Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Dokumentation
     Demokratie- und
10. Integrationskonferenz
      26. Januar 2018
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Impressum
Herausgeber:    Stadt Erlangen, Bürgermeister- und Presseamt
		              Büro für Chancengleichheit und Vielfalt, Koordinationsstelle Integration
		              in Zusammenarbeit mit „Demokratie leben!“

		 Rathausplatz 1, 91052 Erlangen
		Telefon: 09131/86-2375
		Fax:     09131/86-1991
		Web:     www.erlangen.de
		E-Mail: integration@stadt.erlangen.de

Redaktion:      Silvia Klein, Till Fichtner, Nora Hahn-Hobeck, Astghik Mantashyan

Fotos:		        Astghik Mantashyan

Satz und Layout: Vanessa Drummer, eGovernment-Center

Druck:		        100 Stück, Hausdruckerei Erlangen, Juni 2018
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Inhalt

 Vorwort4

 Einladung5

 Ablaufplan Integrationskonferenz 2018                                                                                    6

 Einleitende Präsentation                                                                                                 7

 Demokratie und Menschenfreiheit statt Populismus und Ausgrenzung                                                        14

 Menschenwürde ist unantastbar                                                                                           18

 Demokratie braucht Menschenrechte                                                                                       21

 Ergebnisse der Gruppenarbeit                                                                                            22

 Impressionen31

 Handlungsempfehlungen32

 Thema der Integrationskonferenz 2019 – Abstimmungsergebnis                                                              33

 Presseberichte34

 Teilnehmer*innen der Integrationskonferenz                                                                              36

                                                                                                                                                3
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                        Vorwort
                        Mit der Wahl des Themas „In Zeiten von Populismus                 folgenden fünf Workshops weiter reflektiert und in
                        und Ausgrenzung – wie können wir demokratische                    kleineren Gruppen diskutiert werden. So gab es die
                        Strukturen stärken?“ wurde auf der letztjährigen In-              Möglichkeit, sich mit den eigenen „Vorurteilen“ mit
                        tegrationskonferenz von den Teilnehmer*innen ein                  Julia Oschmann von der Abteilung Pädagogik des
                        Thema ausgewählt, das auf großes Interesse bei der                Dokumentationszentrum Nürnberg auseinander-
                        kommunalen Bevölkerung gestoßen ist, so dass vie-                 zusetzen oder ein „Argumentationstraining gegen
                        le Besucher*innen der Einladung zur 10. Konferenz                 Stammtischparolen“ unter der Leitung von Cons-
                        im Januar 2018 ins Rathaus gefolgt sind. Organisiert              tanze Borckmann von der mobilen Beratung gegen
                        wurde die Konferenz in Kooperation mit der „Partner-              Rechtsextremismus in Bayern zu besuchen. Eben-
                        schaft für Demokratie!“ in Erlangen, die seit Mai 2017            falls konnten die Besucherinnen und Besucher et-
                        im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie le-                     was über den „sensiblen Umgang mit Sprache“ von
                        ben!“ des Bundesfamilienministeriums gefördert wird               Ella Schindler von den „Neuen deutschen Medienma-
                        und die Entwicklung und Umsetzung von Strategien                  chern“ erfahren oder Aspekte aus dem Vortrag von
                        zur Förderung von Demokratie und Vielfalt vor Ort un-             Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt in dem Workshop „Krise
                        terstützt. So war die 10. Integrationskonferenz gleich-           des Vertrauens in die Politik?“ kontrovers diskutie-
                        zeitig auch die 1. Demokratiekonferenz in Erlangen.               ren. Darüber hinaus wurde ein geführter Besuch der
                        Im Vorfeld zur Konferenz konnte ab dem 8. bis zum                 Dummel-Ausstellung mit den Ausstellungsmache-
                        26. Januar 2018 die Ausstellung „Oh, eine Dummel!                 rinnen Stefanie Fritzsche und Julia Vieth, zuständig
                        Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit in                    für Öffentlichkeit & Projekte der CD-Kaserne gGmbH
                        Karikatur und Satire“ der CD Kaserne aus Celle im                 angeboten. Erarbeitete Ideen und Ergebnisse der
                        Rathausfoyer besucht werden, auf die durch ein                    Workshops finden Sie in dieser Dokumentation.
                        „Groundposter“ am Erlanger Bahnhof aufmerksam                     Die Integrations- beziehungsweise Demokratiekon-
                        gemacht wurde. Für Erlanger Schulklassen wurden                   ferenz diente somit zum einen der Reflexion eige-
                        Führungen angeboten, in denen sich vertieft mit ein-              ner Einstellungen, Sichtweisen und Handlungen als
                        zelnen Karikaturen beziehungsweise ausgewählten                   auch dem Austausch über aktuelle politische Ent-
                        Themen der Ausstellung anhand pädagogischen                       wicklungen. Es wäre wünschenswert, wenn durch
                        Materials auseinandergesetzt werden konnte. Insge-                die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen
                        samt nahmen 15 Schulklassen das Führungsange-                     Standpunkten auch für ein größeres Verständnis ge-
                        bot wahr und besuchten die Ausstellung.                           genüber verschiedenen Sichtweisen und Meinungen
                        Zu Beginn der Konferenz wurden die Teilnehmerin-                  anderer beigetragen werden kann. Und außerdem
                        nen und Teilnehmer, nach der Eröffnung und Begrü-                 die Notwendigkeit des Engagements erkannt wird,
                        ßung von Oberbürgermeister Dr. Florian Janik, durch               mit der sich jede/r Einzelne für demokratische Werte
                        zwei facettenreiche und informative Vorträge der                  einsetzen sollte und diese im alltäglichen Miteinan-
                        Bürgermeisterin Dr. Elisabeth Preuß zu dem Thema                  der bestmöglich zu vermitteln.
                        „Menschenwürde ist unantastbar“ und Prof. Dr. Dr.
                        Heiner Bielefeldt zu „Demokratie braucht Menschen-                Nora Hahn-Hobeck
                        rechte“ zur aktiven Auseinandersetzung der eigenen                Koordinierungs- und Fachstelle „Demokratie leben!“
                        Sicht- und Handlungsweisen angeregt.
                        Erste Impulse aus den Vorträgen und der sich daran                Silvia Klein
                        anschließenden Diskussion konnten in den danach                   Koordinationsstelle Integration
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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Einladung
Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Demokratie- und Integrationskonferenz der Stadt
Erlangen am Freitag, den 26. Januar 2018, 12:30 bis
18 Uhr, Rathaus, Foyer und Ratssaal, 1. OG laden wir
Sie herzlich ein. Das Thema der Demokratie- und In-
tegrationskonferenz lautet „In Zeiten von Populismus
und Ausgrenzung – wie können wir demokratische
Strukturen stärken?“. Dieser Schwerpunkt wurde –
wie es bereits gute Tradition ist – auf der letzten               Wir würden uns freuen, wenn Sie uns bei diesem
Integrationskonferenz im Januar 2017 ausgewählt.                  wichtigen Thema durch Ihre aktive Mitarbeit unter-
                                                                  stützen würden und bitten Sie, sich bis 19. Januar
Seit langem ist die Stadt Erlangen in diesem Themen-              2018 per Email unter integration@stadt.erlangen.de
bereich engagiert und bezieht auch Stellung, wie in               anzumelden.
den vergangenen Jahren mit dem Kampagnenmotto
„Menschenwürde = unantastbar“. Dennoch haben                      Sie haben eine Behinderung und brauchen daher
nicht zuletzt die Wahlergebnisse 2017 gezeigt, dass               besondere Unterstützung, einen Gebärdensprach-
die bundespolitischen Entwicklungen in Sachen                     dolmetscher, eine Induktionsanlage oder Ähnliches?
Populismus auch vor Erlangen nicht haltmachen.                    Kein Problem. Melden Sie sich so bald wie möglich
                                                                  bei uns, gerne auch telefonisch unter 09131/86-1325.
                                                                  Wir kümmern uns darum, dass Sie ohne Schwierig-
                                                                  keiten an unserer Veranstaltung teilnehmen können.

                                                                  Frohe Festtage und ein gutes neues Jahr wünschen
                                                                  Ihnen

                                                                  Dr. Florian Janik
Auch aus diesem Grund hat sich die Stadt Erlangen                 Oberbürgermeister
entschlossen, seit Mai 2017 am Bundesprogramm
„Demokratie leben!“, dem zentralen Baustein der                   Dr. Elisabeth Preuß
Bundesregierung zur Extremismusprävention und                     Bürgermeisterin
Demokratieförderung, teilzunehmen. Da im Rahmen
dieses Programms eine Demokratiekonferenz vorge-
sehen ist, haben wir die beiden Konferenzen zusam-
mengelegt, so dass die 10. Integrationskonferenz die-
ses Mal zugleich auch die Demokratiekonferenz ist.

                                                                                                                                                5
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                        Ablaufplan der Integrationskonferenz 2018
                        12:30 bis 13:30 Uhr, Foyer des 1. OG
                        Get-together, Graffitis und Imbiss

                        13:30 bis 15:00 Uhr, Ratssaal
                        Moderation: Silvia Klein

                        • Eröffnung und Begrüßung durch
                          Oberbürgermeister Dr. Florian Janik
                        • Vortrag Bürgermeisterin Dr. Elisabeth Preuß: „Menschenwürde ist unantastbar“
                        • Vortrag Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt, Lehrstuhl für Menschenrechte an der FAU Erlangen-Nürnberg:
                          „Demokratie braucht Menschenrechte“
                        • Fragen und Diskussion

                        15:00 bis 15:20 Uhr, Kaffeepause
                        15:30 bis 17:00 Uhr, Workshops
                        • Argumentationstraining gegen Stammtischparolen mit Constanze Borckmann von der mobilen
                          Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern | Raum: 11. OG – 1101
                        • Workshop zum Thema Vorurteile mit Julia Oschmann von der Abteilung Pädagogik rund um das
                          Dokumentationszentrum Nürnberg | Raum: 14. OG – Konferenzraum
                        • Sensibler Umgang mit Sprache mit Ella Schindler von den Neuen deutschen Medienmachern |
                          Raum: 8. OG – 820
                        • „Krise des Vertrauens in die Politik?“ mit Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt vom Lehrstuhl für Menschenrechte
                          an der FAU Erlangen | Raum: 1. OG – kleiner Sitzungssaal
                        • „Oh, eine Dummel“ – geführter Ausstellungsbesuch mit Stefanie Fritzsche, Ausstellungsmacherin,
                          zuständig für Öffentlichkeitsarbeit & Projekte, CD-Kaserne gGmbH Celle | Treffpunkt: Ausstellung im EG –
                          Foyer

                        17:15 bis max. 18:00 Uhr, Foyer des 1. OG
                        • Abschließende Kurzpräsentationen der Workshopleiter*innen über die zentralen Ergebnisse und Aussagen
                        • Abstimmung über das Thema für die Integrationskonferenz 2019
                        • Dank und Verabschiedung durch Bürgermeisterin Dr. Elisabeth Preuß

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Einleitende Präsentation

      Herzlich Willkommen
     zur 10. Demokratie‐ und
      Integrationskonferenz
        der Stadt Erlangen!
       26.01.2018

                                              Thema
           „In Zeiten von Populismus
             und Ausgrenzung – wie
           können wir demokratische
               Strukturen gestärkt
                    werden?“
       26.01.2018

                                                                                                                                                7
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                                                            Populismus
                               Das lateinische Wort populus heißt
                               Volk. Populismus bedeutet, so zu
                               tun, als ob man wüsste, was für
                               die gesamte Gesellschaft
                               (für das Volk) am besten sei.
                                                                                              POLITIK LEXIKON FÜR JUNGE LEUTE

                             26.01.2018

                                                           Populismus
                            «The year 2016 is indeed the year of the
                            populist, and Donald Trump is its apotheosis.»
                                                                                           (J. Eric Oliver & Wendy M. Rahn (2016: 190)

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                                        Populismus
      • Rechtspopulismus ist eine Strategie, die
         auf Polarisierung, das Schüren von Ängsten
         sowie Ab‐ oder Ausgrenzung setzt. Sie wird
         in erster Linie von politischen Parteien
         genutzt.
      • Linkspopulismus betont den Gegensatz
         zwischen „oben“ („die kapitalistischen
         Eliten“ bzw. „Ausbeuter“) und „unten“
        („wir“, „das Volk“, „die Unterdrückten“).

       26.01.2018

                              Ausgrenzung

     Exklusion    Ausgrenzung
            Ausschluss
     Beschreibt in der gehobenen Umgangssprache die
     Tatsache, dass jemand von einem Vorhaben, einer
     Versammlung und Ähnlichem ausgeschlossen wird.
                                                         Quelle: http://worterbuchdeutsch.com/de/ausgrenzung

       26.01.2018

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz - Dokumentation 26. Januar 2018 - Stadt Erlangen
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                                                       Ausgrenzung
                             Formen von Ausgrenzung:
                                        Materieller Armut                                     Religionszugehörigkeit

                             Geschlecht                                                                               Alter

                                Ethnie
                                                                                                                        Behinderung

                           Sexueller Orientierung

                                                                           Soziale Ausgrenzung

                                                               Demokratie
                                                    Demokratie in der Antike
                                 • Demokratie kommt aus dem Griechischen
                                   und bedeutet „Herrschaft (Kratos) des
                                   Volkes“ (Demos).
                                 • Demokratie ("Volksherrschaft") ist die
                                   wohl anspruchsvollste Staatsform ‐ sowohl
                                   für die Regierenden wie auch für das Volk.
                                                          Quelle: https://demokratie.geschichte‐schweiz.ch/definition‐demokratie.html

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                                       Demokratie
                                Moderne Demokratie

        „Die moderne Demokratie entsteht im 17. und
        18. Jahrhundert infolge politischer, kultureller
        und sozialer Veränderungen. Wegweisend für
        ihre Ausgestaltung sind die Entwicklungen in
        England, Frankreich und den USA.“
                                  Quelle: http://www.bpb.de/izpb/248555/wege‐zur‐modernen‐demokratie

       26.01.2018

                               Demokratie
        „Demokratie schafft die Grundlage für eine
        Vielfalt moderner politischer Ordnungen,
        deren gemeinsames Kennzeichen die
        Volkssouveränität und die Beschränkung
        politischer Herrschaft ist“
                 29.000
                                                           Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

                                      78.00

       26.01.2018

                                                                                                                                               11
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                                                       Demokratie
                              ... eine Staatsform mit einer Verfassung,
                                  die allgemeine persönliche und politische
                                  Rechte garantiert, mit fairen Wahlen und
                                  unabhängigen Gerichten.
                              … Entscheidung durch die Betroffenen.
                              … die Regierung des Volkes durch das
                                  Volk für das Volk.

                               26.01.2018

                                                       Demokratie
                                                            Toleranz
                                                    Grundrechte Chancengleichheit
                                            Faire Wahlen                                                Teilhabe

                                                Parteien    Mehrheitsprinzip
                                            Menschenrechte    Mitbestimmung
                                                     Gerechte Gesellschaft

                               26.01.2018

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                                    Demokratie

       26.01.2018

                                  Ausstellung
    Hinweis:

                         im Foyer des Rathauses
       26.01.2018

                                                                                                                                               13
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                             Demokratie und Meinungsfreiheit
                             statt Populismus und Ausgrenzung
                             Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf Sie alle                  Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche uns
                             sehr herzlich begrüßen und freue mich, dass Sie                   allen, dass die heutige Konferenz uns weiter voran-
                             sich die Zeit nehmen, am Freitagnachmittag ins Er-                bringt und dass wir wie in den vergangenen Jahren
                             langer Rathaus zu kommen. Sie sind bereit, in ihrer               Freude daran haben, zu diskutieren. Die Konferenz
                             Freizeit mit uns gemeinsam darüber zu diskutieren,                ist ein wichtiger Ort zum Austausch. Vor allem aber
                             was Integration und Demokratie für unsere Stadt                   ist sie ein Ort, an dem einen Nachmittag lang inten-
                             konkret bedeuten. Und Sie sind bereit, die Stadtge-               siv gemeinsam gearbeitet wird. Das, was Sie heute
Dr. Florian Janik
                             sellschaft dabei zu unterstützen, bei Themen voran-               erarbeiten, hat Bedeutung. Die Ergebnisse werden
Oberbürgermeister            zukommen, die uns alle bewegen, die uns auf den                   mitgenommen und in den nächsten Wochen und
                             Nägeln brennen, die viele Fragen aufwerfen.                       Monaten ganz konkret bearbeitet. Sie sollen einflie-
                                                                                               ßen in die Arbeit der Stadtverwaltung und natürlich
                             Ich freue mich sehr, dass Sie alle hier sind. Bitte               auch in die Stadtgesellschaft eingebracht werden.
                             gestatten Sie mir, einige der hier Anwesenden na-
                             mentlich zu begrüßen. Wie wichtig wir als Stadtver-               Letztes Jahr sind wir zum Thema „Ankommen, er-
                             waltung die heute hier behandelten Themen finden,                 wachsen werden, Arbeit finden, welche Bildungs-
                             lässt sich daran ersehen, dass die Hälfte der Erlan-              angebote brauchen junge (Neu)-Zuwanderer?“ zu-
                             ger Stadtspitze hier ist. Ich darf ganz herzlich meine            sammengekommen. Bei der Konferenz sind ganz
                             Stellvertreterin, Frau Bürgermeisterin Dr. Preuß, Frau            konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet wor-
                             Steinert-Neuwirth, Referentin für Bildung, Kultur und             den. Sie enthalten die Erfahrungen von Leuten aus
                             Jugend und Herrn Ternes, Referent für Recht Sicher-               der Praxis, von denjenigen, die sich mit dem Thema
                             heit und Personal, begrüßen. Aus dem Stadtrat be-                 wissenschaftlich auseinandersetzen, von ehrenamt-
                             grüße ich Kollegin Niclas, Kollegen Ortega, Kollegen              lich Engagierten und von Bürgerinnen und Bürgern.
                             Agha und Kollegin Radue von der SPD-Fraktion. Für                 Und ich versichere Ihnen: Das damals erarbeitete
                             die FDP-Fraktion ist Kollege Dr. Zeus anwesend, für               Papier ist nicht in den Schubladen des Rathauses
                             die Grüne Liste Kollege Wening. Für den Ausländer-                verschwunden. Vielmehr haben wir es immer wieder
                             und Integrationsbeirat begrüße ich stellvertretend für            hervorgeholt. Wir haben eine Reihe von Arbeitsgrup-
                             die vielen hier anwesenden Mitglieder die Vorsitzen-              pen, städtische und nichtstädtische Institutionen,
                             de Lili Yaver.                                                    mit den Fragestellungen und Anregungen befasst.
                                                                                               Herausgekommen sind eine ganze Menge konkreter
                             Den Hauptreferenten des Tages haben wir aus dem                   Dinge. Und die Statistik belegt ganz gut, dass wir
                             fernen Spardorf eingeflogen. Lieber Professor Biele-              bei der Integration von (Neu)-Zugewanderten, wieder
                             feldt, herzlich willkommen im Sitzungssaal des Er-                einen Schritt vorangekommen sind. Und gleichzeitig
                             langer Rathauses. Wir alle schätzen Sie und Ihre                  wissen wir, dass wir noch viel an der Stelle zu tun
                             Beiträge sehr. Deshalb ist es immer wieder schön,                 haben. Wenn wir den Arbeitsmarkt betrachten, so
                             dass wir nicht lange fragen und betteln müssen,                   stellen wir fest, dass die Arbeitslosenquote bei Mi-
                             wenn wir Sie als Referenten gewinnen wollen. Vielen               grantinnen und Migranten deutlich höher liegt. Das
                             Dank, dass wir auch auf diese Anfragen gleich eine                ist kein Erlanger Phänomen, sondern deutschland-
                             Zusage bekommen haben. Vielen Dank, dass Sie                      weit festzustellen. Mangelnde Sprachkenntnisse und
                             sich die Zeit nehmen!                                             Schwierigkeiten bei der Anerkennung vorhandener

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Qualifikationen gehören hauptsächlich zu den Pro-                 garten beschränke, da kann ich bestimmen, welche
blemstellungen. Wir stellen aber auch fest, dass wir              Pflanze darin wächst.
grundsätzliche Kenntnisse über den Arbeitsmarkt
und die Arbeitsmarktinstitution vermitteln müssen.                Diese Tendenz beschränkt sich nicht nur auf die
Geeignete Ausbildungsmöglichkeiten zu organisieren                Themen „Migration“ und „Flucht“. Viele Menschen
aber auch geeignete Fortbildungsangebote für Mig-                 sind verängstigt und frustriert darüber, wie unser
rantinnen und Migranten müssen erarbeitet werden.                 Wirtschaftssystem ausartet. Ich erinnere an die vor
Es sind dicke Bretter, die wir zu bohren haben. Die               kurzem veröffentlichten „Paradise Papers“. Ich habe
letztjährige Konferenz hat dazu viele wichtige Anre-              mit vielen Menschen über ihre Wahrnehmung davon
gungen geliefert. Wir haben im letzten Jahr viel ge-              gesprochen. Das wird als Machtlosigkeit erlebt. Es
arbeitet und bei den Bemühungen werden wir auch                   besteht das Gefühl, „Mensch da gibt es Leute, die
in Zukunft nicht nachlassen.                                      haben so viel Geld, die entziehen sich vollkommen
                                                                  jeder staatlichen Kontrolle.“ Die Antworten, die wir
Sehr geehrte Damen und Herren, heute beschäfti-                   als demokratisches System von uns geben, sind ob-
gen wir uns mit einem anderen hochaktuellen The-                  jektiv betrachtet unbefriedigend. Egal ob wir das auf
ma, nämlich mit der Frage, wie wir demokratische                  Deutschland beziehen oder Europa – der berechtigte
Strukturen in Zeiten von Populismus und Ausgren-                  Vorwurf lautet: „Die werden der Lage nicht Herr. Da
zung stärken können. Zunächst einmal stellt sich                  entzieht sich jemand unserem Rechtssystem und
die Frage, über welche Phänomene wir eigentlich                   das kann doch nur falsch sein.“ Und von dieser
sprechen. Aus meiner Sicht greift es zu kurz, wenn                Wahrnehmung ist es nicht mehr weit zu der Einstel-
man versucht, alles mit dem einfachen Schlagwort                  lung: Wenn es an dieser Stelle so falsch läuft, dann
„Rechtspopulismus“ zu beschreiben. Es steckt schon                müssen wir alles rückgängig machen, was vielleicht
mehr dahinter. Die Entwicklungen, die wir erleben,                auch nur in Ansätzen damit zu tun hat. Dann müs-
sind nicht nur ein deutsches, sondern ein weltweites              sen wir uns wieder ganz zurückziehen auf unseren
Phänomen. Überall ist festzustellen, dass Menschen                ganz eigenen kleinen Raum.
wieder verstärkt dazu neigen einfache Antworten zu
glauben; dass man sich nicht die Mühe machen                      Mit diesem Beispiel will ich ausdrücken: Es greift zu
will oder kann, den anstrengenden Prozess von De-                 kurz, Populismus, Rechtspopulismus auf die Frage
mokratie auf sich zu nehmen; dass Menschen den                    von Ausländerfeindlichkeit zu reduzieren. Es geht
Wunsch verspüren, in einer zunehmend komplexen                    um die grundsätzliche Frage, wie wir in demokra-
Welt die Grenzen enger zu ziehen. Und damit meine                 tischen Gesellschaften zusammen leben wollen. Ja:
ich nicht nur Staatsgrenzen. Wahrscheinlich kennt                 In einer Demokratie zu leben, ist anstrengend. Auf
jeder von uns das Gefühl, dass man Ereignisse des                 komplizierte Fragen, leichte Antworten zu geben,
Weltgeschehens nicht versteht und vielleicht auch                 das ist ja überaus verführerisch. Wer Kinder hat, der
nicht verstehen will und dann versucht, den Raum                  kennt das, wenn man versucht ist, mit einer leichten
über den man nachdenkt und den man beobachtet,                    Antwort das Gespräch zu beenden. Aber zum Glück
ein bisschen kleiner zu ziehen. Man gibt sich der                 akzeptieren die meisten Kinder die leichte Antwort
Hoffnung hin, so wieder mehr Kontrolle auszuüben,                 höchstens bis zum nächsten Tag. Dann merken sie,
nach dem Motto: Wenn ich mich auf meinen Vor-                     dass sie die Dinge so nicht verstehen können und

                                                                                                                                               15
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                        fangen an, weiter nachzufragen. In solchen Situatio-              gemeinsam die Gedanken zu machen, was wir er-
                        nen merkt man, dass leichte Antworten auf kompli-                 reichen wollen und wie wir es erreichen können. Wir
                        zierte Zusammenhänge nicht weit tragen. Natürlich                 müssen aber auch selbstkritisch reflektieren: Auch
                        ist es mühevoll, sich statt der einfachsten Antwort               heute kommen wieder Menschen zusammen, die
                        zu überlegen, wie man komplizierte Dinge erklären                 mehr oder weniger dieselben Themen bewegen. Und
                        kann. Doch es lohnt sich.                                         natürlich ist es wichtig, sich zusammenzufinden und
                                                                                          zu sagen: Wir stehen gemeinsam ein für Solidarität
                        Demokratische Prozesse zu vermitteln, das ist nicht               in unserem Land kämpfen gegen Ausländerfeind-
                        einfach und kostest Mühe. Doch Demokratie lebt da-                lichkeit und Fremdenfeindlichkeit. Doch wir müssen
                        von, dass man sein Gegenüber achtet, auch dann,                   uns dringend die Frage stellen, wie wir wieder dieje-
                        wenn man nicht seiner Meinung ist. Demokratie be-                 nigen Menschen ansprechen können, die sich nicht
                        deutet auch, dass man immer wieder den Versuch                    mehr angesprochen fühlen. Es ist wichtig, dass wir
                        unternimmt, das Gegenüber trotzdem zu verstehen                   die Lebenssituation dieser Menschen in den Blick
                        und ins Gespräch zu kommen. In der Geschichte                     nehmen. Es geht um die Menschen, die Zweifel ha-
                        haben wir gelernt, dass der Weg einer Gesellschaft,               ben, dass es zu einer Verbesserung ihrer Lebenssi-
                        die diesen Anspruch aufgibt, in Unfreiheit und Aus-               tuation kommt, dass ihre Probleme tatsächlich ernst
                        grenzung, ja schlimmstenfalls sogar in katastrophale              genommen werden.
                        Kriege führt. In historischer Perspektive ist uns klar,
                        dass es sich lohnt, die Demokratie zu verteidigen.                Sehr geehrte Damen und Herren, wir dürfen nicht
                                                                                          nur über Haltungen sprechen, sondern müssen uns
                        Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir in die                    auch der Situation den Menschen widmen, der tat-
                        Welt schauen, dann merken wir, dass diese Errun-                  sächlichen ebenso wie der gefühlten. Dazu braucht
                        genschaften nicht selbstverständlich sind. In den                 es den demokratischen Weltstreit um die besten
                        meisten Ländern dieser Welt erleben Menschen                      Ideen. Und an dieser Stelle ist ein Streit überhaupt
                        nicht, wie wertvoll es ist, seine Meinung frei äußern             nichts negatives, sondern etwas sehr Positives.
                        zu dürfen. Vielerorts muss man sich sehr genau
                        überlegen, welche Meinung man vertritt. Und trotz-                Ich bin gespannt mit Ihnen darüber heute Nachmit-
                        dem ist es unglaublich mühevoll, wieder Wege zu                   tag zu diskutieren. Ich weiß, dass wir heute Nach-
                        finden, Menschen für die Demokratie zu begeistern.                mittag wahrscheinlich auch nicht die Lösung aller
                        Demokratie und Meinungsfreiheit werden bei uns als                Probleme herbeiführen werden. Aber wenn wir am
                        Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Schlimmer                    Ende der Konferenz zumindest Ideen für die nächs-
                        noch: Immer häufiger sagen Menschen: „Ja, viel-                   ten Schritte gesammelt haben, sind wir ein wichti-
                        leicht sind die einfachen Antwort doch richtig und                ges Stück vorangekommen.
                        ich probiere es einmal mit denen, die die einfachen
                        Antworten geben.“                                                 In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen
                                                                                          Nachmittag im Erlanger Rathaus, gute Gespräche
                        Wie wir wieder Menschen von Demokratie begeis-                    und alles was sonst zu einer erfolgreichen Konferenz
                        tern können, darum soll es heute gehen in Vorträ-                 gehört.
                        gen und Arbeitsgruppen. Es ist sehr wichtig, sich

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Und bevor es jetzt weitergeht, möchte ich Sie noch
um einen lauten Applaus bitten: Denn dass Sie jetzt
alle hier zusammensitzen, ist nicht mir zu verdanken,
sondern dahinter steckt viel Arbeit von Kolleginnen
und Kollegen, die die Konferenz seit vielen Wochen
und Monaten mit sehr viel Herzblut vorbereitet ha-
ben. Die dafür gesorgt haben, dass vom herzlichen
Empfang bis zur guten Verabschiedung alles gut
läuft.

Mein Dank gilt Till Fichtner, Nora Hahn-Hobeck, Silvia
Klein, Anke Somnitz und den zwei Praktikanten, Frau
Mantashyan und Herrn Celik. Und die haben den
lautesten Applaus des heutigen Tages verdient.

                                                                                                                                               17
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                              Menschenwürde ist unantastbar
                              Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein:                   de Gift von Intoleranz und Gleichgültigkeit. Wir müs-
                              Die amerikanischen Wähler wählen einen Präsiden-                  sen wachsen und lernen, um denjenigen, die den
                              ten, der es normal findet, Frauen in den Schritt zu               vermeintlich leichten Weg der Abschottung gehen
                              fassen. Der türkische Präsident bringt das Volk auf               wollen, zu zeigen, dass dieser Weg eine Sackgasse
                              der Straße dazu, skandierend die Einführung der                   ist, die zu Stillstand und Ungerechtigkeit führt und
                              Todesstrafe zu fordern, verdrängend, dass es ihre                 unserem Rechtsstaat großen Schaden zufügen wird.
                              eigenen Kinder, Freunde oder Nachbarn sein können,
Dr. Elisabeth Preuß
                              die aufs Schafott geführt werden. Dresdner äußern                 Unsere Lebensweise, die geprägt ist von den Freihei-
Bürgermeisterin               Angst vor Muslimen, obwohl es in ihren Städten                    ten, die unser Grundgesetz garantiert, ist kein unver-
                              kaum Gelegenheit gibt, diese zu treffen. Ein Politiker,           letzlicher Fels in der Brandung, der von kleinen oder
                              dessen Arm ähnliche Bewegungen macht wie den                      höheren politischen Strudeln und Wogen umspült
                              Hitlergruß und der das Berliner Holocaustdenkmal                  wird. Unsere Freiheiten, unsere freiheitliche Lebens-
                              verunglimpft, darf weiter im thüringischen Landtag                weise sind, auch wenn so mancher das meint, nicht
                              sprechen. Menschen malen einen Strich auf ihren                   selbstverständlich, nicht immun, nicht unverletzlich,
                              Garagenvorplatz und erklären, dass dahinter die                   sondern müssen gehütet werden wie unser Augapfel.
                              Bundesrepublik endet. Lesben und Schwule werden                   Tausende von Angriffen gegen Synagogen, Mosche-
                              in die Nähe von Triebtätern gestellt und patrioti-                en, Zeitungsredaktionen oder Flüchtlingsheime sind
                              sche Europäer haben so wenig Anstand und kein                     in Wahrheit Angriffe auf das Grundrecht Religions-
                              Mindestmaß an Diskursfähigkeit, dass sie unsere                   freiheit, das Grundrecht Versammlungsfreiheit, das
                              Bundeskanzlerin an den Galgen fordern. Menschen                   Grundrecht Asyl und das Grundrecht Pressefreiheit.
                              glauben blind Nachrichten aus Kanälen, in die jede
                              Nachricht ungeprüft hineingestellt werden kann. Und               Das passiert in vielen Ländern Europas. Daher hat
                              einige dieser Kanäle werden auch paradoxerweise                   der Europarat das Netzwerk „Intercultural Cities“ ge-
                              noch als soziale Medien bezeichnet, obwohl sie un-                gründet, dem Erlangen als 100. Stadt vor wenigen
                              gestraft Lügen, Gerüchte, Vorurteile und Vorverurtei-             Jahren beigetreten ist.
                              lungen verbreiten.
                                                                                                An dieser Stelle danke ich Silvia Klein, denn die Hür-
                              Höchste Zeit also, dass die Demokraten dieses Lan-                den, diesem Netzwerk beitreten zu können, waren
                              des sich noch besser organisieren, noch deutlicher                hoch, und der Expertise, dem Erfahrungsschatz, den
                              akzentuieren, noch öffentlicher Vielfalt verteidigen,             vielfältigen Integrationsmethoden, die wir von unse-
                              Zivilcourage zeigen und aufstehen gegen Jene, die                 ren ICC-Schwesterstädten lernen können, stand eine
                              unser Grundgesetz nicht kennen, im Geschichtsun-                  aufwändige Recherche gegenüber.
                              terricht nicht aufgepasst haben oder die aus Verdun
                              und Stalingrad nichts gelernt haben.                              Die wissenschaftlichen Mitarbeiter von ICC analysie-
                                                                                                ren die Mitgliedsstädte, erstellen Indices für interkul-
                              Herzlich willkommen also zur Demokratiekonferenz.                 turelle Inklusivität. Sie zeigen auf, an welchen Stellen
                                                                                                wir noch Nachholbedarf haben, also eher exklusive
                              Wir hoffen auf Ihre Mitarbeit, auf Ihre Ideen, damit              als inklusive Strukturen haben.
                              wir uns gemeinsam stärken gegen das schleichen-

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Dafür sind wir dankbar. Denn auch wenn wir dank                   Grundgesetzes an vielen Punkten verlassen, weiter
des Bundesprogramms „Demokratie leben“ und un-                    Gift in die Demokratie einleiten. Die Gleichberech-
zähligen Demokratie-Werkern in Erlangen ein gutes                 tigung der Frau, das Verbot von Diskriminierung
Netzwerk und gute Instrumente haben, müssen wir                   aufgrund von Herkunft, Religion oder sexueller Ori-
doch erkennen, dass das Netzwerk sich schwer tut,                 entierung, Pressefreiheit, um nur einige wenige zu
in unbekannte Gegenden vorzustoßen und dass un-                   nennen, haben Verfassungsrang und werden von
sere Instrumente nicht immer die Wirksamkeit ha-                  der AfD offen negiert.
ben, die wir uns wünschen. Die Wissenschaftler von
ICC haben gezeigt, dass Einwohner von Ländern, in
welchen sich die Akteure in den Städten mit den-
jenigen auf Staatsebene über die Integrationspolitik
abstimmen, höhere Zufriedenheit und ein höheres
Gefühl von Sicherheit haben. Das ist ein klarer Auf-
trag dafür, dass sowohl die Stadt über den deut-
schen Städtetag und andere Gremien als auch un-
sere Bundestagsabgeordneten, aber auch NGOs, die                  Die Ankunft und die Integration der Flüchtlinge, der
auf Bundesebene organisiert sind, über ihre Vertreter             islamistische Terror, das Gefühl ganzer Gruppen, ab-
in Berlin ihr Wissen und ihre Kooperation anbieten.               gehängt und vergessen zu sein, und weitere Fakten
                                                                  schaffen ein immer noch wachsendes Wählerpoten-
Der Handlungsbedarf in Erlangen wurde uns am 24.                  tial für die AfD.
September des letzten Jahres in aller Deutlichkeit
aufgezeigt: 8,0 % Stimmen für die AfD in Erlangen,                Und dies obwohl wissenschaftliche Analysen des
in sozial belasteten Gebieten sogar ein Durchschnitt              Wahlprogramms zeigen, dass gerade die „Abge-
von 12,7 Prozent, in einzelnen Wahllokalen über 15%.              hängten und Vergessenen“ diesen Status auch bei
                                                                  AfD-Regierungsbeteiligung halten werden. Und ob-
Das hat vielerorts Bestürzung hervorgerufen oder                  wohl ebenso nachweisbar ist, dass das bürgerliche
gar blankes Entsetzen. Und wir müssen uns fragen:                 Deckmäntelchen, das zumindest Teile der AfD immer
Tun wir genug für Demokratie? Tun wir das Richtige?               noch vor den ansonsten rechtsaußen-Kern hängen,
Und tun wir das Richtige ausreichend?                             eine Lüge ist.

Aus heutiger Sicht müssen wir besonders auf Frage                 Die Stadt Erlangen ist aktives Mitleid in einer Vielzahl
3 wohl „Nein“ antworten. Schon immer zeigen Stu-                  von Arbeitsgruppen und Bündnissen gegen Rechts
dien, dass in Deutschland ein Potential für Rechts-               und hat ihre eigenen Aktivitäten unter dem Motto
außen-Stimmen bei Wahlen da ist. Aber anders als                  „Menschenwürde ist unantastbar“ gebündelt.
die Republikaner um Franz Schönhuber, die nach                    Die Stadtspitze läuft bei Demonstrationen gegen
kurzer Zeit wieder in der Versenkung verschwanden,                Intoleranz und Rassismus in der ersten Reihe. Wir
wird die AfD auf der Tagesordnung bleiben und mit                 unterstützen und beteiligen uns an Aktionen aller
Unwahrheiten, mit Geschichtsklitterung und mit pro-               Art, die unsere Demokratie stärken, und werden das
grammatischen Forderungen, die den Rahmen des                     auch weiterhin tun, auch nach dem für mich nach

                                                                                                                                               19
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                        wie vor völlig unverständlichen Urteil des Bundesver-             Nationalisten haben uns in das dunkelste Kapitel
                        waltungsgerichtes Leipzig.                                        unserer Geschichte geführt. Da ist das Löschen
                                                                                          der Lichter an öffentlichen Gebäuden beim Vorbei-
                        Dieses besagt, dass wir Bürgermeister, wenn die                   marsch von heutigen Nationalisten überfällige Ge-
                        NPD, der III.Weg, PEGIDA, oder andere Feinde unserer              schichtsstunde einerseits und zulässige Meinungs-
                        freiheitlich demokratischen Grundordnung, unsere                  äußerung andererseits.
                        Plätze und Straßen missbrauchen, um ihren men-
                        schenfeindlichen, braunen Sumpf zu propagieren,                   Ich komme zurück an den Anfang und zur Frage,
                        nicht mehr zu Widerstand, zu Beteiligung aufrufen                 ob die Welt aus dem Fugen geraten ist: Nein, sie ist
                        dürfen und auch nicht an städtischen Gebäuden                     nicht aus den Fugen geraten. 88% der Deutschen
                        Zeichen setzen dürfen, z. B. die Lichter löschen.                 haben bei der letzten Bundestagswahl nicht die AfD
                                                                                          gewählt. In unserer Stadt Erlangen haben sich nicht
                        Es ist für mich völlig unverständlich, dass diejenigen,           nur zum willkommen heißen weit über 1 000 Men-
                        die den so weiten Rahmen unseres Grundgesetzes                    schen für die zu uns geflüchteten Menschen einge-
                        auf der rechten Seite verlassen haben, vor Gericht                setzt, sondern sie taten dies schon vor September
                        gewinnen, wenn Städte sich wehren, weil sie ein-                  2014 und tun das jetzt, im Jahr 2018, noch immer.
                        gedenk derer, die vor 80 Jahren das gleiche skan-                 Tausende von Schülern haben mit ihrer Unterschrift
                        diert haben, die auf unserem Schlossplatz Bücher                  ihre Schule zur „Schule ohne Rassismus, Schule mit
                        verbrannt haben, deutlich machen wollen, dass ihre                Courage“ gemacht. Tausende Erlanger engagieren
                        Stadtpolitik eine Politik der Vielfalt, der Wahrung der           sich in demokratischen Parteien, arbeiten in Stadt-
                        Grundrechte ist.                                                  teilbeiräten, im Stadtrat, in Vereinen, Gewerkschaften
                                                                                          mit. Und ebenso haben Tausende im September
                        Zitat des Düsseldorfer OB: „Es bleibt die Frage, wie              2015 ihren Namen öffentlich in einer Zeitungsanzei-
                        wehrhaft eine Demokratie sein kann, wenn sie neu-                 ge mit dem ersten Artikel unseres Grundgesetzes
                        tral bleiben muss gegenüber Bestrebungen, die die                 verbunden: „Menschenwürde ist unantastbar“.
                        Grundwerte dieser demokratischen Ordnung wie Hu-
                        manität, Respekt und Vielfalt in Frage stellen.“                  Dieser Satz, Artikel 1 unseres Grundgesetzes, bleibt
                                                                                          Richtschnur unseres Handelns.
                        Ich hoffe sehr, dass unser höchstes Gericht das
                        Urteil korrigieren wird. Denn die Richter sollten er-
                        kennen, wer den Rechtsstaat in Frage stellt und wer
                        ihn schützen will. Die Richter sollten zumindest die
                        Meinungsäußerung von Bürgermeistern, die nicht
                        trotz, bzw. wegen ihrer ausdrücklichen Demokratie-
                        arbeit gewählt wurden, nicht geringer schätzen als
                        die Meinungsäußerung von Nationalisten, die sowohl
                        die unabhängige Gerichtsbarkeit, als auch die freie
                        Meinungsäußerung einschränken werden.

    20
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Demokratie braucht Menschenrechte
Der Hauptvortrag unter dem Titel „Demokratie
braucht Menschenrechte“ wurde von Prof. Dr. Dr. Hei-
ner Bielefeldt vom Lehrstuhl für Menschenrechte an
der FAU Erlangen-Nürnberg gehalten und kann unter
folgendem Link abgerufen werden:
www.erlangen.de/vortrag-bielefeldt

Prof. Dr. Dr. Heiner Bielefeldt ist Professor am Institut
für Politische Wissenschaft und leitet seit 2009/10
den Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschen-
rechtspolitik. Seine Themenschwerpunkte sind die
Theorie und Praxis der Menschenrechte, politische
Ideengeschichte, philosophische Ethik, Rechtsphi-
losophie, interkulturelle Philosophie, Religions- und
Weltanschauungsfreiheit.

                                                                                                                                               21
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                        Ergebnisse der Gruppenarbeit
                        Workshop 1 – Argumentationstraining gegen Stammtischparolen

                        mit Constanze Borckmann von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern
                        Rechte Sprüche können uns überall begegnen, ob                    • mit wem spreche ich und wie gut kenne ich
                        von Bekannten, Freunden, Familie, Arbeitskollegen                   mein Gegenüber
                        oder Jugendlichen. Doch wie soll man mit den Äu-
                                                                                          • bin ich gerade beruflich oder privat im Gespräch
                        ßerungen umgehen? Eine pauschale Lösung gibt es
                        nicht. Das Argumentationstraining bietet die Möglich-             • wo findet die Unterhaltung statt
                                                                                          Mit diesen Erkenntnissen ging es in einen kurzen
                                                                                          Übungsteil. Eine Stammtischrunde wurde nachge-
                                                                                          stellt. Ein Teil der Personen am Tisch vertrat Stamm-
                                                                                          tischparolen, die anderen versuchten, dagegen zu
                                                                                          argumentieren. Bei der gemeinsamen Auswertung
                                                                                          wurde besprochen, was gerade am Tisch passiert
                                                                                          war. Was man beobachten konnte und was Inhalt
                                                                                          des Gespräches war. Zum Abschluss wurden noch
                                                                                          einige offene Fragen beantwortet und eine gemein-
                                                                                          same 10-Punkte-Strategietafel zusammengestellt.
                        keit, Handlungsoptionen auszuprobieren und Alter-
                                                                                          1. Nachfragen: Nachfragen signalisiert dem Gegen-
                        nativen zu diskutieren. Grundlage für den Workshop
                                                                                             über erst einmal: Ich höre dir zu. Fragen, wie z. B.:
                        bildete das eigene Erleben der Teilnehmer*innen
                                                                                             Wie genau meinst du das? Woher hast du diese
                        und der gemeinsame Austausch. Ziel war es nicht,
                                                                                             Informationen? Hast du das selber schon erlebt?
                        möglichst viele Argumente zu sammeln, sondern ei-
                                                                                             können zeigen, dass die Stammtischparole oft
                        gene Strategien zu entwickeln, wie man mit Parolen
                                                                                             auf wenig Grundlage beruht.
                        umgehen kann.
                        Zum Einstieg stellten sich die Teilnehmer*innen kurz
                        vor. Schon hier wurde schnell klar, dass alle sehr
                        ähnliche „Probleme“ im Umgang mit Parolen haben.
                        Themen wie Sprachlosigkeit, Hilflosigkeit, aber auch
                        die Angst, etwas Falsches zu sagen, kristallisierten
                        sich schnell heraus. Im nächsten Schritt wurden
                        verschiedene Parolen gesammelt und Gemeinsam-
                        keiten gesucht. Dabei wurde herausgearbeitet, dass
                        die Parolen oft einen ähnlichen Aufbau haben z. B.
                        verallgemeinernd, Situationen sehr verkürzen, abwer-
                                                                                          2. Hintergrundwissen: Hierbei kann beispielsweise
                        ten, mit Feindbildern arbeiten, usw. Es wurde auch
                                                                                             auf Statistiken oder Studien verwiesen werden.
                        besprochen, was unsere Argumentation alles beein-
                                                                                             Jedoch sollte vermieden werden, andere zu be-
                        flusst z. B.
                                                                                             lehren.

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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

3. Ironie: Ein ironischer Umgang kann helfen,
   Stammtischparolen den Wind aus den Segeln
   zu nehmen und gleichzeitig die Stimmung auf-
   zulockern. Aber Vorsicht: Eine ironisch gemeinte
   Aussage kann auch missverstanden werden oder
   provozierend wirken.
4. Widersprüche aufzeigen: Wenn abfällig über
   Migrant*innen geredet wird, ist es oft die Person
   selbst, die Wurzeln oder Freunde in/aus einem
   anderem Land hat, ausländische Produkte kon-
   sumiert, im Ausland Urlaub macht und ausländi-
                                                                  7. Ich-Botschaften senden und Gefühle äußern: Hier
   sches Essen genießt. Oft lassen sich auch in der
                                                                     wird die Stammtischparole zuerst gespiegelt.
   Stammtischparole selbst Widersprüche finden.
                                                                     Dann werden Ich-Botschaften gesendet, um zu
5. Das „Die“ auflösen: Hier soll verhindert werden,                  zeigen, dass die Aussage so nicht akzeptiert wird.
   dass z.B. alle Migrant*innen in eine Schublade                    Die eigenen Gefühle dürfen dabei zum Ausdruck
   gesteckt werden. Je allgemeiner die Aussage ist,                  gebracht werden, um sich deutlich von der Aus-
   desto schwieriger kann es sich aber anfühlen,                     sage des Gegenübers abzugrenzen.
   dagegenzuhalten.
                                                                  8. Eigene Erfahrungen: Hier werden erlebte Situa-
                                                                     tionen oder kleine Anekdoten, die der Stamm-
                                                                     tischparole entgegenwirken, erzählt. Dabei wird
                                                                     implizites Wissen zum Ausdruck gebracht und
                                                                     vermittelt.
                                                                  9. Unterstützung suchen: Auch andere Personen
                                                                     können in das Gespräch miteinbezogen werden.
                                                                     Wenn einem selber die Worte fehlen, kann man
                                                                     sich gegenseitig in seiner Argumentation unter-
                                                                     stützen. Je mehr Perspektiven ins Bild gerückt
                                                                     werden, desto mehr verliert die Stammtischparole
6. Emotionen ansprechen: Da Vorurteile besonders
                                                                     ihren absoluten Charakter.
   durch ihre affektive Komponente wirken, lassen
   sie sich oft nicht alleine durch Informationen ent-            10. Die „weiche Wand“: Wer nicht diskutieren möchte
   kräften. Es sind meistens die Emotionen, die aus                   oder einfach zu überwältigt von einer Stamm-
   denjenigen sprechen, die sich in Vorurteilen und                   tischparole ist, kann dies dem Gegenüber mit-
   Stammtisch-parolen äußern. Deswegen ist es                         teilen. Es dient vor allem zum Selbstschutz, kann
   wichtig, diese Emotionen anzusprechen.                             Zeit verschaffen und bezieht direkt die emotiona-
                                                                      le Komponente ein.

                                                                                                                                               23
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                        Workshop 2 – Thema: Vorurteile

                        mit Julia Oschmann von der Abteilung Pädagogik rund um das Dokumentationszentrum Nürnberg
                        Fakten über Vorurteile                                            Thema begaben sich die Teilnehmenden als Reise-
                                                                                          gruppe auf die Insel Albatros. Dort trafen sie auf zwei
                        Jeder Mensch hat Vorurteile. Wir alle nutzen sie,
                                                                                          Einheimische deren Sprache und Kultur Ihnen völlig
                        um die Welt um uns herum zu vereinfachen und
                                                                                          unbekannt war. Die gesamte Gruppe wurde von den
                        die unzähligen Informationen, die wir wahrnehmen
                                                                                          Inselbewohner*innen, vertreten durch die Seminar-
                        können, zu filtern. Wir wären sonst überfordert von
                                                                                          leiter, freundlich empfangen und herzlich eingeladen,
                        einer Informationsflut. Also stereotypisieren wir an-
                                                                                          die Kultur, Riten und Gebräuche in ihrem Leben ken-
                        dere und ordnen sie in Schubladen oder Kategorien.
                                                                                          nenzulernen. Durch gezielte Handlungen der Einhei-
                        Das macht die Zuschreibungen von Merkmalen aber
                                                                                          mischen wurden die Seminarteilnehmer*innen dazu
                        nicht per se gut oder schlecht, denn sie helfen uns
                                                                                          angeregt, das Beobachtete zu interpretieren und
                        bei Entscheidungen und geben uns Orientierung.
                                                                                          aufgrund von Erfahrungen zu bewerten. Wie sich
                        Wann werden Vorurteile problematisch?                             zum Schluss herausstellte, waren die Absichten und
                        Vorurteile können aber auch problematisch werden,                 Gründe für diese Handlungen aber völlig andere als
                        wenn daraus Vor-Verurteilungen werden. Wenn die                   von den Teilnehmer*innen erwartet.
                        Zuschreibung, die wir mit einer Gruppe verbinden,
                        negativ ist, generalisierend und abwertend ist, ist
                        sie für den sozialen Frieden einer Gesellschaft pro-
                        blematisch – besonders, wenn die Vorurteile verhal-
                        tensrelevant werden, also zu Taten führen, etwa zu
                        Diskriminierung. Im Workshop ging es darum, den
                        eigenen Vorurteilen auf die Schliche zu kommen und
                        sich gemeinsam zu überlegen, wie wir eigenen und
                        Vorurteilen anderer sinnvoll begegnen können.
                        Erfahrungen im Workshop                                           Mit einer Darstellung des Wahrnehmungsablaufs, der
                                                                                          anschließenden Interpretation von Wahrgenomme-
                        Nach einer kurzen Vorstellung und der jeweiligen
                                                                                          nem, dessen Bewertung und einer folgenden Reak-
                        Darstellung des persönlichen Interesses an dem
                                                                                          tion wurde verdeutlicht, wie diese Schritte je nach
                                                                                          Sozialisierung, Erfahrungen, Moralvorstellungen etc.
                                                                                          abweichen können und welche Gefahren sie bergen.
                                                                                          Stillschweigende Annahmen sind so in der Lage,
                                                                                          zur Entstehung von Vorurteilen beitragen. Es wur-
                                                                                          de sichtbar, dass jeder Mensch aus einem breiten
                                                                                          Repertoire von Vorurteilen schöpft. Diese Vorurteile
                                                                                          übernehmen eine wichtige Rolle in der Kategorisie-
                                                                                          rung und Vereinfachung alltäglicher Vorgänge im
                                                                                          Leben eines Menschen.
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Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

Daraus lassen sich mögliche Schritte im Umgang                    wirkt entgegen Vorurteile „sich selbst verfestigend“
mit Vorurteilen formulieren:                                      unbenannt zu lassen. Das Wertschätzen von Viel-
                                                                  falt und die Gleichwertigkeit aller Menschen muss
                                                                  bereits Kindern und Jugendlichen vermittelt werden.
                                                                  3. Kontakt herstellen
                                                                  Eine Reduzierung von Vorurteilen gelingt am besten,
                                                                  wenn Kontakte zu Menschen oder Gruppen herge-
                                                                  stellt werden, gegen die Vorurteile bestehen. Wenn
                                                                  ein direkter Kontakt entsteht, werden Hemmschwel-
                                                                  len abgebaut und das Erkennen einer Fehleinschät-
1. Hinterfragen ist entscheidend
                                                                  zung erst möglich.
Es gilt Vorurteile wahrzunehmen und immer wieder
auf ihre Berechtigung hin zu hinterfragen. Hierbei
ist eine Sensibilisierung für eigene stillschweigende
Annahmen und Reflexion vorschneller Urteile sowie
ungeprüfter Interpretationen wichtig. Interessant ist:
Sobald wir uns der Tatsache bewusst sind, dass wir
Vorurteile haben, haben wir sie weniger. Auch die
Mechanismen der Entstehung von Vorurteilen zu
erkennen, können entgegenwirken Vorurteilen unre-
flektiert zu begegnen.
                                                                  4. Perspektivenwechsel
2. Benennen von Vorurteilen
                                                                  Sich in die andere Person hineinzuversetzen, kann
Um Vorurteilen die „Tragweite“ zu nehmen, ist es gut,             vermitteln, wie es sich in der diskriminierten Rolle
diese auch aussprechen zu können. Eine Gleich-                    und mit Vorurteilen konfrontiert anfühlt. Durch die-
wertigkeit herzustellen, ermöglicht über vermeintlich             sen Perspektivenwechsel kann eine Reflektion des
tabuisierte Themen offen sprechen zu können und                   eigenen Verhaltens angestrebt werden.

                                                                                                                                               25
Demokratie- und 10. Integrationskonferenz | In Zeiten von Populismus und Ausgrenzung – wie können wir demokratische Strukturen stärken? | Dokumentation

                        Workshop 3 – Sensibler Umgang mit Sprache

                        mit Ella Schindler von den neuen deutschen Medienmachern
                        Unser alltäglicher Sprachgebrauch ist von zahlrei-                nen würden. Das ist allerdings nicht immer möglich.
                        chen Faktoren wie gesellschaftlichen oder politi-                 Zudem kann man bei der Beschreibung von Grup-
                        schen Rahmenbedingungen beeinflusst, ohne dass                    pen nicht davon ausgehen, dass alle dieselbe Präfe-
                        uns dies immer bewusst ist. Er spiegelt gesellschaft-             renz haben. Ein Beispiel: Nicht jeder, der aus einem
                        liche Phänomene wider und kann diese verstärken,                  GUS-Land nach Deutschland eingewandert ist und
                                                                                          Russisch spricht, ist ein Russe bzw. ist mit dieser
                                                                                          Zuschreibung einverstanden.
                                                                                          Auch Bezeichnungen für bestimmte Ereignisse be-
                                                                                          einflussen unser Urteil darüber. Beispiel: Nach den
                                                                                          Ereignissen im Sommer und Frühherbst 2015 spra-
                                                                                          chen viele von einer „Flüchtlingskrise“. Das Wort ver-
                                                                                          mittelt: Die Ressourcen könnten nicht ausreichen,
                                                                                          um die geflüchteten Menschen zu integrieren und
                                                                                          ein gutes Miteinander zu schaffen. In Deutschland
                                                                                          gibt es aber auch noch nicht genügend Ressourcen,
                                                                                          um jedem Kind unproblematisch und ortsnah einen
                        rechtfertigen oder etablieren. Unser Denken prägt
                                                                                          Krippen- oder Hortplatz zu sichern. Doch niemand
                        unsere Sprache und unsere Sprache prägt unser
                                                                                          käme bei dem Thema auf den Gedanken, dies als
                        Denken. Es ist daher nicht egal, welche Begriffe wir
                                                                                          „Kinderkrise“ zu bezeichnen.
                        verwenden. So läuft man z. B. bei einer allgemeinen
                        Bezeichnung für Einwanderer*innen und ihre Nach-                  Wie sich Dinge verändert haben, dazu wurde bei-
                        kommen Gefahr, das Bild einer homogenen Gruppe                    spielhaft noch eine Untersuchung des Duisburger
                        zu erzeugen. Menschen mit Migrationsgeschichte
                        sind jedoch keineswegs homogen: Aussiedler*innen
                        haben in der Regel mit Geflüchteten aus dem Li-
                        banon so wenig gemeinsam wie kemalistische
                        Türk*innen mit kurdischen Feminist*innen. Mit allge-
                        meinen Bezeichnungen können wir die Betroffenen
                        stigmatisieren, ausgrenzen oder auch in Schubladen
                        stecken, in die sie gar nicht gehören bzw. in denen
                        sie sich gar nicht sehen.
                        Die neuen deutschen Medienmacher setzen sich
                                                                                          Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) aus
                        seit vielen Jahren für einen sensiblen Umgang mit
                                                                                          dem Jahr 2017 über die Berichterstattung über Mig-
                        Sprache ein und erläutern dies anhand von pra-
                                                                                          ration in den vier am stärksten verbreiteten Printme-
                        xisnahen Beispielen. Zunächst wäre es sinnvoll, die
                                                                                          dien des Ruhrgebiets vorgestellt. Es wurde deutlich,
                        Protagonist*innen zu fragen, wie sie sich selbst nen-
    26
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dass sich im Verlauf der Studie das als sogenann-                 • Sich auf das Gespräch vorbereiten/recherchieren,
tes „Sagbarkeitsfeld“ beschriebene Phänomen stark                   bevor man einen Text verfasst: Mit welcher Per-
verändert hatte. In den untersuchten Medien seien                   sonengruppe habe ich zu tun? Beispiel: „Russen“
zunehmend auch rassistische Denkmuster publizier-                   als Synonym für Russlanddeutsche wäre falsch.
bar geworden.
                                                                  • Offen bleiben, sensibel agieren und reagieren, auf
Zumeist aber ist es kein böser Wille, wenn wir falsche              Augenhöhe begegnen.
Begriffe in den Mund nehmen, um Menschen und Er-
                                                                  • Menschen selbst fragen, wie sie bezeichnet
eignisse zu bezeichnen, sondern häufig Unkenntnis
                                                                    werden wollen, statt Deutungshochheit über die
oder auch mangelnde Sensibilität sowie Unsicher-
                                                                    Identität anderer für sich zu beanspruchen.
heit. Im Workshop erarbeiteten die Teilnehmer*innen,
wie wichtig ein bewusster Umgang mit Sprache ist.                 • Begriffe korrekt verwenden bzw. den Kontext be-
                                                                    achten.
Folgendes empfiehlt sich, um mögliche Fehler zu
vermeiden:                                                        • Was nichts zur Sache tut, hat im Artikel/Bericht/
                                                                    Diskussion/Rede nichts zu suchen (gilt nicht nur
• Hinterfragen von gängigen Begriffen und Stereo-
                                                                    für die Herkunft, sondern auch für sexuelle Orien-
  typen (auch eigenen). Beispiel: Ein hautfarbenes
                                                                    tierung, Behinderung)
  Kleid kann auch schwarz sein.

                                                                                                                                               27
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                        Workshop 4 – Krise des Vertrauens in die Politik?

                        mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt vom Lehrstuhl für Menschenrechte an der FAU Erlangen
                        Anhand aktueller globaler Entwicklungen fragen                        Entfremdung von Staat und Politik;
                        sich viele Menschen, ob die Politik gegenüber den
                                                                                          2. Krise öffentlicher Kommunikation: ohne vertrau-
                        wirtschaftlichen Global Players noch handlungsfähig
                                                                                             enswürdige öffentliche Institutionen kein öffent-
                        ist. Selbst demokratisch gewählte EU-Regierungen
                                                                                             licher, angstfrei zugänglicher öffentlicher Raum;
                        spielen sich im Kampf um Steuervorteile gegensei-
                                                                                             Rückgang substanzieller Kommunikation; Rück-
                        tig aus, anstatt gemeinsam und solidarisch nach
                                                                                             zug in hermetisch geschlossene „Chat-Rooms“
                                                                                             oder elektronische „Filterblasen“;
                                                                                          3. Krise des „‘Weltvertrauens“ (Begriff von Hannah
                                                                                             Arendt): zunehmende Orientierungslosigkeit an-
                                                                                             gesichts von „fake news“ und „alternative facts“;
                                                                                             möglicher Verlust der für jede sinnvolle Kommuni-
                                                                                             kation unverzichtbaren Tatsachenbasis; Vorwürfe
                                                                                             von „Lügenpresse“, im Extremfall Verschwörungs-
                                                                                             phantasien.
                        Antworten auf diese Herausforderungen zu suchen.                  Vertrauensverlust – Wo erleben Sie Vertrauens-
                        Sind populistische Erfolge in den Demokratien auch                verlust konkret vor Ort?
                        auf diese Handlungsunfähigkeit der Politik zurück-
                                                                                          Die Teilnehmer*innen berichten über folgende Erleb-
                        zuführen? Und wie können Ansätze für eine neue
                                                                                          nisse, die ihr Vertrauen in die Politik und die Institu-
                        Glaubwürdigkeit aussehen?
                                                                                          tionen erschüttert haben:
                        Leiter: OBM Dr. Florian Janik und Prof. Heiner Bie-
                                                                                          Politik:
                        lefeldt
                                                                                          • Fehlende Transparenz z. B. bei der Gewerbesteu-
                        Protokoll: Silvia Klein
                                                                                            erabgabe von Großfirmen
                        In diesem Workshop wurde zu folgenden Fragestel-
                                                                                          • Nicht gehaltene Versprechen der Politik z. B. bei
                        lungen gearbeitet.
                                                                                            den Verhandlungen über den Verkauf der GBW-
                        Einführung Prof. Bielefeldt:                                        Wohnungen
                        Diagnose einer mehrschichtigen Vertrauenskrise;
                        wechselseitige Einflussnahme der unterschiedlichen
                        Ebenen:
                        1. Krise des Vertrauens in öffentliche Instituti-
                           onen und ihre Repräsentanten: in Teilen der
                           Gesellschaft geringe Erwartungen an die Leis-
                           tungsfähigkeit des Staates; Diskreditierung der
                           „politischen Klasse“ als „elitär“ oder gar korrupt;

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