Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland

 
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Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
Mitteilungen 2021

                                                 ISSN 1865-6749 | Heft 43 (28. Jahrgang)

eIn ganZes JahR COROna-kRIse
Museen vermissen ihre Besucher und finden kreative Lösungen

üBeR Den telleRRanD
Wie es den Museen in anderen Ländern ergeht

naChhaltIgkeIt
17 Nachhaltigkeitsziele werden in 17 Museen umgesetzt
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
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   Viele Museen in Deutschland und der Welt sind trotz der Corona-Pandemie wie-
   der geöffnet. Sie möchten ihren Besuchern einen sicheren und entspannten Auf-
   enthalt ermöglichen und ihre Mitarbeiter nicht gefährden. Dazu haben sie ein
   Hygiene-Konzept entwickelt und informieren über die geltenden Regeln:

         Tragen Sie in gemeinsam genutzten               Desinfizieren Sie sich             Waschen Sie sich regelmäßig und
                Räumen eine Maske!                            die Hände!                         gründlich die Hände!

           Halten Sie zu anderen Personen            Vermeiden Sie Gruppenbildung!         Vermeiden Sie das Händeschütteln!
                   immer Abstand!                In vielen Räumlichkeiten ist die Anzahl   Tastobjekte und Touchscreens sind
                                                         der Personen begrenzt.                  aktuell nicht nutzbar.

   Informationen zu den geltenden Hygieneregeln erhalten Sie von (über-)regionalen Gesundheitseinrichtungen und den Museumsverbänden .
   Daten und Fakten zu den weltweiten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Museums- und Kulturerbesektor sowie Tipps zur Wieder-
   eröffnung der Museen finden sie auf den Internetseiten von ICOM Deutschland www.icom-deutschland.de/de/aktuelles/covid-19.html
   und ICOM https://icom.museum/en/covid-19 .

                                                                                                Piktogramme: www .peter-schmidt-group .de/projekte/cases/pandemic-design
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
eDItORIal

Liebe ICOM­Mitglieder,

beim Durchlesen der aktuellen Beiträge für die Ausgabe
2021 der Mitteilungen vollzieht sich vor meinem geistigen
Auge ein Déjà­vu der letzten eineinhalb Jahre, die im Schat­
ten von Corona standen: All die Szenarien, die wir wäh­
rend der unterschiedlichen Phasen der Covid­19­Pandemie

                                                                                                                         Foto: ICOM
erlebt haben, deren neue Virusvarianten noch immer keine
endgültige Hoffnung auf eine grundlegende Entspannung
geben, rufen ungute Erinnerungen wach. Zu prägnant sind
die Zeiten der Schließungen erinnerlich, des Verharrens
und Abwartens, des Abhängigseins von Politikerentschei­
dungen, deren Maßstäbe offenkundig mehr am Wirtschafts­         Sammlungsforschung, Aufbau neuer, deutlich umfangrei­
sektor orientiert waren und sind, denn am Kultursektor.         cherer Datenbanken, neue digitale Zugänge für virtuelle
   In vielen Ländern, insbesondere aber in Deutschland,         Besucher etc. – wurde recht gut gemeistert, die Hürde ge­
entwickelte sich überdies eine intensiv geführte öffentliche    riet zur Kür und vieles wurde schließlich zu Alltag und
Diskussion um den Stellenwert von Kultur in unserer Ge­         Routine im (Fast­)Regelbegtrieb. Das Leben hat sich in­
sellschaft. Gerade der Blick über den Tellerrand zu den         zwischen schrittweise normalisiert, wenngleich zahlreiche
europäischen Nachbarstaaten, aber auch zu den USA oder          Einschränkungen weiterhin bestehen, in den Museen selbst
Richtung Indien, China, Japan, Australien hat es ermög­         sowie im nationalen wie internationalen Austausch mit
licht, zu vergleichen, wie es der Museumswelt insgesamt         anderen Häusern.
ging. Weniger transparent sind die kaum validen Nachrich­          Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass sich über
ten aus den afrikanischen Museen gewesen, weil die Anbin­       die vergangenen Monate auch die Rolle des Museums und
dung an eine internationale Öffentlichkeit noch nicht so        die Justierung dessen, was Museen, was Kunst, Kultur und
ausgeprägt ist. ICOM International hatte bereits im Herbst      kulturelle Teilhabe insgesamt betrifft, merklich gewandelt
2020 die Auswirkungen der Pandemie in einer weitreichen­        haben. Der Prozess dieser Transformation ist noch nicht
den Erhebung ermittelt und konnte im Frühjahr 2021              abgeschlossen, zumal die ICOM­Museumswelt seit einigen
nochmals präzisere Daten liefern. Das Bild, das sich ergab,     Jahren um eine zeitgemäße, neue Museumsdefinition ringt.
war tiefgreifend, über weite Strecken erschreckend und be­      Die Pandemie, die kriegerischen wie auch terroristischen
sorgniserregend, und nur im Hinblick auf die zum Teil be­       Konflikte, schließlich die Naturkatastrophen haben dazu
achtlichen Fortschritte im Bereich Digitalisierung positiv.     beigetragen, dass immer intensiver der gesellschaftliche
   Über den Herbst und Winter kam mit dem zweiten, sehr         Wert von Kunst und Kultur (materiell wie immateriell) be­
langen Lockdown erneutes Warten, Umorganisieren, Ab­            leuchtet und hinterfragt wird. Präventive Restaurierung, in­
sagen ganzer Ausstellungen, aber auch erste nachhaltige         tensivierte konservatorische Maßnahmen, Gebäudeschutz,
Erfolge bei der Entwicklung neuer digitaler Zugänge und         Sicherungsmaßnahmen – auch in Zusammenarbeit mit
einer zunehmend virtuellen Öffentlichkeit, was gerade in        Blue Shield Deutschland – sind wesentlich für die Fokus­
Deutschland Dank der finanziellen Unterstützung des NEU­        sierung auf das, was bewahrt und geschützt werden soll. Die
START­Programms durch das BKM einen deutlichen An­              Debatte über den Umgang mit dem kolonialen Erbe zielt in
schub erfuhr.                                                   eine weitere Richtung, die nicht minder heftig, zunehmend
   Die hier publizierten Berichte und Einzelfacetten der Kol­   aber sachlich und gut strukturiert bilateral (multilateral)
legen und Kolleginnen lesen sich spannend und informa­          geführt wird.
tiv, da sie ein breites Spektrum an Erfahrungen und Ent­           Die Mitteilungen geben Ihnen diese Handlungsfelder an­
wicklungen in den Nachbarstaaten im Bann der Pandemie           schaulich weiter und inspirieren Sie möglicherweise, Ihren
nachvollziehen lassen. Sie bekunden ähnliche Probleme und       Arbeitsalltag im Museum besser zu bewältigen oder das
Sorgen, bieten aber zugleich die Chance, aus Erfahrungen        kollegiale Gespräch zu suchen. Gemeinsam mit dem Vor­
zu lernen und sich solidarisch zu fühlen mit einer Muse­        stand von ICOM Deutschland wünsche ich Ihnen gute
umswelt, in der deutlich wurde, wie sehr wir voneinander        Lese­Einsichten,
profitiert und uns wechselweise stützend durch die Krise
begleitet haben. Das Netz der Solidarität kann und sollte
noch stärker werden.
   Was zu Beginn als unüberwindbare Hürde erschien –
rein digitale Meetings, weniger Ausstellungen, weniger Aus­
leihtätigkeiten, mehr Homeoffice, akribische Nachverfol­
gung von Besuchererfassungsdaten, Rückbesinnung auf             Ihre Beate Reifenscheid
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
Inhalt

                                                                                                                                                                           Foto: Adam Niescioruk, unsplash

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Foto: ICOM
AKTUELLES
Pandemie – Ende in Sicht?                                                                                                                                                                                    Migration, Prekarität und Widerstand: Geschichte(n)
Zur Lage der Museen und wie ICOM Deutschland                                                                                                                                                                 sammeln in Corona-Zeiten
unterstützen kann.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 5                                                     DOMiD dokumentiert die Lebensbedingungen einer
                                                                                                                                                                                                             während der Pandemie besonders benachteiligten Gruppe.  .  .  . 24
Corona: Museen im Blick
Der Deutsche Kulturrat setzt sich auch für die Museen ein .  .  .  .  .  .  . 7                                                                                                                              „Ich sehe was, was Du nicht siehst. Rassismus,
                                                                                                                                                                                                             Widerstand und Empowerment” – Eine partizipative
Museen in Frankreich: geschlossen. Wie lange noch?                                                                                                                                                           Stadtlabor-Ausstellung
Die chronologische Schilderung eines außergewöhnlichen                                                                                                                                                       Wie geht partizipativ trotz Corona?.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 26
Jahres. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8
                                                                                                                                                                                                             Was wir hier tun: Museumsdefinition, Konsultation
ICOM Niederlande – 2020: Ein Jahr der Krise und                                                                                                                                                              Die Arbeit zur Neugestaltung der Museumsdefinition
der Initiativen                                                                                                                                                                                              wird mit Einbindung der Komitees fortgesetzt .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28
Wie es den niederländischen Museen ergangen ist
und was ICOM Niederlande unternommen hat.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12
                                                                                                                                                                                                             RÜCKBLICK
Verändert die Corona-Pandemie die dänische
Museumswelt?                                                                                                                                                                                                 Museums Facing a Planetary Emergency
Tiefe Einschnitte und voraussehbare langfristige                                                                                                                                                             Die erste virtuelle Jahrestagung von ICOM Deutschland
Auswirkungen einer sanitären Krise. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 15                                                                                          zusammen mit ICOM Griechenland und ICOM Zypern.  .  .  .  .  .  .  .  . 31

Slowenische Museen in Zeiten von Covid-19                                                                                                                                                                    Die erste ICOM Master Class: Integrative Security,
Wenn die sanitäre Krisensituation missbraucht wird, um                                                                                                                                                       Emergency and Disaster Management in Museums
den Stellenwert der Kultur zu gefährden.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 17                                                                                                   Vorbereitung und gute Planung sind unerlässlich zur
                                                                                                                                                                                                             Bewältigung von Katastrophen aller Art. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 33
Regionale Verantwortung – eine mögliche Lehre
aus der Corona-Zeit
Aussichten auf eine (Museums-)Welt nach Corona .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 19

Das Museum als gesellschaftlicher Resonanzraum?
„Corona-Alltag” im Museum der Alltagskultur
Wo das Leben in Corona-Zeiten selbst zum
Ausstellungsthema wird . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 22

2 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
Foto: Histopad/AVICOM

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Foto: Blue Shield
INTERNATIONALE KOMITEES                                                                                                                                                                 UMSCHAU
Der Internationale Museumstag                                                                                                                                                           ICOM Deutschland Young Professionals
Museen inspirieren die Zukunft .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 37                                                              Das junge Netzwerk gibt Einblicke in seine Aktivitäten. .  .  .  .  .  .  .  . 55

Museen haben keine Grenzen, sie haben ein Netzwerk                                                                                                                                      17 Museen × 17 SDGs – Ziele für eine nachhaltige
Deutsche Mitglieder in offiziellen Positionen bei ICOM. .  .  .  .  .  .  .  . 38                                                                                                       Entwicklung
                                                                                                                                                                                        Ein Projekt zur Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele
Das neue internationale Komitee IC Ethics                                                                                                                                               in den österreichichen Museen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 57
IC Ethics – International Committee on Ethical Dilemmas.  .  .  .  .  . 41
                                                                                                                                                                                        Der Westen und der Rest der Welt: finde
Von analog zu digital – AVICOM und sein Medien-Festival                                                                                                                                 die Unterschiede!
AVICOM – International Committee for Audiovisual,                                                                                                                                       Ein Plädoyer für eine bessere Anerkennung der
New Technologies and Social Media.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 42                                                                        nicht-westlichen Kunst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

ICOM CECA Special Interest Groups                                                                                                                                                       Aufarbeitung kolonialer Präsenz
CECA – International Committee for Education and                                                                                                                                        Zur Arbeit der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus
Cultural Action.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 43                              kolonialen Kontexten in Deutschland.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 63

2020, das Jahr, das nicht enden wollte                                                                                                                                                  Blue Shield Deutschland: Projekte und Aktivitäten
UMAC – International Committee for University Museums                                                                                                                                   Kulturgutschutz braucht ein starkes Netzwerk. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 64
and Collections. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 44
                                                                                                                                                                                        Publikationen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 66
IC Costume und Corona
IC Costume – International Committee for Museums                                                                                                                                        Veranstaltungen. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 67
and Collections of Costumes.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 46
                                                                                                                                                                                        Vorstand.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 68
ICOM MPR Challenge 2020
ICOM MPR – International Committee for Marketing and Public                                                                                                                             Impressum.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 68
Relations. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 47

CAMOC – Das Internationale Komitee für Stadtmuseen
CAMOC – International Committee for the Collections and Activi-
ties of Museums of Cities. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48

ICOM Glass – Aktivitäten 2019-2020, sowie Ausblick 2021
ICOM Glass – International Committee for Museums
and Collections of Glass. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 50

ICOFOM Aktivitäten in 2020
ICOFOM – International Committee for Museology . . . . . . . . . . . . 52

                                                                                                                                                                                                                             ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021                                                                                |3
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
Öffnung nach der ersten Schließung:
                                 Besuchszahlen im Sommer 2020
                         88 %     der Museen in Europa haben im Sommer 2020 trotz
                        Wiedereröffnung einen Rückgang der Besuchszahlen festgestellt.

               Rückgang ≤ 25 %                                               17 %        der Museen
                                                                                         in Europa
               Rückgang ≤ 50 %                                               28 %
               Rückgang ≤ 75 %                                               23 %
               Rückgang ≥ 75 %                                               20 %
        unverändert / Erhöhung                                               12 %
                                      Gründe dafür sind (in % der Museen):

                                                               73 %
                                      weniger bis keine Touristen:

                                   Schulklassen kommen nicht mehr: 64 %

                     Verunsicherung, zu viele Menschen auf einmal anzutreffen:   54 %
                                Projekte und Ausstellungen fallen aus:   50 %

                    ak tuelles
                  Digitaler Schub in der Corona­Zeit
    93 % der Museen in Europa haben ihr digitales Angebot während der Pandemie ausgebaut,
                                      insbesondere (in % der Museen):

                                      bestehendes Angebot erweitert       neues Angebot eingeführt

     Posts in den sozialen Medien                              67 %       9%

      Videos (YouTube, Vimeo…)                                 39 %       24 %

   online pädagogische Angebote                                20 %       27 %

                 virtuelle Führung                             18 %       19 %

                online Ausstellung                             22 %       22 %

Erweiterung der Onlinesammlung                                 31 %       12 %

       Quizz, Rätsel, Wettbewerb                               18 %       19 %

Liveübertragung aus dem Museum                                 17 %       19 %
                                                                                                      Quelle: NEMO 2021

           spezifischer Newsletter                              23 %       10 %

                  Museum Podcast                               9%         12 %
4 | ICOM Deutschland – MIt te Ilung e n 2021
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
Ak tue lles

Pandemie – Ende in Sicht?
Beate Reifenscheid
Foto: spuno, Adobe Stock

Die Pandemie zeigt sich selbst im Mai     Schließungen mit langfristigen            und langfristig nahezu alle Möglich­
2021 noch immer mit voller Wucht          Folgen                                    keiten aufzutreten und ihren regulä­
und hat alle Lebensbereiche sowie                                                   ren Lebensunterhalt zu bestreiten.
den Kultursektor weltweit nachhaltig      In Deutschland bedeutete dies, dass       Auch Tourismus sowie Gastronomie
erschüttert. Auch wenn Deutschland        nach fast fünf Monaten des Stillstands    liegen brach. Sie alle agieren in einem
bislang weitgehend „glimpflich“ durch     und der geschlossenen Museen, diese       kulturellen und gesellschaftlichen
diese Pandemie gekommen sein mag,         für knappe drei Wochen an einigen         Ökosystem, in dem sich diese wech­
so sind dennoch mehr als 80.000 To­       Orten zwar öffnen konnten, dann je­       selseitig beeinflussen und befruchten.
te im Zusammenhang mit Covid-19           doch weiter in den Schließmodus ge­          Für die Museen weltweit sind die
verzeichnet worden (Stand Mitte Mai       raten sind. Im letzten Jahr sah es kaum   Einbrüche und Folgen noch nicht ab­
2021) und weltweit sogar 3,2 Millio­      besser aus: Bereits ab März 2020 lag      sehbar, gerade große amerikanische
nen (stetig steigend). Egal, wohin man    das kulturelle Leben brach, alle kul­     Museen, aber auch die „Flaggschiffe“
schaut und hinhört – die Auswirkun­       turellen Einrichtungen wurden über        unter den bedeutenden Museen in Eu­
gen werden geradezu im Minutentakt        Monate – bis auf eine kurze Pause im      ropa kämpfen gerade mühevoll um
über alle medialen Kanäle ausge­          Sommer – geschlossen und bis vor          die Rückkehr zur Normalität, die in
strahlt. Der Fokus liegt jedoch eindeu­   kurzem auch ganz vom öffentlichen         Bezug auf Besucherzahlen noch lange
tig nicht bei den Museen und nicht bei    Leben abgeschnitten. Viele Künstler       nicht an altbekannte Ziffern anknüp­
der Kultur insgesamt.                     und Soloselbständige verloren mittel-     fen wird. Erhebungen von ICOM In­

                                                                             ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021   |5
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
Ak tue lles

ternational zufolge sind die Zahlen       gen sich viele, warum Hygienekon­          in der Vielfalt der breit aufgestellten
dramatisch.                               zepte und Adressnachverfolgung, Co­        Museumskultur, die zugleich Spiegel
  Auch in Deutschland ist die Lage        rona-App und Schnelltests – warum          des Wissens-, des Bildungs- und des
immer noch beunruhigend, selbst jetzt     das alles nicht ausreichend sein soll,     Erinnerungskanons ist, findet sich Ge­
noch, wo absehbar mehr und mehr           um nicht wenigstens in reduziertem         sellschaft wieder. Gerade hier finden
Museen wieder in der Lage sind, ihre      Maß Besucher*innen wieder in die           Wertschöpfung des kulturellen Erbes,
Türen zu öffnen, Ausstellungen zu         Museen zu lassen und Mitar­bei­ter*in­     das Verstehen der Gegenwart und die
bieten und voraussichtlich im Spät­       nen an ihre angestammten Arbeits­          Gestaltung des Zukünftigen auf le­
sommer auch wieder mehr Publi­kums­       plätze.                                    bendige und innovative Weise statt.
programme realisieren zu können.                                                       Lassen Sie uns gemeinsam dafür
                                          Kultur ist lebensnotwendig                 einstehen, dass mit der Öffnung der
Unterstützung für die Museen                                                         Museen und mit der Rückkehr der
                                          Es klafft eine Lücke in unserem öffent­    künstlerischen Vielfalt ein gestärktes
ICOM Deutschland, der Deutsche            lichen Bewusstsein, die sich zwischen      Bewusstsein dafür aufkommt, dass
Kulturrat, der Deutsche Kunstrat, der     dem Credo „Kunst ist ein Lebensmit­        all dies das Rückgrat unserer Gesell­
Deutsche Museumsbund, die Akade­          tel“ und dem Appell „macht alles           schaft ausmacht und dass der kultu­
mie der Künste und andere haben in        dicht“ zerreißt. Es ist weniger die Fra­   relle Dialog mit und über Kultur und
den vergangenen Monaten konti­nuier­      ge nach der Relevanz, sondern mehr         Kunst uns vor Übergriffen von anti-
lich den Dialog mit der Politik gesucht   noch, warum sich Gesellschaften auf        kulturellen, anti-demokratischen und
und bieten Unterstützung bei gemein­      der ganzen Welt gerade in Zeiten von       anti-humanistischen Bestrebungen
samen Lösungsmodellen an. Unbe­           Not – und eine Pandemie mit zigtau­        schützt. Eine von der Gesellschaft ab­
stritten sind durch die großen Unter­     send Toten und vernichteten Lebens­        geschnittene oder ausgesperrte Muse­
stützungsmaßnahmen, zum Beispiel          existenzen ist eine kaum wegzudisku­       umslandschaft und Kulturszene darf
das NEUSTART-Programm des BKM             tierende Not – es sich leisten, vieles     es nicht geben – auch nicht in Zeiten
zur Unterstützung des Kultur- und         von dem auszublenden, was gesell­          von Pandemien.
Museumssektors sowie zahlreicher          schaftlichen Zusammenhalt stärkt,
Galerien und Künstler*innen, wich­        was Freude und Motivation bietet,          Prof. Dr. Beate Reifenscheid ist Direktorin des
tige Hilfsmittel bereitgestellt worden,   was kulturelle und gesellschaftliche       Ludwig Museum Koblenz und Präsidentin
um brennende Probleme abzufedern.         Bildung ausmacht und damit genau           von ICOM Deutschland;
NEUSTART KULTUR wird bereits              das, was uns diese Zeit zu ertragen und    icom@icom-deutschland.de.
in seiner zweiten „Auflage“ weitrei­      positiv umzuwandeln hilft. Wenn wir
chend genutzt. Es gab und gibt Unter­     an die „guten Momente“ während der         Weitere Informationen:
stützung insbesondere für Galerien        Pandemie denken, dann sind es die          https://icom-deutschland.de/de/aktuelles/
sowie für Museen im Bereich der di­       spontanen Performances im Netz, die        covid-19.html
gitalen Vernetzung, der virtuellen An­    viral gingen, die Gesänge und Kon­
gebote – von interaktiven Apps, bis       zerte im letzten Jahr, die über Balko­     https://icom-deutschland.de/de/compo-
hin zu Augmented Reality-Program­         ne hinweg einfach stattfanden und          nent/content/article/30-covid-19/305-
men. Die Museen haben weitreichend        schließ­lich die neuen digitalen Forma­    unesco-bericht-museums-around-the-
aus der Not eine Tugend gemacht und       te, mit denen man andere Zugänge zu        world-in-the-face-of-covid-19-april-2021.
sich oft als sehr erfinderisch erwie­     Museen, ihren Ausstellungen und            html
sen. Zweifelsohne sind die Angebote       Sammlungen fand. Dennoch: digital
vielfältiger geworden und haben Be­       ersetzt nicht real. Museen jedoch sind
sucherbindung bewirkt – und nicht         in erster Linie gelebte Realität von
zuletzt auch das Bewusstsein geschärft,   Kultur und Diskurs, von realem Er­
wie essentiell Museen für den gesell­     kenntnis- und Erlebensraum, von
schaftlichen Zusammenhalt sind.           Wis­senschaft und gesellschaftlichen
   Dennoch: die Verzweiflung und der      Dialogen.
Ärger vieler Akteure im Kultur- und          Es wird sich jetzt und in den kom­
Museumssektor greifen mehr und            menden Jahren zeigen, ob der politi­
mehr um sich. Der Eindruck, dass die      sche Wille die Museumslandschaft,
Politik sich nicht auf eine gemeinsame    für die Deutschland weltberühmt ist,
Strategie einlassen kann oder will,       stärkt und finanziell unterstützt. Län­
verstärkt sich. Museen und Theater        der und Kommunen werden die Haus­
wurden im Rahmen der Gesetzgebung         haltskonsolidierungen möglicherweise
zur Eindämmung der Pandemie kur­          nutzen, um gerade an der Kultur am
zerhand gleichgesetzt mit der Vergnü­     drastischsten zu sparen. Hier wird
gungsbranche (und Bordellen) – beide      sich zeigen, ob neben den unbestritten
haben gleichwohl ihre Daseinsberech­      herausragenden Institutionen, auch
tigung – und mit der Bundes­not­brem­     die Breite und Vielfalt der kommuna­
se sieht man sich weiterhin in einem      len und ehrenamtlich geführten Mu­
„kulturellen Vakuum“. Zu Recht fra­       seen weiterhin unterstützt werden. Nur

6 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
ak tue lles

Corona: Museen im Blick
Olaf Zimmermann

Seit mehr als einem Jahr hält die Co­      änderter Form aufrechterhalten wer­       nung von Kultureinrichtungen stark.
rona­Pandemie die Politik und die          den kann und nach der Pandemie das        Museen sind die Einrichtungen, die
Menschen in Deutschland in Atem.           kulturelle Leben in seiner gesamten       auch schon vor der Pandemie über viele
Wahrscheinlich hätte sich kaum je­         Vielfalt weiterarbeiten und sein kre­     Erfahrungen in der Regulierung von
mand träumen lassen, dass in Deutsch­      atives und verbindendes Potential ge­     Besucherströmen verfügen. Sie gehören
land eine Pandemie derart um sich          nutzt werden kann. Der Deutsche Kul­      deshalb zu den Kultureinrichtungen
greift und dass dieses Land so wenig       turrat hat weiter vorgeschlagen, dass     die Pilotfunktion in der Pandemie ha­
darauf vorbereitet ist. Anfangs fehlte     die Mittel des Kulturinfrastruktur­       ben. Neben den Bibliotheken sind die
es an allem, an Schutzmasken, an Des­      fonds von den Kulturverbänden aus­        Museen die ersten Kulturorte, die wie­
infektionsmittel, an Erfahrungen im        gereicht werden, da sie die Bedarfe des   der öffnen konnten und sicher auch
Umgang mit einer Krankheit, die bei        jeweiligen Feldes kennen und über Er­     wieder können. Hier werden die wich­
vielen Menschen einen schweren Ver­        fahrungen in der Mittelvergabe ver­       tigen Erfahrungen gesammelt, die hof­
lauf nimmt, bei einigen sogar zum          fügen.                                    fentlich den Kultureinrichtungen, die
Tode führt. Inzwischen ist es eher der        Mit dem Programm NEUSTART              erst später öffnen dürfen, wie den The­
gefühlt ewig dauernde Lockdown, der        KULTUR hat Kulturstaatsministerin         atern, Konzerthäusern und Kinos, zu
an den Nerven zerrt und zehrt.             Monika Grütters die Idee des Deut­        gute kommen werden.
                                           schen Kulturrates aufgegriffen. Das
Ein Jahr Krisenmodus                       Programm beinhaltet vier Programm­        Herausforderung Kultur-
                                           linien:                                   finanzierung
Für den Deutschen Kulturrat war und           pandemiebedingte Investitionen,
ist die Corona­Pandemie eine Ausnah­          Stärkung der Kulturinfrastruktur,      Die größte Herausforderung für die
mesituation. Sie kann mit den Wor­            alternative, auch digitale Kulturan­   nächsten Jahre, nach dem Sieg über
ten „ein Jahr Krisenmodus“ zusam­             gebote,                                das Virus, ist die Sicherung der Kul­
mengefasst werden. Gleich zu Beginn           Kompensation pandemiebedingter         turfinanzierung. Der Schuldenberg zur
der Pandemie haben wir uns dafür stark        Einnahmeverluste und Mehrbedar­        Bewältigung der Krise ist gigantisch, er
gemacht, dass nicht nur die gewerbliche       fe bei bundesgeförderten Häusern       muss wieder abgetragen werden. Leider
Wirtschaft bei möglichen Hilfsmaß­            und Projekten.                         ist die Kulturfinanzierung als soge­
nahmen in den Blick genommen wird,            Inzwischen wird das Programm mit       nannte freiwillige Leistung der öffent­
sondern auch der gemeinnützige Sektor      einem Gesamtetat von zwei Milliarden      lichen Hand, ein beliebter Einsparungs­
mit seinen vielen Vereinen und Stif­       Euro in mehr als 60 Einzelprojekten       bereich. In verschiedenen Kommunen
tungen, die auch für den Museumsbe­        von verschiedenen Verbänden und           wurden bereits Einschnitte in der Kul­
reich konstitutiv sind. Es ging und geht   Fonds umgesetzt. Museen konnten an        turfinanzierung angekündigt. Verbun­
nach wie vor darum, Arbeitsplätze zu       verschiedenen Programmen partizipie­      den mit geringeren Eigenmitteln aus
sichern und freiberuflich Tätigen den      ren wie z. B. der Unterstützung pande­    Eintrittsgeldern kann eine Abwärts­
Zugang zuerst zu Soforthilfen und          miebedingter Investitionen in Museen,     spirale entstehen, die aufgehalten wer­
dann zur November­ und Dezember­           der Ausweitung des Programms muse­        den muss.
hilfe bzw. der Überbrückungshilfe zu       um4punkt0, dem Programm Kulturge­            Der Deutsche Kulturrat wird daher
ermöglichen. Weiter war von zentraler      meinschaften der Kulturstiftung der       mit allen Kräften für die Sicherung der
Bedeutung, dass zuerst der Bund und        Länder. Viele Programme waren rasch       Kulturfinanzierung von Bund, Län­
später auch die Länder flexibel mit        überzeichnet und die erste Milliarde      dern und Kommunen eintreten.
zugesagten Fördermitteln umgehen.          reichte nicht aus. Es ist sehr positiv,
                                           dass in diesem Jahr eine weitere Milli­
                                                                                     Foto: Jule Roehr

NEUSTART KULTUR                            arde für das Programm NEUSTART
                                           KULTUR zur Verfügung gestellt wur­
Schon im März des letzten Jahres hat       de. Im Rahmen dieser Aufstockung ist
sich der Deutsche Kulturrat für einen      der Kultursommer 2021 geplant. Er
Kulturinfrastrukturfonds eingesetzt.       soll ermöglichen, dass in den Städten
Es war klar, dass die bestehenden In­      und Kommunen gemeinschaftlich ge­
strumente, die sich vornehmlich an         zeigt wird, wie viel Kultur vor Ort
Unternehmen richten, nicht ausreichen      dann hoffentlich wieder da sein wird.     Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des
würden die Not im Kulturbereich zu                                                   Deutschen Kulturrates;
bekämpfen. Mit dem Kulturinfrastruk­       Öffnungsperspektiven                      o .zimmermann@kulturrat .de .
turfonds sollte die kulturelle Infra­
struktur gerettet werden, damit in der     Neben den Programmen macht sich           Weitere Informationen:
Pandemie das kulturelle Leben in ver­      der Deutsche Kulturrat für die Öff­       www .kulturrat .de, www .neustartkultur .de

                                                                              ICOM Deutschland – MIt te Ilung e n 2021        |7
Mitteilungen 2021 - ICOM Deutschland
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Museen in Frankreich:
geschlossen. Wie lange noch?
Frankreich ist bekanntlich ein zentralisiertes Land. So liegt auch die Kultur im Zu-
ständigkeitsbereich der nationalen Regierung – vor allem in Zeiten einer Pandemie.
War das etwa von Vorteil für die Museen? Ein Rückblick auf ein Jahr in dem (fast)
alles anders war.

Juliette Raoul-Duval

Mehr als 200 Tage ohne Museen. In Frankreich sind grund­         noch nicht abgelöst, in Erwartung der alles entscheidenden,
sätzlich alle Museen geschlossen, ob städtisch oder länd­        aber verschobenen Stichwahl.
lich, ob groß oder klein, ob privat oder öffentlich, es trifft      Die Schließung aller Museen kam nicht völlig überra­
sie alle. Hier werden politische Entscheidungen auf natio­       schend. Die meisten Museen, insbesondere die 1.220 mit
Bild: ICOM France

naler Ebene getroffen. Die Tore wurden am 16. März 2020          dem Label „Musée de France“ registrierten Museen, sind
geschlossen, vom 18. Mai bis 30. Oktober wieder geöffnet,        öffentliche Einrichtungen und ihre Mitarbeiter gehören dem
seitdem erneut geschlossen.                                      öffentlichen Dienst an bzw. sind verbeamtet. Ihnen gewäh­
   Von Anfang an griff das System der sozialen Absicherung       ren die Maßnahmen der Regierung einen besonderen Schutz:
à la française in vollem Umfang mit dem Versprechen, das         Rund 500 Millionen wurden für den Bereich des kulturel­
Fortbestehen des Einkommens zu sichern, zur Not auch             len Erbes freigegeben, ein Betrag, der im Verlauf der Pande­
mit staatlicher Unterstützung – „koste es, was es wolle“         mie mehrmals angepasst wurde.
(quoiqu’il en coûte), so der berühmte Spruch des Präsiden­          Allerdings darf man die Unsicherheit der privat geführten
ten Macron. Die Maßnahmen werden an höchster Stelle              Museen, deren (freien) Mitarbeiter und Lieferanten / Dienst­
des Staatsapparates beschlossen und verkündet, sie gelten        leister auch nicht unterschätzen. Vermittler und Museums­
einheitlich für alle Regionen und Landkreise – auch das          pädagogen, Restauratoren, Ausstellungsgestalter und viele
ein Merkmal des französischen Verwaltungsmodus.                  mehr befanden sich plötzlich in einer sehr prekären Lage.
   Kommunalpolitiker, Abgeordnete und territoriale Volks­        Die staatliche Unterstützung richtete sich primär an die
vertreter verlangten regional differenzierte, der „Inzidenz-     Museen, die sich wiederum dafür einsetzten, ihren freien
Geografie“ angepasste Maßnahmen. Allerdings war der              Mitarbeitern und Lieferanten trotz Schließung eine gewisse
Kontext zur Umsetzung dieser Forderung ungeeignet: Der           Beschäftigung und somit ein gewisses Einkommen zu si­
erste strenge Lockdown (confinement) begann buchstäb­            chern. Denn für Besucher geschlossen heißt nicht, dass nicht
lich am Tag nach den Kommunalwahlen. Das Festhalten              gearbeitet wird. Das Kulturministerium hatte ausdrücklich
am ersten Wahlgang Mitte März wurde heftig diskutiert.           dazu aufgerufen, die Kontinuität der Programmierung auf­
Der zweite Wahlgang wurde auf unbestimmte Zeit verscho­          rechtzuerhalten, sofern dies im Homeoffice und mit „Dis­
ben – er fand schließlich am 28. Juni statt – was das gesamte    tanzarbeit“ möglich war.
Land in eine sonderbare Situation brachte: Eine Vielzahl            Im Rückblick auf dieses ganze Jahr der Pandemie lassen
von (Ober-)Bürgermeistern hing in der Luft, weder gewählt        sich sieben für die Museen relevante Abschnitte skizzieren:
noch geschlagen, nicht mehr rechtmäßige Amtsinhaber aber
                                                                 Resilienz und Vorfreude auf die Zeit danach

                                                                 16. März bis 18. Mai 2020: erste Schließung der Museen.
                                                                 In ganz Frankreich legen die Museumsmitarbeiter großen
                                                                 Wert darauf, mit Vernunft und Verantwortung zu han­
                                                                 deln. Unter den widrigsten Umständen gilt es, unbedingt
                                                                 weiter zu bestehen: Man entscheidet sich zur Resilienz. Die
                                                                 sozialen Medien laufen auf Hochtouren, virtuelle Führun­
                                                                 gen und Workshops sprießen geradezu auf den Webseiten,
 Foto: MAD, Florence Bertin

                                                                 die Schätze der Vermittlungs- und kulturellen Programmen
                                                                 werden allen zugänglich gemacht. Sie finden umso schnel­
                                                                 ler ihr Publikum, da sie überwiegend für Schulklassen ge­
                                                                 dacht waren – die Schüler und deren Eltern sind im Lock­
                                                                 down alle zu Hause.
                                                                   Trotz der anfänglichen Schockstarre – oder vielleicht ge­
Eingehüllte Exponate des Musée des Arts Décoratifs, ganz ohne    rade deswegen – und obwohl sie ihren Stellenwert durch
Besucher.                                                        den unglücklichen, auf ministerialer Ebene immer wieder

8 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021
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                                     Eine Reihe von Zoom-Meetings rund um die „Solidarität“ als ICOM Solidarity Project.

verwendeten Ausdruck der „nicht-systemrelevanten Akti­            staltung in eine ganze Reihe bis zum Ende der Pandemie
vität“ geschwächt sehen, versuchen die Museen, sich das           fortzuführen, das damals für September 2020 erhofft war.
Leben danach auszumalen. Die einen machen sich Sorgen,            Dieser Optimismus spiegelt sich auch im Titel der Ver­an­
die anderen können die Zeit danach kaum erwarten, eine            staltungsreihe wider: „Réouvertures, où en êtes-vous ?“,
Zukunft, die sich aufs Wesentliche konzentriert und so­           zu deutsch „Wiedereröffnung: wie weit sind Sie?“.
mit nur besser sein kann als vorher: weniger Produktivi­
tätsdrang, vernünftigerer Ausstellungsturnover, weniger           Wiederaufnahme des Tagesgeschäftes
Zwang auf Blockbuster-Ausstellungen …
  Schon Ende März hat sich ICOM Frankreich als Sprach­            18. Mai 2020: die Museen dürfen wieder öffnen. Einige
rohr all dieser Initiativen etabliert, unter anderem mit einer    sind bereit, die meisten aber müssen zuerst das vom Mini­
Presseschau, die frei zugänglich auf seiner Webseite ge­          sterium vorgegebene Protokoll in einen Wiedereröffnungs­
pflegt wird. Zudem beschäftigt sich das Komitee intensiv          plan umsetzen: sanitäre Protokolle, maximale Besuchs­
mit der Nachbereitung des Symposiums der nationalen und           zahlen, Empfang der Besucher, Sicherheit der Mitarbeiter,
internationalen ICOM-Komitees zur Museumsdefinition,              Homeoffice und dergleichen, alles wird geplant, ausgear­
das gerade „rechtzeitig“ am 10. März in Paris stattfand.          beitet, mit den Gewerkschaften ausdiskutiert, ausprobiert.
Nach der Präsenzveranstaltung wird die Zusammenarbeit               Indes wird die „Wiedereröffnungs“-Reihe zum ersehn­
mit den Partnerkomitees, darunter ICOM Deutschland,               ten Treffpunkt der ICOM-Frankreich-Gemeinschaft, ein­
auf Distanz fortgeführt, die Diskussionen werden transkri­        mal im Monat ein Moment zum Aufatmen und Kraft
biert, übersetzt und als Symposiumsband online veröf­             schöpfen. Das Thema der für den 25. September geplanten
fentlicht.                                                        Jahrestagung wird angepasst: „Und jetzt: Wiederaufbau.
                                                                  Das Museum der Zeit danach“ (Et maintenant, reconstruire.
Von „Präsenz“ zu „Distanz“                                        Le musée d’après) ist das neue Motto. Das Format wird
                                                                  zuerst als hybride Veranstaltung geändert, um schließlich
Zwei neue Begriffe finden ihren Einzug in den allgemeinen         doch nur online stattzufinden. Straßburg gilt nun als Risi­
Wortschatz: „présenciel“ vs. „distanciel“, vor Ort vs. auf        kogebiet, entsprechend sind Präsenzveranstaltungen unter­
Dis­tanz (zumeist online). Arbeiten im Homeoffice wird zur        sagt. Die vorgesehenen Museumsbesuche in Karlsruhe
Pflicht, beinahe ohne Regelungen und ohne die nötigen             fallen ebenfalls aus. Zum ersten Mal muss die Mitglieder­
„Werkzeuge“. Doch die Zeit drängt, in wenigen Wochen hat          versammlung online stattfinden.
man sich mit der „Distanzarbeit“ (télétravail ist der geläu­        Die Besuchszahlen der Museen, die geöffnet haben, fallen
fige französische Begriff) auf verschiedensten Plattformen        sehr unterschiedlich aus. In den großen Museen der Groß­
vertraut gemacht und das Arbeitsrecht angepasst.                  städte, die nun ohne Touristen auskommen müssen, ist der
   ICOM Frankreich hört weiterhin zu und nimmt die Not            Besucherrückgang erschreckend hoch: -70 Prozent im
seiner Mitglieder wahr. Im Mai wird ein virtuelles Treffen        Louvre oder im Musée d’Orsay. Andere Museen, insbeson­
angeboten, nicht ahnend, dass diese Initiative derart ein­        dere außerhalb von Paris und Umgebung, stehen deutlich
schlagen würde. Von überall her melden sich die Mitglie­          besser da, sie haben die Besuchszahlen von vor der Schlie­
der an, um sich zu beteiligen. Das Bedürfnis, sich auszutau­      ßung wieder erreicht oder manchmal sogar übertroffen. Die
schen, miteinander in Kontakt zu bleiben, ist immens. ICOM        Er­klärung liegt auf der Hand: Die lokale Bevölkerung blieb
Frankreich beschließt umgehend, diese einmalige Veran­            während der Sommerferien zu Hause, statt zu verreisen.

                                                                                 ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021     |9
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                                                                                                                        Foto: Onasill-Bill (CC BY-NC-SA 2.0)
    In der Galerie der
    Etruskischen und
Römischen Antike im
 Louvre sehnen sich
die Statuen nach der
  Zeit, in der sie von
Besuchern umgeben
               waren.

  Weltweit beginnt man langsam, das Ausmaß der Krise            Die Ernüchterung: von Resilienz zu Solidarität
zu erfassen. Aus den von ICOM und NEMO durchgeführ­
ten Befragungen geht hervor, dass 13 Prozent der amerikani­     30. Oktober: die Pandemie facht wieder auf, die erneute
schen Museen möglicherweise nie wieder öffnen werden.           Schließung lässt den Traum einer besseren Zukunft ver­
Einige Regionen der Welt trifft es besonders hart. In Fran­     blassen. In den Museen tun sich die Teams schwer, die
kreich wird erst wirklich klar, wie wichtig die soziale Absi­   vorgegebene Richtung zu halten. Kaum geöffnet müssen
cherung ist – und sei sie ansonsten wegen ihrer hohen Ko­       die Herbst-Ausstellungen gleich wieder schließen, überall
sten noch so verschrien.                                        wird heftig um Verlängerung der Leihgaben gerungen. Die
  Oktober neigt sich dem Ende zu, man denkt immer noch,         Zeit der Resilienz ist vorbei, nun heißt es zusammenhalten,
einer zweiten Welle zu entkommen. Die Ausstellungen für         um durchzuhalten. Solidarität ist Trumpf.
den Herbst sind bereit. ICOM Frankreich plant das letzte          ICOM Frankreich greift diesen Begriff der Solidarität auf
Zoom-Treffen der „Wiedereröffnungs“-Reihe. Schon be­            und richtet einen neuen Zyklus von monatlichen Zoom-
mühen sich etwa das MUCEM (Marseille) oder die Straß­           Treffen mit erweitertem, internationalem Radius ein. Zu­
burger Museen um das Anlegen von Sammlungen von Ob­             sammen mit den nationalen Komitees von Griechenland,
jekten und Zeugnissen dieser seltsamen Zeit.                    Finnland und Israel sowie dem internationalen Komitee

10 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021
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CIMUSET wird ein Antrag auf Förderung durch die ICOM            dagogen oder Psychiater berichten über die Ratlosigkeit der
Solidarity Projects eingereicht. Die Finanzierung der Simul­    Bürger, die um ihre Kulturstätten und um ihre sozialen
tanübersetzung der Diskussionen in den drei ICOM Ar­            Kontakte beraubt sind.
beitssprachen wird damit gebilligt. Von den zehn vorgese­         Die Unterzeichner des Appells werden von der Ministe­
henen Terminen haben vier bereits stattgefunden und jeweils     rin empfangen.
bis zu 280 Teilnehmer (zzgl. rund 350 Ansichten der Auf­          Zur Vorbereitung eines zweiten Termins im Ministe­
zeichnungen) aus 30 unterschiedlichen Ländern verzeichnet.      rium am 12. Februar führt ICOM Frankreich zwei Umfra­
   Die Hoffnung auf eine erneute Öffnung der Museen wird        gen durch: Die institutionellen Mitglieder werden gefragt,
immer wieder in den Medien aufgegriffen sowie von den           ob sie für eine Eröffnung bereit seien, während die euro­
Politikern und Entscheidungsträgern hervorgerufen. Schließ­     päischen Nationalkomitees gebeten werden, über die Lage
lich wurde oft genug bewiesen, dass die Ansteckungsge­          in deren Ländern zu berichten. Doch weder der Vergleich
fahr in Museen recht niedrig sei. Die Mitarbeiter stehen be­    mit den Nachbarländern, noch die Einschätzung der Ri­
reit. Ein Datum zeichnet sich ab: der 15. Dezember. Alles ist   siken, nicht einmal die eigene Überzeugung der Ministerin
vorbereitet.                                                    („mir blutet das Herz“) bringen den Durchbruch.
                                                                  18. März 2021: der dritte Lockdown beginnt, die Mu­
Ein herber Rückschlag am 15. Dezember                           seen bleiben geschlossen. Ohne jegliche Perspektive.

Die gesamte Museumswelt hört dem Premierminister auf­           Der zögerliche Versuch einer territorial differenzier­
merksam bei der Liveübertragung seiner Rede zu und ver­         ten Handhabung
nimmt entsetzt, dass Kaufhäuser, Kultstätten oder Ein­
kaufszentren öffnen dürfen … nicht aber die Museen!             Einige Oberbürgermeister beschließen, ihre städtischen
   Alle bleiben geschlossen, überall in Frankreich, was auch    Museen trotzdem zu öffnen. Auf sofortigem Druck des
immer sie für Maßnahmen und Protokolle ausgearbeitet            Staates mit dem Hinweis auf die möglichen Kollateralschä­
haben. Heftige Diskussionen entfachen erneut über die Klas­     den – Begegnung der Gruppen vor und nach dem Besuch,
sifizierung mancher Geschäfte als systemrelevant oder eben      Treffen von Freunden, Ansammlungen und dergleichen –
nicht. Man ist erbost, dass ausgerechnet im Land der Laizi­     muss dies umgehend rückgängig gemacht werden. Doch
tät die Kultstätten öffnen dürfen, Kulturstätten dagegen        sind diesmal die Regeln des neuen Lockdowns zeitweilig
nicht. Es herrscht Unverständnis darüber, dass ausgerech­       nicht mehr national einheitlich, sondern nach Regionen dif­
net im Land, in dem die „kulturelle Ausnahme“ geprägt           ferenziert. Öffnet sich damit ein Fenster für eine regionale
wurde, die nicht gewinnbringenden Einrichtungen ge­             Verwaltung der Kultur? Wünschenswert wäre es.
schlos­sen sind, die Einkaufstempel dagegen offen sind. Die
Museumsmitarbeiter, die sich bis dahin sehr stark für die       Juliette Raoul-Duval ist freie Beraterin für Museumsmanagement
Gemeinschaft engagiert hatten, fühlen sich missachtet. „Was     und Präsidentin von ICOM Frankreich; presidence@icom-musees.fr.
muss man ihnen denn antun, damit sie reagieren?“, so der
verzweifelte Ausruf von Michel Guerin in seinem Leitarti­       Weitere Informationen:
kel in der Zeitung le Monde.                                    www.icom-musees.fr
   16. Dezember: ICOM Frankreich bittet um ein Gespräch
mit der Kulturministerin und wird von ihrem Kabinett am

                                                                                                                                  Bild: Ministère de la Culture
21. Januar empfangen. Zwar hat die Ministerin Roselyne
Bachelot bereits ein offenes Ohr für Museen („die Museen
werden die ersten Kultureinrichtungen sein, die wieder öff­
nen können“), doch versucht man, sie von der Dringlich­
keit zu überzeugen: Viele Museen mögen derzeit vom
Staat geschützt sein, andere jedoch ringen um ihre Ar­
beitsplätze und um ihre Einnahmen.

„Das Schlimme ist, wenn kulturelle Einrichtungen als
Ansteckungsorte gesehen werden.“

2. Februar 2021: Emma Lavigne, Direktorin des Tokyo-            „Culture chez nous“ (Kultur bei uns zu Hause) ist ein Portal des Kul-
Palastes, und 113 weitere Unterzeichner legen in einem Ap­      turministeriums auf dem Museen und andere Kultureinrichtungen
pell die Weichen der Debatte. Die Museen, aber auch die         ihre digitalen Angebote zugänglich machen können.
Presse, die allgemeine Öffentlichkeit, die Kollegen aus dem
Ausland und mittlerweile auch viele Wissenschaftler hin­
terfragen die herrschende Politik. Mehrere Untersuchungen,
darunter von der TU Berlin oder vom Institut Pasteur, be­
stätigen das geringe Ansteckungsrisiko in den Museen.
Jean-Francois Delfraissy, Sprecher des wissenschaftlichen
Rates, der den Präsidenten zur Pandemiebekämpfung berät,
bestätigt es: „Kultureinrichtungen gehören zu den risiko­
armen Aktivitäten“ (le Monde, 18.03.21). Soziologen, Pä­

                                                                             ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021          | 11
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ICOM Niederlande – 2020: Ein Jahr der
Krise und der Initiativen
In den Niederlanden sind viele Museen stärker von den eigenerwirtschafteten Ein-
nahmen abhängig. Umso härter trifft sie die pandemiebedingte Schließung. Noch
lange kein Grund zum Verzweifeln, meinen unsere Nachbarn, denn mit jeder Krise
entstehen auch Chancen und Möglichkeiten, sich neu zu erfinden. So ist beispiels-
weise die Digitalisierung in kürzester Zeit weit vorangeschritten.

Diederik von Bönninghausen

Die Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf den
Niederländischen Museumsbereich. Die Museen mussten
ihre Tore für Besucher schließen, einige davon endgültig.
Manche Kollegen haben ihre Stelle verloren, eine ganze
Generation von Schulkindern wächst heran, ohne unsere
nationalen Schätze sehen zu können. Andererseits haben sich
die Museen intensiv damit beschäftigt, sich neu zu erfin­
den und digital präsenter zu sein. Die Wertschätzung der
Kultur ist in der Bevölkerung wieder gestiegen. In dieser
Zeit verzeichnete ICOM Niederlande einen deutlichen Mit­
gliederzuwachs und konnte seinen Service erweitern.

Schließen, öffnen, schließen: Die Museen haben es
schwer

Als sich das Virus Anfang 2020 verbreitete, mussten die
Museen schließen, wie auch der größte Teil des gesell­schaft­
­lichen Lebens. Beihilfen des Staates wurden zunächst für
 Unternehmen eingerichtet, später auch für Kultureinrich­
 tungen. Insgesamt ist der Betrag zur Unterstützung des
 kulturellen Sektors – sowohl für Einrichtungen als auch

                                                                                                                               Foto: Arja van Veldhuizen
 für Selbständige, da Freiberufler die niederländische Kul­
 turlandschaft stark prägen – recht hoch.
    Unter den ersten Einrichtungen, die im Sommer wieder
 öffnen durften, gehörten die sogenannten „1,5 m-Museen“,
 die den Besucherstrom dynamisch steuern können. Den­
 noch mussten sie im Winter während des zweiten und drit­
 ten Lockdowns wieder schließen, was ihre Zukunftsaus­          Aufrüsten: Neu installierte Desinfektionsmittelständer und Bänder,
 sichten eindeutig trübte.                                      um den Weg deutlich zu markieren. Das Provisorium wird zum
    Die kontinuierliche Kürzung der staatlichen Zuschüsse       Dauerzustand.
 in den letzten 10 –15 Jahren führte zur Entwicklung eines
 neuen Betriebsmodells, das auf Einnahmen aus Eintritten,
 Café, Shop, Events und Sponsoring beruht. Der Anteil an
 eigenerwirtschafteten Mitteln übersteigt die 50 % im gesam­    Die Ergebnisse dieser Umfragen werden eingesetzt, um den
 ten Museumssektor. Genau das entpuppte sich als Achilles­      Druck auf die lokalen und nationalen Behörden zu erhöhen.
 ferse für die Museen. Einige mussten den Betrieb komplett
 einstellen, die meisten mussten die Anzahl der (freien) Mit­   Frühjahr 2021: immer noch geschlossen
 arbeiter reduzieren – ein harter Schlag für viele Freiberuf­
 ler. Auch der weit verbreitete Einsatz von Ehrenamtlichen      Anfang 2021 legt der Lockdown große Teile der Gesell­
 stellte die Museen vor Herausforderungen, da viele von ih­     schaft weiterhin lahm, die Museen sollen bis zum 1. April
 nen aus Angst um ihre eigene Gesundheit den Dienst im          geschlossen bleiben. Deren Argument, sie böten ihren Be­
 Museum verweigerten.                                           suchern einen sicheren Ort ohne erhöhtes Ansteckungsri­
    Sowohl ICOM als auch der Niederländische Museums­           siko, wird zurzeit in einigen Pilotprojekten auf den Prüf­
 verband haben Befragungen ihrer Mitglieder durchgeführt.       stand gestellt. Selbsttests und Corona-Apps sollen dabei

12 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021
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                                                                                                                               Foto: Arja van Veldhuizen
Fußabstreifer „Schön, dass ihr zurück seid!“, der zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown gute Dienste geleistet hat.

unterstützen, diese sind jedoch noch nicht flächendeckend           Blockbuster-Ausstellungen entfachte schon vor Ausbruch
erhältlich. Da die Impfkampagne vorläufig nur einige Grup­          der Pandemie: Sollte nicht die gesellschaftliche Rolle der
pen der Bevölkerung betrifft, wird es noch Monate dau­              Museen Vorrang haben, statt immer nur die höchstmög­
ern, bis ausreichend viele Menschen einen Impfschutz er­            lichen Besuchszahlen anzustreben und auf den internatio­
halten haben werden.                                                nalen Tourismus zu setzen? Museen hatten bereits begon­
  Doch besteht Hoffnung auf eine baldige Öffnung der                nen, sich verstärkt an die lokalen Communities zu richten.
Kultureinrichtungen, somit auch der Museen. Mitte April             Dieser Trend wird sich sicherlich fortführen, zum einen,
startet ein Pilotprojekt, in dem Monumente, Tiergärten,             weil es noch lange dauern wird bis der Tourismus wieder
Konzertsäle sowie Museen für drei Tage ihre Tore öffnen             anzieht, zum anderen, weil die Menschen die Vorzüge ihrer
werden. Besuchen darf sie, wer einen negativen Test vor­            eigenen Region wiederentdeckt haben, was den Reiz einer
weisen kann und sich vorab die Eintrittskarte online be­            Auslandsreise vorerst reduziert. Sowohl die Museen als
stellt hat. Wir gehen davon aus, dass zumindest die Museen          auch die Bevölkerung nehmen den kulturellen Reichtum
damit belegen können, wie gut sie für den verantwortungs­           immer mehr wahr, der in Depots und Ausstellungen um
vollen Umgang mit ihren Besuchern geeignet sind.                    die Ecke aufbewahrt wird.
  Währenddessen wird die staatliche Unterstützung für                  Ferner bietet der Ausfall der Besucher Anlass zum „Blick
Museen fortgeführt, allerdings sind nicht alle Museen dazu          nach Innen“. Die Gelegenheit ist günstig, Verbesserungen
berechtigt. Die Umstrukturierungen und der Stellenabbau             einzuführen, Abläufe zu digitalisieren, Online-Angebote
dauern an. Der Museumsverband und weitere Einrichtun­gen            zu entwickeln, Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken und
wollen die Durchführung der Pilotprojekte und die frühere           dergleichen.
Öffnung der Museen durch Lobbyarbeit durchsetzen.                      Die private Förderung der Kultur ist in den Niederlan­
                                                                    den eine alte, fest verankerte Tradition. Derzeit weiten die
Chancen entstehen                                                   privaten Stiftungen und der Staat ihre Förderungen aus.
                                                                    Dabei verschiebt sich der Fokus von den großen Ausstel­
Der Museumsbereich sprüht gerade vor Kreativität, was               lungen oder prestigevollen Restaurierungen auf innovative
sich von Anfang an als sehr nützlich erwies. Museen ha­             Projekte und auf die Unterstützung der Digitalisierung. Da­
ben sich erfolgreiche neue Wege ausgedacht, ihre Besucher           mit helfen sie den Museen, sich mit neuen Arbeitsmethoden
auch aus der Ferne zu begeistern. Die Digitalisierung und           und Ausstellungen auf die Zeit der neuen Öffnung vor­zu­
Online-Angebote haben in der Zeit riesige Fortschritte ge­          be­rei­ten.
macht. Ausstellungen, Vermittlung, Events aber auch Er­                Allerdings bleibt vieles noch ungewiss. Museen gehen
öffnungen sind nun online übertragbar, Museen organisie­            von einem länger andauernden starken Rückgang der Be­
ren Workshops und Webinare für Kollegen und Besucher.               suchszahlen aus, der Auswirkungen auf ihre Aktivitäten
Doch wird durch solche Aktivitäten kaum Einkommen                   und auf die Beschäftigung in diesem Bereich haben wird.
generiert, was ihre Nachhaltigkeit in Frage stellt.                 Freie Mitarbeiter und Ehrenamtliche werden anstelle von
   Der Trend zur Digitalisierung der Museumsaktivitäten             festen Verträgen wohl noch häufiger als vor Ausbruch der
ist nicht neu. Auch die Diskussion um den Stellenwert der           Pandemie eingesetzt werden.

                                                                                ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2021     | 13
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Besondere Corona-Beschilderung

   Kreativität und Erfindungskraft sind entscheidend für
das Fortbestehen des gesamten Museumsbereiches. Aktive
(internationale) Netzwerke können unterstützen und för­
dern den Austausch.

ICOM Niederlande

Der Mitgliederzuwachs von ICOM Niederlande zeigt, wie

                                                                                                                                  Foto: Arja van Veldhuizen
wichtig es ist, Teil eines internationalen Netzwerkes zu sein.
In 2019 waren es 5.447, in 2020 6.124 Mitglieder. Aus­
tritte aufgrund der stark eingeschränkten Nutzungsmög­
lichkeiten der Karte waren minimal.
   ICOM Niederlande hat sich auch 2020 mit der neuen
Museumsdefinition befasst, die in unserem Land ein heiß
diskutiertes Thema ist. Zusammen mit dem Niederländi­            Ein ausgeklügeltes System: hängt ein Türschild am Haken, heißt es
schen Museumsverband und weiteren Organisationen hal­            „Raum besetzt, bitte warten“. Hängt keines, heißt es „Raum ist frei,
ten wir unsere Mitglieder informiert und haben deren             bitte eintreten“.
Rückmeldungen durch Umfragen gesammelt. Online-Work­
shops sind ab dem Frühjahr 2021 geplant. Als zentrale An­
laufstelle will ICOM Niederlande ein koordiniertes Mei­
nungsbild seiner Mitglieder ausarbeiten, das als nationaler      Förderbudget erhöht und erweitert haben: Was früher für
Beitrag in die internationalen Diskussionen um die Muse­         Reisebeihilfen zur Verfügung stand, kann nun auch für
umsdefinition und die Ethischen Richtlinien einfließen soll.     weitere Initiativen unserer Mitglieder genutzt werden, wie
Zwei Vorstandsmitglieder gestalten diese Prozesse.               etwa Forschung und Kooperationsprojekte mit dem ICOM-
   Wie auch die Museen hat ICOM Niederlande die eigenen          Netzwerk. Zudem haben wir unseren Mitgliedern die Teil­
Strukturen und Arbeitswege überdacht. Grundlage dafür ist        nahme an einem Zwei-Tages-Kurs zur „Arbeit in einem
der 3-Jahres-Strategieplan, der während der digita­len Mit­      internationalen Kontext“ ermöglicht, was zur Verbesse­
gliederversammlung im Herbst 2020 verabschiedet wurde.           rung ihrer internationalen Kompetenzen beigetragen hat.
Da der Vorstand ehrenamtlich arbeitet, müssen für bestim­          Unser Ziel ist es stets, unsere Mitglieder dazu anzure­
mte Tätigkeiten vermehrt externe Aufträge erteilt werden.        gen, sich in den internationalen Netzwerken und Commu­
   Eine neue, vielversprechende Mitgliederdatenbank wur­         nities einzubringen. Die Karte mag den freien Eintritt ge­
de eingerichtet. Nun haben wir einen besseren Überblick          währen, aber viel wichtiger ist, dass sie eine Möglichkeit
über unsere Mitglieder, die in den Vorständen der interna­       zur Vernetzung schafft.
tionalen Komitees aktiv sind. Das Kommunikationskon­
zept wurde ebenfalls überarbeitet, was ab Mitte 2021 in der      Diederik von Bönninghausen ist Vorsitzender von ICOM Niederlande;
neuen Webseite zu sehen sein wird.                               president@icomnederland.nl.
   Wir verstehen uns als eine Organisation, die viel mehr
kann, als nur eine Karte zu verwalten. So haben wir den          Weitere Informationen:
Service für unsere Mitglieder verbessert, indem wir das          www.icomnederland.nl

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