Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
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Impressum Herausgeber: Stadt Erlangen, Bürgermeister- und Presseamt Büro für Chancengleichheit und Vielfalt, Koordinationsstelle Integration in Zusammenarbeit mit „Demokratie leben!“ Rathausplatz 1, 91052 Erlangen Telefon: 09131/86-2375 Fax: 09131/86-1991 Web: www.erlangen.de E-Mail: integration@stadt.erlangen.de Redaktion: Silvia Klein, Till Fichtner, Nora Hahn-Hobeck, Astghik Mantashyan Fotos: Astghik Mantashyan Satz und Layout: Vanessa Drummer, eGovernment-Center Druck: 100 Stück, Hausdruckerei Erlangen, Juni 2018
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Inhalt Vorwort4 Einladung5 Ablaufplan Integrationskonferenz 2018 6 Einleitende Präsentation 7 Demokratie und Menschenfreiheit statt Populismus und Ausgrenzung 14 Menschenwürde ist unantastbar 18 Demokratie braucht Menschenrechte 21 Ergebnisse der Gruppenarbeit 22 Impressionen31 Handlungsempfehlungen32 Thema der Integrationskonferenz 2019 – Abstimmungsergebnis 33 Presseberichte34 Teilnehmer*innen der Integrationskonferenz 36 3
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Vorwort Mit der Wahl des Themas „In Zeiten von Populismus folgenden fünf Workshops weiter reflektiert und in und Ausgrenzung – wie können wir demokratische kleineren Gruppen diskutiert werden. So gab es die Strukturen stärken?“ wurde auf der letztjährigen In- Möglichkeit, sich mit den eigenen „Vorurteilen“ mit tegrationskonferenz von den Teilnehmer*innen ein Julia Oschmann von der Abteilung Pädagogik des Thema ausgewählt, das auf großes Interesse bei der Dokumentationszentrum Nürnberg auseinander- kommunalen Bevölkerung gestoßen ist, so dass vie- zusetzen oder ein „Argumentationstraining gegen le Besucher*innen der Einladung zur 10. Konferenz Stammtischparolen“ unter der Leitung von Cons- im Januar 2018 ins Rathaus gefolgt sind. Organisiert tanze Borckmann von der mobilen Beratung gegen wurde die Konferenz in Kooperation mit der „Partner- Rechtsextremismus in Bayern zu besuchen. Eben- schaft für Demokratie!“ in Erlangen, die seit Mai 2017 falls konnten die Besucherinnen und Besucher et- im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie le- was über den „sensiblen Umgang mit Sprache“ von ben!“ des Bundesfamilienministeriums gefördert wird Ella Schindler von den „Neuen deutschen Medienma- und die Entwicklung und Umsetzung von Strategien chern“ erfahren oder Aspekte aus dem Vortrag von zur Förderung von Demokratie und Vielfalt vor Ort un- Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt in dem Workshop „Krise terstützt. So war die 10. Integrationskonferenz gleich- des Vertrauens in die Politik?“ kontrovers diskutie- zeitig auch die 1. Demokratiekonferenz in Erlangen. ren. Darüber hinaus wurde ein geführter Besuch der Im Vorfeld zur Konferenz konnte ab dem 8. bis zum Dummel-Ausstellung mit den Ausstellungsmache- 26. Januar 2018 die Ausstellung „Oh, eine Dummel! rinnen Stefanie Fritzsche und Julia Vieth, zuständig Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit in für Öffentlichkeit & Projekte der CD-Kaserne gGmbH Karikatur und Satire“ der CD Kaserne aus Celle im angeboten. Erarbeitete Ideen und Ergebnisse der Rathausfoyer besucht werden, auf die durch ein Workshops finden Sie in dieser Dokumentation. „Groundposter“ am Erlanger Bahnhof aufmerksam Die Integrations- beziehungsweise Demokratiekon- gemacht wurde. Für Erlanger Schulklassen wurden ferenz diente somit zum einen der Reflexion eige- Führungen angeboten, in denen sich vertieft mit ein- ner Einstellungen, Sichtweisen und Handlungen als zelnen Karikaturen beziehungsweise ausgewählten auch dem Austausch über aktuelle politische Ent- Themen der Ausstellung anhand pädagogischen wicklungen. Es wäre wünschenswert, wenn durch Materials auseinandergesetzt werden konnte. Insge- die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen samt nahmen 15 Schulklassen das Führungsange- Standpunkten auch für ein größeres Verständnis ge- bot wahr und besuchten die Ausstellung. genüber verschiedenen Sichtweisen und Meinungen Zu Beginn der Konferenz wurden die Teilnehmerin- anderer beigetragen werden kann. Und außerdem nen und Teilnehmer, nach der Eröffnung und Begrü- die Notwendigkeit des Engagements erkannt wird, ßung von Oberbürgermeister Dr. Florian Janik, durch mit der sich jede/r Einzelne für demokratische Werte zwei facettenreiche und informative Vorträge der einsetzen sollte und diese im alltäglichen Miteinan- Bürgermeisterin Dr. Elisabeth Preuß zu dem Thema der bestmöglich zu vermitteln. „Menschenwürde ist unantastbar“ und Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt zu „Demokratie braucht Menschen- Nora Hahn-Hobeck rechte“ zur aktiven Auseinandersetzung der eigenen Koordinierungs- und Fachstelle „Demokratie leben!“ Sicht- und Handlungsweisen angeregt. Erste Impulse aus den Vorträgen und der sich daran Silvia Klein anschließenden Diskussion konnten in den danach Koordinationsstelle Integration 4
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Einladung Sehr geehrte Damen und Herren, zur Demokratie- und Integrationskonferenz der Stadt Erlangen am Freitag, den 26. Januar 2018, 12:30 bis 18 Uhr, Rathaus, Foyer und Ratssaal, 1. OG laden wir Sie herzlich ein. Das Thema der Demokratie- und In- tegrationskonferenz lautet „In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken?“. Dieser Schwerpunkt wurde – wie es bereits gute Tradition ist – auf der letzten Wir würden uns freuen, wenn Sie uns bei diesem Integrationskonferenz im Januar 2017 ausgewählt. wichtigen Thema durch Ihre aktive Mitarbeit unter- stützen würden und bitten Sie, sich bis 19. Januar Seit langem ist die Stadt Erlangen in diesem Themen- 2018 per Email unter integration@stadt.erlangen.de bereich engagiert und bezieht auch Stellung, wie in anzumelden. den vergangenen Jahren mit dem Kampagnenmotto „Menschenwürde = unantastbar“. Dennoch haben Sie haben eine Behinderung und brauchen daher nicht zuletzt die Wahlergebnisse 2017 gezeigt, dass besondere Unterstützung, einen Gebärdensprach- die bundespolitischen Entwicklungen in Sachen dolmetscher, eine Induktionsanlage oder Ähnliches? Populismus auch vor Erlangen nicht haltmachen. Kein Problem. Melden Sie sich so bald wie möglich bei uns, gerne auch telefonisch unter 09131/86-1325. Wir kümmern uns darum, dass Sie ohne Schwierig- keiten an unserer Veranstaltung teilnehmen können. Frohe Festtage und ein gutes neues Jahr wünschen Ihnen Dr. Florian Janik Auch aus diesem Grund hat sich die Stadt Erlangen Oberbürgermeister entschlossen, seit Mai 2017 am Bundesprogramm „Demokratie leben!“, dem zentralen Baustein der Dr. Elisabeth Preuß Bundesregierung zur Extremismusprävention und Bürgermeisterin Demokratieförderung, teilzunehmen. Da im Rahmen dieses Programms eine Demokratiekonferenz vorge- sehen ist, haben wir die beiden Konferenzen zusam- mengelegt, so dass die 10. Integrationskonferenz die- ses Mal zugleich auch die Demokratiekonferenz ist. 5
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Ablaufplan der Integrationskonferenz 2018 12:30 bis 13:30 Uhr, Foyer des 1. OG Get-together, Graffitis und Imbiss 13:30 bis 15:00 Uhr, Ratssaal Moderation: Silvia Klein • Eröffnung und Begrüßung durch Oberbürgermeister Dr. Florian Janik • Vortrag Bürgermeisterin Dr. Elisabeth Preuß: „Menschenwürde ist unantastbar“ • Vortrag Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt, Lehrstuhl für Menschenrechte an der FAU Erlangen-Nürnberg: „Demokratie braucht Menschenrechte“ • Fragen und Diskussion 15:00 bis 15:20 Uhr, Kaffeepause 15:30 bis 17:00 Uhr, Workshops • Argumentationstraining gegen Stammtischparolen mit Constanze Borckmann von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern | Raum: 11. OG – 1101 • Workshop zum Thema Vorurteile mit Julia Oschmann von der Abteilung Pädagogik rund um das Dokumentationszentrum Nürnberg | Raum: 14. OG – Konferenzraum • Sensibler Umgang mit Sprache mit Ella Schindler von den Neuen deutschen Medienmachern | Raum: 8. OG – 820 • „Krise des Vertrauens in die Politik?“ mit Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt vom Lehrstuhl für Menschenrechte an der FAU Erlangen | Raum: 1. OG – kleiner Sitzungssaal • „Oh, eine Dummel“ – geführter Ausstellungsbesuch mit Stefanie Fritzsche, Ausstellungsmacherin, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit & Projekte, CD-Kaserne gGmbH Celle | Treffpunkt: Ausstellung im EG – Foyer 17:15 bis max. 18:00 Uhr, Foyer des 1. OG • Abschließende Kurzpräsentationen der Workshopleiter*innen über die zentralen Ergebnisse und Aussagen • Abstimmung über das Thema für die Integrationskonferenz 2019 • Dank und Verabschiedung durch Bürgermeisterin Dr. Elisabeth Preuß 6
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Einleitende Präsentation Herzlich Willkommen zur 10. Demokratie‐ und Integrationskonferenz der Stadt Erlangen! 26.01.2018 Thema „In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen gestärkt werden?“ 26.01.2018 7
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Populismus Das lateinische Wort populus heißt Volk. Populismus bedeutet, so zu tun, als ob man wüsste, was für die gesamte Gesellschaft (für das Volk) am besten sei. POLITIK LEXIKON FÜR JUNGE LEUTE 26.01.2018 Populismus «The year 2016 is indeed the year of the populist, and Donald Trump is its apotheosis.» (J. Eric Oliver & Wendy M. Rahn (2016: 190) 26.01.2018 8
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Populismus • Rechtspopulismus ist eine Strategie, die auf Polarisierung, das Schüren von Ängsten sowie Ab‐ oder Ausgrenzung setzt. Sie wird in erster Linie von politischen Parteien genutzt. • Linkspopulismus betont den Gegensatz zwischen „oben“ („die kapitalistischen Eliten“ bzw. „Ausbeuter“) und „unten“ („wir“, „das Volk“, „die Unterdrückten“). 26.01.2018 Ausgrenzung Exklusion Ausgrenzung Ausschluss Beschreibt in der gehobenen Umgangssprache die Tatsache, dass jemand von einem Vorhaben, einer Versammlung und Ähnlichem ausgeschlossen wird. Quelle: http://worterbuchdeutsch.com/de/ausgrenzung 26.01.2018 9
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Ausgrenzung Formen von Ausgrenzung: Materieller Armut Religionszugehörigkeit Geschlecht Alter Ethnie Behinderung Sexueller Orientierung Soziale Ausgrenzung Demokratie Demokratie in der Antike • Demokratie kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Herrschaft (Kratos) des Volkes“ (Demos). • Demokratie ("Volksherrschaft") ist die wohl anspruchsvollste Staatsform ‐ sowohl für die Regierenden wie auch für das Volk. Quelle: https://demokratie.geschichte‐schweiz.ch/definition‐demokratie.html 26.01.2018 10
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Demokratie Moderne Demokratie „Die moderne Demokratie entsteht im 17. und 18. Jahrhundert infolge politischer, kultureller und sozialer Veränderungen. Wegweisend für ihre Ausgestaltung sind die Entwicklungen in England, Frankreich und den USA.“ Quelle: http://www.bpb.de/izpb/248555/wege‐zur‐modernen‐demokratie 26.01.2018 Demokratie „Demokratie schafft die Grundlage für eine Vielfalt moderner politischer Ordnungen, deren gemeinsames Kennzeichen die Volkssouveränität und die Beschränkung politischer Herrschaft ist“ 29.000 Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung 78.00 26.01.2018 11
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Demokratie ... eine Staatsform mit einer Verfassung, die allgemeine persönliche und politische Rechte garantiert, mit fairen Wahlen und unabhängigen Gerichten. … Entscheidung durch die Betroffenen. … die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk. 26.01.2018 Demokratie Toleranz Grundrechte Chancengleichheit Faire Wahlen Teilhabe Parteien Mehrheitsprinzip Menschenrechte Mitbestimmung Gerechte Gesellschaft 26.01.2018 12
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Demokratie 26.01.2018 Ausstellung Hinweis: im Foyer des Rathauses 26.01.2018 13
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Demokratie und Meinungsfreiheit statt Populismus und Ausgrenzung Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf Sie alle Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche uns sehr herzlich begrüßen und freue mich, dass Sie allen, dass die heutige Konferenz uns weiter voran- sich die Zeit nehmen, am Freitagnachmittag ins Er- bringt und dass wir wie in den vergangenen Jahren langer Rathaus zu kommen. Sie sind bereit, in ihrer Freude daran haben, zu diskutieren. Die Konferenz Freizeit mit uns gemeinsam darüber zu diskutieren, ist ein wichtiger Ort zum Austausch. Vor allem aber was Integration und Demokratie für unsere Stadt ist sie ein Ort, an dem einen Nachmittag lang inten- konkret bedeuten. Und Sie sind bereit, die Stadtge- siv gemeinsam gearbeitet wird. Das, was Sie heute Dr. Florian Janik sellschaft dabei zu unterstützen, bei Themen voran- erarbeiten, hat Bedeutung. Die Ergebnisse werden Oberbürgermeister zukommen, die uns alle bewegen, die uns auf den mitgenommen und in den nächsten Wochen und Nägeln brennen, die viele Fragen aufwerfen. Monaten ganz konkret bearbeitet. Sie sollen einflie- ßen in die Arbeit der Stadtverwaltung und natürlich Ich freue mich sehr, dass Sie alle hier sind. Bitte auch in die Stadtgesellschaft eingebracht werden. gestatten Sie mir, einige der hier Anwesenden na- mentlich zu begrüßen. Wie wichtig wir als Stadtver- Letztes Jahr sind wir zum Thema „Ankommen, er- waltung die heute hier behandelten Themen finden, wachsen werden, Arbeit finden, welche Bildungs- lässt sich daran ersehen, dass die Hälfte der Erlan- angebote brauchen junge (Neu)-Zuwanderer?“ zu- ger Stadtspitze hier ist. Ich darf ganz herzlich meine sammengekommen. Bei der Konferenz sind ganz Stellvertreterin, Frau Bürgermeisterin Dr. Preuß, Frau konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet wor- Steinert-Neuwirth, Referentin für Bildung, Kultur und den. Sie enthalten die Erfahrungen von Leuten aus Jugend und Herrn Ternes, Referent für Recht Sicher- der Praxis, von denjenigen, die sich mit dem Thema heit und Personal, begrüßen. Aus dem Stadtrat be- wissenschaftlich auseinandersetzen, von ehrenamt- grüße ich Kollegin Niclas, Kollegen Ortega, Kollegen lich Engagierten und von Bürgerinnen und Bürgern. Agha und Kollegin Radue von der SPD-Fraktion. Für Und ich versichere Ihnen: Das damals erarbeitete die FDP-Fraktion ist Kollege Dr. Zeus anwesend, für Papier ist nicht in den Schubladen des Rathauses die Grüne Liste Kollege Wening. Für den Ausländer- verschwunden. Vielmehr haben wir es immer wieder und Integrationsbeirat begrüße ich stellvertretend für hervorgeholt. Wir haben eine Reihe von Arbeitsgrup- die vielen hier anwesenden Mitglieder die Vorsitzen- pen, städtische und nichtstädtische Institutionen, de Lili Yaver. mit den Fragestellungen und Anregungen befasst. Herausgekommen sind eine ganze Menge konkreter Den Hauptreferenten des Tages haben wir aus dem Dinge. Und die Statistik belegt ganz gut, dass wir fernen Spardorf eingeflogen. Lieber Professor Biele- bei der Integration von (Neu)-Zugewanderten, wieder feldt, herzlich willkommen im Sitzungssaal des Er- einen Schritt vorangekommen sind. Und gleichzeitig langer Rathauses. Wir alle schätzen Sie und Ihre wissen wir, dass wir noch viel an der Stelle zu tun Beiträge sehr. Deshalb ist es immer wieder schön, haben. Wenn wir den Arbeitsmarkt betrachten, so dass wir nicht lange fragen und betteln müssen, stellen wir fest, dass die Arbeitslosenquote bei Mi- wenn wir Sie als Referenten gewinnen wollen. Vielen grantinnen und Migranten deutlich höher liegt. Das Dank, dass wir auch auf diese Anfragen gleich eine ist kein Erlanger Phänomen, sondern deutschland- Zusage bekommen haben. Vielen Dank, dass Sie weit festzustellen. Mangelnde Sprachkenntnisse und sich die Zeit nehmen! Schwierigkeiten bei der Anerkennung vorhandener 14
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Qualifikationen gehören hauptsächlich zu den Pro- garten beschränke, da kann ich bestimmen, welche blemstellungen. Wir stellen aber auch fest, dass wir Pflanze darin wächst. grundsätzliche Kenntnisse über den Arbeitsmarkt und die Arbeitsmarktinstitution vermitteln müssen. Diese Tendenz beschränkt sich nicht nur auf die Geeignete Ausbildungsmöglichkeiten zu organisieren Themen „Migration“ und „Flucht“. Viele Menschen aber auch geeignete Fortbildungsangebote für Mig- sind verängstigt und frustriert darüber, wie unser rantinnen und Migranten müssen erarbeitet werden. Wirtschaftssystem ausartet. Ich erinnere an die vor Es sind dicke Bretter, die wir zu bohren haben. Die kurzem veröffentlichten „Paradise Papers“. Ich habe letztjährige Konferenz hat dazu viele wichtige Anre- mit vielen Menschen über ihre Wahrnehmung davon gungen geliefert. Wir haben im letzten Jahr viel ge- gesprochen. Das wird als Machtlosigkeit erlebt. Es arbeitet und bei den Bemühungen werden wir auch besteht das Gefühl, „Mensch da gibt es Leute, die in Zukunft nicht nachlassen. haben so viel Geld, die entziehen sich vollkommen jeder staatlichen Kontrolle.“ Die Antworten, die wir Sehr geehrte Damen und Herren, heute beschäfti- als demokratisches System von uns geben, sind ob- gen wir uns mit einem anderen hochaktuellen The- jektiv betrachtet unbefriedigend. Egal ob wir das auf ma, nämlich mit der Frage, wie wir demokratische Deutschland beziehen oder Europa – der berechtigte Strukturen in Zeiten von Populismus und Ausgren- Vorwurf lautet: „Die werden der Lage nicht Herr. Da zung stärken können. Zunächst einmal stellt sich entzieht sich jemand unserem Rechtssystem und die Frage, über welche Phänomene wir eigentlich das kann doch nur falsch sein.“ Und von dieser sprechen. Aus meiner Sicht greift es zu kurz, wenn Wahrnehmung ist es nicht mehr weit zu der Einstel- man versucht, alles mit dem einfachen Schlagwort lung: Wenn es an dieser Stelle so falsch läuft, dann „Rechtspopulismus“ zu beschreiben. Es steckt schon müssen wir alles rückgängig machen, was vielleicht mehr dahinter. Die Entwicklungen, die wir erleben, auch nur in Ansätzen damit zu tun hat. Dann müs- sind nicht nur ein deutsches, sondern ein weltweites sen wir uns wieder ganz zurückziehen auf unseren Phänomen. Überall ist festzustellen, dass Menschen ganz eigenen kleinen Raum. wieder verstärkt dazu neigen einfache Antworten zu glauben; dass man sich nicht die Mühe machen Mit diesem Beispiel will ich ausdrücken: Es greift zu will oder kann, den anstrengenden Prozess von De- kurz, Populismus, Rechtspopulismus auf die Frage mokratie auf sich zu nehmen; dass Menschen den von Ausländerfeindlichkeit zu reduzieren. Es geht Wunsch verspüren, in einer zunehmend komplexen um die grundsätzliche Frage, wie wir in demokra- Welt die Grenzen enger zu ziehen. Und damit meine tischen Gesellschaften zusammen leben wollen. Ja: ich nicht nur Staatsgrenzen. Wahrscheinlich kennt In einer Demokratie zu leben, ist anstrengend. Auf jeder von uns das Gefühl, dass man Ereignisse des komplizierte Fragen, leichte Antworten zu geben, Weltgeschehens nicht versteht und vielleicht auch das ist ja überaus verführerisch. Wer Kinder hat, der nicht verstehen will und dann versucht, den Raum kennt das, wenn man versucht ist, mit einer leichten über den man nachdenkt und den man beobachtet, Antwort das Gespräch zu beenden. Aber zum Glück ein bisschen kleiner zu ziehen. Man gibt sich der akzeptieren die meisten Kinder die leichte Antwort Hoffnung hin, so wieder mehr Kontrolle auszuüben, höchstens bis zum nächsten Tag. Dann merken sie, nach dem Motto: Wenn ich mich auf meinen Vor- dass sie die Dinge so nicht verstehen können und 15
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation fangen an, weiter nachzufragen. In solchen Situatio- gemeinsam die Gedanken zu machen, was wir er- nen merkt man, dass leichte Antworten auf kompli- reichen wollen und wie wir es erreichen können. Wir zierte Zusammenhänge nicht weit tragen. Natürlich müssen aber auch selbstkritisch reflektieren: Auch ist es mühevoll, sich statt der einfachsten Antwort heute kommen wieder Menschen zusammen, die zu überlegen, wie man komplizierte Dinge erklären mehr oder weniger dieselben Themen bewegen. Und kann. Doch es lohnt sich. natürlich ist es wichtig, sich zusammenzufinden und zu sagen: Wir stehen gemeinsam ein für Solidarität Demokratische Prozesse zu vermitteln, das ist nicht in unserem Land kämpfen gegen Ausländerfeind- einfach und kostest Mühe. Doch Demokratie lebt da- lichkeit und Fremdenfeindlichkeit. Doch wir müssen von, dass man sein Gegenüber achtet, auch dann, uns dringend die Frage stellen, wie wir wieder dieje- wenn man nicht seiner Meinung ist. Demokratie be- nigen Menschen ansprechen können, die sich nicht deutet auch, dass man immer wieder den Versuch mehr angesprochen fühlen. Es ist wichtig, dass wir unternimmt, das Gegenüber trotzdem zu verstehen die Lebenssituation dieser Menschen in den Blick und ins Gespräch zu kommen. In der Geschichte nehmen. Es geht um die Menschen, die Zweifel ha- haben wir gelernt, dass der Weg einer Gesellschaft, ben, dass es zu einer Verbesserung ihrer Lebenssi- die diesen Anspruch aufgibt, in Unfreiheit und Aus- tuation kommt, dass ihre Probleme tatsächlich ernst grenzung, ja schlimmstenfalls sogar in katastrophale genommen werden. Kriege führt. In historischer Perspektive ist uns klar, dass es sich lohnt, die Demokratie zu verteidigen. Sehr geehrte Damen und Herren, wir dürfen nicht nur über Haltungen sprechen, sondern müssen uns Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir in die auch der Situation den Menschen widmen, der tat- Welt schauen, dann merken wir, dass diese Errun- sächlichen ebenso wie der gefühlten. Dazu braucht genschaften nicht selbstverständlich sind. In den es den demokratischen Weltstreit um die besten meisten Ländern dieser Welt erleben Menschen Ideen. Und an dieser Stelle ist ein Streit überhaupt nicht, wie wertvoll es ist, seine Meinung frei äußern nichts negatives, sondern etwas sehr Positives. zu dürfen. Vielerorts muss man sich sehr genau überlegen, welche Meinung man vertritt. Und trotz- Ich bin gespannt mit Ihnen darüber heute Nachmit- dem ist es unglaublich mühevoll, wieder Wege zu tag zu diskutieren. Ich weiß, dass wir heute Nach- finden, Menschen für die Demokratie zu begeistern. mittag wahrscheinlich auch nicht die Lösung aller Demokratie und Meinungsfreiheit werden bei uns als Probleme herbeiführen werden. Aber wenn wir am Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Schlimmer Ende der Konferenz zumindest Ideen für die nächs- noch: Immer häufiger sagen Menschen: „Ja, viel- ten Schritte gesammelt haben, sind wir ein wichti- leicht sind die einfachen Antwort doch richtig und ges Stück vorangekommen. ich probiere es einmal mit denen, die die einfachen Antworten geben.“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Nachmittag im Erlanger Rathaus, gute Gespräche Wie wir wieder Menschen von Demokratie begeis- und alles was sonst zu einer erfolgreichen Konferenz tern können, darum soll es heute gehen in Vorträ- gehört. gen und Arbeitsgruppen. Es ist sehr wichtig, sich 16
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Und bevor es jetzt weitergeht, möchte ich Sie noch um einen lauten Applaus bitten: Denn dass Sie jetzt alle hier zusammensitzen, ist nicht mir zu verdanken, sondern dahinter steckt viel Arbeit von Kolleginnen und Kollegen, die die Konferenz seit vielen Wochen und Monaten mit sehr viel Herzblut vorbereitet ha- ben. Die dafür gesorgt haben, dass vom herzlichen Empfang bis zur guten Verabschiedung alles gut läuft. Mein Dank gilt Till Fichtner, Nora Hahn-Hobeck, Silvia Klein, Anke Somnitz und den zwei Praktikanten, Frau Mantashyan und Herrn Celik. Und die haben den lautesten Applaus des heutigen Tages verdient. 17
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Menschenwürde ist unantastbar Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein: de Gift von Intoleranz und Gleichgültigkeit. Wir müs- Die amerikanischen Wähler wählen einen Präsiden- sen wachsen und lernen, um denjenigen, die den ten, der es normal findet, Frauen in den Schritt zu vermeintlich leichten Weg der Abschottung gehen fassen. Der türkische Präsident bringt das Volk auf wollen, zu zeigen, dass dieser Weg eine Sackgasse der Straße dazu, skandierend die Einführung der ist, die zu Stillstand und Ungerechtigkeit führt und Todesstrafe zu fordern, verdrängend, dass es ihre unserem Rechtsstaat großen Schaden zufügen wird. eigenen Kinder, Freunde oder Nachbarn sein können, Dr. Elisabeth Preuß die aufs Schafott geführt werden. Dresdner äußern Unsere Lebensweise, die geprägt ist von den Freihei- Bürgermeisterin Angst vor Muslimen, obwohl es in ihren Städten ten, die unser Grundgesetz garantiert, ist kein unver- kaum Gelegenheit gibt, diese zu treffen. Ein Politiker, letzlicher Fels in der Brandung, der von kleinen oder dessen Arm ähnliche Bewegungen macht wie den höheren politischen Strudeln und Wogen umspült Hitlergruß und der das Berliner Holocaustdenkmal wird. Unsere Freiheiten, unsere freiheitliche Lebens- verunglimpft, darf weiter im thüringischen Landtag weise sind, auch wenn so mancher das meint, nicht sprechen. Menschen malen einen Strich auf ihren selbstverständlich, nicht immun, nicht unverletzlich, Garagenvorplatz und erklären, dass dahinter die sondern müssen gehütet werden wie unser Augapfel. Bundesrepublik endet. Lesben und Schwule werden Tausende von Angriffen gegen Synagogen, Mosche- in die Nähe von Triebtätern gestellt und patrioti- en, Zeitungsredaktionen oder Flüchtlingsheime sind sche Europäer haben so wenig Anstand und kein in Wahrheit Angriffe auf das Grundrecht Religions- Mindestmaß an Diskursfähigkeit, dass sie unsere freiheit, das Grundrecht Versammlungsfreiheit, das Bundeskanzlerin an den Galgen fordern. Menschen Grundrecht Asyl und das Grundrecht Pressefreiheit. glauben blind Nachrichten aus Kanälen, in die jede Nachricht ungeprüft hineingestellt werden kann. Und Das passiert in vielen Ländern Europas. Daher hat einige dieser Kanäle werden auch paradoxerweise der Europarat das Netzwerk „Intercultural Cities“ ge- noch als soziale Medien bezeichnet, obwohl sie un- gründet, dem Erlangen als 100. Stadt vor wenigen gestraft Lügen, Gerüchte, Vorurteile und Vorverurtei- Jahren beigetreten ist. lungen verbreiten. An dieser Stelle danke ich Silvia Klein, denn die Hür- Höchste Zeit also, dass die Demokraten dieses Lan- den, diesem Netzwerk beitreten zu können, waren des sich noch besser organisieren, noch deutlicher hoch, und der Expertise, dem Erfahrungsschatz, den akzentuieren, noch öffentlicher Vielfalt verteidigen, vielfältigen Integrationsmethoden, die wir von unse- Zivilcourage zeigen und aufstehen gegen Jene, die ren ICC-Schwesterstädten lernen können, stand eine unser Grundgesetz nicht kennen, im Geschichtsun- aufwändige Recherche gegenüber. terricht nicht aufgepasst haben oder die aus Verdun und Stalingrad nichts gelernt haben. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter von ICC analysie- ren die Mitgliedsstädte, erstellen Indices für interkul- Herzlich willkommen also zur Demokratiekonferenz. turelle Inklusivität. Sie zeigen auf, an welchen Stellen wir noch Nachholbedarf haben, also eher exklusive Wir hoffen auf Ihre Mitarbeit, auf Ihre Ideen, damit als inklusive Strukturen haben. wir uns gemeinsam stärken gegen das schleichen- 18
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Dafür sind wir dankbar. Denn auch wenn wir dank Grundgesetzes an vielen Punkten verlassen, weiter des Bundesprogramms „Demokratie leben“ und un- Gift in die Demokratie einleiten. Die Gleichberech- zähligen Demokratie-Werkern in Erlangen ein gutes tigung der Frau, das Verbot von Diskriminierung Netzwerk und gute Instrumente haben, müssen wir aufgrund von Herkunft, Religion oder sexueller Ori- doch erkennen, dass das Netzwerk sich schwer tut, entierung, Pressefreiheit, um nur einige wenige zu in unbekannte Gegenden vorzustoßen und dass un- nennen, haben Verfassungsrang und werden von sere Instrumente nicht immer die Wirksamkeit ha- der AfD offen negiert. ben, die wir uns wünschen. Die Wissenschaftler von ICC haben gezeigt, dass Einwohner von Ländern, in welchen sich die Akteure in den Städten mit den- jenigen auf Staatsebene über die Integrationspolitik abstimmen, höhere Zufriedenheit und ein höheres Gefühl von Sicherheit haben. Das ist ein klarer Auf- trag dafür, dass sowohl die Stadt über den deut- schen Städtetag und andere Gremien als auch un- sere Bundestagsabgeordneten, aber auch NGOs, die Die Ankunft und die Integration der Flüchtlinge, der auf Bundesebene organisiert sind, über ihre Vertreter islamistische Terror, das Gefühl ganzer Gruppen, ab- in Berlin ihr Wissen und ihre Kooperation anbieten. gehängt und vergessen zu sein, und weitere Fakten schaffen ein immer noch wachsendes Wählerpoten- Der Handlungsbedarf in Erlangen wurde uns am 24. tial für die AfD. September des letzten Jahres in aller Deutlichkeit aufgezeigt: 8,0 % Stimmen für die AfD in Erlangen, Und dies obwohl wissenschaftliche Analysen des in sozial belasteten Gebieten sogar ein Durchschnitt Wahlprogramms zeigen, dass gerade die „Abge- von 12,7 Prozent, in einzelnen Wahllokalen über 15%. hängten und Vergessenen“ diesen Status auch bei AfD-Regierungsbeteiligung halten werden. Und ob- Das hat vielerorts Bestürzung hervorgerufen oder wohl ebenso nachweisbar ist, dass das bürgerliche gar blankes Entsetzen. Und wir müssen uns fragen: Deckmäntelchen, das zumindest Teile der AfD immer Tun wir genug für Demokratie? Tun wir das Richtige? noch vor den ansonsten rechtsaußen-Kern hängen, Und tun wir das Richtige ausreichend? eine Lüge ist. Aus heutiger Sicht müssen wir besonders auf Frage Die Stadt Erlangen ist aktives Mitleid in einer Vielzahl 3 wohl „Nein“ antworten. Schon immer zeigen Stu- von Arbeitsgruppen und Bündnissen gegen Rechts dien, dass in Deutschland ein Potential für Rechts- und hat ihre eigenen Aktivitäten unter dem Motto außen-Stimmen bei Wahlen da ist. Aber anders als „Menschenwürde ist unantastbar“ gebündelt. die Republikaner um Franz Schönhuber, die nach Die Stadtspitze läuft bei Demonstrationen gegen kurzer Zeit wieder in der Versenkung verschwanden, Intoleranz und Rassismus in der ersten Reihe. Wir wird die AfD auf der Tagesordnung bleiben und mit unterstützen und beteiligen uns an Aktionen aller Unwahrheiten, mit Geschichtsklitterung und mit pro- Art, die unsere Demokratie stärken, und werden das grammatischen Forderungen, die den Rahmen des auch weiterhin tun, auch nach dem für mich nach 19
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation wie vor völlig unverständlichen Urteil des Bundesver- Nationalisten haben uns in das dunkelste Kapitel waltungsgerichtes Leipzig. unserer Geschichte geführt. Da ist das Löschen der Lichter an öffentlichen Gebäuden beim Vorbei- Dieses besagt, dass wir Bürgermeister, wenn die marsch von heutigen Nationalisten überfällige Ge- NPD, der III.Weg, PEGIDA, oder andere Feinde unserer schichtsstunde einerseits und zulässige Meinungs- freiheitlich demokratischen Grundordnung, unsere äußerung andererseits. Plätze und Straßen missbrauchen, um ihren men- schenfeindlichen, braunen Sumpf zu propagieren, Ich komme zurück an den Anfang und zur Frage, nicht mehr zu Widerstand, zu Beteiligung aufrufen ob die Welt aus dem Fugen geraten ist: Nein, sie ist dürfen und auch nicht an städtischen Gebäuden nicht aus den Fugen geraten. 88% der Deutschen Zeichen setzen dürfen, z. B. die Lichter löschen. haben bei der letzten Bundestagswahl nicht die AfD gewählt. In unserer Stadt Erlangen haben sich nicht Es ist für mich völlig unverständlich, dass diejenigen, nur zum willkommen heißen weit über 1 000 Men- die den so weiten Rahmen unseres Grundgesetzes schen für die zu uns geflüchteten Menschen einge- auf der rechten Seite verlassen haben, vor Gericht setzt, sondern sie taten dies schon vor September gewinnen, wenn Städte sich wehren, weil sie ein- 2014 und tun das jetzt, im Jahr 2018, noch immer. gedenk derer, die vor 80 Jahren das gleiche skan- Tausende von Schülern haben mit ihrer Unterschrift diert haben, die auf unserem Schlossplatz Bücher ihre Schule zur „Schule ohne Rassismus, Schule mit verbrannt haben, deutlich machen wollen, dass ihre Courage“ gemacht. Tausende Erlanger engagieren Stadtpolitik eine Politik der Vielfalt, der Wahrung der sich in demokratischen Parteien, arbeiten in Stadt- Grundrechte ist. teilbeiräten, im Stadtrat, in Vereinen, Gewerkschaften mit. Und ebenso haben Tausende im September Zitat des Düsseldorfer OB: „Es bleibt die Frage, wie 2015 ihren Namen öffentlich in einer Zeitungsanzei- wehrhaft eine Demokratie sein kann, wenn sie neu- ge mit dem ersten Artikel unseres Grundgesetzes tral bleiben muss gegenüber Bestrebungen, die die verbunden: „Menschenwürde ist unantastbar“. Grundwerte dieser demokratischen Ordnung wie Hu- manität, Respekt und Vielfalt in Frage stellen.“ Dieser Satz, Artikel 1 unseres Grundgesetzes, bleibt Richtschnur unseres Handelns. Ich hoffe sehr, dass unser höchstes Gericht das Urteil korrigieren wird. Denn die Richter sollten er- kennen, wer den Rechtsstaat in Frage stellt und wer ihn schützen will. Die Richter sollten zumindest die Meinungsäußerung von Bürgermeistern, die nicht trotz, bzw. wegen ihrer ausdrücklichen Demokratie- arbeit gewählt wurden, nicht geringer schätzen als die Meinungsäußerung von Nationalisten, die sowohl die unabhängige Gerichtsbarkeit, als auch die freie Meinungsäußerung einschränken werden. 20
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Demokratie braucht Menschenrechte Der Hauptvortrag unter dem Titel „Demokratie braucht Menschenrechte“ wurde von Prof. Dr. Dr. Hei- ner Bielefeldt vom Lehrstuhl für Menschenrechte an der FAU Erlangen-Nürnberg gehalten und kann unter folgendem Link abgerufen werden: www.erlangen.de/vortrag-bielefeldt Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt ist Professor am Institut für Politische Wissenschaft und leitet seit 2009/10 den Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschen- rechtspolitik. Seine Themenschwerpunkte sind die Theorie und Praxis der Menschenrechte, politische Ideengeschichte, philosophische Ethik, Rechtsphi- losophie, interkulturelle Philosophie, Religions- und Weltanschauungsfreiheit. 21
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Ergebnisse der Gruppenarbeit Workshop 1 – Argumentationstraining gegen Stammtischparolen mit Constanze Borckmann von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern Rechte Sprüche können uns überall begegnen, ob • mit wem spreche ich und wie gut kenne ich von Bekannten, Freunden, Familie, Arbeitskollegen mein Gegenüber oder Jugendlichen. Doch wie soll man mit den Äu- • bin ich gerade beruflich oder privat im Gespräch ßerungen umgehen? Eine pauschale Lösung gibt es nicht. Das Argumentationstraining bietet die Möglich- • wo findet die Unterhaltung statt Mit diesen Erkenntnissen ging es in einen kurzen Übungsteil. Eine Stammtischrunde wurde nachge- stellt. Ein Teil der Personen am Tisch vertrat Stamm- tischparolen, die anderen versuchten, dagegen zu argumentieren. Bei der gemeinsamen Auswertung wurde besprochen, was gerade am Tisch passiert war. Was man beobachten konnte und was Inhalt des Gespräches war. Zum Abschluss wurden noch einige offene Fragen beantwortet und eine gemein- same 10-Punkte-Strategietafel zusammengestellt. keit, Handlungsoptionen auszuprobieren und Alter- 1. Nachfragen: Nachfragen signalisiert dem Gegen- nativen zu diskutieren. Grundlage für den Workshop über erst einmal: Ich höre dir zu. Fragen, wie z. B.: bildete das eigene Erleben der Teilnehmer*innen Wie genau meinst du das? Woher hast du diese und der gemeinsame Austausch. Ziel war es nicht, Informationen? Hast du das selber schon erlebt? möglichst viele Argumente zu sammeln, sondern ei- können zeigen, dass die Stammtischparole oft gene Strategien zu entwickeln, wie man mit Parolen auf wenig Grundlage beruht. umgehen kann. Zum Einstieg stellten sich die Teilnehmer*innen kurz vor. Schon hier wurde schnell klar, dass alle sehr ähnliche „Probleme“ im Umgang mit Parolen haben. Themen wie Sprachlosigkeit, Hilflosigkeit, aber auch die Angst, etwas Falsches zu sagen, kristallisierten sich schnell heraus. Im nächsten Schritt wurden verschiedene Parolen gesammelt und Gemeinsam- keiten gesucht. Dabei wurde herausgearbeitet, dass die Parolen oft einen ähnlichen Aufbau haben z. B. verallgemeinernd, Situationen sehr verkürzen, abwer- 2. Hintergrundwissen: Hierbei kann beispielsweise ten, mit Feindbildern arbeiten, usw. Es wurde auch auf Statistiken oder Studien verwiesen werden. besprochen, was unsere Argumentation alles beein- Jedoch sollte vermieden werden, andere zu be- flusst z. B. lehren. 22
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation 3. Ironie: Ein ironischer Umgang kann helfen, Stammtischparolen den Wind aus den Segeln zu nehmen und gleichzeitig die Stimmung auf- zulockern. Aber Vorsicht: Eine ironisch gemeinte Aussage kann auch missverstanden werden oder provozierend wirken. 4. Widersprüche aufzeigen: Wenn abfällig über Migrant*innen geredet wird, ist es oft die Person selbst, die Wurzeln oder Freunde in/aus einem anderem Land hat, ausländische Produkte kon- sumiert, im Ausland Urlaub macht und ausländi- 7. Ich-Botschaften senden und Gefühle äußern: Hier sches Essen genießt. Oft lassen sich auch in der wird die Stammtischparole zuerst gespiegelt. Stammtischparole selbst Widersprüche finden. Dann werden Ich-Botschaften gesendet, um zu 5. Das „Die“ auflösen: Hier soll verhindert werden, zeigen, dass die Aussage so nicht akzeptiert wird. dass z.B. alle Migrant*innen in eine Schublade Die eigenen Gefühle dürfen dabei zum Ausdruck gesteckt werden. Je allgemeiner die Aussage ist, gebracht werden, um sich deutlich von der Aus- desto schwieriger kann es sich aber anfühlen, sage des Gegenübers abzugrenzen. dagegenzuhalten. 8. Eigene Erfahrungen: Hier werden erlebte Situa- tionen oder kleine Anekdoten, die der Stamm- tischparole entgegenwirken, erzählt. Dabei wird implizites Wissen zum Ausdruck gebracht und vermittelt. 9. Unterstützung suchen: Auch andere Personen können in das Gespräch miteinbezogen werden. Wenn einem selber die Worte fehlen, kann man sich gegenseitig in seiner Argumentation unter- stützen. Je mehr Perspektiven ins Bild gerückt werden, desto mehr verliert die Stammtischparole 6. Emotionen ansprechen: Da Vorurteile besonders ihren absoluten Charakter. durch ihre affektive Komponente wirken, lassen sie sich oft nicht alleine durch Informationen ent- 10. Die „weiche Wand“: Wer nicht diskutieren möchte kräften. Es sind meistens die Emotionen, die aus oder einfach zu überwältigt von einer Stamm- denjenigen sprechen, die sich in Vorurteilen und tischparole ist, kann dies dem Gegenüber mit- Stammtisch-parolen äußern. Deswegen ist es teilen. Es dient vor allem zum Selbstschutz, kann wichtig, diese Emotionen anzusprechen. Zeit verschaffen und bezieht direkt die emotiona- le Komponente ein. 23
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Workshop 2 – Thema: Vorurteile mit Julia Oschmann von der Abteilung Pädagogik rund um das Dokumentationszentrum Nürnberg Fakten über Vorurteile Thema begaben sich die Teilnehmenden als Reise- gruppe auf die Insel Albatros. Dort trafen sie auf zwei Jeder Mensch hat Vorurteile. Wir alle nutzen sie, Einheimische deren Sprache und Kultur Ihnen völlig um die Welt um uns herum zu vereinfachen und unbekannt war. Die gesamte Gruppe wurde von den die unzähligen Informationen, die wir wahrnehmen Inselbewohner*innen, vertreten durch die Seminar- können, zu filtern. Wir wären sonst überfordert von leiter, freundlich empfangen und herzlich eingeladen, einer Informationsflut. Also stereotypisieren wir an- die Kultur, Riten und Gebräuche in ihrem Leben ken- dere und ordnen sie in Schubladen oder Kategorien. nenzulernen. Durch gezielte Handlungen der Einhei- Das macht die Zuschreibungen von Merkmalen aber mischen wurden die Seminarteilnehmer*innen dazu nicht per se gut oder schlecht, denn sie helfen uns angeregt, das Beobachtete zu interpretieren und bei Entscheidungen und geben uns Orientierung. aufgrund von Erfahrungen zu bewerten. Wie sich Wann werden Vorurteile problematisch? zum Schluss herausstellte, waren die Absichten und Vorurteile können aber auch problematisch werden, Gründe für diese Handlungen aber völlig andere als wenn daraus Vor-Verurteilungen werden. Wenn die von den Teilnehmer*innen erwartet. Zuschreibung, die wir mit einer Gruppe verbinden, negativ ist, generalisierend und abwertend ist, ist sie für den sozialen Frieden einer Gesellschaft pro- blematisch – besonders, wenn die Vorurteile verhal- tensrelevant werden, also zu Taten führen, etwa zu Diskriminierung. Im Workshop ging es darum, den eigenen Vorurteilen auf die Schliche zu kommen und sich gemeinsam zu überlegen, wie wir eigenen und Vorurteilen anderer sinnvoll begegnen können. Erfahrungen im Workshop Mit einer Darstellung des Wahrnehmungsablaufs, der anschließenden Interpretation von Wahrgenomme- Nach einer kurzen Vorstellung und der jeweiligen nem, dessen Bewertung und einer folgenden Reak- Darstellung des persönlichen Interesses an dem tion wurde verdeutlicht, wie diese Schritte je nach Sozialisierung, Erfahrungen, Moralvorstellungen etc. abweichen können und welche Gefahren sie bergen. Stillschweigende Annahmen sind so in der Lage, zur Entstehung von Vorurteilen beitragen. Es wur- de sichtbar, dass jeder Mensch aus einem breiten Repertoire von Vorurteilen schöpft. Diese Vorurteile übernehmen eine wichtige Rolle in der Kategorisie- rung und Vereinfachung alltäglicher Vorgänge im Leben eines Menschen. 24
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Daraus lassen sich mögliche Schritte im Umgang wirkt entgegen Vorurteile „sich selbst verfestigend“ mit Vorurteilen formulieren: unbenannt zu lassen. Das Wertschätzen von Viel- falt und die Gleichwertigkeit aller Menschen muss bereits Kindern und Jugendlichen vermittelt werden. 3. Kontakt herstellen Eine Reduzierung von Vorurteilen gelingt am besten, wenn Kontakte zu Menschen oder Gruppen herge- stellt werden, gegen die Vorurteile bestehen. Wenn ein direkter Kontakt entsteht, werden Hemmschwel- len abgebaut und das Erkennen einer Fehleinschät- 1. Hinterfragen ist entscheidend zung erst möglich. Es gilt Vorurteile wahrzunehmen und immer wieder auf ihre Berechtigung hin zu hinterfragen. Hierbei ist eine Sensibilisierung für eigene stillschweigende Annahmen und Reflexion vorschneller Urteile sowie ungeprüfter Interpretationen wichtig. Interessant ist: Sobald wir uns der Tatsache bewusst sind, dass wir Vorurteile haben, haben wir sie weniger. Auch die Mechanismen der Entstehung von Vorurteilen zu erkennen, können entgegenwirken Vorurteilen unre- flektiert zu begegnen. 4. Perspektivenwechsel 2. Benennen von Vorurteilen Sich in die andere Person hineinzuversetzen, kann Um Vorurteilen die „Tragweite“ zu nehmen, ist es gut, vermitteln, wie es sich in der diskriminierten Rolle diese auch aussprechen zu können. Eine Gleich- und mit Vorurteilen konfrontiert anfühlt. Durch die- wertigkeit herzustellen, ermöglicht über vermeintlich sen Perspektivenwechsel kann eine Reflektion des tabuisierte Themen offen sprechen zu können und eigenen Verhaltens angestrebt werden. 25
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Workshop 3 – Sensibler Umgang mit Sprache mit Ella Schindler von den neuen deutschen Medienmachern Unser alltäglicher Sprachgebrauch ist von zahlrei- nen würden. Das ist allerdings nicht immer möglich. chen Faktoren wie gesellschaftlichen oder politi- Zudem kann man bei der Beschreibung von Grup- schen Rahmenbedingungen beeinflusst, ohne dass pen nicht davon ausgehen, dass alle dieselbe Präfe- uns dies immer bewusst ist. Er spiegelt gesellschaft- renz haben. Ein Beispiel: Nicht jeder, der aus einem liche Phänomene wider und kann diese verstärken, GUS-Land nach Deutschland eingewandert ist und Russisch spricht, ist ein Russe bzw. ist mit dieser Zuschreibung einverstanden. Auch Bezeichnungen für bestimmte Ereignisse be- einflussen unser Urteil darüber. Beispiel: Nach den Ereignissen im Sommer und Frühherbst 2015 spra- chen viele von einer „Flüchtlingskrise“. Das Wort ver- mittelt: Die Ressourcen könnten nicht ausreichen, um die geflüchteten Menschen zu integrieren und ein gutes Miteinander zu schaffen. In Deutschland gibt es aber auch noch nicht genügend Ressourcen, um jedem Kind unproblematisch und ortsnah einen rechtfertigen oder etablieren. Unser Denken prägt Krippen- oder Hortplatz zu sichern. Doch niemand unsere Sprache und unsere Sprache prägt unser käme bei dem Thema auf den Gedanken, dies als Denken. Es ist daher nicht egal, welche Begriffe wir „Kinderkrise“ zu bezeichnen. verwenden. So läuft man z. B. bei einer allgemeinen Bezeichnung für Einwanderer*innen und ihre Nach- Wie sich Dinge verändert haben, dazu wurde bei- kommen Gefahr, das Bild einer homogenen Gruppe spielhaft noch eine Untersuchung des Duisburger zu erzeugen. Menschen mit Migrationsgeschichte sind jedoch keineswegs homogen: Aussiedler*innen haben in der Regel mit Geflüchteten aus dem Li- banon so wenig gemeinsam wie kemalistische Türk*innen mit kurdischen Feminist*innen. Mit allge- meinen Bezeichnungen können wir die Betroffenen stigmatisieren, ausgrenzen oder auch in Schubladen stecken, in die sie gar nicht gehören bzw. in denen sie sich gar nicht sehen. Die neuen deutschen Medienmacher setzen sich Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) aus seit vielen Jahren für einen sensiblen Umgang mit dem Jahr 2017 über die Berichterstattung über Mig- Sprache ein und erläutern dies anhand von pra- ration in den vier am stärksten verbreiteten Printme- xisnahen Beispielen. Zunächst wäre es sinnvoll, die dien des Ruhrgebiets vorgestellt. Es wurde deutlich, Protagonist*innen zu fragen, wie sie sich selbst nen- 26
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation dass sich im Verlauf der Studie das als sogenann- • Sich auf das Gespräch vorbereiten/recherchieren, tes „Sagbarkeitsfeld“ beschriebene Phänomen stark bevor man einen Text verfasst: Mit welcher Per- verändert hatte. In den untersuchten Medien seien sonengruppe habe ich zu tun? Beispiel: „Russen“ zunehmend auch rassistische Denkmuster publizier- als Synonym für Russlanddeutsche wäre falsch. bar geworden. • Offen bleiben, sensibel agieren und reagieren, auf Zumeist aber ist es kein böser Wille, wenn wir falsche Augenhöhe begegnen. Begriffe in den Mund nehmen, um Menschen und Er- • Menschen selbst fragen, wie sie bezeichnet eignisse zu bezeichnen, sondern häufig Unkenntnis werden wollen, statt Deutungshochheit über die oder auch mangelnde Sensibilität sowie Unsicher- Identität anderer für sich zu beanspruchen. heit. Im Workshop erarbeiteten die Teilnehmer*innen, wie wichtig ein bewusster Umgang mit Sprache ist. • Begriffe korrekt verwenden bzw. den Kontext be- achten. Folgendes empfiehlt sich, um mögliche Fehler zu vermeiden: • Was nichts zur Sache tut, hat im Artikel/Bericht/ Diskussion/Rede nichts zu suchen (gilt nicht nur • Hinterfragen von gängigen Begriffen und Stereo- für die Herkunft, sondern auch für sexuelle Orien- typen (auch eigenen). Beispiel: Ein hautfarbenes tierung, Behinderung) Kleid kann auch schwarz sein. 27
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation Workshop 4 – Krise des Vertrauens in die Politik? mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt vom Lehrstuhl für Menschenrechte an der FAU Erlangen Anhand aktueller globaler Entwicklungen fragen Entfremdung von Staat und Politik; sich viele Menschen, ob die Politik gegenüber den 2. Krise öffentlicher Kommunikation: ohne vertrau- wirtschaftlichen Global Players noch handlungsfähig enswürdige öffentliche Institutionen kein öffent- ist. Selbst demokratisch gewählte EU-Regierungen licher, angstfrei zugänglicher öffentlicher Raum; spielen sich im Kampf um Steuervorteile gegensei- Rückgang substanzieller Kommunikation; Rück- tig aus, anstatt gemeinsam und solidarisch nach zug in hermetisch geschlossene „Chat-Rooms“ oder elektronische „Filterblasen“; 3. Krise des „‘Weltvertrauens“ (Begriff von Hannah Arendt): zunehmende Orientierungslosigkeit an- gesichts von „fake news“ und „alternative facts“; möglicher Verlust der für jede sinnvolle Kommuni- kation unverzichtbaren Tatsachenbasis; Vorwürfe von „Lügenpresse“, im Extremfall Verschwörungs- phantasien. Antworten auf diese Herausforderungen zu suchen. Vertrauensverlust – Wo erleben Sie Vertrauens- Sind populistische Erfolge in den Demokratien auch verlust konkret vor Ort? auf diese Handlungsunfähigkeit der Politik zurück- Die Teilnehmer*innen berichten über folgende Erleb- zuführen? Und wie können Ansätze für eine neue nisse, die ihr Vertrauen in die Politik und die Institu- Glaubwürdigkeit aussehen? tionen erschüttert haben: Leiter: OBM Dr. Florian Janik und Prof. Heiner Bie- Politik: lefeldt • Fehlende Transparenz z. B. bei der Gewerbesteu- Protokoll: Silvia Klein erabgabe von Großfirmen In diesem Workshop wurde zu folgenden Fragestel- • Nicht gehaltene Versprechen der Politik z. B. bei lungen gearbeitet. den Verhandlungen über den Verkauf der GBW- Einführung Prof. Bielefeldt: Wohnungen Diagnose einer mehrschichtigen Vertrauenskrise; wechselseitige Einflussnahme der unterschiedlichen Ebenen: 1. Krise des Vertrauens in öffentliche Instituti- onen und ihre Repräsentanten: in Teilen der Gesellschaft geringe Erwartungen an die Leis- tungsfähigkeit des Staates; Diskreditierung der „politischen Klasse“ als „elitär“ oder gar korrupt; 28
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