es   Abstandskontrolle. Das sind Funktionen, die alle Parameter für
     wird auch jeder Experte eine leicht andere Antwort haben. Für     Robotik erfüllen. Unser Auto steuert selbstständig, basierend     INDEM IN JAPAN ROBOTER POSITIVER GESEHEN
     mich hat das etwas mit Embodiment zu tun. Also einem              auf den eigenen Sensoren. Ehrlich gesagt ist das sehr span-       WERDEN?
     Körper mit physischer Interaktion. Roboter können ihre Um-        nend: Wir sprechen häufig über Robotik, als läge das in der       Denken Sie an die herausragenden Vertreter der Popkultur.
     welt wahrnehmen und sie können mit ihrer Umwelt interagie-        Zukunft. Dinge, die bereits existieren, akzeptieren wir als       Im Westen sind es Figuren wie der Terminator. In Japan eher
     ren. Das würde zum Beispiel Smart Speaker ausschließen, die       gegeben. Mit „Roboter“ verbinden wir etwas Futuristisches,        Figuren wie der Android Astro Boy, der Krieg und Unrecht ent-
     zwar künstliche Intelligenz besitzen, aber sich nicht bewegen.    aber in gewisser Weise sind sie längst Teil des Alltags.          gegentritt. Das heißt nicht, dass jeder Japaner Robotik positiv    Paro-Roboter
     Wobei ein sozialer Roboter wie „Jibo“ im Grunde nicht sehr an-                                                                      sieht. Aber es gibt Unterschiede, wie sich Geschichten und
     ders ist – er kann sich nur eben im Raum bewegen, also mit der    MAN HAT HÄUFIG DAS GEFÜHL, MENSCHEN HABEN                         Archetypen im Bewusstsein etabliert haben.                         Der Paro ist ein robbenähnlicher
     Umgebung interagieren.                                            ANGST VOR ROBOTERN. WOHER KOMMT DAS?                                                                                                 Roboter, dessen Sensoren erken-
                                                                       Die Angst existierte schon, bevor es den Begriff Roboter gab.     STAMMEN DAHER AUCH DIE GLOBALEN UNTERSCHIEDE                       nen können, wenn er hochge-
     SMART SPEAKER WIE ALEXA ODER ECHO KÖNNEN                          Es gibt alte Mythen von Maschinen, die so menschenähnlich         IN DEN ANWENDUNGSFELDERN?                                          nommen oder gestreichelt wird.
     LICHT ANSCHALTEN ODER ROLLLÄDEN BEWEGEN.                          aussehen, dass sie uns täuschen. Das hat mit einer zentralen      Das hat häufig mit der Forschungsfinanzierung zu tun. In den       Er reagiert mit Geräuschen und
     Richtig, in dem Sinne wären sie als Teil eines Smart Homes        Frage zu tun, die uns als Menschen umtreibt: Was bedeutet         USA zum Beispiel investiert die Armee viel in Robotik. In Japan    Bewegungen. Studien belegen,
     sehr wohl Roboter.                                                Menschsein? Woran macht man das fest – am Aussehen, am            war es zunächst die Industrie, dadurch wird mehr im Konsu-         dass er damit nicht nur das Gefühl
                                                                       Verhalten, an der Seele? Und ist der menschliche Körper nicht     mentenbereich entwickelt. Wobei insgesamt das Wachstum             von Einsamkeit verringert, son-
     WO BEGINNT DER UNTERSCHIED ZWISCHEN                               auch nur eine Maschine? Das beschäftigt uns bis heute.            des Segments im Servicebereich nicht ganz so schnell ist, wie      dern auch die Beziehungen zwi-
     AUTOMATISIERUNG UND ROBOTERN?                                                                                                       man dachte. Der Staubsaugerroboter Roomba ist eine Erfolgs-        schen Bewohnern von Pflegehei-
     Dort, wo die Maschine ihre Umwelt wahrnimmt und auf sie           DAZU KOMMT DAS THEMA ARBEITSPLATZVERLUST …?                       story, die relativ einzigartig geblieben ist.                      men stimuliert. Er ist seit 2006 in
     adaptiv reagiert. Industrieroboter, die das gleiche Teil am       Ja, wann immer wir Maschinen erfunden haben, hat das die                                                                             Japan und seit 2009 in den USA
     selben Ort bearbeiten, sind Automatisierung. Aber sobald sie      Arbeit von Menschen verändert. Aber eigentlich ging es oft        WIESO AUSGERECHNET EIN STAUBSAUGERROBOTER?                         erhältlich.
     mithilfe von Sensoren dynamisch reagieren können, werden          viel mehr um die Frage, wie die Technologie in die Gesellschaft   Weil er einen klar definierten Nutzen hat. Er macht das, was er
     sie zu Robotern. Erst der Sensor bewirkt, dass Maschinen          integriert wurde. In westlichen Industriestaaten hat Automati-    tun soll, und die Nutzer erwarten von ihm auch kein unglaub-
     planen und ausführen können und auf Änderungen ihrer              sierung zu Entlassungen geführt. In Japan hingegen, wo früher     lich fortschrittliches Verhalten. Die Lehre daraus für alle Ent-
     Umwelt ansprechen.                                                noch der Grundsatz galt, dass du dein Leben lang im selben        wickler muss folgende Frage sein: Wo lassen sich existierende
18   Interview – Dr. Selma Šabanović                                                                                                                                 Interview – Dr. Selma Šabanović    19

                                       Wir werden künftigen Gene­
                                       rationen beibringen müssen:
                                       Diese Maschinen sind keine
                                                                     technische Fähigkeiten gut verknüpfen mit dem, was der           IST ES EIN PROBLEM, DASS WIR ROBOTERN
                                                                     Mensch gerade benötigt? Schon vor Jahrzehnten hatte man in       EMOTIONEN ZUSCHREIBEN?

                                       Menschen, auch wenn sie       der Logistik die Vision der Lights-out-Factory, der roboter­
                                                                     gesteuerten Fabrik – das wird vermutlich so nicht kommen.
                                                                                                                                      Das kommt darauf an. Wenn ältere Menschen, die allein sind,
                                                                                                                                      ihrem Haustierroboter „Paro“ Gefühle zuschreiben, halte ich
                                       Emotionen simulieren!“        STATTDESSEN ARBEITEN MENSCH UND ROBOTER
                                                                                                                                      das nicht für schlimm. Dafür sind sie ja entwickelt worden:
                                                                                                                                      für den positiven Effekt, Freude zu teilen. Dass wir Dinge
                                                                     HAND IN HAND.                                                    vermenschlichen, ist ein Reflex, der uns hilft, sozial zu sein.
                                                                     Die entscheidende Herausforderung ist immer: Wie verheira-       Ein Problem wird es aber zum Beispiel, wenn Soldaten ihre
                                                                     ten wir die Stärken eines Roboters mit denen eines Menschen?     Roboter, die für die Bombenentschärfung vorgeschickt wer-
                                                                     Kollaboration wird das Stichwort der Zukunft.                    den, vermenschlichen. Und sich dann selbst in Gefahr bringen.
                                                                                                                                      Solches Verhalten wurde schon beobachtet. Da werden wir
                                                                     DAFÜR ABER MÜSSEN ROBOTER LERNEN,                                künftigen Generationen beibringen müssen: Diese Maschinen
                                                                     MENSCHEN KORREKT ZU INTERPRETIEREN …                             sind keine Menschen, auch wenn sie Emotionen simulieren!
                                                                     Smart Speaker verstehen Kinder oft nicht, weil Kinder anders
                                                                     sprechen als Erwachsene. Wir haben am Institut gerade ein        HAT UNSERE GESELLSCHAFT EINE FALSCHE
                                                                     Forschungsprojekt für Robotereinsätze mit älteren Menschen,      VORSTELLUNG VON DER ZUKUNFT DER ROBOTER?
                                                                     also zum Beispiel zum Einsatz in der Pflege. Auch Senioren       Es gibt auf jeden Fall sehr verschiedene Vorstellungen. Die
                                                                     sprechen anders als junge Erwachsene. Ingenieure und Ent-        eine ist geprägt von Filmen und Büchern. Eine Zukunft, in der
                                                                     wickler müssen da umdenken. Früher wurden Roboter an den         Roboter als Individuen herumlaufen. Aktuell sind sie aber sehr
                                                                     zehn Mitarbeitenden im Labor getestet. Aber damit entwickelt     limitiert. Die Eingangsfrage, mit der wir gestartet sind, be-
                                                                     man möglicherweise an der Zielgruppe vorbei. Wenn wir von        schreibt ja eine komplexe Herausforderung: die Interaktion
                                                                     Roboter-Mensch-Interaktion sprechen, sollten frühzeitig die      mit der Umwelt. Wir werden noch lange nicht so weit sein,
                                                                     richtigen Fragen gestellt werden: Was soll der Roboter kön-      dass Roboter in Menschengestalt herumlaufen und mit den
                                                                     nen? Was sind die Ziele? Die Limits? Und aus welchen Daten       unzähligen Unsicherheitsfaktoren eines Stadtzentrums inter-
                                                                     speist der Roboter sein Wissen? Sonst besteht die Gefahr, dass   agieren können. Es gibt aber eine Zukunft, in der Robotertech-
                                                                     ganze gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen werden.           nologie in vielen Alltagsdingen implementiert ist, und die ist
                                                                                                                                      quasi schon da. Wir haben keine Roboter wie aus dem Film
                                                                     BRAUCHT DER ROBOTER EMOTIONEN,                                   „I, Robot“. Aber Lieferroboter – die sind real.
                                                                     UM KOMMUNIZIEREN ZU KÖNNEN?
                                                                     Das ist eine spannende Frage, weil wir Menschen ständig und      IHRE VISION FÜR DIE ROBOTERZUKUNFT?
                                                                     unterbewusst Emotionen in Dinge interpretieren. Wenn ein         Heiter, hoffentlich. Und dass der Fokus dabei auf uns
                                                                     Roboter darauf programmiert ist, auf eine Lichtquelle zuzu-      Menschen und der Gesellschaft liegt. Was wollen wir mit der
                                                                     steuern, reagieren Beobachter mit Sätzen wie: „Oh, er mag        Technologie bewirken? Das ist wichtig, damit wir darauf
                                                                     Licht!“ Wenn Roboter also Emotionen zeigen, hilft das bei        Gesetze und Regeln aufbauen können. Und wie kann uns
                                                                     der Interaktion mit Menschen. Ein Lieferroboter, der langsamer   Robotik helfen, unser Leben zu verbessern? Sozial, wirtschaft-
                                                                     wird, wenn er auf Sie zukommt, demonstriert dadurch              lich, psychologisch. Dazu sollte Technologie da sein. Nicht zum
                                                                     Vorsicht. Menschen verstehen solche Signale. Wir müssen aber     Selbstzweck.
                                                                     auch nicht alles reproduzieren, was Menschen können.
                                                                     Vielleicht hilft es in bestimmten Situationen auch, wenn Robo-
                                                                     ter eben keine Emotionen haben.
20     Autonom Auto fahren                                                                                                                                                                                                                                                21

     Nicht
     automatisch
     autonom
     Autonome Fahrzeuge scheinen eine ganz                                                                                                                                                                                 Autonom transportieren lassen? Die
                                                                                                                                                                                                                             Bereitschaft dazu ist global unter-
     besondere Roboterspezies darzustellen. Doch                                                                                                                                                                         schiedlich. Der französische Hersteller
                                                                                                                                                                                                                          Navya aus Lyon hat bereits verschie-
     der Unterschied ist weder technisch noch                                                                                                                                                                            dene Modelle von Kleinbussen entwi-
                                                                                                                                                                                                                             ckelt – die größten Marktchancen
     kaufmännisch zu begründen, er liegt vielmehr                                                                                                                                                                                       sieht er aktuell in Asien.

     in unserer Sicht auf das Autofahren.

     In jenem Moment, da sich Herbie nachts von der Brücke stür-      schied liegt aber gar nicht darin, was das Roboterfahrzeug       autonomer Fahrzeuge für sinnvoll halten. Wer wirklich etwas       Doch warum gibt es dann immer noch kein einziges selbstfah-
     zen will, weil er gegen einen roten Lamborghini eingetauscht     tut, sondern in unserer Sicht auf die Tätigkeit. 24 Stunden am   auf sich hält, lässt sich im Reich der Mitte ohnehin auch schon   rendes Auto zu kaufen? Der Grund ist in einer Fehlkalkulation
     werden soll, leidet auch der härteste Autofeind mit. So absurd   Tag die immer gleiche Schweißnaht aufzubringen oder jeden        heute von einem Chauffeur fahren. Im Autoland Deutschland         zu suchen. Die ganze Technik, die ein Roboterauto mitbringen
     diese Szene ist: Der mehr als 50 Jahre alte Disney-Film „Ein     Morgen für eine Stunde den Rasen zu mähen sind aus unserer       liegt die Zustimmung hingegen nur bei 52 Prozent.                 muss, macht es Zehntausende Euro teurer. Für einen privaten
     toller Käfer“ beantwortet visionär die grundlegende Frage,       Sicht monotone Tätigkeiten, die wenig Intelligenz erfordern                                                                        Pkw ist schlicht das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu gering. „Wir
     wie wir mit einem Roboterauto umgehen werden. Wir werden         und keine starken Emotionen hervorrufen. Autofahren ist hin-     Enormer Fortschritt, keine Serie                                  sehen im Pkw auf absehbare Zeit eher Assistenzsysteme mit
     gar nicht anders können, als mit ihm zu sprechen und zu ver­     gegen eine kognitiv anspruchsvolle Tätigkeit, zumindest so       Trotzdem stehen deutsche Autohersteller mittlerweile tech-        erweiterten Funktionen“, sagt etwa Thorsten Gollewski, für
     suchen, uns in das Artefakt aus Stahl und Computerplatinen       lange wir nicht stundenlang geradeaus mit gezügelter Ge-         nologisch wieder ganz vorn, wenn es um die Entwicklung            die autonomen Mobilitätssysteme beim Automobilzulieferer
     hineinzudenken. Und wir werden Gefühle entwickeln, mehr          schwindigkeit durch den Westen der USA fahren. Wenn etwas        autonomer Fahrzeuge geht. Aufgeschreckt durch die 2012 ver-       ZF Friedrichshafen verantwortlich. „Ein höheres Level an Auto-
     als jenen Robotern gegenüber jedenfalls, die in den Fabriken     Technisches uns ersetzen kann, dann soll es sich wenigstens      öffentlichten Bilder eines von Google programmierten Toyota       matisierung ist derzeit vor allem für Lkw und People Mover
     neben uns arbeiten oder uns den Rasen mähen.                     um eine ganz besondere Maschine handeln. Alles andere wür-       Prius starteten die Premiumhersteller milliardenschwere Ent-      interessant.“ Hintergrund ist das Geschäftsmodell: Im Güter-
                                                                      de unser Selbstbild bedrohen.                                    wicklungsprogramme. Der technische Fortschritt war in den         verkehr machen Lohn- und Nebenkosten in entwickelten Län-
     Warum ist das so? Aus technischer Sicht unterscheidet ein                                                                         letzten zehn Jahren enorm, selbst komplexe Verkehrssituatio-      dern rund ein Drittel der gesamten Lebenszykluskosten aus,
     ohne jeden menschlichen Eingriff fahrendes Fahrzeug nichts       Gestützt wird diese These von Umfragen zur Akzeptanz des         nen in Innenstädten sind überwiegend zu meistern. Und sogar       die Abschreibung auf die Fahrzeugkosten schlägt hingegen nur
     Grundlegendes von einem mobilen Industrieroboter. Es ist         autonomen Fahrens. Sie ist in jenen Märkten besonders hoch,      die Gesetzgebung bewegte sich rasch, als erstes Land der Welt     mit rund neun Prozent zu Buche. Letztendlich entscheidet
     zwar mit umfangreicherer Sensorik und leistungsfähigeren         in denen autofahrerisches Können eher gering geschätzt wird.     verabschiedete Deutschland verbindliche Regeln für den Ein-       rationales Kalkül über den Einsatz von autonomen Fahrzeu­-
     Rechnern ausgestattet, aber das regelnde Grundprinzip ist das    So ergab eine Mobilitätsstudie des Zulieferers Continental,      satz voll automatisierter Fahrzeuge ohne Überwachungsfah-         gen – und das eint den Roboter-Lkw mit seinem Kollegen in der
     gleiche: erkennen, berechnen, handeln. Der eigentliche Unter-    dass in China 89 Prozent aller Autofahrenden die Entwicklung     rer im öffentlichen Straßenverkehr.                               Fabrikhalle.
22   Medizinroboter                                                                               Medizinroboter      23

          „Tupfer bitte,
           Doktor Roboter!“   Können Roboter präzisere Schnitte setzen als
                              menschliche Chirurgen? Theoretisch ja. Trotz-
                              dem werden wir bis auf Weiteres nicht von
                              autonomen Maschinen operiert. Medizin-
                              Roboter sind aber längst präsent im OP-Saal –
                              und vielleicht demnächst in unserer Blutbahn.

                              Bereits Anfang der 1990er Jahre arbeite-    klinikum Heidelberg. Was damals erst
                              te erstmals ein Roboter im OP-Saal. Das     verspätet auffiel: „Der Roboter hat ver-
                              System „Robodoc“ sollte die Chirurgie       einzelt auch die Muskulatur weggefräst“,
                              revolutionieren. Es war in der Lage,        fasst es Müller zusammen. Und selbst
                              Knochen präziser und gleichmäßiger zu       bei den Knochen konnte es zu Abwei-
                              fräsen als die menschliche Hand. Wich-      chungen kommen, die ein menschlicher
                              tig zum Beispiel bei der Implantation       Chirurg vermutlich im Laufe der OP be-
                              künstlicher Hüftgelenke. Je exakter der     merkt hätte – der Roboter aber nicht. Ein
                              Schnitt, desto passgenauer sitzt die Pro-   „Lehrstück deutscher Medizingeschich-
                              these – desto schneller und besser ist      te“ nannte es 2009 in der Rückschau das
                              sie später belastbar. Robodoc basierte      deutsche Magazin Der Spiegel. Und
                              auf einem eigens angepassten Indus­         meinte damit: Der Glaube an den Segen
                              trieroboter.                                moderner Technik habe damals man-
                                                                          chen Arzt und auch Patienten geblendet.
                              „Das war auch wirklich sehr präzise“,       Vielleicht kam er einfach zu früh.
                              sagt Dr. Beat Müller, Leiter der Sektion
                              für minimalinvasive Chirurgie und robo-     Rund 30 Jahre später arbeiten mehr
                              terassistierte Chirurgie am Universitäts-   und mehr Roboter in den OP-Sälen. Sie
24     Medizinroboter                                                                                                                                                    Medizinroboter   25

                                           heißen anders und sehen anders aus.          Müller. Bei einer Biopsie durch die Schä-
                                           Müller begrüßt die Robotik. Er ist außer-    deldecke zum Beispiel. Er weiß aber auch
                                           dem ein Anhänger der sogenannten             von erfolgversprechenden Forschungs-
                                           „minimalinvasiven Chirurgie“, einer Chi­     projekten für automatisiert gesetzte
                                           rurgie, die so wenig Gewebe wie mög-         Darmnähte und autonome Kamerafüh-
                                           lich verletzen will. Das erfordert eine      rung in der minimalinvasiven Chirurgie.
                                           andere Herangehensweise und wurde            Attraktiv ist robotergestützte Medizin
                                           vor 30 Jahren ebenfalls skeptisch beäugt.    auf jeden Fall – allerdings auch teuer.
                                           Vielleicht ist Müller deswegen gegen-        „Ich habe das lange Zeit unterschätzt;
                                           über Innovationen so aufgeschlossen:         der Markt ist zu klein, also ist er für Ent-
                                           „Ich wollte immer das Neue ausprobie-        wickler weniger attraktiv als Roboter im
                                           ren, ich habe damit gute Erfahrungen         Konsumentenbereich“, hat der Chirurg
                                           gemacht.“ Die moderne Generation an          festgestellt.
                                           OP-Robotern vereint beides: Ärzte kön-
                                           nen mit Roboterunterstützung leichter        Dennoch kommt Bewegung in die Bran-
                                           minimalinvasiv operieren.                    che. Dabei müssen Medizinroboter noch
     Prof. Dr. med. Beat Müller                                                         nicht einmal Arme haben oder Skalpelle
                                           Müller stellt allerdings direkt klar, dass   führen. Im Mai 2020 veröffentlichte ein
     Beat Müller absolvierte 1997 seine    es sich bei den maschinellen Helfern         Team des Stuttgarter Max-Planck-Insti-
     Approbation in Zürich und wech-       nicht um autonom agierende Roboter           tuts für Intelligente Systeme (MPI-IS)
     selte neun Jahre später an das Uni-   handelt. Das „Da-Vinci-System“, der heu-     einen Bericht über Mikroroboter von der
     versitätsklinikum Heidelberg. Seit    te am häufigsten installierte OP-Roboter     Größe eines weißen Blutkörperchens.
     Anfang seiner Karriere interessiert   (etwa 5.000 Exemplare weltweit), ist         Der kugelförmige Roboter könnte so ins
     er sich für die minimalinvasive       unter dem Strich nichts anderes als ein      Blut eingeschleust werden und dort
     Chirurgie. Seit 2010 leitet er in     verlängerter Arm des Chirurgen. „Er macht    Medikamente genau an der Stelle abge-
     Heidelberg die „Sektion für Mini-     nichts, was der Arzt nicht macht“, sagt      ben, wo sie gebraucht werden. Der Mi­          „Mein Fokus war immer,
     mal Invasive und Roboter-assis-       Müller. Nur dass der Arzt eben nicht         kroroboter kann sich aktiv gegen den           Herangehensweisen weiter-
     tierte Chirurgie“, die unter ihm      mehr direkt neben dem Patienten steht,       Blutkreislauf bewegen und navigieren.          zuentwickeln“, sagt Dr. Beat
     mit „Exzellenzstatus“ ausgezeich-     sondern an einem Display sitzt und dort      „Unsere Roboter können selbstständig           Müller. Er ist offen für Neues.
     net wurde.                            mit einem Hebel die Operation steuert.       interessante Zellen erkennen, beispiels-
                                           „Das ist ergonomisch besser, und man         weise Krebszellen“, sagt Yunus Alapan,         „Es ist wie ein Mikroskop
                                           hat gewissermaßen ein Mikroskop im           Post-Doc in der Abteilung für Physische        im Bauch des Patienten“:
                                           Bauch des Patienten“, beschreibt es          Intelligenz. „Und sie können Wirkstoff-        Das Da-Vinci-System (rechts)
                                           Müller. Damit sind Schnitte möglich, die     moleküle während der Fahrt freisetzen.“        lässt sich aus der Ferne
                                           eine menschliche Hand in dieser Präzisi-     Allerdings: Von Tests in menschlichen          steuern.
                                           on wohl kaum leisten könnte.                 Körpern sind diese Mikroroboter derzeit
                                                                                        weit entfernt. Und für eine sinnvolle
                                           Echte Automatisierung im Operations-         Medizinabgabe müssten ganze Schwär-
                                           saal ist insofern knifflig, als dass der     me zum Einsatz kommen. Forscher der
                                           menschliche Körper sehr komplex ist, vor     Schweizer ETH Zürich stellten im Novem-
                                           allem was weiches Gewebe angeht –            ber 2020 ein Konzept für „Mikrovehikel“
                                           wie der „Robodoc“ eindrücklich bewie-        vor, das in eine ähnliche Richtung geht.
                                           sen hat. „Dort, wo er wirklich stabil ist,   Hier handelt es sich aber ebenfalls noch
                                           ließe sich leichter automatisieren“, sagt    um Materialexperimente.
26     Medizinroboter                                                                                                                                                              Hinterfragt     27

                                                                                                                                    ZAHLENCHECK

                                                                                                                                    101 Jahre
                                                                                      testet der britische National Health Ser-
                                                                                      vice (NHS) wie er Ärzte bei Konsultatio-
                                                                                      nen entlasten kann, indem er Chatbots
                                                                                      einsetzt, die über künstliche Intelligenz
                                                                                      verfügen. Bei all diesen Einsatzfeldern ist
                                                                                      die Logik die gleiche: Roboter können re-
                                                                                      petitive Aufgaben übernehmen, damit
                                                                                      das Personal mehr Freiraum für jene Auf-
                                                                                      gaben hat, bei denen menschliche Intelli-
                                                                                      genz und Intuition gefragt sind. Denn bei

                                                                                                                                                  D
                                                                                      Patientenfragen geht es oft um wieder-
                                                                                      kehrende Themen – idealerweise hätten                               er Begriff Roboter ist ein Internatio-
                                                                                      die Ärzte also mehr Zeit für ausführliche                           nalismus. Das heißt, er wird in zahl-
                                                                                      Diagnosen oder Gespräche. „Hausrobo-                                reichen Sprachen ähnlich geschrie-
                                                                                      ter“ könnten in Zukunft kranke Men-                         ben und mit der gleichen Bedeutung ver-
                                                                                      schen zu Hause begleiten und im Notfall                     knüpft. Das Wort Roboter blickt auf eine
                                                                                      Alarm schlagen – und so Krankenhäuser                       101-jährige Geschichte zurück. 1920 ver-
                                                 Minimalinvasiv operieren:            entlasten oder Älteren ein längeres                         öffentlichte der tschechische Autor Karel
                                              Viele Chirurgen scheuen den             Leben zu Hause ermöglichen. Für viele                       Čapek das Schauspiel R.U.R. (Rossumovi Uni-
                                           Aufwand. Roboterunterstützung              dieser Visionen sind entsprechende                          verzálni Roboti), in dem ein gleichnamiges
                                           erleichtert den Schritt erheblich.         Prototypen längst entwickelt.                               Unternehmen menschenähnliche Maschi-
                                                                                                                                                  nen erschafft. Sie sollen den Menschen als
                                                                                      Chirurg Beat Müller in Heidelberg ver-                      Arbeitskräfte dienen und Wohlstand sowie
                                                                                      folgt interessiert die Innovationen rund                    sozialen Frieden herbeiführen. Die Sache
                                                                                      um die Robotik. „Der Roboter nimmt                          nimmt jedoch eine dramatische Wendung.
                                                                                      dem Chirurgen nicht die Arbeit weg, son-                    Die Maschinen begehren auf und überneh-
     Klar ist: Auch außerhalb des Operations-                                         dern er macht ihn besser“, sagt Müller.                     men die Herrschaft über die Menschheit,
     saals werden Roboter in der Medizin künf-                                        „Ich empfinde das als eine sehr char-                       bevor ihnen selbst das Ende droht.
     tig relevant und sollen Aufgaben über-                                           mante Vision.“ Er hat auch nicht das
     nehmen: „Roboter-Pflegekräfte“ könnten                                           Gefühl, dass Patienten von operieren-                       Angeblich wollte Čapek den künstlichen
     Patienten überwachen, Blut abnehmen                                              den Robotern eingeschüchtert seien –                        Geschöpfen das englische Wort labor ge-
     oder bei der Hygiene helfen. Damit hät-                                          eher im Gegenteil. „Roboter sind präzi-                     ben. Doch sein Bruder Josef überzeugte ihn
     ten die Menschen wieder mehr Zeit für                                            ser als der Mensch, werden gesteuert                        von roboty. Es entstammt dem tschechi-

                                                          5.000
     etwas, das sie besser können als Robo-                                           durch Menschen, und der Mensch kann                         schen Wort robota, das für Fronarbeit oder
     ter: Kommunikation und menschliche                                               seine Flexibilität beisteuern, auf unter-                   Schwerarbeit steht und auf das altslawische
     Nähe. 2018 entwickelte die amerikani-                                            schiedliche Situationen zu reagieren“,                      Wort rab (Sklave) zurückgeht. Im Jahr 1921
     sche Rutgers University aus New Jersey                                           fasst es Müller zusammen. Entscheidend                      feierte R.U.R. im heutigen Tschechien Pre-
     den Prototyp eines Roboters, der Blut           Exemplare des Da-Vinci-Systems   sei eben, dass die Patienten verstehen,                     miere und fand rasch seinen Weg auf inter-
     abnehmen und sogar direkt analysieren              sind weltweit im Einsatz.     was genau der Roboter im Operations-                        nationale Bühnen. Roboty ging in andere
     kann. „Jedes Jahr wird allein in den USA          Ursprünglich wurde es für      saal macht. „Man darf nicht das Bild                        Sprachen über und wird heute weltweit
     zwei Milliarden Mal Blut abgenommen“,             Fernoperationen erfunden.      entstehen lassen, dass der Roboter Un-                      als Oberbegriff für Maschinen verwendet
     erklärte Projektleiter Martin Yarmush                                            fug mit den Patienten treibt, ohne dass                     und verstanden, die bestimmte Funktionen
     dem Smithsonian Magazine. Seit 2017                                              es jemand merkt.“                                           eines Menschen ausführen können.
28     Gastronomie                                                                                                                                                                                                                                 Gastronomie       29

     Zwei Arme und
                                                                                                                                                                                                                         das Versprechen real geworden, auch
                                                                                                                                                                                                                         kompliziertere Gerichte und Zuberei­
                                                                                                                                                                                                                         tungsschritte maschinell zu verwirkli­
                                                                                                                                                                                                                         chen.

     drei Sterne                                                                                                                                                                                                         Die automatisierte Roboterküche trifft
                                                                                                                                                                                                                         den Nerv einer Zeit, in der Kunden
                                                                                                                                                                                                                         gleichzeitig Geschwindigkeit und Indi­
                                                                                                                                                                                                                         vidualität erwarten: Ein Roboterkoch
                                                                                                                                                                                                                         kommt nicht durcheinander mit Extra­
                                                                                                                                                                                                                         wünschen, egal ob es spezielle Zutaten
                                                                                                                                                                                                                         sind, Erdnussallergie oder salzarme Kü­
                                                                                                                                                                                                                         che. Knopfdruck genügt. Das Unterneh­
                                                                                                                                                                                                                         men Nala Robotics aus Illinois will noch
     Roboter punkten als Küchenhelfer mit Präzision                                                                                                                                                                      2021 ebenfalls ihr erstes automatisier­
                                                                                                                                                                                                                         tes Restaurant eröffnen, in dem eine
     und Hygiene. Noch sorgen voll automatisierte                                                                                                                                                                        Kombination aus einem Roboterarm mit
                                                                                                                                                                                                                         künstlicher Intelligenz Tausende ver­
     Restaurants oder Android-Kellner für Aufsehen.                                         Zwei Roboterarme, über                                                                                                       schiedener Rezepte kocht. Über die
                                                                                            5.000 Rezepte. „Moley“ schafft                                                                                               Technologie dahinter schweigt man sich
     Der Trend zur Robotergastronomie hat aber                                              auch komplizierte Gerichte.                                                                                                  allerdings noch aus.

     nachvollziehbare Gründe.                                                                                                                                                                                            Der Robo-Chef kann nicht kosten
                                                                                                                                                                                                                         Wird in Zukunft das nächste Drei-Sterne-
                                                                                                                                                                                                                         Restaurant von einem Chef mit Platine
                                                                                                                                                                                                                         und Prozessor betrieben? Es ist zumin­
                                                                                                                                                                                                                         dest nicht ausgeschlossen, dass die KI
     Das vermutlich älteste Roboterrestau­                                            bestellen am Tisch per Bildschirm, die     gleichen Grund, weswegen sie bereits        lich Schüsseln und die Gerichte meist       imstande sein könnte, dank Big Data
     rant der Welt war kein Restaurant.                                               Zulieferroboter servieren. Köche und Kü­   in der Lebensmittelindustrie verbreitet     zusammengemixte, klein geschnittene         und Deep-Learning-Methoden komplett
     „Robo Restaurant“ in Tokio besaß be­                                             chenchefs müssen angesichts dessen         sind: Roboter können in sehr hoher          Potpourris: Komplexere Menüs können         neue Gerichte zu kreieren und in diesem
     reits 2012 Roboter, die tanzend auf der                                          noch keine Angst haben, ihren Job zu       Geschwindigkeit Routineaufgaben wie         die Automaten nicht handhaben. Das          Sinne „kreativ“ zu sein. An einem Punkt
     Bühne standen. Das Konzept war Show                                              verlieren: Es handelt sich letztlich nur   Schneiden, Zerkleinern oder Rühren          Restaurant wirbt mit Gerichten ab acht      aber werden die Roboterköche bis auf
     und Entertainment, nicht Küche. Extrem                                           um Logistikroboter. Einen Schritt weiter   übernehmen – und punkten dabei mit          US-Dollar, die „in weniger als drei Minu­   Weiteres scheitern: Sie können ihre Ge­
     erfolgreich war das trotzdem, wenn                                               hingegen ist der „Roboterrestaurant-       Hygiene und Präzision. Insbesondere für     ten“ servierfertig seien.                   richte weder abschmecken noch rie­
     auch als Touristenfalle verschrien. In jün­                                      Komplex“ im chinesischen Foshan: Hier      die Systemgastronomie mit ihren stan­                                                   chen. Sie wissen zwar, wie man salzarm

                                                           120
     gerer Zeit eröffnen weltweit immer                                               arbeiten 40 Roboter für bis zu 600 Gäste   dardisierten Abläufen sind das verlo­       Individuelle Zutaten: kein Problem          kocht, aber nicht, wie „salzig“ schmeckt.
     mehr Läden, deren Anspruch es tatsäch­                                           rund um die Uhr, auch in der Küche. Da­    ckende Aussichten.                          Das britische Start-up Moley wiederum
     lich ist, Essen zu kochen und zu servie­                                         bei brauche ein „Nudelroboter“ nur vier                                                präsentierte 2015 den Prototyp einer        Das „Robo Restaurant“ in Tokio hat mitt­
     ren – mithilfe von Robotern.                                                     Quadratmeter Platz, könne aber 120 Nu­     Das „Spyce“ Restaurant in Boston ver­       vollautomatischen Küche, mit zwei Ro­       lerweile seine Türen für immer geschlos­
                                                             Nudelgerichte            delgerichte pro Stunde fertigen, rechnen   fügt seit 2018 über eine voll automati­     boterarmen, die von der Decke hängend       sen: Die Pandemie hat der Unterhal­
     In Indien feiert die Kette „Robot Restau­     in der Stunde kochen die Roboter   die Betreiber vor.                         sierte Küche. Dort werden die Zutaten       Soßen rühren oder Gemüse schneiden          tungsshow den Todesstoß versetzt,
     rants“ Erfolge mit Robotern, die den               im chinesischen Foshan.                                                  vermischt und gerührt – die Köche sind      und mehrere Kochplatten gleichzeitig        denn Gäste waren fast ausschließlich
     Gästen die Speisen an den Tisch bringen.                                         Schneiden, zerkleinern, rühren             nur noch dafür verantwortlich, die Re­      bedienen können. Über 5.000 Rezepte         Touristen, keine Einheimischen. So lukra­
     Filialen existieren mittlerweile zum Bei­                                        Für die Branchenexperten steht außer       zepte vorzugeben und am Ende einen          beherrscht diese Robo-Küche, und sie ist    tiv die Idee war – vielleicht hätten die
     spiel in Chennai und dem indischen                                               Frage, dass die Roboter bald vermehrt      Spritzer Dressing auf die Schüssel zu ge­   seit diesem Jahr auf dem Markt erhält­      Inhaber doch besser auf eine echte
     Technologiezentrum Bangalore. Gäste                                              in die Küchen einziehen werden. Aus dem    ben. Tatsächlich sind es fast ausschließ­   lich – für rund 300.000 Euro. Damit ist     Roboterküche setzen sollen.
30   Mechanisierte Hände                                                                                         Mechanisierte Hände        31

     Greifen ist schwerer   Während Rotobertechnik in einigen Bereichen erstaunliche

     als denken
                            Fortschritte macht, gibt es noch immer einen Körperteil,
                            der den Ingenieuren Kopfzerbrechen bereitet: die Hand.
                            Menschliche Babys können nach Gegenständen greifen –
                            Roboter stoßen da an Grenzen. Eine Bestandsaufnahme.

                            Im Jahr 1996 schlug zum ersten Mal ein Compu­-        wollen. Erst beim Zugriff selbst ergibt sich die letzte
                            ter einen amtierenden Schachweltmeister: Garri        Position und der Druck, mit dem die Finger agieren.
                            Kasparow verlor gegen das kleiderschrankgroße
                            Rechenwunder mit dem Namen „Deep Blue“. Das           Wie aber setzt man das für eine Maschine um? Die
                            Duell stand symbolhaft dafür, was Computer bald       Berliner Forscher entwickelten eine weiche Robo-
                            alles können würden. 25 Jahre später sind diese       terhand mit Fingern aus Silikon, die nur über Luft-
                            Erwartungen nur zum Teil eingetroffen – zumin-        druck bewegt werden. Damit passt sich die Hand
                            dest wenn man sich in einer kleinen Drogeriefiliale   dem Objekt an, ohne zuvor präzise für dieses
                            um die Ecke umsieht. Mehrmals am Tag werden           Objekt programmiert worden zu sein – vom Handy
                            hier Regale befüllt, mit der Zehnerpackung Toilet-    bis zur Blumenvase, von der Banane bis zum Teddy-
                            tenpapier oder kleinen Schachteln mit Gesichts-       bär. Solch eine Hand – derzeit nur ein Prototyp –
                            creme. Und meist müssen das die Mitarbeitenden        könnte gut in der Nahrungsmittelindustrie einge-
                            tun. Gerne würden viele von ihnen diese Arbeit an     setzt werden, um etwa Obst und Gemüse zu
                            Roboter abgeben. Allerdings: Die Robotertechnik       sortieren. Denn gerade diese Lebensmittel reagie-
                            stößt da heute noch an ihre Grenzen. Große, kleine,   ren besonders empfindlich auf zu viel Druck.
                            weiche, feste Produkte hintereinander, die heute
                            anders aussehen als morgen – das überfordert den      Einsatz in der Pflege?
                            Roboter. Wie lernt man greifen?                       Auch für Roboter, die etwa in der Pflege arbeiten
                                                                                  könnten, wäre solch eine Hand eine Option: Zwar
                            Sanfte Hand von der Uni                               gibt es bereits Roboter, die in diesem Bereich ge-
                            Ganz vorn dabei in der Forschung ist die Technische   nutzt werden, aber der weitreichende Einsatz
                            Universität in Berlin. Forscher Raphael Deimel be-    scheitert auch am Problem „Hand“. Der humanoi­-
                            schrieb in einer Sendung des Westdeutschen Rund-      de Roboter „Pepper“, ein französisch-japanisches
                            funks ein zentrales Problem: „Man versucht, eine      Kooperationsprojekt von Aldebaran Robotics und
                            menschliche Hand nachzubauen, weiß aber nicht,        Softbank, ist ein klassisches Beispiel: Er ist 120 Zen-
                            was eigentlich das Wichtigste daran ist.“ Deimels     timeter groß, mit Armen und Plastikhänden mit
                            Team ging der Frage nach und experimentierte seit     Servoantrieb ausgestattet, kann sprechen, singen
                            Anfang der 2010er Jahre ausgiebig. Dabei stellten     und seine Arme und Hände bewegen. Doch
                            sie fest, dass sich beim Greifen die Finger ganz      Dr. Karsten Schwarz, Mitarbeiter des FORMAT-
                            spontan dem Objekt anpassen, das sie anheben          Projekts an der Uni Halle, wo über den Einsatz
32    Mechanisierte Hände                                                                                                                                                                                                         Alltagsgegenstand   33

                                                                                      Wie viel Druck verträgt die Kirsche,
                                                                                      und woher weiß die Hand, wo man
                                                                                      sie absetzt? Schwierige Fragen für
                                                                                      Roboter.

                                                                                                                                           ESSENZI ELL – SENSOR EN

                                                                                   Regel- und Leistungselektronik ist in die Hand-
                                                                                   wurzel integriert, die Schnittstellen sind standardi-
                                                                                   siert. So kann die Hand auch mit anderen Roboter-
                                                                                   armen kombiniert werden. In der Roboterküche
                                                                                   bedienen die Hände souverän Mixer, Messer,
                                                                                   Schneebesen, Wasserhahn und Kochfeld. Billig ist
                                                                                   das Ganze nicht, aber für etwas mehr als eine Vier-
                                                                                   telmillion Euro nennt man dann zumindest ein
                                                                                   (noch) ziemlich ungewöhnliches Statussymbol sein
                                                                                   Eigen. Für Großküchen macht diese Art von Roboter
                                                                                   mehr Sinn – wie auch der Hersteller zugibt. Aller-
                                                                                   dings: Die Arme und Hände dieser Küche brauchen
                                                                                   auf sowie über der Arbeitsfläche sehr viel Platz –
                                                                                   für das am Anfang geschilderte Problem in der Dro-
                                                                                   gerie sind sie viel zu groß.

                                                                                   Die Firma Dematic, Logistikspezialist aus Heusen-
     ‚Die‘ Roboterhand gibt es also                                                stamm, setzt eher auf maßgeschneiderte Hände,
                                                                                   die konkret auf eine Aufgabe zugeschnitten wer-
     noch nicht. Je klarer der Einsatz,                                            den. Beim Sortieren von Päckchen in die Regale der

     je standardisierter die zu greifen­
                                                                                   Zustellfahrzeuge eines Paketlieferanten sind das
                                                                                   eher Schieber, die die Pakete an die richtige Stelle

     den Objekte, desto besser.“                                                   dirigieren. Beim Einräumen von Regalen wiederum
                                                                                   soll ganz bewusst dem Problem der unterschied-
                                                                                   lichen Produktgrößen entgegengewirkt werden –
                                                                                   mit unterschiedlich großen Fingern. So lässt sich ein   Die Rubrik über Dinge,     Ein Roboter hat einen Körper,         gnetometer, um zu navigieren und
                            solcher Roboter geforscht wird, sagt: „Wir dachten     mächtiges Paket mit zwei großen Fingern packen,                                    vielleicht Arme, Software … alles     seine Position zu bestimmen. Al-
                            erst, Pepper kann schon greifen und Hol- und Bring-    für das kleinere und leichtere kommen schmalere         die weit verbreitet,       richtig. Aber trotzdem ist er damit   lein eine Kamera besteht aus Mil-
                            dienste erledigen oder putzen und den Staubsauger      Finger zum Einsatz. Auf diese Weise bleiben die                                    nur eine Maschine, die nicht in-      lionen von Lichtsensoren. Ohne
                            führen. Das kann er alles nicht. Die Hände sind        Zwischenräume im Regal in einem akzeptablen             aber so klein sind, dass   teragieren kann. Und die nicht        solche Daten ist keine sinnvolle
                            wirklich nur zur Stabilisierung beim Fahren und        Rahmen.                                                 sie oft nicht wahr-        weiß, wo sie sich befindet. Der       Reaktion möglich. Sensoren wer-
                            zum Gestikulieren da.“                                                                                                                    Mensch hat seine fünf Sinne, der      den in Zukunft noch kleiner, noch
                                                                                   „Die“ Roboterhand gibt es also noch nicht. Je klarer    genommen werden.           Roboter braucht Sensoren, um          digitaler, und sie werden überall
                            Roboter am Kochfeld                                    der Einsatz, je standardisierter die zu greifenden                                 Eindrücke wahrzunehmen – meist        sein. Übrigens brauchen auch Men-
                            In einem anderen Bereich klappt es schon etwas         Objekte, desto besser. Einige vielversprechende An-     Trotzdem sind sie          deutlich mehr als fünf. Tiefensen-    schen Sensoren, um Dinge zu er-
                            besser: in einer fertigen Küche der britischen Firma   sätze gibt es. Bis auf Weiteres bleibt die menschli-    essenziell wichtig. So     soren, um den Raum zu erfassen.       fassen, die unsere Sinne nicht ein-
                            Moley – bestehend aus vollständiger Küchenzeile        che Hand aber ein technisch schwer zu kopierendes                                  Berührungssensoren. Beschleuni-       deutig bestimmen können – wie
                            und zwei Roboterarmen. Kernstück sind hier die         Wunderwerk, erst recht in Kombination mit Auge,         wie eine Dichtung.         gungsmesser, Gyroskop und Ma-         das Thermometer zum Beispiel.
                            beiden fünffingrigen Hände der Firma Schunk aus        Gehirn und Arm. Übrigens: Auch Deep Blue konnte
                            Lauffen am Neckar, bestückt mit je neun Motoren        seine Schachfiguren noch nicht selbst bewegen.
                            und zahlreichen Sensoren. Die komplette Steuer-,       Das musste damals ein Mensch für ihn erledigen.
34    Firmenporträt: Kuka AG                                                Firmenporträt: Kuka AG   35

     Einfach
     machen

     Mit einer neuen Strategie will Kuka „Automatisierung für    Gerührt oder geschüttelt? Roboter
                                                                 übernehmen immer mehr Auf­-
     alle“ ermöglichen. Wesentlicher Bestandteil ist dabei ein   gaben – auch weil die Programmie-
                                                                 rung viel einfacher wird.
     neues Betriebs- und Ökosystem, das die Programmierung
     wesentlich vereinfacht. Doch auch klassische Maschinen-
     bau-Tugenden bleiben für den Markterfolg wichtig.
36     Firmenporträt: Kuka AG                                                                                                                                                                           Firmenporträt: Kuka AG   37

                   Mehr als Hardware: Die Kuka-
                  Tochter Swisslog automatisiert
                       komplette Lagersysteme.

     E
            ine riesige Halle irgendwo in
            Deutschland. Im Minutentakt
            schwingt der Boden, wenn riesige
     Pressen Stahlbleche umformen. Orange-
     farbene Roboterarme be- und entladen
     die Pressen. Etwas weiter in derselben                                                                                                                             Intensive Beziehung
     Fabrik schweißen andere Roboter die
     Bleche zusammen, Schritt für Schritt                                                                                                                               In den letzten Jahren hat sich die Geschäftsbezie-
     entsteht so eine Karosserie. Wer heute                                                                                                                             hung zwischen Kuka und Freudenberg Sealing
     in einem Karosserie-Rohbau steht, kann                                                                                                                             ­Technologies deutlich intensiviert. Ein wesentlicher
     sich kaum vorstellen, dass diese teil­                                                                                                                              Grund: Mit der Modular Sealing Solution 1 (MSS1)
     weise gefährlichen Arbeitsschritte bis in                                                                                                                           hat der Dichtungsspezialist eine Lösung entwickelt,
     die 1990er Jahre hinein von Menschen                                                                                                                                die reibungsarm und außerordentlich robust ist.
     durchgeführt wurden. Doch mit der Öff-                                                                                                                              Gemeinsam mit Kuka und dem Getriebezulieferer
     nung globaler Märkte entwickelte sich                                                                                                                               hat Freudenberg den MSS1 erstmals in einem Indus-
     die Automobilindustrie als Vorreiter in                                                                                                                             trieroboter verbaut. „Die Ergebnisse haben alle
                                                                                                                                                                         überzeugt: Die Abdichtung funktioniert zuverlässig,
                                                                                                                                                                         gleichzeitig baut die Dichtung verhältnismäßig
                                                    Neue Industriewelt: Was                                                                                              kompakt“, schildert Dimitrios Tsituridis, Key Account
                                                   automatisiert werden kann,   Sachen Automatisierung. Davon profi-                                                     Manager bei Freudenberg Sealing Technologies.
                                                    wird auch automatisiert.    tiert hat Kuka von Anfang an: Das Augs-                                                  Insgesamt liefert Freudenberg mittlerweile jedes
                                                                                burger Unternehmen hatte bereits 1971                                                    Jahr rund 200.000 Radialwellen-Dichtringe an Kuka
                                                                                die erste roboterbetriebene Schweiß-                Das neue Kuka-Betriebssystem         und dessen Komponentenzulieferer. Parallel erhöht
                                                                                transferstraße für Daimler-Benz gebaut.         „iiQKA.OS“ macht Robotik für (fast)      Freudenberg Sealing Technologies den Automatisie-
                                                                                1973 folgte dann der weltweit erste In-                         jeden zugänglich.        rungsgrad der eigenen Fertigung – und hier kom-
                                                                                dustrieroboter, der über sechs Bewe-                                                     men wiederum zunehmend Industrieroboter von
                                                                                gungsachsen verfügte – zunächst wenig                                                    Kuka zum Einsatz. „Wir wissen ja, dass die Qualität
                                                                                gefragt, bereitete dessen Technik den                                                    top ist“, sagt Tsituridis. Bei einem großen Automati-
                                                                                Weg für den Aufschwung in den 1980er                                                     sierungsprojekt in Italien konnte die Kuka-Tochter
                                                                                Jahren. Roboter eroberten die Autofabri-   den Traditionshersteller. „Automatisie-       Swisslog unterstützen. Das Distributionszentrum in
                                                                                ken und Kuka die Poleposition in Europa.   rung für alle“, so der programmatische        Pinerolo, das vor allem Autoersatzteile an italieni-
                                                                                                                           Titel der Strategie, zielt insbesondere       sche Kunden versendet, arbeitet mit einem auto-
                                                                                Eine vergleichbare Revolution steht für    auf jene Tätigkeiten, für die sich eine       matisierten Lager- und Kommissioniersystem. Dabei
                                                                                den Kuka-Experten Benjamin Baumann         Automatisierung in der Vergangenheit          entnimmt eine Flotte autonomer Fahrzeuge die
                                                                                nun im Mittelstand und in kleineren Be-    nicht lohnte, die bisher noch gar nicht       Waren aus den Regalen und transportiert diese zu
                                                                                trieben an: „Wir stehen in allen Indus­    oder nur selten automatisiert sind, bei-      den Mitarbeitern, die den eigentlichen Versand
                                                                                trieländern durch den demografischen       spielsweise die Funktionsprüfung elek­        übernehmen.
                                                                                Wandel vor einem Fachkräftemangel.         tronischer Bauteile. „Prinzipiell sind der
                                                                                Insbesondere ergonomisch ungünstige        Fantasie aber keine Grenzen gesetzt“, so
                                                                                und monotone Tätigkeiten werden da-        Baumann. „Voraussetzung dafür, dass
                                                                                her zunehmend auch in kleineren Betrie-    kleinere Unternehmen Roboter gewinn-
                                                                                ben automatisiert.“ Als Produktarchitekt   bringend einsetzen können, ist jedoch
                                                                                arbeitet Baumann an der Umsetzung          eine hohe Flexibilität der Systeme – und
                                                                                einer neuen Wachstumsstrategie für         eine einfachere Programmierung.“
38     Firmenporträt: Kuka AG                                                                                                                                                                                                       Firmenporträt: Kuka AG      39

                                                                                                                                                                      Roboter, die beim Einschenken
                                                                                                                                                                      erkennen können, wie voll ein
                                                                                                                                                                      Bierglas ist (links), Roboter,               ses Abbremsen. „Aus Sicht der Dichtung
                                                                                                                                                                      die architektonische Bauteile                ist es extrem fordernd, unter solchen Ein-
                                                                                                                                                                      weben und gestalten (Mitte) –                satzbedingungen Wartungsintervalle von
                                                                                                                                                                      oder auch Roboter, die auf                   mehreren Jahren zu erreichen.“ Bei
                                                                                                                                                                      einer Showbühne Schlagzeug                   Cobots sind zwar die Traglasten und
                                                                                                                                                                      und Keyboard bedienen (rechts):              auch die Rotationsgeschwindigkeiten in
                                                                                                                                                                      „Die Einsatzgebiete scheinen                 der Regel niedriger, dafür steigen die An-
     Lesen Sie mehr zur Kuka-Mission                                                                                                                                  endlos“, heißt es von Kuka.                  forderungen an die Präzision der Bewe-
     2030: https://www.kuka.com/                                                                                                                                                                                   gungsabläufe. „Deshalb muss die Rei-
     de-de/future-production/                                                                                                                                                                                      bung, die durch Radialwellen-Dichtringe
     kuka-mission-2030                                                                                                                                                                                             verursacht wird, auf ein Minimum be-
                                                                                                                                                                                                                   schränkt werden“, erläutert Tsituridis.

                                                                                                                                                                                                                   Wachstum auch in China
                                                                                                                                                                                                                   Für Kuka, mit einer installierten Basis
                                                                                                                                                                                                                   von rund 350.000 Robotern weltweit ei-
     Programmierung ohne Spezialwissen           Es überträgt das von Smartphones ge-                                    „Schnittstellenprobleme und manuelles        zision zu ­arbeiten. Dimitrios Tsituridis,   ner der größten Anbieter, sind die
     In der Programmierung – oft auch als        wohnte Denken auf die Robotik: Das                                      Programmieren haben sich damit erle-         Key Account Manager bei Freudenberg          Wachstumschancen durch zunehmende
     „Teaching“ bezeichnet – gab es in den       Betriebssystem übernimmt alle hard-                                     digt“, verspricht Baumann.                   Sealing ­Technologies, beobachtet die Ent-   Automatisierung enorm. Besonders at-
     vergangenen Jahren bereits große Fort-      warenahen Aufgaben und steuert die                                                                                   wicklung seines Kunden genau: „Kuka-         traktiv ist dabei der chinesische Markt,
     schritte. So sind längst keine Kenntnisse   Kommunikation. Spezialisierte Apps –                                    Den Anfang macht ein Cobot, der „LBR         Roboter zeichnen sich durch extreme          denn der demografische Wandel schrei-
     in Hochsprachen mehr notwendig.             die über ein ebenfalls „iiQKA“ genanntes                                iisy“. Mit einer Traglast von maximal drei   Robustheit und Langlebigkeit im indust-      tet in der „Fabrik der Welt“ besonders
     Stattdessen kann beispielsweise ein         Ecosystem zur Verfügung gestellt wer-       Prinzipiell sind der        Kilo gehört er zu den kleinsten Robotern     riellen Umfeld aus und erhöhen so die        rasch voran – und Kuka, seit 2016 im
     Bewegungsablauf, vom Menschen ge-
     führt, aufgezeichnet und in Programm-
                                                 den – übernehmen die anwendungs­
                                                 spezifischen Aufgaben, also etwa ein        Fantasie keine              im Kuka-Portfolio. Um eine Hightech-
                                                                                                                         Lösung handelt es sich dennoch: In sei-
                                                                                                                                                                      Produktivität des Anwenders. Diesen
                                                                                                                                                                      technischen Anspruch sehe ich auch bei
                                                                                                                                                                                                                   Besitz des chinesischen Midea-Kon-
                                                                                                                                                                                                                   zerns, hat dabei einen guten Marktzu-
     code übersetzt werden. Doch eine Ro­
     botik für alle verlangt nach einer
                                                 Schweißgerät anzusteuern. Damit typi-
                                                 scherweise extern zugelieferte Kompo-
                                                                                             Grenzen gesetzt.“           nen sechs Gelenken verbergen sich
                                                                                                                         Momentsensoren, die es ihm ermögli-
                                                                                                                                                                      den Cobots.“ Tsituridis weiß, wovon er
                                                                                                                                                                      spricht. Die Dichtungen, die er verkauft,
                                                                                                                                                                                                                   gang. Selbstverständlich seien auch sei-
                                                                                                                                                                                                                   ne chinesischen Kollegen mit den
     Programmierung ganz ohne jene Spezia-       nenten – wie Lasersensoren oder Greif-      Benjamin Baumann,           chen, auf kleinste Berührungen zu re-        werden unter anderem dort eingesetzt,        Kuka-Experten in China im Gespräch,
     listen, die sich kleinere Betriebe nicht    systeme – integriert werden können, ist     Produktarchitekt, Kuka AG   agieren. Damit ist der LBR iisy dazu in      wo jeder Roboter besonders stark belas-      berichtet Tsituridis. Er zeigt sich über-
     leisten können. Ermöglichen soll dies       Kuka für sein Ecosystem bereits eine Rei-                               der Lage, direkt in menschlicher Nähe,       tet ist: in den Gelenken. Hoher Beschleu-    zeugt: „Automatisierung für alle“ sei
     das neue Betriebssystem „iiQKA.OS“.         he von Partnerschaften eingegangen.                                     gleichzeitig aber auch mit äußerster Prä-    nigung folgt ebenso schnelles wie präzi-     eine zukunftsweisende Vision.
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