Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit

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Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
welt   MÄRZ – MAI 2017   C 51 78
                                  Schwerpunkt

Philippinen                                     weltbewegt   37
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Co-Redaktion dieser Ausgabe                                                                                                                                                           Aus dem Inhalt
                                                                                                                                                                                           Quo vadis
                                                                                                                                                                                           Philippinen?
                                                                                                                                                                                       4   Der Inselstaat verändert
                                                                                                                                                                                           sich. Die neue Politik wird
                                                                                                                                                                                           ebenso gefürchtet wie
                                                                                                                                                                                           gefeiert.

                                                                                                                                                                                           Dutertes Drogen-
                                                                                                                                                                                           krieg
                                                                                                                                                                                       8   Präsident Rodrigo Duterte
                                                                                                                                                                                           missachtet im Kampf gegen
                                                                                                                                                                                           die Drogen alle Menschen-
                                                                                                                                                                                           rechte.
Philippinische Perspektiven
                                                                                                                                                                                           Wir stellen uns den
Bereits einen Tag nach ihrer Ankunft in Hamburg saß                                                                                                                                        Herausforderungen
                                                                                                                                                                                      13
Elena Yañez in der Redaktionssitzung von weltbewegt
im Agathe-Lasch-Weg 16. Es ging um die Philippinen.                                                                                                                                        Sechs Jugendliche erzählen,
Trotz Jetlag beteiligte sie sich engagiert an den Gesprä-                                                                                                                                  was sie von ihrem Land
chen. Anschaulich schilderte sie zum Beispiel die Situa-                                                                                                                                   halten, was ihre Träume und
tion von Kindern und Jugendlichen, die sie als Lehrerin                                                                                                                                    Ziele sind.
an der staatlichen Schule in Cagayan de Ora unterrich-
tet. Viele der Schülerinnen und Schüler seien sehr arm,                                                                                                                                    Pinoy Pop, Videoke
manche kämen ohne Frühstück. Andere wiederum                                                                                                                                               und SMS
                                                                                  Fotos: C. Plautz (1), C. Wenn (2), Wikimedia (5), ZMÖ-Bildarchiv (1), M. Ristau (2), E. Yañez (3)

                                                                                                                                                                                      16
seien schwer zu motivieren überhaupt in die Schule zu
gehen. Die Zukunftsaussichten vieler im Land seien
                                                                                                                                                                                           Die Technik der Moderne hat
eben nicht rosig, erklärte die engagierte Lehrerin. Unter-
                                                                                                                                                                                           auch in der philippinischen
richt an staatlichen Schulen habe manchmal auch etwas
                                                                                                                                                                                           Kultur Spuren hinterlassen.
von Sozialarbeit, denn sie Kinder reicher Eltern besu-
chen die Privatschule, so Elena Yañez. Sie besucht der-
zeit ihren Mann June Mark Yañez. Der Pastor der Unab-                                                                                                                                      Ware auf dem
hängigen Philippinischen Kirche arbeitet bereits seit                                                                                                                                      Arbeitsmarkt
                                                                                                                                                                                      18
2015 als Ökumenischer Mitarbeiter in der Hamburger
Seemannsmission. Von dort aus geht er auch auf Schiffe,                                                                                                                                    Ein Drittel der Seeleute
die in Hamburg einlaufen und trifft dabei fast immer                                                                                                                                       kommen aus den
auf Landleute. Als beide angefragt wurden, ob sie bei                                                                                                                                      Philippinen. Dort werden
diesem Heft mitwirken wollten, waren sie sofort mit                                                                                                                                        sie als „Helden“ gefeiert.
ihren Vorschlägen und Ideen dabei. So hat Elena Yañez
noch kurz vor ihrer Deutschlandreise kleine Interviews                                                                                                                                     „Hart ist es, wenn Klein-
mit Jugendlichen für die Zeitschrift weltbewegt durchge-                                                                                                                                   kinder zuhause sind“
                                                                                                                                                                                      20
führt. Das Ergebnis ist auf Seite 13 bis 15 nachzulesen.
                                                                                                                                                                                           Die Philippinin Elisa Bombis
Übrigens: „MABUHAY“, der Begriff auf dem Titel, bedeutet                                                                                                                                   betreut in Kiel Seefahre-
übersetzt „Langes Leben“ kann aber auch „Willkommen“
                                                                                                                                                                                           rinnen und kennt viele
heißen, so June Mark Yañez.
                                                                                                                                                                                           Schicksale.

    weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach
    IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER UND V     ­ ERLEGER: ­Zentrum für Mission und Ökumene
    – Nordkirche weltweit, Breklum und ­Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der ­Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
    DIREKTOR: Pastor Dr. Klaus Schäfer (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS­
    KORREKTUR: Constanze Bandowski, ADRESSE: Agathe-Lasch-Weg 16, 22605 H       ­ amburg, Telefon 040 88181-0, Fax: 040 88181-210, w
                                                                                                                                   ­ ww.nordkirche-weltweit.de.

2       weltbewegt
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

                                                                                               Editorial
                     Hin – und dann ganz
                     weg?
                     Auf der Suche nach Arbeit
                     haben 8,5 Millionen Filipinos
                                                              22                               Liebe Leserin, lieber Leser,

                     ihr Land verlassen und                                                    die Philippinen sind derzeit auch
                     arbeiten weltweit.                                                        bei uns ein Thema. Mit dem Insel-
                                                                                               staat haben sichsich nicht
                                                                                                                     jüngstnurnicht   nur
                                                                                                                                 Frauen
                     Boomindustrie                                                             Frauen
                                                                                               aus allerausWeltallerAnfang
                                                                                                                      Welt inMärz
                                                                                                                                Weltge-  in
                     Callcenter                                                                betstagsgottesdiensten
                                                                                               Weltgebetstagsgottesdiensten beschäftigt.
                                                                                                                                       be-

                                                              24
                                                                                               Über   die Philippinen
                                                                                               schäftigt.                  wird seit Monaten
                                                                                                           Über die Philippinen          wird auch   auch
                                                                                                                                                        fastfast täglich
                                                                                                                                                              täglich in
                     Heute sind die Philippinen                                                in
                                                                                               denden   Medienberichtet.
                                                                                                     Medien         berichtet.Zuletzt
                                                                                                                                 Zuletztvor  vor allem
                                                                                                                                                    allem wegen
                                                                                                                                                            wegen des
                     Standort Nr. 1 für Callcenter.                                            Kampfes von Präsident Rodrigo Duterte gegen die Dro-
                     In diesem Sektor entsteht                                                 genkriminalität,
                                                                                               genkriminalität, den   dener zum
                                                                                                                             er zumInhaltInhalt
                                                                                                                                             seiner Politik
                                                                                                                                                       seiner gemacht
                                                                                                                                                                 Politik
                     jeder vierte Job.                                                         hat und nun
                                                                                               gemacht    hat mit
                                                                                                                undallen
                                                                                                                      nun Mitteln
                                                                                                                             mit allen verfolgt.
                                                                                                                                           MittelnAuch      auf Kosten
                                                                                                                                                       verfolgt.   Auch
                                                                                               der
                                                                                               auf Menschenrechte.        Seine Verfolgungen
                                                                                                    Kosten der Menschenrechte.                 Seinehaben      allein in
                                                                                                                                                        Verfolgungen
                     Insel der Gläubigen                                                       den
                                                                                               habenletzten
                                                                                                       alleinfünfin Monaten
                                                                                                                     den letztenüber fünf2000    Opfer gefordert,
                                                                                                                                             Monaten       über 2 000 so
                                                                                               dass
                                                                                               Opferdiegefordert,
                                                                                                         katholische so Kirche
                                                                                                                         dass dieerneut     ihre Stimme
                                                                                                                                      katholische            gegen
                                                                                                                                                        Kirche       ihn
                                                                                                                                                                 erneut

                                                              26
                                                                                               erhoben   hat. Die
                                                                                               ihre Stimme          Stimme
                                                                                                                gegen         der Kirche
                                                                                                                       ihn erhoben       hat.hat
                                                                                                                                               DieGewicht
                                                                                                                                                     Stimmein     einem
                                                                                                                                                                der Kir-
                     In den Philippinen leben                                                  Land,
                                                                                               che hatin Gewicht
                                                                                                         dem weit in  über   90 Prozent
                                                                                                                          einem    Land, einer
                                                                                                                                             in dem  christlichen
                                                                                                                                                         weit überKir-90
                     heute mit 92 Prozent die                                                  che angehören.
                                                                                               Prozent    einer Derzeit     zeichnet
                                                                                                                   christlichen          sich in
                                                                                                                                    Kirche         dem Inselstaat
                                                                                                                                                angehören.           ein
                                                                                                                                                                Derzeit
                     meisten Christinnen und                                                   politischer
                                                                                               zeichnet sich Wandel
                                                                                                                in demabInselstaat
                                                                                                                           und keiner  einweiß      wohin.Wandel
                                                                                                                                             politischer     Die Auto-ab
                     Christen Südostasiens.                                                    ren
                                                                                               undJan   Pingel
                                                                                                    keiner   weißin wohin.
                                                                                                                    Niklas Reese     haben sich
                                                                                                                             Die Autoren        Jan mit   deninAuswir-
                                                                                                                                                     Pingel      Niklas
                                                                                               kungen    der Politik
                                                                                               Reese haben      sich mitaufden
                                                                                                                             dieAuswirkungen
                                                                                                                                  Lebenswirklichkeit          der Men-
                                                                                                                                                       der Politik   auf
                     „Engagement unter                                                         schen  beschäftigt. Viele sehen
                                                                                               die Lebenswirklichkeit               keine Zukunft
                                                                                                                             der Menschen                im LandViele
                                                                                                                                                   beschäftigt.     und
                     schweren Bedingungen“                                                     nach
                                                                                               sehenwie
                                                                                                      keinevorZukunft
                                                                                                                 müssenim  etwa
                                                                                                                              Land8,5und Millionen
                                                                                                                                              nach wie  philippinische
                                                                                                                                                           vor müssen
                     Kirchliche Partnerschaften
                     zu den Philippinen gibt es seit
                                                              28                               Frauen
                                                                                               etwa 8,5und
                                                                                               verlassen.
                                                                                               auf der Suche
                                                                                                               Männer philippinische
                                                                                                          Millionen
                                                                                                            Sie arbeiten
                                                                                                                         auf der Suche nach
                                                                                                                            heuteihrinLand
                                                                                                                  nach Arbeit
                                                                                                                                              Frauen  Arbeit
                                                                                                                                         allenverlassen.
                                                                                                                                                         und ihr
                                                                                                                                                 RegionenSie
                                                                                                                                                                   Land
                                                                                                                                                                Männer
                                                                                                                                                               derarbei-
                                                                                                                                                                    Welt
                                                                                               oder  auf See.
                                                                                               ten heute          Diese
                                                                                                           in allen       Overseas
                                                                                                                      Regionen    derFilipino
                                                                                                                                         Welt oder  Workers
                                                                                                                                                       auf See.werden
                                                                                                                                                                  Die se
                     über 30 Jahren. Was sind die
                                                                                               zuhause
                                                                                               Overseasals     HeldenWorkers
                                                                                                           Filipino      gefeiert,werden
                                                                                                                                    aber diezuhause
                                                                                                                                                 Trennung   als von  der
                                                                                                                                                                 Helden
                     Erfahrungen?
                                                                                               Familie
                                                                                               gefeiert, hat
                                                                                                         aberFolgen.    Nicht nur
                                                                                                                 die Trennung      von fürder
                                                                                                                                            dieFamilie
                                                                                                                                                  Zurückgelassenen,
                                                                                                                                                           hat Folgen.
                                                                                               sondern
                                                                                               Nicht nurauch für für
                                                                                                                  die diejenigen,     die gegangen
                                                                                                                       Zurückgelassenen,           sondernsind.  Davon
                                                                                                                                                               auch  für
                     Die Sehnsucht bleibt                                                      berichten
                                                                                               diejenigen,Matthias      Ristau,
                                                                                                              die gegangen        June
                                                                                                                              sind.   DavonMarkberichten
                                                                                                                                                    Yañez oder     Elisa
                                                                                                                                                               Matthias
                                                                                               Bombis,   die inMark
                                                                                               Ristau, June       der Hamburger
                                                                                                                       Yañez oderoder    ElisaKieler   Seemannsmis-
                                                                                                                                                 Bombis,     die in der
                                                                                               sion viele ihrer
                                                                                               Hamburger           Landsleute
                                                                                                                oder             betreuen und auch viele
                                                                                                                       Kieler Seemannsmission                Mitglieder
                                                                                                                                                                   ihrer
                                                              29
                     In vielen Städten gibt es
                                                                                               der Philippinischen
                                                                                               Landsleute     betreuenKirchengemeinde
                                                                                                                          und auch Mitglieder     in Hamburg.       Man
                                                                                                                                                         der Philippi-
                     philippinische Kirchen-
                                                                                               habe  sichKirchengemeinde
                                                                                               nischen     an vieles in der neuen         Heimat gewöhnt,
                                                                                                                                 in Hamburg.          Man habesosich ein
                     gemeinden. Wie geht es den
                                                                                               Gemeindeglied,       sogar an
                                                                                               an vieles in der neuen           Buttermilch,
                                                                                                                            Heimat      gewöhnt,Schwarzbrot
                                                                                                                                                      so ein Gemein-und
                     Menschen dort heute?
                                                                                               Sauerkraut
                                                                                               deglied, sogar– aber
                                                                                                                  an die  Sehnsucht bleibt.
                                                                                                                      Buttermilch,       Schwarzbrot und Sauer-
                                                                                               kraut – aber die Sehnsucht bleibt.
                     „Wir sollten die Unter-                                                   Vielleicht haben wir Ihr Interesse geweckt?
                     schiede feiern“                                                           EineEine
                                                                                                     anregende
                                                                                                         anregende Lektüre
                                                                                                                       Lektürewünscht
                                                                                                                                  wünscht  Ihnen
                                                                                                                                               Ihnen und Euch

                     Interkulturelle Begegnungen
                     waren für Eberhard von der
                                                               31
                     Heyde zentral. Ein Interview                                              PS: Ihre Meinung interessiert uns, darum schreiben Sie uns gerne!
                     zum Abschied.

52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: info@nordkirche-weltweit.de
DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE77 5206 0410 0000 1113 33
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­h
 herausgebenden                                                                                 bearbeiten und gegebenenfalls zu kürzen. Gendergerechte Sprache
   erausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu ­bearbeiten
wenden wir in dieser Publikation an, indem wir u. a. abwechselnd die männliche und weibliche Form benutzen. Gedruckt auf TCF – total chlorfrei gebleichtem Papier.

                                                                                                                                                 weltbewegt          3
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Quo vadis Philippinen?
                 Die Philippinen verändern sich. Präsident Rodrigo
                 Duterte bricht mit politischen Traditionen. Im Land wird
                 seine Politik gefürchtet und gefeiert.
                                                                              Jan Pingel

                 E    igentlich ist auch 2017 alles
                      beim Alten in den Philippinen.
                 Im drittgrößten christlichen Land
                                                           pflichtigkeit des Eigentums wird
                                                           unterstrichen. Ausgedehnte Mit-
                                                           bestimmungs- und Arbeiterrechte
                 der Welt plagen hohe Armutsquo-           (gerechter Lohn, Vereinigungsfrei-
                 ten, Korruption und ein stagnie-          heit, Streikrecht) finden sich dort
                 render Friedensprozess im musli-          ebenso wie Bestimmungen zur
                 mischen Süden das Land. Nach              Agrarreform oder das Recht auf
                 Jahrhunderten spanischer und US-          Gesundheit und Bildung. Auch die
                 amerikanischer Kolonialherrschaft         Beteiligung von Nichtregierungs-
                 und einer „People Power Revoluti-         und Basisorganisationen an politi-
                 on“ im Jahr 1986 ist das Land nach        schen Prozessen wurde dort festge-      oder nur teilweise gelöst werden
                 wie vor fest in Händen der politi-        schrieben. So gibt es regelmäßige       konnten. Dazu gehören unter
                 schen und wirtschaftlichen Elite.         Wahlen und viele kleine und größe-      anderem politische Clanstrukturen,
                 Tiefgreifende Reformen gehen in           re Nichtregierungsorganisationen        die besorgniserregende Menschen-
                 den Wirren des politischen Systems        (NGOs), die sich in die Politik ein-    rechtslage, die Marginalisierung und
                 verloren. Die Landreform kommt            mischen. Einige Gesetze wie der         Diskriminierung indigener Gemein-
                 weiterhin nicht vom Fleck, Armut          Local Government Code schreiben         schaften und gewaltsame Konflikte
                 und soziale Ungleichheit nehmen           die Mitarbeit von Bürgergruppen         im Süden des Landes – hinzu kommt
                 zu, Clans sowie politische und wirt-      sogar zwingend vor, eine kritische      nun der rigoros geführte Kampf ge-
                 schaftliche Eliten treiben weiter ihr     Presse sowie eine große Medienviel-     gen Drogenhandel und -konsum.
                 Unwesen. Das Land steht weiterhin         falt gibt es zudem. Keine öffentliche
                 vor gewaltigen Herausforderungen.         Rede, in der nicht die soziale          Alles neu unter Präsident
                 Trotz eines beachtlichen Wirt-            Gerechtigkeit pathetisch beschwo-       Duterte?
                 schaftswachstums, das in den letz-        ren, Korruption verurteilt und der
                 ten Jahren bei rund sechs Prozent         Bürgersinn angerufen wird. Die          Der bisherige Bürgermeister der
                 lag, ist die Zahl der Armen kaum          Medien prangern eine Kultur der         Millionenstadt Davao im Süden der
                 gesunken. Trotzdem verändert sich         Straflosigkeit bezüglich von Men-       Philippinen, Rodrigo Duterte, hatte
                 das Land tiefgreifend – so schnell        schenrechtsverletzungen an. Sie kla-    die Präsidentenwahlen mit großem
                 und radikal wie lange nicht mehr.         gen über mangelnde Trennung von         Abstand gewonnen und wurde im
                                                           öffentlichem Amt und privaten           Juni 2016 als 16. Präsident des Landes
                                                                                                                                            Fotos: D. Sagolj/REUTERS (1), E. Su/REUTERS (1)

                 Zwischen Anspruch und                     Interessen, ein Problem, das sich       vereidigt. „The Punisher“ Duterte hat
                 Wirklichkeit                              auch in einem wenig entwickelten        sich einen Namen durch seinen
                                                           Bürgersinn, grassierender Steuer-       kompromisslosen Kampf gegen das
                 Auf dem Papier sind die Philippinen       hinterziehung oder der Korruption       Verbrechen in Davao gemacht.
                 eine mustergültige Demokratie. In         zeige.                                  Während seiner 22-jährigen
                 der Verfassung der Philippinen von            Seit der Unabhängigkeit der         Amtszeit als Bürgermeister haben die
                 1987 ist viel von sozialer, politischer   Republik der Philippinen am 4. Juli     Davao Death Squads nach Angaben
                 und ökonomischer Gerechtigkeit            1946 existiert eine Reihe virulenter    von Menschenrechtsorganisationen
                 die Rede, von Menschenrechten             politischer, wirtschaftlicher und       über 1400 Kleinkriminelle und
                 und vor allem den Rechten der Un-         sozialer Konflikte, die bis heute von   Straßenkinder ermordet. Duterte
                 terprivilegierten. Selbst die Sozial-     sämtlichen Regierungen gar nicht        hatte seine Verbindung zu diesen

4   weltbewegt
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

In welche Zukunft schauen die Kinder? Das Land macht nach der Wahl
des Populisten Rodrigo Duterte zum Präsidenten einen Wandel durch.
Keiner weiß in welche Richtung es geht.

Todesschwadronen offen zugegeben.       sten in Asien zählen. Schon heute       Abkehr von alten Verbün-
Seine Sprüche sind derbe, machohaft     werden jugendliche Gefängnisin-         deten?
und selten mit den Menschenrechten      sassen Opfer von Folter und phy-
vereinbar.                              sischem, psychischem und sexu-          Präsident Duterte geht seit seinem
                                        ellem Missbrauch.                       Amtsantritt auf Distanz zu den USA,
Wiedereinführung der Todes-                                                     dem bislang engen Verbündeten des
strafe                                  Heldenbegräbnis für Diktator            Landes. Noch im April 2014 unter-
                                        Marcos                                  zeichneten beide Seiten das Enhan-
Präsident Dutertes Kampf gegen die                                              ced Defense Cooperation Agreement
Drogen lässt die Bevölkerung den        Trotz massiver Proteste wurde im        (EDCA). Für die USA ist der Insel-
Atem anhalten. So kam es in we-         November 2016 der ehemalige Dik-        staat ein wichtiger Partner in der
nigen Monaten zu mehreren tau-          tator Ferdinand Marcos auf dem          Region, so trat man im Streit um
send außergerichtlichen Morden an       Heldenfriedhof in Manila umge-          Gebietsansprüche im Südchinesi-
vermeintlichen Kriminellen (s. auch     bettet. Die Familie des Diktators       schen Meer in der Vergangenheit
S. 8ff). Als Teil der Anti-Drogen-      forderte dort seit Langem ein           gemeinsam gegen China auf. Ei-
kampagne kündigte die Regierung         Begräbnis, war bislang aber am          ne enge Kooperation zwischen der
an, die Todesstrafe, die 2006 abge-     Widerstand früherer Präsidenten         alten Kolonialmacht USA und den
schafft worden war, wiedereinfüh-       gescheitert. Opfer der Marcos-Dik-      Philippinen wird auch in Zukunft
ren zu wollen. Zudem will sie das       tatur hatten vergeblich versucht, die   wichtig sein. Zu groß sind politische,
Strafmündigkeitsalter von 15 auf        Heldenbestattung gerichtlich zu         militärische und wirtschaftliche Ab-
neun Jahre herabsetzen. Die Erfah-      verhindern. Der Despot war für          hängigkeiten, als dass diese Bezie-
rung mit der Todesstrafe zeigt je-      schwere Menschenrechtsverletzun-        hung so plötzlich zu trennen wäre.
doch auch weltweit, dass sie kaum       gen verantwortlich. Während seiner      Mit der rhetorischen Loslösung von
abschreckende Wirkung hat, aber         Amtszeit bereicherten sich Marcos,      den USA hat Duterte aber deutlich
oft ungerecht angewandt und vor         seine Familie und seine Verbündete      gemacht, dass die Verbindung zwi-
allem gegen Arme verhängt wird.         aus der Staatskasse und unterschlu-     schen beiden Staaten nicht mehr so
Die Absenkung des Strafmündig-          gen Milliarden, während die staat-      unangreifbar ist und dass man sich
keitsalters würde schon sehr junge      lichen Sicherheitskräfte jegliche       zukünftig China annähern wird.
Kinder den katastrophalen Bedin-        Opposition unterdrückten sowie          Innenpolitisch hat sich der Präsident
gungen in philippinischen Gefäng-       Tausende Menschen töteten und           damit auch die Unterstützung linker       Fortsetzung
nissen aussetzen, die zu den schlimm-   folterten.                              Gruppen gesichert.                        Seite 6

                                                                                                                         weltbewegt     5
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Protest der Indigenen: Sie fordern
                           den Rückzug amerikanischer
                     Truppen von den Philippinen. Auch
                       der Einfluss von Kolonialmächten
                         wie den USA hat dazu geführt,
                       dass die Indigenen „als kulturelle
                            Minderheiten“ ans Ende der
                        sozialen Leiter platziert wurden.

   Joan Carling,
  eine bekannte
        indigene                                             bergbaubewegung und engagierte         nischen Minderheiten in den Phi-
    Aktivistin für                                           Kirchenleute werden als Staatsfeinde   lippinen ist prekär: Sie müssen mit
 die Rechte der                                              denunziert und sind Opfer von          Diskriminierung, erschwertem Zu-
      indigenen                                              Kriminalisierung und politischen       gang zu Bildung und schlechter
 Bevölkerung in                                              Morden. Besonders schwer haben es      Gesundheitsversorgung sowie Land-
den Philippinen                                              die indigenen Völker im Land. Sie      raub kämpfen. Indigene in den Phi-
                                                             werden vom Landraub und Bergbau        lippinen fordern die Anerkennung
                                                             in ihrer traditionellen Lebensweise    ihres Rechts auf Selbstbestimmung,
                                                             bedroht und geraten immer häufiger     gesetzlich gesicherte Landrechte
                     Vergesst Gesetze und                    zwischen die Fronten der bewaffne-     sowie die Wahrung und den Schutz
                     Menschenrechte!                         ten Konflikte.                         ihrer traditionellen Kultur. Der
                                                                 So ereignen sich im Konflikt der   Indigenous Peoples Rights’ Act
                     „Vergesst Gesetze und Menschen-         Regierung mit der kommunistischen      (IPRA) von 1997 ist ein rechtlicher
                     rechte“, rief Duterte kurz vor seiner   New People’s Army (NPA) schwerste      und historischer Meilenstein, nicht
                     Wahl auf einer Abschlusskundge-         Menschenrechtsverletzungen. Zu-        nur in den Philippinen, sondern
                     bung den Menschen zu. Im blutigen       dem betrachten Teile der Armee         weltweit. Der IPRA kodifiziert in
                     Krieg gegen die Drogen geht der         jegliche Form von Staatskritik als     bisher nicht gekannter Weise das
                     tägliche Protest gegen Entwick-         staatsfeindlich. Menschen, die ge-     Recht, über das eigene Ahnenland
                     lungsprojekte, gegen Bergbau und        gen Armut, Umweltzerstörung und        zu verfügen. Dabei geht es zuweilen
                     Landgrabbing unter. Gleichzeitig        Menschenrechtsverletzungen auf-        noch über internationale Vereinba-
                     verstummt der ansonsten so laute        begehren, werden dem kommuni-          rungen und den Entwurf der UN-
                     Protest linker Gruppen gegen Unge-      stischen Aufstand zugeordnet und       Erklärung der Rechte der Indigenen
                     rechtigkeit und Gewalt.                 können demnach mit militärischen       Völker hinaus.
                         In den Philippinen gibt es eine     Mitteln bekämpft werden. Diese             Das Recht auf kulturelle und
                     sehr lebendige Zivilgesellschaft mit    Strategie schafft ein klares Feind-    religiöse Selbstbestimmung und
                     Tausenden Nichtregierungsorganisa-      bild und verwischt gleichzeitig die    politische Autonomie, das Recht auf
                     tionen und eine kritische Presse, die   Grenze zwischen bewaffnetem            kulturell angemessene Erziehung,
                     lautstark auf Missstände aufmerk-       Widerstand und friedlicher, ziviler    das Recht auf selbstbestimmte
                     sam machen. Doch jene, die Kritik       Opposition.                            Entwicklung, das Recht auf
                     an Umweltzerstörungen durch inter-                                             Eigentum und Kontrolle ihres
                     nationale Bergbaukonzerne, an der       Indigene – zwischen Selbst-            kulturellen und geistigen Erbes und
                     Ausbeutung durch Großgrundbesit-        bestimmung und Diskrimi-               ihrer biologischen und natürlichen
                     zer üben und großes oder kleines        nierung                                Ressourcen, das Verbot der
                     Unrecht anprangern, sind bedroht.                                              rechtlichen Diskriminierung indige-
                     Mitglieder systemkritischer Partei-     In Asien sind die Philippinen nach     ner Menschen – dies alles findet sich
                     listen, progressive Lokalpolitiker,     Myanmar das Land mit dem pro-          in diesem Gesetzeswerk.
                     Umweltaktivistinnen, Bäuerinnen         zentual höchsten Anteil an indige-         Leider klaffen auch hier formales
                     und Bauern der Agrarreformbewe-         ner Bevölkerung. Doch die Situati-     Recht und dessen Umsetzung in der
                     gung, indigene Aktivisten der Anti-     on der indigenen Gruppen und eth-      Realität weit auseinander. Ihre

6     weltbewegt
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt
                                                                                                                                                                                                     Schwerpunkt

                                                                                                                                                                                                     Obwohl es viele
                                                                                                                                                                                                     Regionen mit
                                                                                                                                                                                                     fruchtbaren
                                                                                                                                                                                                     Böden gibt,
                                                                                                                                                                                                     gehört die
                                                                                                                                                                                                     südlichste
                                                                                                                                                                                                     Inselgruppe
                                                                                                                                                                                                     Mindanao zu
                                                                                                                                                                                                     den ärmsten
                                                                                                                                                                                                     Regionen des
                                                                                                                                                                                                     Landes.

                                                                                                 Lebensgrundlagen sehen die Indi-           Seit mehr als 45 Jahren kämpfen    Quo vadis, Philippinen?
                                                                                                 genen bedroht durch die Wirt-          muslimische Guerillagruppen auf
                                                                                                 schaftsinteressen nationaler und       der Insel Mindanao für kulturelle      Trotz des offensichtlichen Engage-
                                                                                                 internationaler Unternehmen, zum       und politische Selbstbestimmung.       ments im Friedensprozess ist die bis-
                                                                                                 Beispiel im Bergbau und Landraub,      Der Konflikt hat mindestens 150 000    herige Amtsführung Dutertes beglei-
                                                                                                 oder im Agrobusiness. Versuchen        Todesopfer gefordert und Millionen     tet von schwerwiegenden Menschen-
                                                                                                 ihre Organisationen, sich mit recht-   Menschen zur Flucht gezwungen.         rechtsverletzungen, einer offen ausge-
                                                                                                 lichen Mitteln dagegen zu wehren,      Vor rund zwei Jahren herrschte dann    sprochenen Geringschätzung von
                                                                                                 werden sie oftmals bedroht und         Aufbruchstimmung. Nach einem           Rechtsstaatlichkeit und inkonsis-
                                                                                                 eingeschüchtert. Von vielen für die    fast zwanzigjährigen Verhandlungs-     tenten politischen Entscheidungen.
                                                                                                 Philippinen typischen Problemen        marathon war endlich ein Friedens-     Fast achtzig Prozent der philippi-
                                                                                                 (Armut, Umweltverschmutzung,           abkommen zwischen der Regie-           nischen Bevölkerung unterstützen
                                                                                                 Landkonflikte, Menschenrechts-         rung und der bedeutendsten musli-      dabei den neuen Kurs des Präsi-
                                                                                                 verletzungen, Bergbaufolgen, Kli-      mischen Widerstandsorganisation,       denten. Die langsame Abkehr von den
                                                                                                 mawandel) sind Indigene beson-         der Moro Islamic Liberation Front      USA, Reformversprechen sowie Hoff-
                                                                                                 ders betroffen.                        (MILF), zustande gekommen. Eines       nung auf Frieden nähren diese breite
                                                                                                                                        der Kernstücke des Vertrages ist das   Unterstützung. Viele sind zwar ge-
Fotos: A. Perawongmetha/REUTERS (1), R. Ranoco/REUTERS (1), P. R. Binter (1), L Breininger (1)

                                                                                                 Ewiger Konflikt in Mindanao?           Grundgesetz der neu zu schaffenden     schockt vom blutigen Krieg gegen die
                                                                                                                                        autonomen Bangsamoro-Region.           Drogen, unterstützen aber den Kurs,
                                                                                                 Mindanao, die südlichste Insel-        Allerdings sind die darauf folgenden   solange sie selbst nicht betroffen sind.
                                                                                                 gruppe der Philippinen, ist eine der   Verhandlungen zu einem neuen           Wer sich offen gegen Dutertes Politik
                                                                                                 ärmsten Regionen des Landes. Dies,     Autonomiegesetz, dem sogenannten       stellt, wird als ein vom Westen gesteu-
                                                                                                 obwohl weite Teile der Insel sehr      Bangsamoro Basic Law (BBL), an         erter Spinner abgetan und (vor allem
                                                                                                 fruchtbare Böden haben und die         Widerständen im philippinischen        im Internet) scharf angegangen. Phi-
                                                                                                 Insel reich an natürlichen Ressour-    Kongress gescheitert. Vor allem die    lippinische Menschenrechtsgruppen
                                                                                                 cen wie Mineralien, Holz, Wasser       muslimische Bevölkerung in Min-        und linke Protestbewegungen schei-
                                                                                                 und Fischgründen ist. Die Erträge      danao war vom Scheitern tief ent-      nen durch angekündigte Reformen
                                                                                                 aus der Ausbeutung der natürlichen     täuscht.                               und die Beteiligung an Entschei-
                                                                                                 Ressourcen Mindanaos kommen                Die Wahl von Rodrigo Duterte       dungsprozessen verstummt.
                                                                                                 jedoch nur zu einem verschwin-         zum philippinischen Präsidenten             Langsam aber sicher formiert sich
                                                                                                 dend geringen Grad der Bevölke-        weckte auf vielen Seiten die Hoff-     allerdings Widerstand gegen die Mor-
                                                                                                 rung zugute. Der Kampf um den          nung, dass er dem Friedensprozess      de, die Straflosigkeit, die Einführung
                                                                                                 Zugang zu diesen Ressourcen            einen neuen und positiven Impuls       der Todesstrafe und den Umgang mit
                                                                                                 sowie Diskriminierung von Teilen       geben kann. Duterte ist der erste      der Marcos-Familie. Zivilgesellschaft-
                                                                                                 der Bevölkerung führte in den letz-    Präsident der Philippinen, der aus     liche Organisationen und Kirchen            Jan Pingel ist
                                                                                                 ten Jahrzehnten zu einer hohen         Mindanao kommt. Er hat mehrfach        müssen den Mut haben, sich laut gegen       Mitglied des
                                                                                                 Zahl von Menschenrechtsverlet-         betont, dass ihm eine Lösung im        diese Ungerechtigkeiten zu stellen. Sie     Philippinenbüro
                                                                                                 zungen zu einer Reihe eskalierender    Sinne der muslimischen Bevölkerung     sind dabei aber weiterhin auf inter-        e. V. im Asien-
                                                                                                 Gewaltkonflikte.                       am Herzen liegt.                       nationale Solidarität angewiesen.           haus, Köln.

                                                                                                                                                                                                                          weltbewegt    7
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Dutertes Drogenkrieg
                 Präsident Rodrigo Duterte hat den Kampf gegen Drogen
                 zum Inhalt seiner Politik gemacht und missachtet dabei alle
                 Menschenrechte

                                                                              Niklas Reese

                 J    eden Morgen finden sich in den
                      Philippinen 20 bis 30 Leichen in
                 den Gassen und auf den Bürgerstei-
                                                          Fast 50 000 mutmaßliche Drogenab-
                                                          hängige und Kleindealer sind ver-
                                                          haftet worden, über eine Millionen
                                                                                                    gerten sie bloß die Lösung des Dro-
                                                                                                    genproblems. Und am nächsten Tag
                                                                                                    hört man dann von seinen Epigo-
                 gen. Ihre Leiber in Karton einge-        haben sich freiwillig „ergeben“, wie es   nen, so sei das alles nicht gemeint
                 packt, ihre Gesichter von einer Pla-     im von Kriegsrhetorik getränkten          gewesen.
                 stikplane verdeckt. Und neben            Diskurs in den Philippinen heißt.             Die Statements Dutertes werden
                 ihnen ein Pappschild, auf dem steht      Zur gleichen Zeit stellt sich Duterte     jeden Monat krasser, die Belei-
                 „Ich bin ein Dealer. Mach es nicht       vor alle Polizisten, die in die           digungen, die er denen an den Kopf
                 wie ich.“ Normalerweise auch mit         Tötungen verwickelt sind und sichert      wirft, die kritische Fragen stellen
                 einer Kugel im Kopf. Zuweilen auch       ihnen Straffreiheit zu.                   (wie so manchem UN-Sonderbe-
                 mit Folterspuren. Die meisten Pas-                                                 richterstatter, der Europäischen
                 santen gehen vorbei. Aus Angst,          „Leben ist billig geworden“               Union, der katholischen Kirche oder
                 weil sie sich daran gewöhnt haben –                                                dem Vorsitzenden der philippini-
                 oder schlicht, weil sie denken: Der      „Außergerichtliche Tötungen sind          schen Menschenrechtskommission),
                 hat es ohnehin verdient.                 schon so lange in den Nachrichten,        sind unflätig wie eh und je. Der
                     Sieben Monate ist Präsident          dass sie nicht mehr berichtenswert        Rückhalt dagegen, den Duterte in der
                 Duterte nun im Amt. Bislang ist es       erscheinen,“ erklärte der Anthropo-       Bevölkerung genießt, bleibt phäno-
                 zu fast 7000 außergerichtlichen          loge Gideon Lacso Mitte November          menal hoch. 85 Prozent der Filipinos
                 Hinrichtungen gekommen. Bei              letzten Jahres im Philippine Daily        vertrauen ihm laut Umfragen wei-
                 zahlreichen von ihnen ist nicht          Inquirer. „Ihrer Individualität ent-      terhin und begrüßen seinen „Krieg
                 einmal sicher, ob sie tatsächlich, wie   kleidet, sind die Opfer jetzt nur eine    gegen die Drogen“, selbst wenn es
                 behauptet, Drogenabhängige und           Statistik.“                               sogar 94 Prozent lieber wäre, wenn
                 Kleindealer waren. Die Polizei un-           In 97 Prozent der Fälle, wo es bei    die Polizei die Drogenabhängigen
                 tersucht diese Fälle nämlich bislang     Polizeioperationen zum Gebrauch           und -dealer bloß verhaften und nicht
                 nicht. Es genügt der Verdacht, ein       der Schusswaffe kommt, wird der           gleich an Ort und Stelle erschießen
                 Drogenabhängiger zu sein, um um          Verdächtige erschossen. Man ahnt,         würde.
                 sein Leben fürchten zu müssen.           dass die Polizei in den meisten Fällen        Die Kolumnistin Ana Marie
                     Jedes Stadtviertel (barangay) ist    nicht die Wahrheit sagt, wenn sie         Pamintuan beschreibt im November
                 angehalten, eine Liste mit mut-          behauptet, sie hätte nur zurück-          2016 in The Philippine Star die
                 maßlichen Drogenabhängigen und           geschossen, da das Opfer sie bedroht      Stimmung im Land im Moment so:
                 Dealern in der Gegend anzufertigen.      habe. Man hat sich an das Spiel           „Unter Rodrigo Duterte ist das Leben
                 Wenn sich nicht genügend Verdäch-        gewöhnt, dass der Präsident an einem      billig geworden. Einfache Leute
                 tige finden lassen, sehen sich die       Tag zum Töten eines jeden Verdäch-        denken jetzt, dass Töten die schnell-
                 Ortsvorsteher gezwungen, die Liste       tigen auffordert, weil sich nur so das    ste und effizienteste Art ist, mit
                                                                                                                                            Foto: R. Ranoco/REUTERS (1)

                 mit anderen Namen „aufzufüllen“.         Problem aus der Welt schaffen lasse.      Problemen fertig zu werden. Was
                 Missliebige Personen, derer man sich     Selbst Menschenrechtsaktivistinnen        sind ein paar tausend tote Filipinos
                 so entledigen könnte, dürfte es genug    und Rechtsanwälten, die bereit sind,      im Vergleich zu den Ausmaßen des
                 geben. Fast sechs Millionen Häuser       sich der Verdächtigen anzunehmen,         Drogenproblems?“
                 hat die Polizei schon aufgesucht und     droht er an, sie töten zu lassen. Denn,       Mittlerweile fürchten allerdings
                 mögliche Drogennutzer gewarnt,           so Duterte, indem sie die Ver-            fast 80 Prozent, dass sie selbst oder
                 dass sie die nächsten sein könnten.      dächtigen in Schutz nehmen, verzö-        ihre Lieben der nächste „Kolla-

8   weltbewegt
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Schwerpunkt

                                                                                In Kampfstimmung. Präsident
                                                                                Rodrigo Duterte präsentiert im
                                                                                Januar 2017 während seiner Rede
                                                                                im Präsidentenpalast die neuen
                                                                                „Narko-Listen“ der Polizei. Hier
                                                                                werden die Namen der Verdäch-
                                                                                tigen genannt, die mit dem
                                                                                illegalen Drogenhandel in Verbin-
                                                                                dung gebracht werden.

                                                                                Drogenabhängige Menschen seien,
                                                                                erklärte sie für unzurechnungsfähig
                                                                                und unbehandelbar. Es bleibe ihm
                                                                                daher nichts anderes übrig, als sie alle
                                                                                zu vernichten. (e) Zudem, so erklärte
                                                                                Duterte den Filipinos, habe das
                                                                                Drogenbusiness die Politik im Lande
                                                                                fest in der Hand. Es brauche den
                                                                                starken Mann (ihn), der den Drogen-
                                                                                bossen und den Drogenabhängigen
                                                                                den Garaus mache. Darum werde er
                                                                                nicht eher ruhen, als bis der letzte
                                                                                Dealer „eliminiert“ und bis der letzte
teralschaden“ sein könnten, wie        Land. (c) Mehr Drogenabhängige           Drogenabhängige von den Straßen
Duterte diejenigen bezeichnet, die     bedeute mehr Kriminalität, denn 75       verschwunden sei. Duterte gilt seinen
von Polizei oder Bürgerwehren „aus     Prozent aller schweren Verbrechen        Anhängern als „letzte Hoffung“.
Versehen“ umgebracht wurden.           würden von Drogenabhängigen ver-
Dutertes Rückhalt ist klassen-         übt. Drogenabhängige seien „alle         Hitler als Vorbild
übergreifend, die Mittel- und Ober-    potenzielle Verbrecher“, so Duterte,
schicht und die Collegeabsolvent/      „denn wenn sie einen Affen schieben      Wer sich hier an die Nazis erinnert
innen unterstützen Duterte sogar zu    (auf Entzug sind – Anm. d. R.), wer-     fühlt, dem erklärt Duterte, dass
20 Prozent. Das sind mehr als etwa     den sie sich immer etwas beschaf-        Hitler sein Vorbild sei, denn Hitler
diejenigen, die nur die Grundschule    fen.“                                    habe die Millionen, die er als Staats-
abgeschlossen haben.                       Duterte ist es im Laufe des Wahl-    feinde betrachtete, einfach vernich-
                                       kampfes um das Amt des Präsidenten       tet und so wolle er, Duterte, auch in
Wie ist das alles möglich?             am 9. Mai 2016 gelungen, eine Panik      den Philippinen verfahren. Dabei
                                       zu verbreiten. Während im Jahre          kümmert Duterte sich wenig um
Duterte ist es gelungen, die drän-     2015 nur 30 Prozent der Filipinos        Fakten: Er spricht von vier Millio-
genden Probleme der philippini-        dem Meinungsforschungsinstitut           nen Drogenabhängigen (und un-
schen Gesellschaft wie Korruption,     Pulse Asia zufolge besorgt waren,        terscheidet dabei nicht zwischen
Kriminalität, Armut oder die olig-     Opfer eines Verbrechens zu werden        Abhängigen und bloßen Nutzern),
archischen politischen Verhältnisse    und gerade einmal jeder Fünfte die       während selbst die nationale Dro-
ganz einfach zu erklären und der       Bekämpfung der Kriminalität für          genbehörde von nur 1,8 Millionen
philippinischen Öffentlichkeit ei-     eine der drei wichtigsten politische     Abhängigen spricht. Rodrigo Duter-
nen ganz einfach gestrickten Pro-      Aufgaben hielt, waren es Mitte 2016      te, schrieb Karlo Mongaya Anfang
blemaufriss zu verkaufen: (a) Unter    dann fast 50 Prozent. Während zu-        diesen Jahres im Philippine Daily
seinem Vorgänger Aquino sei die        dem zuvor Armut und Charakter-           Inquirer, sei es gelungen „die Fru-
Kriminalitätsrate um das Dreifache     losigkeit als wesentliche Ursachen für   stration im Volk mit den Fehlern
gestiegen und (b) das Drogenpro-       Kriminalität galten, war es nun plötz-   einer oligarchischen Demokratie in
blem eskaliert. Mittlerweile gebe es   lich Drogenabhängigkeit. Duterte         einen ‚Drogenkrieg‘ gegen arme              Fortsetzung
vier Millionen Drogenabhängige im      bezweifelt(e) weiterhin, dass (d)        Drogenverdächtige umzuleiten, de-           Seite 10

                                                                                                                           weltbewegt     9
Welt - Philippinen - Nordkirche weltweit
Das Land ist gespalten. In jene, die in Duterte den
                                                                                      Retter erblicken – und jene, die ihn für den Teufel
                                                                                                                      persönlich halten.

                  nen das Menschsein abgesprochen          1000 Verdächtige meist vom Motor-        Fronten zwischen Anhängern
                  werde. Dass unsere nationalen Pro-       rad aus erschossen. Es war ein           und Gegnern sind verhärtet
                  bleme im politischen System wur-         offenes Geheimnis, dass Duterte
                  zeln, wird heruntergespielt. (Statt-     hinter diesen Todesschwadronen           Auch wenn er viel angekündigt hat:
                  dessen) wird Herr Duterte als ‚letzte    steckte. De Lima ließ die „Davao         Friedensverhandlungen mit der
                  Karte‘ dargestellt, die durch außer-     beziehungsweise Duterte Death            kommunistischen Guerilla und mit
                  ordentliche, autoritäre Maßnahmen        Squads“ untersuchen und zog so           den muslimischen Separatisten, bei-
                  alle gesellschaftlichen Widersprü-       Dutertes Wut auf sich.                   de seit mehr als vier Jahrzehnten
                  che im Namen des philippinischen             Nun war Zeit, es ihr heim-           aktiv, eine Verbesserung des Bür-
                  Volkes lösen könne.“                     zuzahlen. Duterte behauptet, de          gerservice bei Regierungsbehörden
                  Schlimmer noch: Ob kritische Jour-       Lima sei eine der wichtigsten            nebst zahlreichen sozialpolitischen
                  nalistin, ob Menschenrechtsaktivist      Akteurin in der Narkopolitik und         Versprechungen – es ist der Krieg
                  oder lokale Politikerin, die sich wei-   zudem eine Schlampe, da sie eine         gegen die Drogen, den er wie beses-
                  gert, eine Liste von zu eliminie-        Beziehung mit einem verheirateten        sen verfolgt. Und erfolgreich zu dem
                  renden Subjekten im eigenen Stadt-       Mann gehabt habe.                        Problem gemacht hat, mit dem alles
                  teil zu erstellen – sie alle werden          Im November genehmigte Du-           steht und fällt. Dies geht mit der
                  verdächtigt, selbst ins Drogenbusi-      terte, den Ex-Diktator Ferdinand         Behauptung einher, dass, wenn erst
                  ness verwickelt zu sein. Warum           Marcos, der von 1972 bis 1986 das        das Drogenproblem gelöst sei, dies
                                                                                                                                            Fotos: R. Ranoco/REUTERS (1), N. Reese (1)

                  sonst sollte man sich der Rettung        Land hat ausbluten lassen, auf dem       automatisch zur Lösung all der
                  des Vaterlandes verweigern?              Heldenfriedhof begraben zu las-          anderen Probleme des Landes führe,
                      So geschehen mit Leila de Lima,      sen. Es sei Zeit, einen Schlussstrich    ob wirtschaftliche Rückständig-
                  vormaliger Justizministerin, die         zu ziehen und ob Marcos nun dem          keit, Korruption oder oligarchische
                  schon als Vorsitzende der Menschen-      Land geschadet habe oder nicht, das      Herrschaft.
                  rechtskommission Duterte auf die         sei Ansichtssache, so Duterte. Zu-          Hieß es nach dem Wahlsieg noch,
                  Nerven ging, als dieser noch Ober-       gleich droht Duterte immer wieder,       das Land erwarte eine Revolution,
                  bürgermeister von Davao war. Dort        das Kriegsrecht auszurufen und das       welche die Oligarchie, die katholi-
                  haben Todesschwadronen mit den-          Recht auf Haftprüfung auszusetzen,       sche Kirche und auch die Krimi-
                  selben Methoden in 14 Jahren über        wenn die Situation es erfordere.         nalität besiegen werde und einen

10   weltbewegt
Schwerpunkt

Sozialismus philippinischer Art            Das kommende Jahr dürfte aus-        ein Ende zu bereiten. Auch Umwelt-
zustande bringen werde, so ist von     schlaggebend werden. Sollte Duterte      und Ressourcenministerin Gina Lo-
der Revolution nach sechs Monaten      kein Interesse zeigen, auch in an-       pez, zuvor eine der führenden Um-
kaum mehr als der Krieg gegen die      deren gesellschaftlichen Bereichen       weltaktivistinnen im Lande, die ei-
Drogen übriggeblieben. Der öffent-     etwas zu verändern, etwa den Zugang      nen Kreuzzug gegen den Großberg-
liche Diskurs trieft von Kriegs-       zu Gesundheit und Bildung zu             bau und andere Umweltsünden
semantik. Die Philippinen befänden     verbessern, dem Dauerstau in der         führt, könnte bald zurückgepfiffen
sich im Krieg. Im Krieg gegen das      Metropole Abhilfe zu schaffen oder       werden, wenn sie dem Business da-
Drogenmonster, gegen einen von der     den Friedensprozess mit kommu-           mit zu sehr auf die Füße tritt. Denn
Drogenmafia kontrollierten Staat –     nistischen und muslimischen Re-          auch wenn er sich gerne als „Sozia-
und in einem Krieg zwischen denen,     bellen voranzutreiben, dürfte er lang-   listen“ bezeichnet, erklärte Duterte
die das erkannt haben und jenen, die   sam, aber sicher an Unterstützung        gleich nach seinem Wahlsieg, dass er
nicht wollen, dass die Mehrheit        verlieren. In diesen Bereichen ist es    an der neoliberalen Wirtschaftspoli-
klarsieht. Nämlich die „gelben         bislang bloß bei großspurigen An-        tik seines Vorgängers Aquino nicht          Niklas Reese
Eliten“, westliche Regierungen und     kündigungen geblieben. Schon jetzt       Substantielles zu ändern beabsichti-        ist in Südostasien
vom Ausland gesteuerten NGOs, die      hat die radikale Linke ihre Zurück-      ge. Im Bereich Arbeitsrecht, Renten-        aufgewachsen,
vom Status quo profitierten und den    haltung aufgegeben und kritisiert        politik, Gesundheitsversorgung und          davon ein Jahr in
„wirklichen Neuanfang (tunay na        den Präsidenten in gewohnt kon-          Hochschulfinanzierung hat die Re-           Davao City. Er ist
pagbabago)“, wie es im Slogan          frontativer Manier. Mit der Beerdi-      gierung Duterte daher schon maß-            Deutschlehrer und
Dutertes heißt, um jeden Preis         gung von Marcos auf dem Helden-          geblich zurückgerudert.                     lebt in Manila. Der
verhindern wollten.                    friedhof hatte er ihnen frontal vor          Es ist zu befürchten, dass der Ver-     langjährige Mitar-
    In diesem Kontext verkauft         den Kopf gestoßen. Früher oder spä-      lust an Unterstützung für Duterte zu        beiter des Philippi-
Duterte auch seine beiden vor-         ter dürften sich dann auch die vier      bürgerkriegsähnlichen Zuständen im          nenbüros im
dringlichsten Gesetzesvorhaben, die    Minister, die aus ihrem Lager stam-      Lande führen wird. Zu verhärtet sind        Asienhaus, lehrte
Wiedereinführung der Todesstrafe       men, aus dem Kabinett Dutertes           die Fronten zwischen Anhängern und          Südostasienkunde
und die Senkung des Strafmün-          zurückziehen, was den Todesstoß          Gegnern, zu messianisch das Bild, das       in Passau und
digkeitsalters von 15 auf neun Jah-    für ihre Bemühungen bedeuten dürf-       die Anhänger von Duterte haben. Da          Bonn. Er ist u. a.
re. Es ist sehr wahrscheinlich, dass   te, die Landreform wieder anzusto-       lässt sich mit Karl Valentin nur            Co-Herausgeber
die Gesetze noch im ersten Halbjahr    ßen oder den befristeten Arbeitsver-     hoffen, dass „es hoffentlich nicht so       des „Handbuch
2017 beschlossen werden.               hältnissen, die weit verbreitet sind,    schlimm wird, wie es jetzt schon ist“.      Philippinen“.

                                                                                                                          weltbewegt     11
Die Philippinen
Die Philippinen sind ein
Archipel mit 7 107 Inseln im                              Im Kern bestehen die
westlichen Pazifischen Ozean                               Inseln aus über dem
und gehören zu Südostasien.                           Meeresspiegel aufragen-
Mit einer Gesamtfläche von                            den submarinen Gebirgs-
etwa 300 000 Quadratkilo-                                 ketten. Dazu gehören
metern bilden sie den fünft-                            auch aktive Vulkane wie
größten Inselstaat der Welt.                               der Mayon auf Luzon
Die etwa 101 Millionen Ein-
wohnerinnen und Einwohner
verteilen sich auf etwa 880
bewohnte Inseln. Der Archipel
wird in drei große Inselgrup-
pen unterteilt. Im Norden liegt
Luzon mit der Hauptstadt
Manila. Zentral gelegen sind
die Visayas und im Süden
befinden sich Mindanao und
der Sulu-Archipel.
Es gibt auf dem Inselstaat über                               Indigene Gruppen
5000 verschiedene Tierarten                               pflegen ihr kulturelles
und über 13000 verschiedene                            Erbe zum Beispiel durch
Pflanzen. Auch kulturell und                            Ausübung traditioneller
ethnologisch bietet der                                              Sportarten
Archipel eine große Vielfalt.
Neben den Negeritos, den
Zuwanderern aus prähistori-
scher Zeit, kamen vor Jahrun-
derten malaiische Völker                                                            Wie in ganz Asien ist auch in den
hierher. Die Malaien machen                                                         Philippinen Reis das Hauptnah-
heute gut 90 Prozent der Be-                                                        rungsmittel. Im Regenwaldgebiet
völkerung aus, während die                                                          des Nordens wird Reis, wie hier,
Negeritos, die Ureinwohner, nur                                                     auf traditionellen Terrassen
zwei Prozent stellen. Es folgten                                                    angebaut, in fruchtbaren Ebenen
Chinesen (heute ca. zwei                                                            weiter im Süden auf riesigen
Prozent), Inder, Araber, Spanier                                                    Reisfeldern.
und US-Amerikaner, die alle-
samt eigene kulturelle, reli-
giöse, sprachliche, wirtschaft-
liche und politische Spuren
hinterließen. So gibt es 170
verschiedene Sprachen, von
denen Tagalog beziehungs-
weise Filipino und Cebuano
die wichtigsten sind. Wissen-
schafts- und Unterrichts-
sprache ist heute Englisch.
Die Philippinen sind also in        Verkehrsmittel,
vielfacher Hinsicht eine sehr            wie dieses
vielschichtige und vielseitige            Motorrad,
Inselgruppe. An der Spitze der           werden so
Philippinischen Republik steht           umgebaut,
seit 2016 Präsident Rodrigo            dass sie von
Duterte. Sein Amtssitz ist in der    vielen genutzt
Hauptstadt Manila.                  werden können

12    weltbewegt
Schwerpunkt
                                                                                                                                                                                                                                       Schwerpunkt

                                                                                                                                   „Wir stellen uns den Herausforderungen
                                                                                                                                   und stehen dann wieder auf“
                                                                                                                                   Sechs Schülerinnen und Schüler aus Cagayan de Oro erzählen, was sie
                                                                                                                                   von ihrem Land halten und was ihre Wünsche und Ziele sind. Die Lehrerin
                                                                                                                                   Elena Yañez hat die Jugendlichen für weltbewegt gefragt.

                                                                                                                                   Was kommt euch zuerst in den Sinn, wenn ihr an die          eine Lösung. Ich bin überzeugt: Wenn Menschen eine
                                                                                                                                   Philippinen denkt?                                          Arbeit oder ihre Bestimmung gefunden haben und sich
                                                                                                                                   Meryl: Das Wichtigste sind die Menschen, aber auch          für etwas engagieren, kommen dann auch eher gute
                                                                                                                                   unsere Kultur. Wir haben einen großen Kulturreichtum        Dinge auf einen zu. Materielle Armut ist in meinen Au-
                                                                                                                                   und sollten unser Bestes tun, um ihn zu bewahren. Gut       gen kein Hindernis, um ein zufriedenes und erfolgreiches
                                                                                                                                   finde ich aber auch unser Essen. Bei uns gibt es so viele   Leben zu führen.
                                                                                                                                   verschiedene Delikatessen, wie sonst wohl nirgendwo
                                                                                                                                   auf der Welt.                                               Was schätzt du an deinem Land besonders und was
                                                                                                                                   Johnmay: Ich denke zuerst an die grünen Wälder, an          magst du nicht?
                                                                                                                                   dunkelblaues Wasser, farbige Korallenriffe, und den         Meryl: Wir mussten in der letzten Zeit so vielen
                                                                                                                                   weißen Sand. Das macht mich immer noch einfach              Katastrophen ins Auge blicken. Aber ganz gleich, was wir
                                                                                                                                   glücklich.                                                  zu bewältigen haben: Wir bleiben standhaft und kämpfen.
Fotos: Wikimedia Commons (1), J. B. Cabajar(1), L. Breininger (1), E. de Castro/REUTERS (1), Elena Yañez (1), Zeichnung: C. Wenn

                                                                                                                                   Kyle: Das ist einfach das Land, in dem ich zuhause bin.     Was ich außerdem besonders mag, ist die Freude und
                                                                                                                                   Ich liebe die Natur. Ich glaube, dass man nirgendwo so      Herzenswärme der Menschen hier. Außerdem mag ich
                                                                                                                                   gut wandern kann wie in den Philippinen Es gibt über        die verschiedenen Feste, die wir jedes Jahr feiern. Was
                                                                                                                                   tausend eigenständige Inseln, davon sind einige noch        ich für das Land sehr schädlich finde, ist die Tatsache,
                                                                                                                                   ganz unberührt. Da gibt es immer etwas Neues zu             dass so viele Politiker korrupt sind.
                                                                                                                                   entdecken.                                                  Ghea: Ja, mit den unzähligen Katastrophen, die unser
                                                                                                                                   Ghea: Mir geht es genauso. Die Philippinen, das ist         Land geprüft haben, wurde fast alles vernichtet: Gesund-
                                                                                                                                   zuerst einmal meine Heimat. Es ist aber auch ein Land,      heit, Wohlstand, Heimat. Mit nur einem Wimpernschlag
                                                                                                                                   in dem alle Menschen willkommen sind. Wir haben             haben viele ihre Angehörigen verloren und auch andere
                                                                                                                                   einfach Besonderes zu bieten. Deshalb kommen so viele       Menschen, die sie geliebt haben. Trotzdem: In all diesen
                                                                                                                                   Touristen. Wenn ich dann höre, wie sehr sie von unserem     tragischen Ereignissen zeigen wir immer noch ein Lächeln
                                                                                                                                   Land schwärmen, macht mich das auch stolz.                  im Gesicht. Das ist das, was ich
                                                                                                                                   Lea: Ich finde auch, dass wir in einem wunderschönen        an uns so liebe: Wir stellen uns
                                                                                                                                   exotischen Land leben mit paradiesischen Stränden.          den Herausforderungen und
                                                                                                                                   Andere mögen glauben, dass wir arm sind. Dabei sind         stehen dann wieder auf. Wenn
                                                                                                                                   wir sehr bodenständig und können uns mit den                es aber eines gibt, was ich
                                                                                                                                   Umständen arrangieren, so wie sie nun einmal sind. Viele    hasse, dann sind es Menschen,
                                                                                                                                   führen ein bescheidenes Leben und leben in einfachen        die andere Menschen für ihre
                                                                                                                                   Häusern. Trotzdem sind wir fleißige und hart arbeitende     Zwecke missbrauchen.
                                                                                                                                   Menschen, mit Träumen und hohen Zielen. Es ist für mich     Zoe: Was ich nicht gut finde, ist
                                                                                                                                   etwas Besonderes, dass philippinische Familien auf dem      die wachsende Bergbauindu-
                                                                                                                                   Land auch unabhängig vom Geld ein gutes Leben führen        strie. Sie ist hauptverantwort-
                                                                                                                                   können. Sie können Gemüse anpflanzen oder Fische            lich für die Umweltverschmut-
                                                                                                                                   fangen und haben alles, was man zum Leben braucht.          zung in unserem Land. Sorgen
                                                                                                                                   Damit geht es ihnen besser als vielen anderen. Wir          macht mir außerdem die Dro-
                                                                                                                                   könnten wieder viel vom einfachen Lebensstil auf dem        wgenkriminalität. Sie hat das
                                                                                                                                   Land lernen. Für mich bedeutet es, dass es auch eine        schon jetzt das Leben vieler
                                                                                                                                   Frage der Geisteshaltung ist, ob man sich arm fühlt.        zukünftiger Generationen rui-
                                                                                                                                   Irgendwie gibt es für alle Schwierigkeiten im Leben doch    niert. Was ich aber wirklich
                                                                                                                                                                                                                                  Ghea N. Tu
                                                                                                                                                                                                           weltbewegt     13                 maweltbewegt
                                                                                                                                                                                                                                                nd a        13
sehr mag sind die Inseln, die Berge und besonders die           einsamen Menschen, die keinen an ihrer Seite haben. Wir
                  Menschen, die ich liebe.                                        sollten außerdem mehr Sympathie für die Obdachlosen
                  Lea: Ich schätze unsere einzigartige Gastfreundschaft.          haben und auch an die Kinder denken, die auf den
                  Ich finde, die Filipinos sind die freundlichsten und            Straßen herumstromern auf der Suche nach etwas Ess-
                  höflichsten Menschen. Zudem extrem respektvoll. Außer-          barem. Allerdings sollte es nicht dabei bleiben, dass man
                  dem lieben wir es zu einfach, zu singen und zu tanzen.          nur Almosen verteilt.
                  Wo immer wir eine Gelegenheit dazu haben, feiern wir.           Meryl: Es wäre schön, wenn wir alle Menschen, unab-
                  Ich mag auch unser Essen sehr. Ich weiß, dass die               hängig von Staus und Herkunft, in Frieden leben könnten.
                  philippinische Küche nicht die berühmteste ist, aber wir        Was wir meiner Meinung nach am meisten brauchen, sind
                  haben eine Menge Speisen, die einen Versuch wert sind.          gute und ehrliche Regierungen.
                  Gut finde ich auch, dass es kaum Sprachbarrieren gibt.          Lea: Ich wünsche mir, dass unsere Regierung selbstlos
                  Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung spricht Englisch.           agiert, und nicht nur ihr Wohl, sondern das Wohl aller
                  Wir Filipinos wissen, dass unsere Kultur und unsere             Menschen verfolgt. Dazu gehört auch, dass sie und ihre
                  Identität weltweit einzigartig sind. Sie sind allerdings auch   Beamte ehrlich und im Sinne des Gesetzes handeln. Wenn
                  etwas Kostbares, das schnell verschwinden kann.                 in der Regierung ein unguter und krimineller Geist herrscht,
                  Natürlich haben wir auch einige negative Eigenschaften.         dann bleibt das nicht ohne Folgen. Überhaupt ist es doch
                  Ich finde, viele Filipinos neigen zur Trägheit und dazu,        so: Wo Menschen im schlechten Geist handeln, verkünden
                  Dinge aufzuschieben. Manchmal geht es auch nur im               sie auch unsinnige Botschaften verhalten sich schlecht in
                  Krebsgang voran. Das sind Eigenschaften, die uns an der         den sozialen Netzwerken. Eine der Wurzeln unserer Pro-
                  weiteren Entwicklung hindern. Wie Meryl und Ghea                bleme ist die Gier. Ich denke, alle würden sich weiter
                  schätze ich allerdings auch unsere Widerstandskraft.            entwickeln, wenn sie ein Gefühl des Vertrauens hätten und
                  Wenn Katastrophen unser Land heimsuchen, stehen wir             sich von der Regierung unterstützt fühlten. Ich wünschte
                  das gemeinsam durch und helfen uns gegenseitig im               mir zum Beispiel, dass jede arme Familie vom Staat
                  traditionellen Geist des „Bayanihan“. So nennen wir es,         unterstützt wird. Dass sie Kleidung bekommt, ein Dach
                  wenn alle für ein gemeinsames Ziel zusammenhalten.              über dem Kopf und genug zum Essen hat.
                  Dass man sich gegenseitig bedingungslos hilft, obwohl           Johnmay: Mein größter Wunsch ist es, dass die Ausein-
                  man selbst nichts hat, das gehört für mich zu dem ureige-       andersetzungen in Mindanao ein Ende hätten und Mus-
                  nen philippinischen Geist.                                      lime und Christen in Frieden zusammen leben könne. Ich
                                                                                  denke außerdem, dass die staatlichen Gelder dafür einge-
                  Was sind eure größten Wünsche für euer Land? Was                setzt werden sollten, um Konflikte zu lösen und um Bil-
                  braucht das Land?                                               dung, Gesundheit und Nahrung für alle zu finanzieren.
                  Ghea: Unser Land befindet sich derzeit in einem großen          Zoe: Wir brauchen gute Jobs, Häuser und genug gute Le-
                  Chaos. So hoffe ich inständig, dass Menschen in diesem          bensmittel vor allem für die indigene Bevölkerung in unse-
                  Land begreifen, dass wir eine Einheit sind. Was wir am          rem Land.
                  meisten brauchen ist Aufmerksamkeit füreinander. Ich            Lea: Das Problem ist, dass manche Zustände dazu füh-
                  denke dabei zum Beispiel auch an die leidenden und              ren, dass viele Filipinos arm bleiben oder noch ärmer

              John ma
                     y          B. Sac                                                                                                           Mer
                                       al                                          Lea Mae P. Gerodiaz
14
14   weltbewegt
     weltbewegt
                                                                                                                                                 Loq
Schwerpunkt

                                                    werden. Unabhängig davon, wie viel sie arbeiten, schaf-       Zoe: Ich möchte mein Land unterstützen, so gut ich kann.
                                                    fen es viele nicht, aus der Armut herauszukommen. Das         Es wäre gut, wenn ich Drogenabhängige irgendwie dazu
                                                    sollte sich ändern. Das, was Menschen außerdem                bringen könnte, dass sie wieder einen Sinn in ihrem
                                                    brauchen, sind ein funktionierendes Rechtssystem, Jobs,       Leben sehen. Außerdem will ich dafür kämpfen, dass es
                                                    Bildung, Essen und eine gute Infrastruktur. Wer je die Rush   keine Kriege mehr gibt. Kinder, die Opfer von Kriegen
                                                    Hour erlebt hat weiß, wovon ich rede. Verbesserungsbedarf     sind, sollen eine Hoffnung haben. Wichtig finde ich aber
                                                    gibt es allemal für unsere Flughäfen, die Bahn und den        auch, etwas gegen den Klimawandel und die Umwelt-
                                                    Schwerverkehr auf den Straßen. Auch das Bildungssystem        zerstörung zu tun.
                                                    müsste verbessert werden. Die meisten Eltern wollen ihre      Lea: Ich möchte jeden Tag so leben, als ob jeder Tag neu
                                                    Kinder in eine Privatschule geben. Warum? Weil an den         wäre. Ich will mich nicht mehr damit beschäftigen, was
                                                    öffentlichen Schulen die Klassenräume, Stühle, und das        gestern, in der Woche oder dem Jahr zuvor passiert ist.
                                                    Unterrichtsmaterial mangelhaft sind. Die öffentlichen         Ich möchte mein Leben leben und dabei wahrhaftig
                                                    Schulen sind für die Armen. Unsere Lehrer sind kompe-         bleiben, möchte ich selbst sein und nicht danach streben,       Elena Yañez
                                                    tent und wettbewerbsfähig, aber leider werden sie zu          so zu sein wie andere, nur um gemocht oder geliebt zu           ist Lehrerin an
                                                    schlecht bezahlt.                                             werden. Für mich ist es besser eine Originalversion meiner      einer staatlichen
                                                                                                                  selbst zu sein als eine Kopie. Es macht mir Freude die          Schule in Caga-
                                                    Was wünscht ihr euch für die Zukunft? Wie möchtet             Möglichkeiten zu entdecken, die das Leben bietet und mir        yan de Oro.
                                                    ihr leben?                                                    Ziele zu setzen, die mein Leben erfüllen. Ich finde das
                                                    Meryl: Ich möchte ein ausgefülltes Leben haben, ein           Leben großartig, wenn ich mit Menschen zusammen sein
                                                    Vorbild für andere sein. Ich wünschte, dass ich noch mehr     kann, die ich liebe und die mich lieben. Meine Familie, das
                                                    Menschen helfen könnte. Natürlich möchte ich in Frieden       ist das, was mich durch das Leben begleitet und mir
                                                    und auch auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Aber          immer Schutz gibt. Jeder Mensch ist einzigartig und
                                                    so ein Leben, das wünsche ich allen Menschen.                 wunderbar, auf unterschiedliche Weise. Ich denke, wenn
                                                    Kyle: Ich möchte erfolgreich sein.                            man positiv gestimmt ist, kann man viele Dinge realisieren.
                                                    Ghea: Leben ist oft auch ein Kampf, viele konkurrieren        Ich wünsche mir für mich selbst, dass es mir gelingt, das
                                                    miteinander. Aber eigentlich wäre doch das Wichtigste         Beste aus mir herauszuholen, so dass ich stolz darauf sein
  Fotos: Elena Yañez (5), C. Wenn (1), istock (1)

                                                    zu lernen, miteinander auszukommen. Ich wünsche mir           kann, was ich getan habe. Ich möchte später einmal von
                                                    aber auch, dass ich ohne Angst leben kann. Ich möchte         mir sagen können, dass ich eine Frau bin, die ihre Träume
                                                    keine Angst haben, dass etwas passiert, wenn ich einen        wahr gemacht hat. Kraft habe ich genug. Das wünsche
                                                    Fuß vor die Haustür setze. Ich möchte an einem Ort            ich aber auch allen Menschen. Vielleicht wird es wegen
                                                    leben, wo es keinen Krieg und kein Chaos gibt. Ich weiß,      der technischen Entwicklung irgendwann keinen Hunger
                                                    dass es noch ein weiter Weg ist, bis der Frieden die          und keine obdachlosen Menschen mehr geben. Ich                  Übersetzung:
                                                    Macht über den Krieg hat. Ich bin eine Schülerin mit          glaube daran, dass Menschen irgendwann lernen, sich zu          Ulrike Plautz
                                                    großen Träumen. Ich wünschte mir, dass sich meine Ziele       achten und friedfertig miteinander
                                                    erfüllen und ich die hochfliegenden Träume erreichen          umzugehen – unabhängig vom öko-
                                                    kann.                                                         nomischen Status, einfach weil sie
                                                                                                                  alle Geschöpfe Gottes sind.

                                                                                                                                                               Zoe Arwen Gallardo

ryl Blenke
          lly E.                                                                                                         os
                                                                                                                 ua Badaj
                                                                                                                                                                                weltbewegt    15
q uero                                                                                                  Kyle Josh                                                               weltbewegt    15
Pinoy Pop,                               wahres Wunder bewirkt hatte, end-
                                                               lich ihrer eigentlichen Bestimmung

                      Videoke und
                                                               zugeführt werden. Sie verschwand
                                                               flugs im Topf, um adobo zu kochen,
                                                               einen schmackhaften Sud mit

                      SMS                                      Schweine- oder Hühnerfleisch. Da-
                                                               nach verstand es sich für Nene von
                                                               selbst, dem Herrn für seine Güte zu
                      Gesang steht in der philip-              preisen und ein ganz besonderes
                      pinischen Volkskultur auch               Erntedankgebet zu sprechen.
                      heute hoch im Kurs                           Auch in Zeiten kabelloser Kom-
                                                               munikation lassen sich die meisten
                                                               Filipinos im alltäglichen Umgang mit
                      Mary Lou U. Hardillo-Werning             anderen noch immer von Vorstel-
                                                               lungen leiten, die tief im Volksglauben
                                                               verwurzelt sind. Nicht nur ihr Glauben
                                                               an Übernatürliches, auch das Fest-

                      N     och immer erinnere ich mich
                            lebhaft an folgende Begeben-
                      heit. Nene, eine Verwandte von mir,
                                                               halten der Filipinos an traditionellen
                                                               Werten wie Gottgläubigkeit, höchste
                                                               Wertschätzung der Familie, Beach-
                                                                                                         Damit wollte man die Akzeptanz und
                                                                                                         Verbreitung des Christentums
                                                                                                         erhöhen. Bis heute gibt es Flagellan-
                      bemühte sich vor Jahren eifrig um        tung von Anstand und Schamgefühl          ten, die sich während der Karwoche
                      ein Visum für die Vereinigten Staa-      sowie Hilfsbereitschaft gegenüber         auspeitschen oder ans Kreuz nageln
                      ten von Amerika. Bereits Wochen          ihren Mitmenschen haben die Kolo-         lassen, um so für ihre Sünden zu
                      vor ihrem Gesprächstermin in der         nialherrschaft überdauert und sich        büßen. Zahlreiche Kirchen sind nach
                      US-Botschaft in Manila hatte sie sich    gegenüber allen veränderten Formen        einem Schutzpatron benannt, der mit
                      auf alle möglichen Fragen eingestellt:   der Kommunikation behauptet.              besonderer Wunderkraft ausgestattet
                      Was der Grund ihrer Reise sei, wie           Während der spanischen Kolo-          ist und es Gläubigen ermöglicht, nach
                      sie ihren Aufenthalt in den USA          nialzeit, die erst 1898 ein Ende fand,    neuntägiger Andacht und Gebet
                      bestreite, und so weiter. Gleichzeitig   wurde die einheimische Bevölkerung        Heilung zu erlangen. In dieser Zeit
                      hatte sie sich um alle notwendigen       in ihrer Religiosität bestärkt. Das       tragen die Gläubigen Bildnisse von
                      Papiere gekümmert, um sich endlich       führte dazu, dass die Menschen die        Maria, Jesus und anderen Heiligen in
                      ihren langersehnten Traum, ins           neue Religion ohne weiteres in ihre       ihren Taschen und Portemonnaies.
                      gelobte Land von Milch und Honig         traditionellen Glaubensvorstellungen      Taxi- oder Dreiradfahrer behängen
                      zu reisen, zu erfüllen.                  und -praktiken integrierten. So ent-      die Spiegel ihrer Gefährte gern mit
                          Am Tag des Vorstellungsgesprächs     stand der Volkskatholizismus à la         Rosenkränzen, während zahlreiche
                      riet mein Onkel Nene, unbedingt eine     Filipino. Gemeinsam mit Mitglie-          Geschäfte Santo Nino-Statuen, Sta-
                      ganze Knoblauchknolle in ihrer           dern der einheimischen Elite führten      tuen des kleinen Jesus, als Glücks-
                      Handtsche zu verstauen. Das nämlich      spanische Kolonisatoren auch eine         bringer feilbieten.
                      sei ein Glücksbringer. Als wir das zum   „volksnahe Kultur“, etwa in Form              Während der US-amerikanischen
                      ersten Mal hörten, mussten wir           unterschiedlicher Passionsspiele, ein.    Kolonialherrschaft entwickelte sich
                      schallend lachen. Allein
                      über die Vorstellung, wie
                      verdutzt wohl der inspizie-
                      rende amerikanische Bot-
                      schaftsangestellte reagie-
                      ren würde, wenn er aus-
                      gerechnet Knoblauch in
Auch sie lieben       ihrer Tasche entdecken
   Karaoke: Iris      würde. Als Nene abends
des la Cruz und       nach Hause zurückkehrte,
         Mayanne      glich das einem Triumph-
   Redonda mit        zug. Sie hatte es geschafft
 einer Freundin       und tatsächlich ein US-
 (v.l.) in Bansa-     Visum erhalten! Übergroß
         lan in der   war die Freude. Jetzt
 Provinz Davao        konnte die Knoblauch-
           del sur.   knolle, nachdem sie ein

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