Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND

 
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METHODENHANDBUCH

RECHTSPOPULISMUS UND
   RECHTSEXTREMISMUS         1
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Inhaltsverzeichnis

    Modus – Zentrum für angewandte                                                          Vorwort											4

    Deradikalisierungsforschung gGmbH
                                                                                            Rechtspopulismus als pädagogische Herausforderung
                                                                                                 Rechtspopulismus – die „harmlose“ Vorstufe des Rechtsextremismus?		 6
    Projekt „Teach2Teach“                                                                        Die besondere Herausforderung für Lehrkräfte					8

    Alt-Moabit 73
    10555 Berlin                                                                            Teach2Teach
                                                                                                 Das Modellprojekt									10
    Tel.: 030 120 899 299                                                                        Kontexte der Seminare								11
                                                                                                 Methoden und Didaktik								12
    Email: info@modus-zad.de                                                                     Zielgruppen										14
    www.modus-zad.de                                                                             Bedarfe										14
                                                                                                 Ziele											16
    Ziel von modus|zad ist es, für ein verbessertes gesellschaftliches Reaktionsver-
    mögen (Schnelligkeit und Wirksamkeit) gegenüber neuen Entwicklungen extre-              Seminarmodule
    mistischer Szenen und Akteur*innen zu sorgen. modus|zad möchte einen Beitrag            Radikalisierung und rechtsextreme Ausdrucksformen
    dazu leisten, das Erstarken extremistischer Gruppen und den damit verbundenen                 Radikalisierung									18
    Anstieg ideologisch motivierter Gewalttaten zu verhindern.                                    Themen und Ausdrucksformen des Rechtspopulismus				           20
                                                                                                  Rechtsextreme Symbole und Codes						20
    Dabei vernetzt modus|zad Wissenschaft, Wirtschaft und andere gesellschaftliche                Rechtsextreme Musik								28
    Akteur*innen, um Innovationen für die Extremismusprävention und Deradikalisie-          Rechtsextreme Kindererziehung
    rung zu entwickeln, umfangreich zu testen und schnell zu verbreiten. Der Hand-                Aufwachsen im Rechtsextremismus						29
    lungsimpuls für die anwendungsorientierte Forschung ergibt sich aus den akuten                Unterstützung von Kindern aus rechtsextremen Elternhäusern			 30
    Herausforderungen der Präventionspraxis. Im Anschluss steht die Befähigung              Reflektieren
    verschiedenster Multiplikator*innen der Extremismusprävention mit neu entwi-                  Begegnungen mit rechtsextremen Einstellungsmustern				31
    ckelten Ansätzen und Tools im Fokus, um mit den stetigen Weiterentwicklungen                  Rechtspopulismus und -extremismus im Sozialraum				           31
    extremistischer Ideologien und Gruppen besser Schritt halten zu können.                       Ausschluss oder Akzeptanz								32
                                                                                                  Warum mit Rechten reden?								36
    modus|zad ging aus der früheren Wissenschaftsabteilung von Violence                           Das eigene Konflikt- und Kommunikationsverhalten              37
    Prevention Network e.V. hervor. Violence Prevention Network e.V. arbeitet seit          Analysieren
    2001 im Themenfeld Extremismusprävention und Deradikalisierung. Die pädago-                   Die Grenzen des Sagbaren								38
    gischen Fachkräfte beraten bundesweit politisch bzw. religiös ideologisierte Perso-           Rechtsextreme Narrative erkennen							42
    nen und deren soziales Umfeld, führen Distanzierungsprogramme in Haft durch                   Rechtspopulistische Diskursstrategien						44
    und bieten Workshops für Multiplikator*innen und Schüler*innen an. Parallel zu                Bedürfnisse hinter rechten Aussagen erkennen					48
    der praktischen Arbeit fördert Violence Prevention Network e.V. durch innovative        Handeln
    Forschungs- und Entwicklungsprojekte die Verknüpfung von Wissenschaft und                     Rechtspopulismus im Klassenzimmer						49
    Praxis. Das Projekt „Teach2Teach“ wurde von Violence Prevention Network e.V.                  Umgang mit rechtsextremen Narrativen						51
    entwickelt und zum 1. Januar 2019 auf modus|zad übertragen.                                   Mit Fakten rechtspopulistischen Äußerungen begegnen				       52
                                                                                                  Führen von Konfliktgesprächen (Variante 1)                    53
                                                                                                  Führen von Konfliktgesprächen (Variante 2)                    54
                                                                                                  Leitbilder entwickeln									56
                                                                                                  Beutelsbacher Konsens								56

                                                                                            Ausblick
                                                                                            Gesprächs- und Handlungsempfehlungen      					60
                                                                                            Hilfreiche Links und praktisches Material						61
                                                                                            Impressum											63

2                                                                                                                                                                        3
Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Vorwort

Eine feindliche Haltung gegenüber dem, was als        – Verdrossenheit Luft machen wollen. Dabei wer-         Während der Projektlaufzeit von 2017 bis 2019
fremd oder anders wahrgenommen wird, ist bei          den bewusst Grenzen übertreten. Denn Rechts-            wurden im engen Austausch mit Wissenschaft und
Weitem kein neues Phänomen, erhält jedoch seit        populist*innen suchen nicht in erster Linie einen       Praxis aktuelle Erkenntnisse über Radikalisierungs-
geraumer Zeit im Rahmen von Wahlen und gesell-        Meinungsaustausch oder eine faktenbasierte, ar-         ursachen sowie die Herausforderungen in der Ra-
schaftlichen Diskursen in Europa und den USA eine     gumentativ untermauerte Diskussion. Vielmehr            dikalisierungsprävention unter den Bedingungen
besondere Bedeutung. Die sich zunehmend pola-         nutzen sie Gesprächssituationen, um zu schocken,        der „polarisierten Gesellschaft“ benannt und fle-
risierenden gesellschaftlichen Debatten, z. B. über   zu verletzen, zu spalten, Aggressionen und Zwie-        xible und wirksame pädagogische Herangehens-
Integration und Flucht oder auch die Europäische      tracht zu schüren und vor allem das unbeteiligte        weisen zum Umgang mit rechtspopulistischen und
Union, sind Indizien für eine rapide voranschrei-     Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Die Konsequen-       rechtsextremen Einstellungen entwickelt. Diese
tende Spaltung der Gesellschaft, die von rechtsex-    zen dessen halten bereits deutlich spürbar in das       wurden in realen Seminarkontexten getestet und
tremen Akteur*innen gezielt genutzt und instru-       alltägliche Miteinander Einzug. Dialog wird durch       evaluiert. In Zusammenarbeit mit Fachschulen der
mentalisiert werden, um Ideologien der Abwertung      Konfrontation ersetzt, die Verachtung des vermeint-     Erzieher*innenausbildung, Schulpraktischen Semi-
und Ungleichheit in der „Mitte der Gesellschaft“ zu   lich „Anderen“ wird zur Norm.                           naren für Referendar*innen, Weiterbildungsstät-
implementieren. Ein Teil dieser „Mitte“ sieht sich                                                            ten für Lehrkräfte sowie Kollegien von Schulen und
selbst als „das wahre Volk“ und übernimmt zuneh-      Für Menschen, die pädagogische Verantwortung für        Kitas entstand so ein variables, auf die jeweiligen
mend und zumeist unreflektiert rechtsextremes         Kinder und Jugendliche tragen oder zukünftig tra-       Zielgruppen und Themen anpassungsfähiges Semi-
Vokabular zentraler Akteur*innen der sogenannten      gen werden, ist diese Herausforderung besonders         narkonzept für pädagogisches Personal in der Aus-,
Neuen Rechten wie „Volksverräter“, „Lügenpresse“,     unmittelbar. Lehrkräfte, Erzieher*innen und ande-       Fort- und Weiterbildung.
„der große Austausch“ oder „System-“ bzw. „Altpar-    re pädagogisch Tätige sind hinsichtlich des durch El-
teien“.                                               tern, Kolleg*innen, Kinder und Jugendliche auch sie     Die während des Projektes durchgeführte Bedarfs-
                                                      massiv betreffenden Phänomens oft überfordert,          analyse zeigte, dass viele pädagogische Einrichtun-
Vorrangig mit dem Ziel einer Polarisierung, Aufwie-   denn ihnen fehlt nicht nur das Hintergrundwissen,       gen ihr Personal gerne kontinuierlich im Phänomen-
gelung und schließlich Entsolidarisierung unserer     sondern in erster Linie konkretes Handwerkszeug         bereich Rechtspopulismus und Rechtsextremismus
offenen und vielfältigen Gesellschaft verbreiten      wie Handlungs- und Diskurstrategien, um rechts-         weiterbilden und es in ihrem professionellen Um-
auch rechtspopulistische Politiker*innen mit Hilfe    populistischen Argumentationsweisen effektiv be-        gang mit menschen- und demokratieverachtenden
von Falschnachrichten und Verschwörungstheorien       gegnen zu können.                                       Haltungen stärken möchten. Bislang fehlte jedoch
menschenverachtende und demokratiefeindliche                                                                  die Möglichkeit, solche Fortbildungen eigenständig
Inhalte in den sozialen Netzwerken. Hierbei ist ein   Die beschriebenen Entwicklungen und Heraus-             in den jeweiligen Arbeitskontext einzubetten. Das
deutlicher Zusammenhang zwischen den Botschaf-        forderungen sind die Anknüpfungspunkte des              vorliegende Methodenhandbuch fasst die erprob-
ten und Zielen rechtspopulistischer und rechtsex-     Modellprojektes „Teach2Teach – Fortbildung und          ten Seminarmodule zu unterschiedlichen Themen-
tremer Parteien und Bewegungen und dem offen          Qualifizierung für Fachkräfte im Bereich der Radi-      schwerpunkten einschließlich der zu ihrer Durch-
kommunizierten Hass on- wie offline erkennbar.        kalisierungsprävention“ im Programm „Demokratie         führung nötigen Materialien zusammen und gibt
                                                      leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Se-         engagierten Pädagog*innen damit konkrete Impul-
Populistische Kommunikationsstrategien, wie zir-      nioren, Frauen und Jugend. Die zentrale Frage des       se für eine Umsetzung von eigenen Fortbildungs-
kuläre Argumentationen, die Verbreitung von Ver-      Projekts war, wie pädagogische Multiplikator*innen      veranstaltungen im Kollegium. Alle Inhalte können
schwörungsideologien und die Betonung einer Dif-      im beruflichen Alltag mit Aussagen und Handlun-         den jeweiligen Kontexten des Berufsalltags ange-
ferenz zwischen dem vorgeblich betrogenen Volk        gen umgehen können, die Elemente Gruppenbe-             passt und thematisch verändert werden. Auf diese
„hier unten“ und einer als bösartig wahrgenomme-      zogener Menschenfeindlichkeit aufweisen und von         Weise sollen möglichst viele pädagogische Multipli-
nen Elite „da oben“, sind elementare Bestandteile     weiten Teilen der Gesellschaft kaum noch als rechts     kator*innen erreicht werden, um eine dringend ge-
sowohl rechtspopulistischer wie auch rechtsextre-     oder gar rechtsextrem identifiziert und so zuneh-       botene Auseinandersetzung mit den unterschied-
mer Argumentation.                                    mend als „normal“ angesehen werden.                     lichen rechtspopulistischen und rechtsextremen
                                                                                                              Ausdrucksformen voranzutreiben.
Bisherige gesellschaftliche Tabus werden bewusst      Es gilt auch noch in der Zukunft, weitere Lösungen
überschritten und mehrheitsfähige Werte grund-        für diese Herausforderungen zu finden und (zu-
sätzlich missachtet. Dies dient einerseits der Pro-   künftige) pädagogische Multiplikator*innen im di-
vokation und der damit möglichen Themensetzung        rekten Umgang mit Menschen, die rechtspopulis-
im Rahmen öffentlicher Diskurse, andererseits         tische oder rechtsextreme Argumentationsmuster
wird so die Hemmschwelle für all jene gesenkt, die    aufweisen, zu stärken.
ihrer – oftmals sehr unterschiedlich begründeten

4                                                                                                                                                                   5
Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Rechtspopulismus als pädagogische Herausforderung                                                                                              1 & 2: Andreas Zick/Beate Küpper/Wilhelm Berghan: Verlorene Mitte – Feindselige Zustände.
                                                                                                                                            Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Berlin 2019

Rechtspopulismus – die „harmlose“
Vorstufe des Rechtsextremismus?

Nicht zuletzt durch den Aufschwung rechtspopu-          Der Rechtspopulismus schwächt in einem schlei-            Vereinfacht gesagt rangiert der Rechtspopulismus          In der pädagogischen Arbeit kommt es darauf an,
listischer Parteien in vielen Staaten Europas ver-      chenden Prozess die Demokratie, indem er Miss-            in der Grauzone zwischen demokratisch-konser-             die unterschiedlichen Ausprägungen rechtspopu-
breitet sich rechtsextremes Gedankengut wieder          trauen gegen die bestehenden Parteien („Altpartei-        vativen („klassisch“ rechten) und rechtsextremis-         listischer und rechtsextremer Einstellungsmuster
zunehmend in der sogenannten Mitte der Gesell-          en“, „Systemparteien“) schürt, gegen Vielfalt und die     tischen Einstellungen, wobei er sich an beiden            zu kennen und Aussagen entsprechend einordnen
schaft. Auch in Deutschland konnte sich mittler-        grundsätzliche Gleichwertigkeit von Menschen agi-         angrenzenden Lagern gerne thematisch und me-              und differenzieren zu können. Anstatt durch Labels
weile eine rechtspopulistische Partei etablieren. Die   tiert und einen „natürlichen“ Nationalismus vertritt.     thodisch bedient. Die Grenzen zwischen legitimer          wie „die Rechten“, „die Nazis“ oder „die Rassisten“
Auswirkungen sind deutlich spürbar: Jede fünfte         Hierbei preist er sich selbst als einzige Kraft an, die   Meinungsäußerung im demokratischen Diskurs                Türen zu verschließen und einen Austausch von
Person (21 Prozent) neigt deutlich zu rechtspopu-       in der Lage ist, die bestehenden gesellschaftlichen       und extremistischen Einstellungsmustern schei-            Argumenten im Keim zu ersticken, sollten Multipli-
listischen Einstellungen, bei weiteren 42 Prozent       und politischen Probleme zu lösen.                        nen hier zu verschwimmen bzw. aus taktischen              kator*innen in der Lage sein, zielführende Gesprä-
lässt sich zumindest eine Tendenz dazu feststellen.                                                               Gründen flexibel verschoben zu werden. So sind            che zu führen, indem sie Inhalte effektiv aufgreifen
Rechtspopulistische Einstellungen verfestigen sich      Während Rechtsextremismus eine geschlossene               auch deutliche Schnittmengen zwischen den Phä-            und dahinterstehende Emotionen erfragen. Hierbei
zunehmend und sind in der Mitte der Gesellschaft        Ideologie ist, kann man Rechtspopulismus eher als         nomenen Rechtsextremismus und Rechtspopulis-              spielt auch die eigene Haltung zu Demokratie und
„normaler“ geworden. 1                                  eine politisch-exkludierende Strategie verstehen,         mus erkennbar. Dazu gehört die Gruppenbezoge-             Menschenwürde eine zentrale Rolle. So stehen pä-
                                                        zu deren Methoden Provokationen, inszenierte              ne Menschenfeindlichkeit, einhergehend mit einer          dagogische Multiplikator*innen vor der großen He-
Wann jedoch hört Rechtspopulismus auf und fängt         Tabu-Brüche, ein Einfordern radikaler Lösungen,           Ideologie der Ungleichwertigkeit (Rassismus, Anti-        rausforderung, auch ihre eigenen persönlichen Ein-
Rechtsextremismus an?                                   „subtile“ Drohungen, Elitenschelte und das Schüren        semitismus, Muslim*innenfeindlichkeit, Sexismus,          stellungen zu den zentralen Themen und Strategien
                                                        von Unsicherheit und Angst u. a. durch die Verbrei-       Homophobie), das Sympathisieren mit autoritären           des Rechtspopulismus zu reflektieren und in ihrer
Während der „klassische“ Rechtsextremismus in           tung von Fake News und Verschwörungstheorien              bzw. diktatorischen Regimen und die Befürwortung          Vorbildfunktion sichtbar zu machen.
erster Linie einen aggressiven Nationalismus ver-       gehören.                                                  ähnlicher politischer Strukturen in Deutschland.
folgt, der auf einem völkischen, rassistischen Den-
ken basiert, oftmals den Nationalsozialismus ver-       Durch die moderne und stellenweise salonfähige            So eindeutig lässt sich der Rechtspopulismus jedoch
herrlicht und den Holocaust leugnet sowie Gewalt        Themenfindung und Ausdrucksweise sind rechts-             nur in der Theorie vom Rechtsextremismus trennen.
als legitimes politisches Mittel propagiert, wobei er   populistische Einstellungen deutlich weiterver-           In der Praxis verschwimmen die Übergänge, deut-
die Demokratie und das Parteiensystem deutlich          breitet als rechtsextreme. So sagen 59 Prozent der        liche Abgrenzungen sind oftmals schwierig. Häufig
ablehnt, kommt der Rechtspopulismus scheinbar           Bevölkerung, dass sie der Demokratie misstrauen           trägt der Rechtsextremismus einen vermeintlich
„sanfter“ daher.                                        und 62 Prozent äußern den Wunsch nach einem               harmlosen rechtspopulistischen „Deckmantel“, der
                                                        Law-and-Order-Autoritarismus. 2                           es ihm ermöglicht, sich unbemerkt als zu akzeptie-
                                                                                                                  render Teil des demokratischen Spektrums in der
                                                                                                                  Mitte der Gesellschaft zu verankern.

    Rechtspopulismus und Rechtsextremismus – Was ist der Unterschied?

Rechtspopulismus:                                                                                                 Rechtsextremismus:
Politische Strategie, um rechtsextreme Ideologieinhalte in der                                                    Ideologie/Weltanschauung mit folgenden „sechs Dimensionen“ (nach Oliver Decker/Elmar
Mitte der Gesellschaft zu verankern:                                                                              Brähler (Hg.): Flucht ins Autoritäre. Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft.
                                                                                                                  Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2018):
       •      Elitenschelte                              • Schaffen von Feindbildern
       •      Provokationen                              • Glorifizierung der Vergangenheit                              •      Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur
       •      Tabu-Brüche                                • Ausspielen „des Volkes“ gegen                                 •      Chauvinismus (Überlegenheitshaltung)
       •      Schüren von Ängsten                       		Minderheiten                                                   •      Ausländerfeindlichkeit
              (auch mithilfe von Fake News               • Selbstinszenierung als Opfer                                  •      Antisemitismus
              und Verschwörungstheorien)                 • Vereinfachung von Sachverhalten                               •      Sozialdarwinismus (Recht des Stärkeren)
       •      Verbreitung von Medienskepsis              • Bedrohung                                                     •      Verharmlosung des Nationalsozialismus

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Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Rechtspopulismus als pädagogische Herausforderung                                                                                                    3: Andreas Zick/Beate Küpper/Wilhelm Berghan: Verlorene Mitte – Feindselige Zustände.
                                                                                                                                              Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Berlin 2019

Die besondere Herausforderung                                                                                                      4: Mathias Albert/Klaus Hurrelmann/Gudrun Quenzel/Ulrich Schneekloth/Ingo Leven/Hilde Utzmann/Sabine
                                                                                                                                           Wolfert: Jugend 2019 – 18. Shell Jugendstudie. Eine Generation meldet sich zu Wort. Weinheim 2019
für Lehrkräfte

„Komm mir nicht mit der Lügenpresse, der glaube ich      Bruchstücke“ übernommen, ohne dass von tiefen            Das Wissen um aktuelle Trends, Phänomene und                      Was beinhaltet der
kein Wort. Ist doch eh alles gesteuert.“                 bzw. umfassenden rechtsextremistischen Einstel-          Narrative rechtsextremistischer Akteur*innen – von
„1000 Euro Begrüßungsgeld, immer das neueste             lungen die Rede sein muss.                               Demonstrationen, Rockfestivals und Kampfsport-                    „Beutelsbacher Konsens“?
iPhone und nur die teuersten Klamotten.“                                                                          events über völkische Öko-Siedler auf dem Lande
„Der große Bevölkerungsaustausch ist doch im vollen      Lehrkräfte verspüren dementsprechend einen               bis hin zu intellektuellen Zirkeln – ist ebenso grund-            Der „Beutelsbacher Konsens“ formuliert
Gange. In 20 Jahren gibt’s keine Deutschen mehr.“        großen Bedarf an zuverlässigen thematischen In-          legend wie das Verständnis für die Funktionsweisen                einen in vielen Ländern gültigen Standard
„Von wegen ‚Politische Bildung‘ in der Schule.           formationen. Zudem ist der Wunsch nach Hand-             sozialer Medien, über die rechtsextreme Ideologien                der politischen Bildung vor allem in Schu-
Indoktrination nenne ich das.“                           lungssicherheit, nicht nur im Umgang mit rechtsex-       bis in die Mitte der Gesellschaft und damit auch in               len. Seine Grundprinzipien sind das Über-
„Wir haben schon lange keine Demokratie mehr. Die        tremen Schüler*innen, sondern auch im Umgang             die Klassenzimmer verbreitet werden können.                       wältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot,
da oben machen doch eh nur das, was sie wollen.“         mit rechtspopulistischen Äußerungen innerhalb                                                                              das Kontroversitätsgebot und die Schü-
„Wenn wir an der Macht sind, habt ihr hier nichts mehr   des Kollegiums, sehr groß.                               Besonders herausgefordert und auch bedroht se-
                                                                                                                                                                                    ler*innenorientierung. Das Wertefunda-
zu lachen.“                                                                                                       hen sich Lehrkräfte und Schulleitungen beim Auf-
                                                         Rechtsextreme Akteur*innen suchen vermehrt Zu-           greifen der Thematik durch das aggressive Auftreten
                                                                                                                                                                                    ment bildet die freiheitlich-demokratische
Lehrkräfte stehen zunehmend vor der großen Her-          gänge über augenscheinlich „unpolitische“ Gruppen        rechtspopulistischer Parteien, die versuchen, eine                Grundordnung (Demokratie, Menschen-
ausforderung, auf menschen- und demokratiefeind-         und Lifestylethemen, wie Umwelt- oder Tierschutz,        kritische Auseinandersetzung zu unterbinden und                   würde und Gleichberechtigung), die in der
liche Aussagen im Klassenzimmer, in Elterngesprä-        Ernährung, Esoterik, Comedy und Mainstreammu-            Diskurse zu verschieben. So wurden u. a. Online-                  Bildungsarbeit vermittelt werden soll.
chen oder im Kollegium zu reagieren. Ideologien          sik. So kann rechtsextremes Gedankengut auf eine         meldeportale für Lehrkräfte eingerichtet, in denen
der Ungleichwertigkeit, wie sie extremistischen          sehr subtile Art verbreitet werden, was ein leichtes     Schüler*innen vermeintliche Verstöße gegen den                    Das Indoktrinationsverbot beinhaltet den
Weltanschauungen inhärent sind, und damit ein-           „Andocken“ vor allem bei jungen Menschen aus der         „Beutelsbacher Konsens“ durch einzelne Lehrkräfte                 pädagogischen Vorsatz, Schüler*innen bei
hergehende Diskriminierungen von Minderheiten,           Mitte der Gesellschaft ermöglicht. Die Suche nach        melden sollen. Die hieraus entstehende Angst und                  ihrer Entwicklung zu selbstbestimmten
gefährden nicht nur den Zusammenhalt in unserer          einem erfüllten Leben in Gemeinschaft und die Lie-       auch Unsicherheit für Lehrkräfte, ob sie überhaupt                Bürger*innen in einer demokratischen Ge-
Gesellschaft, sondern speziell auch den Frieden im       be zur Natur werden damit zu einer unbewussten           über rechtspopulistische Parteien aufklären und                   sellschaft zu unterstützen. Dabei sollen sie
Sozialraum Schule. Sie stehen in einem diametra-         ideologischen Schnittstelle. Die Szene wird vielfälti-   diese konkret benennen dürfen, sorgt oftmals für
                                                                                                                                                                                    lernen, eigene Urteile über politische The-
len Gegensatz zu dem, was Schule eigentlich sein         ger, das Bild diffuser. Auch der jüngst in der Studie    eine Ausklammerung der Themen Rechtspopulis-
sollte: ein demokratischer und offener Ort, an dem       „Verlorene Mitte – Feindselige Zustände“ der Fried-      mus und rechtsextreme und -populistische Partei-
                                                                                                                                                                                    men zu fällen. In der Gesellschaft geführ-
alle Menschen – unabhängig der Herkunft, Religion,       rich-Ebert-Stiftung sowie der Shell Jugendstudie         en im schulischen Kontext.                                        te Diskurse sollen gemäß dem zweiten
Hautfarbe, sexuellen Orientierung etc. – Bildung er-     2019 4 festgestellte hohe Prozentsatz von Perso-                                                                           Grundsatz des „Beutelsbacher Konsenses“
fahren, ihre Persönlichkeit entwickeln und Grund-        nen, die an Verschwörungstheorien glauben, deu-          Eine theoretische Fundierung, also das Wissen über                möglichst facettenreich und überpartei-
lagen für eine berufliche Zukunft legen.                 tet darauf hin, dass klassisch rechtsextreme Ein-        Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und rechtli-                  lich im Unterricht dargestellt werden.
Viele Lehrkräfte fühlen sich überfordert von einer       stellungen und Argumentationsweisen zunehmend            che Rahmenbedingungen allein, reicht jedoch nicht                 Überparteilich heißt dabei jedoch nicht
zunehmenden Verrohung der Sprache, steigender            mit denen der sogenannten Mitte verschwimmen.            aus. Denn das Ziel rechtspopulistischer Äußerun-                  wertneutral. Wenn also politische Parteien
Aggression und Gewaltbereitschaft, menschen-                                                                      gen ist in erster Linie die Provokation des Gegen-                Antisemit*innen und Faschist*innen in
feindlichen Haltungen und rechtspopulistischen Äu-       Ab wann eine Radikalisierung beginnt und eine pä-        übers und der Applaus und die Zustimmung der                      ihren Reihen akzeptieren und Vernetzun-
ßerungen ihrer Schüler*innen. Demokratiegefähr-          dagogische Intervention angeraten ist, ist für pä-       unbeteiligten Masse. Ein reiner Widerspruch mit                   gen zu rechtsextremen Gruppierungen
dende rechtsextreme Einstellungen werden dabei           dagogische Multiplikator*innen sehr schwer zu be-        Benennung von Fakten und Verwendung von stich-
                                                                                                                                                                                    aufweisen, so darf, kann und muss dieses
von Schüler*innen aus allen Gesellschaftsschichten       urteilen. Für sie erwächst aus der beschriebenen         haltigen Argumenten sind aus diesem Grunde oft-
getragen; sie sind keineswegs, wie häufig angenom-       Entwicklung eine große Verantwortung. Denn kei-          mals wenig zielführend.
                                                                                                                                                                                    sogar im politischen Unterricht kritisch be-
men, in erster Linie bei ökonomischen „Verlierern“       neswegs kann immer von einem beginnenden Ra-                                                                               leuchtet werden. Dabei sollten nach dem
anzutreffen, sondern werden auch von Kindern aus         dikalisierungsprozess die Rede sein, wenn sich die       Wichtig ist es darum gerade für Multiplikator*innen               dritten Grundsatz Themenbeispiele aus
„bürgerlichen“ Elternhäusern gepflegt. Damit spie-       sekundäre Zielgruppe gleichlautender Argumen-            wie Lehrkräfte, die täglich vor und in Gruppen agie-              der Lebenswirklichkeit der Schüler*innen
geln die Schüler*innen den Zustand unserer Gesell-       tations- und Verhaltensweisen wie Rechtsextre-           ren, nicht nur praktisches Handwerkszeug zu erler-                gewählt werden.
schaft wider, die durch gezielte Desinformation und      mist*innen bedienen. Multiplikator*innen müssen          nen, wie in konkreten Situationen reagiert werden
Meinungsmanipulation gegen einzelne Gruppen              also in der Lage sein, die Hintergründe und Zusam-       kann – dazu gehören Diskurs- und Konfliktlösungs-                 Auf Seite 54 finden Sie eine Übung, die die
und staatliche Institutionen durch rechtspopulisti-      menhänge menschenfeindlicher, verschwörungs-             strategien ebenso wie konkrete Argumentations-                    aktuelle Bedeutung des „Beutelsbacher
sche und rechtsextreme Akteur*innen aufgewiegelt         theoretischer und/oder demokratiefeindlicher Aus-        und Unterrichtshilfen –, sondern auch ihre eigenen                Konsenses“ thematisiert.
wird und in weiten Teilen ihrer eigentlichen Mitte       sagen zu erkennen, diese einzuordnen, zielführend        Einstellungen zu reflektieren und eine sichere Hal-
„feindselige Zustände“ 3 entwickelt. Dabei werden        auf diese zu reagieren und eine eigene Haltung zur       tung zu entwickeln.
von Individuen und Gruppen „ideologische                 Thematik zu entwickeln. Hierfür braucht es drin-
                                                         gend fachliche Begleitung und Unterstützung.

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Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Teach2Teach                                                                                                  Teach2Teach

Das Modellprojekt                                                                                            Kontexte der Seminare

Im Rahmen des Modellprojektes „Teach2Teach –            Das Projektteam entwickelte, basierend auf den Er-   Die entwickelten Seminarmodule dienten im Testing
Fortbildung und Qualifizierung für Fachkräfte im        gebnissen des fortlaufenden Expert*innenaustau-      zumeist als einzelne Bausteine innerhalb eines jeweils
Bereich der Radikalisierungsprävention“ entwickel-      sches, Seminarmodule, die den unterschiedlichen      gesetzten Programms von Einrichtungen der Aus-,
te ein interdisziplinäres Team zwischen 2017 und        (sozial-)räumlichen Bedingungen gerecht werden,      Weiter- und Fortbildung pädagogischen Personals.
2019 pädagogische Konzepte zum Umgang mit Er-           unter denen Pädagog*innen im Rahmen ihres Ar-
scheinungsformen, die speziell im Kontext des soge-     beitsalltages mit rechtspopulistischen und rechts-   Im Rahmen von Ausbildungscurricula sind die The-
nannten Rechtspopulismus auftreten und Brücken-         extremen Narrativen und Einstellungsmustern kon-     men „Rechtsextremismus/Rechtspopulismus“ oder
funktionen zu rechtsextremen Einstellungsmustern        frontiert werden. Inhalte und Methoden wurden        „Radikalisierung“ selten als gesonderte Punkte ver-
einnehmen. Das Projekt widmete sich einer bisher        nach einer Analyse der jeweiligen professionellen    ankert, sondern tauchen eher als Teilelement von
von der Extremismusprävention vernachlässigten,         Rahmenbedingungen und Herausforderungen ziel-        „Gewaltprävention“ oder als Baustein der „Politischen
nicht zwingend strafrechtlich relevanten Grauzone       gruppenspezifisch konzipiert und anschließend        Bildung“ auf. Aus diesem Grunde lag der Anfrage der
im gesellschaftlichen Diskurs, in welche menschen-      praktisch getestet. Hierfür wurden Kooperatio-       Auftraggeber*innen häufig ein eher allgemeines, er-
verachtende und demokratiefeindliche Grundhal-          nen mit Fachschulen für die Ausbildung von Erzie-    gänzendes, allerdings kein spezifisches Interesse zu-
tungen jedoch offenbar bereits Einzug gehalten ha-      her*innen, Schulpraktischen Seminaren für Refe-      grunde.
ben.                                                    rendar*innen, Trägern der Jugendhilfe, Weiter- und
                                                        Fortbildungsinstituten für Lehrkräfte sowie Kitas    Die in die Rahmenbedingungen der Einrichtungen
Inhalt des Projekts „Teach2Teach“ war es, Bedarfe       geschlossen.                                         eingebetteten Seminare fügten sich in die zeitlichen
pädagogischer Multiplikator*innen im Themenfeld                                                              und inhaltlichen Möglichkeiten der Institutionen bzw.
zu erheben, sie mit wissenschaftlichen Erkenntnis-      Der Zeitumfang der getesteten Seminare beweg-        die fertigen Ausbildungslehrpläne ein. Die Teilneh-
sen abzugleichen und hieraus Seminarbausteine           te sich von drei Stunden bis zu zwei Tagen, wobei    menden befanden sich zumeist in einem „Zwangs-
zum Radikalisierungspotential im Rechtspopulis-         sich die Seminare in ihrer Themen- und Methoden-     kontext“, d. h. sie besuchten das Seminar nicht aus
mus für unterschiedliche Gruppen von pädago-            setzung an den Voraussetzungen der jeweiligen Ein-   einer intrinsischen Motivation heraus. Der zeitliche
gischen Multiplikator*innen zu entwickeln. Diese        richtungen orientierten. Insgesamt konnten zwölf     Rahmen, örtliche Begebenheiten, Themenfelder und
sollen gleichermaßen Wissen und Handlungsorien-         Seminare mit insgesamt rund 175 Teilnehmenden        angedachte Ziele wurden von den Einrichtungen vor-
tierung für den beruflichen Alltag übermitteln und      getestet werden. An den sechs Expert*innenmee-       gegeben. Die Seminare fanden also unter „Realbedin-
Hintergründe und Zusammenhänge erörtern, die            tings nahmen etwa 50 Expert*innen aus Wissen-        gungen“ statt, die oft Zeitknappheit, beengte Räume,
zur Beurteilung des gesellschaftlichen Kontextes, in    schaft und Praxis teil.                              demotivierte Seminarteilnehmende oder eine sehr
dem sich antidemokratische Strömungen und Ideo-                                                              hohe Anzahl an Teilnehmenden mit sich brachten. In
logien der Ungleichheit entwickeln können, von Be-      Die Ergebnisse der Seminarerprobungen flossen        der Regel gab die Institution einen Rahmen von einem
deutung sind.                                           unmittelbar in die Weiterentwicklung der Seminar-    Seminartag mit sechs bis maximal acht Zeitstunden in
                                                        module und Konzepte ein, so dass in einem kon-       ihren Räumlichkeiten vor. Oft umfasste die Anzahl der
Im Rahmen regelmäßiger Expert*innenmeetings             tinuierlichen Wissenschaft-Praxis-Austausch eine     Teilnehmenden bis zu 30 Personen.
tauschten sich erfahrene Fachkräfte aus Wissen-         Reihe von modular aufgebauten Seminarkonzep-
schaft und Praxis über aktuelle Erkenntnisse und        ten mit unterschiedlichen Inhalten und Methoden      Angestrebt war es, die konzipierten Seminare im Rah-
Methoden, beispielsweise zum Umgang mit Ver-            für verschiedene Zielgruppen erarbeitet wurden.      men einer mehrtägigen Reihe mit kleinen Gruppen
schwörungsdenken oder den Funktionsweisen und                                                                von bis zu maximal zwölf Personen nach einer Drei-
Effekten von Internetpropaganda in unterschiedli-       Eine Auswahl der erprobten Seminarmodule wer-        Kompetenz-Bausteine-Methodik durchzuführen:
chen Sozialräumen, aus. Ziel dieser Konzeptwerk-        den in diesem Methodenhandbuch vorgestellt,
stätten war es, Ansatzpunkte zur Qualifizierung         um sie für möglichst viele pädagogische Multipli-    1. Wissensvermittlung und Sensibilisierung
bisher unzureichend gestärkter Multiplikator*in-        kator*innen nutzbar zu machen. Die thematische       2. Entwicklung einer demokratischen
nen im Erziehungswesen, im Bildungssystem und           Gliederung der Übungseinheiten und Bereitstellung       und vorurteilsbewussten Haltung
in der Kinder- und Jugendhilfe zu identifizieren. Als   umfangreicher Materialien ermöglichen Multiplika-    3. Training von Handlungssicherheit in
Zielgruppe wurden Erzieher*innen, Lehrkräfte und        tor*innen mit relativ wenig Aufwand die Durchfüh-       Konfliktsituationen
Sozialpädagog*innen in der Aus-, Weiter- und Fort-      rung eigener Seminare in ihren Einrichtungen.
bildung ausgemacht.                                                                                          Entsprechend der Bedürfnisse der Teilnehmenden
                                                                                                             sowie der Einrichtungsleitung bestand ein Seminartag
                                                                                                             jedoch zumeist nur aus den zwei Kompetenzbaustei-
                                                                                                             nen Wissensvermittlung und Sensibilisierung sowie
                                                                                                             dem Training von Handlungssicherheit in Konfliktsitu-
                                                                                                             ationen.
10                                                                                                                                                                    11
Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Teach2Teach

Methoden und Didaktik

Die Grundlage für die Entwicklung der Fortbildungs-   Ziel war es, in einem aktiven Praxis-Theorie-Aus-       Die Übungen wurden methodisch divers, interaktiv       Wissensvermittelnde Teile wechselten sich stets
module bildeten Erkenntnisse aus den Expert*in-       tausch Herausforderungen und Bedarfe von Multipli-      und partizipativ gestaltet (z. B. Kleingruppenarbei-   mit erfahrungsorientierten, selbstreflektierenden
nenmeetings, in welchen sich erfahrene Fachkräfte     kator*innen sowie Ansatzpunkte für erfolgsverspre-      ten zu rechtsextremen Feindbildern, Diskussionen       oder dialogischen ab, so dass theoretische Inputs
über aktuelle Erkenntnisse über Erscheinungsfor-      chende Qualifizierungsmaßnahmen zu identifizieren.      im Plenum zu demokratischen Leitbildern von Bil-       unmittelbar in einen Praxiskontext gesetzt werden
men des Rechtspopulismus und Methoden im Um-                                                                  dungseinrichtungen, Rollenspiele zum Trainieren        konnten.
gang mit menschen- und demokratiefeindlichen          Ausgehend von den Impulsen der Expert*innenmee-         von Konfliktgesprächen, Theaterpädagogik zum
Aussagen und Handlungen austauschten. Themen          tings folgte in Testing- und Evaluationsphasen die      Bewusstwerden über die Attraktivität von rechts-       Die Seminare befähigten die Teilnehmenden dazu,
waren u. a. Phänomene, die sowohl für den Rechts-     praktische Umsetzung neuer pädagogischer Lösungs-       extremen Weltbildern, Analyse von rechtsextremen       rechtspopulistischen und/oder rechtsextremis-
populismus als auch für den Rechtsextremismus         strategien im Umgang mit Rechtspopulismus im Rah-       Musikvideos etc.) und orientierten sich unmittel-      tischen Aussagen und Handlungen von (jungen)
wichtige funktionale Elemente bilden, wie z. B. die   men von Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnah-        bar an den Herausforderungen im Umgang mit der         Menschen, deren Eltern und im Kollegium selbst-
strategische Nutzung der sozialen Medien, die Rolle   men für pädagogisches Personal.                         sekundären Zielgruppe (Kinder, Schüler*innen, El-      bewusster und zielorientierter zu begegnen. Ziel
von Verschwörungstheorien und Falschnachrich-                                                                 tern, Kollegium). Reine Wissensinputs wurden ein-      war es, einen Grundstein dafür zu legen, dass Er-
ten, (national-)chauvinistische Einstellungsmuster,   Allen durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen lag          geschränkt, um eine Spannungskurve und somit           zieher*innen, Lehrkräfte und Sozialarbeitende am
Abwertung von „Fremdheit“ usw.                        ein starker Praxisbezug zugrunde, d. h. viele der In-   die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden möglichst         Ende des Seminars in der Lage sind, die Grundla-
                                                      halte knüpften unmittelbar am Lebensweltbezug der       lange aufrechtzuerhalten. Eine gute „Rhythmisie-       gen demokratischen Zusammenlebens in ihren
Die Expert*innenmeetings basierten methodisch         Teilnehmenden (beispielsweise in der Kita oder Schu-    rung“ der Inhalte, abgestimmt auf die Bedarfe der      Bildungseinrichtungen zu vermitteln, zugleich auf
auf dem Ansatz des Design Thinking.                   le) an. Der Praxisbezug garantierte einen unmittelba-   Zielgruppe, war hierbei sehr hilfreich.                Herausforderungen und Gefahren für den demo-
                                                      ren Nutzen für den Berufsalltag und seine aktuellen                                                            kratischen Diskurs aufmerksam zu machen und
                                                      Herausforderungen.                                                                                             nicht zuletzt auch Schüler*innen oder Eltern dafür
                                                                                                                                                                     zu sensibilisieren.

                                                                                                                                                                     Doch nicht nur der Blick auf die Hintergründe von
                                                                                                                                                                     Äußerungen des Gegenübers sind wichtig, sondern
                                                                                                                                                                     auch die Selbstreflexion. So sollte immer auch hin-
Design Thinking                                                                                                                                                      terfragt werden, welche Informationsquelle hinter
                                                                                                                                                                     geäußerten Behauptungen steckt, d. h. in welchem
                                                                                                                                                                     Kontext etwas gesagt wurde bzw. durch welches
Methode zur Entwicklung neuer Ideen und
                                                                                                                                                                     Medium dies aufgegriffen und verbreitet wurde.
Lösungen von Problemen. Ziel ist es,                                                                                                                                 Meinungen oder Beobachtungen müssen zuneh-
durch eine gemeinsam formulierte Zielstel-                                                                                                                           mend kontextualisiert werden, da immer seltener
lung innovative, attraktive und realisierba-                                                                                                                         zwischen tatsächlich Erlebtem und medial Erfahre-
re Ansätze zu entwickeln.                                                                                                                                            nem, belegbaren Tatsachen und gefühlten Wahr-
                                                                                                                                                                     heiten oder „alternativen Fakten“ differenziert wird.
Die Zielformulierungen sollen
hierbei die drei Komponenten Machbar-                                                                                                                                Durch Fragen wie „Woher stammt deine Informa-
keit, Tragfähigkeit und Erwünschtheit                                                                                                                                tion?“, „Wie kommst du zu deiner Meinung?“ oder
enthalten.                                                                                                                                                           „Wo hast du selbst diese Erfahrung gemacht?“ kann
                                                                                                                                                                     dem Ursprung von Sichtweisen auf den Grund ge-
                                                                                                                                                                     gangen werden. So können Aussagen leichter ein-
                                                                                                                                                                     geordnet und im Kontext nachvollzogen werden.
                                                                                                                                                                     Prozesse der Selbst- und Fremdreflexion, also das
                                                                                                                                                                     Erkennen und Wahrnehmen eigener Sichtweisen
                                                                                                                                                                     und die der Anderen, sollten die Basis eines jegli-
                                                                                                                                                                     chen Verständigungsprozesses als Ausgangspunkt
                                                                                                                                                                     für weitere Interaktionen darstellen und waren ele-
                                                                                                                                                                     mentare Bestandteile der Seminare.

12                                                                                                                                                                                                                     13
Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Teach2Teach                                               Teach2Teach

Zielgruppen                                               Bedarfe

Für die Extremismusprävention sind in erster Linie Kin-   Wichtiger     Bestandteil     des   Modellprojektes      Im Fokus sollten laut der Teilnehmenden konkrete        Als wichtig wurde zudem erachtet, Multiplikator*in-
dertageseinrichtungen, Schulen und Universitäten von      „Teach2Teach“ war eine intensive Auswertung der          Möglichkeiten des Umgangs mit extremistischen           nen für die starke massenmediale Fokussierung auf
besonderer Bedeutung, da an diesen Orten die größt-       von den Teilnehmenden der Expert*innenmeetings           Einstellungen stehen:                                   Themen wie Rechtspopulismus, Diskriminierung
mögliche Anzahl an Kindern, Jugendlichen und jungen       und Seminare geäußerten und von der Seminar-                                                                     und Demokratiefeindlichkeit und die damit einher-
Erwachsenen aus allen Gesellschaftsschichten durch        leitung wahrgenommenen Herausforderungen im              Wie reagiere ich auf (provokante) Äußerungen? Wie       gehende Wirkung (Vorannahmen, Überemotionali-
Multiplikator*innen erreicht werden kann.                 Berufsalltag (Konfliktsituationen) und Bedarfen hin-     erkenne ich rechtsextreme Symbole und Codes und         tät und „sich mitreißen lassen“) zu sensibilisieren
                                                          sichtlich eines verbesserten Umgangs mit rechtsex-       was ist strafbar? Wo finde ich Unterstützung? Wie       und die Wirkungs- und Funktionsweisen von Fake
Hauptzielgruppe der Seminare im Rahmen des Projek-        tremen Haltungen in den jeweiligen Institutionen.        gehe ich mit Onlinemeldeportalen für Lehrkräfte         News, Hate Speech, Filterblasen und Framing zu er-
tes „Teach2Teach“ waren Fachkräfte der schulischen        Die Erkenntnisse flossen im Laufe des Testings in        von rechtspopulistischen Parteien um? Wie kann          örtern.
und außerschulischen Bildungsarbeit und Jugendhilfe.      die Seminarkonzepte kontinuierlich ein.                  ich das Themenfeld „Rechtspopulismus im Bundes-
Hierzu gehörten u. a. Erzieher*innen (z. T. noch in der                                                            tag“ im Unterricht aufgreifen? Und wie kann ich mit     Auch die Reflexion eigener Einstellungen und un-
Ausbildung), Referendar*innen, Lehrkräfte, Sozialpäda-    In erster Hinsicht äußerten die Teilnehmenden den        kleinen Kindern über Vielfalt und Diskriminierung       passender Begriffsverwendungen (z. B. „Asylflut“,
gog*innen sowie weitere Multiplikator*innen, die als      Wunsch, handlungssicherer bei demokratiefeindli-         sprechen, ohne dabei Klischees fortzuschreiben?         „Wirtschaftsflüchtlinge“, „Invasion“ etc.) im Zusam-
Ansprechpersonen oder Vorbilder in regelmäßigem           chen und menschenverachtenden Äußerungen und                                                                     menhang mit der eigenen pädagogischen Rolle als
beruflichem, ehrenamtlichen oder privaten Kontakt mit     Handlungen zu werden. „Zivilcourage zeigen“ war          Methodisch wurde ein offener Raum gewünscht, in         Vorbild und die Entwicklung von Ambiguitätstole-
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen stehen.             ein häufig geäußerter Wunsch. Sie wünschten sich,        welchem konkrete Fallbeispiele in Schule oder Kita      ranz, die das Aushalten von anderen (politischen)
                                                          selbstbewusster und „mutiger“ in Konfliktgesprä-         aufgegriffen werden können und der neben einem          Meinungen und Emotionen zulässt, ist dringend
Vor allem die Heterogenität der Gruppen stellte das       che, sei es mit Schüler*innen, Eltern oder Kolleg*in-    Argumentationstraining einen Austausch über mög-        notwendig, um rechtsextremen Entwicklungen ef-
Projektteam in der Umsetzung der Seminare vor gro-        nen, gehen zu können. Dafür waren vor allem gute         liche Handlungsstrategien ermöglicht und damit zu       fektiv etwas entgegensetzen zu können. Denn nicht
ße Herausforderungen. Auch wenn die Teilnehmenden         Argumente und Fakten, eine klare eigene Meinung          einer Vernetzung und gegenseitigen Stärkung bei-        jedem fällt es leicht, mit der grundsätzlichen „An-
in ähnlichen Berufsfeldern arbeiten, unterschieden sie    zu kritischen gesellschaftspolitischen Themen und        trägt. Statt eines Lernumfelds unter „Laborbedin-       greifbarkeit“ der eigenen Überzeugungen umzuge-
sich doch zum Teil maßgeblich in:                         die Kontrolle über die eigenen Emotionen (Affekt-        gungen“ sollten die zeitlichen und räumlichen Ar-       hen.
                                                          kontrolle) vorrangig. Allgemein wurde bedauert,          beitsbedingungen als Ausgangspunkt der Seminare
•    Alter (18-60 Jahre) und Geschlecht                   im beruflichen Alltag (zu) wenig Zeit zu haben, um       gelten, damit theoretisch Erlerntes unmittelbar in      Zudem stehen pädagogische Multiplikator*innen
•    Bildung (Schulabschluss, akademische Laufbahn)       sich kollegial über problematische Situationen aus-      die Praxis umgesetzt werden kann.                       in besonderem Maße vor der großen Herausforde-
•    Berufserfahrung (0- 40 Jahre)                        zutauschen und sich gegenseitig zu stärken, sowie                                                                rung, sich selbst zu hinterfragen und zu reflektieren:
•    einer (noch nicht) gefestigten Berufsrolle           Strategien und optimale Lösungen im Einklang mit         Der Wunsch war eine möglichst konkrete Um-              Was ist mein Auftrag? Wie setze ich Demokratie/
•    thematischem Vorwissen                               den eigenen Ressourcen zu entwickeln.                    setzung, so dass die Teilnehmenden gestärkt, mit        demokratische Entscheidungsprozesse im Klas-
•    persönlichen Erfahrungen                                                                                      fundiertem Wissen, guten Argumenten, hilfreichen        senzimmer/in der Kita/im Jugendclub um? Welche
•    Experimentierfreude bei unbekannten oder unge-       Ein Großteil der Teilnehmenden wünschte sich             Strategien für Konfliktgespräche, Zahlen und Statis-    Macht und Autorität fordere ich für mich ein und
     wohnten Methoden wie Rollenspiel, Theaterpäda-       konstruktive und (tages-)aktuelle Fortbildungen im       tiken zu den Narrativen des Rechtspopulismus (wie       wie definiere ich Autorität? Wo sind meine Gren-
     gogik oder Selbstreflexionen                         Phänomenbereich Rechtsextremismus sowie das              z. B. „Der große Austausch“, „Flüchtlinge als Sozial-   zen? Fühle ich mich moralisch überlegen? Was löst
•    Mediennutzungsverhalten                              Erlernen eines angemessenen pädagogischen Um-            schmarotzer“, „Systempresse/Lügenpresse“, „krimi-       das bei meinem Gegenüber aus? Wie kann ich Hal-
•    Wünschen zu Zielen und Inhalten der Seminare         gangs mit Demokratiefeindlichkeit und Elementen          nelle Ausländer“, „Wirtschaftsflüchtlinge vs. ‚echte‘   tung in einer inhaltlichen Auseinandersetzung be-
                                                          Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (z. B.            Flüchtlinge“ etc.) und Ideen für neue Unterrichtsma-    wahren, die darauf ausgelegt ist, mich vor Publikum
Aus diesem Grund war es wichtig, Seminarinhalte und       Antisemitismus, Muslim*innenfeindlichkeit, Ho-           terialien ihre Arbeit weiterführen können.              als unglaubwürdig darzustellen? Bin ich in der Lage,
-methodik mit besonderer Sensibilität an die jeweilige    mophobie), die in den Medien abgebildete gesell-                                                                 meine eigene Überzeugung hintenanzustellen –
Zielgruppe anzupassen.                                    schaftspolitischen Debatten (z. B. über Geflüchtete,     Ergänzend wurde durch die Seminarleitung die Not-       und muss ich das überhaupt? Wie zügele ich mei-
                                                          Islam, Ausländerkriminalität etc.) aufgreifen. Wich-     wendigkeit der Förderung von vorurteilsbewusstem        ne Emotionen und werde dennoch als authentisch
Der große inhaltliche Facettenreichtum der Themen         tig war es ihnen, hinsichtlich Fakten, Statistiken und   Handeln, gewaltfreier Kommunikation, Quellenkri-        wahrgenommen? Muss jede Diskussion mit einem
Rechtspopulismus und -extremismus bzw. Radikalisie-       Meinungen auf dem Laufenden zu sein. Weiter inte-        tik und eines kritischen Umgangs mit sogenannten        konkreten Ergebnis enden oder darf sie auch offen-
rung, die Herausforderung, die eigenen Einstellungen      ressierten sie wissenschaftliche Erkenntnisse zu Ra-     alternativen Fakten festgestellt.                       bleiben?
und Informationsquellen hinterfragen zu müssen und        dikalisierungsverläufen, extremistischen Propagan-
auf dieser Grundlage gemeinsame pädagogische Um-          dastrategien und Akteur*innen sowie ideologische
gangsformen mit dem Phänomen zu erarbeiten, erfor-        Inhalte.
dert eine bedürfnisnahe Anpassung an die Wünsche
der jeweiligen Zielgruppe, um nicht an ihr vorbeizupla-
nen.

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Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Teach2Teach

Ziele                                                                                                  Seminarmodule

Im Laufe der Seminartestings wurden Multiplikator*innen anderer Träger, Expert*innen aus der Wissen-
schaft und Teilnehmende zu den ihrer Meinung nach vorrangigen Zielen einer Fortbildung und Quali-
fizierung im Bereich der Radikalisierungsprävention im Rechtsextremismus befragt. Diese wurden zu
Kompetenzzielen in den Bereichen Wissenserweiterung, Reflexionsfähigkeit und Handlungsfähigkeit zu-
sammengefasst.

Darauf bezugnehmend standen die Stärkung einer persönlichen wie professionellen, selbstbewussten
Haltung mit der Herausbildung eines demokratischen und diskriminierungssensiblen Rollenmodells so-
wie die Erweiterung des Handlungsspektrums durch die Erhöhung des eigenen Wissenstands im Vorder-
grund der Entwicklung der Seminarreihe.

                                 Wissenserweiterung:
           •   Wissen über rechtspopulistische/rechtsextreme Szenen und Ausdrucksformen
               in Deutschland (z. B. Akteur*innen, Musik, Codes)
           •   Hintergrundwissen zu Rechtspopulismus/Rechtsextremismus
           •   Wissen über Ursachen menschenfeindlicher und demokratieskeptischer Ein-
               stellungen
           •   Kennenlernen rechtsextremer Narrative und Ideologieinhalte
           •   Verstehen der Folgen diskriminierender Äußerungen und Verhaltensweisen für
               die betroffenen Menschen und die Gesellschaft

                                  Reflexionsfähigkeit:
           •   Reflexion der eigenen (Berufs-)Rolle und des Konflikt- und Kommunikationsver-
               haltens
           •   Bewusstwerdung der persönlichen Haltung in einem Gespräch mit Menschen,
               die rechtsextreme Einstellungsmuster vertreten bzw. sich menschenverach-
               tend und demokratiefeindlich äußern
           •   Bewusstmachen der eigenen Chancen und Grenzen der Einwirkung auf andere
               Menschen

                                  Handlungsfähigkeit:
           •   Erarbeitung von Handlungsstrategien bei rechtspopulistischen und/oder -extre-
               men Äußerungen
           •   Führen von Konfliktgesprächen
           •   Entwicklung von präventiven Maßnahmen für Bildungseinrichtungen
               (z. B. Leitbilder und Hausordnungen)
           •   Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder aus rechtsextremen Elternhäusern

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Modus | zad - RECHTSPOPULISMUS UND
Seminarmodule

Radikalisierung und
rechtsextreme Ausdrucksformen

Radikalisierung
Methode      Film mit anschließender Kleingrup-       Zum Abschluss stellen die Kleingruppen ihre Arbeit
             penarbeit und Diskussion                 nacheinander im Plenum vor. Die Seminarleitung
                                                      greift Ergänzungen und Fragen auf, fasst die Ergeb-
Ziel         Wissensvermittlung über Rechtsex-        nisse zusammen und hebt wichtige Punkte hervor.
             tremismus, Erkennen von extremisti-      Mögliche Fragen für eine anschließende Diskus-
             schen Anwerbeversuchen, Verstehen        sion sind:
             von Gründen für Radikalisierung
                                                      •   Wodurch wird Simons Radikalisierung konkret
                                                          ausgelöst?
Dauer        60 – 90 Minuten
                                                      •   Ab wann ist jemand radikal?
                                                      •   Welche Rolle spielt das Internet bei Radikalisie-
Material     Film „Radikal“, Computer/DVD-Play-           rungen?
             er, Beamer mit Lautsprechern, Flip-      •   Was hofft Simon in der rechtsextremen Gruppe
             chartpapier, Stifte                          zu finden?
                                                      •   Welches Weltbild haben Rechtsextremist*innen
Die Teilnehmenden sehen die ersten zehn Minuten           und wer sind ihre Feinde?
des Films „Radikal“, in dem die Lebenssituation des   •   Welche rechtsextremen Symbole tauchen im
Protagonisten Simon, seine Radikalisierung durch          Film auf?
persönliche Kontakte und Videos im Internet sowie     •   Sind Sie selbst schon einmal mit rechtsextre-
die rechtsextreme Szene vorgestellt werden.               mer Propaganda in Berührung gekommen?
                                                      •   Was könnten Sie selbst tun, um Radikalisierun-
Im Anschluss werden die Teilnehmenden in vier             gen von anderen zu verhindern?
Kleingruppen eingeteilt, welche 20 Minuten lang je
eine der folgenden Fragestellungen diskutieren:
                                                      Variante
•    Was sind die Ursachen
     für Simons Radikalisierung?                      Im weiteren Verlauf des Films werden die Wege
•    Was macht den Rechtsextremismus                  der Radikalisierung im Linksextremismus und
     für Simon attraktiv?                             Islamismus vorgestellt. Möglich ist es also auch,
•    Wie werben Rechtsextremisten Jugendliche an?     Radikalisierungswege aller drei Phänomenbereiche
•    Welche Merkmale hat Rechtsextremismus?           zu analysieren: Wie geht es dem Protagonisten?
     (Feindbild, Selbstbild, Ziel/Weltsicht)          Was sucht er? Was bietet ihm die jeweilige Gruppe?
                                                      Welche Parallelen zwischen den drei Extremismus-
Die Ideen werden auf Flipchartpapier notiert.         phänomen gibt es?

Weiterführende Informationen                                                                                  Radikal

„Radikalisierung – Theoriemodelle für die pädagogische Praxis“, Handout mit Informatio-                       Der Kurzfilm „Radikal – Extremismus, Propa-        Simon durchläuft in verschiedenen Szenen
nen und praktischen Übungen unter: https://demokratiezentrum-bw.de/wp-content/up-                             ganda, Medienkompetenz“ (2016) klärt über          drei extremistische Radikalisierungsverläufe.
loads/2018/06/Ostwaldt_Coquelin_DZBW_Radikalisierung_Handout.pdf                                              Rechtsextremismus, Linksextremismus und            Auf der kostenlosen DVD (zu beziehen beim
                                                                                                              Salafismus auf. Der 17-jährige Simon lebt mit      Hessischen Informations- und Kompetenz-
                                                                                                              seiner Familie in sozial schwierigen Verhältnis-   zentrum gegen Extremismus unter: https://
                                                                                                              sen und hat Probleme in der Schule.                hke.hessen.de/film-%E2%80%9Eradikal)
                                                                                                                                                                 befinden sich auch Unterrichtsmaterialien.
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Seminarmodule

Radikalisierung und
rechtsextreme Ausdrucksformen

Themen und                                          Rechtsextreme                                       Weiterführende Informationen
Ausdrucksformen des                                 Symbole und Codes                                   zu rechtsextremen Codes, Kleidungsmar-
Rechtspopulismus                                                                                        ken und Gruppen:

                                                                                                        „Hintergründe und Symbolwelt”, Agentur
Methode      Kleingruppenarbeit mit Präsentation    Methode     Input und Gespräch
                                                                                                        für soziale Perspektiven e.V.: https://das-
                                                                                                        versteckspiel.de
Ziel         Sammeln von typischen rechtsextre-     Ziel        Wissensvermittlung über
             men Themen, Verhaltensweisen und                   rechtsextreme Codes und Symbole
                                                                                                        „Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen
             Gruppen/Akteur*innen
                                                                                                        und verbotene Organisationen“, Bundes-
                                                    Dauer       45 Minuten                              amt für Verfassungsschutz:
Dauer        45 – 60 Minuten
                                                                                                        www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlich-
                                                    Material    Symbolkarten/-informationen,            keitsarbeit/publikationen/pb-rechtsextre-
Material     Flipchartpapier, Stifte                            Gesetzestext
                                                                                                        mismus/broschuere-2018-10-rechtsextre-
                                                                                                        mismus-symbole-zeichen-und-verbotene-
Die Teilnehmenden werden in drei Kleingruppen       Die Symbolkarten werden an die Teilnehmenden
eingeteilt. Jede Kleingruppe bekommt die Aufgabe,   verteilt. Die Gruppe setzt sich im Gespräch damit   organisationen
ihre Gedanken zu den folgenden Überschriften auf    auseinander, welche Symbole/Codes ihnen bereits
den vorbereiteten Flipchartpapieren zu notieren:    bekannt sind, was sie darüber wissen und ob sie     „Rechtsextremismus und Musik. Rechte
                                                    verboten oder erlaubt sind. Hierbei können auch     Musik und Symbolik”, Schule ohne Rassis-
•    „Themen des Rechtspopulismus“                  die Paragrafen 86 und 86a des Strafgesetzbuches,    mus – Schule mit Courage, Berlin 2009
•    „Ausdrucksformen des Rechtspopulismus“         die das Verbreiten von Propagandamitteln verfas-
•    „Rechtspopulistische Akteur*innen“             sungswidriger Organisationen bzw. das Verwen-       „Kennzeichen und Symbole der rechtsext-
                                                    den von Kennzeichen verfassungswidriger Organi-     remen Szene”, DEVI e.V., Berlin 2016:
Die Kleingruppen stellen nacheinander ihre          sationen unter Strafe stellen, genauer betrachtet   www.demokratieundvielfalt.de/wp-con-
Plakate im Plenum vor.                              werden.
                                                                                                        tent/uploads/2017/02/Kennzeichen_und_
                                                                                                        Symbole_der_rechtsextremen_Szene.pdf
Zum Abschluss fasst die Seminarleitung die Ergeb-
nisse zusammen und hebt wichtige Punkte heraus.
Folgende Zusatzfragen können hierbei gestellt                                                           „Nazi-Mode: Die Hintermänner der rechten
werden:                                                                                                 Mode-Labels”, SPIEGEL TV:
                                                                                                        www.youtube.com/watch?v=GhJn2KJLaOk
•    Welche von Rechtspopulist*innen besetzten
     Themen halten Sie für besonders wichtig?
•    Wie würden Sie Sprache und Verhalten der
     Rechtspopulist*innen beschreiben?
•    Was macht Rechtspopulismus attraktiv?

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Seminarmodule

Rechtsextreme Symbole und Codes

                Reichskriegsflagge                                                        „Freiheit für Wolle“
                Ohne Hakenkreuz (vor 1935 verwendet): nicht verboten                      Kampagne (T-Shirts, Konzerte, Spendensammlungen) von diversen rechtsex-
                Mit Hakenkreuz (1935-1945 verwendet): verboten                            tremen Gruppen, „Wolle“: Spitzname von Ralf Wohlleben (ehem.
                Varianten: Mit Eisernem Kreuz: nicht verboten                             NPD-Funktionär in Thüringen, wichtigster Unterstützer der Terrorgruppe
                Verboten                                                                  Nationalsozialistischer Untergrund (NSU),
                                                                                          wurde während des NSU-Prozesses zum Helden der Neonaziszene)
                                                                                          Nicht verboten
                Schwarze Sonne
                (Zwölfarmiges Hakenkreuz/Lebensrad/zwölffache Sig-Rune)                   Historische Flagge der Provinz Pommern
                Entstammt einem Bodenmosaik aus dem „Obergruppenführersaal“
                in der SS-Kultstätte Schloss Wewelsburg                                   Region Vor- und Hinterpommern bis 1945 als Teil Preußens innerhalb
                Symbol der Verbundenheit mit der „eigenen Art“                            deutscher Staatsgrenzen, Rechtsextreme bezeichnen Region als
                Sehr beliebt, wird oft für Merchandise/Tattoos etc. verwendet             „abgetrenntes Gebiet Deutschlands“; Ziel: Revision der Nachkriegsordnung
                Nicht verboten                                                            Nicht verboten

                Thorshammer (isländ.: Mjölnir, etwa „Blitzwaffe“)                         Wirmer-Flagge (Stauffenberg-Flagge)
                Symbol des germanischen Donnergottes Thor
                                                                                          Entwurf Josef Wirmers, Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 (hingerichtet
                Dient dem Pflügen der Felder und der Vernichtung der Feinde
                                                                                          in JVA Plötzensee), für ein Deutschland nach Adolf Hitler
                Bis zum Ersten Weltkrieg auch Zeichen der völkischen Bewegung
                                                                                          1999 zur Fahne des vom Deutschen Kolleg angestrebten Vierten Reichs
                Hoher Verbreitungsgrad in der rechtsextremen Szene
                                                                                          erklärt, häufig genutzt in der Reichsbürgerbewegung und bei Pegida
                Achtung: auch als Schmuck in Heavy-Metal-Szene, esoterischen
                Bewegungen sowie bei Mittelalter- und Wikinger-Fans                       Nicht verboten
                Nicht verboten
                                                                                          Identitäre Bewegung (Symbol: Lambda)
                „Schutzstaffel“ (SS)                                                      Aktionistische Gruppe, vom Verfassungsschutz beobachtet
                                                                                          ca. 600 Mitglieder (2018)
                Doppelte Sig-Rune/Doppel-Blitz, oft genutzt mit in der SS verwandten
                                                                                          Merkmale: Rechtsextrem, international agierend, völkisch,
                Symbolen wie Totenkopf oder Wolfsangel
                                                                                          stark vernetzt mit anderen rechtsextremen Akteur*innen
                Varianten: in anderer Schriftart z. T. verboten (z. B. Autokennzeichen)
                                                                                          Ideologie: „Ethnopluralismus“, „Re-Migration“,
                in Eigennamen erlaubt (z. B. Makss Damage)
                                                                                          „Der große Austausch“/„Umvolkung“
                Verboten                                                                  Nicht verboten

                Wolfsangel (Gibor-Rune)                                                   Der III. Weg
                Zeichen der Wehrhaftigkeit                                                2013 Parteigründung
                u. a. Ärmel-Aufnäher der Hitlerjugend und Symbol der SS-Untergrundarmee   Mitglieder: ca. 500 (elitäre Kaderorganisation)
                „Werwolf“, Symbol der (verbotenen) „Jungen Front“                         Inhalt, Struktur und Inszenierung wie Nationalsozialismus
                Verboten                                                                  Schutz durch Parteiengesetz (vgl. NPD)
                                                                                          Nicht verboten
22                                                                                                                                                                    23
Sie können auch lesen