Aktion Minibrot 2020 - Starke Frauen, starke Leistung Gleichstellung im internationalen Vergleich - KLJB Paderborn
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Starke Frauen, starke Leistung Gleichstellung im internationalen Vergleich v a kti isc h l i t ngs po i ckl u t w KLJ B – en Aktion Minibrot 2020
VORWORT LIEBE KLJB MITGLIEDER UND UNTERSTÜTZENDE DER AKTION MINIBROT, In vielen Gemeinden und Ortsgruppen steht die Durchführung der Aktion Minibrot kurz bevor. Bald feiern wir das Erntedankfest und werden in diesem Rahmen erneut auf die Aktion Minibrot aufmerksam machen. Ihr alle seid Teil der Aktion Minibrot und verfolgt ein gemeinsames Ziel: ein Bewusstsein schaffen für die Notlagen der Menschen in Ländern des Südens und die Generierung von Spenden für gemeinnützige Projekte zur nachhaltigen Entwicklung. Seit Jahren ist die Aktion durch eure Hilfe ein großer Erfolg. Für die vielen Minibrote, die ihr jedes Jahr zu Gunsten der Aktion an eure Mitmenschen verteilt, möchten wir Danke sagen. I m vergangenen Jahr haben wir uns erneut darauf kon- zentriert die Wirkung der Aktion Minibrot zu evaluieren. Dazu haben wir insgesamt acht Projekte, welche mit Mit- Mit diesem Aktionsheft möchten wir euch Hilfestellun- gen zur Umsetzung sowie zur Vorbereitung der Kampagne an die Hand geben. Neben den bewährten Gottesdienst- teln aus der Aktion gefördert wurden, vor Ort aufgesucht bausteinen findet ihr Impulse für die Durchführung von und auf ihren Stellenwert für eine nachhaltige Entwicklung Aktionen mit euren Kinder- und Jugendgruppen, bekommt hin geprüft. In dieser Minibrotmappe möchten wir natür- neben Informationen rund um die Aktion Minibrot eine lich von den Erfahrungen berichten. Reihe von Tipps wie ihr die Aktion in der Öffentlichkeit bewerben könnt und erhaltet nicht zuletzt eine Übersicht Ausgehend von einem der derzeit laufenden Projekte, über die Förderprojekte der Aktion für eure Spender*in- welches wir ebenfalls vor Ort besucht haben, möchten wir nen. dieses Aktionsjahr dem Thema Gleichstellung von Frauen widmen. Weltweit besteht noch immer eine ungleiche Ver- Wir wünschen Euch viel Spaß bei der Aktion vor Ort teilung von Einkommenschancen und folglich Zugängen zu und hoffen auf zahlreiche Beteiligung in den jeweiligen wichtigen Versorgungsgütern zum Nachteil der weiblichen Gemeinden und Pfarrverbünden. Wendet euch bei Fragen Bevölkerung. Vor allem in den Kooperationsländern der und Anregungen zur Gestaltung der Aktionsmaterialien Aktion Minibrot sind Frauen und Mädchen aufgrund dieser gern an uns! Umstände weiterhin hochgradig armutsgefährdet. Euer Vorstand der KLJB im Erzbistum Paderborn e.V. Alexander Plümpe Maximilian Schnitzmeier Manuel Troike Brigitte Böhm Rebecca Kobusch 2
INHALT Vorwort 2 Die Aktion Minibrot – Das Menschenrecht auf Gleichberechtigung 4 Realitätencheck 5 – Bildungsteilhabe 8 – Gesundheit 10 – Politische Teilhabe 12 Gastbeiträge 13 Impulse 20 Aktion Minibrot und Entwicklung 22 Beispielprojekte 24 Rückblick 28 Evaluationsbericht 29 Material für den Gottesdienst 34 Bestellmaterialien 37 Angebote für Gruppen 38 Impressum 39 3
DIE AKTION MINIBROT 2020 DAS MENSCHENRECHT AUF GLEICHBERECHTIGUNG D IE RECHTE VON MENSCHEN SIND EBENSO WIE DEREN AUFGABEN UND PFLICHTEN PER GESETZ DEFINIERT. GLEICHES GILT FÜR DIE RECHTE, AUFGABEN UND PFLICHTEN EINES STAATES SEINEN BÜRGERN GEGENÜBER. Die United Nations (UN) haben mit der Menschenrechtscharta alle Staaten der Welt dazu verpflichtet, Menschen jeden Geschlechts und Alters gleichwertige Möglichkeiten zur Teilhabe in Bildung und Wissenschaft, in Politik und Wirtschaft, sowie an gesellschaftlichen und kulturellen Angeboten zu ermöglichen und jede Form der Diskriminierung zu unterbinden. Ein Dilemma für die Verbindlichkeit der Weisungen ergibt sich daraus, dass die Charta keine rechtsverbindliche Gül- tigkeit besitzt, denn sie hat nicht den Status eines Völkerrechtsvertrag. Letzten Endes können diese Weisungen deshalb ausschließlich durch die Anerkennung eines Staates, das heißt durch die Verankerung in sowohl der staatli- chen Verfassung, wie auch dem nationalem Rechtssystem, einen bindenden Status erlangen. Weltweit gibt es noch immer Staaten, die dem nicht nachgekommen sind. Die Menschenrechtscharta gilt bis heute als wichtigste Erklärung der Vereinten Nationen. In dieser Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, bestehend aus 30 Artikeln, ist Gleichwertigkeit von Menschen zentral im Artikel 2, Absatz 1, verankert worden. In dem Leitartikel zum Verbot der Diskriminierung heißt es konkret: „Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa aufgrund rassistischer Zuschreibungen, nach Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“1 Auch wenn ein Großteil der Staaten weltweit inzwischen die Menschenrechtscharta anerkannt hat, halten sich den- noch nur sehr wenige Staaten vollumfänglich an die Weisungen. Das gilt vor allem für die Länder, in denen die Presse und Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Aber auch in Deutschland werden trotz staatlicher Verankerung Teile des Rechts noch nicht umgesetzt. So ist die Gleichstellung von Frauen und Männern beispielsweise längst nicht in allen Bereichen gewährt. Auch wurden die Rechte von Menschen mit Behinderung hierzulande beispielsweise erst kürzlich durch die Einführung des neuen Bundes-Teilhabegesetzes gestärkt.2 Regelmäßige Datenerhebung3 Kürzlich veröffentliche das Weltwirtschaftsforum (WEF)4 den jährlich erscheinenden Global Gender Gap Report 2020, einen international vielbeachteten Bericht über Geschlechterungerechtigkeit und – Ungleichheit in der Welt. Anhand von vier sozioökonomischen Indikatoren misst dieser Report die Ungleichverteilung gesellschaftli- cher Teilhabe und Partizipation zwischen Männern und Frauen, den sogenannten „Gender Gap“, in verschiedenen Disziplinen. Die vier Indikatoren zur Bemessung sind Erstens, die Wirtschaftliche Teilnahme und Teilhabe, zweitens den Zugang zu Bildung, drittens die Gesundheit und Lebenserwartung, und viertens die politische Teilhabe. 1 Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, veröffentlicht von Amnesty International, Berlin, August 2019 2 Einzelheiten zum Bundes-Teilhabegesetzt, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Stand 2017; https://www.bmas.de/DE/Leichte-Sprache/einzelheiten-zum-bundesteilhabegesetz/einzelheiten-zum-bundesteilhabegesetz-artikel.html 3 Economics of Gender Inequality: A Collection of Stephan Klassen’s Work in Honor of his Academic Life. Isabel Günther, Michael Grimm (Hrsg.) vdf Hoch- schulverlag AG an der ETH Zürich, 2020 4 Das Weltwirtschaftsforum ist eine gemeinnützige Stiftung und internationalen Organisation, die jährlich ein gleichnamiges Treffen in Davos im Kanton Graubünden in der Schweiz veranstaltet. Die Stiftung fungiert auch als Think Tank und veröffentlicht jährlich Forschungsberichte zu verschiedenen The- men, unter anderem den Global Gender Gap Report. 4
REALITÄTENCHECK AKTION MINIBROT UND GESCHLECHTERGE- geben, die Bedeutung eures Engagements zur Unterstützung RECHTIGKEIT INTERNATIONAL zahlreicher Projekte in Sambia, Tansania, Kenia und Indien Wie bereits eingehend erwähnt, stellen wir euch in die- besser einschätzen zu können. sem Jahr Projekte zur Partizipation von Frauen vor. Die Projekte wurden anlässlich einer Ungleichverteilung GESCHLECHTER (UN-)GERECHTIGKEIT5 der ökonomischen Teilhabe von Männern und Frau- Zunächst einmal die gute Nachricht: Über die Jahre hinweg en in Sambia sowie in Tansania ins Leben geru- hat sich die Lücke zwischen der Gleichstellung der Geschlech- fen. Diese Thematik möchten wir aufgreifen, um ter weltweit weiter verringert. Das bedeutet, dass immer für euch in dieser Mappe die aktuelle Entwick- mehr Frauen relativ zu Männern in den vier gemessenen In- lung von Geschlechtergerechtigkeit, Chan- dikatoren aufholen. Auf der Basis von 153 untersuchten Län- cengleichheit und Gleichstellung in unseren dern der Welt ergibt sich für das Jahr 2019 laut des Forums Partnerländern und darüber hinaus, genauer im Gesamtdurchschnitt eine weltweite Lücke von knapp zu beleuchten. 31,4 Prozent, die es zur Beseitigung der Ungleichheit der Geschlechter global noch zu schließen gilt. Das heißt, dass Wir geben euch anfangs einen Überblick Frauen in den eben genannten Indikatoren noch 31,4 Proz- zur Situation in Deutschland, eh wir den entwerte aufholen müssten, um eine gleichwertige Stellung Blick auf die gesamte Welt richten. So- zu der des Mannes in den o.g. Lebens- und Altersbereichen fern uns Daten aus den Partnerländern erzielen zu können. - Laut des Berichts bräuchte man dafür, der Aktion Minibrot vorliegen, werden auf Basis heutiger Entwicklungen, einen Zeitraum von fast wir natürlich die Informationen aufgrei- 100 Jahren, also bis zum Jahr 2120. fen und die jeweiligen Entwicklungen beleuchten. Mit den auf den folgenden Insgesamt verläuft das Schließen dieser Lücke eher behäbig. Seiten dargestellten Informationen So konnte lediglich ein positiver Unterschied von +0,041 Pro- möchten wir euch so die Möglichkeit zentpunkten gegenüber dem Jahr 2006, dem ersten Jahr der Veröffentlichung des Global Gender Gap Reports, verzeich- net werden. Solche Entwicklungen haben viele Gründe und liegen nicht zuletzt an unterschiedlichen ge- sellschaftlichen Entwicklungen in Ländern und Regionen dieser Erde, die zu hohen Dis- krepanzen in der Fortschrittlichkeit der GENDER GAPS Gendergerechtigkeit führen. Kriege wie in Syrien oder im Jemen, Armut benötige Zeit, um die weltweite Lücke der im globalen Süden, die Bildungs- Geschlechtergerechtigkeit zu schließen und Berufswahl der Frau oder Jahre eine Mutterschaft und die damit 300 verbundene Vereinbarung von Arbeit und Privatleben können 250 ganz unterschiedliche Auswir- kungen auf den Gender Gap 200 haben. Daher lohnt sich ein Blick in verschiedene Länder 150 und Regionen, um ein besse- 100 res Gefühl für die weltweite Situation der Geschlechterge- 50 rechtigkeit zu erlangen. 0 Gender Gap Gender Gap Gender Gap Gender Gap gesamt Wirtschaft Politik Bildung (Quelle: World Economic Forum) ↔ 5 Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum): The Global Gender Gap Report 2020. Cologny/Genf, 17. Dezember 2019; 5
REALITÄTENCHECK GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT Neuseeland, Irland, Spanien und Ruanda. Die größten IN DEUTSCHLAND Gesamtfortschritte innerhalb der vergangenen zwei Da- tenerhebungsperioden erreichten zur Überwindung der Deutschland liegt laut WEF weltweit auf dem 10. Platz Ungerechtigkeit der Geschlechter (weiterhin bezogen und hat die Lücke schon um 78,7 Prozent geschlossen. auf Frauen und Männer) überraschenderweise Äthiopi- Damit verbesserte sich Deutschland zum Vorjahr um en, Spanien, Mali, Albanien und Mexiko. ganze vier Plätze. Obwohl Deutschland im internationa- len Vergleich durchaus gut dasteht, ist noch einiges zu tun. Die Verfasser mahnen, dass sich Deutschland vor GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT allem beim ersten Indikator „Wirtschaftliche Teilnahme INTERNATIONAL6 und Teilhabe“ noch verbessern könne. Viele Frauen ar- Richtet man den Blick auf die andere Seite der Weltku- beiten in Deutschland in niedriger bezahlten Jobs, 45 gel, zeichnet sich ein gegenläufiges Bild ab. Ähnlich wie Prozent der erwachsenen Frauen gehen gar keiner Be- in Europa gibt es auch zwischen den Ländern des globa- schäftigung nach. Bei den Männern sind dies hingegen len Südens große Unterschiede im Ausmaß ihres jeweili- nur 22 Prozent. Zudem sind Frauen in aufstrebenden Be- gen Gender Gap. Jedoch lässt sich festhalten, dass die af- rufsbildern wie der IT-Branche unterrepräsentiert, was rikanischen Länder und die südasiatischen Staaten (unter unter anderem daran liegen könnte, dass diese Berufe anderem Indien, Pakistan und Bangladesch) weiterhin weiblichen Rollenbildern in der Gesellschaft nicht ent- das Schlusslicht im internationalen Vergleich belegen. sprechen. Daraus ergeben sich schlussendlich hohe Ein- In vielen Ländern des Globalen Südens kämpfen Frauen kommens- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Mädchen auf dem Weg zu Gleichstellung damit ge- und Frauen, weshalb in Deutschland dieses Phänomen gen große Probleme an. Die Gleichstellungsquoten der oft mit dem Begriff Gender Pay Gap beschrieben wird. Länder und damit die Chancen für Frauen und Mädchen Reduzieren könnte man dieses Problem, indem man auf gleichwertige Lebenschancen in den Bereichen Wirt- zum Beispiel eine längere Elternzeit für Väter attraktiver schaftliche Teilnahme und Teilhabe, Zugang zu Bildung, gestalten würde, damit Frauen nicht so schnell aus dem Gesundheit und Lebenserwartung und politische Teilha- Beruf ausscheiden, - um nur eine Möglichkeit unter vie- be liegen beispielsweise in Syrien und Pakistan erst bei len zu nennen. je 57 Prozent, im Irak bei knapp 53 Prozent und schließ- lich im Jemen bei nur 49,4 Prozent. Beim vierten Indikator, der politischen Teilhabe, hat sich Deutschland jedoch gut verbessert. Über 40 Prozent der PARTNERLÄNDER Minister*innenposten in Bund und Ländern sind von Kenia, das 2020 auf Rang 109 liegt, schneidet schlecht ab. Frauen besetzt, außerdem fällt Angela Merkel als Bun- In der Region Lamu (im Osten Kenias), fördert die Aktion deskanzlerin ins Gewicht. Damit steht Deutschland in Minibrot derzeit das Projekt zum nachhaltigen Baumwol- seiner Entwicklungsleistung in diesem Bereich aber im- lanbau, das sich in der letzten Förderphase befindet. Im mer noch dem im Global Gender Gap Ranking weltweit Vergleich zu den in 2006 gemessenen Gleichstellungs- Erstplatzierten, Island, um ein Vielfaches nach. daten, ergeben sich im Jahr 2018 sowie bei der in 2019 veröffentlichten Erhebung signifikante Abwärtstrends. VORREITER IN DER GLEICHSTELLUNG Ob es in den Zwischenjahren weitere, bedeutungsvolle Innerhalb der letzten 50 Jahren wurde Island während Trends gab, lässt sich aus den Angaben nicht schließen. 22 dieser Jahre von einer Frau staatlich geführt. Außer- Das Veränderungsprodukt in der Gleichstellungsleistung dem sind die Lücken in den Bereichen Gesundheit und Kenias von 2006 zu 2018 liegt bei -0,06 Prozent. Der Lebenserwartung sowie Zugang zu Bildung in Island be- Entwicklungsfortschritt hat sich nicht nur verlangsamt, reits komplett geschlossen. Die wirtschaftlichen Kenn- sondern zudem in einem Entwicklungsstopp und Ver- zahlen Islands können sich ebenfalls sehen lassen: Über lust von Gleichstellungsmerkmalen gemündet. Das Pro- 85 Prozent aller Isländerinnen partizipieren am Arbeits- dukt der Entwicklungsleistung Indiens dagegen liegt bei markt und nicht wenige davon finden sich in den oberen +0,01 Prozent. Der Entwicklungszuwachs ist damit eben- Chefetagen wieder – ein Grund, weshalb sich das Land falls sehr marginal. Indien liegt in der Gesamtstatistik natürlich auch an einem geringeren Gender Pay Gap er- auf Rang 112. Seit vielen Jahren unterstützt die Aktion freut. Minibrot Projekte in diesem Land. In vergleichbarer Liga wie Indien und Kenia spielen Ghana, die Republik Korea, Auffällig ist, dass neben Island weitere skandinavischen Belize, Sierra Leone und Guatemala. Länder wie Norwegen, Finnland und Schweden die Spitze des Gesamtrankings anführen. Diese drei Länder Die Partnerländer Sambia und Tansania der Aktion Mi- erreichen bereits heute eine Gesamtquote in der Ge- nibrot belegen mit Platz 45 und 68 Ränge des Mittel- schlechtergerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, feldes. Für Sambia liegen nur für einen Teil der Jahre die im Durchschnitt bei etwas über 84 Prozent liegt. In Ergebnisse vor, was es schwer macht, eine zutreffende den Top 10 befinden sich zusätzlich zu Deutschland und Prognose abzuleiten. In der Gleichstellung der Geschlech- den zuvor genannten Ländern außerdem Nicaragua, ter insgesamt verzeichnen Sambia und Tansania auf Basis 6 Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum): The Global Gender Gap Report 2020. Cologny/Genf, 17. Dezember 2019 6
THEMA vorliegender Ergebnisse jedoch positive Entwicklungen. jektländern Sambia, Tansania, Indien und Kenia treffen wir Sambia, eines der Hauptprojektländer der Minibrotaktion, häufig auf genau solche Gesellschaftsstrukturen. findet sich im Ranking innerhalb der Länder südlich der Sahara sogar im oberen Viertel, auf dem 5. Platz wieder. UND WAS HAT DIE AKTION MINIBROT Gemessen am Produkt der Entwicklungsquoten ergeben DAMIT ZU TUN? sich, bezogen auf den Ausgangswert 2006, eine Entwick- Für uns als KLJB zeigen diese Ergebnisse erneut, dass, egal lungssteigerung von durchschnittlich +1 Prozent pro Jahr wie schwer der Weg auch sein wird, wir uns weiterhin für Sambia, für Tansania ist der Entwicklungstrend unver- durch die Umsetzung der Aktion Minibrot, aber auch darü- ändert schleppend. Das Produkt der Entwicklung liegt bei ber hinaus, für globale Gerechtigkeit und Fairness einset- +0,001 Prozent. Bei der Betrachtung der Daten, die für zen müssen. Wir sind überzeugt, dass ohne die gleichran- Sambia vorliegen, fallen zwei Aspekte beson- gige Einbeziehung der Frauen und Mädchen in die ders auf: Einen Spitzenplatz belegt Sambia Gesellschaften dieser Erde nicht nur die Hälfte laut WEF bei der gesundheitlichen Ver- aller weltweit vorhandenen Fähigkeiten sorgungsgerechtigkeit. Beim genderge- und Talente, sondern damit einhergehend rechten Zugang zu Bildung schneidet auch Chancen auf volkswirtschaftliches Sambia allerdings schlecht ab. Viele Wachstum und folglich die Chancen auf Frauen können in Sambia noch nicht eine Verbesserung von Lebensbedin- lesen und schreiben und Mädchen gungen – für Frauen und für Männer wird oft im Gegensatz zu den Jungen wohlgemerkt – verloren gehen. der Besuch der weiterführenden Schule oder der Universität verwehrt. Damit Mädchen und Frauen gleichbe- rechtigt und chancengleich in der Gesell- ABWÄRTSSPIRALEN schaft mitwirken und partizipieren können Bei 86 der 153 aufgezeichneten Länder muss- – in Sambia und auf der ganzen Welt – werden ten im Vergleich zwischen 2006 und 2018 Rückschritte weiterhin zahlreiche Interventionen und gemeinnützi- in der Gesamtentwicklung verzeichnet werden. 22 dieser ge Projekte zur Förderung der Gleichstellung der Frauen Länder büßten in dieser Zeitspanne sogar zehn Plätze und und Männer nötig sein. Neben regelmäßigen Dialogen zu mehr ein. Besonders auffällig sind Israel, Botswana und Genderfragen sind Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung Ghana, die je 18 Ränge verloren. Einen Abwärtstrend von sowie zur Stärkung der Frauen(-rechte) auf dem Weg zur sogar 20 bis 30 Plätzen in der oben genannten Periode Beseitigung von Diskriminierung und Benachteiligung von büßten Slowenien (-25), Uganda (-22), Myamar (-26) und zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt deswegen sind Bildung die Mongolei (-21) ein. Noch schwerer traf es Bulgarien und Empowerment sowie die gleichberechtigte Einbezie- (-31), die Bahamas (-31) und schließlich Kenia (-33). Ka- hung der Geschlechter wesentliche Kriterien und Bedin- merun fiel innerhalb der zwölf Jahre sogar um 39 Plätze gungen für eine Projektförderung aus der Aktion Minibrot. und verzeichnet damit den signifikantesten Abwärtstrend Mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben in der Gleichstellung der Geschlechter. Gründe dafür lie- die Vereinten Nationen diese Ziele bereits vor vielen Jah- gen unter anderem in schweren Konflikten, in denen ein ren als zentrale Inhalte der globalen Zusammenarbeit er- Teil der Länder verwickelt war oder noch immer ist, in klärt. Naturkatastrophen, Flüchtlingsbewegungen sowie einer schlechten Staatsführung. ERKENNTNISSE, DATEN UND FAKTEN8 Jüngste Untersuchungen haben ergeben, dass Frauen und WAS HABEN DIESE DATEN ZU BEDEUTEN?7 Männer nach wie vor nicht gleichberechtigt sind. Um welt- Angesichts der geschilderten Ergebnisse ist das Aufgaben- weit die Chancengleichheit zwischen Frauen UND Männern feld auf dem Weg hin zur Gleichstellung von Frauen noch nachhaltig zu fördern, ist es nötig strategisch zu handeln riesig. In den Ländern des Südens ist die Umsetzung der und Konzepte wie das des Gender Mainstreamings ste- Aufgaben in vielerlei Hinsicht zudem komplizierter als bei tig voranzutreiben. Das Konzept sieht eine Auflösung von uns. Vielfach kommen hier nämlich neben erschwerten geschlechtsspezifischen Normen und solcher Zugangsvoraussetzungen zur Teilhabe am gesellschaft- Denk- und Verhaltensweisen in allen lichen Leben oder der Gesundheitsversorgung, bedingt Bereichen der Politik, Wirtschaft durch Armut, gesellschaftliche Kulturmerkmale hinzu, die und Gesellschaft vor.9 Um die eine Gleichstellung der Geschlechter deutlich erschweren. Notwendigkeit zur Umsetzung Solche Gesellschaftsformen aufzulösen und die Gleich- eines solchen Konzeptes bes- stellung der Geschlechter zu integrieren ist aufgrund der ser verstehen zu können, engen Verwobenheit der Rollenverteilung mit der Kultur möchten wir euch auf den natürlich mit großen Anstrengungen und Herausforderun- folgenden Seiten weitere gen verbunden. Noch schwieriger wird es, wenn neben Einblicke in verschiedene kulturellen Gegebenheiten auch religiös bedingte Rollen- Studien zur Geschlechter- verteilungen die Gleichstellung beeinflussen. In den Pro- gerechtigkeit geben. 7 Economics of Gender Inequality :A Collection of Stephan Klasen’s Work in Honor of his Academic Life. Isabel Günther, Michael Grimm (Hrsg.) vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich.2020 8 Economics of Gender Equality, A collection of Stephan Klasen`s work in honour of his Academic life; Hrsg. Michael Grimm und Isabell Günther; vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, Zürich, 9 Geschlechter-Gerechtigkeit/Gender, Katharina Belwe, Auszug aus Politik und Zeitgeschichte, Band 33-34, 2002 7
REALITÄTENCHECK AUTORITÄRE UND MÄNNLICH DOMINIERTE weiblichen Bevölkerung durch die Digitalisierung bliebe GESELLSCHAFTSORDNUNG damit ungenutzt. Vor allem in Entwicklungsländern fehl- ten gerade Frauen die nötigen digitalen Kompetenzen zur Bis heute sind ein großer Anteil der Gesellschaften autori- Nutzung digitaler Medien und Techniken, sodass die Vor- tär oder patriarchisch geprägt und werden weitestgehend aussetzungen zur Teilhabe an der digitalen Welt und der von Männern organisiert. In vielen Ländern wird daher vor- Zugang zu vielen Berufen dadurch beeinträchtigt sei. rangig den Männern, nicht aber der weiblichen Bevölke- rung, ein Platz im öffentlichen Leben eingeräumt. Das ist BILDUNGSTEILHABE ein Grund, weshalb die Familien in solchen Gesellschaften glauben, eine Förderung der Söhne zahle sich im Vergleich 2/3 der weltweiten Analphabeten sind weiblich. - Jüngste zu der von Töchtern erst einmal mehr aus und folglich eher Erhebungen belegen, dass in Kambodscha beispielswei- in ihre männlichen Nachkommen investieren. Die Beset- se weiterhin 48 Prozent der weiblichen Bevölkerung vom zung gutbezahlter Jobs durch Frauen, sowie eine Teilhabe Land nicht lesen und schreiben kann, während nur 14 Pro- der weiblichen Bevölkerung am akademischen Berufen zent der Männer hingegen gleichwertige Defizite aufwei- oder gar einer Ausbildung schließen sich damit nahezu sen.11 Die altersabhängige Durchschnittsrate zu Teilhabe aus. Anders als Jungen und Männer verrichtet ein Groß- an Bildung von Frauen zwischen 15 und 24 Jahren liegt teil der Mädchen und Frauen in den Ländern des globalen dem BMZ12 zufolge seit Jahren bei 64 Prozent, also weit Südens deshalb noch immer überdurchschnittlich oft aus- über unter einer gerecht verteilten Quote. In weiten Teilen schließlich Tätigkeiten, für die sie unentgeltlich arbeiten. der Welt ist von Bildung als Grundrecht deshalb nach die- sen Aussagen wohl kaum zu sprechen. In solchen Gesellschaftsstrukturen haben es Mädchen verglichen zu ihren männlichen Vertretern von Geburt an Zwischen dem Globalen Süden und dem Norden existiert schwerer, denn die Ressourcen einer Familie, vor allem ein Bildungsgefälle, das besonders Frauen benachteiligt. Geld für Schulbildung und Gesundheit, kommen erst ein- Das Bildungsgefälle zwischen Nord und Süd bezieht sich mal vorrangig den männlichen Familienmitgliedern zugu- vor allem auf den Bereich der formalen Bildung. Die Palette te. Insgesamt führt das dazu, dass Mädchen und Frauen der non-formalen Angebote der Bildung nimmt leicht zu. in vielen Teilen der Welt systematisch stark benachteiligt Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar- sind und nicht die gleichen Lebenschancen und -möglich- beit und Entwicklung zitiert aus einer Studie der Weltbank keiten erhalten wie Jungen und Männer. „Die Ausbildung von Mädchen wirkt auf alle Dimensionen der Entwicklung: geringere Kinder- und Müttersterblich- DIGITALES LERNEN keit, eine geringere Fruchtbarkeitsrate, höherer Bildungs- stand bei Töchtern und Söhnen, höhere Produktivität und Digitale Technologien bieten ohne Zweifel ein erheb- besserer Umgang mit der Umwelt.“13 Für die Partner- liches Potential, um die wirtschaftliche Ent- länder der Aktion heißt das konkret: Steigt der wicklung eines Landes anzukurbeln. Bis- Anteil der Menschen, und damit auch der her aber setzen nur zu wenige Staaten Frauen, die als Grundvoraussetzung eine auf einen angemessenen Ausbau der gute Allgemeinbildung genossen ha- Infrastruktur digitaler Technologien. ben, steigt auch der Anteil der Men- Laut des Artikels „Die digitale Kluft schen, die das Land mit Hilfe ihres zwischen Männern und Frauen“ 10 Wissens und erworbenen Fähigkei- profitieren über 250 Millionen we- ten in seiner Entwicklung unterstüt- niger Frauen als Männer von den zen können. Online-Möglichkeiten, wodurch ih- nen ein essentieller und alternativer BENACHTEILIGUNG Zugang zu Informationen, Bildung Insgesamt ist die Situation im Bereich und Teilhabe verwehrt bleibt. Bei der der Bildung mit Blick auf die weib- Digitalisierung besteht nicht nur ein Ge- liche Bevölkerung weiterhin erschre- fälle zwischen dem globalen Norden und ckend. Die Partizipation von Mädchen und dem Süden und zwischen Männern und Frauen, Frauen beim Erwerb von Bildungsabschlüssen sondern zusätzlich zwischen Stadt und Land. Auch die Nut- nimmt zwar weiter zu, der Anteil der Frauen in höheren zung von jungen Menschen im Vergleich zu älteren Men- Bildungswerdegängen ist jedoch weiterhin unterreprä- schen unterscheidet sich erheblich. Von denjenigen, die sentiert. Weltweit gemessene (statistische) Gesamtdaten berichten, dass sie von neuen Technologien profitieren, ist zeigen zudem, dass nur 39 Prozent der Mädchen und im nur jede dritte Person eine Frau. Weiter heißt es in dem Gegenzug dazu 45 Prozent der Jungs aus ländlichen Regi- Artikel, lediglich 24 Prozent der Jobs in der Technologiein- onen des globalen Südens zur Schule gehen. Vor allem in dustrie weltweit seien von Frauen besetzt. Das Potenzial strukturschwachen Räumen des Südens ist die Versorgung für die politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe der der Menschen mit schulischer Bildung generell ein riesi- 11 https://www.unwomen.org/en/news/in-focus/commission-on-the-status-of-women-2012/facts-and-figures 12 Gleichberechtigung der Geschlechter in der deutschen Entwicklungspolitik, Übersektorales Konzept, BMZ-Strategiepapier 2|2014, Hrsg. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe (BMZ), Öffentlichkeitsarbeit, digitale Kommunikation und Besucherdienst, Bonn, Mai 2014 13 https://www.bmz.de/de/themen/frauenrechte/arbeitsfelder_und_instrumente/bildung/ 8
THEMA DEFINITION BILDUNG Wird von Bildung im Allgemeinen gesprochen, sind zumeist drei Bereiche darin eingeschlossen: 1. die formale Bildung, darin eingeschlossen ist der i Förderung der Gleichstellung, sondern vor allem auch für die Beschleunigung der ökonomischen und sozialen Ent- wicklung des Globalen Südens. Mit Ausnahme von Sambia ist laut Daten der Weltbank aus dem Jahr 2019 in den Part- nerländern der Aktion Minibrot der Anteil von weiblichen gesamte Zweig der schulischen und akademi- Arbeitskräften gemessen an der Gesamtzahl der zur Verfü- schen Bildung, gung stehenden Arbeitskräfte im vergangenen Jahr erneut 2. die non-formale Bildung, die jegliche Bildungs- zurückgegangen.15 maßnahme zur Persönlichkeits- oder sozialen Bildung außerhalb von Schule einschließt EINKOMMEN 3. und schließlich die informelle Bildung, die alle Zuvor erwähnten wir bereits, dass das Durchschnittsein- Lernprozesse aus täglichen Alltagserfahrungen kommen von Frauen weltweit 20 Prozent unter dem und unmittelbaren Umgebung einschließt. Durchschnitt des Einkommens von Männern liegt. Nur 15 Prozent dieser Gehaltslücke bilden den tatsächlichen Bereich ab, innerhalb dessen Frauen bei gleicher Quali- fikation und Tätigkeit durchschnittlich weniger verdienen ges Problem. Insgesamt gehen weltweit nur 66 als Männer. Berechnungen zufolge lag der Unter- Prozent der Jungen und Mädchen nach dem schied des Gehaltes innerhalb dieses Bereichs Abschluss der Elementarbildung auf wei- zuletzt (2014) bei sechs Prozent.16 Die an- terführende Schulen. Es ist paradox, dass deren knapp 75 Prozent der Gehaltslücke das Wissen über komplexe Vorgänge liegen dagegen in strukturellen Unter- der Technologie, über Prozesse der schieden in der Erwerbstätigkeit der Physik, Chemie oder gar der Biosyn- weiblichen Bevölkerung begründet. So these von lebenden Organismen mit arbeiten Frauen häufiger in Branchen Hilfe von Frauen an den Forschungsin- und Berufen, in denen die Bezahlung stituten entwickelt wurde und dennoch verhältnismäßig schlecht ist und in de- Frauen weltweit noch immer die Teilha- nen sie nur schwer in Führungspositionen be an Bildung strukturell verwehrt blei- aufsteigen können. Außerdem sind Frauen ben. – Heute besuchen bereits 40,6 Prozent öfter als Männer in 400 Euro-Jobs beschäftigt der Mädchen nach dem Abitur eine Universität oder arbeiten in Teilzeit, was die Einkommens- und liegen damit im Vergleich zu ihren männlichen berechnungen entsprechend beeinflusst. Absolventen, die 35,6 Prozent erreichen, über der Quote. Was eine Förderung der Bildungsteilhabe weiter bewirken FRAUENQUOTE könnte, ist damit denkbar. In diversen Minibrotmappen, Überraschenderweise zeigen einige der ärmsten Länder zuletzt 2018, hatten wir uns bereits ausführlich mit den der Welt den höchsten Anteil weiblicher Arbeitnehmer. In Zukunftschancen im Bereich der Bildung in unseren Part- den fünf Ländern Simbabwe, Malawi, Gambia, nerländern beschäftigt. – Daher wissen wir heute, dass Liberia und Tansania südlich der Sahara in Bildung das Potential für den sozialen Wandel und der machen Frauen mindestens 50 Pro- Überwindung von Armut sowie der Kindersterblichkeit, zent der Erwerbstätigen aus. Im vor allem in ländlichen Gebieten, steckt. Vergleich dazu liegt der Anteil der Frauen im europäischen ERWERBSTÄTIGKEIT UND FRAUEN Erwerbsmarkt bei 46,5 Pro- zent. Laut Untersuchungen Nur vier von zehn erwerbstätigen Menschen weltweit sind der ILO (International Labor weiblich. Gleichzeitig aber verrichten Frauen im Durch- Organization) ging in vie- schnitt dreimal so viel unbezahlte Arbeit in Form von Tä- len Ländern der Welt, vor tigkeiten im Haushalt oder der Pflege wie ihr männliches allem aber in den Indus- Pendant. In Indien erledigen Frauen sogar zehnmal so vie- trieländern, der steigen- le unbezahlte Tätigkeiten. Berechnungen zufolge würde de Anteil der weiblichen es auf Grundlage der heutigen Ergebnisse weitere 257,3 Bevölkerung im Erwerbs- Jahre andauern bis der Gender Gap geschlossen wäre. markt historisch betrach- Diese Aussage steht im Kontrast zu der Berechnung, dass tet mit einer Zunahme des die Schließung der Lücke aller vier anfangs aufgelisteten Wiedereinstiegs verheirateter Bereiche zusammengefasst lediglich 99,9 Jahre andauern Frauen in den Beruf, sowie mit würde.14 Damit zeigt sich, wie wichtig und bedeutend einem Anstieg der Bildungsab- es ist, die Teilhabe von Frauen in allen Bereichen der Er- schlüsse von Frauen einher. Gleichzei- werbstätigkeit zu steigern – und das gilt nicht nur für die tig aber ist für das Verständnis der Daten 14 Global Gender Gap Report 2020 Hrsg. World Economic Forum, 2019 15 https://data.worldbank.org/indicator/SL.TLF.TOTL.FE.ZS 16 Gehaltslücke zu Männern Frauen verdienen 20 Prozent weniger, Stand: 16.03.2020 12:41 Uhr, https://www.tagesschau.de/inland/gehaltsluecke-maenner-frauen-101.html 9
REALITÄTENCHECK in Bezug auf die Gehaltslücke wichtig zu beachten, dass suchten Ländern in der Studie des World Economic Forum mit diesen Entwicklungen eine Reduktion der täglichen unter 92 Prozent18 - wäre es falsch, daraus abzuleiten, Arbeitszeit von Frauen einherging.17 dass überall auf der Welt Frauen und Mädchen, Männer und Jungen eine gute und sichere Gesundheitsversorgung Wenig überraschend ist, dass eine wachsende Partizipati- erhalten. Die statistischen Dunkelziffern in diesem Be- on von Frauen in bezahlten Jobs davon abhängig ist, dass reich sind enorm und die Messwerte fehlerhaft19. Heute eine Geschlechtergerechtigkeit bei der Übernahme häusli- ist bekannt, dass auch die Minderung von Armut cher Pflichten hergestellt wird oder eine verbesserte Ver- eine wichtige Barriere für die Gesundheit einbarkeit zwischen Familie und Beruf vor allem für Frauen ist. Erstaunlicherweise aber hat die Ar- verwirklicht wird. Nicht weniger bedeutend wird es sein, mutsforschung ergeben, dass die Be- endlich überall auf der Welt Gesetze und gesellschaftliche lastung durch Armut stärkere Aus- Normen zu schaffen, sodass Frauen gleichberechtigte Ein- wirkung auf die Gesundheit von kommenschancen und berufliche Perspektiven vorfinden. Frauen als auf die von Männern bewirkt.20 GESUNDHEIT GESUNDHEITSSEKTOR 70 Prozent der weltweiten Jobs Insbesondere die Situation von Frauen und Mädchen im in der Gesundheitsbranche wer- Bereich der Gesundheit unterliegt einer besonderen Be- den von Frauen besetzt.21 Es lie- obachtung. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufol- gen Daten vor, nach denen Frauen ge ist das Geschlecht eines Menschen in Bezug auf die aufgrund ihrer genetischen Voraus- Bewertung und Messung von Gesundheitsdaten relevant. setzung und sozialen Einstellung eine Gründe dafür liegen in biologischen beziehungsweise ge- höhere Empathie aufbringen und ein bes- netischen wie auch genderspezifischen-gesellschaftlichen seres Händchen bei der Ausführung von Dienst- i Unterschieden. leistungen im Bereich der Gesundheit, ihren männlichen Kollegen gegenüber haben. Viele Frauen entscheiden sich deshalb, wohlwissend, dass die Bezahlung oft schlecht UNGENAUIGKEIT DER DATEN und die Arbeitsbedingungen wenig optimal sind, bewusst Heute ist bekannt, dass einige Ausgangsdaten zum für einen Job im Gesundheitssektor. Frauen übernehmen Thema Sterblichkeit und Gesundheit von Frauen feh- damit eine führende Rolle bei der Sicherstellung von Ge- lerhaft sind. Verantwortlich dafür ist der sogenannte sundheit und Wohlbefinden. Es ist paradox, dass ange- Gender Bias (geschlechtsbezogener Verzerrungsef- sichts dieser Zahlen wiederum nur 25 Prozent der führen- fekt), der aufgrund einer zu geringen Berücksich- den Positionen oder Ämter von Frauen besetzt werden. tigung der jeweiligen geschlechtsspezifischen Vor- - Stattdessen diskriminiert man Frauen selbst dort, wo ihr aussetzungen und Unterschieden zustande kommt. natürliches, soziales Potential das der Männer übersteigt Mit Hilfe von Hochrechnungen aus dem Geschlech- und reduziert sie auf Grundlage bisheriger gesellschaftli- terverhältnis einer Bevölkerung konnte ein fehler- cher Normen auf einen minderwertigen Status.22 haftes Verhältnis und damit eine zu geringe Anzahl der in den Statistiken zur Geschlechtergerechtigkeit PSYCHE aufgeführten Frauen ermittelt werden. Diskriminierende Faktoren, wirken sich weltweit negativ auf die physische sowie psychische Gesundheit aus. Sie finden ihren Ursprung in einem ungleichen Machtverhält- Im Allgemeinen gilt, Frauen und Mädchen nis, in soziale Normen, welche Bildung und Erwerbstätig- werden noch immer soziokulturell be- keit von Mädchen und Frauen behindern, in einer vorrangi- nachteiligt und aufgrund ihres Ge- gen Fokussierung auf die reproduktiven Fähigkeiten sowie schlechts diskriminiert. Diese Bar- in einer fehlenden Berücksichtigung weiblicher Krank- rieren wirken sich auch auf die heitsbilder und Belange. Ein weiteres weltweit auftreten- Versorgung von Frauen in gesund- des Phänomen ist die hohe Quote der gesundheitlichen heitsrelevanten Fragen aus. Auch Instabilität von Frauen infolge emotionaler, sexueller und wenn die Lücke der Geschlechter körperlicher Gewalt und Vernachlässigung in Männer-do- im Bereich Gesundheit und Sterb- minierten Gesellschaften. Die wachsende Verwundbarkeit lichkeit weltweit mit 97 Prozent von Frauen und Mädchen zeigt sich anhand der jährli- nahezu geschlossen ist – und tat- chen Neuinfektion mit HIV/Aids als Folge fehlender sexu- sächlich liegt keines der 153 unter- eller Selbstbestimmung und körperlicher Ausbeutung.23 17 Working women: Key facts and trends in female labor force participation, Esteban Ortiz-Ospina and Sandra Tzvetkova, 16. Oktober 2017, https://ourworldindata.org/female-labor-force-participation-key-facts 18 Global Gender Gap Report. Insight International, Word Economic Forum, Schweiz 2019, 19 Vergleiche dazu den Artikel „Ungenauigkeit der Daten“ 20 Vgl. Fußnote 11, 21 Women make up most of the health sector workers but they are under-represented in high-skilled jobs, OECD, März 2017, https://www.oecd.org/gender/data/women-make-up-most-of-the-health-sector-workers-but-they-are-under-represented-in-high-skilled-jobs.htm 22 Female health workers drive global health, WHO, März 2019, 23 World Health Organization; Women`s health, https://www.who.int/topics/womens_health/en/ 10
GEWALT tur aber auch ein geringeres Bemühen der männlichen Weltweit sind schätzungsweise noch immer 500 Millionen Bevölkerung in Gesundheitsaspekten einhergehend mit Frauen von häuslicher Gewalt betroffen. Die Quote der einer mangelnden Wahrnehmung von Maßnahmen der Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, liegt Vorsorge. Die Suizidrate von Männern liegt 75 Prozent dagegen weiterhin um ein Vielfaches niedriger, gleichzei- über der Rate der Frauen. Männer sterben zudem weltweit tig aber sind Männer 70 Prozent häufiger in der Gewal- zweimal so häufig an Unfällen im Straßenverkehr. - Ein tausübung verwickelt. Aus Berichten des Portals Global risikoreicher Lebensstil sowie Differenzen in genetischen Citizen24 geht hervor, dass nach Aussage der UN jedes Jahr Voraussetzungen und weniger ausgeprägte soziale Bin- 50.000 der Betroffenen an den Folgen häuslicher Gewalt- dungen sind darüber hinaus ebenfalls ausschlaggebende einwirkung sterben. Eine Ursache für diese erschütternde Faktoren für die Unterschiede bei der Sterblichkeit von Quote seien vor allem stereotype, autoritäre männliche Männern und Frauen.28 Rollen. Weiterhin heißt es „Von den insgesamt 50.000 weiblichen Opfern häuslicher Gewalt wurden die meisten Verschiedene Studien zeigten, dass die Einflussnahme auf Todesfälle im weltweiten Vergleich in Asien dokumentiert die Geschlechtergerechtigkeit sich bei jungen Mädchen im (20.000), dicht gefolgt von Afrika (19.000). In Indien bei- Vergleich zu Frauen deutlich einfacher verwirklichen lässt. spielsweise spielen Mitgift Morde bei der Verheiratung eine überdurchschnittlich große Rolle. Werden die jeweili- gen Einwohnerzahlen der Regionen berücksichtigt, ist die Situation für die Frauen in Afrika am gefährlichsten. SCHWANGERSCHAFT Weitere Faktoren, die Frauen jedoch nicht Männer betref- fen und deren Gesundheit und Überlebensquote beein- flussen, sind Praktiken der Genitalverstümmlung so- wie das Gesundheitsrisiko durch Schwangerschaft und Geburt. In Entwicklungsländern ist das Risiko infolge einer Geburt zu sterben sogar 25 Mal hö- her als in OECD25 Ländern. - Täglich stirbt eine von 41 Frauen an den Folgen. In OECD Län- dern liegt die Quote bei 1:3300. Die Lebens- erwartung von Frauen dagegen liegt sogar 18,1 Jahre unter dem Mittelwert in den OECD Staaten. Durchschnittlich sind angesichts des Verhältnisses von Angestellten im Gesund- heitssektor und der Bevölkerungszahlen in den Nicht-OECD Ländern 4 Krankenschwes- tern für 1000 Patienten zuständig.26 LEBENSERWARTUNG Entgegen der vielen genannten Risiken liegt die Lebenserwartung von Frauen in allen Län- dern der Welt mit lediglich drei Ausnahmen (Kuwait, Butan und Bahrain in den arabischen Emiraten) über der Lebenserwartung der Männer. Man nennt dieses Phänomen in der Wissenschaft Health-Survival Paradox oder Sterblichkeits-Morbidi- täts-Paradoxon. Die statistische Lebenserwartung hat sich im letzten Jahrhundert weltweit massiv erhöht. Die maximale Lebenserwartung dagegen hat sich nicht ver- ändert.27 In Ländern, wo die gesundheitliche Versorgung von Frauen schlecht ist, ist allerdings der Unterschied der zu erwartenden Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen weniger stark ausgeprägt. Ursachen dafür sind vielfach eine schlechtere generelle Gesundheitsinfrastruk- 24 Weltweit sterben jedes Jahr 50.000 Frauen durch häusliche Gewalt, Pia Gralki, Juli 2019, veröffentlicht von https://www.globalcitizen.org/de/content/ un-bericht-frauen-haeusliche-gewalt/ 25 OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) ist eine Organisation zur Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenarbeit und Entwicklung weltweit. Sie stützt sich auf die Zusammenarbeit mit Regierungen. Der Organisation haben sich mittlerweile 37 Staaten angeschlossen, verteilt auf Nord- und Südamerika sowie Europa und Asien. Bisher ist keines der Afrikanischen Länder Mitglied der Organisation. (http:// www.oecd.org/berlin/dieoecd/) 26 Uneven access to health services drives life expectancy gaps: WHO, März 2019, Schweiz 27 Breaking the Ceiling of Human Maximal Life span. J Gerontol, aus the Journal of Gerontology, Series A: Biological Sciences and Medical Sciences, 2018 28 Indicators of Health Expactancy, Weltbank, 29 Women in Politics_Women in Ministerial Positions_Map_1stJan.2020, WHO, März 2020 11
REALITÄTENCHECK POLITISCHE TEILHABE B ei der politischen Teilhabe von Frauen besteht Nachholbedarf. - Mit nur 25 Prozent Gleichberech- tigung beziehungsweise Vergabe der besetzen Sitze mentssitze werden dort durch Frauen besetzt. Kenia folgt mit Platz 58 und 26,1 Prozent der Sitze. Die Vereinigte Republik Tansania liegt mit Platz 84 und 21,7 Prozent im Parlament an Frauen weltweit sind sie innerhalb Ministerinnen im Mittelfeld während Indien mit 134 nur der Politik extrem unterrepräsentiert. Gründe für das 12,7 Prozent der Parlamentssitze an Frauen vergeben hat. unausgeglichene Verhältnis liegen tief verwurzelt mit Außer in Indien haben sich die Zahlen in allen Partner- hinderlichen sozioökonomischen Gesellschaftsstruk- ländern leicht verbessert. Zum Vergleich sei hinzugefügt: turen, die es aufzulösen gilt. Deutschland belegt im Vergleich Platz 26, wobei 40 Pro- zent der Sitze weiblich besetzt sind. Werfen wir einen kurzen Blick auf einige Daten zu den Partnerländern der Aktion Minibrot29: Die Länder Afrikas, In Anbetracht der insgesamt zur Verfügung stehenden südlich der Sahara, erreichen einen durchschnittlichen Sitze in den Parlamenten werden derzeit global nur 20 Wert von 21,1 Prozent Gleichberechtigung bei der politi- Prozent der staatlichen Ämter der Ministerien von Frauen schen Mitsprache. Von insgesamt 182 Rängen (doppelte bekleidet. Gleichzeitig gilt: Je höher das politische Amt, Platzvergabe möglich) der Statistik Women in Ministerial desto mehr schrumpft der Anteil der Frauen. – So über- Positions der WHO aus Januar, belegt Sambia erneut mit rascht es nicht, dass mehr als 60 Prozent aller Staaten bis Platz 43 einen besseren Platz als die übrigen Partnerländer heute nie von einer Frau politisch angeführt wurde. 2019 der Aktion Minibrot. 32,3 wurden 11 Frauen weltweit als Staatsführer*innen gelis- Prozent der Parla- tet, weitere 12 Frauen agierten als Parlamentsvorsitzen- de.30 Hervorzuheben sind auf dem afrikanischen Kontinent die Länder Ruanda (61,3 Prozent), Südafrika und Äthiopi- en, die bereits mehr als 50 Prozent der politischen Ämter weiblich besetzt haben. 27 Staaten zählen weniger als 10 Prozent Frauen in parlamentarischen Ämtern, 3 Kammern werden ausschließlich von Männern bekleidet.31 Die International Organization of Parliaments (IPU) fand heraus, dass einer Inklusion der weiblichen Bevölke- rung in politischen Aktionsfeldern zahlreiche Hand- lungsschritte voraus gehen müssen, welche auf die Einbindung von Frauen in Entscheidungsgremien jeglicher Art abzielen. Dort, wo Gemeinschaften in ihren indigenen oder kulturellen Bezügen und Strukturen leben, existieren häufig eigene Rah- men, die sich nicht nur von parlamentarischen, Ordnungen und staatlichen Rahmenbedingun- gen abgrenzen, sondern auch eine Inklusion er- schweren.32 Weltweit nimmt das Verlangen nach politischer Mitbestimmung von Frauen jedoch zu. In der Agen- da 2030 wurden die Partizipation von Frauen und die Verbesserung der politischen Mitbestimmung in den 17 Nachhaltigkeitszielen fest verankert.33 Dieser Schritt ist wichtig, um langfristig die Staaten zu einer Geschlechter unabhängigen Beteiligung zu bewegen und ein Bewusstsein zu schaffen, dass Frauen sowie Männer gleichermaßen an der Entscheidungsfindung gewichtiger Aspekte, die ihr zukünftiges Leben beeinflussen, partizi- pieren und involviert werden müssen. 30 Facts and figures: Leadership and political participation, UN Women, 2019, https://www.unwomen.org/en/what-we-do/lea 31 Global Gender Gap Report, Word Economic Forum, 2019 32 Participation of Women in Politics: Worldwide experience; Dr Pankaj Kumar; Dezember 2017, erschienen in IOSR Journal Of Humanities And Social Science, Folge 6 33 Women‘s equal political participation, UNDP, 2019, https://www.undp.org/content/undp/en/home/ourwork/democratic-governance-and-peacebuilding/ inclusive-political-processes/women-s-equal-political-participation/ 12
GASTBEITRÄGE PRAXISBERICHTE VON Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung betroffen als Männer. Sie arbeiten wesentlich öfter in unsicheren und MITARBEITER*INNEN IN schlecht bezahlten Tätigkeiten, sind häufiger ungerechten INTERNATIONALEN KONTEXTEN oder ungesunden Arbeitsbedingungen ausgesetzt und werden Opfer von Diskriminierung und sexuellen Übergrif- FAIRER HANDEL UND GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT34 fen am Arbeitsplatz. In den vielen Beichten ist klar geworden, dass Frauen welt- weit strukturell benachteiligt werden – auf gesellschaftli- [...] Eine wirtschaftliche Stärkung von Frauen käme nicht cher, finanzieller und politischer Ebene. Ein mögliches Lö- nur den Frauen selbst, sondern der Gemeinschaft insge- sungsmodell in diesem Dilemma bietet der Faire Handel. samt zugute. Der Grund: Frauen investieren ihr Einkom- In der Reihe Kompass Fairer Handel des Forum Fairer Han- men häufiger in Ernährung, Bildung, soziale Aktivitäten del wird folgendes berichtet: und Gesundheit. [...] „Der Faire Handel setzt sich aktiv für eine Gleichberech- tigung von Frauen und Männern ein. So zeigt die Studie Der Faire Handel leistet dazu einen wichtigen Beitrag, Geschäftsmodelle, die Frauen stärken“35 der World Fair Tra- denn: Die Förderung der Gleichberechtigung von Frau- de Organization (WFTO), dass Frauen in Fair-Handels-Un- en gehört zu den international definierten Grundsätzen ternehmen deutlich mehr Chancen haben, ein eigenes des Fairen Handels. Im Fairen Handel erhalten Frauen ei- Einkommen zu erwirtschaften und ihre Potenziale zu ent- nen gerechten Lohn für ihre Arbeit. Darüber hinaus wer- falten.“ Wie der Faire Handel Chancen erhöhen kann, zeigt den sie in Entscheidungsprozesse einbezogen und bei sich an folgender Beschreibung des Forums, die an den der Entfaltung ihrer Potenziale gefördert – zum Beispiel vorher von uns genannten Ergebnissen des World Econo- durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. mic Forum anknüpft: Fair-Handels-Unternehmen ermutigen Frauen, Positionen mit Entscheidungsverantwortung sowie Führungsrollen zu ARMUT IST EIN WEIBLICHES PROBLEM übernehmen. So erreichen laut WFTO-Studie Frauen, die „Frauen bekommen für die gleiche Arbeit oft weniger in Fair-Handels-Unternehmen tätig sind, mit einer viermal Lohn als Männer und sind seltener in Führungspositionen so hohen Wahrscheinlichkeit eine Position in der obers- vertreten – das gilt für den Globalen Norden wie für den ten Führungsebene als in anderen Unternehmen. Das Er- Globalen Süden. Im Globalen Süden haben Frauen und gebnis: 52 % der Fair-Handels-Unternehmen werden von Mädchen darüber hinaus oft keinen Zugang zu wichtigen Frauen geführt. Fair-Handels-Organisationen leben so vor, Ressourcen wie Bildung, einem eigenen Einkommen, Land wie in Zukunft Frauen in Führungspositionen gesellschaft- oder Krediten. Damit sind sie stärker von Armut betrof- liche Normalität werden. [...] Wenn es darum geht, globale fen als Männer: Von rund 700 Millionen Menschen, die Herausforderungen wie Armut und Hunger in den Griff zu weltweit in Armut leben, sind 70 % Frauen. Insgesamt bekommen, führt kein Weg an der Stärkung von Frauen sind Frauen entlang globaler Lieferketten viel stärker von vorbei.“ 34 Der gesamte unten zitierte Text stammt aus der Reihe Kompass Fairer Handel, Hrsg.: Forum Fairer Handel e.V., V.i.s.d.P.: Manuel Blendin; Stand: Dezem- ber 2019 35 Das vorliegende Factsheet fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie zusammen. Die deutsche Fassung der Studie wurde im März 2019 vom Forum Fairer Handel herausgegeben und kann in der Materialdatenbank des Forum Fairer Handel unter www.forum-fairer-handel.de/materialien herun- tergeladen werden.Foto: Bagdha Enterprises 3 Siehe www.wfto.com 13
GASTBEITRÄGE ARMUT KENNT KEINE GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT „W ird’s ein Junge oder ein Mädchen?“ Werdende El- tern hören häufig diese Frage. Die Verschiedenheit der Geschlechter ist uns in die Wiege gelegt. Beim „Gen- fährlich. Die weibliche Improvisation aber auch Einschrän- kung und Scham fangen bei dem banalsten Bedürfnis an. dern“ kann es somit nicht um eine Gleichmacherei gehen. Vielmehr muss sich jede Gesellschaft und Kultur die Fra- In meiner Gastfamilie war die Sonderstellung des Jun- ge stellen, wie sie im Lebensvollzug den verschiedenen gen gegenüber dem Mädchen spürbar. Ein kulturell gut Geschlechtern gerecht wird. Bildung, Empowerment und gemeintes Phänomen der Stärkung des zukünftigen Fa- das Hinterfragen von Rollenbildern sind dabei sicherlich milienoberhaupts verkommt im Kontext von Armut und zentrale Schlüssel. Es geht aus meiner Sicht um weit mehr Missdeutung angesichts moderner Lebensvollzüge. Die als um „gleiches Recht“ (Gleich-Berechtigung) für alle Ge- anerzogene männliche Macht als Beschützerfunktion von schlechter – sind wir doch rein biologisch schon verschie- Frau und Familie wird immer wieder zur missbrauchten den. Macht angesichts der Schutzlosigkeit von Frauen und Kin- dern in der rauen Lebenswelt. „Mit der Begründung ‚weil ich ein Mann bin‘, komme ich hier in Deutschland nicht weiter“, gestand mir ein Freund, „Komm in unseren Women Debating Club“, lud mich wäh- der vor einigen Jahren von Kenia nach Deutschland aus- rend meiner Kenia-Zeit eine Gruppe von wohlhabenden wanderte. gebildeten jungen Frauen ein. Zwischen Gender Gap und Culture Gap hätte es sicherlich viel Raum zur Diskussion Einer in Nairobi (Kenia) lebenden Studentin stellte ich die gegeben. Ich trat der Initiative damals nicht bei. Ein paar Frage, welche Erfahrung sie mit Geschlechtergerechtigkeit Tage später aber hielt ich das Baby einer vierzehnjährigen in Kenia macht. Ihr Fazit: „Armut kennt keine Geschlech- Mutter aus dem Volk der Massai in der Hand. Der Vater des tergerechtigkeit. In Kenia fehlt es vielen Eltern bzw. Für- Babys war ca. 50 Jahre alt. Es war der Onkel der minder- sorgenden an stabilen wirtschaftlichen Möglichkeiten, um jährigen Mutter. Heranwachsende in Bezug auf Bildung, ja sogar Nahrung, Kleidung und Wohnraum ausreichend zu unterstützen. Die Sprachlosigkeit statt Debattierfreudigkeit trifft meine Er- Sehnsucht nach einem besseren Leben verleitet viele auf fahrung zur Geschlechtergerechtigkeit in Kenia. Und doch sich gestellte Mädchen und junge Frauen, sich an einen mischt sich unter meine Sprachlosigkeit viel Hoffnung. Ich vermeintlich wohlhabenden Mann zu binden oder gegen habe viele selbstbewusste, taffe und willensstarke Frauen Sex an Geld zu kommen – z.B. auch für Slipeinlagen, um erlebt. „Es sind am Ende doch die Frauen, die alle Belange dem Unterricht während der Monatsblutung nicht fern des Lebens unter einen Hut zu kriegen versuchen: Geburt, bleiben zu müssen.“ Betreuung, Erziehung, (finanzielle) Sicherheit der Kinder und gleichzeitig persönliche Verwirklichung in beruflichen Als ich vor 11 Jahren während meines Freisemesters ein Belangen sowie in der Freizeit“, schreibt mir die keniani- halbes Jahr in Kibera, einem Slum am Rande von Nairo- sche Studentin. bis Hauptstadt lebte, erfuhr ich die Herausforderung des Frauseins hautnah. Für Frauen ist nach Einbruch der Dun- Kommt uns das nicht aus der in Deutschland geführten kelheit der Weg zur Gemeinschaftstoilette außerhalb des Debatte bekannt vor? Compounds (Wohneinheit von mehreren Familien) zu ge- Magdalena Onyango, Missioreferentin und Dipl. Theologin, im Erzbistum Paderborn 14
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