Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit

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Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Tandem
                          Koordinierungszentrum
                          Deutsch-Tschechischer
                          Jugendaustausch
                          Koordinační centrum
                          česko-německých
                          výměn mládeže

Gemeinsam auf dem Weg
zur Erinnerung II
Materialien und Methodenbausteine
für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Gemeinsam auf dem Weg
zur Erinnerung II
Materialien und Methodenbausteine
für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Inhaltsverzeichnis

                                                                                                                                          Vorwort ............................................................................................................................................... 6

                                                                                                                                          Einleitung ............................................................................................................................................ 9

                                                                                                                                          I    Historische Zugänge .................................................................................................................. 11
                                                                                                                                               Deutsche, Tschechen und Slowaken. Ein neuer Sammelband der Deutsch-Tschechischen
                                                                                                                                               und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission stellt „Materialien für den
                                                                                                                                               Geschichtsunterricht“ vor. ............................................................................................................ 11

    Impressum                                                                                                                             II Orte und Einrichtungen .............................................................................................................                 19
                                                                                                                                             Jüdisches Museum Prag ..............................................................................................................                 19
                                                                                                                                             Živá paměť o.p.s./Lebendige Erinnerung .....................................................................................                         23
    Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung                                                                                                     Weitere Hinweise zu Prag .............................................................................................................               32
    Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit                                                             - Stadtführungen in Prag zur Geschichte der Jahre 1938 – 1945/48 ..........................................                                          32
    Band II
                                                                                                                                             - Gedenkstätte der Stille Bahnhof Prag-Bubny ...........................................................................                             33
                                                                                                                                             - Gedenkstätte Orthodoxe Kirche Kyrill und Method . .................................................................                                33
    Herausgegeben von                                                                                                                        - Petschek Palais – Gedenkstätte Folterkeller Gestapo-Leitstelle . ..............................................                                    33
    Václava Kutter Bubnová und Bernhard Schoßig
                                                                                                                                             - Schießplatz Kobylisy – Pietätsgelände ......................................................................................                       34
    im Auftrag von
    Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem                                                                     Museum für Roma-Kultur Brünn ..................................................................................................                      34
    Maximilianstraße 7 · 93047 Regensburg                                                                                                    Hodonín u Kunštátu. Gedenkstätte für den Holocaust an den Roma und Sinti in Mähren . ........                                                        37
    Koordinační centrum česko-německých výměn mládeže Tandem                                                                                 Lety u Písku. Gedenkstätte für den Holocaust an den Roma und Sinti in Böhmen ....................                                                    42
    Westböhmische Universität in Pilsen
    Riegrova 17 · 306 14 Plzeň                                                                                                               Gedenkstätte Buchenwald ...........................................................................................................                  45
                                                                                                                                             KZ-Gedenkstätte Flossenbürg/Ergänzung zu Bd. 1 ....................................................................                                  53
    Übersetzungen
    Milada Vlachová                                                                                                                          Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin . .....................................................................                                 58
    Copyright                                                                                                                                NS-Dokumentationszentrum München ........................................................................................                            63
    Tandem und die Autorinnen und Autoren                                                                                                    Dokumentation Obersalzberg ......................................................................................................                    70
    Gestaltung und Satz
    Marko Junghänel, München
                                                                                                                                          III Hinweise zu weiteren historischen Orten in Tschechien ........................................................                                      80
    Titelbild
    Gedenkstätte Buchenwald/Katharina Brand                                                                                                   Nationalkulturdenkmal – Pietätsgebiet Ležáky/Ermordung der Dorfbewohner
                                                                                                                                              nach dem Attentat auf Heydrich ..................................................................................................                   80
    Druck
    Hofmann Druck & Verlag, Regenstauf                                                                                                        Die Gedenkstätte des Zweiten Weltkrieges in Hrabyně
    Auflage                                                                                                                                   (Teil des Schlesischen Landesmuseums) . ....................................................................................                        80
    1. Auflage 2021                                                                                                                           Die unterirdische Luftfabrik Rabštejn – Museum des Außenlagers Rabstein
    ISBN                                                                                                                                      (Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg) . ..................................................................                              81
    978-3-9819456-3-8
                                                                                                                                              Festung Hanička . .........................................................................................................................         81

                                                                                                                                          IV Anhang ........................................................................................................................................      82
                                                                                                                                             Chronik .........................................................................................................................................    82
    Die Koordinierungszentren fördern die gegenseitige Annäherung und die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen                Glossar .........................................................................................................................................    85
    jungen Menschen aus Deutschland und Tschechien.
                                                                                                                                             Literatur ........................................................................................................................................   88
    Die Koordinierungszentren beraten und unterstützen staatliche und nichtstaatliche Institutionen und Organisationen in Deutschland
    und Tschechien bei der Durchführung und Intensivierung des deutsch-tschechischen Jugendaustausches und der internationalen
                                                                                                                                             Autor*innen . .................................................................................................................................      90
    Zusammenarbeit im Bereich der Jugendarbeit. Im Zentrum der Arbeit steht die Begegnung junger Menschen.                                   Historische Landkarten ................................................................................................................              91
                                                                                                                                             Inhaltsverzeichnis Band I . ............................................................................................................             92

                                      Gefördert durch das
                            Bundesministerium für Familie,
                             Senioren, Frauen und Jugend
                             und durch das Ministerium für
                            Schule, Jugend und Sport der
                                  Tschechischen Republik

4                                                                                                                                       Inhaltsverzeichnis                                                                                                                                             5
Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Damit diese Auseinandersetzung gelingen kann,        Nur wenn wir uns immer wieder der gemeinsa-
     Vorwort                                                                                                     sind in diesem zweiten Band Texte zur Gedenk-        men Geschichte erinnern, hat die freundschaft-
                                                                                                                 stätte Buchenwald, zur Holocaust Gedenk-             liche Beziehung zwischen den Menschen in der
      Bildungseinrichtungen und Träger im deutsch-     das durch die Aktivitäten der Tandem-Büros auf            stätte der Roma und Sinti in Mähren in Hodonín       Bundesrepublik Deutschland und der Tschechi-
    tschechischen Jugendaustausch sowie im             diesem Feld geweckt werden konnte, übertraf               u Kunštátu, zum NS-Dokumentationszentrum             schen Republik eine Zukunft. Nur wenn wir aus
    deutsch-tschechischen Schüler*innenaustausch       alle Erwartungen. Die Anträge auf Förderung von           in München, zum Museum für Roma-Kultur in            dieser Geschichte die richtigen Schlüsse zu zie-
    engagierte Schulen erhalten mit dieser Pub-        Begegnungen und Fachkräfteprogrammen aus                  Brno, zur Tätigkeit der gemeinnützigen Gesell-       hen versuchen, der Jugend in beiden Ländern die
    likation, dem zweiten Band „Gemeinsam auf          Mitteln des KJP haben von Jahr zu Jahr zuge-              schaft Živá pamět‘, zur Dokumentation Ober-          Folgen verfehlter nationalistischer Politikansätze
    dem Weg zur Erinnerung“, Ergänzungen zu den        nommen, auch in der Tschechischen Republik                salzberg in Berchtesgaden, zu Gedenkstätte für       vor Augen führen, können wir unserer Veranwor-
    Materialien und Methoden, die im gleichnami-       wuchs die Aufmerksamkeit für das Tandem-Pro-              den Holocaust an den Roma und Sinti in Böh-          tung für ein gemeinsames Europa der Zukunft
    gen, 2015 erschienenen ersten Band vorgestellt     gramm. Die Bilanz, die gezogen werden kann, ist           men in Lety u Písku, zum Dokumentationszen-          gerecht werden.
    wurden. Die inzwischen sehr umfangreiche Mate-     äußerst positiv und kann auf der Website des The-         truim NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide,
    rial- und Methodensammlung soll es pädagogi-       menschwerpunkts http://gemeinsam-erinnern.eu              zum Jüdischen Museum Prag, Ergänzungen zur             Zum Abschluss dieses Vorworts möchten sich
    schen Mitarbeiter*innen, Gruppenleiter*innen       nachvollzogen werden.                                     KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und Hinweise zu          die Leiter der Koordinierungszentren bedan-
    und Lehrkräften ermöglichen, sowohl mit binati-                                                              verschiedenen kleineren Gedenkorten in Prag ver-     ken. Zunächst gilt unser Dank den Autoren und
    onalen Gruppen als auch mit der eigenen Gruppe       Wenn auch aktuell in Zeiten einer Pandemie his-         sammelt. Darüber hinaus finden sich Hinweise zu      Autorinnen dieses zweiten Bandes, die trotz ihrer
    im Nachbarland den schlimmsten Abschnitt der       torisch-politische Bildung über die Grenze hinweg         weiteren historischen Orten der Erinnerung in der    zeitaufwändigen Tätigkeiten in den verschiede-
    deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte         nicht die erste Priorität in der Jugendarbeit genießt,    Tschechischen Republik.                              nen Einrichtungen und Gedenkstätten noch Zeit
    zu thematisieren und eine Auseinandersetzung       gilt es in den folgenden Zeiten anzuknüpfen an die                                                             gefunden haben, zu unserer Publikation beizutra-
    mit den damaligen Geschehnissen und ihren          bisherigen Erfahrungen auf diesem Feld. Die bei-            Neben den Informationen in dieser Publikation      gen: Wir danken K. Erik Franzen, dem Sekretär der
    Auswirkungen bis heute anzuregen. Schon in         den Tandem-Büros hatten für die Jahre 2017-2019           gibt die bereits vorher angesprochene Website        Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowaki-
    der „Absichtserklärung der Bundesministerin für    Träger des außerschulischen Jugendaustauschs              http://gemeinsam-erinnern.eu/ noch den einen         schen Historikerkommission, der uns in den Jah-
    Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Bun-      und Schulen aus beiden Ländern eingeladen,                oder anderen Hinweis auf mögliche Partner bei        ren des Schwerpunkts mit seiner breiten Erfah-
    desrepublik Deutschland und des Ministers für      sich gemeinsam mit den Koordinierungszentren              der Umsetzung von Begegnungsprojekten in             rung begleitet hat, und allen Mitarbeiter*innen der
    Schulwesen, Jugend und Sport der Tschechi-         auf den Weg einer gemeinsamen Erinnerung zu               diesem Kontext. Auch eine Beteiligung am der-        Einrichtungen, Erinnerungsorte, Gedenkstätten
    schen Republik über die Errichtung von Koordi-     begeben. Der Erfolg des ersten Bandes mit seinen          zeit (2020-2022) laufenden Schwerpunkt in der        und Organisationen, die Beiträge zu diesem Sam-
    nierungsstellen für den deutsch-tschechischen      Beiträgen aus Dachau, Flossenbürg, Lidice, Nürn-          deutsch-tschechischen jugendpolitischen Zusam-       melband verfasst haben.
    Jugendaustausch“ wurde festgehalten, dass          berg, Ravensbrück, Sachsenhausen und Theresi-             menarbeit „Jugend gestaltet Zukunft“ mit einem
    die Koordinierungsstellen „(…) in jeder Weise      enstadt machte im vergangenen Jahr eine zweite            starken Gewicht bei den Themen Demokratie,             Besonders bedanken wir uns bei Dr.Václava Kut-
    die Entwicklung allseitiger Verbindungen und       Auflage erforderlich. Die in den Jahren 2012-2015         Beteiligung und Diversität kann den Trägern emp-     ter Bubnová und Dr. Bernhard Schoßig, die für Tan-
    freundschaftlicher Beziehungen zwischen jun-       bestehende Arbeitsgruppe mit Vertreter*innen der          fohlen werden. Zwar geht es in erster Linie um       dem die Redaktion dieser Broschüre übernommen
    gen Menschen in beiden Staaten fördern“ sol-       genannten Gedenk- und Erinnerungsorte hatte               Fragen der politischen Bildung (wobei die „klas-     haben. Ohne ihre langjährige Erfahrung und ihr tie-
    len. Freundschaftliche Beziehungen setzen den      offensichtlich einen vorhandenen Bedarf genau             sischen“ historisch-politischen Ansätze auch wei-    fes Wissen um die historischen Zusammenhänge
    Abbau von gegenseitigen Vorurteilen, von Kli-      getroffen. Damit verbunden war von Anfang an,             terhin ihre Bedeutung haben), doch lässt sich her-   wäre dieser Band nicht zustande gekommen. Die
    schees und Stereotypen voraus. Gerade in der       während der Laufzeit des Themenschwerpunk-                vorragend an die Erfahrungen aus „Gemeinsam          Koordinierungszentren haben sie konsequenter-
    deutsch-tschechischen Zusammenarbeit bedarf        tes in den Jahren 2016-2019 eine Erweiterung              erinnern für eine gemeinsame Zukunft“ anknüp-        weise auch mit der Herausgeberschaft beauftragt.
    es dazu auch einer Auseinandersetzung mit der      des ersten Bandes zu erarbeiten unter Einbezie-           fen, nicht zuletzt über das Sonderförderprogramm                   Pilsen und Regensburg im Dezember 2020
    Geschichte.                                        hung weiterer Gedenk- und Erinnerungsorte. Mit            aus KJP-Mitteln (Informationen dazu auf der Web-
                                                       der Herausgabe des vorliegenden zweiten Ban-              site von Tandem Regensburg).                         Thomas Rudner                         Jan Lontschar
      Diese Auseinandersetzung war ein tragendes       des schließt Tandem das Arbeitsprogramm des
    Element in der Arbeit der Koordinierungszent-      Schwerpunktes ab. Die Auseinandersetzung mit
    ren von 2017 bis 2019 im Tandem-Schwerpunkt        der Geschichte wie mit dem aktuellen Rechtsextre-
    „Gemeinsam erinnern für eine gemeinsame            mismus bleibt jedoch eine fortwährende Aufgabe
    Zukunft“. Hier konnte die Zusammenarbeit mit       für die grenzübergreifende deutsch-tschechische
    KZ-Gedenkstätten in Deutschland, den Gedenk-       Zusammenarbeit. Wenngleich sich der Fokus der
    stätten Theresienstadt und Lidice in Tschechien,   beiden Tandem-Büros 2020 auf die Fragen von
    aber auch mit anderen Erinnerungsorten gefestigt   Demokratie, Diversität und Beteiligung verlagert
    werden. Inzwischen sind weitere Gedenkstätten      hat, wissen wir, dass die Auseinandersetzung mit
    und Erinnerungsorte in die Zusammenarbeit ein-     Themen aus dem Feld der historisch-politischen
    gestiegen, neue Partner kamen dazu, allen voran    Bildung auch noch weiterhin und auf lange Zeit
    die Deutsch-Tschechische und Deutsch-Slo-          ein bestimmendes Element in dieser bilateralen
    wakische Historikerkommission. Das Interesse,      Zusammenarbeit bleiben wird.

6                                                                                                      Vorwort   Vorwort                                                                                                     7
Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Einleitung

                                                                                                                                                     Mit dem vorliegenden zweiten Band „Gemein-           Ein einleitender Beitrag stellt den vor kurzen
                                                                                                                                                   sam auf dem Weg zur Erinnerung“ werden der            erschienen Band „Deutsche, Tschechen und Slo-
                                                                                                                                                   Überblick über Gedenk- und Erinnerungsorte in         waken im 20. Jahrhundert“ vor, der umfangreiche
                                                                                                                                                   Tschechien und Deutschland ergänzt und weitere        Materialien für den Geschichtsunterricht enthält
                                                                                                                                                   Materialien und Methoden für eine transnational       und im Auftrag der Deutsch-Tschechischen und
                                                                                                                                                   ausgerichtete historisch-politische Bildungsar-       Deutsch-Slowakischen Historikerkommission her-
                                                                                                                                                   beit vorgestellt. Während der Schwerpunkt des         ausgegeben wurde.
                                                                                                                                                   ersten Bandes bei deutschen KZ-Gedenkstät-
                                                                                                                                                   ten (Dachau, Flossenbürg, Ravensbrück und              Mehrere Landkarten, die von „Historický ústav
                                                                                                                                                   Sachsenhausen) und den beiden bedeutendsten           Akademie věd České Republiky, v.v.i“ dankens-
                                                                                                                                                   Gedenkstätten in Tschechien (Terezín und Lidice)      werterweise zur Verfügung gestellt wurden, zeigen
    » Gedenkstätte der Stille Bahnhof Prag-Bubny,                           » Orthodoxe Kirche St. Cyrill und Method in Prag – Gedenk-             lag, enthält dieser Band Beiträge zu sehr unter-      die Veränderungen der Grenzen im Mitteleuropa
    Foto: Václava Kutter Bubnová                                            stätte für die Heydrich-Attentäter, Foto: Václava Kutter Bubnová
                                                                                                                                                   schiedlichen Gedenk- und Erinnerungsorten.            im 20. Jahrhundert. Eine Chronik, ein Glossar und
                                                                                                                                                   Auf deutscher Seite sind das die Gedenkstätte         eine Liste mit weiterführender Literatur ergänzen
                                                                                                                                                   Buchenwald, zwei NS-Dokumentationszentren             das Informationsangebot.
                                                                                                                                                   an Täterorten (München und Obersalzberg) sowie
                                                                                                                                                   das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in           Die zweisprachige Ausgabe bietet besonders
                                                                                                                                                   Berlin. Außerdem enthält der Band auch noch eine      bei Projekten mit deutschen und tschechischen
                                                                                                                                                   Ergänzung zu dem Beitrag über die KZ-Gedenk-          Teilnehmern*innen die Möglichkeit, sich auf das
                                                                                                                                                   stätte Flossenbürg im ersten Band.                    gleiche Material zu beziehen.

                                                                                                                                                     In Tschechien werden Prag mit seinem umfang-         Wir bedanken uns bei allen Autoren*innen und
                                                                                                                                                   reichen Jüdischen Museum – bestehend aus meh-         allen Kooperationspartnern, die uns mit Rat und
                                                                                                                                                   reren Synagogen, Friedhof und Ausstellungen –,        Tat bei diesem Projekt unterstützt haben. Ein ganz
                                                                                                                                                   aber auch eine Reihe weniger bekannter histori-       besonderer Dank gilt der Übersetzerin Milada
                                                                                                                                                   scher Orte im Stadtgebiet in den Blick genom-         Vlachová und Marko Junghänel, der aus vielen
                                                                                                                                                   men, in Brünn das Museum für Roma-Kultur. Wei-        unterschiedlichen Manuskripten ein ansehnliches
                                                                                                                                                   terhin werden mit Hodonín u Kunštátu und Lety u       Buch gestaltet hat.
                                                                                                                                                   Písku zwei historische Orte des Holocaust an den
                                                                                                                                                   Roma und Sinti vorgestellt, die erst vor kurzem als     Jetzt hoffen wir, dass dieses Buch seinen Weg
    » Schießplatz Kobylisy – Pietätsgelände, Foto: Václava Kutter Bubnová                                                                          Gedenkstätte gestaltet wurden bzw. sich noch in       in die historisch-politische Bildungsarbeit in bei-
                                                                                                                                                   der Entwicklung zu einer Gedenkstätte befinden.       den Ländern und in viele deutsch-tschechische
                                                                                                                                                   Eine ausführliche Darstellung der gemeinnützigen      Begegnungen findet und einen Beitrag zum
                                                                                                                                                   Gesellschaft „Živá paměť" und kurze Hinweise          Verständnis der gemeinsamen Geschichte und
                                                                                                                                                   zu weiteren historischen Orten ergänzen das           Gegenwart leisten kann.
                                                                                                                                                   Gedenkpanorama auf der tschechischen Seite.
                                                                                                                                                                                                         Václava Kutter Bubnová            Bernhard Schoßig
                                                                                                                                                    Das Grundkonzept des ersten Bandes wurde
                                                                                                                                                   soweit wie möglich beibehalten. Die Beiträge zu
                                                                                                                                                   den einzelnen Orten enthalten jeweils
                                                                                                                                                    • Hinweise zur Geschichte des historischen
                                                                                                                                                      Ortes
                                                                                                                                                    • Informationen zu den heutigen Gedenkstätten
                                                                                                                                                      und Einrichtungen
                                                                                                                                                    • Informationen zu den pädagogischen
    » Orthodoxe Kirche St. Cyrill und Method in Prag – Gedenk-              » Petschek-Palais „Pečkárna“ – Erinnerungsort des tschechi-
                                                                                                                                                      Angeboten
    stätte für die Heydrich-Attentäter, Foto: Václava Kutter Bubnová        schen Widerstandes 1939-1945, Foto: Václava Kutter Bubnová
                                                                                                                                                    • Biografien von Opfern, die im Rahmen
                                                                                                                                                      deutsch-tschechischer Erinnerungsprojekte
     Informationen zu diesen Gedenk- und Erinnerungsorten in Prag: S. 33/34                                                                           verwendet werden können.

8                                                                                                "Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung", Band II   Einleitung                                                                                                  9
Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
I Historische Zugänge

                                                        Deutsche, Tschechen und Slowaken                      Nicht selten wird Geschichte erzählt, als liefen
                                                                                                              historische Entwicklungen geradezu zwangsläufig
                                                       Ein neuer Sammelband der Deutsch-Tsche-                auf eine „Erfüllung“ von Gemeinschaften im Nati-
                                                       chischen und Deutsch-Slowakischen Histo-               onalstaat zu: Die Epochen davor erscheinen dann
                                                       rikerkommission stellt „Materialien für den            vorrangig als Vorgeschichte des modernen Natio-
                                                       Geschichtsunterricht“ vor.                             nalgebildes. Einen solchen verengten Blickwinkel
                                                                                                              umgehen die Lehrmaterialien. Neben der Betrach-
                                                         „Deutsche, Tschechen und Slowaken im 20.             tung von nationalen Pfaden werden insbesondere
                                                       Jahrhundert“: Mit diesem ebenso simplen wie            imperiale Ordnungen berücksichtigt: unter ande-
                                                       komplexen Titel wartet ein neuer Sammelband            rem das Vielvölkerreich der Habsburgermonarchie,
                                                       auf. Der Untertitel verrät ein wenig mehr: „Mate-      das rassistisch-expansive, nationalsozialistische
                                                       rialien für den Geschichtsunterricht“ werden           „Dritte Reich“ und die sowjetische Hegemonie im
                                                       ausgehend von einem Projekt der gemeinsamen            Kalten Krieg.
                                                       Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowaki-
                                                       schen Historikerkommission präsentiert. Das vom         Im Folgenden werden die verschiedenen
                                                       Deutschen Akademischen Austauschdienst im              Abschnitte der Lehrmaterialien inhaltlich grob
                                                       Auftrag des Auswärtigen Amts geförderte Unter-         skizziert und am Ende mit wenigen Beispielen aus
                                                       nehmen widmet sich also der historisch-politi-         dem jeweiligen Dokumententeil veranschaulicht.
                                                       schen Bildung und geht in der Formulierung der
                                                       anzusprechenden Zielgruppe mithin weit über ein          Das erste Kapitel von Miloš Řezník widmet
                                                       wissenschaftliches Fachpublikum hinaus: Schüle-        sich denn auch dem 19. Jahrhundert und dem
                                                       rinnen und Schüler, aber auch Studierende sollen       Anfang des 20. Jahrhunderts – und weitet damit
                                                       erreicht werden.                                       sogleich die Sichtachsen. Denn hier wird deut-
                                                                                                              lich, dass alternative Erzählungen zu etablierten
                                                         Was ist die Absicht der umfangreichen, informati-    National-Narrativen existieren: in Deutschland, in
                                                       ven Publikation, die zumindest in Teilen einen Zeit-   Tschechien und in der Slowakei.
                                                       raum vom 19. bis ins 21. Jahrhundert abdeckt?
                                                       Worum geht es?                                           Bei Tschechen und Slowaken gab es austrosla-
                                                                                                              wische beziehungsweise panslawische – kulturelle
                                                         Nein, ein klassisches Schulbuch ist das nicht.       und politische – Neigungen hin zu den Slawen in
                                                       Der Sammelband enthält auf mehr als 400 Sei-           Österreich-Ungarn respektive zu Slawen außer-
                                                       ten Beiträge von tschechischen, slowakischen           halb der Habsburgermonarchie. Die böhmischen
                                                       und deutschen Autoren – teilweise im Tandem.           Länder und die Slowakei gehörten zu dem letzt-
                                                       In sechs chronologisch aufgebauten Kapiteln            genannten Imperium, wenn auch zu unterschied-
                                                       werden historische Entwicklungen, die das Mit-,        lichen Teilen (die Tschechen zur westlichen, von
                                                       Neben- und Gegeneinander dieser Nachbarlän-            Wien regierten, die Slowaken zur östlichen, von
                                                       der prägten, beschrieben und in europäische            Ungarn aus dominierten Reichshälfte). Die Habs-
                                                       Zusammenhänge eingeordnet. Die Besonderheit            burgermonarchie zeichnete sich durch starke regi-
                                                       der Lehrmaterialien liegt einerseits im Aufbau und     onale Zentren und eine relative Schwäche zentraler
                                                       Anspruch der Publikation selbst und zum anderen        politischer Willensbildung aus. Neben nationaler
                                                       in deren inhaltlicher Herangehensweise.                Konkurrenz entstand auf kulturellem Sektor nicht
                                                                                                              selten ein teilweise einheitlicher Raum – sichtbar
                                                        Es war nie ein Anliegen der trilateralen, trans-      in der Architektur. Es gab mithin Alternativen zur
                                                       nationalen Kommission, immer einen „kleinsten          rein nationalen Erzählung.
                                                       gemeinsamen Nenner“ zu suchen. Verschiedene
                                                       Sichtweisen auf die Vergangenheit werden kritisch       Vertiefen können die Benutzer*innen das mit
                                                       analysiert und diskutiert – man kommt ins und          Hilfe von Ansichten der Theaterhäuser in Lemberg,
                                                       bleibt im Gespräch. Und auf diese Art und Weise        München und Prag. Politische Entwicklungen las-
                                                       geht man gemeinsam den Weg der Erinnerung.             sen sich anhand künstlerisch-dokumentarischer

10   "Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung", Band II   Historische Zugänge                                                                                         11
Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Werke erschließen, so zum Beispiel anhand einer       tschechischen respektive tschechoslowakischen
     zeitgenössischen Darstellung der Barrikaden- und      Staat voranzutreiben – dessen Chancen auch
     Straßenkämpfe in Prag 1848. Eine Karikatur von        durch die vom amerikanischen Präsidenten Woo-
     1861 in der Zeitschrift „Kladderadatsch“ themati-     drow Wilson geforderte Autonomie für die Völker
     siert die Konkurrenz der Nationalbewegungen im        der Habsburgermonarchie gestiegen waren. Der
     Habsburgerreich.                                      1916 in Paris gegründete und international aner-
                                                           kannte Tschechische Nationalrat wurde 1918
      Kapitel zwei beleuchtet den Ersten Weltkrieg:        zur provisorischen Regierung erklärt und am 28.
     Konfliktlinien und Bündnisse, Gesellschaften,         Oktober 1918 rief ein Nationalausschuss in Prag
     Revolutionen in Deutschland, den Zusammen-            einen unabhängigen tschechoslowakischen Nati-
     bruch Österreich-Ungarns und folgend die              onalstaat aus – die österreichischen Behörden
     Entstehung der Ersten Tschechoslowakischen            waren machtlos dagegen.
     Republik. Miloš Řezník beschreibt die seit dem
     19. Jahrhundert in Europa und in anderen Teilen         Die politischen Vertreter der Deutschen auf
     der Welt aufeinander zu rasenden ökonomischen         böhmischem Boden befürchteten nun eine tsche-
     Expansionsbestrebungen und die explodieren-           chische Dominanz und beanspruchten ihrerseits
     den Rüstungsprogramme der europäischen                das Selbstbestimmungsrecht: die ausgerufenen
     Armeen – vor dem Hintergrund sich verfestigender      Provinzen Deutschböhmen und Sudetenland
     Bündnisse zwischen dem Deutschen Reich und            wurden zu einem Teil Deutschösterreichs erklärt.
     Österreich-Ungarn auf der einen, und zwischen         Doch in den Friedensverhandlungen scheiterten
     Großbritannien, Frankreich und Russland auf der       diese Bemühungen, ihre Gebiete wurden bezie-
     anderen Seite. 1914 lag ein Weltkrieg nicht nur in    hungsweise blieben tschechoslowakisch und aus
     der Luft, er war wahrscheinlich.                      Deutsch-Österreich wurde die Republik Öster-             » Cover des Sammelbandes "Deutsche, Tschechen und Slowaken im 20. Jahrhundert"
                                                           reich – das Habsburgerreich war zerfallen.
       Kennzeichnend für den Kriegsverlauf war der
     gnadenlose Einsatz menschlichen Lebens und              Die Bedingungen des Friedensvertrags von Ver-          verändert sich diese Perspektive. Der Ersten Welt-           sanfter aus, genoss der neue Staat doch insge-
     materieller Ressourcen (u.a. Maschinengewehre,        sailles wurden in Deutschland – insbesondere in          krieg wird vielmehr als Kulminationspunkt bereits            samt ein hohes Ansehen in der eigenen Bevölke-
     Panzer, U-Boote, Giftgas). Häufig wurde die           konservativen rechten Kreisen – als empörend             vorhandener wirtschaftlicher, sozialer, militärischer,       rung. Die Wirtschaftskrise erfasste jedoch auch
     Bezeichnung „totaler Krieg“ verwendet. Die mili-      empfunden: mit den Gebietsabtretungen, Repa-             technischer und politischer Entwicklungen gese-              die Tschechoslowakei und radikalisierte die neu
     tärischen „Verluste“ von Soldaten erreichten ein      rationen und der Entmilitarisierung mochten sich         hen, die längst zu einer Destabilisierung geführt            geordnete Gesellschaft.
     nahezu unvorstellbares Ausmaß. Deshalb finden         viele nicht abfinden, sie sprachen vom „Versail-         hatten und sich nun auf grausame Weise entluden.
     sich noch heute in fast allen Gemeinden Tsche-        ler Diktat“ und nutzten diesen Diskurs zur Radi-                                                                        Auch der Weg zum Zweiten Weltkrieg über die
     chiens, der Slowakei und Deutschlands (aber auch      kalisierung ihrer politischen Anhänger in den              Die Fotografie einer Gruppe fröhlicher Solda-              Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur in
     anderswo) Erinnerungszeichen für die im Ersten        Folgejahren.                                             ten, die 1914 in den Krieg ziehen, beleuchtet die            Deutschland hat in der Darstellung entsprechen-
     Weltkrieg ums Leben gekommenen Bürger.                                                                         Mobilmachung im Ersten Weltkrieg, ein Tagebuch-              den Raum, Wert gelegt wird insbesondere auf die
                                                             Die Ereignisse des Ersten Weltkriegs erschüt-          eintrag eines einfachen Soldaten kurz vor seinem             außenpolitischen Vorbereitungen, in deren Ver-
       Je länger der Krieg dauerte, desto mehr nahm        terten alle beteiligten Gesellschaften. Die unge-        Tod 1916 liefert ein Gegenbild. Das Gedicht Erich            lauf das Münchner Abkommen von 1938 für das
     die anfänglich noch nahezu euphorische Kriegs-        heuren Opferzahlen, die immensen Zerstörun-              Mühsams zur Aufrüstung in Europa und die Illust-             deutsch-tschechisch-slowakische Verhältnis bis
     begeisterung ab: Vor allem die massiv verschlech-     gen und die sozialen Folgen führten nicht nur            rationen Josef Ladas zum berühmten Roman von                 heute von hoher Bedeutung ist.
     terten sozialen Verhältnisse führten zu politischen   zur schrittweisen Etablierung einer internationa-        Jaroslav Hašek „Die Abenteuer des braven Solda-
     Radikalisierungen, die eine Grundlage für den         len Friedensbewegung, sondern auch zur Ein-              ten Schwejk“ erlauben Sichtwechsel.                            Aber auch im dritten Kapitel der Lehrmateria-
     Sturz der Monarchien nach dem Ende des Krieges        richtung des Völkerbundes. Vor allem waren es                                                                         lien von Martin Schulze Wessel und Dušan Kováč
     bedeuteten. Die Einbeziehung fast des gesamten        die Künstler, Maler, Schriftsteller, Musiker und           „Die Zeit zwischen den Weltkriegen“, so der                werden kulturelle Aspekte deutlich betont. Diese
     gesellschaftlichen Lebens in den Kriegsprozess        andere, die dem allumfassenden Schrecken die-            Titel des 3. Kapitels, wird oft nur als bloße Nach-          Periode des Neuanfangs kann zurecht als die
     mündete schließlich in eine Brutalisierung auf        ses Krieges auf ihre Art und Weise antworteten           geschichte des Ersten und als Vorgeschichte                  „Goldenen Zwanzigerjahre“ gekennzeichnet wer-
     vielen Ebenen der Gesellschaft: die Gewaltbereit-     und unseren Blick auf die Geschichte bis heute           des Zweiten Weltkriegs beschrieben. Die Auto-                den: so viel Radikalität, Experimentierfreude und
     schaft wuchs.                                         prägen und wachhalten.                                   ren dieses Abschnittes schildern sowohl die                  Kreativität auf künstlerischer Seite war selten. Am
                                                                                                                    innenpolitischen und ökonomischen Krisen der                 Beispiel der Filmproduktion in Deutschland und
      Bis 1917 stand die tschechische Nationalbe-           Lange Zeit hielt sich die Beurteilung des Ersten        Nachkriegszeit in der Weimarer Republik als                  Tschechien zeigen die Autoren einerseits die Blü-
     wegung noch loyal zum Gesamtstaat Österreich.         Weltkriegs als „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhun-          auch Krisensituationen in der neu gegründeten                tezeit filmischen Schaffens und andererseits die
     Mit dem Kriegseintritt der USA wuchs allerdings       derts – ein abrupter Übergang von der „alten“ Welt       Tschechoslowakischen Republik – diese fielen                 Abgrenzung beziehungsweise Auseinanderset-
     die Möglichkeit, die Pläne für einen eigenen          des 19. Jahrhunderts in die Moderne. Mittlerweile        aber im Vergleich mit Deutschland wesentlich                 zung in der Filmpolitik zwischen beiden Staaten.

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Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
Nicht verschwiegen werden nationalistische            Extreme in den Blick. Die Rede Gustav Strese-               Die Bürger der Slowakei lebten in einem eigenen       Ausprägungen des Widerstands gegen das nati-
     Wucherungen sowohl in Deutschland als auch              manns 1926 in der Völkerbundversammlung bie-               Staat, einem Satellitenstaat des Deutschen Rei-        onalsozialistische Regime behandelt – ist doch
     in der Tschechoslowakei. Der rassenbiologische          tet die Gelegenheit, friedliche Gegenentwürfe zu           ches und waren längere Zeit in einer besseren Lage     gerade dieses Phänomen des Dagegenhaltens
     Antisemitismus von Rechtsradikalen in der Wei-          beobachten, während Ausschnitte aus den Erinne-            als die Menschen im Protektorat – nicht zuletzt, da    ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für zivilgesell-
     marer Republik führte in den Holocaust. An dieser       rungen deutscher Schüler, die als Austausch-Gäste          die Wirtschaft vom Krieg profitierte und Arbeits-      schaftliche Selbstvergewisserungen. Und selbst in
     Stelle ist ein scharf konturierter Unterschied zur      bei tschechischen Familien in der Zwischenkriegs-          plätze schaffte beziehungsweise garantierte. Auch      diesem Kapitel, das auf Barbarei fokussiert, kom-
     Tschechoslowakei festzuhalten: antisemitische           zeit lebten, „positive Geschichte“ skizziert.              hier gab es Verlierer: vor allem die jüdische Bevöl-   men auch konkrete positive Beispiele des Zusam-
     Stimmungen in der Bevölkerung gingen deutlich                                                                      kerung. 1943 wurde die Versorgungslage jedoch          menlebens und Zusammenseins zwischen Deut-
     zurück. Mit Blick auf die entschiedene Politik des        Die Zeit des Zweiten Weltkriegs erlebten die             schlechter und damit auch die Stimmung in der          schen, Tschechen und Slowaken zur Sprache.
     Staatspräsidenten Tomáš G. Masaryk lautet die           Bewohner Deutschlands und die Menschen in                  Bevölkerung. Nach der Niederschlagung des Slo-
     Einschätzung: „Antisemitismus und Fremden-              den böhmischen Ländern und in der Slowakei                 wakischen Nationalaufstands im Sommer 1944               Der Auszug aus einem Bericht des Prager
     feindlichkeit entwickeln sich nicht als unaufhalt-      auf unterschiedliche Weise: Die Deutschen waren            befand sich die Slowakei nach der Besetzung            Befehlshabers der deutschen Sicherheitspolizei
     same Prozesse.“                                         Angehörige der Täternation, die die Welt in den            durch die deutsche Wehrmacht nun auch unter            über die Vernichtung der tschechischen Ortschaft
                                                             Krieg gestürzt hatte. Die Tschechen erlebten               dem direkten Zugriff Deutschlands.                     Lidice 1942 ist ein Beispiel für die nationalsozia-
      Ja, es gab in der Zwischenkriegszeit in der            den Krieg auf einem von Deutschen besetzten                                                                       listische Barbarei. Anhand eines Deckblatts der
     Tschechoslowakei zahlreiche nationalistische            Territorium, während die Slowaken in einem mit               Dem Genozid und dem Massenmord widmet                Treuhandstelle Prag, die im Protektorat Böhmen
     Zuspitzungen und Konflikte zwischen der Mehr-           Deutschland verbündeten Staat lebten. Auch                 Volker Zimmermann einen eigenen Abschnitt, Der         und Mähren für die Verwaltung des jüdischen
     heit der tschechoslowakischen und der Minderheit        in dem vierten Kapitel der Lehrmaterialien wird            Mord an Behinderten traf nicht nur im Reich selbst     Besitzes verantwortlich zeichnete, wird das Sys-
     der deutschen Bevölkerung. Aber das Verhältnis          Wert auf die verschiedenen Erfahrungen gelegt,             lebende Menschen, sondern auch Kranke in den           tem der „Arisierung“ sichtbar. Ein Plakat des ört-
     zwischen Deutschen und Tschechen kennzeich-             die Menschen in ein und derselben historischen             böhmischen Ländern. Der Völkermord an den              lichen Nationalausschusses vom Mai 1945 erläu-
     nete häufig ein Zusammenleben voller Respekt,           Phase machten. Besonders geachtet wird auch                Juden in Deutschland, den besetzten Gebieten           tert den künftigen Umgang mit den Deutschen.
     Achtung und Miteinander.                                hier auf die Gesellschaften.                               Osteuropas, speziell in den böhmischen Ländern
                                                                                                                        und in der Slowakei wird in Verbindung gesetzt.          Der Ost-West-Konflikt – so auch der Titel des
       Vier Imperien waren am Ende des Ersten Welt-           Die deutsche „Volksgemeinschaft“ an der „Hei-             Sinti im Reich und Roma in den böhmischen Län-         fünften Kapitels – strukturierte nach dem Zweiten
     kriegs untergegangen: Das Russische Reich, die          matfront“ profitierte durch eine großzügige Sozial-        dern gerieten unter massiven Verfolgungsdruck          Weltkrieg ungefähr vier Jahrzehnte die Beziehun-
     Habsburgermonarchie, das Deutsche Kaiserreich           politik auf Kosten der jüdischen Bevölkerung und           bis hin zum Völkermord. In der Slowakei gab es         gen zwischen den Staaten – weltweit. Die Welt
     und das Osmanische Reich. Für Deutsche, Tsche-          der Bevölkerung der besetzten Gebiete. Von einer           seit 1944 zwar auch Gewaltexzesse gegen sie,           war in zwei Hälften geteilt. Direkt an seiner Grenze
     chen und Slowaken bedeutete dies ein Leben in           Massenunterhaltungsindustrie abgelenkt blieb               aber die Mehrheit überlebte, da der Krieg endete.      (im Fall von BRD und DDR getrennt durch diese
     Nationalstaaten, in parlamentarischen Demokra-          der Krieg für die ersten Jahre weit entfernt. Das                                                                 Grenze) lagen Deutschland und die Tschechoslo-
     tien: Neuland. Die Weimarer Republik scheiterte         änderte sich spätestens mit den Luftangriffen der            Explizit werden die unterschiedlichen Etappen        wakei. Präzise beschreibt Volker Zimmermann die
     am Ende nicht nur an der anhaltenden Stärke von         Alliierten, die seit 1942 deutsche Städte ins Visier       der Vertreibung und Zwangsaussiedlung der              ersten Nachkriegsjahre mit schwierigen Neuan-
     Monarchisten und Rechtsradikalen, sondern auch          nahmen. Tod und Zerstörung gehörte nun auch im             Deutschen aus den böhmischen Ländern erläu-            fängen: Das von den Alliierten besetzte Vier-Zo-
     an der Schwäche der Demokraten und an der feh-          nationalsozialistischen Deutschland zum Alltag, in         tert: Auf die verschiedenen, sich mit der deut-        nen-Deutschland musste sich vor allem der gro-
     lerhaften demokratischen Ordnung.                       dem auch Kinder und Jugendliche massiv in ihrem            schen Vernichtungs- und Gewaltpolitik verschär-        ßen Aufgabe stellen, die 12 Millionen Flüchtlinge
                                                             Dasein getroffen waren.                                    fenden Pläne von Exilregierungen und Alliierten        und Vertriebenen aufzunehmen, unterzubringen
       Das politische System in der Tschechoslowakei                                                                    folgten zunächst die „wilde Vertreibung“ 1945 und      und den Integrationsprozess auf vielen Ebenen zu
     erwies sich als stabiler, nicht zuletzt durch das Amt     Das Leben unter deutscher Besatzung im „Pro-             die organisierte Aussiedlung ab 1946. Insgesamt        steuern.
     des Staatspräsidenten, der weniger Befugnisse,          tektorat Böhmen und Mähren“ bildete einen Spe-             überwiegt hier jedoch eine sehr komplexe Lage,
     aber mehr Ansehen genoss als im Nachbarland             zialfall im Vergleich zu anderen Besatzungsgesell-         „schließlich handelte es sich ... um eine Gemen-         In der DDR und in der Tschechoslowakei exis-
     Deutschland. Bis 1938 konnte sich dieses Sys-           schaften: eine blutige Verfolgung der Bevölkerung          gelage aus Evakuierung, Flucht, Gewaltexzessen,        tierten ab 1948 beziehungsweise ab 1949 Mos-
     tem erfolgreich behaupten, auch weil die tsche-         unterblieb, um die Ruhe zu sichern, die notwendig          (oft menschenunwürdiger) Internierung in Lagern,       kau-abhängige „Volksdemokratien“ mit strengen
     chischen beziehungsweise tschechoslowakischen           war, um die für die deutsche Rüstungsindustrie             Zwangsarbeit, „freiwilliger“ und erzwungener           Wirtschaftsplänen, die in erster Linie auf Schwer-
     politischen Parteien gut zusammenarbeiteten. Was        zur Arbeit verpflichteten Tschechen gefügig zu             Ausreise, „wilder Vertreibung“ und organisierter       industrie und Rüstungsproduktion setzten und
     wegen der ethnischen Ausrichtung letztendlich           halten. Kultur- und Sportveranstaltungen konnten           Zwangsaussiedlung.“ Immer zu sehen als Folge           sich schließlich als extrem unflexibel erwiesen.
     nicht vollkommen funktionierte, war eine ausrei-        besucht werden, es existierte kein Kriegsdienst            des Krieges, in dem von Deutschland ausgehend          Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, freie Medien, eine
     chende Förderung derjenigen sudetendeutschen            und die Versorgung mit Lebensmitteln war gut. Die          in weiten Teilen Osteuropas neben einem Ver-           unabhängige Justiz und eine parlamentarische
     Parteien, die sich für eine demokratische Zusam-        jüdische Bevölkerung hingegen wurde verfolgt.              nichtungskrieg und Völkermorden insgesamt das          Opposition fehlten. Die Bundesrepublik profitierte
     menarbeit entschieden hatten. Was, wenn mehr            Auf der anderen Seite ließ die Besatzungsmacht             Prinzip einer „ethnischen Entmischung“ radikal         vom Aufbauehrgeiz und den Finanzhilfen der USA,
     Sudetendeutsche für die neue Republik hätten            mit ihrer Bestrafungs- und Gewaltpolitik (Verhaf-          umgesetzt wurde bzw. werden sollte.                    die den Westen Deutschlands als Verbündeten im
     gewonnen werden können? Ein Auszug aus dem              tungen und Exekutionen) keinen Zweifel daran,                                                                     Kalten Krieg dringend brauchte. Das installierte
     Programm der NSDAP und ein Agitationsplakat             was passieren sollte, wenn jemand die Auflagen              Nicht zuletzt werden in diesem Kapitel „Der           politische System erwies sich als stabil: eine reprä-
     der KPD/Spartakusbund nehmen die politischen            nicht beachtete oder gar einen Aufstand plante.            Zweite Weltkrieg“ verschiedenen Formen und             sentative Demokratie mit starken föderalistischen

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Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
ausgewogenen Integrationspolitik begleitet. Die       die Protestwellen und Reformaktivitäten von der
                                                                                                                                        faktische Entwicklung negierend wurde bis tief in     Gewerkschaftsbewegung in Polen, über die Fried-
                                                                                                                                        die 2000er Jahre davon geredet, die BRD sei kein      liche Revolution in der DDR und die Demonstrati-
                                                                                                                                        Einwanderungsland.                                    onen in Prag und Bratislava bis hin zu Umweltde-
                                                                                                                                                                                              monstrationen in Bulgarien.
                                                                                                                                          In der Mitte Europas lebten Westdeutsche, Ost-
                                                                                                                                        deutsche, Tschechen und Slowaken sozusagen             Der Systemwechsel führte im östlichen Europa
                                                                                                                                        im Zentrum des Kalten Krieges, der alle Genera-       hin zu Demokratie und Marktwirtschaft. Neben
                                                                                                                                        tionen erfasste. Auch wenn das Alltagsleben sehr      politischen und wirtschaftlichen kam es auch zu
                                                                                                                                        unterschiedlich erlebt wurde, existierten dennoch     kulturellen Veränderungen, die in Musik, bildender
                                                                                                                                        gemeinsame Sorgen und Wertvorstellungen – ins-        Kunst, Literatur und Film mit einer deutlichen Ori-
                                                                                                                                        besondere in der jüngeren Generation auf allen        entierung an westlichen Produkten verbunden war
                                                                                                                                        Seiten.                                               – was wiederum in Teilen der Gesellschaft nostal-
                                                                                                                                                                                              gische Gefühle an die Zeit vor 1989 hervorrief.
                                                                                                                                         Viele Aspekte der Nationen waren hinge-
                                                                                                                                        gen spezifisch, etwa der deutsch-sudeten-               Auch der Westen wandelte sich. Insbesondere
                                                                                                                                        deutsch-tschechische Konflikt oder das Verhält-       zahlreiche Migrationsbewegungen von Ost nach
                                                                                                                                        nis von Tschechen und Slowaken. Mit dem Ende          West, aber auch von West nach Ost riefen demo-
                                                                                                                                        des Ost-West-Konflikts 1989 waren zahlreiche          grafische Neustrukturierungen hervor. Die westli-
     » Skulptur „Quo Vadis“ des tschechischen Bildhauers David Černý im Garten der Deutschen Botschaft in Prag,                         Neujustierungen erforderlich – und möglich.           che Wirtschaft profitierte stark durch die „Erobe-
     Foto: Václava Kutter Bubnová                                                                                                                                                             rung“ eines neuen Marktes.
                                                                                                                                          Die Mangelwirtschaft in der DDR wird mit einer
     Elementen, ein unabhängiges Verfassungsgericht,                  Frühling“ 1968 in der CSSR – wurden niederge-                     Tabelle belegt, ein Plakat der westdeutschen Bun-      Dezidiert werden Chancen und Probleme des
     freie Meinungsäußerung und freie Medien kom-                     schlagen. Trotzdem – oder auch deshalb – wuchs                    deszentrale für Heimatdienst illustriert den Wider-   Beitritts der DDR nach Artikel 23 des bundesdeut-
     biniert mit dem Konzept der „Sozialen Markt-                     in den 1980er Jahren in beiden sozialistischen                    stand in der DDR 1953. Der schwierige Umgang          schen Grundgesetzes befragt und die Veränderun-
     wirtschaft“ führten zu innerem und äußerem                       Staaten der Unmut auf breiterer Ebene: Wie im                     mit der NS-Vergangenheit wird mit einem Text          gen des Parteisystems in Deutschland beschrie-
     Wohlstand. Aber es gab Kritik, Widerspruch und                   Westen trieb auch im Osten vor allem jüngeren                     Eugen Kogons dargestellt, der Karnevalsschlager       ben. Die Finanztransferleistungen im Rahmen des
     Protest gegen vieles, das als ungerecht, störend                 Menschen die Sorge vor einem Atomkrieg und vor                    „Wir sind die Einwohner von Trizonesien“ von 1948     „Aufbaus Ost“ werfen ebenso benannt wie die
     oder benachteiligend empfunden wurde.                            der Zerstörung der Umwelt um.                                     kontrastiert Kogons Text. Anna Seghers Erzählung      massiven Probleme der Privatisierung im Rahmen
                                                                                                                                        „Die Umsiedlerin“ aus dem Jahr 1950 ermöglicht        der Treuhandanstalt. Die Lasten im Osten waren
       Besonders die junge Generation in der BRD                        Das gesellschaftliche und kulturelle Leben zeigte               einen Blick in das Thema „Flucht und Vertrei-         ungleich verteilt: es gab „Wendeverlierer“.
     fragte nach dem Verhalten der Eltern und Großel-                 sich als sehr verschieden: Die östlichen Staaten                  bung“ in der DDR, während das Foto eines Fast-
     tern im Nationalsozialismus und verknüpfte Pro-                  stellten einen erzieherischen Anspruch auch an                    nachtsumzugs in Baden Ende der 1940er Jahre             Als vielleicht sichtbarste „Wunde“ des Zusam-
     teste mit dem Hinweis auf eine ungenügende Ent-                  die Kultur, die den „sozialistischen Menschen“ for-               die Feindschaft der Einheimischen gegenüber den       menwachsens von BRD und DDR ist die (bis heute
     nazifizierung. Seit den 1960er Jahren wurden auf                 men sollte – auch wenn alternative Kulturen nicht                 Neuankömmlingen im Westen ins Bild setzt. Das         andauernde) Gewalt gegen Fremde zu nennen, die
     vielen Gebieten bestehende Normen hinterfragt:                   gänzlich unterdrückt werden konnten. Dem Kon-                     Cover einer tschechoslowakischen Zeitschrift von      sich Anfang/Mitte der 1990er Jahre heftig entlud –
     das Straf- und Familienrecht, die Kriminalisierung               trollblick des Staates entzogen sich viele durch                  1951 deutet den sozialistischen Aufbauwillen an       in ganz Deutschland. Verantwortlich dafür waren
     von Homosexualität, die rechtliche, wirtschaftliche              einen „Rückzug ins Private“, das auch im Sozia-                   und das 1975 aufgenommene Foto der „Plastic           nationalistische und rechtsextremistische Kreise,
     und gesellschaftliche Stellung der Frauen – das                  lismus hin und wieder politisch war.                              People of the Universe“, einer Undergroundband        Szenen und Gemeinschaften, deren Aktivitäten
     sind nur einige Beispiele dafür. Auch die atomare                                                                                  in der Tschechoslowakei, thematisiert jugendliche     auch danach bedrohliche Ausmaße angenommen
     Hochrüstung auf beiden Seiten des Eisernen Vor-                   In der Bundesrepublik trat die Populärkultur ihren               Gegenbewegungen im Sozialismus ebenso wie             haben – u.a. bis hin zu den Gewalttaten des „Nati-
     hangs und die Umweltverschmutzung führte zu                      unaufhaltsamen Siegeszug an. Musik, bildende                      ein Text der ostdeutschen Musikgruppe „Renft“.        onalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), dessen
     Massenprotesten, die tief in die gesellschaftlichen              Kunst und Literatur, oft amerikanisch beeinflusst,                                                                      Wurzeln in den frühen 1990er Jahren liegen.
     und familiären Strukturen einwirkten.                            hatten sowohl kritisches Potential, als auch rein                   „Nachbarschaft nach dem Ende des Ost-West-
                                                                      kommerzielle, massenindustrielle Tendenzen.                       Konflikts“: So nennen die beiden Autoren des            Für die Entwicklung in Deutschland treffen die
       Während im Westen freie Meinungsäußerung                                                                                         sechsten und letzten Kapitels der Lehrmaterialien     Autoren eine „ambivalente Gesamtbilanz“ der
     erlaubt war, stießen Proteste im Osten auf harte                   Ausländer waren in den sozialistischen Staa-                    ihren Beitrag. Er behandelt die Zeit der Transfor-    Transformationsphase: Einerseits haben die bei-
     Reaktionen seitens des Staates: Sowohl die DDR                   ten trotz der Vertragsarbeiter seltener, insgesamt                mationsphase, die mit den Ereignissen des Jahres      den deutschen Staaten zusammengefunden, im
     als auch die Tschechoslowakei waren Repressi-                    zeigten sich diese Gesellschaften ethnisch und                    1989 und danach markiert ist. Mit der Aufnahme        Osten der Republik gibt es Freiheit, Demokratie
     onsregime. Aufständisches Verhalten gegen etab-                  kulturell viel homogener und abgeschotteter als                   von mehreren osteuropäischen Staaten in die           und Teilhabe am globalen Markt. „Andererseits
     lierte Parteipositionen der Kommunisten – wie die                ihre westlichen Pendants. Die Zuwanderung von                     Europäische Union erreichte diese Phase schließ-      war der Wandel mit hohen Kosten verbunden, mit
     Arbeiterproteste 1953 in der DDR oder der „Prager                „Gastarbeitern“ in der BRD wurde nicht von einer                  lich eine Art Abschluss. Die Autoren beschreiben      Unsicherheiten und Ängsten ... Der Osten musste

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Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung II - Tandem - Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit
fast alles Gewohnte aufgeben und einen radikalen         Fotos des 2014 eingeweihten Denkmals „Offen                       II Orte und Einrichtungen
     Neunanfang bewältigen. Der Westen dominierte           Tür – Offenes Tor“ in Hoyerswerda schaffen Raum
     auch kulturell.“                                       für die Diskussion über rechte Gewalt und den                       Jüdisches Museum Prag                               die Themen hatte, die vom Regime erlaubt waren,
                                                            Umgang mit den Gewaltexzessen gegen Ver-                                                                                sowie auf die Art und Weise ihrer Aufarbeitung.
       Die „Samtene Revolution“ in der Tschechoslo-         tragsarbeiter und Asylsuchende in den 1990er                         Das Jüdische Museum in Prag ist eines der ältes-   Auch war es dem Museumspersonal nicht mög-
     wakei führte zu deren Auflösung und einem Neu-         Jahre in der Bundesrepublik. Die Sozialpolitik                     ten jüdischen Museen in Europa und wurde 1906        lich, unabhängig fachlich und wissenschaftlich
     anfang mit zwei getrennten Staaten: der Tsche-         in der BRD wird anhand einer 2005 gehaltenen                       von dem Historiker und Hebraisten Salomon Hugo       tätig zu sein.
     chischen und der Slowakischen Republik. Von der        Rede des damaligen Bundeskanzlers Gerhard                          Lieben und dem Vertreter der tschechisch-jüdi-
     radikalen wirtschaftlichen Transformation respek-      Schröder über die von ihm verantwortete Reform                     schen Bewegung, Stadtrat August Stein, gegrün-        Erst 1994 konnte das Museum wieder seine freie
     tive der Privatisierung in Tschechien profitierten     „Hartz IV“ zur Debatte gestellt. Ein Foto der Skulp-               det. Gegenstände aus Synagogen und Gebets-           Forschung aufnehmen, nachdem die Jüdische
     einfache Bürger zunächst kaum. Außenpolitisch          tur „Quo Vadis“ des tschechischen Bildhauers                       häusern, die wegen der Sanierung des jüdischen       Gemeinde in Prag die Museumsobjekte zurück-
     folgte die Wendung zum Westen. Der staatliche          David Černý wirft Licht auf den 1990 noch unsi-                    Ghettos in Prag abgerissen wurden, bildeten die      bekommen und die Föderation der jüdischen
     Neubeginn war schwierig und kulturell gingen tra-      cheren Weg der Neuordnung nach dem Ende des                        Grundlage seiner Sammlung.                           Gemeinden in der Tschechischen Republik (FZO)
     ditionelle Werte verloren – bei allen neuen Möglich-   Ost-West-Konflikts.                                                                                                     wieder den Großteil der Museumssammlungen
     keiten. Wirtschaftlich prosperierten beide Staaten,                                                                         Nach der Errichtung des sogenannten „Protek-       vom Staat übernommen hatte. Am 1. Oktober
     die 2004 Mitglied der Europäischen Union wurden          Den Ausblick auf die Beziehungen zwischen                        torats Böhmen und Mähren“ wurde der Muse-            1994 wurde das Jüdische Museum in Prag als
     –Tschechien trat allerdings der Euro-Zone nicht        Deutschen, Tschechen und Slowaken bewerten                         umsverband im Herbst 1939 aufgelöst und die          nichtstaatliche Organisation gegründet. Damit
     bei. Die Bundesrepublik Deutschland wurde zum          die Autoren positiv: Auf der Basis einer bis dahin                 Museumssammlung von der Prager Jüdischen             begann ein neues Kapitel in seiner mehr als hun-
     wichtigsten Handelspartner beider Staaten.             nie dagewesenen gemeinsamen Wertegrundlage                         Gemeinde übernommen. Diese initiierte 1942           dertjährigen Existenz. Die Ausstellungen des Jüdi-
                                                            herrscht ein pragmatischer Umgang auf vielen                       durch den Leiter der Abteilung für ländliche         schen Museums befinden sich in vier historischen
       Selbst auf dem heiklen Thema der Vergangen-          Ebenen – geprägt von Respekt und friedlichem Dia-                  Angelegenheiten, Karel Stein, die Gründung des       Synagogen (Maisel-Synagoge, Klaus-Synagoge
     heitsbewältigung gelang nach einigen Jahren der        log. Erinnerungskultur erfordert Arbeit. Dazu hat                  sogenannten Jüdischen Zentralmuseums. Die            mit der Zeremonienhalle, Pinkas-Synagoge und
     Durchbruch hin zu einem harmonischerem Mitei-          auch die 1990 eingerichtete Deutsch-Tschechos-                     Nationalsozialisten genehmigten das Projekt,         Spanische Synagoge). Zum Besichtigungsrund-
     nander. Insbesondere die Deutsch-Tschechische          lowakische (seit 1993: Deutsch-Tschechische und                    obwohl sie völlig andere Motive hatten als die       gang gehören außerdem auch der Alte Jüdische
     Erklärung von 1997 bildet hier bis heute ein trag-     Deutsch-Slowakische) Historikerkommission ver-                     Museumsgründer. Das Jüdische Zentralmuseum           Friedhof und die Robert-Guttmann-Galerie.
     fähiges Fundament: Beide Seiten bedauerten das         sucht, ihren Teil beizutragen.                                     wurde zu einem Decknamen und einem sicheren
     dem jeweils anderen angetane Unrecht. Darüber                                                        K. Erik Franzen      Ort, in dem liturgische Gegenstände, Bücher und
     hinaus waren Entschuldigungen vorausgegangen                                                                              Archivdokumente aus den jüdischen Gemeinden
     und folgten: Václav Havel hatte sich als Staatsprä-                                                                       im Protektorat für die Nachkriegszeit aufbewahrt
     sident schon früh bei den Sudetendeutschen ent-         Bibliographische Angabe                                           werden sollten, sowie ausgewählte Gegenstände
     schuldigt, Bernd Posselt als Sprecher der Sude-         SCHULZE WESSEL, Martin/ ŘEZNÍK, Miloš/ KOVÁČ Dušan                aus dem Eigentum der Juden, die aus Prag und
     tendeutschen Landsmannschaft entschuldigte              (Hrsg.): unter Mitarbeit von Stefan Stadler): Deutsche Tsche-     Umgebung in Konzentrations- und Vernichtungs-
     sich 2002 für die Verbrechen von Nazis und Sude-        chen und Slowaken im 20. Jahrhundert. Materialien für den         lager deportiert wurden. Dank der Bemühungen
     tendeutschen, und 2005 entschuldigte sich die           Geschichtsunterricht, Frankfurt am Main 2020.                     des Kunsthistorikers und Chefkurators Josef
     tschechischen Regierung bei sudetendeutschen            Weitere Informationen                                             Polák und seiner Kollegen leistete dieses Museum
     Antifaschisten.                                         www.dt-ds-historikerkommission.de                                 hochprofessionelle Arbeit und legte die Grundlage
                                                                                                                               für seine heutige fachliche Tätigkeit.

                                                                                                                                Nach dem Krieg wurde das Museum unter
                                                                                                                               staatliche Verwaltung gestellt. Die von der wie-
                                                                                                                               der errichteten Tschechoslowakei geschaffenen
                                                                                                                               Bedingungen machten es dem Rechtsnachfolger          » Pinkas Synagoge, Jüdisches Museum Prag
                                                                                                                               aller jüdischen Gemeinden, dem Rat der jüdi-
                                                                                                                               schen Gemeinden in Böhmen und Mähren, jedoch         Kontakt
                                                                                                                               unmöglich, die Verwaltung des Museums vor dem         Jüdisches Museum Prag
                                                                                                                               kommunistischen Umsturz im Februar 1948 wirk-         U Staré školy 141/1, Josefov, 110 00 Praha 1
                                                                                                                               sam zu übernehmen.                                    Tel.:    +420 222 749 211
                                                                                                                                                                                     E-Mail: office@jewishmuseum.cz
                                                                                                                                1950 wurde das Museum mit seinen umfangrei-          Bildungs- und Kulturabteilung:
                                                                                                                               chen Sammlungen schließlich verstaatlicht. Die        education@jewishmuseum.cz
                                                                                                                               Tätigkeit des Museums war seitdem vom ideolo-         Tel.:    +420 222 749 350
                                                                                                                               gischen Druck geprägt, der großen Einfluss auf        Web:     www.jewishmuseum.cz

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