MITTEILUNGEN OSTERN 2013 - INDIVIDUALITÄT UND GEMEINSCHAFT RUDOLF STEINER SCHULE BERNER OBERLAND

 
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MITTEILUNGEN OSTERN 2013 - INDIVIDUALITÄT UND GEMEINSCHAFT RUDOLF STEINER SCHULE BERNER OBERLAND
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OSTERN 2013

INDIVIDUALITÄT
UND
GEMEINSCHAFT
 RUDOLF STEINER SCHULE
 BERNER OBERLAND
MITTEILUNGEN OSTERN 2013 - INDIVIDUALITÄT UND GEMEINSCHAFT RUDOLF STEINER SCHULE BERNER OBERLAND
HEUTE
aus dem schullebenSeite 2
Wenn aus vielen Individualitäten eine
Gemeinschaft wird
pädagogikSeite 7
Einweihungsfest neuer Kindergarten
pädagogikSeite 11
Einblicke in die Kinderstube
SchullebenSeite 13
Bildgalerie 8. Klass-Spiel
ElternSeite 16
Die Schule: Letzte Gemeinschaftsinsel ...
ElternSeite 19
Das Haus des Widders
ElternSeite 21
Filzhutprojekt
Filzhüte am Basar 2013
ElternSeite 25
Ein Montag im Leben von...                     Impressum                             30. Jahrgang, Nr. 125

                                               Herausgeber                           Abonnementspreis
                                               Kollegium und Vereinigung             Richtpreis Jahresabonnement
verabschiedungen                  Seite 28    Rudolf Steiner Schule                 Fr. 20.–
                                    Seite 31   Berner Oberland                       PC 34-4839-5
büchertipp
                                               Astrastrasse 15
redaktionelles                    Seite 32    CH-3612 Steffisburg                   Redaktionsschluss/Themen
                                                                                     1. Mai (Johanni)
leserbrief                        Seite 33    Beiträge und Artikel
                                               Die Inhalte werden von den            Inserate
                                               AutorInnen selbstverantwortet.        Gabriele Ortner-Rosshoff
Morgen - Vorschau                 Seite 34                                          c/0 Rudolf Steiner Schule
                                               Redaktion                             Berner Oberland
Sommerspiel                                    Donath Aebi, Sonja Bärtschi,          mitteilungen@steinerschulebo.ch
Galadinner                                     Matthias Giger, Gabriele
                                               Ortner-Rosshoff, Rebecca Romano,      1 Seite   121 x 180 mm Fr. 280.–
                                               Pascaline Rubin, Christian Wirz       ½ Seite   121 x 90 mm Fr. 150.–
zukunft                           Seite 36    mitteilungen@steinerschulebo.ch       ¼ Seite   121 x 45 mm Fr. 80.–

Unterstützen                                   Bildredaktion                         Layout
                                               Gabriele Ortner-Rosshoff              Gabriele Ortner-Rosshoff
zeitlos - zu guter letztSeite 37              info@bilder-spektrum.ch               www.bilder-spektrum.ch
Spitze Feder
                                               Fotos                                 Druck
INSERATESeite 38                              G. Ortner-Rosshoff, Titel, S. 7-18,   Copyquick Thun
                                               21-25,29, 33, 34                      www.copyquick-thun.ch
adressenSeite 50
                                               zVg S. 20, 31, 32, 35, 36
FerienordnungSeite 51
                                               Erscheinungsweise
			                                            Vierteljährlich zu Michaeli,
                                               Weihnachten, Ostern und Johanni

                                               Beilagen
                                               Kulturfensterkarte

                                               Auflage 1200 Ex.
MITTEILUNGEN OSTERN 2013 - INDIVIDUALITÄT UND GEMEINSCHAFT RUDOLF STEINER SCHULE BERNER OBERLAND
editorial

Liebe Leserrinnen, liebe Leser

Stellen sie sich vor, sie werfen einen Stein ins   Heilsam ist nur
Wasser. Der Stein durchbricht die
Wasseroberfläche und es bilden sich Ringe.         Wenn im Spiegel der Menschenseele

Aus diesem einen Ring entstehen immer mehr         Sich bildet die ganze Gemeinschaft
Ringe, es entsteht eine Fülle von Ringen- eine
Gemeinschaft. Die Ringe durchdringen sich          Und in der Gemeinschaft lebet der Einzelseele
und die ganze Wasseroberfläche wird                Kraft
durchrhythmisiert. Was hier wie von selbst
geschieht, braucht im Sozialen – unter             Rudolf Steiner
Menschen – eine Anstrengung.

Im Bilde gesprochen könnte man den ersten          Diese Ausgabe trägt den Titel: Individualität
Ring als Zentrum, als individuellen Impuls         und Gemeinschaft .
eines Menschen sehen. Eine Fülle solcher
Einzelimpulse würde dann eine Gemeinschaft         Die Artikel bieten Gelegenheit, sich auf dieses
entstehen lassen.                                  Zusammenspiel einzulassen, verschiedenste
                                                   Blickwinkel dazu einzunehmen, unterschied-
Wie kann ein einzelner Mensch in einer             lichste Äusserungen dazu zu lesen.
Gemeinschaft leben, wie lebt die Gemeinschaft
im einzelnen Menschen?                             Wir wünschen Ihnen beim frühlingshaften
                                                   Aufkeimen der Natur viele anregende
Rudolf Steiner sprach von dem Auftreten einer      Gedanken.
weiteren Kunst in der Gegenwart. Er nannte
diese: „Die Kunst des sozialen Bauens“ und
schrieb dazu den folgenden Spruch, das so
genannte Motto der Sozialethik :                   Rebecca Romano und Donath Aebi

                                                                                                     1
MITTEILUNGEN OSTERN 2013 - INDIVIDUALITÄT UND GEMEINSCHAFT RUDOLF STEINER SCHULE BERNER OBERLAND
HEute - aus dem schulleben

Wenn aus vielen Individualitäten eine
Gemeinschaft wird
Wollte man alle Individualitäten zählen, die zu      lingsthema erzählte. Diese Lektionen und auch
unserer Schulgemeinschaft gehören, so müs-           was uns vorgetragen wurde haben sich häufig
sten wir lange, lange zählen.                        so tief bei uns eingeprägt, dass wir uns das
Jeder einzelne Mensch bringt etwas in die            ganze Leben daran erinnern, ganz unabhängig
Gemeinschaft ein, was nur er bringen kann:           vom vermittelten Thema und ob es unser Lieb-
                                                     lingsfach war. Umgekehrt können auch freudig
Den Kindern sollte man sagen: “Weißt Du auch,        aufgeregte SchülerInnen oder ein unterstüt-
was Du bist? Du bist ein Wunder! Du bist ein-        zendes Umfeld LehrerInnen so beflügeln, dass
malig! Auf der ganzen Welt gibt es kein zweites      solche Sternstunden möglich werden.
Kind, das genau so ist wie du. Und Millionen         Wir waren der Begeisterung auf der Spur und
von Jahren sind vergangen, ohne dass es je           haben im Kollegium nachgefragt:
ein Kind gegeben hätte wie dich. Schau deinen
Körper an, welch ein Wunder! Deine Beine,
deine Arme, deine geschickten Finger, deinen         Für welche Themen sind Sie Feuer und
Gang. Aus dir kann ein Shakespeare werden,           Flamme?
ein Michelangelo, ein Beethoven. Es gibt nichts,     Ich bin Feuer und Flamme für alles was mit
was du nicht werden könntest. Jawohl, du bist        Kunst zusammenhängt; Lebenskunst, Bildende
ein Wunder.“                                         Kunst – Darstellende Kunst und Soziale- Kunst.
                                                     Ich lasse mich befeuern von der Bildhauerei,
Diese eindrücklichen Worte von Pablo Casals          singe mit Leidenschaft in verschiedenen For-
sagen in schönster Weise aus, welches Poten-         mationen und in verscheidenden Stilrichtungen,
tial in einem einzelnen Menschen steckt.             spiele Gitarre, Mandoline und Cello. Ich tanze
Die Schule soll ein Ort sein, wo diese Entwick-      gerne Tango Argentino und freue mich wenn es
lung gefördert wird und:                             gelingt meine Schülerinnen zu begeistern und
                                                     mit dem „Kunst - Virus“ anzustecken.
„Kinder wollen nicht wie Fässer gefüllt, sondern
wie Fackeln entzündet werden“ (Francois Rabe-        Wovon lassen Sie sich begeistern und beflü-
lais, Arzt und Priester vor 500 Jahren)              geln in unserer Schulgemeinschaft?
                                                     Ich lasse mich begeistern vom anthroposo-
Um eine Fackel entzünden zu können muss              phischen Hintergrund der Schule, von Kunst-
auch das Streichholz brennen. Nur eine Lehr-         projekten wie Theaterspiel, Musicals und der
kraft, die selber vom zu vermittelten Stoff begei-   handwerklich-künstlerischen Arbeit.
stert ist, ist in der Lage auch bei den SchülerIn-   Gute Zusammenarbeit zwischen Lehrer und
nen Begeisterung zu wecken. Wir alle erinnern        Schüler/in, die kollegiale Zusammenarbeit unter
uns vielleicht an eine oder mehrere Sternstun-       Lehrerkollegen/innen mit Eltern erfreut und
den unserer Schulzeit, als wir eine begeisterte      begeistert mich. Beflügelnd wirkt auf mich,
Lehrkraft vor uns hatten, die uns von ihrem Lieb-    wenn ich auf das schaue, was uns allen täglich
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MITTEILUNGEN OSTERN 2013 - INDIVIDUALITÄT UND GEMEINSCHAFT RUDOLF STEINER SCHULE BERNER OBERLAND
HEUTE - aus dem schulleben

gelingt; wenn ich merke, dass wir am „gleichen      mein innerer Antrieb und daraus entsteht aus
Strick“ ziehen, wenn ich auf humorvolle, freund-    meinem Beruf eine Berufung.
liche Menschen treffe und ich bemerke, dass
die Schule zu strahlen beginnt.                     Wovon lassen Sie sich begeistern und beflü-
                                                    geln in unserer Schulgemeinschaft?
Donath Aebi                                         Wenn ich spüre, dass uns eine Grundhaltung
                                                    den jungen Menschen gegenüber verbindet.

Für welche Themen sind Sie Feuer und                Gabi Aeschbacher
Flamme?
Wenn ich mich mit einem Thema intensiv
beschäftige, selber Tätigkeiten ausprobiere,        Für welche Themen sind Sie Feuer und
vergleiche, abwäge und übe, dann fange ich          Flamme?
mehr und mehr Feuer für dieses Thema und            Ich brenne vor allem für das Lernen im Handeln.
freue mich, mit den Kindern daran zu arbeiten.      Dazu verwende ich oft das Theaterspiel. Dieses
                                                    Medium erleichtert einem den Zugang zu einem
Wovon lassen Sie sich begeistern und beflü-         Schulstoff oder auch zu sozialen Themen. Im
geln in unserer Schulgemeinschaft?                  Spiel kommt man auf eine andere Ebene und
Wenn ich erkenne, warum ich etwas wie tue;          der kognitive Teil von uns wird durch die Freude
von der Begeisterungsfähigkeit der Kinder;          und Lust am Spiel ersetzt. Der Humor, die
von der Zusammenarbeit mit den Eltern, wenn         Freude und Begeisterung haben im Theater-
wir zusammen auf einem Weg sind.                    spiel viel Platz und geben uns zusätzlichen
                                                    Raum einzutauchen.
Gabriela Gurtner
                                                    Wovon lassen Sie sich begeistern und beflü-
                                                    geln in unserer Schulgemeinschaft?
Für welche Themen sind Sie Feuer und                Als ich an die Schule kam, fühlte ich eine
Flamme?                                             gemeinsame Ebene in der Haltung dem Kinde
Ich bin immer wieder zu tiefst berührt, mit wie     und Menschen gegenüber. Ich erfahre jeden
viel Vertrauen die Kinder und Eltern sich auf uns   Tag tiefe und bewegende Gespräche. Ich lasse
einlassen. Es ist mir stets ein Anliegen, diesem    mich gerne durch poetische, philosophische
Vorschuss an Vertrauen gerecht zu werden            und visionäre Gedanken beflügeln.
und dem Geheimnis der Kinder auf die Spur zu
kommen. Ich übe mich in der Zurückhaltung,          Rebecca Romano
dass ich dem Kind genügend Raum lasse,
dass es seine Entwicklungsschritte zu seiner
Zeit machen kann. Diese Beobachtungen sind
                                                                                                   3
HEute - aus dem schulleben

Für welche Themen sind Sie Feuer und              Für welche Themen sind Sie Feuer und
Flamme?                                           Flamme?
Jedesmal kann ich mich für die neue Epoche so     Die Anthroposophie verbindet durch ihren Pra-
begeistern, dass ich über drei Wochen für diese   xisbezug, was zusammengehört, nämlich Wis-
Inhalte brenne. Im Moment ist dies gerade Men-    senschaft, Kunst und Religion. Deshalb ist
schenkunde, in der dritten Woche Sinneslehre.     sie eine Art Lebensbaum, der unendlich viele
Es ist eine Freude, mit den Kindern solche        Früchte frei der Menschheit schenken kann –
Inhalte zu erleben, Neues zu entdecken, neue      auch solchen Menschen, die gar keine Ahnung
methodische Wege zu finden.                       davon haben, aus welchen Quellen sie profi-
                                                  tieren. Anthroposophie befriedigt Sehnsüchte
Wovon lassen Sie sich begeistern und beflü-       und Ahnungen, sie spendet den Lebensrätseln
geln in unserer Schulgemeinschaft?                Erfüllung.
Bei Anlässen, wo Eltern und Kollegium mitein-     Wissenschaft, Kunst und Religion sind in der
ander anpacken, seien es Elternabende, Bazar      Kulturgeschichte der Menschheit auseinander-
oder anderes. Immer entsteht die Wärme der        gefallen und haben deshalb auch aufgehört
Gemeinschaft.                                     einander zu befruchten. Es war der Philosoph
                                                  Immanuel Kant, der diese Trennung durch eine
Magdalena Reinhard                                theoretische Begründung so in Stein gemeisselt
                                                  hat, dass sich bis heute kaum ein Hochschul-
                                                  professor daran gewagt hat, an dieser Trennung
Für welche Themen sind Sie Feuer und              zu rütteln.
Flamme?                                           Die Lebensfelder, die durch Anthroposophie
Kommunikation, Sprache, Kreativität in Wort       befruchtet werden, sind Pädagogik, Heilpäd-
und Hand.                                         agogik, Medizin, Landwirtschaft, Philosophie,
                                                  Erkenntnistheorie, Wirtschaft, soziales Leben,
Wovon lassen Sie sich begeistern und beflü-       Kunst, Religion, Architektur und vieles mehr.
geln in unserer Schulgemeinschaft?                Wir Menschen des 21. Jahrhunderts sind immer
- Basar                                           noch kaum in der Lage, das Riesenvermächtnis
- Die „Unersetzbarkeit“ und treffende Kompe-      von Rudolf Steiner in gebührender Weise aus-
  tenz vieler Menschen hier an ihrem Platz        zuschöpfen und anzuwenden. Deshalb finde
- Die Offenheit für Initiativen                   ich es hoch interessant Anthroposophie als
- Aktionen wie das Kerzenziehzelt und der         methodischen Hintergrund für den Unterricht
  Samichlaus                                      zur Verfügung zu haben.
                                                  Ich finde die Mathematik brennend interessant,
Verena Ganter                                     weil sie die Menschen schult für das Wesen der
                                                  Wahrheit. Ihre ewigen Gesetze behalten ihre
                                                  Gültigkeit bis in höchste Regionen der geistigen
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Heute - aus dem schulleben

Welt und können den Menschen (auch wenn sie          ich, welche Erscheinungsform die nächste sein
gar nicht wissen wofür Mathematik gut sein soll)     wird. Durch geschickte Versuchsanordnungen
Leitsterne in der geistigen Orientierung sein. Ich   kann ich immer wieder Schüler ins Erstaunen
beobachte oft, dass mathematisch geschulte           versetzen.
Menschen einen ausgeprägteren Gerechtig-             Ich liebe die Geographie mit ihrem Teilgebiet
keitssinn entwickeln. Ich liebe auch ihr Teilge-     Geologie. Wer sich mit der Erde beschäftigt,
biet, die Geometrie. Ihre Geraden führen in die      erlebt, dass Mensch und Welt zusammengehö-
Unendlichkeit. Das hat beruhigende Wirkung           ren. In den Ländern der Welt ist einer unglaub-
für Menschen, die zur Hysterie neigen. An der        lichen Vielfalt der Kultur Schauplatz gegeben.
Geometrie kann man sich orientieren, „wo es          Das Nebeneinander der Kulturen lädt ein zum
lang geht.“ Ihre Formen führen oft zu vollen-        friedlichen Miteinander der Völker. Alle haben
deter Schönheit. (Wieder verbinden sich Kunst        ihre Eigenarten, dadurch ergänzen sie sich
und Wissenschaft)                                    gegenseitig zum Menschenideal. Die Geologie
Ich liebe die Physik, Sie beschäftigt sich mit       beflügelt meine Phantasie – welche dramati-
den Kräften dieser Welt. Wer in ihre tiefsten        schen Umwälzungen haben stattgefunden, bis
Geheimnisse schaut, bekommt eine leise               wir heutzutage ein Stück Boden unter den
Ahnung vom Wesen des Vatergöttlichen. Wer            Füssen fühlen? Auffaltungen, Abtragungen,
Atomkraft entfesselt, weiss in Wirklichkeit nicht,   Kontinentalschollentriften, Vulkanismus usw.
was er tut! Wenn sich die Menschheit einen           Dieser Planet birgt ein Geheimnis – doch dieses
Schritt der Weltenmacht aneignet, muss sie           auszusprechen wage ich nicht.
drei Schritte in ihrer moralischen Entwicklung       Ich liebe die Menschenkunde. Der Mensch
vorangehen. Wer sich beispielweise mit dem           ist wie der Zusammenklang aller Naturwissen-
Licht befasst, der kann erkennen, dass das           schaft, aller Kunst und aller Weisheit. Anthro-
Licht eine übersinnliche flutende Weisheit ist,      posophie ermöglicht mir tiefe Einblicke in die
denn das Licht, das man selbst nicht sehen           Zusammenhänge. Erkennen ist eine spannende
kann, macht uns vertraut mit allen Gegenstän-        Entdeckungsreise. Ich liebe es, wenn Schüler
den dieser Welt.                                     angezündet werden vom Feuer der Erkenntnis
Ich liebe die Chemie sie beschäftigt sich mit        und wir gemeinsam ringen um ein tieferes Ver-
der Materie. Das Wort Materie hat mit dem            ständnis von Mensch und Welt.
Wort Mutter zu tun. Beim Ausführen chemischer
Prozesse lerne ich die Klänge der Weltenme-          Wovon lassen Sie sich begeistern und beflü-
lodie kennen. So wie eine Melodie nach stren-        geln in unserer Schulgemeinschaft?
gen Gesetzen von einem Thema zum anderen             Die grossen Feste und Aufführungen in unse-
führt, so führt der chemische Prozess von einer      rer Schule erfüllen mich mit Freude und Stolz.
Erscheinungsform des Stoffes zu einer anderen.       Dazu gehören der Bazar, das Achtklassspiel,
Aber der Komponist darf ich selbst sein, durch       das Musical der 10. Klasse, die Weihnachts-
die Anordnung des Experimentes entscheide            spiele, der Sponsorenlauf, die Quartalsfeiern,
                                                                                                   5
heute - aus dem schulleben

das Sommerfest, die Präsentationen der 10.
Klass-Arbeiten und noch vieles mehr.

Rudolf Ortner

Herzlichen Dank für die interessanten und
begeisternden Lehrerbeiträge!

Weitere Antworten (auf die oben gestellten
Fragen) aus dem Kollegium, der Schulverwal-
tung und der Elternschaft werden in den näch-
sten Mitteilungsnummern erscheinen, damit wir
immer besser Wissen, welches Potential in den
einzelnen Menschen, beziehungsweise in unse-
rer Gemeinschaft steckt.

Eine Gemeinschaft wird gebildet durch viele
Individualitäten und aus dem Motiv, was die
einzelnen Menschen verbindet.

In einer Schulgemeinschaft ist sicherlich das
zentralste Motiv die Bildung der Kinder und
der Jugendlichen. Und wenn wir erwachsenen
Menschen genau hinschauen, entdecken wir,
wie auch wir (nebenbei) gebildet werden oder
merken, dass wir vielmehr eine gute Umge-
bung abgeben dürfen, damit sich Kinder und
Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützt
fühlen können.

Donath Aebi

6
heute - pädagogik

Einweihungsfest im neuen Kindergarten
Alpenstrasse 7 in Thun
                                                   Liebe größere Kinder - erwachsene Gäste
                                                   Wir freuen uns heute das Einweihungsfest des
                                                   neuen Kindergartens mit ihnen zu feiern.

                                                   Seit alters her haben die Menschen bei einem
                                                   Haus - Einweihungsfeste eine Feier gemacht
                                                   um die Hausgeister gut zu stimmen.

                                                   Mit Musik kann das gelingen:
                                                   Carola, Carla und Sophie und ich spielen ein
                                                   Allegro von Antonio Vivaldi. Alllegro heisst:
                                                   „rasch, munter, heiter, fröhlich“
                                                   Ein wunderbarer Cellist, Pablo Casals schrieb in
 „Wie wars in diesem Hause doch vordem             sein Lebensbuch:
    mit Heinzelmännchen so bequem!
   Denn war man müd’ man legte sich                „Ich selbst habe die letzten 80 Jahre jeden
    hin auf die Bank und pflegte sich:             Morgen auf die gleiche Weise begonnen, nicht
            Da kamen bei Nacht,                    etwa mechanisch, aus bloßer Routine, sondern
            ehe man´s gedacht,                     weil es wesentlich ist für meinen Alltag. Ich gehe
      die Männlein und schwärmten                  ans Klavier und spiele zwei Präludien von Bach.
         und klappten und lärmten                  Anders kann ich es mir nicht vorstellen.
          und rupften und zupften                  Es ist so etwas. wie ein Haussegen für mich;
          und hüpften und trabten                  aber es bedeutet mir noch mehr: die immer
        und putzten und schabten,                  neue Wiederentdeckung einer Welt, der anzu-
   und eh´ ein Schläfer noch erwacht,              gehören ich mich freue. Durchdrungen von
 war all sein Tagewerk - bereits gemacht!          dem Bewußtsein, hier dem Wunder des Lebens
                                                   selbst zu begegnen, erlebe ich staunend das
Liebe Kinder                                       schier Unglaubliche, ein Mensch zu sein”.

Wie ihr soeben gehört habt, wohnen in diesem       Nach alter Tradition haben die Menschen
Haus ganz fleißige Heinzelmännchen. Das sind       ihren Häusern einen Haussegen gegeben. Sie
gute und liebe Hausgeister die hier vor ein paar   haben Worte auf Balken geschnitzt oder beim
Wochen eingezogen sind. Diese haben den            Hauseingang in schöner Schrift Sprüche auf-
Kindergarten vorbereitet damit hier viele Kinder   geschrieben. Die Sprüche sollen das Haus
freudig arbeiten und spielen können. und den       unter einen göttlichen Schutz stellen und sollen
Kindergärtnerinnen bei so mancherlei Dingen        helfen, dass die Menschen friedlich miteinander
helfen können.                                     leben können.
                                                                                                    7
heute - pädagogik

Wir kennen den Volksmund; „Der Haussegen         Nun übergebe ich den Spruch den Kindergärt-
hängt schief“, was soviel bedeuten kann: „Hier   nerinnen.
ist im Moment keine schöne Stimmung“.            Sie werden nun zusammen mit den Kindern ein
                                                 Bild daraus machen und später wollen wir den
Wie schnell das geschehen kann wissen wir        Spruch im Hauseingang aufhängen!
aus eigener Erfahrung.
Wir können es nicht vermeiden, dass so etwas     Donath Aebi
auch passiert – aber wir können uns jeden Tag
wieder bemühen.

Wenn diese Bemühung zu spüren ist, dann
bekommen wir auch Hilfen von unseren lieben
Heinzelmännchen und allen guten Haus-
geistern.

Wir haben einen Spruch auch für dieses Haus
ausgesucht, der heisst:

Friede walt‘ in diesem Haus;
Das bedenk‘ ein jedermann,
Der da gehet ein und aus,
Herzhaft stark, so viel er kann

8
heute - pädagogik

Mit diesem Haussegen und einem musi-
kalischen Einstieg wurde der Tageskinder-
garten an der Alpenstrasse von Kindern,
Eltern, Grosseltern, Freunden und den
drei liebevollen Kindergärtnerinnen Sabi-
na, Christina und Gabriela eingeweiht.

                                            Falls der kleine Hunger kam, konnte man
                                            sich eine Pizza ganz nach seinem Ge-
                                            schmack kreieren und sie von Housi, im
                                            Holzofen backen lassen. Natürlich gab es
                                            noch vieles mehr: Popcorn essen, Pup-
                                            penspiel hören, Osterkränzli basteln, Fa-
                                            denhaar knüpfen etc.

Verschiedene Aktivitäten luden an diesem
Nachmittag zum Verweilen ein. Im grossen
Sandkasten wurde nach Schätzen gegra-
ben, um die Ecke waren Schülerinnen der
Oberstufe welche den Kindern Schmetter-
linge, Herzen oder kleine Löwen auf die
Gesichter zauberten (schminkten).

                                                                                     9
heute - pädagogik

                    Viele bekannte und vor allem viele neue
                    Gesichter besuchten dieses Fest. Und es
                    ist eine Freude, dass einige dieser neuen
                    Gesichter auch bald in diesen liebevoll
                    eingerichteten Kindergarten an der Alpen-
                    strasse gehen dürfen.

                    Stephanie Kofinas

10
heute - pädagogik

Einblicke in die Kinderstube
Eine gelebte Gemeinschaft mit Raum für die
Entfaltung der Individualität.

Kürzlich hatte ich das Glück einen Einblick in
den Alltag der Kinderstube tun zu dürfen.
Beim Betreten der Räume kam mir eine beson-
dere Atmosphäre entgegen. Es war eine ruhige
– ich könnte sagen – es war „ehrfurchtsvolle
Stimmung“ spürbar.
Ich setzte mich also auf ein kleines Stühlchen
und beobachtete. Einzelne Kinder waren eher
verträumt – still, andere verabschiedeten sich
gut hörbar von ihren Eltern oder begrüssten       Ohne äussere Aufforderung begannen die
froh ihre Kindergärtnerinnen. Ein Mädchen blieb   Kinder ebenfalls zu malen. Sie tauchten die
noch eine ganze Weile auf dem Bänkchen in         Pinsel in die Farben und malten. Nachdem die
der Garderobe sitzen, während andere Kinder       Kinder fertig waren, brachten sie ihr Malbrett mit
bereits zu spielen begannen.                      dem Bild zum Trocknen.
Die Betreuerinnen waren da, ganz präsent,         Inzwischen hatte ein Junge im Gang mit einem
auch wenn sie nur ganz wenig sprachen. Sie        Bänkchen ein Häuschen gebaut - ein freudiges
bildeten den Rahmen, schafften die Stimmung       Lachen ertönte von diesem Ort her. Einige
und gaben Orientierung. Sie waren da und          spielten mit, andere schauten zu oder spielten
es war, als ob sie immer gerade an der rech-      an einer anderen Stelle mit Klötzen und Holz-
ten Stelle stünden – um die Bedürfnisse der       stücken. Ein Kind war gewissermassen der
Kinder wahrzunehmen; hier dem einem Kind,         Baumeister, die anderen halfen mit. Ein friedli-
die nassen Söckchen wechselnd, da sich zum        ches, ruhiges Miteinander.
Mädchen in der Garderobe wendend.                 Plötzlich kam ein laut plapperndes Mädchen
Ein Kind stand zum Beispiel mitten im Raum        von ihrer Mutter begleitet zur Türe hinein.
und schaute verträumt zu, wie die andern spiel-   Dieses Kind fügte sich ganz natürlich in die
ten. Es wurde ihm von Kindern und Betreuerin-     Gruppe ein, wobei schon bald bemerkt werden
nen alle Zeit gelassen um richtig anzukommen.     konnte, dass sie nun zur Baumeisterin gewor-
Plötzlich sang die Kindergärtnerin ein Liedchen   den war.
von einem Malermeister, der seine Gesellen        Mittlerweile war ich ohne es zu bemerken auch
zum Arbeiten suchte. Einzelne Kinder gingen       in das bunte Treiben integriert und spielte mit
zum vorbereiteten Maltisch. Nachdem die Mal-      den Kindern mit.
schürzen angezogen waren und alle einen
Pinsel hatten, begann die Kindergärtnerin leise
weitersingend zu malen.
                                                                                                  11
heute - pädagogik

Schon war meine Besuchszeit um und ich ver-       In der Tiefe der Erinnerung
abschiedete mich aus einer wunderbaren Welt.      Soll sich stark erweisen,
Im Nachklang zu diesem Erlebnis wurden ver-       Was die Seele durfte finden
schiedene Gedanken in mir wach.                   In Herzenskreisen -
Was war es denn, was mich zutiefst berührte?      Durch die Geistesführerschaft,
Es war der “innere Raum“, den ich erlebte. Eine   In den Kräften
Wohltat selbst für mich erwachsenen Men-          Lieber Lebensschulung.
schen. Es war keine Hektik vorhanden - es lebte
eine herzliche warme Stimmung. Es entstand        Dieser Spruch spricht für mich das aus, was wir
ein “ausgesparter Raum“ in heutiger Zeit, ein     durch die ganzen Stufen der Vorschule – der
Raum, der die individuelle Entwicklung begün-     ganzen Schule den Kindern und Jugendlichen
stigt und worin eine Gemeinschaft entstehen       als Grundlage auf den Lebensweg mitgeben
kann.                                             wollen: Eine kraftvolle Erinnerung an eine „gol-
                                                  dene Kindheit “
Ich erinnerte mich an den Begriff „ goldene       Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass eine
Kindheit“.                                        solche Erinnerung im späteren Leben über
Ich meine, wenn Kinder Orte der Ruhe, der         manchen Abgrund hinweghelfen kann.
Herzlichkeit finden, wenn sie erwachsene Men-
schen erleben, die ohne viele Worte eine Stim-    Donath Aebi
mung schaffen, wo Wärme, Liebe und Gebor-
genheit zu spüren sind, dann bekommen sie
etwas mit auf ihren Weg, was sie gleich einem
Goldgrund durch das ganze Leben begleiten
kann.

Rudolf Steiner gab den Schülern der 12. Klasse
den folgenden Spruch auf ihren Lebensweg:

In den Weiten der Lebenswege
Soll sich spiegeln,
Was im lieben Jugendhause
Wie das Siegel
Echten Menschenwesens
In das Herz
Sich geprägt.

12
Schulleben

Bildgalerie 8. Klass - Spiel
Fast ein Jahr hat sich die achte Klasse, un-
ter der Leitung ihres Klassenlehrers Martin
Carle, intensiv mit dem Stück „Das Haus
der Temperamente“ von Johann Nepomuk
Nestroy befasst. Das Resultat begeister-
te an den Spieltagen anfangs März 2013,
auch als Gesamtkunstwerk (Gestaltung,
Spiel, Musik, Bewegung, Kostüme usw.),
zu welchem viele Lehrkräfte, Schüler und
Eltern grosse Beiträge geleistet haben!

In der verwirrenden Liebeskömodie leben
die Menschen mit unterschiedlichen Tem-
peramenten zuerst schön nebeneinander
in ihren Häusern, die auch dem Tempera-
ment gemäss ausgestattet sind (dominie-
rend blau für die Melancholiker, rot für die
Choleriker, grün für die Phlegmatiker und
gelb für die Sanguiniker). Mit der Zeit be-
ginnen sich die Temperamente durch kom-
plizierte Beziehungen mehr und mehr zu
mischen, was interessante Konflikte aber
auch unerwartete Freundschaften zur Fol-
ge hat.

Matthias Giger

                                                       13
schulleben

Bildgalerie 8. Klass - Spiel

14
schulleben

        15
heute - Eltern

Schule: Letzte Gemeinschaftsinsel in der
individualisierten Welt
In unserer Evolutionsgeschichte lebten wir         wurde die Volksschule geschaffen, für die aus-
Menschen zu 99% als Jäger und Sammlerge-           gedienten Arbeitskräfte die 2. und 3. Säule und
meinschaften in mobilen Gruppen von 50-150         die Altersheime. Von den Senioren entlastet
Stammesmitgliedern. Vor 10‘000, in manchen         reichte nun das Einkommen des Mannes zur
Gegenden Europas erst vor 4‘000 Jahren             Ernährung von Frau und Kindern. Damit wurde
begannen die Menschen sesshaft zu werden,          das Gemeinschaftsmodell Kleinfamilie geboren,
Ackerbau- und Viehzucht zu betreiben. Damit        dass seine Blütezeit erst nach dem 2. Welt-
begann der Mensch die Welt zu besitzen, in         krieg erlebte.
Territorien aufzuteilen und diese zu verteidigen
oder zu vergrössern. Das wirkliche Gefühl von      Die uns so vertraute Familienform ist also blut-
sozialer Nähe und Geborgenheit erweiterte sich     jung und noch nie dagewesen in der Mensch-
aber so nicht auf die Ebene von Königreichen       heitsgeschichte. Und sie ist bereits daran sich
oder Nationalstaaten. Die gefühlte Gemein-         aufzulösen. Der Fernseher hat den Familien-
schaft blieb das Dorf oder das Stadtquartier,      kreis zu einem Halbkreis gemacht, sagte man
also immer noch die vertraute Gruppengrösse        in den 80-er Jahren. Im Multimedia-Zeitalter
der früheren Stammesgruppen. Gleichzeitig          besitzt jedes Familienmitglied mehrere Geräte,
gewann aber mit dem territorialen und materiel-    die die Gemeinschaftszeit reduzieren. Und
len Besitz die Familienzugehörigkeit, die Sippe    wann sind schon mal alle gleichzeitig offline?
an Bedeutung. Man handelte, wirtschaftete und      Gemeinsam gekocht und gegessen wird auch
heiratete zunehmend im eigenen Familienin-         immer weniger, da mittlerweile eben nicht mehr
teresse, so dass die 3 aktuell lebenden Famili-    nur der Mann, sondern zunehmend auch die
engenerationen immer mehr zur existenziellen       Frauen wieder arbeiten. Dies ist ja auch nötig,
Gemeinschaftsgrösse wurden. Dabei blieb es         damit wir auch die Konsumenten bleiben, die es
dann in etwa bis zu Beginn der Industrialisie-     braucht, damit die Wirtschaft im Interesse einer
rung vor 200 Jahren.                               immer kleineren Anzahl Personen stetig wächst.
                                                   So geben auch je länger je mehr Frauen dem
Mit der Zerstückelung der Arbeitsabläufe in        gesellschaftlichen Druck nach, die berufliche
Fabriken wurde auch die Familiengemeinschaft       Laufbahn trotz Mutterschaft nicht zu unterbre-
zerlegt. Das Leben von Frauen, Männern und         chen. Immer mehr Babies werden sehr früh
Kindern bestand plötzlich aus sehr viel Arbeits-   ausserhalb der Familie professionell betreut.
und sehr wenig Freizeit, alte Menschen verloren
an Zugehörigkeit und wurden zunehmend zur          „Was kommt, wenn Familie geht – Erfahrungs-
Last. Die Weltwirtschaft erblühte. Man erkannte,   berichte aus den skandinavischen Ländern“.
dass Fabrikarbeit die Kinder kaputtmachte und      So lautet der Titel einer Tagung des Famili-
dass Kinderbetreuung und Fabrikarbeit zusam-       ennetzwerkes und des Instituts für Bindungs-
men die Frauen überlastete. Für die Kinder         wissenschaften am 25. Mai 2013 an der Goe-

16
HEUTE - eltern

the-Universität Frankfurt. Was bei uns zurzeit    figsten Todesursachen von Jugendlichen in der
geschieht, geschah in Skandinavien vor 25         westlichen Welt. Und auch immer mehr ältere
Jahren und wird immer als vorbildlich zitiert.    Menschen scheiden freiwillig aus dem Leben,
Dabei zeigt sich schon länger, welche gra-        40 % der Selbstmorde in Deutschland werden
vierenden gesellschaftlichen Konsequenzen         von über 60-Jährigen verübt. Zunehmend
sich er ergeben, wenn Kinder so früh und so       scheinen nur noch die fleissig arbeitenden und
um fassend fremdbetreut werden: Die Familie       konsumierenden Menschen wertvoll und
findet nicht mehr statt, nahe Bindungen und       gefragt zu sein.
Beziehungen aufzubauen lernt man gar nie.
Damit sägen wir am Fundament einer gesun-         65 % der Haushalte in Zürich sind Einperso-
den kindlichen Entwicklung. Aus persönlichen      nenhaushalte. Menschen wären aber immer
Begegnungen weiss ich, dass in Finnland           noch dieselben Gemeinschaftswesen wie vor
Familienfeste nicht üblich sind, man lädt auch    wenigen tausend Jahren. Wenn uns die Erst-
die eigenen Eltern nicht zum Hochzeitsfest ein.   bindung zur Mutter, die Geborgenheit in der
Wieso denn auch?                                  Familie und die Zugehörigkeit zum „Stamm“
                                                  verloren gehen, verlieren wir nicht nur Lebens-
Ganz zu Beginn des Lebens müssen wir erfah-       freude und -Sinn. Es geht auch die gegensei-
ren, dass wir geliebt, sicher aufgehoben und      tige Unterstützung, das Ziel des gemeinsamen
willkommen sind auf dieser Welt. Im Schutz der    Überlebens und der respektvolle Umgang mit
sicheren Bindung in den ersten 3 Lebensjahren     der gesamten Schöpfung verloren. Ganz zu
bauen wir die Selbstsicherheit und Entdec-        schweigen von allem andern, was Kindern in
kungsfreude auf, mit der wir dann auf unseren     unserer künstlichen Lebenswelt zu einer gesun-
Lebensweg gehen und die Welt erobern. Wer         den Entwicklung fehlt, in der sie die reale Welt
die Wiege der kleinen Gemeinschaft nicht          und den eigenen Platz darin entdecken sollten.
hatte, wird in der grösseren Gemeinschaft
Mühe haben, da er/sie da immer wieder das         Deshalb ist es nicht einfach eine schöne
unerfüllte frühe Bindungsbedürfnis zu stillen     Zugabe, dass unsere Schule nicht nur Wissen
versucht. Wer den zwischenmenschlichen            vermittelt, sondern eine lebendige Gemein-
Austausch schon als Kind online erlernt, wird     schaft ist, in der jeder einzeln wahrgenommen
später kein tragendes Beziehungsnetz in der       wird und seinen Platz hat. Feste, Projekte,
wirklichen Welt haben. Der schwedische Psy-       Klassenlager, handwerkliche und künstlerische
chologenverband forderte 2011 die Regierung       Erfahrungen sind weit mehr als besonders freu-
auf die „Anstiftung zu Selbstmord zu verbie-      dige Spezialprogramme zur Auflockerung des
ten“, weil sich Jugendliche in Internetforen      Schulalltags. Je länger je mehr sollten sie zum
zunehmend dazu anstiften sich das Leben zu        wichtigsten Hauptfach werden in der Schule
nehmen. Suizid gehört mittlerweile zu den häu-    und können gar nicht zu viel Raum einnehmen.

                                                                                                17
HEute - eltern

Aber auch ganz alltägliche Dinge können            Übrigens: Naturvölker verwenden im Durch-
zunehmend nur noch in der Schule gelernt wer-      schnitt 3 Stunden pro Person und Tag zur Nah-
den: Mit einer Pfanne oder einem Besen umzu-       rungsbeschaffung und Existenzsicherung. Die
gehen, einen Stuhl zu flicken, ein Fenster zu      restliche Zeit dient der Pflege der Gemein-
putzen, eine Wand selber streichen dürfen.         schaft, Kultur und Religion, also den Dingen,
Statt dass wir Erwachsene dies alles tun, sollte   die den Menschen eigentlich ausmachen.
dies alles als lebenswichtige Lerngelegenhei-      Wenn wir eine Zukunft haben wollen, kommen
ten verstanden und genutzt werden. Die Schule      wir nicht darum herum, zur Besinnung zu kom-
ist der letzte Ort, wo altersgemischte und sogar   men und im Leben den Dingen wieder mehr
generationenübergreifende Gemeinschaft noch        Platz einzuräumen, die wirklich wichtig sind.
in grösserem Ausmass lebt. Sie muss sich als
zu erhaltendes Reservat dafür verstehen, als       Christian Wirz
letzte Insel auf der man den kommenden Gene-
rationen noch Gemeinschafts- und Zugehörig-
keitsgefühl vermitteln kann.

„Lebensschule“ nennt die 1./2. Klasse die
Unterrichtszeit, in der sie im Moment das sozi-
ale Miteinander pflegen. Die Schule muss sich
immer mehr als Lebensschule für alle Lebens-
bereiche verstehen, wo gelernt und geübt wird
was das Zusammenleben im Alltag fordert und
ermöglicht. Ich bin sehr dankbar, dass unsere
Schule diesbezüglich viel bietet und ich freue
mich, wenn es noch mehr wird. Alle die sich
Sorgen machen, dass ihre Kinder vielleicht auf
diese Weise zu wenig lernen, kann ich beruhi-
gen: Alle guten Schulen, die vermehrt Zeit in
solche Aktivitäten investieren, haben längst
begriffen, dass Kinder bei kreativen gemeinsa-
men Aktivitäten viel mehr lernen als im eindi-
mensionalen Frontalunterricht. Wenn Kinder
statt Fächer unterrichtet werden, wirkt sich das
auch auf die gefragten, traditionellen „schuli-
schen Leistungen“ positiv aus.

18
heute - Eltern

Das Haus des Widders - „Ich bin, ich will“
Das Haus des Widders umfasst einen streifen-         Mal im Juli 2013). Mira kann dann für einige
förmigen Ausschnitt am Himmelsgewölbe, der           Wochen gleich hell sein, wie Menkar, die „Nase“
vom Himmelsnordpol (Polarstern) bis zum Him-         des Walfisches.
melssüdpol (im Oktant) reicht und im Bereich
der scheinbaren Sonnenbahn, auch Ekliptik            Der Widder selbst besteht aus vier helleren
oder Tierkreis genannt, das Tierkreissternbild       Sternen und kulminiert hoch über dem Süd-
des Widders enthält. Die Sterne in diesem            horizont (rund 60° Grad hoch; siehe Bild).
Streifen stehen 2 bis 4 Stunden nach dem             Der Widder stellt den Beginn des Tierkreises
Frühlingspunkt des Tierkreises am höchsten           dar und vermittelt eine Aufbruchstimmung und
über dem Horizont. Somit sind der Widder und         Zukunftsorientiertheit, die auch sehr gut zur
dessen Nachbarsternbilder um Martini mitten          immer milder werdenden Jahreszeit passt.
in der Nacht (nach 24 h) am besten zu beob-
achten. Das Sternbild des Widders selbst ist         Über dem Widder liegt das markante Stern-
von September (Osten) bis März (Westen) am           bild des Perseus, der das Haupt der Medusa
Abendhimmel zu sehen.                                mit dem Schlangenhaar in der Hand hält, das
                                                     Schwert noch hoch erhoben. Auch diese Tat
Bei uns gelangen die südlichsten Sternbil-           des Sonnenhelden Perseus ist zukunftsweisend
der des Widder-Hauses, die kleine Wasser-            und soll den Menschen vom magisch-mythi-
schlange mit der kleinen Magellanwolke, eigent-      schen Bewusstsein wegführen zum mental-
lich eine kleine Milchstrasse (Galaxie), der helle   philosophischen des Griechentums. Das Auge
Stern Achernar am Ende des Himmelsflusses            der Medusa wird markiert vom Stern „Algol“
(Eridanus) und der Schwertfisch nie über den         (Dämonenstern), der ebenfalls veränderlich ist
Südhorizont. Um diese Sterne alle zu sehen           und etwa alle 3 Tage für einige Stunden deutlich
müsste man in die Äquatorregion reisen.              lichtschwächer wird.
Über unserem Südhorizont finden sich die nörd-
licheren Teile des ausgedehnten Himmelsflus-         Mit dem Eintritt in das Sternzeichen des Wid-
ses sowie der chemische Ofen, der für Feu-           ders am 20. März 2013 erreicht die Sonne den
erprozesse und alchimistische Umwandlungen           Himmelsäquator. Zugleich ist dieses Datum
steht. Noch höher oben steht der Kopf des            der Zeitpunkt des astronomischen Frühlingsbe-
Ungeheuers Walfisch mit dem recht hellen             ginns und der Tag- und Nachtgleiche (rund 12
Stern Menkar („Nase des Walfisches“). Im Wal-        Stunden Tag und 12 Stunden Nacht). Um den
fisch findet sich auch der „Wunderstern Mira“,       Frühlingsbeginn ändert sich die Tageslänge
ein veränderlicher Stern, der schon 1596 von         in der ersten Jahreshälfte am schnellsten und
Fabricius entdeckt wurde. Der Wunderstern ist        von Woche zu Woche ist die Zunahme der
meist von blossem Auge unsichtbar, erreicht          Tageslänge bemerkbar, d.h. die Tageslänge
aber alle 11 Monate ein Helligkeitsmaximum,          wächst jetzt ca. 25 min pro Woche. Der Eintritt
das mehrere Wochen andauert (das nächste             der Sonne in das Sternzeichen des Widders ist
                                                                                                   19
heute - Eltern

auch wichtig für die Bestimmung des Osterda-
tums, weil der Sonntag nach dem nächstfol-
genden Vollmond der Ostersonntag ist (2013
tritt der Ostervollmond am 27. März ein, das
Osterdatum ist der 31. März 2013).

Im Sternzeichen des Widders Geborene sind
oft zukunftsorientierte Vorkämpfer. Selbstlos,
leidenschaftlich und mutig stellen sie sich den
Gefahren des Unbekannten. Sie lieben Heraus-
forderungen und wirken mit ihren Ideen und
der Kreativität oft bahnbrechend. Menschen
mit starken Widder-Qualitäten erforschten und     Bild: Das Sternbild des Widders. Am deutlich-
erforschen nicht nur Wüsten und Polarland-        sten sichtbar sind die drei helleren Sterne,
schaften, sondern versuchen die Grenzen           welche die Hörner des Widders markieren. Oft
sportlicher Höchstleistungen zu durchbrechen,     wird die Figur des Widders als rückwärtsschau-
testen neue Heilmethoden oder stossen in          end dargestellt, was die unbändige Widder-
Technik, Medizin oder in einem anderen Bereich    Kraft etwas ausbalanciert.
in noch unbekannte Gefilde vor. Wird aber das
„ich will“ zu stark, kann die Balance zwischen
Individuum und Gemeinschaft gestört werden:
Widder-Menschen erscheinen dann andern
Menschen als ungeduldig, egoistisch, aufbrau-
send, ja sogar als rücksichtslos.

Weiterführende Literatur: Ueli Seiler-Hugova;
Sternenkunde integral, AT Verlag

Matthias Giger

20
Heute - Eltern

Filzhutprojekt - eine induidviduelle
Gemeinschaftserfahrung
Im Herbst letzten Jahres hatte Nicole Perren,       - Spritzfläschchen (wurde früher zum Wäsche
die eine Ausbildung als Filzerin in Ballenberg        befeuchten benutzt, nicht mehr erhältlich)
macht und gerade mit einer Kollektion Hüte          - Mittagessen zum Teilen
beschäftigt war, die Idee in den Raum gewor-
fen auf dem nächsten Basar 2013 einhundert          An einem Samstagmorgen um 8 Uhr ging es
selbstgemachte Hüte zu verkaufen! Vorausge-         los. Wir, 8 Mütter unserer Schule, trafen uns
gangen war die Anregung ihrer Kursleiterin, die     in der Holzwerkstatt. Glücklicherweise gab es
für den Basar der Steinerschule in Wetzikon         erst einmal eine Besprechung mit Kaffee und
die Idee entwickelte. Dort hatte der Verkauf der    Gipfeli, denn 8 Uhr morgens für einen Samstag
einhundert Hüte zu einem deutlich erhöhten          ist hart.
Basarertrag verholfen, so dass Nicole sofort        Nicole, unsere Kursleiterin, versicherte uns erst
Feuer fing und fragte, ob wir die Idee grundsätz-   einmal, dass wir tatsächlich am Ende des
lich übernehmen dürften. Daraufhin machte sie       Tages (gedacht war 16 Uhr) mit einem Hut nach
einen Aufruf an alle Eltern unserer Schule, ob      Haus gehen können. Das gab uns den nötigen
sie dieses Projekt tatkräftig unterstützen würden   Schwung sofort anzufangen. Wir durften zuerst
und bot an, ihre Handwerkskunst denjenigen          einmal die Hutformen ansehen, ausprobieren
weiterzugeben, die an diesem Projekt teilneh-       und auswählen. Das war schneller gemacht als
men wollten: Am ersten Kurstag würden wir das       gedacht, jede Teilnehmerin fand intuitiv sofort
Filzen erlernen und einen Hut für uns selbst        etwas Passendes und wir richteten unsere
herstellen, bei den weiteren Kurstagen stellen      Arbeitsplätze ein.
wir Hüte für den Basar her, Ziel: 100 Hüte.
                                                    Nachdem die Vorlage ausgeschnitten war, ging
Ich habe mich mit 7 anderen Interessierten          es darum die Wolle möglichst fein herauszuzup-
gemeldet, - wir machen an einem Tag einen           fen und die Vorlage damit zu belegen. Das war
Hut-, so zumindest steht es auf dem Programm.       eine fast meditative Arbeit, die trotz 8 Personen
Als ich die Liste der mitzubringenden Dinge         mit leichtem Gespräch untereinander sehr half
durchlese, weiss ich nicht recht, ob ich mich da    sich mit seiner Arbeit zu verbinden.
nicht im Übereifer angemeldet habe, denn wir
sollen folgendes mitbringen:

- Automatte, es muss keine neue sein,
- Bambusrollo, (selbst bei Ikea nicht mehr
  erhältlich)
- 2 Frottierhandtücher,
- rückfettende Seife
- Stecknadeln
- Messband
                                                                                                   21
heute - eltern

Dem anschliessenden Wenden des Stücks mit        Werkstück bei manchen, die die Berretform
einem Trick folgte das erneute Belegen der       gewählt hatten, wie eine Langspielplatte aus
Rückseite, vorausgesetzt man hatte sich über-    (wer kennt sie noch die Lp’s?), nicht aber wie
legt wie die Innen- und Aussenseite aussehen     ein Hut. Wie kriegt man da die 3-Dimensio-
soll.                                            nalität hin, fragte ich mich und die anderen
                                                 immer wieder. Aber, - wir hatten Vertrauen.
                                                 Und tatsächlich, nach weiterem Walken wurde
                                                 das Stück immer kleiner und die Vorlage im
                                                 Inneren passte plötzlich nicht mehr, so dass wir
                                                 sie entfernen durften. Spätestens dann war mir
                                                 klar, es wird doch ein Hut, wenn auch (noch)
                                                 viel zu gross...

Ich hatte natürlich im Farbrausch gleich 3
Farben ausgewählt und musste mich entschei-
den, ob ich nun die farbigere Version innen
oder aussen haben wollte. Nach 8 Lagen und
4- maligem Wenden ging es ans eigentliche
Filzen; erst ganz sanft, dann bis hin zum
Walken. Letzteres erforderte richtig Kraft und
Ausdauer, gut war für eine kleine Pause die
Kaffeemaschine da.

                        Allerdings war immer
                        noch fraglich, wie aus
                        einer Scheibe ein
                        Hut entstehen sollte,
                        zumal Nicole uns
                        erklärte, wie man ein
                        14 cm kreisrundes
                        Loch in die Scheibe
                        schneiden sollte. Spä-
                        testens jetzt sah das
22
Heute - eltern

Zum Glück konnten wir uns mittags an einem         Dann war der Moment gekommen, dass wir
reich gedeckten Tisch stärken… Jede Teilneh-       den Hut endgültig auf den Styroporkopf ziehen
merin brachte etwas mit, so dass wir eine riesen   konnten und nach Herzenslust, Nicole konnte
Auswahl hatten, - und es blieb etwas Zeit zum      das, weil Profi, eindeutig besser, in Form ziehen,
Pläne schmieden, neue Termine vereinbaren          rücken, stecken... nach Lust und Laune.
und vorwärtsschauen…

Das anschliessende Walken hatte fast kein
Ende, jedoch nach einigen Durchgängen war
plötzlich wie durch ein Wunder die richtige Kon-
sistenz und Grösse da. Der spannende Moment,
den Hut auf den Styroporkopf zu ziehen, war
gekommen. Das sah schon ganz nach Hut aus,
Nicole zupfte mit ihre Fingern gekonnt an den
Hüten herum, mittlerweile waren fast alle auf
dem gleichen Stand, und wir bekamen richtig
Freude an den Hüten.

Leider war aber die Arbeit noch nicht zu Ende:
Obwohl schon längst 16 Uhr überschritten,          Somit sind wir tatsächlich mächtig stolz und
mussten wir den Hut waschen, anschliessend         ziemlich kaputt gegen 19 Uhr mit einem „behü-
in Essig legen und wer wollte, 10 Minuten in       teten“ Styroporkopf nach Hause gefahren.
Lavendel baden.
                                                   Gabriele Ortner

                                                                                                   23
heute - eltern

Filzhüte am Basar 2013
Der nächste Basar kommt bestimmt!

Wir, 10 Hutfilzfrauen, freuen uns jetzt        Vielen Dank für die lobenden Worte, die
schon darauf, euch unsere vielen, ver-         wir bereits jetzt für unsere ausgestellten
schiedenen, kreativen Filzhüte am Basar        Hüte erhalten. Das wirkt sehr motivierend
2013 präsentieren zu können.                   auf uns!

Die Hüte werden derzeit im Kreativraum         Es macht uns Spass für euch, für die
– auch Werkstatt genannt – gemacht, wo         Schule, für unsere Kinder kreativ zu sein.
sonst Wunderbares durch Kinderhände
aus Ton und Holz entsteht. In diesem ge-       Die Filzhutgruppe der Rudolf Steiner
nialen Raum fliessen uns die Ideen nur so      Schule Berner Oberland.
durch unsere Hände und es entstehen Filz-
unikate für den Kopf!                          Nicole Perren - Bruhin

Im Moment kann man die jeweils frischen
Kreationen in der Vitrine im Foyer der
Schule bewundern.

Unser Ziel ist es am Basar 2013 ein rie-
siges Angebot von modischen, farbigen,
schicken und tragbaren Hüten anzubieten,
zu einem Preis pro Stück von 100 Fran-
ken.

Wer bereits jetzt eine bestimmte Farbe in
der Vitrine gesehen hat, aber vielleicht ein
anderes Modell haben möchte, kann uns
seinen Kopfumfang mit Farb- und Modell-
wunsch mitteilen.

Bitte Bestellung mit Namen versehen im
Sekretariat abgeben. Wir setzen uns dann
mit euch in Verbindung.

24
ein montag im leben von...

Ein Montag im Leben von Magdalena
Reinhard

                                                  25
ein montag im leben von...

An allen Arbeitstagen stehe ich um 5.30 Uhr auf,    Am Montag sind sie sehr schwatzhaft und haben
frühstücke aufgekochte Flocken mit frischen         sich viel zu erzählen. Urban Schnidrig kommt
Früchten, dazu einen guten Bohnenkaffe und          vor dem Unterricht vorbei und begrüsst uns alle.
geniesse die Stille des frühen Morgens (im          Es ist mir wichtig, vielleicht am Montag am wich-
Moment noch ohne Vogelgesang). Am Montag            tigsten, dass wir pünktlich mit dem Unterricht
habe ich zwei Religionsstunden, daher lese ich      beginnen, und deshalb schliesse ich bereits
nach dem Frühstück den Text ein drittes Mal         während des Läutens die Türe. Wir beginnen
durch.                                              mit dem Unterricht. Nach einem Überblick über
                                                    den Tag, wie auch über die kommende Woche
Um 6.30 Uhr mache ich mich zu Fuss auf den          sprechen wir stehend den Morgenspruch. Oft
Weg zum Bahnhof. Dafür brauche ich, wenn            singen wir ein Lied oder sprechen einen Text,
ich zügig gehe 12 bis 15 Minuten. Auf diesem        der zur Epoche passt,- im Moment ist es „ Der
Marsch habe ich die Gelegenheit die Feinheiten      Zauberlehrling“ von Goethe.
der Unterrichtsvorbereitung festzulegen. Das        Danach dürfen sich alle setzen, - eine neue
ist vor allem ganz aktuell, wenn eine neue          Epoche beginnt oder es findet der Rückblick
Epoche anfängt. Ich fahre mit dem Lötsch-           vom Freitag statt. Daraus ergibt sich ein mehr
bergzug um 6.50 Uhr. Ich besteige einen von         oder weniger lebendiges Unterrichtsgespräch.
drei Waggons und treffe immer dieselben Men-        Im Zusammenhang mit der Chemie gibt es
schen, mit denen ich hie und da ins Gespräch        eine Weiterführung und Versuche. Die Schüle-
komme. Sonst lese ich im Zug oder stricke. In       rinnen und Schüler schreiben eine individuelle
Thun wechsle ich auf den Bus nach Steffisburg       Versuchsbeschreibung ins Notizheft, das dann
und komme etwa um Viertel nach Sieben im            später korrigiert ins Epochenheft übertragen
Schulhaus an. Mein erster Gang führt mich ins       wird.
Lehrerzimmer, wo ich Mantel und Hut aufhänge.
Da treffe ich auch schon die ersten Kollegen, mit   Am Montag sind die Schüler dankbar, wenn der
denen ich mich kurz austausche. Mit Pascaline       mündliche Unterricht nicht zu lange dauert und
Rubin bespreche ich oft Administratives des         sie Heftarbeit machen können. Nach dem Epo-
Tages, manchmal gibt es etwas zu kopieren für       chenunterricht kommt die Pause, und da habe
die Schüler und den Unterricht. Um 7.25 Uhr         ich am Montag Pausenaufsicht, in der Schnee-
treffen sich einige Kollegen im Lehrerzimmer        ballzeit ein nicht allzu leichtes Unterfangen.
zum Lesen des Wochenspruchs, dann kehre             Nach der Pause folgt eine Übstunde Mathe-
ich zurück ins Klassenzimmer. Einzelne Schüler      matik oder Deutsch. Nach dieser Übstunde
sind dann schon da. Im Zusammenhang mit             übergebe ich die Klasse an Fachlehrkräfte,
der Chemieepoche bin froh, wenn sie mir beim        erst Französisch und dann Religion. Ich selber
Aufbau der Chemieversuche helfen. Nach und          begebe mich zu den 5. Klässlern und danach zu
nach kommen die Schülerinnen und Schüler an.        den 1. und 2. Klässlern zum Religionsunterricht.

26
ein montag im leben von...

Am Mittag esse ich mit meiner Klasse im Saal
und unterstütze dabei den Essensleiter Arno
Reichert. Nach dem Essen bleibt eine Viertel-
stunde, um sich einen Kaffee zu genehmigen.
Dann hat die 7. Klasse Zeichnen. Sie sind
aufgeteilt, eine Gruppe wird von Jürg Voellmy
und die andere Hälfte von mir zum Zeichnen
angeleitet.

Um 14.45 Uhr können die Schüler nach Hause
gehen, es kommt aber hie und da vor, dass ich
einzelne Vergessenes nachholen lasse. Mir
bleibt die Aufgabe, das Klassenzimmer aufzu-
räumen, Korrekturarbeiten und Vorbereitungen
vorzunehmen. Zwischen 17-18 Uhr trifft sich
der Religionslehrer-Kreis zu einer Vertiefungs-
arbeit. Nach dieser Stunde kann ich häufig zu
einer Gesangskollegin zum Nachtessen gehen,
andernfalls kaufe ich mir ein Picknick. Um 19.15
Uhr fahre ich mit dem Bus nach Thun und gehe
zu Fuss in das Länggassschulhaus zum Cäci-
lienchor. Im Moment üben wir eine Lisztmesse
und ein Te Deum von Kodaly. Dieses Singen
erfrischt mich jedesmal, auch wenn ich sehr
müde bin. Meistens kann ich mit einem Mitsän-
ger bis Spiez nach Hause fahren, so dass ich
um ca 22 Uhr zu Hause bin.
Zu Hause werde ich von meinem Mann Martin
empfangen, der immer noch zu einem kleinen
Schwatz zu dieser Nachstunde bereit ist.
Danach gehe ich schleunigst zu Bett, weil ich
merke, dass ich nicht mehr 20 bin und durch-
wachte Nächte mir nicht mehr gut bekommen.

Aufgezeichnet von Gabi Ortner

                                                                           27
Verabschiedung

Jürg Voellmy - ein Bogen rundet sich
Jürg Voellmy wird im Sommer das Pensionsal-         Ich habe diese zwei Szenen gewählt, weil darin
ter erreichen.                                      viele Fähigkeiten und zugleich Herzensanliegen
                                                    von Jürg zu finden sind.
Hier folgen ein paar Szenen und Skizzen aus
seinem Wirken an unserer Schule:                    In Stichworten:

Erste Szene:                                        •   Unterwegssein
Im Zug von Thun nach Florenz sitzend konnte         •   Für Schüler da sein.
man in den letzten 23 Jahren anfangs Februar        •   Freude an der Pädagogik
ZehntklässlerInnen begegnen, die zusammen           •   Fremdsprachen – Kommunikation mit
mit ihren Lehrern unterwegs waren.                      Menschen aus der ganzen Welt
                                                    •   Kunst
Der „Capo del Gruppo “ war ein gut gekleideter,     •   Philosophie – Religion.
höflicher Herr mit Brille. Nachdem er allen Schü-
lerInnen den richtigen Sitzplatz zugewiesen         Seine Liebe zur Sache, die pädagogische Arbeit
hatte, hörte man ihn mit anderen Fahrgästen         mit den Kindern und den Jugendlichen - seine
mal portugiesisch, mal spanisch, italienisch,       Verantwortung gegenüber dem anthroposophi-
dann englisch oder auch französisch sprechen.       schen Hintergrund bildeten das Fundament
                                                    seines Wirkens.
Szenenwechsel:
Jürg Voellmy steht vor dem Bild „La Trinità “ in    Wer mit ihm Kunstgeschichte, Kunstbetrach-
der Kirche Santa Maria Novella in Florenz und       tung, Malen oder Zeichnen erleben durfte,
weißt die Schüler/innen an, das Fresko genau        spürte seine große Fachkompetenz und Freude
zu betrachten und zu beschreiben. Nachdem           an dieser Materie.
alle sich in das Bild vertieft haben, spricht er
über den Hintergrund dieses Bildes:                 Viele Schüler/innen hatten und haben ihn
„Trinität bedeutet Dreieinigkeit: Vater Sohn und    gerne. Von einer ehemaligen Schülerin hörte
Heiliger Geist – oder auch                          ich kürzlich: „Herr Voellmy war für mich ein ganz
Glaube, Liebe, Hoffnung – Vergangenheit,            wesentlicher Lehrer. Ich habe nicht nur sehr viel
Gegenwart, Zukunft“.                                von ihm gelernt, sondern ich hatte immer das
Erst wenn ich an meine Vergangenheit glaube,        Gefühl, dass er mein Wesen sehr gut erfasst
werde ich liebefähig und wenn ich Liebe in          hatte. Er gab mir Sicherheit und er glaubte an
der Gegenwart übe, entsteht Hoffnung für die        mich als Mensch und an meine Fähigkeiten.“
Zukunft.“

28
Verabschiedung

Jürg Voellmy war in allen Bereichen der Selbst-     Im Namen der Schulgemeinschaft von Kolle-
verwaltung der Schule, im Kollegium und Ver-        gium und Vorstand danken wir ihm sehr herzlich
einsvorstand engagiert tätig.                       für sein treues und engagiertes Wirken an unse-
                                                    rer Schule und wünschen ihm für seinen näch-
Über 20 Jahre vertrat er unsere Schule in der       sten Lebensabschnitt alles erdenklich Gute!
Arbeitsgemeinschaft der Rudolf Steiner Schu-
len in der Schweiz.

Der Freie Christliche Religionsunterricht, wie
ihn Rudolf Steiner inauguriert hatte, war und
ist ihm ein Herzensanliegen. Er ist nicht nur ein
engagierter Religionslehrer sondern darüber
hinaus war er für die schweizerische Religions-
lehrerbewegung ein Verantwortungsträger und
zentrale Figur.

Obwohl Jürg Voellmy im Sommer pensioniert
wird, hat er uns angeboten noch ein paar Gast-
Kunstepochen in der Oberstufe zu geben.

In diesem Sinne werden wir Jürg Voellmy hin
und wieder an der Schule begegnen!

                                                    Für das Kollegium und den Vorstand

                                                    Donath Aebi

                                                                                                 29
verabschiedung

Magdalena Jaun-Sedlmeier
Im August 2008 ist Magdalena Jaun-Sedlmeier
als Klassenlehrerin in unsere Schule einge-
treten. Sie führte zum Schuljahresbeginn die
erste und zweite Klasse als Doppelklasse.
Durch die Aufnahme weiterer Schüler konnten
die Klassen alsbald getrennt geführt werden.
Die heutige sechste Klasse wurde von ihr mit
grosser Sorgfalt und künstlerischem Spürsinn
nach oben geführt. Als sichtbares Zeichen ihrer
pädagogischen Tätigkeit steht heute im Kinder-
garten Rosenhof ein schönes Spielhäuschen.
Es ist das Produkt der Hausbauepoche in der
dritten Klasse.
In den Selbstverwaltungsaufgaben übernahm
sie die Aufgabe des Verbindungsglieds zwi-
schen der Redaktion und dem Kollegium. Durch
ihr fundiertes Urteil hat sie zum Gelingen vieler
Schulmitteilungen beigetragen.
Im Kollegenkreis leitete sie auch über Jahre
hinweg die Unterstufenkonferenz. In diesem
Schuljahr hat sie abermals eine Doppelklasse
übernommen. Dass diese Aufgabe besonders
anspruchsvoll ist, wissen wir alle und manche
Kollegen würden sich so etwas auch überhaupt
nicht zutrauen.
Nun hat sie die Aufgabe der Klassenführung
dem Kollegium zurückgegeben und im Januar
auf 30. April gekündigt. Kollegen wie auch
Eltern haben darauf mit Betroffenheit reagiert.
Wir danken Magdalena Jaun-Sedlmeier für die
Jahre ihrer engagierten Arbeit und wünschen
ihr, dass sie bald wieder erfüllt von ihrer pädago-
gischen Aufgabe vor einer Schulklasse steht.

Rudolf Ortner

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