MITGLIEDER-RUNDBRIEF 2018/19 - Freundeskreis Marburger Theologie Nr. 20, März 2019 - Philipps-Universität ...

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MITGLIEDER-RUNDBRIEF 2018/19 - Freundeskreis Marburger Theologie Nr. 20, März 2019 - Philipps-Universität ...
MITGLIEDER-RUNDBRIEF
        2018/19

  Freundeskreis Marburger Theologie

Nr. 20, März 2019   Für Vereinsmitglieder kostenlos
                    Verkaufspreis: € 3,00
MITGLIEDER-RUNDBRIEF 2018/19 - Freundeskreis Marburger Theologie Nr. 20, März 2019 - Philipps-Universität ...
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

        Editorial
Liebe Mitglieder des Freundeskreises, liebe Freundinnen und Freunde der Marbuger Theologie,
der nun schon 20. Rundbrief des Freundeskreises Marburger Theologie lädt Sie ein, zwei Semester
akademisches Leben am Fachbereich an sich vorüber ziehen zu lassen. Personelle Entwicklungen
stehen am Anfang des Rundbriefs, gefolgt vom Eröffnungsvortrag des Wintersemesters 2018/19
und einer Rubrik, die im Inhaltsverzeichnis mit „Aktivitäten am Fachbereich“ überschrieben ist und
zeigt, wie viel neben dem ordentlichen Lehrbetrieb gelehrt, geforscht und diskutiert wird. Hinwei-
sen möchte ich besonders auf die Spalte „Aus den Aktivitäten des Vereins“. Sie spiegelt wider, dass
der Verein sich seit der letzten Mitgliederversammlung vorgenommen hat, wieder stärker mit eige-
nen Aktivitäten an die Öffentlichkeit zu treten – neben der selbstverständlich weiter gehenden Un-
terstützung für andere Initiativen. Stark entwickelt hat sich das Kapitel „Publikationen am Fachbe-
reich“. Statt der früheren Listen erhalten Sie nun die Möglichkeit, sich ein kurzes inhaltliches Bild
von vielen am Fachbereich entstandenen Publikationen zu machen.
                                                                                                                            Rainer Kessler

        Inhalt
Chronik des Fachbereichs .....................................................................................................           2
Weihnachtsbrief des Dekans Prof. Dr. Marcel Saß ….............................................................                           4
Gedenkakt in memoriam Otto Kaiser …................................................................................                      6
Neu am Fachbereich: Prof. Dr. Maike Schulz …......................................................................                       8
Geburtstage ….......................................................................................................................     9
Karl Pinggéra, Georgien – eine kleine Nachlese zur Buchmesse (Eröffnung WiSe 2018/19)                                                   10
Aus den Aktivitäten des Vereins
      Förderung eines Deutschlandstipendiums …...............................................................                           14
      Führer zu den Theologengräbern auf dem Friedhof am Rotenberg ….........................                                           16
      Studientag zur Berufsorientierung …...........................................................................                    17
      Theologie im Paradies …..............................................................................................             17
Aktivitäten am Fachbereich
      Vortrag von Prof. Dr. Anton Friedrich Koch, „Hermeneutischer Realismus“ ….............                                            18
      Lectio Philippina 2018 …..............................................................................................            19
      „Der historische Jesus“, Blockseminar der Proff. Drs. Landmesser und Krüger …........                                             19
      „Rituale in Bewegung“ – Praktisch-theologische Tagung ….........................................                                  20
      Studientag zum Thema Antisemitismus …...................................................................                          21
      Bericht vom ersten evangelischen Bildertag ….............................................................                         23
      29. Feministischer Studientag: (Un)Gehorsam ….........................................................                            24
      Exkursion des Fachgebietes Altes Testament nach London …......................................                                    26
Rudolf-Bultmann-Institut für Hermeneutik ..........................................................................                     28
Publikationen am Fachbereich …...........................................................................................               30
Protokoll der Mitgliederversammlung am 20.6.2018 …........................................................                              38
Satzung in der Fassung vom 20.6.2018 …..............................................................................                    41
Impressum ….........................................................................................................................    44

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

     Chronik des Fachbereichs
     Sommersemester 2018

Dekanatswahlen zum WiSe 2018/19                Miesner, Caroline
Dekan: Prof. Dr. Marcell Saß                   „Sich geben lassen“. Das Abendmahl als
(1.10.2018 – 30.09.2020)                       wirkmächtiges Ereignis.
Prodekan: Prof. Dr. Friedemann Voigt           Gutachtende: Prof. Dr. Dietrich Korsch
(1.10.2018 – 30.09.2019)                       Prof. Dr. Claus-Dieter Osthövener

Rufannahme:                                    Ehrung der 50. Wiederkehr
PD Dr. Maike Schult (Fachgebiet Praktische     Doktorpromotion:
Theologie – W3 Professur)                      Dr. Gerhard Breidenstein
                                               Dr. Jürgen Büchsel
Personalia:                                    Dr. Friedrich Dreißigacker
Verwaltungsangestellte Alexandra aus dem       Dr. Walter Sohn
Spring (ab 17.09.2018 – Dekanat /
Studiendekanat)                                Magister Theologiae:
Wiss. Mitarbeiter Ferdinand Liefert            Claus Aschenbrenner
(ab 01.08.2018 – BMBF Projekt Prof. Dr.
Beinhauer-Köhler)                              „Was ist der Glaube angesichts des Zweifels?
                                               Paul Tillichs Bestimmungen des formalen
Wiss. Mitarbeiterin Hannah Kress               Glaubensbegriffs und ihr bleibender Ertrag
(ab 22.09.2018 – Vertretungsstelle FG Neues    für die christliche Religion.“
Testament)
                                               Gutachtende: Prof. Claus-Dieter Osthövener
Wiss. Mitarbeiterin Eva Maria Kreitschmann     Prof. Malte Dominik Krüger
(ab 22.09.2018 – Vertretungsstelle FG Neues
Testament)
                                               Patrick Fock
                                               „Prostituierte als soziale Kategorie im Alten
Promotion:                                     Testament. Zur Bedeutung und Herkunft des
Bloch, Gregor                                  Begriffs zwnh.“
„Die calvinistischen Wurzeln der praktischen   Gutachtende:
Philosophie der schottischen Aufklärung.       Prof. Dr. Alexandra Grund-Wittenberg
Francis Hutcheson, David Hume und Adam         Prof. Dr. Jutta Krispenz
Smith“
Gutachtende: Prof. Dr. Friedemann Voigt        Annika Theophil
Prof. Dr. Claus-Dieter Osthövener
                                               „Die Inszenierung des Gottesdienstes am
                                               Beispiel von Vertonungen des 42. Psalms
Faragalla, Joseph Tharwat Amir                 (Palestrina, Mendelssohn, Distler).“
„Sim‘ãn b. Kalĩl Leben und Werk“. Mit einer    Gutachtende: Prof. Dr. Thomas Erne
Edition der «Einleitung in die Psalmen».       Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau
Gutachtende: Prof. Dr. Karl Pinggéra
Prof. Dr. Stefan Weninger

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

     Wintersemester 2018/19

Personalia:                                    christlichen Kirchen und Konfessionen ver-
Prof. Dr. Maike Schult (FG Praktische          dient gemacht.
Theologie, ab 01.10.2018)
Wiss. Mitarbeiterin Josephine Haas             Promotionen:
(FG Altes Testament, ab 01.10.2018)            Winkelmann, Judith
Wiss. Mitarbeiter Christian Kolodzey           „weil wir nicht vollkommen sein müssen“ Zum
(FG Praktische Theologie, ab 01.10.2018)       Umgang mit Belastungen im Pfarrberuf
Wiss. Mitarbeiterin Amelie Rüppel              Gutachtende: Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau
(FG Sozialethik, ab 01.10.2018)                Prof. Dr. Kerstin Lammer
Projektmitarbeiterin Elena Hietel              (Evang. Hochschule Freiburg)
(FG Praktische Theologie /
Religionspädagogik, ab 01.01.2019)             Schmied, Mareike
Verw.-Angestellte Jutta Balzereit              (An-)Klage Gottes. Transformationen der
(Dekanat/Studiendekanat, ab 16.01.2019)        Gottesbilder im Midrasch zu den Klageliedern.
                                               Gutachtende: Prof. Dr. Christl M. Maier
Ehrenpromotion der Universität Basel für       Prof. Dr. Michael Tilly (Tübingen)
Hans-Martin Barth
Die Theologische Fakultät der Universität      Hofmann, Frank
Basel verlieh die diesjährige Ehrendoktor-
würde dem Deutschen Prof. Dr. Hans-Martin      „Wie redet Gott mit uns? Eine sprachtheoretische
Barth. Der evangelisch-reformierte Theologe    Analyse des Begriffs „Wort Gottes“: Augustinus-
und emeritierte Professor an der Philipps-     Martin Luther-Karl Barth“
Universität Marburg hat sich in Forschung      Gutachtende: Prof. Dr. Dietrich Korsch
und Lehre wie auch in der Praxis um die        Prof. Dr. Claus-Dieter Osthövener
ökumenische Verständigung zwischen den

Herzliche Glückwünsche an unser Mitglied Prof. Dr. Hans-Martin Barth (Mitte)!

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

    Weihnachtsbrief des Dekans zu Weihnachten 2018
    Prof. Dr. Marcel Saß

Liebe Kolleginnen und Kollegen,                       auch mit der Ausweitung schulpraktischer
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am             Phasen. Die Re-Akkreditierung der beiden
Fachbereich Evangelische Theologie!                   Studiengänge Magister und Master Theol.
                                                      steht vor der Tür. Nach intensiver Debatte ha-
„Erfindet Euch neu!“ Diese schriftliche Lie-          ben wir die neuen Studienordnungen dieses
beserklärung des französischen Philosophen            Jahr beschlossen und blicken zuversichtlich
Michel Serres an die vernetzte Generation ha-         nach vorn auf Begutachtung und Begehungen
be ich im vergangenen Jahr mit großem Ver-            im nächsten Jahr.
gnügen gelesen. Nun ist ja grundsätzlich              Dass dieser komplexe Prozess bislang so rei-
nichts so beständig wie der Wandel, doch die          bungslos verlief, verdankt sich dem großen
gegenwärtigen Umbrüche scheinen irgendwie             Engagement im Studiendekanat. Neben der
doch besonders atemberaubend, manchen ma-             Studiendekanin Alexandra Grund-Wittenberg
chen sie gar Angst. Dagegen betont Serres die         ist hier vor allem die Umsicht, die Kompetenz
vor uns liegenden Möglichkeiten, ruft die po-         und das kommunikative Geschick von Danie-
sitive Kraft der Veränderung ins Gedächtnis.          la Linke zu nennen. Ihr sei an dieser Stelle be-
Erfindet Euch neu! Dieser Anspruch mischt             sonders herzlich gedankt! Insgesamt war es
sich in der Vorweihnachtszeit mit dem Zu-             bei diesen anspruchsvollen Aufgaben gut zu
spruch, dass für uns Christinnen und Christen         wissen, wie zuverlässig gleichsam nebenbei
von jeher „Neues“ geworden ist, Wandel und            die alltäglichen Fragen im Prüfungsbüro ge-
Veränderung geradezu ein Grundzug evan-               handhabt wurden.
gelischer Theologie sind. Ein Jahr nach dem           Im Rückblick auf das vergangene Jahr klingt
groß gefeierten Reformationsjubiläum ist die          der Wandel, diese eigentümliche Mischung
Universität bereits wieder auf dem Weg zum            von Abschied und Neuanfang, nun in man-
nächsten Fest, zu ihrem 500. Geburtstag im            cherlei Hinsicht noch nach:
Jahr 2027. Auch ihre lange Geschichte ist be-         Im Frühjahr haben wir die geschätzte Kollegin
kanntlich eine beständige Geschichte von              Ulrike Wagner-Rau in den Ruhestand verab-
Umbrüchen und Erneuerung.                             schiedet. Es war ein beeindruckendes Ereig-
Das angebrochene digitale Zeitalter fordert           nis, zu dem viele Menschen den Weg nach
unsere gesamte Gesellschaft heraus, auch die          Marburg gefunden haben und hat uns allen
Universität in Forschung und Lehre: Digitali-         nochmals gezeigt, wie anerkannt und beliebt
sierungsstrategien werden debattiert. Interna-        die Kollegin weit über den Fachbereich hinaus
tional und interdisziplinär soll es dabei zuge-       ist. Doch im Wehmut über ihren Abschied er-
hen. Leitbilder für die Lehre sind zu entwi-          klingt auch die Freude darüber, dass wir mit
ckeln. Mit UMR 2027 läuft ein Projekt, dass           Maike Schult zum 1. Oktober eine würdige
die Philipps-Universität zukunftsfähig gestal-        Nachfolgerin und neue Kollegin in der Prakti-
ten will.                                             schen Theologie gefunden haben. Es ist schon
Auch der Fachbereich ist dabei aktiv: Die             jetzt sichtbar, dass sie den Fachbereich inhalt-
neue Studienordnung im Lehramt ist be-                lich und menschlich bereichern wird. Und mit
schlossen, mit einer Stärkung von Fachlich-           dem Kollegen Thomas Erne haben wir als
keit und größerer Aufmerksamkeit für die              Nachfolger von Kollegin Wagner-Rau einen
Professionalisierung von Studierenden, aber           neuen Universitätsprediger festlich eingeführt,

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

der „Liturgy“ als „specific art“ geradezu im          te von 1986 bis 2002 das Fach Sozialethik und
Blut hat.                                             war von 1991 bis 1993 Dekan unseres Fach-
Für das Studiendekanat ist die Veränderung            bereichs. Wir werden ihn als einflussreichen
ebenfalls bereits beschlossene Sache: der Kol-        Lehrer und engagierte Persönlichkeit in Er-
lege Claus-Dieter Osthövener wurde in der             innerung behalten.
letzten Sitzung des Fachbereichsrates gewählt         Erfindet Euch neu! Dieser Anspruch kann ge-
und wird sein Amt im April nächsten Jahres            legentlich atemlos machen und birgt die Ge-
antreten.                                             fahr, sich in Strategiegesprächen und Kom-
Dass erfreulich viele Menschen sich entschie-         missionen zu verlieren. Von daher bin ich
den haben, in Marburg ab dem Wintersemes-             dankbar für die große Kontinuität inmitten
ter zu studieren, ist Anlass, fröhlich zurück         mancherlei Veränderungen im Fachbereich.
und zuversichtlich nach vorn zu blicken. Un-          Der Übergang im Amt des Dekans von mei-
ser Masterstudiengang erfreut sich nach wie           nem Vorgänger, dem Kollegen Friedemann
vor großer Beliebtheit. Die Beratungsgesprä-          Voigt, war nicht nur geräuschlos, sondern ge-
che liegen hinter uns, die Eignungsfeststel-          prägt von Vertrauen und inhaltlich bereichern-
lungsprüfung ist gelaufen – die neue Kohorte          der Zusammenarbeit. Ich profitiere davon, wie
kann nächstes Jahr beginnen. Zuversichtlich           umsichtig er die Geschicke des Fachbereichs
sind wir auch, dass im Januar eine neue Mitar-        in den letzten beiden Jahren gelenkt hat. Gut
beiterin das Studiendekanat hierbei entlasten         zu wissen, dass er dem Dekanat noch ein Jahr
wird. Und gelassen bleiben wir auch ange-             als Prodekan erhalten bleibt.
sichts der neuen Rahmenordnung für berufs-            Ein besonderer Garant von Kontinuität ist nun
begleitende Studiengänge, die der Ev.-Theol.          aber unsere Dekanatsgeschäftsführerin Heike
Fakultätentag nach langer Kontroverse im Ok-          Mevius. Sich darauf verlassen zu können, dass
tober beschlossen hat. Aber auch in den               sie in manchem Trubel des Alltages mit heite-
grundständigen Studiengängen blicken wir              rer Gelassenheit stets überaus kompetent und
seit Oktober in erwartungsfrohe, neue Gesich-         professionell die Dinge handhabt, ist ein be-
ter. Ich bin gespannt, wie diese Studierenden         sonderer Glücksfall. Es ist ein Privileg, mit ihr
unseren Fachbereich mitgestalten werden. Im-          zusammenzuarbeiten, ebenso wie mit den vie-
merhin ist unsere engagierte Fachschaft ja            len engagierten Kolleginnen und Kollegen,
stets willens und fähig, die Stimme der Stu-          die in Forschung und Lehre, bei Tagungen
dierenden im Konzert der Veränderungen                und in Sitzungen ihren Beitrag dazu leisten,
selbstbewusst erklingen zu lassen. Und auch           dass wir fröhlich und hoffnungsfroh in die Zu-
all diejenigen, die als Wissenschaftliche Mit-        kunft schauen können.
arbeiterinnen und Mitarbeiter neu bei uns be-         Ich danke allen, die sich an unserem Fachbe-
gonnen haben, werden den Wandel mitgestal-            reich, in Forschung, Lehre sowie administra-
ten, so wie andere vor ihnen, die nunmehr             tivtechnisch in den Fachgebieten und darüber
promoviert sind.                                      hinaus engagiert einbringen und so ermögli-
Zur Freude des Rückblicks gehört auch, daran          chen, dass wir uns weiterhin kontinuierlich in
zu erinnern, dass unser pensionierter Kollege         der schönsten Disziplin der Universität neu er-
Hans-Martin Barth die Ehrendoktorwürde der            finden können.
Universität Basel erhalten hat.                       Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien und
Aber auch Trauer enthält der Rückblick auf            Freunden ein gesegnetes Christfest, erholsame
dieses Jahr. Endgültig Abschied nehmen                Feiertage und ein gesundes neues Jahr.
mussten wir vom Kollegen Siegfried Keil, der          Mit herzlichen Grüßen
im Alter von 83 Jahren verstorben ist. Er lehr-       Ihr gez. Marcel Saß

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

    „Otto Kaiser führte uns zu uns selbst“
    Gedenkakt in memoriam Otto Kaiser am Fachbereich

Im Dezember 2017 verstarb die Nestor des             lem“, zwischen theologischer Ernsthaftigkeit
Fachgebietes Altes Testament und Gründungs-          und philosophischer Exaktheit angesiedelt
vorsitzender des Freundeskreises Otto Kaiser.        war. Wildberg beschrieb Kaiser als wahren
In seinem Gedenken kamen am 18. Januar               Fürsprecher der alten Texte, der die Grundfra-
2018 ehemalige Schüler, Weggefährten und             gen der Menschheit – nach Gott als dem Ur-
Freunde Kaisers in der Alten Aula zu einem           sprung des Lebens, nach der Schicksalhaftig-
akademischen Gedenkakt zusammen. Der De-             keit der menschlichen Existenz sowie nach
kan des Fachbereichs, Prof. Dr. Marcel Sass,         der Freundschaft als Halt im Leben – sowohl
erinnerte zunächst an Kaisers langes und se-         in den klassischen alttestamentlichen wie grie-
gensreiches Wirken am Fachbereich, dem er            chisch-hellenistischen Schriften aufzuspüren
seit 1960 bis zu seiner Emeritierung 1993 treu       und neu zur Sprache zu bringen bereit gewe-
geblieben war. Die Studiendekanin Frau Prof.         sen sei.
Dr. Alexandra Grund-Wittenberg würdigte              Als zweiter Festredner stellte Prof. Markus
seine Lebensleistung als Lehrer ganzer Studi-        Witte ein Zitat Kaisers selbst in den Mittel-
engenerationen, bevor dann die Ausbildungs-          punkt seiner Ausführungen: „Es ist gut, dass
referentin der Evangelischen Kirche von Kur-         wir den Schleier nicht lüften können, der uns
hessen-Waldeck, Frau Prf.in Prof. Dr. Regina         die Zukunft verdeckt.“ Witte ist ebenfalls
Sommer, den Dank der hessischen Kirchen für          Schüler Kaisers und Lehrstuhlinhaber für Ex-
Kaiser zum Ausdruck brachte, der sich selbst         egese und Literaturgesschichte des Alten Tes-
stets als Mann der Kirche empfunden und Stu-         taments an der Humboldt-Universität Berlin.
dierenden Mut für den Dienst in der Kirche           Ihm gelang das Kunststück, den roten Faden
gemacht habe.                                        im Gesamtwerk Kaisers nachzuzeichnen, das
Als erster Festredner war ein ehemaliger             von imposanter Größe ist und den weitgefä-
Schüler Kaisers aus den USA gekommen.                cherten Interessenskorridor Kaisers widerspie-
Prof. Dr. Christian Wildberg war bis zu seiner       gelt. Von der Qualifikationsschrift zum My-
Emeritierung Professor für Altphilologie und         thos in Ugarit über die Prophetenexegese bis
Philosophie in Princeton gewesen und arbeitet        hin zum großen theologischen Opus „Der Gott
derzeit am Aufbau eines altphilologischen De-        des Alten Testamentes“ beschäftigen sich Kai-
partments an der University of Philadelphia.         sers unzählige Veröffentlichungen auch bis in
In seinem Vortag unter dem Titel „Otto Kaiser        die letzte Lebensphase hinein mit dem Thema
zwischen Athen und Jerusalem“ erzählte er,           des denkend zu verantwortenden Glaubens an
wie er einst mit der für die Jugend typischen        den Einen, der uns vor die Aufgabe stellt, ihn
Selbstüberschätzung bei Kaiser als dem De-           im anderen zu erkennen. So sei gelingendes
kan des Fachbereichs um die Erlaubnis zu             Leben gelebter Glaube und das Aufspüren und
einem Zweitstudium nachgesucht habe. Als             Weitersagen dieser Botschaft Aufgabe der
dieser ihm mitteilte, dass dies von seiten der       Theologie. Vielleicht habe Kaiser sich in sei-
Universität verboten sei, habe er Wildberg an-       ner letzten Schaffensperiode nicht ohne Grund
geboten, ihn privatissime zu unterrichten. Das       mit Philo von Alexandrien auseinandergesetzt,
war der Beginn einer wissenschaftlichen Kar-         der wie kaum ein anderer jüdischer Gelehrter
riere und einer großen Freundschaft zugleich.        sein Werk der Auslegung der Schriften ganz
Wildberg führte weiter aus, dass das Denken          im Sinne der ihn umgebenden griechisch-hel-
Kaisers eben „zwischen Athen und Jerusa-             lenistischen Kultur gewidmet hat. Wie Kaiser

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

sei er ein Brückenbauer zwischen Theologie           Beim anschließenden Empfang im Kreuz-
und Philosophie, zwischen Tradition und Mo-          gang, der mit Unterstützung der beiden hessi-
derne gewesen.                                       schen Kirchen, dem Freundeskreis und dem
Das Erinnern an den Menschen Otto Kaiser             Marburger Universitätsbund (Kuhlmann-
wäre unvollständig geblieben, wenn nicht             Fonds) ausgerichtet wurde, blieben die Fami-
auch ein weiterer Teil seiner Persönlichkeit         lie Kaisers, seine Schüler, Weggefährten und
bedacht worden wäre: die Liebe zur Musik.            Freunde noch lange zusammen und dachten
So fand der Gedenkakt seinen Anschluss mit           an ihren alten Lehrer. Der Freundeskreis wird
einem musikalischen Hörgenuss: Die Sopra-            seinen Gründungsvorsitzenden immer in eh-
nistin Dr. Marion Clausen, begleitet am Flügel       rendem Andenken halten.
von Bezirkskantor Peter Groß, bot einige Ari-
en und rundete den Gedenkakt so wunderbar
ab.

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

    Neu am Fachbereich
    Prof. Dr. Maike Schult

Ich komme aus dem ‚kleinen Grenzgebiet‘.               vertrete hier die Praktische Theologie in ihrer
Denn die Hansestadt Lübeck, in der ich gebo-           ganzen Breite.
ren und aufgewachsen bin, ist nicht nur: Tho-
mas Mann und Marzipan. Mit einem Drittel
ihrer Stadtgrenze lag sie fast ein halbes Jahr-
hundert an der Landesgrenze zur DDR und
wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum
Fluchtpunkt für viele. Dem Gefühl von Rand-
lage und Teilung, von Schmerz und Sehnsucht
konnte man hier nie ganz entkommen. Ob
beim Spielen im Wald, beim Schlittschuhlau-
fen auf dem Ratzeburger See oder im Sommer
am Ostseestrand – immer wieder stieß man in
seinem Alltag auf das, was präsent und unzu-
gänglich zugleich war: die andere Seite.
Vielleicht habe ich darum früh eine Vorliebe
entwickelt für Grenzgänge zwischen Ost und
West. Schon auf dem Gymnasium hatte ich
Russisch als Leistungskurs gewählt und mein
Abitur geschrieben über „Anna Karenina“. Ich
habe an den Universitäten Hamburg, St. Pe-
tersburg, Berlin und Halle/Saale ein Doppel-
studium der Fächer Evangelische Theologie
und Ostslavistik absolviert und es mit der Ers-
ten Theologischen Prüfung und dem Magis-
terexamen abgeschlossen. Nach Promotions-              Es ist mir ein besonderes Anliegen, klassische
stipendien der Hamburger Universität und des           Teildisziplinen wie Homiletik, Poimenik und
Evangelischen Studienwerks Villigst war ich            Pastoraltheologie mit kulturwissenschaftli-
Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Praktische         chen Fragen zu verbinden und wissenschaft-
Theologie an der Martin-Luther-Universität             lich anschlussfähig zu halten. Meine For-
Halle-Wittenberg, Lehrbeauftragte der Uni-             schungsthemen finde ich daher oft ‚auf der
versität Hamburg und Assistentin am Institut           Grenze‘. So war die Dissertation zwischen
für Praktische Theologie der Christian-Al-             meinen Studienfächern angelegt und erforsch-
brechts-Universität zu Kiel. Ich wurde 2008 in         te die theologische Dostoevskij-Rezeption im
Halle für die Bereiche Slavistik, Literatur-           deutschen Sprachraum („Im Banne des Poe-
und Kulturwissenschaft zum Dr. phil. promo-            ten. Die theologische Dostoevskij-Rezeption
viert und habe mich 2014 in Kiel habilitiert im        und ihr Literaturverständnis“). Auch mit der
Fach Praktische Theologie. Nach Vertretungs-           Habilitation habe ich mich einem interdiszi-
professuren in Tübingen, Hamburg und Pader-            plinär verhandelten Thema zugewandt und
born wurde ich zum 1. Oktober 2018 an die              „Trauma“ als klinisches Phänomen einerseits
Philipps-Universität Marburg berufen und               und kulturelles Deutungsmuster andererseits
                                                       an die Theologie vermittelt. Die Arbeit befasst

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

sich mit extremen Grenzverletzungen und              ner Sicht gut über Querschnittsthemen wie
fragt, wie mit Hilfe von psychotraumatologi-         Trauma, Resilienz und Erinnerungskultur, die
schen Konzepten, religiösen und literarischen        an der Universität und in der (kirchlichen) Öf-
Bearbeitungsformen Schmerz und Sehnsucht             fentlichkeit verhandelt werden und Theorie
neu ausbalanciert werden können („‚Ein               und Praxis miteinander verschränken.
Hauch von Ordnung‘. Traumaarbeit als Auf-            Der Marburger Fachbereich mit seiner kultur-
gabe der Seelsorge“).                                theoretischen Ausrichtung und seiner herme-
Mit Henning Luther verstehe ich die Prakti-          neutischen Tradition scheint für solche Art
sche Theologie als Grenzwissenschaft und die         von Forschung der optimale Ort und die Stadt
Grenze als einen Ort eigenen Rechts, an dem          Marburg der passende Ausgangspunkt für je-
Perspektiven aufeinanderstoßen und der Um-           manden zu sein, die gern zwischen den Din-
gang mit unterschiedlichen Deutungen einge-          gen zu Hause ist. Denn der Name markiert,
übt wird. Als einen Ort produktiver Verfrem-         wie ich inzwischen gelernt habe, als „mar(c)“
dung, der dazu dient, die eigenen Traditions-        die Grenze zwischen Ost (Thüringen) und
bestände neu zu verstehen, im Kontakt mit an-        West (Mainz) und gibt als „Burg“ zugleich die
deren Wissenschaften zu neuen Themen zu              sichere Basis für neue Streifzüge ins Grenz-
finden und theologische Ansätze in größere           gebiet.
Diskurse einzubringen. Das gelingt aus mei-

                                       Geburtstage

Es gehört zu den Eigenarten des Marburger Professorenkollegiums, dass alle fünf Jahre eine ganze
Kohorte inzwischen im Ruhestand befindlicher Professoren einen runden Geburtstag begehen
kann.
Ihnen allen gilt unser herzlicher Glückwunsch.

15.04.19         Prof. Dr. Jörg Jeremias                       80 Jahre
31.05.19         Prof. Dr. Dietrisch Korsch                    70 Jahre
24.09.19         Prof. Dr. Wolfgang Bienert                    80 Jahre
01.11.19         Prof. Dr. Rainer Kessler                      75 Jahre
12.11.19         Prof. Dr. Wolfgang Harnisch                   85 Jahre
17.12.19         Prof. Dr. Hans-Martin Barth                   80 Jahre

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

    Eröffnungsvortrag zum Wintersemester 2018/19, 15. Okt. 2018

    Prof. Dr. Karl Pinggéra
    Georgien – eine kleine Nachlese zur Buchmesse
                       I.                              schen Kirchen auf und schloss sich – geeint
Die Frankfurter Buchmesse, deren Pforten               im Bekenntnis zum Konzil von Chalkedon –
gestern geschlossen wurden, hatte dieses Jahr          der byzantinischen Kirche an. Im Verlauf der
Georgien zum Gastland. – Dies hatte ich im             Geschichte hieß das, dass die Georgier, anders
Kopfe, als vor längerer Zeit im Kreise der             als die Armenier, auch in Kirchengemein-
Kolleginnen und Kollegen die Frage umging,             schaft mit der russischen orthodoxen Kirche
wer den Vortrag zur Eröffnung dieses Winter-           standen. Und wieder gilt: Ob von Konstanti-
semesters halten solle. Georgien, so war mei-          nopel oder von Moskau aus gesehen: Geor-
ne Überlegung, fällt in mein Gebiet, und zwar          gien kommt am Rande, diesmal am Rande
im Allgemeinen und im Besonderen, weil die             einer Konfessionswelt, zu stehen.
georgische orthodoxe Kirche ein Thema der              Schließlich noch ein letzter Grund, warum
Ostkirchengeschichte als Ganzer darstellt, als         Georgien im Lehrbetrieb kaum zu vertiefter
auch traditionell zu den Wissensbeständen der          historischer Behandlung einlädt: Ein Studium
orientalistischen Abteilung innerhalb der Ost-         von Originalquellen ist hier von vorneherein
kirchenkunde gehört. Reizvoll erschien es mir,         ausgeschlossen. Denn von der georgischen
im Kielwasser der Buchmesse einen Vortrag              Sprache, in der sich seit dem 5. Jh. eine eigene
über Georgien zu halten, auch und vor allem            christliche Literatur ausdrückte, kann ich
deswegen, weil die lange und wechselhafte              Ihnen so viel sagen: Wenn Ihnen das Erlernen
Geschichte dieser Kirche sowie ihre unglaub-           des Griechischen und das Hebräischen zu sim-
lich reiche Literatur sonst kaum je im norma-          pel oder zu langweilig gewesen ist, dann wer-
len Lehrveranstaltungsbetrieb vorkommen.               den Sie beim Georgischen endlich auf Ihre
Mein verehrter Vorgänger, Professor Wolf-              Kosten kommen! Das georgische Verbalsys-
gang Hage, hat die georgische Kirche einmal            tem gehört in der Disziplin Fremdsprachen
treffend als „Kirche an der Peripherie“ cha-           sozusagen zum grammatikalischen Hochleis-
rakterisiert. Das gilt in geographischer Hin-          tungssport. Die Sprache hat natürlich auch ein
sicht, weil Georgien, das sich südlich des Gro-        eigenes Alphabet, das mit 33 Buchstaben
ßen Kaukasus erstreckt, am nördlichen Rand             einen kaum zu übertreffenden Reichtum an
des orientalischen Christentums liegt. Wo im-          Phonemen spiegelt. Die Sprache ist weder
mer man genau eine geographische, vielleicht           indogermanisch, noch semitisch. Beim Voka-
auch kulturelle Grenze zwischen Europa und             bellernen wird man also nicht gestört durch
Asien ziehen will: Georgien befindet sich in           die Erinnerung an verwandte Lexeme aus an-
jedem Fall auch unter diesem Gesichtspunkt             deren Sprachen, die man schon kennt. Hier ist
an der Peripherie. Für den Mitteuropäer liegt          wirklich alles neu. Zum Beweis: „Vater“ heißt
Georgien, mit Goethe zu reden, schlicht „hin-          „Mama“ und „Mutter“ heißt „dedi“. – Ein
ten weit in der Türkei“. In einer Randlage ge-         paar Schriften aus der Patristik gibt es sogar,
rät Georgien dann wohl auch in konfessions-            für die man aufgrund ihrer Textüberlieferung
kundlicher Perspektive: In seiner Geschichte           ernsthaft das Georgische bräuchte. Und wer
vielfach mit dem armenischen und syrischen             sich mit zentralen Problemen der östlichen Li-
Christentum verbunden, kündigte die georgi-            turgiegeschichte befassen will, kommt um das
sche Kirche Anfang des 7. Jahrhunderts die             Georgische kaum herum. Die ältesten Überlie-
Gemeinschaft mit diesen antichalcedonensi-             ferungen der Liturgie der Jerusalemer Kirche

                                                  12
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

sind nämlich auf Georgisch (nicht auf Grie-            ren Wagen, leben in so teuren Stadtvierteln
chisch) erhalten.                                      und Wohnungen, dass sogar die Rauschgiftba-
Aber weil solche Themen an einem evange-               rone darüber staunen würden. Sie sind zumin-
lisch-theologischen Fachbereich nicht allzu            dest genauso gefährlich wie die Drogenbosse.
häufig traktiert werden, mag es also mit alle-         Diese Männer mit ihren langen Gewändern
dem zusammenhängen, dass die altehrwürdige             haben in der Bevölkerung eine absolut feste
Kirche Georgiens, die in der Antike ihre Wur-          Reputation. Dieselben Geistlichen führten vor
zeln hat, in unserem Lehrbetrieb so gut wie            einigen Jahren ihre wutentbrannte Gemeinde
nicht vorkommt.                                        an, um sexuelle Minderheiten niederzuschla-
                                                       gen.“ Burchuladze nimmt Bezug auf einen
                                                       Zwischenfall am 17. Mai 2013 in Tbilissi.
                       II.
                                                       Eine überschaubare Zahl junger Menschen
Der Titel der Buchmesse „Georgia – Made of             hatte sich in der Öffentlichkeit versammelt,
Characters“ machte auf die besondere Stel-             um den Internationalen Tag gegen Homopho-
lung des georgischen Alphabets für die kultu-          bie zu begehen. Schlägertrupps, die von Pries-
relle Identität des Landes aufmerksam. Dem             tern angeführt wurden, haben die Demons-
Programm vorangestellt war der Satz des                tranten, übrigens auch einige Polizisten, aufs
Schriftstellers Aka Morchiladze: „Nichts passt         Schwerste verletzt. Burchuladze merkt an,
so gut zum georgischen Wort und Charakter,             dass keiner dieser Schläger zur Verantwortung
wie das georgische Alphabet und nichts ist so          gezogen wurde.
georgisch, wie das georgische Alphabet.“
                                                       Ein Beispiel engagierter, feministischer Lite-
Wenn man die Rolle der Kirche für das Ent-
                                                       ratur in Georgien ist Tamar Tandaschwilis Ro-
stehen von Alphabet und Literatur in Rech-
                                                       man „Löwenzahnwirbelsturm in Orange“ von
nung stellt, hätte man vielleicht erwarten kön-
                                                       2016, der 2018 ins Deutsche übersetzt wurde.
nen, die Kirche Georgiens würde auf der Mes-
                                                       Tandaschwili arbeitet in Tbilissi als Psycholo-
se in irgendeiner Weise eine Rolle spielen.
                                                       gin; sie betreibt auch einen Blog, wobei sie
Nun, das hat sie durchaus, aber in einer Art
                                                       sich als Aktivistin und Autorin vor allem für
und Weise, die weniger von der schwärmeri-
                                                       Frauen und die Rechte sexueller Minderheiten
schen Begeisterung des Kirchenhistorikers für
                                                       einsetzt. Die Hauptfigur von Tandaschwilis
eine der alten Traditionen des östlichen Chris-
                                                       Roman ist eine junge Frau namens Elene, die
tentums getragen war, sondern vielmehr von
                                                       zum Opfer des tiefen Konflikts über gesell-
Kritik, Satire und auch Anklage. Wo die Kir-
                                                       schaftliche und kulturelle Werte in Georgien
che in der Literatur, die auf der Messe präsen-
                                                       wird. Elenes männlicher Gegenpart und Peini-
tiert wurde, überhaupt eine größere Rolle
                                                       ger ist Mserosa. Der Abkömmling einer be-
spielte, da begegnete sie als Hort chauvinisti-
                                                       reits zu Sowjetzeiten privilegierten Familie ist
scher Reaktion, als Feind der offenen Gesell-
                                                       es gewohnt, sich das zu nehmen, was er
schaft und jeder Art von Liberalität.
                                                       möchte, Positionen, Geld, Macht – und
In einem Interview mit der ZEIT vom 10. Ok-            Frauen. Als Mserosa erfährt, dass seine Ange-
tober ist der Schriftsteller Zaza Burchuladze          betete, Elene, mit Frauen verkehrt, fällt seine
auf die Rolle der Kirche in der heutigen Ge-           Fassade eines Verfechters von Demokratie
sellschaft eingegangen. Die Schönheit des              und Menschenrechten. In schockierenden Sze-
Landes sei durch die orthodoxe Kirche „ver-            nen beschreibt Tamar Tandaschwili Mserosas
mint“: „Die georgische Kirche war nie so               Wandlung zu einer machistischen, gewalttäti-
reich, so stark und so gefährlich wie heute.“          gen Bestie, die von den alten sowjetischen
Sie sei Teil patriarchaler und mafiöser Struk-         Eliten und der orthodoxen Kirche Georgiens
turen, von denen die Freiheit des einzelnen            gedeckt wird. Für ihre deutliche literarisch-
empfindlich beschnitten werde: „Heutzutage             politische Stellungnahme ist Tandashwili bei
verkehren die georgischen Priester mit so teu-         Erscheinen ihres Romans 2016 gelobt und at-

                                                  13
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

tackiert worden. In einem Interview bemerkt            Der Protagonist des Romans, das alter ego des
sie dazu: „Ich wusste natürlich, dass ich mit          Autors, hat, hier stellvertretend für seine Ge-
diesem Roman polarisieren werde. Meine                 neration, nach dem Ende der Sowjetzeit genug
Lektorin etwa hatte Angst, dass ihr Name im            von den alten Seilschaften. Seine satirische
Buch erscheint, weil ich die orthodoxe Kirche          Erzählung über die legendäre Königin Tamar
kritisiere und sie Angst vor politischen Konse-        aus dem 13. Jahrhundert wird ihm zum Ver-
quenzen hatte.“                                        hängnis. Kurz: Im Zentrum seines Textes steht
Zu den Stars unter den georgischen Autoren             nämlich Tamars unglückliche Heirat mit dem
auf der Buchmesse gehörte zweifelsohne La-             Russen Juri Bogoljubski. Nachdem dieser in
sha Bugadze, der seinen Roman „Der erste               der Hochzeitsnacht seine eheliche Pflicht
Russe“ auf dem renommierten „Blauen Sofa“              nicht erfüllt, lässt sich Königin Tamar mit
vorstellen durfte, dem gemeinsamen Autoren-            dem Segen der Kirche von ihm scheiden. Die-
forum von Bertelsmann, ZDF, Deutschland-               ser „erste Russe“ in Georgiens Geschichte
funk Kultur und 3sat. Bugadze ist in Georgien          wird aus dem Land geworfen. In der erhitzten
bekannt für seine Literatursendungen in Radio          politischen Diskussionen über das zukünftige
und Fernsehen. Seine humorvollen und gesell-           Verhältnis Georgiens zu Russland werden in
schaftskritischen Romane und Theaterstücke             die Erzählung nun alle möglichen versteckten
wurden in mehrere Sprachen übersetzt. „Der             politischen Botschaften hineingelesen. Der
erste Russe“ wurde rechtzeitig zur Buchmesse           Katholikos-Patriarch, das Oberhaupt der geor-
2018 ins Deutsche übertragen.                          gisch-orthodoxen Kirche, verlangt gar einen
Dem Buch liegt ein Skandal zugrunde, den               öffentlichen Widerruf von unserem jungen
Bugadze 2001/2002 selbst ausgelöst hatte. Als          Dichter. Schließlich werden seine Familie und
junger Autor war er auf eine Begebenheit im            Freunde handfest bedroht werden. Der Autor
Leben der georgischen Königin Tamar gesto-             sieht sich vor die schwierige Entscheidung ge-
ßen, aus der er eine satirische Novelle gestal-        stellt, ob er sein Werk widerrufen soll oder
tete. Unter der Herrschaft Tamars hatte Geor-          nicht.
gien im 13. Jh. seinen machtpolitischen, aber          Auch wenn Bugadze sein traumatisches Er-
auch seinen kulturellen Höhepunkt erreicht.            lebnis als angehender Schriftsteller in „Der
Die Georgier nennen die Epoche „das Golde-             erste Russe“ ausnehmend humorvoll verarbei-
ne Zeitalter“. Königin Tamar ist also National-        tet, sind die Blicke hinter die Kulissen der
heldin par excellence. Und nationalistische            Macht und die Verflechtungen der Kirche mit
Kräfte, in Politik und Kirche, hatten in der           der Politik von schonungsloser Schärfe.
(für westeuropäische Lesegewohnheiten recht
harmlosen) Satire einen Verrat auf die Güter                                 III.
der Nation gewittert und lautstark ein Verbot          Dies sind nur einige Beispiele dafür, dass die
des Buches gefordert. Diesen Literaturskandal          orthodoxe Kirche Georgiens in Frankfurt ent-
erzählt Bugadze nun noch einmal nach, wobei            weder gar nicht vorkam – oder als Repräsen-
die Grenzen zwischen Realsatire und grotes-            tantin eines reaktionären Nationalismus wahr-
ker Überzeichnung nicht immer zu unterschei-           genommen wurde. Wirklich überraschend ist
den sind. Dabei entsteht ein Zeit- und Gesell-         das nicht. Denn die georgische Orthodoxie
schaftspanorama, das mit den bürgerkriegs-             vertritt selbst innerhalb der orthodoxen Kir-
ähnlichen Vorgängen 1989 beginnt, als Geor-            chenfamilie extrem konservative, um nicht zu
gien sich von der Sowjetunion löste, und über          sagen fundamentalistische Positionen. Einer
die Abwahl des Präsidenten Schewardnadze               breiteren Öffentlichkeit wurden diese Ent-
2003 bis zum Vorabend des Krieges von 2008             wicklungen erstmals bewusst, als die georgi-
reicht.                                                sche Kirche 1997 aus dem Ökumenischen
                                                       Weltrat der Kirchen austrat (zusammen mit

                                                  14
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

der bulgarisch-orthodoxen Kirche; immerhin             dass sie es in positioneller Hinsicht auch in-
– die übrigen orthodoxen Kirchen, das Mos-             nerhalb der orthodoxen Kirchengemeinschaft
kauer Patriarchat eingeschlossen – haben sich          ist. Um hier zu einem wirklichen Verständnis
bislang zu diesem Schritt nicht entschlossen).         zu kommen, müssten wir uns sehr gründlich
In demselben Jahr erklärte die georgische Kir-         mit den Problemlagen postkommunistischer
che auch ihren Austritt aus der Konferenz              Transformationsgesellschaften befassen. Die
Europäischer Kirchen, der KEK, also der Ge-            gesellschaftliche Positionierung der geor-
meinschaft orthodoxer, evangelischer, angli-           gisch-orthodoxen Kirche, die in den genann-
kanischer und altkatholischer Kirchen Euro-            ten Romanen farbig konturiert wird, ist ja kei-
pas. Im Hintergrund standen extrem ökumene-            neswegs nur für Georgien typisch. Ähnliche
feindliche Strömungen im georgischen                   Konstellationen finden wir in vielen Gesell-
Mönchtum, die sich in der Zwischenzeit sogar           schaften Ost- und Südosteuropas. Es wäre
noch verstärkt haben dürften. Hier wird jede           auch zu fragen, welche Resonanz Autoren und
Art von Ökumene, egal ob mit Protestanten              Texte, die auf einer Veranstaltung wie der
oder Katholiken, als „Panhäresie des 20. Jahr-         Frankfurter Buchmesse vorgestellt werden, in
hunderts“ gebrandmarkt – und jede konfes-              ihrem Heimatland tatsächlich haben. Handelt
sionsübergreifende Initiative als Verrat an der        es sich lediglich um kleine Elitendiskurse?
Rechtgläubigkeit diskreditiert. Nun verschaf-          Immerhin, in Umfragen bekennen sich regel-
fen sich solche Strömungen auch in den ande-           mäßig rund 85% der georgischen Bevölke-
ren orthodoxen Kirchen zunehmend Gehör,                rung zur orthodoxen Kirche. Aber selbst wenn
aber es ist doch die Besonderheit Georgiens,           Literatur nur den Blick vom Rand auf eine
dass sie hier die offizielle Linie der Kirchen-        Mehrheitsgesellschaft wirft, so wäre dieser
leitung unmittelbar beeinflussen.                      Blick nicht minder wertvoll.
So glänzte die georgisch-orthodoxe Kirche
auch auf dem Panorthodoxen Konzil in Kreta             Literatur:
im Jahr 2016 mit Abwesenheit (wie übrigens             BODEN, Dieter: Georgien. Ein Länderporträt,
auch die russisch-orthodoxe Kirche). Dieses            Berlin 2018.
in der Kirchengeschichte seit über eintausend          BUGADZE, Lasha: Der erste Russe, Frankfurt
Jahren einzigartige Zusammenkommen der                 2018.
Oberhäupter der orthodoxen Kirchen sollte              HAGE, Wolfgang: Das orientalische Christen-
eigentlich lang erhoffte Antworten finden auf          tum (Die Religionen der Menschheit 29,2),
Fragen, die sich der Orthodoxie in der Welt            Stuttgart 2007, 112-125.
von heute stellen. Die georgische Kirche war
                                                       KOHLBACHER, Michael: ‚Die Georgische Or-
insbesondere mit dem Synodaldokument über              thodoxe Kirche‘, in: Die orthodoxen Kirchen
„Die Beziehung der Orthodoxen Kirche mit               der byzantinischen Tradition, hg. von Thomas
dem Rest der christlichen Welt“ nicht einver-          BREMER, Hacik Rafi GAZER, Christian LANGE,
standen. Allein schon, dass solche Beziehun-           Darmstadt 2013, 71- 76.
gen möglich und wünschbar seien, ging über             REISNER, Oliver: ‚Religion und religiöse Min-
den dogmatischen Horizont der georgischen              derheiten in Georgien heute‘, in: Religion und
Bischöfe hinaus. Die georgische Synode hat             Gesellschaft in Ost und West 2018/6, 22-25.
dem „Konzil von Kreta“ im Nachhinein sogar
                                                       TANDASCHWILI, Tamar: Löwenzahnwirbel-
abgesprochen, orthodoxe Lehren verkündet zu
                                                       sturm in Orange, Salzburg 2018.
haben.
                                                       ZVIADADZE, Sopiko: Religion und Politik in
Eine Kirche an der Peripherie haben wir die            Georgien. Die Beziehungen von Staat und
georgisch-orthodoxe Kirche eingangs ge-                Kirche und die Säkularisierungsproblematik
nannt. Bei unserer kleinen Nachlese der                im postkommunistischen Georgien, Hamburg
Frankfurter Buchmesse wurde uns deutlich,              2014.

                                                  15
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

      Aus den Aktivitäten des Vereins
Neben der Herausgabe des Rundbriefs und der Förderung verschiedener Aktivitäten am Fachbe-
reich, über die jeweils im Rundbrief berichtet wird, wird der Verein auch eigenständig tätig. Seit
Jahren gehört dazu die Vergabe eines Deutschlandstipendiums an einen oder eine Studierende der
evangelischen Theologie. Abgeschlossen wurde zudem zu Beginn des Jahres 2019 der Führer über
den Friedhof am Rotenberg, der auf der nächsten Seite vorgestellt wird. Geplant ist für das Som-
mersemester zudem eine Veranstaltung zur Berufsorientierung für Studierende der Theologie.
Bis zu einem gewissen Grad ist ein Verein allerdings immer auch mit sich selbst beschäftigt. Nach
18 Jahren war es nötig, die Satzung des Vereins zu überarbeiten. Der Vorstand wurde um einen Pos-
ten verkleinert, obsolet Gewordenes entfernt, und die Sprache der Satzung etwas gendergerechter
gefasst. Die jetzt gültige Fassung, die die Mitgliederversammlung 20. Juni 2018 beschlossen hat,
finden Sie im Schlussteil dieses Rundbriefs.

      Zum siebten Mal:
      Förderung eines Deutschlandsstipendiums durch den Freundeskreis

Seit dem Studienjahr 2012/13 stellt der Freundeskreis jährlich € 1.800,- zur Verfügung, um ein
Deutschlandstipendium zu finanzieren. Der diesjährige Stipendiat ist derselbe wie im vergangenen
Jahr, Herr stud. theol. Zacharias Shoukry, der sich auf S. 17f des letzten Rundbriefs vorgestellt hat.
Dass man sich auch über eine erneute Vergabe freuen kann, belegt das folgende Foto, das uns die
Pressestelle der Universität zur Verfügung gestellt hat. Sie schreibt im übrigen zur Stipendienverga-
be unter anderem:

Deutschlandstipendium an
34 Marburger Studierende vergeben
Feierlicher Empfang an der Philipps-
Universität für Stipendiaten und Förderer

Die Philipps-Universität Marburg hat 34 neue
Deutschlandstipendien vergeben. Bei einer
Feier im Deutschen Sprachatlas nahmen 21
Frauen und 13 Männer aus elf Fachbereichen
die Förderung in Höhe von 300 Euro pro Mo-
nat für ein Jahr entgegen.
„In der Auswahlkommission waren wir sehr
beeindruckt von den Lebensläufen und akade-
mischen Leistungen der insgesamt 180 Bewer-
berinnen und Bewerber“, sagte Prof. Dr. Eve-
lyn Korn bei der feierlichen Übergabe der Ur-
kunden. Die Vizepräsidentin für Studium und
Lehre der Philipps-Universität gratulierte den
34 Stipendiatinnen und Stipendiaten und dank-
te den Förderern für ihre Unterstützung in
Höhe von 1.800 Euro pro Stipendium. Die
gleiche Summe gibt der Bund für jedes Stipen-

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

dium dazu. Die Stipendiatinnen und Stipendi-          Dillenburg, Bad Zwesten, Bad Soden und
aten kommen aus allen Studienabschnitten:             Kassel tragen die Hälfte der Stipendiensum-
Einige sind Studienanfängerinnen und -anfän-          me, die andere Hälfte wird vom Bundesminis-
ger, andere fortgeschrittene Master-Studieren-        terium für Bildung und Forschung finanziert.
de. ...                                               … Förderer, die zum wiederholten Male Sti-
Das Deutschlandstipendium wird Studieren-             pendien bereitstellen, sind die Von Behring-
den für herausragende schulische oder univer-         Röntgen-Stiftung, das Universitätsklinikum
sitäre Leistungen verliehen. Bei der Vergabe          Gießen und Marburg und die CSL Behring
werden auch gesellschaftliches Engagement             GmbH mit je drei Stipendien. Die Dr. Lisa-
oder die Überwindung besonderer biografi-             Oehler-Stiftung, die Dr. Wolff`sche Stiftung,
scher Hürden berücksichtigt, die sich aus der         der Freundeskreis Marburger Theologie e.V.,
familiären oder kulturellen Herkunft ergeben.         die Isabellenhütte Heusler GmbH unterstützen
Das Stipendium bietet eine einkommensunab-            das Deutschlandstipendium wieder mit je
hängige finanzielle Unterstützung. 13 Förde-          einem Stipendium.
rer aus dem Raum Marburg, Stadtallendorf,

                            Empfang der Vizepräsidentin zur Vergabe der Deutschlandstipendien am 30.1.2019

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

     „Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt
     haben“ (Hebräer 13,7)
     Theologengräber auf dem Marburger Friedhof am Rotenberg
Nach langer Vorarbeit konnte zu Beginn des Jahres 2019 der vom Freundeskreis herausgegebene
Führer über den alten Marburger Friedhof am Rotenberg bei der Gedenkfeier für den ersten Vorsit-
zenden des Vereins, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otto Kaiser, vorgestellt und der Öffentlichkeit überge-
ben werden. Das 28 Seiten umfassende Heft führt zu den Gräbern von 21 dort beigesetzten Profes-
soren der Theologie. Die Einträge sind in Form eines Weges angeordnet, der vom Eingang an der
Ockershäuser Allee mit dem Grab von August Vilmar bis zu den jüngsten Gräbern von Friedrich
Avemarie, Dieter Lührmann und Diethelm Conrad oberhalb der neuen Friedhofskapelle führt. Bei-
gefügt ist eine herausnehmbare Karte.

 „Gedenkt an eure Lehrer, die euch                   Die Gräber der folgenden Professoren können
                                                     mithilfe des Führers besucht werden (in der
  das Wort Gottes gesagt haben“                      Abfolge der Wegführung): August Vilmar
           (Hebr 13,7)                               (1800-1868); Ernst Ludwig Theodor Henke
                                                     (1804-1872); Karl Ernst Nipkow (1928-2014);
                                                     Henning Luther (1947-1991); Friedrich Adolf
                                                     Theodor Siegfried (1894-1971); Wilhelm Herr-
                                                     mann (1946-1922); Hans Werner Surkau
                                                     (1910-1993); Rudolf Bultmann (1884-1976);
                                                     Heinrich Frick (1893-1952); Hans Graß (1909-
                                                     1994); Hans von Soden (1881-1945); Winfried
                                                     Zeller (1911-1982); Ernst Würthwein (1909-
                                                     1996); Eckard Rau (1938-2011); Rudolf Otto
                                                     (1869-1937); Otto Kaiser (1924-2017); Fried-
                                                     rich Niebergall (1866-1932); Alfred Niebergall
                                                     (1909-1978); Friedrich Avemarie (1960-2012);
                                                     Dieter Lührmann (1939-2013) und Diethelm
                                                     Conrad (1933-2011).
                                                     Unterstützt haben die Herausgabe durch den
                                                     Freundeskreis die Evangelische Kirche von
                                                     Kurhessen-Waldeck, die Evangelische Kirche
                                                     in Hessen und Nassau, das Dekanat des Fach-
                                                     bereichs, das Marburger Studienhaus der
                                                     EKKW und der Fachdienst Kultur der Stadt
                                                     Marburg, denen auch an dieser Stelle gedankt
                                                     sei.
                                                     Exemplare des Führers, der eine Auflage von
                                                     1.000 hat, sind über den Vorstand des Freun-
  Gräber von Theologieprofessoren                    deskreises oder das Dekanat des Fachbereichs
  auf dem Marburger Friedhof am                      erhältlich.
            Rotenberg

                                                18
Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

      Studium – und dann?
      Ein Studientag zur Berufsorientierung
Hauptzweck des Studiums der Evangelischen Theologie ist die Ausbildung zum geistlichen Amt. So
steht es in dem Staatsvertrag zwischen der Hessichen Landesregierung und den Landeskirchen von
Kurhessen-Waldeck, Hessen und Nassau sowie dem Rheinland, deren Kirchengebiet zum kleinen
oder größeren Teil im Bundesland Hessen liegt. Hinzu kommt natürlich die Ausbildung für das
Lehramt. Gleichwohl stellen sich Studierende immer wieder die Frage, ob sie nach erfolgreichem
Studium wirklich in das Pfarr- oder Lehramt gehen wollen. Als viele Landeskirchen in den 1980er
und 1990er Jahren nicht alle Kandidaten übernehmen wollten oder konnten, zeigte es sich, dass man
mit einem Studium der Theologie durchaus auch auf anderen Berufsfeldern erfolgreich bestehen
kann.
Der Freundeskreis, in dem auch ehemalige Studierende vertreten sind, die außerhalb des kirchlichen
oder staatlichen Dienstes tätig sind, hat gerne die Initiative aus einer Lehrveranstaltung aufgegriffen
und das Thema in den Mittelpunkt eines Studientages gestellt, der am 4. Mai in der Alten Universi-
tät stattfand. Eingeladen waren neben einer Pfafferin der Landeskirch und einer Pfarrerin im Funkti-
onsamt eine Mitarbeiterin in einem Bundesparteivorstand, eine freie Mitarbeiterin von Rundfunk
und Fernsehen, ein Verlagsleiter und eine freie Lektorin mit (inzwischen) einer Stelle in einer Uni-
versitätsverwaltung.
Im nächsten Rundbrief werden wir gerne über eine hoffentlich erfolgreiche Veranstaltung berichten.

                               Theologie im Paradies

                                              Am 30. Juni 2018 sprach in der Reihe „Theologie im
                                              Paradies“ im Paradiesgarten bei der Kosterkirche Cal-
                                              dern der frühere Marburger Student, Calderner Pfarrer
                                              und jetzige Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises
                                              Marburg-Biedenkopf, Pfarrer Marian Zachow, über:
                                              Jesus in der DDR
                                              Biblische Bilder in der Kunst der DDR.
                                              Am Samstag, den 24. August 2019, geht es um 15 Uhr
                                              in die nächste Runde. Als Referenten haben sich Prof.
                                              Dr. Arbogast Schmitt, emeritierter Professor für Grä-
                                              zistik, und Prof. Dr. Rainer Kessler, emeritierter Pro-
                                              fessor für Altes Testament, beide aus Marburg, zur
                                              Verfügung gestellt. Sie werden sich auf eine verglei-
                                              chende Reise
                                              Zwischen Jerusalem und Athen
                                              begeben.

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

     Aktivitäten am Fachbereich

Die wichtigste Aktivität eines Fachbereichs ist die Organisation und Durchführung eines ordnungs-
gemäßen Studiums. Da hinein geht die meiste Kraft der Studierenden, Lehrenden und derer, die das
alles verwalten. Doch zum Glück erschöpft sich akademisches Leben nicht im Erwerb von Qualifi-
kationspunkten. Über die Fülle dessen, was am Fachbereich veranstaltet wird und was der Freun-
deskreis zum Teil finanziell unterstützt, erreichten uns die folgenden Berichte.

     Abendvortrag von Prof. Dr. Anton Friedrich Koch
     „Hermeneutischer Realismus“

Am 29. Mai 2018 sprach der Heidelberger Philosoph Anton Friedrich Koch (Foto links) über seinen
Hermeneutischen Realismus bei einem öffentlichen Abendvortrag, der vom Rudolf-Bultmann-Insti-
                                          tut für Hermeneutik veranstaltet wurde. Die zentrale
                                          These seines Vortrags war, dass Subjektivität notwendi-
                                          gerweise zum Sein dazu gehört. Um diese Behauptung
                                          theoretisch zu verorten, führte er zunächst die Unter-
                                          scheidung zwischen Realismus und Anti-Realismus ein.
                                          Demnach ist der Realismus auf die Annahme verpflich-
                                          tet, dass das Sein ganz unabhängig von unseren Mei-
                                          nungen ist, während der Anti-Realismus darauf besteht,
                                          dass das, was wir „Sein“ nennen, im Wesentlichen da-
                                          von abhängt, was wir als berechtigte Behauptungen an-
                                          erkennen. Der Hermeneutische Realismus schlägt hier-
                                          zu einen Mittelweg ein und versteht unter „Sein“ das,
                                          was sich Subjekten im Verstehen und Wahrnehmen ent-
                                          hüllt. Sein ist hiernach zwar nicht unabhängig von sei-
                                          ner Deutung, aber auch nicht vollständig durch Deutun-
                                          gen bestimmt, sondern leistet einen gewissen Wieder-
                                          stand. Die These, dass Subjekte notwendigerweise exis-
                                          tieren, versucht Koch nun durch Probleme, die sich bei
der Gegenstands-Individuierung ergeben, zu beweisen. Nach Koch, sind Begriffe allein nicht aus-
reichend, um Gegenstände zu unterscheiden. Dazu muss man schließlich auf Raum-Zeit-Punkte re-
kurrieren. Allerdings können Raum- und Zeit-Punkte wiederum nur durch die Gegenstände, die in
ihnen vorkommen, bestimmt werden. So, ergibt sich ein Erklärungszirkel, der durch die Postulation
von notwendiger Subjektivität gelöst werden soll. Das Sein der Dinge wird erst durch Subjektivität
und ihre indexikalische Eingebundenheit vollendet.
                                                                                   Anna Niemeck

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Freundeskreis-Rundbrief 2018/19

    Lectio Philippina 2018 mit Prof. Dr. Harald Lesch

Am 5. Juni 2018 war es wieder soweit: Die              lich zu reflektieren und auf sich wirken zu las-
alljährliche Lectio in der Universitätskirche          sen.
stand vor der Tür. In der siebten Auflage die-         Doch nun zur eigentlichen Lesung: Harald
ser schönen Veranstaltung konnten wir dieses           Lesch begann im ersten Teil des Vortrags dem
Mal den bekannten Münchener Astrophysiker              Publikum die schiere Größe des Universums
und Philosophen Prof. Dr. Harald Lesch dafür           klarzumachen sowie die aberwitzigen Mess-
gewinnen, der interessierten Öffentlichkeit            methoden, mit denen von der Erde aus sichere
zum Thema „Nachrichten vom Rande des                   Aussagen über lange vergangene Sachverhalte
Universums“ zu referieren.                             von Lichtjahren entfernten Orten getroffen
Die Lectio stellt im Veranstaltungskalender            werden können – und warum das für die
der Stipendiatenanstalt stets einen Höhepunkt          Menschheit wichtig ist.
dar, bietet sie uns doch die Gelegenheit uns im        Im zweiten Teil des Vortrags schlug Lesch
Rahmen eines hochkarätig besetzten Vortrags            dann den Bogen von den Weiten des Univer-
einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren,        sums zu den Folgen individuellen Verhaltens,
während wir uns gleichzeitig im Sinne des              vor allem im Hinblick auf den menschenge-
Mittwochsgastes unserem Studium Generale               machten Klimawandel, und verband hier in
widmen können.                                         typisch flapsiger Art Wissensvermittlung mit
Künstlerisch wurde das Publikum in der voll            Appellen zum Überdenken eigenen Handelns.
besetzten Universitätskirche gleich doppelt            Der Abend klang danach im Kreuzgang sowie
versorgt: Neben einer musikalischen Begrü-             im Innenhof der theologischen Fakultät in ent-
ßung durch die Chor-AG des Collegiums wur-             spannter Atmosphäre und mit vielen interes-
de Herr Dr. Lesch vom begnadeten Organisten            santen Gesprächen zwischen den Gästen aus.
Rüdiger Glufke durch den Abend begleitet.              Ihren Anteil daran werden sicherlich die le-
Dessen sphärische Improvisationen gaben                ckeren Speisen und Getränke gehabt haben,
dem Publikum an strategisch geschickt plat-            die auch dieses Jahr wieder von unserer lieben
zierten Zeitpunkten im Vortrag die Gelegen-            Köchin Inge federführend vorbereitet wurden.
heit innezuhalten, das gerade Gesagte persön-          Ich freue mich schon auf nächstes Jahr!
                                                                                        Tobias Weber

    Der historische Jesus“
    Gemeinsam von Prof. Dr. Christof Landmesser und Prof. Dr. Malte Dominik
    Krüger veranstaltetes Blockseminar in Tübingen

Vom 6. bis 8. Juli 2018 fand ein gemeinsam             egese und Systematik. Ausgehend von Martin
vom Tübinger Neutestamentler Prof. Dr.                 Kählers Unterscheidung zwischen dem histo-
Christof Landmesser und dem Marburger Sys-             rischen Jesus und dem geschichtlichen, bibli-
tematiker Prof. Dr. Malte Dominik Krüger               schen Christus sowie der Annahme, dass
veranstaltetes Blockseminar zur Frage nach             Glaube nicht in historischen Fakten gegründet
dem historischen Jesus statt. Im Mittelpunkt           werden kann, wurde die Position Rudolf Bult-
der Veranstaltung stand die Diskussion klassi-         manns, welcher gänzlich auf eine Rückfrage
scher Texte und aktueller Positionen aus Ex-           nach der historischen Gestalt verzichtet und

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