MITGLIEDER-RUNDBRIEF 2018/19 - Freundeskreis Marburger Theologie Nr. 20, März 2019 - Philipps-Universität ...
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MITGLIEDER-RUNDBRIEF 2018/19 Freundeskreis Marburger Theologie Nr. 20, März 2019 Für Vereinsmitglieder kostenlos Verkaufspreis: € 3,00
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Editorial Liebe Mitglieder des Freundeskreises, liebe Freundinnen und Freunde der Marbuger Theologie, der nun schon 20. Rundbrief des Freundeskreises Marburger Theologie lädt Sie ein, zwei Semester akademisches Leben am Fachbereich an sich vorüber ziehen zu lassen. Personelle Entwicklungen stehen am Anfang des Rundbriefs, gefolgt vom Eröffnungsvortrag des Wintersemesters 2018/19 und einer Rubrik, die im Inhaltsverzeichnis mit „Aktivitäten am Fachbereich“ überschrieben ist und zeigt, wie viel neben dem ordentlichen Lehrbetrieb gelehrt, geforscht und diskutiert wird. Hinwei- sen möchte ich besonders auf die Spalte „Aus den Aktivitäten des Vereins“. Sie spiegelt wider, dass der Verein sich seit der letzten Mitgliederversammlung vorgenommen hat, wieder stärker mit eige- nen Aktivitäten an die Öffentlichkeit zu treten – neben der selbstverständlich weiter gehenden Un- terstützung für andere Initiativen. Stark entwickelt hat sich das Kapitel „Publikationen am Fachbe- reich“. Statt der früheren Listen erhalten Sie nun die Möglichkeit, sich ein kurzes inhaltliches Bild von vielen am Fachbereich entstandenen Publikationen zu machen. Rainer Kessler Inhalt Chronik des Fachbereichs ..................................................................................................... 2 Weihnachtsbrief des Dekans Prof. Dr. Marcel Saß …............................................................. 4 Gedenkakt in memoriam Otto Kaiser …................................................................................ 6 Neu am Fachbereich: Prof. Dr. Maike Schulz …...................................................................... 8 Geburtstage …....................................................................................................................... 9 Karl Pinggéra, Georgien – eine kleine Nachlese zur Buchmesse (Eröffnung WiSe 2018/19) 10 Aus den Aktivitäten des Vereins Förderung eines Deutschlandstipendiums …............................................................... 14 Führer zu den Theologengräbern auf dem Friedhof am Rotenberg …......................... 16 Studientag zur Berufsorientierung …........................................................................... 17 Theologie im Paradies ….............................................................................................. 17 Aktivitäten am Fachbereich Vortrag von Prof. Dr. Anton Friedrich Koch, „Hermeneutischer Realismus“ …............. 18 Lectio Philippina 2018 ….............................................................................................. 19 „Der historische Jesus“, Blockseminar der Proff. Drs. Landmesser und Krüger …........ 19 „Rituale in Bewegung“ – Praktisch-theologische Tagung …......................................... 20 Studientag zum Thema Antisemitismus …................................................................... 21 Bericht vom ersten evangelischen Bildertag …............................................................. 23 29. Feministischer Studientag: (Un)Gehorsam …......................................................... 24 Exkursion des Fachgebietes Altes Testament nach London …...................................... 26 Rudolf-Bultmann-Institut für Hermeneutik .......................................................................... 28 Publikationen am Fachbereich …........................................................................................... 30 Protokoll der Mitgliederversammlung am 20.6.2018 …........................................................ 38 Satzung in der Fassung vom 20.6.2018 ….............................................................................. 41 Impressum …......................................................................................................................... 44 3
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Chronik des Fachbereichs Sommersemester 2018 Dekanatswahlen zum WiSe 2018/19 Miesner, Caroline Dekan: Prof. Dr. Marcell Saß „Sich geben lassen“. Das Abendmahl als (1.10.2018 – 30.09.2020) wirkmächtiges Ereignis. Prodekan: Prof. Dr. Friedemann Voigt Gutachtende: Prof. Dr. Dietrich Korsch (1.10.2018 – 30.09.2019) Prof. Dr. Claus-Dieter Osthövener Rufannahme: Ehrung der 50. Wiederkehr PD Dr. Maike Schult (Fachgebiet Praktische Doktorpromotion: Theologie – W3 Professur) Dr. Gerhard Breidenstein Dr. Jürgen Büchsel Personalia: Dr. Friedrich Dreißigacker Verwaltungsangestellte Alexandra aus dem Dr. Walter Sohn Spring (ab 17.09.2018 – Dekanat / Studiendekanat) Magister Theologiae: Wiss. Mitarbeiter Ferdinand Liefert Claus Aschenbrenner (ab 01.08.2018 – BMBF Projekt Prof. Dr. Beinhauer-Köhler) „Was ist der Glaube angesichts des Zweifels? Paul Tillichs Bestimmungen des formalen Wiss. Mitarbeiterin Hannah Kress Glaubensbegriffs und ihr bleibender Ertrag (ab 22.09.2018 – Vertretungsstelle FG Neues für die christliche Religion.“ Testament) Gutachtende: Prof. Claus-Dieter Osthövener Wiss. Mitarbeiterin Eva Maria Kreitschmann Prof. Malte Dominik Krüger (ab 22.09.2018 – Vertretungsstelle FG Neues Testament) Patrick Fock „Prostituierte als soziale Kategorie im Alten Promotion: Testament. Zur Bedeutung und Herkunft des Bloch, Gregor Begriffs zwnh.“ „Die calvinistischen Wurzeln der praktischen Gutachtende: Philosophie der schottischen Aufklärung. Prof. Dr. Alexandra Grund-Wittenberg Francis Hutcheson, David Hume und Adam Prof. Dr. Jutta Krispenz Smith“ Gutachtende: Prof. Dr. Friedemann Voigt Annika Theophil Prof. Dr. Claus-Dieter Osthövener „Die Inszenierung des Gottesdienstes am Beispiel von Vertonungen des 42. Psalms Faragalla, Joseph Tharwat Amir (Palestrina, Mendelssohn, Distler).“ „Sim‘ãn b. Kalĩl Leben und Werk“. Mit einer Gutachtende: Prof. Dr. Thomas Erne Edition der «Einleitung in die Psalmen». Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau Gutachtende: Prof. Dr. Karl Pinggéra Prof. Dr. Stefan Weninger 4
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Wintersemester 2018/19 Personalia: christlichen Kirchen und Konfessionen ver- Prof. Dr. Maike Schult (FG Praktische dient gemacht. Theologie, ab 01.10.2018) Wiss. Mitarbeiterin Josephine Haas Promotionen: (FG Altes Testament, ab 01.10.2018) Winkelmann, Judith Wiss. Mitarbeiter Christian Kolodzey „weil wir nicht vollkommen sein müssen“ Zum (FG Praktische Theologie, ab 01.10.2018) Umgang mit Belastungen im Pfarrberuf Wiss. Mitarbeiterin Amelie Rüppel Gutachtende: Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau (FG Sozialethik, ab 01.10.2018) Prof. Dr. Kerstin Lammer Projektmitarbeiterin Elena Hietel (Evang. Hochschule Freiburg) (FG Praktische Theologie / Religionspädagogik, ab 01.01.2019) Schmied, Mareike Verw.-Angestellte Jutta Balzereit (An-)Klage Gottes. Transformationen der (Dekanat/Studiendekanat, ab 16.01.2019) Gottesbilder im Midrasch zu den Klageliedern. Gutachtende: Prof. Dr. Christl M. Maier Ehrenpromotion der Universität Basel für Prof. Dr. Michael Tilly (Tübingen) Hans-Martin Barth Die Theologische Fakultät der Universität Hofmann, Frank Basel verlieh die diesjährige Ehrendoktor- würde dem Deutschen Prof. Dr. Hans-Martin „Wie redet Gott mit uns? Eine sprachtheoretische Barth. Der evangelisch-reformierte Theologe Analyse des Begriffs „Wort Gottes“: Augustinus- und emeritierte Professor an der Philipps- Martin Luther-Karl Barth“ Universität Marburg hat sich in Forschung Gutachtende: Prof. Dr. Dietrich Korsch und Lehre wie auch in der Praxis um die Prof. Dr. Claus-Dieter Osthövener ökumenische Verständigung zwischen den Herzliche Glückwünsche an unser Mitglied Prof. Dr. Hans-Martin Barth (Mitte)! 5
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Weihnachtsbrief des Dekans zu Weihnachten 2018 Prof. Dr. Marcel Saß Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch mit der Ausweitung schulpraktischer liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Phasen. Die Re-Akkreditierung der beiden Fachbereich Evangelische Theologie! Studiengänge Magister und Master Theol. steht vor der Tür. Nach intensiver Debatte ha- „Erfindet Euch neu!“ Diese schriftliche Lie- ben wir die neuen Studienordnungen dieses beserklärung des französischen Philosophen Jahr beschlossen und blicken zuversichtlich Michel Serres an die vernetzte Generation ha- nach vorn auf Begutachtung und Begehungen be ich im vergangenen Jahr mit großem Ver- im nächsten Jahr. gnügen gelesen. Nun ist ja grundsätzlich Dass dieser komplexe Prozess bislang so rei- nichts so beständig wie der Wandel, doch die bungslos verlief, verdankt sich dem großen gegenwärtigen Umbrüche scheinen irgendwie Engagement im Studiendekanat. Neben der doch besonders atemberaubend, manchen ma- Studiendekanin Alexandra Grund-Wittenberg chen sie gar Angst. Dagegen betont Serres die ist hier vor allem die Umsicht, die Kompetenz vor uns liegenden Möglichkeiten, ruft die po- und das kommunikative Geschick von Danie- sitive Kraft der Veränderung ins Gedächtnis. la Linke zu nennen. Ihr sei an dieser Stelle be- Erfindet Euch neu! Dieser Anspruch mischt sonders herzlich gedankt! Insgesamt war es sich in der Vorweihnachtszeit mit dem Zu- bei diesen anspruchsvollen Aufgaben gut zu spruch, dass für uns Christinnen und Christen wissen, wie zuverlässig gleichsam nebenbei von jeher „Neues“ geworden ist, Wandel und die alltäglichen Fragen im Prüfungsbüro ge- Veränderung geradezu ein Grundzug evan- handhabt wurden. gelischer Theologie sind. Ein Jahr nach dem Im Rückblick auf das vergangene Jahr klingt groß gefeierten Reformationsjubiläum ist die der Wandel, diese eigentümliche Mischung Universität bereits wieder auf dem Weg zum von Abschied und Neuanfang, nun in man- nächsten Fest, zu ihrem 500. Geburtstag im cherlei Hinsicht noch nach: Jahr 2027. Auch ihre lange Geschichte ist be- Im Frühjahr haben wir die geschätzte Kollegin kanntlich eine beständige Geschichte von Ulrike Wagner-Rau in den Ruhestand verab- Umbrüchen und Erneuerung. schiedet. Es war ein beeindruckendes Ereig- Das angebrochene digitale Zeitalter fordert nis, zu dem viele Menschen den Weg nach unsere gesamte Gesellschaft heraus, auch die Marburg gefunden haben und hat uns allen Universität in Forschung und Lehre: Digitali- nochmals gezeigt, wie anerkannt und beliebt sierungsstrategien werden debattiert. Interna- die Kollegin weit über den Fachbereich hinaus tional und interdisziplinär soll es dabei zuge- ist. Doch im Wehmut über ihren Abschied er- hen. Leitbilder für die Lehre sind zu entwi- klingt auch die Freude darüber, dass wir mit ckeln. Mit UMR 2027 läuft ein Projekt, dass Maike Schult zum 1. Oktober eine würdige die Philipps-Universität zukunftsfähig gestal- Nachfolgerin und neue Kollegin in der Prakti- ten will. schen Theologie gefunden haben. Es ist schon Auch der Fachbereich ist dabei aktiv: Die jetzt sichtbar, dass sie den Fachbereich inhalt- neue Studienordnung im Lehramt ist be- lich und menschlich bereichern wird. Und mit schlossen, mit einer Stärkung von Fachlich- dem Kollegen Thomas Erne haben wir als keit und größerer Aufmerksamkeit für die Nachfolger von Kollegin Wagner-Rau einen Professionalisierung von Studierenden, aber neuen Universitätsprediger festlich eingeführt, 6
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 der „Liturgy“ als „specific art“ geradezu im te von 1986 bis 2002 das Fach Sozialethik und Blut hat. war von 1991 bis 1993 Dekan unseres Fach- Für das Studiendekanat ist die Veränderung bereichs. Wir werden ihn als einflussreichen ebenfalls bereits beschlossene Sache: der Kol- Lehrer und engagierte Persönlichkeit in Er- lege Claus-Dieter Osthövener wurde in der innerung behalten. letzten Sitzung des Fachbereichsrates gewählt Erfindet Euch neu! Dieser Anspruch kann ge- und wird sein Amt im April nächsten Jahres legentlich atemlos machen und birgt die Ge- antreten. fahr, sich in Strategiegesprächen und Kom- Dass erfreulich viele Menschen sich entschie- missionen zu verlieren. Von daher bin ich den haben, in Marburg ab dem Wintersemes- dankbar für die große Kontinuität inmitten ter zu studieren, ist Anlass, fröhlich zurück mancherlei Veränderungen im Fachbereich. und zuversichtlich nach vorn zu blicken. Un- Der Übergang im Amt des Dekans von mei- ser Masterstudiengang erfreut sich nach wie nem Vorgänger, dem Kollegen Friedemann vor großer Beliebtheit. Die Beratungsgesprä- Voigt, war nicht nur geräuschlos, sondern ge- che liegen hinter uns, die Eignungsfeststel- prägt von Vertrauen und inhaltlich bereichern- lungsprüfung ist gelaufen – die neue Kohorte der Zusammenarbeit. Ich profitiere davon, wie kann nächstes Jahr beginnen. Zuversichtlich umsichtig er die Geschicke des Fachbereichs sind wir auch, dass im Januar eine neue Mitar- in den letzten beiden Jahren gelenkt hat. Gut beiterin das Studiendekanat hierbei entlasten zu wissen, dass er dem Dekanat noch ein Jahr wird. Und gelassen bleiben wir auch ange- als Prodekan erhalten bleibt. sichts der neuen Rahmenordnung für berufs- Ein besonderer Garant von Kontinuität ist nun begleitende Studiengänge, die der Ev.-Theol. aber unsere Dekanatsgeschäftsführerin Heike Fakultätentag nach langer Kontroverse im Ok- Mevius. Sich darauf verlassen zu können, dass tober beschlossen hat. Aber auch in den sie in manchem Trubel des Alltages mit heite- grundständigen Studiengängen blicken wir rer Gelassenheit stets überaus kompetent und seit Oktober in erwartungsfrohe, neue Gesich- professionell die Dinge handhabt, ist ein be- ter. Ich bin gespannt, wie diese Studierenden sonderer Glücksfall. Es ist ein Privileg, mit ihr unseren Fachbereich mitgestalten werden. Im- zusammenzuarbeiten, ebenso wie mit den vie- merhin ist unsere engagierte Fachschaft ja len engagierten Kolleginnen und Kollegen, stets willens und fähig, die Stimme der Stu- die in Forschung und Lehre, bei Tagungen dierenden im Konzert der Veränderungen und in Sitzungen ihren Beitrag dazu leisten, selbstbewusst erklingen zu lassen. Und auch dass wir fröhlich und hoffnungsfroh in die Zu- all diejenigen, die als Wissenschaftliche Mit- kunft schauen können. arbeiterinnen und Mitarbeiter neu bei uns be- Ich danke allen, die sich an unserem Fachbe- gonnen haben, werden den Wandel mitgestal- reich, in Forschung, Lehre sowie administra- ten, so wie andere vor ihnen, die nunmehr tivtechnisch in den Fachgebieten und darüber promoviert sind. hinaus engagiert einbringen und so ermögli- Zur Freude des Rückblicks gehört auch, daran chen, dass wir uns weiterhin kontinuierlich in zu erinnern, dass unser pensionierter Kollege der schönsten Disziplin der Universität neu er- Hans-Martin Barth die Ehrendoktorwürde der finden können. Universität Basel erhalten hat. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien und Aber auch Trauer enthält der Rückblick auf Freunden ein gesegnetes Christfest, erholsame dieses Jahr. Endgültig Abschied nehmen Feiertage und ein gesundes neues Jahr. mussten wir vom Kollegen Siegfried Keil, der Mit herzlichen Grüßen im Alter von 83 Jahren verstorben ist. Er lehr- Ihr gez. Marcel Saß 7
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 „Otto Kaiser führte uns zu uns selbst“ Gedenkakt in memoriam Otto Kaiser am Fachbereich Im Dezember 2017 verstarb die Nestor des lem“, zwischen theologischer Ernsthaftigkeit Fachgebietes Altes Testament und Gründungs- und philosophischer Exaktheit angesiedelt vorsitzender des Freundeskreises Otto Kaiser. war. Wildberg beschrieb Kaiser als wahren In seinem Gedenken kamen am 18. Januar Fürsprecher der alten Texte, der die Grundfra- 2018 ehemalige Schüler, Weggefährten und gen der Menschheit – nach Gott als dem Ur- Freunde Kaisers in der Alten Aula zu einem sprung des Lebens, nach der Schicksalhaftig- akademischen Gedenkakt zusammen. Der De- keit der menschlichen Existenz sowie nach kan des Fachbereichs, Prof. Dr. Marcel Sass, der Freundschaft als Halt im Leben – sowohl erinnerte zunächst an Kaisers langes und se- in den klassischen alttestamentlichen wie grie- gensreiches Wirken am Fachbereich, dem er chisch-hellenistischen Schriften aufzuspüren seit 1960 bis zu seiner Emeritierung 1993 treu und neu zur Sprache zu bringen bereit gewe- geblieben war. Die Studiendekanin Frau Prof. sen sei. Dr. Alexandra Grund-Wittenberg würdigte Als zweiter Festredner stellte Prof. Markus seine Lebensleistung als Lehrer ganzer Studi- Witte ein Zitat Kaisers selbst in den Mittel- engenerationen, bevor dann die Ausbildungs- punkt seiner Ausführungen: „Es ist gut, dass referentin der Evangelischen Kirche von Kur- wir den Schleier nicht lüften können, der uns hessen-Waldeck, Frau Prf.in Prof. Dr. Regina die Zukunft verdeckt.“ Witte ist ebenfalls Sommer, den Dank der hessischen Kirchen für Schüler Kaisers und Lehrstuhlinhaber für Ex- Kaiser zum Ausdruck brachte, der sich selbst egese und Literaturgesschichte des Alten Tes- stets als Mann der Kirche empfunden und Stu- taments an der Humboldt-Universität Berlin. dierenden Mut für den Dienst in der Kirche Ihm gelang das Kunststück, den roten Faden gemacht habe. im Gesamtwerk Kaisers nachzuzeichnen, das Als erster Festredner war ein ehemaliger von imposanter Größe ist und den weitgefä- Schüler Kaisers aus den USA gekommen. cherten Interessenskorridor Kaisers widerspie- Prof. Dr. Christian Wildberg war bis zu seiner gelt. Von der Qualifikationsschrift zum My- Emeritierung Professor für Altphilologie und thos in Ugarit über die Prophetenexegese bis Philosophie in Princeton gewesen und arbeitet hin zum großen theologischen Opus „Der Gott derzeit am Aufbau eines altphilologischen De- des Alten Testamentes“ beschäftigen sich Kai- partments an der University of Philadelphia. sers unzählige Veröffentlichungen auch bis in In seinem Vortag unter dem Titel „Otto Kaiser die letzte Lebensphase hinein mit dem Thema zwischen Athen und Jerusalem“ erzählte er, des denkend zu verantwortenden Glaubens an wie er einst mit der für die Jugend typischen den Einen, der uns vor die Aufgabe stellt, ihn Selbstüberschätzung bei Kaiser als dem De- im anderen zu erkennen. So sei gelingendes kan des Fachbereichs um die Erlaubnis zu Leben gelebter Glaube und das Aufspüren und einem Zweitstudium nachgesucht habe. Als Weitersagen dieser Botschaft Aufgabe der dieser ihm mitteilte, dass dies von seiten der Theologie. Vielleicht habe Kaiser sich in sei- Universität verboten sei, habe er Wildberg an- ner letzten Schaffensperiode nicht ohne Grund geboten, ihn privatissime zu unterrichten. Das mit Philo von Alexandrien auseinandergesetzt, war der Beginn einer wissenschaftlichen Kar- der wie kaum ein anderer jüdischer Gelehrter riere und einer großen Freundschaft zugleich. sein Werk der Auslegung der Schriften ganz Wildberg führte weiter aus, dass das Denken im Sinne der ihn umgebenden griechisch-hel- Kaisers eben „zwischen Athen und Jerusa- lenistischen Kultur gewidmet hat. Wie Kaiser 8
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 sei er ein Brückenbauer zwischen Theologie Beim anschließenden Empfang im Kreuz- und Philosophie, zwischen Tradition und Mo- gang, der mit Unterstützung der beiden hessi- derne gewesen. schen Kirchen, dem Freundeskreis und dem Das Erinnern an den Menschen Otto Kaiser Marburger Universitätsbund (Kuhlmann- wäre unvollständig geblieben, wenn nicht Fonds) ausgerichtet wurde, blieben die Fami- auch ein weiterer Teil seiner Persönlichkeit lie Kaisers, seine Schüler, Weggefährten und bedacht worden wäre: die Liebe zur Musik. Freunde noch lange zusammen und dachten So fand der Gedenkakt seinen Anschluss mit an ihren alten Lehrer. Der Freundeskreis wird einem musikalischen Hörgenuss: Die Sopra- seinen Gründungsvorsitzenden immer in eh- nistin Dr. Marion Clausen, begleitet am Flügel rendem Andenken halten. von Bezirkskantor Peter Groß, bot einige Ari- en und rundete den Gedenkakt so wunderbar ab. Prof. Dr. Markus Witte 9
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Neu am Fachbereich Prof. Dr. Maike Schult Ich komme aus dem ‚kleinen Grenzgebiet‘. vertrete hier die Praktische Theologie in ihrer Denn die Hansestadt Lübeck, in der ich gebo- ganzen Breite. ren und aufgewachsen bin, ist nicht nur: Tho- mas Mann und Marzipan. Mit einem Drittel ihrer Stadtgrenze lag sie fast ein halbes Jahr- hundert an der Landesgrenze zur DDR und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Fluchtpunkt für viele. Dem Gefühl von Rand- lage und Teilung, von Schmerz und Sehnsucht konnte man hier nie ganz entkommen. Ob beim Spielen im Wald, beim Schlittschuhlau- fen auf dem Ratzeburger See oder im Sommer am Ostseestrand – immer wieder stieß man in seinem Alltag auf das, was präsent und unzu- gänglich zugleich war: die andere Seite. Vielleicht habe ich darum früh eine Vorliebe entwickelt für Grenzgänge zwischen Ost und West. Schon auf dem Gymnasium hatte ich Russisch als Leistungskurs gewählt und mein Abitur geschrieben über „Anna Karenina“. Ich habe an den Universitäten Hamburg, St. Pe- tersburg, Berlin und Halle/Saale ein Doppel- studium der Fächer Evangelische Theologie und Ostslavistik absolviert und es mit der Ers- ten Theologischen Prüfung und dem Magis- terexamen abgeschlossen. Nach Promotions- Es ist mir ein besonderes Anliegen, klassische stipendien der Hamburger Universität und des Teildisziplinen wie Homiletik, Poimenik und Evangelischen Studienwerks Villigst war ich Pastoraltheologie mit kulturwissenschaftli- Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Praktische chen Fragen zu verbinden und wissenschaft- Theologie an der Martin-Luther-Universität lich anschlussfähig zu halten. Meine For- Halle-Wittenberg, Lehrbeauftragte der Uni- schungsthemen finde ich daher oft ‚auf der versität Hamburg und Assistentin am Institut Grenze‘. So war die Dissertation zwischen für Praktische Theologie der Christian-Al- meinen Studienfächern angelegt und erforsch- brechts-Universität zu Kiel. Ich wurde 2008 in te die theologische Dostoevskij-Rezeption im Halle für die Bereiche Slavistik, Literatur- deutschen Sprachraum („Im Banne des Poe- und Kulturwissenschaft zum Dr. phil. promo- ten. Die theologische Dostoevskij-Rezeption viert und habe mich 2014 in Kiel habilitiert im und ihr Literaturverständnis“). Auch mit der Fach Praktische Theologie. Nach Vertretungs- Habilitation habe ich mich einem interdiszi- professuren in Tübingen, Hamburg und Pader- plinär verhandelten Thema zugewandt und born wurde ich zum 1. Oktober 2018 an die „Trauma“ als klinisches Phänomen einerseits Philipps-Universität Marburg berufen und und kulturelles Deutungsmuster andererseits an die Theologie vermittelt. Die Arbeit befasst 10
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 sich mit extremen Grenzverletzungen und ner Sicht gut über Querschnittsthemen wie fragt, wie mit Hilfe von psychotraumatologi- Trauma, Resilienz und Erinnerungskultur, die schen Konzepten, religiösen und literarischen an der Universität und in der (kirchlichen) Öf- Bearbeitungsformen Schmerz und Sehnsucht fentlichkeit verhandelt werden und Theorie neu ausbalanciert werden können („‚Ein und Praxis miteinander verschränken. Hauch von Ordnung‘. Traumaarbeit als Auf- Der Marburger Fachbereich mit seiner kultur- gabe der Seelsorge“). theoretischen Ausrichtung und seiner herme- Mit Henning Luther verstehe ich die Prakti- neutischen Tradition scheint für solche Art sche Theologie als Grenzwissenschaft und die von Forschung der optimale Ort und die Stadt Grenze als einen Ort eigenen Rechts, an dem Marburg der passende Ausgangspunkt für je- Perspektiven aufeinanderstoßen und der Um- manden zu sein, die gern zwischen den Din- gang mit unterschiedlichen Deutungen einge- gen zu Hause ist. Denn der Name markiert, übt wird. Als einen Ort produktiver Verfrem- wie ich inzwischen gelernt habe, als „mar(c)“ dung, der dazu dient, die eigenen Traditions- die Grenze zwischen Ost (Thüringen) und bestände neu zu verstehen, im Kontakt mit an- West (Mainz) und gibt als „Burg“ zugleich die deren Wissenschaften zu neuen Themen zu sichere Basis für neue Streifzüge ins Grenz- finden und theologische Ansätze in größere gebiet. Diskurse einzubringen. Das gelingt aus mei- Geburtstage Es gehört zu den Eigenarten des Marburger Professorenkollegiums, dass alle fünf Jahre eine ganze Kohorte inzwischen im Ruhestand befindlicher Professoren einen runden Geburtstag begehen kann. Ihnen allen gilt unser herzlicher Glückwunsch. 15.04.19 Prof. Dr. Jörg Jeremias 80 Jahre 31.05.19 Prof. Dr. Dietrisch Korsch 70 Jahre 24.09.19 Prof. Dr. Wolfgang Bienert 80 Jahre 01.11.19 Prof. Dr. Rainer Kessler 75 Jahre 12.11.19 Prof. Dr. Wolfgang Harnisch 85 Jahre 17.12.19 Prof. Dr. Hans-Martin Barth 80 Jahre 11
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Eröffnungsvortrag zum Wintersemester 2018/19, 15. Okt. 2018 Prof. Dr. Karl Pinggéra Georgien – eine kleine Nachlese zur Buchmesse I. schen Kirchen auf und schloss sich – geeint Die Frankfurter Buchmesse, deren Pforten im Bekenntnis zum Konzil von Chalkedon – gestern geschlossen wurden, hatte dieses Jahr der byzantinischen Kirche an. Im Verlauf der Georgien zum Gastland. – Dies hatte ich im Geschichte hieß das, dass die Georgier, anders Kopfe, als vor längerer Zeit im Kreise der als die Armenier, auch in Kirchengemein- Kolleginnen und Kollegen die Frage umging, schaft mit der russischen orthodoxen Kirche wer den Vortrag zur Eröffnung dieses Winter- standen. Und wieder gilt: Ob von Konstanti- semesters halten solle. Georgien, so war mei- nopel oder von Moskau aus gesehen: Geor- ne Überlegung, fällt in mein Gebiet, und zwar gien kommt am Rande, diesmal am Rande im Allgemeinen und im Besonderen, weil die einer Konfessionswelt, zu stehen. georgische orthodoxe Kirche ein Thema der Schließlich noch ein letzter Grund, warum Ostkirchengeschichte als Ganzer darstellt, als Georgien im Lehrbetrieb kaum zu vertiefter auch traditionell zu den Wissensbeständen der historischer Behandlung einlädt: Ein Studium orientalistischen Abteilung innerhalb der Ost- von Originalquellen ist hier von vorneherein kirchenkunde gehört. Reizvoll erschien es mir, ausgeschlossen. Denn von der georgischen im Kielwasser der Buchmesse einen Vortrag Sprache, in der sich seit dem 5. Jh. eine eigene über Georgien zu halten, auch und vor allem christliche Literatur ausdrückte, kann ich deswegen, weil die lange und wechselhafte Ihnen so viel sagen: Wenn Ihnen das Erlernen Geschichte dieser Kirche sowie ihre unglaub- des Griechischen und das Hebräischen zu sim- lich reiche Literatur sonst kaum je im norma- pel oder zu langweilig gewesen ist, dann wer- len Lehrveranstaltungsbetrieb vorkommen. den Sie beim Georgischen endlich auf Ihre Mein verehrter Vorgänger, Professor Wolf- Kosten kommen! Das georgische Verbalsys- gang Hage, hat die georgische Kirche einmal tem gehört in der Disziplin Fremdsprachen treffend als „Kirche an der Peripherie“ cha- sozusagen zum grammatikalischen Hochleis- rakterisiert. Das gilt in geographischer Hin- tungssport. Die Sprache hat natürlich auch ein sicht, weil Georgien, das sich südlich des Gro- eigenes Alphabet, das mit 33 Buchstaben ßen Kaukasus erstreckt, am nördlichen Rand einen kaum zu übertreffenden Reichtum an des orientalischen Christentums liegt. Wo im- Phonemen spiegelt. Die Sprache ist weder mer man genau eine geographische, vielleicht indogermanisch, noch semitisch. Beim Voka- auch kulturelle Grenze zwischen Europa und bellernen wird man also nicht gestört durch Asien ziehen will: Georgien befindet sich in die Erinnerung an verwandte Lexeme aus an- jedem Fall auch unter diesem Gesichtspunkt deren Sprachen, die man schon kennt. Hier ist an der Peripherie. Für den Mitteuropäer liegt wirklich alles neu. Zum Beweis: „Vater“ heißt Georgien, mit Goethe zu reden, schlicht „hin- „Mama“ und „Mutter“ heißt „dedi“. – Ein ten weit in der Türkei“. In einer Randlage ge- paar Schriften aus der Patristik gibt es sogar, rät Georgien dann wohl auch in konfessions- für die man aufgrund ihrer Textüberlieferung kundlicher Perspektive: In seiner Geschichte ernsthaft das Georgische bräuchte. Und wer vielfach mit dem armenischen und syrischen sich mit zentralen Problemen der östlichen Li- Christentum verbunden, kündigte die georgi- turgiegeschichte befassen will, kommt um das sche Kirche Anfang des 7. Jahrhunderts die Georgische kaum herum. Die ältesten Überlie- Gemeinschaft mit diesen antichalcedonensi- ferungen der Liturgie der Jerusalemer Kirche 12
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 sind nämlich auf Georgisch (nicht auf Grie- ren Wagen, leben in so teuren Stadtvierteln chisch) erhalten. und Wohnungen, dass sogar die Rauschgiftba- Aber weil solche Themen an einem evange- rone darüber staunen würden. Sie sind zumin- lisch-theologischen Fachbereich nicht allzu dest genauso gefährlich wie die Drogenbosse. häufig traktiert werden, mag es also mit alle- Diese Männer mit ihren langen Gewändern dem zusammenhängen, dass die altehrwürdige haben in der Bevölkerung eine absolut feste Kirche Georgiens, die in der Antike ihre Wur- Reputation. Dieselben Geistlichen führten vor zeln hat, in unserem Lehrbetrieb so gut wie einigen Jahren ihre wutentbrannte Gemeinde nicht vorkommt. an, um sexuelle Minderheiten niederzuschla- gen.“ Burchuladze nimmt Bezug auf einen Zwischenfall am 17. Mai 2013 in Tbilissi. II. Eine überschaubare Zahl junger Menschen Der Titel der Buchmesse „Georgia – Made of hatte sich in der Öffentlichkeit versammelt, Characters“ machte auf die besondere Stel- um den Internationalen Tag gegen Homopho- lung des georgischen Alphabets für die kultu- bie zu begehen. Schlägertrupps, die von Pries- relle Identität des Landes aufmerksam. Dem tern angeführt wurden, haben die Demons- Programm vorangestellt war der Satz des tranten, übrigens auch einige Polizisten, aufs Schriftstellers Aka Morchiladze: „Nichts passt Schwerste verletzt. Burchuladze merkt an, so gut zum georgischen Wort und Charakter, dass keiner dieser Schläger zur Verantwortung wie das georgische Alphabet und nichts ist so gezogen wurde. georgisch, wie das georgische Alphabet.“ Ein Beispiel engagierter, feministischer Lite- Wenn man die Rolle der Kirche für das Ent- ratur in Georgien ist Tamar Tandaschwilis Ro- stehen von Alphabet und Literatur in Rech- man „Löwenzahnwirbelsturm in Orange“ von nung stellt, hätte man vielleicht erwarten kön- 2016, der 2018 ins Deutsche übersetzt wurde. nen, die Kirche Georgiens würde auf der Mes- Tandaschwili arbeitet in Tbilissi als Psycholo- se in irgendeiner Weise eine Rolle spielen. gin; sie betreibt auch einen Blog, wobei sie Nun, das hat sie durchaus, aber in einer Art sich als Aktivistin und Autorin vor allem für und Weise, die weniger von der schwärmeri- Frauen und die Rechte sexueller Minderheiten schen Begeisterung des Kirchenhistorikers für einsetzt. Die Hauptfigur von Tandaschwilis eine der alten Traditionen des östlichen Chris- Roman ist eine junge Frau namens Elene, die tentums getragen war, sondern vielmehr von zum Opfer des tiefen Konflikts über gesell- Kritik, Satire und auch Anklage. Wo die Kir- schaftliche und kulturelle Werte in Georgien che in der Literatur, die auf der Messe präsen- wird. Elenes männlicher Gegenpart und Peini- tiert wurde, überhaupt eine größere Rolle ger ist Mserosa. Der Abkömmling einer be- spielte, da begegnete sie als Hort chauvinisti- reits zu Sowjetzeiten privilegierten Familie ist scher Reaktion, als Feind der offenen Gesell- es gewohnt, sich das zu nehmen, was er schaft und jeder Art von Liberalität. möchte, Positionen, Geld, Macht – und In einem Interview mit der ZEIT vom 10. Ok- Frauen. Als Mserosa erfährt, dass seine Ange- tober ist der Schriftsteller Zaza Burchuladze betete, Elene, mit Frauen verkehrt, fällt seine auf die Rolle der Kirche in der heutigen Ge- Fassade eines Verfechters von Demokratie sellschaft eingegangen. Die Schönheit des und Menschenrechten. In schockierenden Sze- Landes sei durch die orthodoxe Kirche „ver- nen beschreibt Tamar Tandaschwili Mserosas mint“: „Die georgische Kirche war nie so Wandlung zu einer machistischen, gewalttäti- reich, so stark und so gefährlich wie heute.“ gen Bestie, die von den alten sowjetischen Sie sei Teil patriarchaler und mafiöser Struk- Eliten und der orthodoxen Kirche Georgiens turen, von denen die Freiheit des einzelnen gedeckt wird. Für ihre deutliche literarisch- empfindlich beschnitten werde: „Heutzutage politische Stellungnahme ist Tandashwili bei verkehren die georgischen Priester mit so teu- Erscheinen ihres Romans 2016 gelobt und at- 13
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 tackiert worden. In einem Interview bemerkt Der Protagonist des Romans, das alter ego des sie dazu: „Ich wusste natürlich, dass ich mit Autors, hat, hier stellvertretend für seine Ge- diesem Roman polarisieren werde. Meine neration, nach dem Ende der Sowjetzeit genug Lektorin etwa hatte Angst, dass ihr Name im von den alten Seilschaften. Seine satirische Buch erscheint, weil ich die orthodoxe Kirche Erzählung über die legendäre Königin Tamar kritisiere und sie Angst vor politischen Konse- aus dem 13. Jahrhundert wird ihm zum Ver- quenzen hatte.“ hängnis. Kurz: Im Zentrum seines Textes steht Zu den Stars unter den georgischen Autoren nämlich Tamars unglückliche Heirat mit dem auf der Buchmesse gehörte zweifelsohne La- Russen Juri Bogoljubski. Nachdem dieser in sha Bugadze, der seinen Roman „Der erste der Hochzeitsnacht seine eheliche Pflicht Russe“ auf dem renommierten „Blauen Sofa“ nicht erfüllt, lässt sich Königin Tamar mit vorstellen durfte, dem gemeinsamen Autoren- dem Segen der Kirche von ihm scheiden. Die- forum von Bertelsmann, ZDF, Deutschland- ser „erste Russe“ in Georgiens Geschichte funk Kultur und 3sat. Bugadze ist in Georgien wird aus dem Land geworfen. In der erhitzten bekannt für seine Literatursendungen in Radio politischen Diskussionen über das zukünftige und Fernsehen. Seine humorvollen und gesell- Verhältnis Georgiens zu Russland werden in schaftskritischen Romane und Theaterstücke die Erzählung nun alle möglichen versteckten wurden in mehrere Sprachen übersetzt. „Der politischen Botschaften hineingelesen. Der erste Russe“ wurde rechtzeitig zur Buchmesse Katholikos-Patriarch, das Oberhaupt der geor- 2018 ins Deutsche übertragen. gisch-orthodoxen Kirche, verlangt gar einen Dem Buch liegt ein Skandal zugrunde, den öffentlichen Widerruf von unserem jungen Bugadze 2001/2002 selbst ausgelöst hatte. Als Dichter. Schließlich werden seine Familie und junger Autor war er auf eine Begebenheit im Freunde handfest bedroht werden. Der Autor Leben der georgischen Königin Tamar gesto- sieht sich vor die schwierige Entscheidung ge- ßen, aus der er eine satirische Novelle gestal- stellt, ob er sein Werk widerrufen soll oder tete. Unter der Herrschaft Tamars hatte Geor- nicht. gien im 13. Jh. seinen machtpolitischen, aber Auch wenn Bugadze sein traumatisches Er- auch seinen kulturellen Höhepunkt erreicht. lebnis als angehender Schriftsteller in „Der Die Georgier nennen die Epoche „das Golde- erste Russe“ ausnehmend humorvoll verarbei- ne Zeitalter“. Königin Tamar ist also National- tet, sind die Blicke hinter die Kulissen der heldin par excellence. Und nationalistische Macht und die Verflechtungen der Kirche mit Kräfte, in Politik und Kirche, hatten in der der Politik von schonungsloser Schärfe. (für westeuropäische Lesegewohnheiten recht harmlosen) Satire einen Verrat auf die Güter III. der Nation gewittert und lautstark ein Verbot Dies sind nur einige Beispiele dafür, dass die des Buches gefordert. Diesen Literaturskandal orthodoxe Kirche Georgiens in Frankfurt ent- erzählt Bugadze nun noch einmal nach, wobei weder gar nicht vorkam – oder als Repräsen- die Grenzen zwischen Realsatire und grotes- tantin eines reaktionären Nationalismus wahr- ker Überzeichnung nicht immer zu unterschei- genommen wurde. Wirklich überraschend ist den sind. Dabei entsteht ein Zeit- und Gesell- das nicht. Denn die georgische Orthodoxie schaftspanorama, das mit den bürgerkriegs- vertritt selbst innerhalb der orthodoxen Kir- ähnlichen Vorgängen 1989 beginnt, als Geor- chenfamilie extrem konservative, um nicht zu gien sich von der Sowjetunion löste, und über sagen fundamentalistische Positionen. Einer die Abwahl des Präsidenten Schewardnadze breiteren Öffentlichkeit wurden diese Ent- 2003 bis zum Vorabend des Krieges von 2008 wicklungen erstmals bewusst, als die georgi- reicht. sche Kirche 1997 aus dem Ökumenischen Weltrat der Kirchen austrat (zusammen mit 14
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 der bulgarisch-orthodoxen Kirche; immerhin dass sie es in positioneller Hinsicht auch in- – die übrigen orthodoxen Kirchen, das Mos- nerhalb der orthodoxen Kirchengemeinschaft kauer Patriarchat eingeschlossen – haben sich ist. Um hier zu einem wirklichen Verständnis bislang zu diesem Schritt nicht entschlossen). zu kommen, müssten wir uns sehr gründlich In demselben Jahr erklärte die georgische Kir- mit den Problemlagen postkommunistischer che auch ihren Austritt aus der Konferenz Transformationsgesellschaften befassen. Die Europäischer Kirchen, der KEK, also der Ge- gesellschaftliche Positionierung der geor- meinschaft orthodoxer, evangelischer, angli- gisch-orthodoxen Kirche, die in den genann- kanischer und altkatholischer Kirchen Euro- ten Romanen farbig konturiert wird, ist ja kei- pas. Im Hintergrund standen extrem ökumene- neswegs nur für Georgien typisch. Ähnliche feindliche Strömungen im georgischen Konstellationen finden wir in vielen Gesell- Mönchtum, die sich in der Zwischenzeit sogar schaften Ost- und Südosteuropas. Es wäre noch verstärkt haben dürften. Hier wird jede auch zu fragen, welche Resonanz Autoren und Art von Ökumene, egal ob mit Protestanten Texte, die auf einer Veranstaltung wie der oder Katholiken, als „Panhäresie des 20. Jahr- Frankfurter Buchmesse vorgestellt werden, in hunderts“ gebrandmarkt – und jede konfes- ihrem Heimatland tatsächlich haben. Handelt sionsübergreifende Initiative als Verrat an der es sich lediglich um kleine Elitendiskurse? Rechtgläubigkeit diskreditiert. Nun verschaf- Immerhin, in Umfragen bekennen sich regel- fen sich solche Strömungen auch in den ande- mäßig rund 85% der georgischen Bevölke- ren orthodoxen Kirchen zunehmend Gehör, rung zur orthodoxen Kirche. Aber selbst wenn aber es ist doch die Besonderheit Georgiens, Literatur nur den Blick vom Rand auf eine dass sie hier die offizielle Linie der Kirchen- Mehrheitsgesellschaft wirft, so wäre dieser leitung unmittelbar beeinflussen. Blick nicht minder wertvoll. So glänzte die georgisch-orthodoxe Kirche auch auf dem Panorthodoxen Konzil in Kreta Literatur: im Jahr 2016 mit Abwesenheit (wie übrigens BODEN, Dieter: Georgien. Ein Länderporträt, auch die russisch-orthodoxe Kirche). Dieses Berlin 2018. in der Kirchengeschichte seit über eintausend BUGADZE, Lasha: Der erste Russe, Frankfurt Jahren einzigartige Zusammenkommen der 2018. Oberhäupter der orthodoxen Kirchen sollte HAGE, Wolfgang: Das orientalische Christen- eigentlich lang erhoffte Antworten finden auf tum (Die Religionen der Menschheit 29,2), Fragen, die sich der Orthodoxie in der Welt Stuttgart 2007, 112-125. von heute stellen. Die georgische Kirche war KOHLBACHER, Michael: ‚Die Georgische Or- insbesondere mit dem Synodaldokument über thodoxe Kirche‘, in: Die orthodoxen Kirchen „Die Beziehung der Orthodoxen Kirche mit der byzantinischen Tradition, hg. von Thomas dem Rest der christlichen Welt“ nicht einver- BREMER, Hacik Rafi GAZER, Christian LANGE, standen. Allein schon, dass solche Beziehun- Darmstadt 2013, 71- 76. gen möglich und wünschbar seien, ging über REISNER, Oliver: ‚Religion und religiöse Min- den dogmatischen Horizont der georgischen derheiten in Georgien heute‘, in: Religion und Bischöfe hinaus. Die georgische Synode hat Gesellschaft in Ost und West 2018/6, 22-25. dem „Konzil von Kreta“ im Nachhinein sogar TANDASCHWILI, Tamar: Löwenzahnwirbel- abgesprochen, orthodoxe Lehren verkündet zu sturm in Orange, Salzburg 2018. haben. ZVIADADZE, Sopiko: Religion und Politik in Eine Kirche an der Peripherie haben wir die Georgien. Die Beziehungen von Staat und georgisch-orthodoxe Kirche eingangs ge- Kirche und die Säkularisierungsproblematik nannt. Bei unserer kleinen Nachlese der im postkommunistischen Georgien, Hamburg Frankfurter Buchmesse wurde uns deutlich, 2014. 15
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Aus den Aktivitäten des Vereins Neben der Herausgabe des Rundbriefs und der Förderung verschiedener Aktivitäten am Fachbe- reich, über die jeweils im Rundbrief berichtet wird, wird der Verein auch eigenständig tätig. Seit Jahren gehört dazu die Vergabe eines Deutschlandstipendiums an einen oder eine Studierende der evangelischen Theologie. Abgeschlossen wurde zudem zu Beginn des Jahres 2019 der Führer über den Friedhof am Rotenberg, der auf der nächsten Seite vorgestellt wird. Geplant ist für das Som- mersemester zudem eine Veranstaltung zur Berufsorientierung für Studierende der Theologie. Bis zu einem gewissen Grad ist ein Verein allerdings immer auch mit sich selbst beschäftigt. Nach 18 Jahren war es nötig, die Satzung des Vereins zu überarbeiten. Der Vorstand wurde um einen Pos- ten verkleinert, obsolet Gewordenes entfernt, und die Sprache der Satzung etwas gendergerechter gefasst. Die jetzt gültige Fassung, die die Mitgliederversammlung 20. Juni 2018 beschlossen hat, finden Sie im Schlussteil dieses Rundbriefs. Zum siebten Mal: Förderung eines Deutschlandsstipendiums durch den Freundeskreis Seit dem Studienjahr 2012/13 stellt der Freundeskreis jährlich € 1.800,- zur Verfügung, um ein Deutschlandstipendium zu finanzieren. Der diesjährige Stipendiat ist derselbe wie im vergangenen Jahr, Herr stud. theol. Zacharias Shoukry, der sich auf S. 17f des letzten Rundbriefs vorgestellt hat. Dass man sich auch über eine erneute Vergabe freuen kann, belegt das folgende Foto, das uns die Pressestelle der Universität zur Verfügung gestellt hat. Sie schreibt im übrigen zur Stipendienverga- be unter anderem: Deutschlandstipendium an 34 Marburger Studierende vergeben Feierlicher Empfang an der Philipps- Universität für Stipendiaten und Förderer Die Philipps-Universität Marburg hat 34 neue Deutschlandstipendien vergeben. Bei einer Feier im Deutschen Sprachatlas nahmen 21 Frauen und 13 Männer aus elf Fachbereichen die Förderung in Höhe von 300 Euro pro Mo- nat für ein Jahr entgegen. „In der Auswahlkommission waren wir sehr beeindruckt von den Lebensläufen und akade- mischen Leistungen der insgesamt 180 Bewer- berinnen und Bewerber“, sagte Prof. Dr. Eve- lyn Korn bei der feierlichen Übergabe der Ur- kunden. Die Vizepräsidentin für Studium und Lehre der Philipps-Universität gratulierte den 34 Stipendiatinnen und Stipendiaten und dank- te den Förderern für ihre Unterstützung in Höhe von 1.800 Euro pro Stipendium. Die gleiche Summe gibt der Bund für jedes Stipen- 16
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 dium dazu. Die Stipendiatinnen und Stipendi- Dillenburg, Bad Zwesten, Bad Soden und aten kommen aus allen Studienabschnitten: Kassel tragen die Hälfte der Stipendiensum- Einige sind Studienanfängerinnen und -anfän- me, die andere Hälfte wird vom Bundesminis- ger, andere fortgeschrittene Master-Studieren- terium für Bildung und Forschung finanziert. de. ... … Förderer, die zum wiederholten Male Sti- Das Deutschlandstipendium wird Studieren- pendien bereitstellen, sind die Von Behring- den für herausragende schulische oder univer- Röntgen-Stiftung, das Universitätsklinikum sitäre Leistungen verliehen. Bei der Vergabe Gießen und Marburg und die CSL Behring werden auch gesellschaftliches Engagement GmbH mit je drei Stipendien. Die Dr. Lisa- oder die Überwindung besonderer biografi- Oehler-Stiftung, die Dr. Wolff`sche Stiftung, scher Hürden berücksichtigt, die sich aus der der Freundeskreis Marburger Theologie e.V., familiären oder kulturellen Herkunft ergeben. die Isabellenhütte Heusler GmbH unterstützen Das Stipendium bietet eine einkommensunab- das Deutschlandstipendium wieder mit je hängige finanzielle Unterstützung. 13 Förde- einem Stipendium. rer aus dem Raum Marburg, Stadtallendorf, Empfang der Vizepräsidentin zur Vergabe der Deutschlandstipendien am 30.1.2019 17
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 „Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben“ (Hebräer 13,7) Theologengräber auf dem Marburger Friedhof am Rotenberg Nach langer Vorarbeit konnte zu Beginn des Jahres 2019 der vom Freundeskreis herausgegebene Führer über den alten Marburger Friedhof am Rotenberg bei der Gedenkfeier für den ersten Vorsit- zenden des Vereins, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otto Kaiser, vorgestellt und der Öffentlichkeit überge- ben werden. Das 28 Seiten umfassende Heft führt zu den Gräbern von 21 dort beigesetzten Profes- soren der Theologie. Die Einträge sind in Form eines Weges angeordnet, der vom Eingang an der Ockershäuser Allee mit dem Grab von August Vilmar bis zu den jüngsten Gräbern von Friedrich Avemarie, Dieter Lührmann und Diethelm Conrad oberhalb der neuen Friedhofskapelle führt. Bei- gefügt ist eine herausnehmbare Karte. „Gedenkt an eure Lehrer, die euch Die Gräber der folgenden Professoren können mithilfe des Führers besucht werden (in der das Wort Gottes gesagt haben“ Abfolge der Wegführung): August Vilmar (Hebr 13,7) (1800-1868); Ernst Ludwig Theodor Henke (1804-1872); Karl Ernst Nipkow (1928-2014); Henning Luther (1947-1991); Friedrich Adolf Theodor Siegfried (1894-1971); Wilhelm Herr- mann (1946-1922); Hans Werner Surkau (1910-1993); Rudolf Bultmann (1884-1976); Heinrich Frick (1893-1952); Hans Graß (1909- 1994); Hans von Soden (1881-1945); Winfried Zeller (1911-1982); Ernst Würthwein (1909- 1996); Eckard Rau (1938-2011); Rudolf Otto (1869-1937); Otto Kaiser (1924-2017); Fried- rich Niebergall (1866-1932); Alfred Niebergall (1909-1978); Friedrich Avemarie (1960-2012); Dieter Lührmann (1939-2013) und Diethelm Conrad (1933-2011). Unterstützt haben die Herausgabe durch den Freundeskreis die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, das Dekanat des Fach- bereichs, das Marburger Studienhaus der EKKW und der Fachdienst Kultur der Stadt Marburg, denen auch an dieser Stelle gedankt sei. Exemplare des Führers, der eine Auflage von 1.000 hat, sind über den Vorstand des Freun- Gräber von Theologieprofessoren deskreises oder das Dekanat des Fachbereichs auf dem Marburger Friedhof am erhältlich. Rotenberg 18
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Studium – und dann? Ein Studientag zur Berufsorientierung Hauptzweck des Studiums der Evangelischen Theologie ist die Ausbildung zum geistlichen Amt. So steht es in dem Staatsvertrag zwischen der Hessichen Landesregierung und den Landeskirchen von Kurhessen-Waldeck, Hessen und Nassau sowie dem Rheinland, deren Kirchengebiet zum kleinen oder größeren Teil im Bundesland Hessen liegt. Hinzu kommt natürlich die Ausbildung für das Lehramt. Gleichwohl stellen sich Studierende immer wieder die Frage, ob sie nach erfolgreichem Studium wirklich in das Pfarr- oder Lehramt gehen wollen. Als viele Landeskirchen in den 1980er und 1990er Jahren nicht alle Kandidaten übernehmen wollten oder konnten, zeigte es sich, dass man mit einem Studium der Theologie durchaus auch auf anderen Berufsfeldern erfolgreich bestehen kann. Der Freundeskreis, in dem auch ehemalige Studierende vertreten sind, die außerhalb des kirchlichen oder staatlichen Dienstes tätig sind, hat gerne die Initiative aus einer Lehrveranstaltung aufgegriffen und das Thema in den Mittelpunkt eines Studientages gestellt, der am 4. Mai in der Alten Universi- tät stattfand. Eingeladen waren neben einer Pfafferin der Landeskirch und einer Pfarrerin im Funkti- onsamt eine Mitarbeiterin in einem Bundesparteivorstand, eine freie Mitarbeiterin von Rundfunk und Fernsehen, ein Verlagsleiter und eine freie Lektorin mit (inzwischen) einer Stelle in einer Uni- versitätsverwaltung. Im nächsten Rundbrief werden wir gerne über eine hoffentlich erfolgreiche Veranstaltung berichten. Theologie im Paradies Am 30. Juni 2018 sprach in der Reihe „Theologie im Paradies“ im Paradiesgarten bei der Kosterkirche Cal- dern der frühere Marburger Student, Calderner Pfarrer und jetzige Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Pfarrer Marian Zachow, über: Jesus in der DDR Biblische Bilder in der Kunst der DDR. Am Samstag, den 24. August 2019, geht es um 15 Uhr in die nächste Runde. Als Referenten haben sich Prof. Dr. Arbogast Schmitt, emeritierter Professor für Grä- zistik, und Prof. Dr. Rainer Kessler, emeritierter Pro- fessor für Altes Testament, beide aus Marburg, zur Verfügung gestellt. Sie werden sich auf eine verglei- chende Reise Zwischen Jerusalem und Athen begeben. 19
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Aktivitäten am Fachbereich Die wichtigste Aktivität eines Fachbereichs ist die Organisation und Durchführung eines ordnungs- gemäßen Studiums. Da hinein geht die meiste Kraft der Studierenden, Lehrenden und derer, die das alles verwalten. Doch zum Glück erschöpft sich akademisches Leben nicht im Erwerb von Qualifi- kationspunkten. Über die Fülle dessen, was am Fachbereich veranstaltet wird und was der Freun- deskreis zum Teil finanziell unterstützt, erreichten uns die folgenden Berichte. Abendvortrag von Prof. Dr. Anton Friedrich Koch „Hermeneutischer Realismus“ Am 29. Mai 2018 sprach der Heidelberger Philosoph Anton Friedrich Koch (Foto links) über seinen Hermeneutischen Realismus bei einem öffentlichen Abendvortrag, der vom Rudolf-Bultmann-Insti- tut für Hermeneutik veranstaltet wurde. Die zentrale These seines Vortrags war, dass Subjektivität notwendi- gerweise zum Sein dazu gehört. Um diese Behauptung theoretisch zu verorten, führte er zunächst die Unter- scheidung zwischen Realismus und Anti-Realismus ein. Demnach ist der Realismus auf die Annahme verpflich- tet, dass das Sein ganz unabhängig von unseren Mei- nungen ist, während der Anti-Realismus darauf besteht, dass das, was wir „Sein“ nennen, im Wesentlichen da- von abhängt, was wir als berechtigte Behauptungen an- erkennen. Der Hermeneutische Realismus schlägt hier- zu einen Mittelweg ein und versteht unter „Sein“ das, was sich Subjekten im Verstehen und Wahrnehmen ent- hüllt. Sein ist hiernach zwar nicht unabhängig von sei- ner Deutung, aber auch nicht vollständig durch Deutun- gen bestimmt, sondern leistet einen gewissen Wieder- stand. Die These, dass Subjekte notwendigerweise exis- tieren, versucht Koch nun durch Probleme, die sich bei der Gegenstands-Individuierung ergeben, zu beweisen. Nach Koch, sind Begriffe allein nicht aus- reichend, um Gegenstände zu unterscheiden. Dazu muss man schließlich auf Raum-Zeit-Punkte re- kurrieren. Allerdings können Raum- und Zeit-Punkte wiederum nur durch die Gegenstände, die in ihnen vorkommen, bestimmt werden. So, ergibt sich ein Erklärungszirkel, der durch die Postulation von notwendiger Subjektivität gelöst werden soll. Das Sein der Dinge wird erst durch Subjektivität und ihre indexikalische Eingebundenheit vollendet. Anna Niemeck 20
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19 Lectio Philippina 2018 mit Prof. Dr. Harald Lesch Am 5. Juni 2018 war es wieder soweit: Die lich zu reflektieren und auf sich wirken zu las- alljährliche Lectio in der Universitätskirche sen. stand vor der Tür. In der siebten Auflage die- Doch nun zur eigentlichen Lesung: Harald ser schönen Veranstaltung konnten wir dieses Lesch begann im ersten Teil des Vortrags dem Mal den bekannten Münchener Astrophysiker Publikum die schiere Größe des Universums und Philosophen Prof. Dr. Harald Lesch dafür klarzumachen sowie die aberwitzigen Mess- gewinnen, der interessierten Öffentlichkeit methoden, mit denen von der Erde aus sichere zum Thema „Nachrichten vom Rande des Aussagen über lange vergangene Sachverhalte Universums“ zu referieren. von Lichtjahren entfernten Orten getroffen Die Lectio stellt im Veranstaltungskalender werden können – und warum das für die der Stipendiatenanstalt stets einen Höhepunkt Menschheit wichtig ist. dar, bietet sie uns doch die Gelegenheit uns im Im zweiten Teil des Vortrags schlug Lesch Rahmen eines hochkarätig besetzten Vortrags dann den Bogen von den Weiten des Univer- einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, sums zu den Folgen individuellen Verhaltens, während wir uns gleichzeitig im Sinne des vor allem im Hinblick auf den menschenge- Mittwochsgastes unserem Studium Generale machten Klimawandel, und verband hier in widmen können. typisch flapsiger Art Wissensvermittlung mit Künstlerisch wurde das Publikum in der voll Appellen zum Überdenken eigenen Handelns. besetzten Universitätskirche gleich doppelt Der Abend klang danach im Kreuzgang sowie versorgt: Neben einer musikalischen Begrü- im Innenhof der theologischen Fakultät in ent- ßung durch die Chor-AG des Collegiums wur- spannter Atmosphäre und mit vielen interes- de Herr Dr. Lesch vom begnadeten Organisten santen Gesprächen zwischen den Gästen aus. Rüdiger Glufke durch den Abend begleitet. Ihren Anteil daran werden sicherlich die le- Dessen sphärische Improvisationen gaben ckeren Speisen und Getränke gehabt haben, dem Publikum an strategisch geschickt plat- die auch dieses Jahr wieder von unserer lieben zierten Zeitpunkten im Vortrag die Gelegen- Köchin Inge federführend vorbereitet wurden. heit innezuhalten, das gerade Gesagte persön- Ich freue mich schon auf nächstes Jahr! Tobias Weber Der historische Jesus“ Gemeinsam von Prof. Dr. Christof Landmesser und Prof. Dr. Malte Dominik Krüger veranstaltetes Blockseminar in Tübingen Vom 6. bis 8. Juli 2018 fand ein gemeinsam egese und Systematik. Ausgehend von Martin vom Tübinger Neutestamentler Prof. Dr. Kählers Unterscheidung zwischen dem histo- Christof Landmesser und dem Marburger Sys- rischen Jesus und dem geschichtlichen, bibli- tematiker Prof. Dr. Malte Dominik Krüger schen Christus sowie der Annahme, dass veranstaltetes Blockseminar zur Frage nach Glaube nicht in historischen Fakten gegründet dem historischen Jesus statt. Im Mittelpunkt werden kann, wurde die Position Rudolf Bult- der Veranstaltung stand die Diskussion klassi- manns, welcher gänzlich auf eine Rückfrage scher Texte und aktueller Positionen aus Ex- nach der historischen Gestalt verzichtet und 21
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