Nährboden für die Transformation 2022 - CHEMIE TECHNIK
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2022 www.chemietechnik.de INDUSTRIEPARKS 2022 INDUSTRIEPARKS CHEMIE/PHARMA IN EUROPA Nährboden für die Transformation 1CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks
Verlagsspecial VERLAGSSPECIA industrieWASSER Produktion • Technik • Entsorgung Das Verlagsspecial industrieWASSER informiert Investitionsentscheider in den produzierenden Industrieunternehmen der Papierindustrie, Chemie-, Pharma-, Lebensmittelindustrie, Automobilindustrie und dem Apparate- und Maschinenbau über Technik, Best Practice und Trends. Themenschwerpunkte: Anlagen zur Erzeugung von Brauch- und Trinkwasser sowie für besondere Anforderungen (z. B. VE-Wasser, Reinstwasser und WFI für die Pharmaproduktion) effizienter Umgang mit Wasser, Kreislaufführung Reinigung von Industrieabwasser • Umsetzung der vierten Reinigungsstufe • Energieeffizienz: das Klärwerk als Kraftwerk Fördertechnik (Pumpen, Kompressoren, Industriearmaturen) Filtrations- und Seperationsstechnik Mess- und Automatisierungstechnik Organisation und rechtlicher Rahmen (Normen, Richtlinien, Anforderungen) Digitalisierung / Wasser 4.0 ER d u s t r i eWASS in : Zielgruppe: 1/2022 FAT! I Mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren erreicht industrieWASSER die U S G A B E ZU R Entscheider der Industrie und greift dazu auf die Vertriebskompetenz der A Fachzeitschriften CHEMIE TECHNIK, Pharma+Food, Plastverarbeiter, Produktion, Automobilproduktion, neue verpackung und Instandhaltung zurück. Auflage: 10.000 Exemplare Ausgabe 1/2022: Ausgabe 2/2022: Anzeigenschluss: 27.04.2022 13.09.2022 Erscheinungstermin: 24.05.2022 11.10.2022 Infos unter: Tel. +49 (0) 6221 489-207 Hüthig GmbH Tel.: +49 (0) 6221 489-207 Im Weiher 10 www.huethig.de D-69121 Heidelberg
EDITORIAL Dem Wandel den Boden bereiten In der öffentlichen Wahrnehmung haben Industrie- Die gesellschaftliche Rolle von Industrieparks wird der- parks einen schweren Stand. Das furchtbare Unglück, zeit in einer weiteren Frage deutlich: der Begrenzung der das sich Ende Juli im Chempark Leverkusen ereignet hat Klimerwärmung. Wie beim Thema Sicherheit gilt auch und insgesamt sieben Menschenleben forderte, hat dies hier: Die akademische Diskussion ist essenziell und in noch weiter verstärkt. Auch in großen Publikumsmedi- der Frage nach dem Ob darf es keine zwei Meinungen en wurde und wird nun intensiv über die Sicherheit von geben. Der tatsächliche Wandel, um die politischen und Chemieparks und insbesondere deren Nähe zur Wohn- von der Industrie selbst gesteckten Ziele zu erfüllen, bebauung gesprochen (historisch korrekt müsste man muss jedoch „on the ground“ stattfinden. Und auch hier eigentlich andersherum von der Nähe der Wohnbebau- sind Industrieparks bessser als ihr Ruf und unternehmen ung zu den Chemieparks sprechen, da diese in der Regel große Anstrengungen, um dem notwendigen Wandel dort vorher entstanden). buchstäblich den Boden zu bereiten: An den großen Verstehen Sie mich nicht falsch: Diese Diskussion ist Chemiestandorten Deutschlands von Dormagen bis absolut richtig und die Industrie muss alles Menschen- Leuna und in ganz Europa entstehen derzeit Projekte, mögliche daran setzen, um solche Unfälle zu vermeiden, die zum Ziel haben, CO2-Emissionen in der Industrie zu die Sicherheitsstandards immer wieder zu überprüfen reduzieren. Einige von diesen wie verschiedene Wasser- und zu verbessern. Fehlgeleitet ist aus meiner Sicht aber stoff-Vorhaben oder die Entwicklung eines Elektro- der Fokus in der Diskussion auf Chemieparks. Denn Steamcrackers stellen wir in dieser Ausgabe vor. Auch in wenn wir nicht auf die Produktion von Chemikalien den Porträts verschiedener Chemieparks im hinteren gänzlich verzichten – und das kann niemand ernstlich Teil des Heftes nimmt Nachhaltigkeit eine immer größe- wollen – werden wir uns deren Risiken stellen müssen. re Bedeutung ein. Sie sind bei aller Vorsicht und Expertise nie völlig auszu- Wie eng die beiden großen Themen Sicherheit und schließen. Und hier sind gerade Chemieparks gut aufge- Nachhaltigkeit miteinander verbunden sind, hat ein stellt. Sie können sich besondere Sicherheitsstrukturen weiteres Ereignis 2021 gezeigt: die Flutkatastrophe im leisten – von spezialisierten technischen Dienstleistern Westen Deutschlands. Auch über deren Folgen berich- in der Nähe bis hin zu Werksfeuerwehren, die im Um- ten wir in diesem Heft. Ich wünsche Ihnen gute Erkennt- gang mit Gefahrstoffen geschult sind. Die Größe sorgt nisse beim Lesen! im Falle von Industrieparks also nicht für mehr Gefahr, sondern gerade im Gegenteil für mehr Sicherheit. Che- mische Anlagen möglichst dezentral über das ganze Was meinen Sie? Land zu verteilen, ist keine wünschenswerte Alternative. jona.goebelbecker@huethig.de Während die EU die Klimaziele bis 2050 wei- Steamcracker sind die Anlagen der Superlati- Die Überschwemmungen von Mitte Juli ter verschärft, haben sich viele Chemieunter- ve der chemischen Industrie – entprechend haben auch die Industrie getroffen. Wie re- nehmen bereits selbst konkrete Ziele gesetzt. hoch sind die Emissionen. Nun soll eine elekt- agieren die Betreiber von großen Chemie- Einen Überblick geben wir auf Seite 6 rische Alternative her. Seite 9 parks auf diese Risiken? Seite 16 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 3
INHALT Klimaziele der EU und großer Unternehmen Aktuelle Wasserstoff-Projekte in Europa Die EU hat ihre bis 2050 geplanten Klimaziele ver- Über mehr als 20 neue Wasserstoff-Projekte in Europa schärft. Viele Unternehmen der chemischen Industrie haben wir in den Monaten Mai bis Oktober berichtet. agieren bereits seit einigen Jahren aus eigenem Antrieb Unser Hotspot zeigt die Übersicht. Die Details zu den und haben sich selbst konkrete Ziele gesetzt. Ein Über- Vorhaben finden Sie auf www.chemietechnik.de. blick. Seite 6 Seite 12 Markt Strategie Instandhaltung und Modernisierung – Nachrichten 19, 23, 26, 34, 50 Chemieparks im Spannungsfeld von Greenfield und Brownfield 24 Transformation Die Katastrophe erlaubt kein Warten – Die Klimazie- Marktübersicht le der EU und großer Chemieunternehmen 6 Industrieparks in Europa 26 Den Klima-Fußabdruck im Blick – Elektro-Steam- cracker sollen die Chemie nachhaltiger machen 9 Hotspots Advertorials Aktuelle Wasserstoff-Projekte in Europa 12 Getec Park Swiss 36 Liquid Organic Hydrogen Carrier – Cechemnet 38 Dormagen angelt sich LOHC-Wasserstoffspeicher 15 2022 www.chemietechnik.de Industriepark Höchst 40 Pharmapark Siegfried 42 Sicherheit INDUSTRIEPARKS 2022 Chemiepark Gendorf 44 Hochwasser-Maßnahmen deutscher Chemieparks – Land unter – die Chemie auch? 16 TÜV SÜD Chemie Service 46 INDUSTRIEPARKS CHEMIE/PHARMA IN EUROPA Nährboden für die Transformation Standort Behringwerke in Marburg 48 Recht 1CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Bilder auf der Titelseite: Infraleuna, Getec, Infra- Guter Rat für den Sicherheitsbericht – serv Höchst, Pharmaserv Neuer Leitfaden für Störfall-Betriebsbereiche in Industrieparks 20 4 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Service Inserenten / Firmenverzeichnis ABB 14 Ineos 12, 23 Siemens 14 Air Liquide 13 Infraleuna 38, 50 Siemens Energy 6 BASF 6, 9, 14 Infraserv Gendorf 16, 44 Sunfire 50 BASF Schwarzheide 38 Infraserv Höchst 19, 40, 4. US Technip Energies 14 Bayer 6 Infraserv Wiesbaden 16 Thyssenkrupp 12 Chemie- und Industriepark Zeitz 39 Lanxess 6 Total Energies 14, 50 Chemiepark Bitterfeld-Wolfen 38 Linde 9 TÜV Süd 46 Covestro 6, 15 Merck 6 Uniper 13 Currenta 19 Naftogaz 13 VCI 6 Dow 9 Nobian 27 Worley 14 Dow Olefinverbund 39 Pharmaserv 48 Yncoris 16, 34 Engie 19 Planting 24 Everfuel 14 Port of Rotterdam 14 Evonik 6, 34, 50 RN Laboratories 26 Fraunhofer CBP 50 RWE 13 Fraunhofer IMWS 50 Sabic 9 Getec 26, 36 Shell 9, 13, 23 Hydrogenious LOHC Technologies 14 Siegfried 42 Impressum www.chemietechnik.de Ihre Kontakte: 51. Jahrgang Abonnement- und Leser-Service: ISSN 0340-9961 E-Mail: leserservice@huethig.de Tel: +49 (0) 8191 125-777 Kompendium Industrieparks, Chemie- und Anzeigendisposition: zur elektronischen/digitalen Verwertung, z.B. Pharmaindustrie, Biotech Martina Probst, Tel.: DW –248 Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen E-Mail: martina.probst@huethig.de Systemen, zur Veröffentlichung in Datennetzen sowie Vertrieb Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 50 vom 01.10.2021 Datenträger jedweder Art, wie z.B. die Darstellung im Vertriebsleitung: Hermann Weixler Sonderdruckservice: Rahmen von Internet- und Online-Dienstleistungen, Susanne Berger (Assistenz), Tel.: DW –247 CD-ROM, CD und DVD und der Datenbanknutzung und Abonnement- und Leserservice: das Recht, die vorgenannten Nutzungsrechte auf Dritte Hüthig GmbH, Leserservice, 86894 Landsberg E-Mail: susanne.berger@huethig.de zu übertragen, d.h. Nachdruckrechte einzuräumen. Die E-Mail: leserservice@huethig.de Bianca Bechtel (Assistenz), Tel.: DW –244 Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Abonnement: E-Mail: bianca.bechtel@huethig.de Warenbezeichnungen und dergleichen in dieser http://www.chemietechnik.de/abo/ Zeitschrift berechtigt auch ohne besondere Kennzeich- Bezugsbedingungen und -preise (inkl. ges. MwSt.) Verlag nung nicht zur Annahme, dass solche Namen im Sinne Inland € 178,05 zzgl. € 17,12 Versand = € 195,17 Hüthig GmbH, Im Weiher 10, 69121 Heidelberg, der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als Ausland € 195,17 zzgl. € 34,24 Versand = € 212,29 Telefon 06221/489–300, Fax: 06221/489–490, frei zu betrachten wären und daher von jedermann Einzelverkaufspreis € 20,00 inkl. ges. MwSt. & zzgl. www.huethig.de benutzt werden dürfen. Für unverlangt eingesandte Versand. Amtsgericht Mannheim HRB 703044 Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Mit Der Studentenrabatt beträgt 35 %. Geschäftsführung: Moritz Warth Namen oder Zeichen des Verfassers gekennzeichnete Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Kündigungsfrist: Leiter digitale Produkte: Daniel Markmann Redaktion dar. Es gelten die allgemeinen Geschäftsbe- jederzeit mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende. Leitung Zentrale Herstellung: Hermann Weixler dingungen für Autorenbeiträge. Erscheinungsweise: Sonderausgabe Herstellung: Herbert Schiffers Auslandsvertretungen Art Director: Jürgen Claus Liechtenstein, Schweiz: Redaktion Layout: Cornelia Roth interpress gmbh, Katja Hammelbeck, Dipl.-Ing. (FH) Armin Scheuermann (as), Druck: Vogel Druck und Medienservice GmbH, Ermatinger Str. 14, Chefredakteur, v. i. S. d. P., Leibnitzstraße 5, 97204 Höchberg CH-8268 Salenstein, Tel.: 06221/489–247, Fax: 06221/489–490 © Copyright Hüthig GmbH 2022, Heidelberg. Tel.: +41 (0) 71 552 02 12 , E-Mail: armin.scheuermann@huethig.de Fax: +41 (0) 71 552 02 10, Eine Haftung für die Richtigkeit der Veröffentlichung E-Mail: kh@interpress-media.ch Dipl.-Biochem. Ansgar Kretschmer (ak), Tel.: DW –400 kann trotz sorgfältiger Prüfung durch die Redaktion, E-Mail: ansgar.kretschmer@huethig.de vom Verleger und Herausgeber nicht übernommen Belgien, Frankreich: Jona Göbelbecker, M.A. (jg), Tel.: DW –206 werden. Die Zeitschriften, alle in ihr enthaltenen Carolyn Eychenne, 13 impasse Verbois, E-Mail: jona.goebelbecker@huethig.de Beiträge und Abbildungen, sind urheberrechtlich F-78800 Houilles, Susanne Berger (Assistenz), Tel.: DW –247 geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Tel.: +33 (0) 1 39 58 14 01, E-Mail: susanne.berger@huethig.de Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne E-Mail: carolyn@eychenne.me Bianca Bechtel (Assistenz), Tel.: DW –244 Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies Datenschutz: Ihre Angaben werden von uns für die E-Mail: bianca.bechtel@huethig.de gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset- Vertragsabwicklung und für interne Marktforschung zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung gespeichert, verarbeitet und genutzt und um von uns und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Mit der und per Post von unseren Kooperationspartnern über Anzeigen Produkte und Dienstleistungen informiert zu werden. Annahme des Manuskripts und seiner Veröffentlichung Head of Sales: in dieser Zeitschrift geht das umfassende, ausschließ- Wenn Sie dies nicht mehr wünschen, können Sie dem Sabine Wegmann, Tel.: DW –207 liche, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte jederzeit mit Wirkung für die Zukunft unter leserser- E-Mail: sabine.wegmann@huethig.de Nutzungsrecht auf den Verlag über. Dies umfasst vice@huethig.de widersprechen. Ausführliches zum Sales Manager: insbesondere das Printmediarecht zur Veröffentlichung Datenschutz und den Informationspflichten finden Sie Holger Wald, Tel.: DW –298 in Printmedien aller Art sowie entsprechender unter www.huethig.de/datenschutz. E-Mail: holger.wald@huethig.de Vervielfältigung und Verbreitung, das Recht zur Hagen Reichhoff, Tel.: DW –304, Bearbeitung, Umgestaltung und Übersetzung, das E-Mail: Hagen.Reichhoff@huethig.de Recht zur Nutzung für eigene Werbezwecke, das Recht CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 5
Transformation Bild: m.mphoto – stock.adobe.com Klimaziele der EU und großer Chemieunternehmen Die Katastrophe erlaubt kein Warten Die EU hat ihre bis 2050 geplanten Klimaziele verschärft. Viele Unternehmen der che- mischen Industrie agieren bereits seit einigen Jahren aus eigenem Antrieb und haben sich selbst konkrete Ziele gesetzt. Ein Überblick. D ie EU-Staaten und das Europaparlament wollen dem Tisch. Das EU-Parlament wollte sogar eine Sen- Autorin in Sachen Klimaziel stärker aufs Gaspedal drü- kung von 60 % bis 2030 und zudem eine schärfere Be- cken oder auf die Bremse treten – es liegt im rechnungsmethode. Das spiegelt auch die Streitfrage der Auge des Betrachters. Fakt ist, dass bis 2030 die Treib- Verhandlung wider: wie und ob CO2 eingerechnet wer- hausgase, im Vergleich zu 1990, nicht mehr nur um den soll, das in Wäldern, Pflanzen und Böden gespei- 40 %, sondern um 55 % gesenkt werden sollen. Außer- chert wird. Aktuell sind von den geplanten einzusparen- Nora Menzel, dem ist in dem Beschluss vom Sommer verbindlich den 55 % lediglich 52,8 % tatsächlich zu verringernde Redaktion verankert, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden Emissionen. Bei den übrigen 2,2 % handelt es sich um CHEMIE TECHNIK soll. Dabei lag bei den Verhandlungen noch mehr auf sogenannte Senken, also eine CO2-Speicherung in belie- 6 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Transformation Die Teilnehmer des biger Form. Das Zugeständnis an die Forderung des Binnenmarkt ausgebaut werden. sechsten Trilogues EU-Parlaments nach schärferen Berechnungsmethoden Weiterhin forderte der VCI, dass Innovationen und zum EU-Klimagesetz ist, dass die Anrechnung besagter Senken auf 225 Mio. t Investitionen in transformative Technologien verstärkt in Brüssel. CO2 beschränkt wird. Solcherlei Beschlüsse sind schön gefördert werden. Sowohl auf Ebene der einzelnen Län- Bild: Thierry Roge, Europäische Union und gut, leider enden sie häufig in heißer Luft. In diesem der, als auch auf EU-Ebene. Denn ein Umschwung von Fall sogar im wörtlichen Sinn. Aus diesem Grund soll ein fossilen auf erneuerbare Energien fordert an vielen Stel- 15 Mitglieder umfassender Expertenrat gegründet wer- len neue Produkte und Prozesse, die zeitnah verfügbar den, der künftig über die Umsetzung der Ziele wacht. sein müssen. Wie auch immer diese Umsetzung aussehen mag – denn Der letzte Punkt auf der Liste könnte mit „Nachsicht“ der Beschluss klärt bisher nur das Was und nicht das Wie. zusammengefasst werden. Der VCI erwartet, dass Über- gangstechnologien ermöglicht werden. Beispielsweise Chemieverband fordert dass es zunächst möglich ist, kohlenstoffarm statt koh- Unterstützung durch die EU lenstofffrei erzeugten Wasserstoff zu verwenden. Denn Jetzt sind die Klimaziele also definiert und das EU-Par- eine vollständige Umstellung der chemischen Industrie lament ist quasi fein raus. Denn umsetzen müssen die von heute auf morgen von fossilen auf erneuerbare, koh- Ziele zu großen Teilen die Unternehmen in den einzel- lenstofffrei produzierte Energieträger sei ein Ding der nen Ländern. Genau das bemängelt auch der Verband Unmöglichkeit. Wie oben bereits beschrieben, würde der Chemischen Industrie (VCI). Er stehe zwar hinter das an den bisher verfügbaren Mengen sowie der Distri- der „ambitionierten“ Klimapolitik, erwarte im Gegenzug bution scheitern. jedoch Unterstützung, um auf dem internationalen Nach so vielen Worten und Meinungen sollten Taten Markt keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden. Nach folgen. In diesem Fall war es aber andersherum. Die VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup ha- meisten Großkonzerne der Chemie hatten bereits re- be sich die EU von den Industriestaaten die höchsten agiert, obwohl die EU zwar schon vor dem 20. April Klimaziele gesetzt. Das könne dazu führen, dass Pro- 2021 ein Klimaziel beschlossen hatte, jedoch keine Ein- duktionen ins Nicht-EU-Ausland verlagert würden, weil schränkungen oder Handlungsanweisungen. dort geringere Einschränkungen gelten – und damit sei auch niemandem geholfen, weder dem Klima noch der Von A wie Abfallaufkommen Wirtschaft. Deshalb hat der VCI vier zentrale Vorausset- bis Z wie Zertifikat zungen definiert, die aus Sicht des Verbandes nötig sind, Bayer hat sich als klimaneutrales Zieljahr 2050 gesetzt um sowohl das Etappenziel 2030, als auch die Zielgerade und will die absoluten Emissionen bis 2030 bereits um 2050 zu erreichen. 42 % gegenüber 2019 reduzieren. Außerdem hat sich das Zunächst müssten erneuerbare Energien und die zu- Chemie- und Pharmaunternehmen vorgenommen, bis gehörige Infrastruktur ausgebaut werden. Viele techni- zur Etappe 2030 100 % des eingekauften Stroms aus er- sche Prozesse laufen aktuell mit fossilen Energieträgern. neuerbaren Quellen zu beziehen, seine eigenen Standor- Um die Emissionen zu verringern, sollen immer mehr te klimaneutral zu gestalten und in der Lieferkette und Prozesse elektrifiziert werden, was zu einer erhöhten bei Anwendern den CO2-Ausstoß bis 2029 um 12,3 % Nachfrage nach grünem Strom führen wird. Ähnliches (Basis 2019) zu reduzieren. Als konkrete Maßnahmen gilt für Wasserstoff als Energieträger. Auch hier muss der gibt Bayer an, 500 Mio. Euro in Energieeffizienz-Maß- CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 7
Transformation Steamcracker, wie dieser von BASF in nahmen investieren zu wollen. Die bis 2030 verbleiben- klimaneutralen Betrieb gesetzt sowie 2030 als Etappen- Ludwigshafen, könn- den Emissionen will der Konzern ausgleichen, indem er ziel. Bis in neun Jahren will der Chemie- und Pharma- ten in Zukunft elekt- Zertifikate für Klimaschutzprojekte wie den Waldschutz konzern seine Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu risch betrieben wer- erwirbt. 2020 um 50 % senken und bis zu 80 % Strom aus erneu- den. Bild: BASF Auch die BASF hat sich solche Rahmenbedingungen erbaren Quellen beziehen. Weiterhin ist geplant, im gesetzt. Das klimaneutrale Zieljahr wurde ebenfalls für Rahmen der CO2-Einsparung bis 2023 90 % der Health- 2050 definiert und die erste Etappe 2030. Auch der Kon- care-Produkte mit dem Schiff anstelle des Flugzeugs zu zern aus Ludwigshafen will bis 2030 alle fossilen Ener- transportieren. Als Erfolge gibt der Konzern für 2020 gieträger durch Strom aus erneuerbaren Quellen erset- unter anderem an, seit 2006 25 % der Treibhausgas- zen und bis dahin, im Vergleich zu 2018, weltweit 25 % Emissionen eingespart und 231 kT seines Abfalls (ent- weniger Treibhausgase emittieren. Ein vielversprechen- spricht 69 % des Abfallaufkommens) recycelt zu haben. des Hilfsmittel dabei könnte eine neue Technologie sein, Andere Unternehmen wie Evonik sind in ihren An- die sich aktuell noch in der Entwicklung befindet: ein gaben weniger konkret. Der Spezialchemie-Konzern elektrisch betriebener Steamcracker. Weitere Maßnah- nennt lediglich das Etappenziel 2025 und will bis dahin, men sind die CO2-freie Herstellung von Wasserstoff aus im Vergleich zu 2008, seine direkten Emissionen um Erdgas durch Methanpyrolyse sowie zwei weitere Pro- 50 % senken. Auch der Kunststoffhersteller Covestro jekte. Mit Siemens Energy prüft das Unternehmen die bleibt eher vage und gibt an, zwischen 2005 und 2017 Möglichkeit, einen PEM-Wasser-Elektrolyseur (Proton 43,8 % Treibhausgas-Emissionen (CO2-Äquivalente) Exchange Membrane) für grünen Wasserstoff zu bauen eingespart zu haben. und in Antwerpen will sich der Chemiekonzern daran Fazit: Zahlreiche Chemiekonzerne haben sich bereits beteiligen, CO2 unter der Nordsee zu speichern. Für das konkrete Klimaziele gesetzt, bevor der Gesetzgeber For- Projekt in Antwerpen soll die endgültige Investitionsent- derungen gestellt hat. Mit solchen ist nach den jüngsten scheidung jedoch erst 2022 fallen. Beschlüssen auf europäischer Ebene allerdings spätes- Lanxess hat sogar noch ambitioniertere Ziele als sein tens nach der Umsetzung in nationales Recht zu rech- ehemaliger Mutterkonzern Bayer. Das Spezialchemie- nen. Da insbesondere angesichts der Investitionszyklen Unternehmen will die Netto-Null bereits 2040 erreichen. die Mühlen in der Prozessindustrie langsam mahlen, Das Unternehmen aus Köln berichtete bereits 2018, sei- dürfte sich dieser vorauseilende Gehorsam auszahlen. ● ne Treibhausgas-Emissionen seit der Gründung in 2004 um 50 % gesenkt zu haben. Eine konkrete Maßnahme ist zum einen die Neutralisation von stark klimawirksamen Entscheider-Facts Lachgas-Emissionen (N2O) in die beiden Elemente ● Die EU hat beschlossen, dass bis 2030 55 % Treibhausgase, Stickstoff und Sauerstoff. Die dabei entstehende Wärme statt zuvor 40 % eingespart werden sollen. soll für andere Produktionsprozesse genutzt werden. ● Der Verband der chemischen Industrie fordert Unterstützung Zum anderen will das Unternehmen ab 2024 den Kohle- von der EU bei der Umsetzung der Ziele. ausstieg an seinen indischen Standorten durchführen ● Viele Chemieunternehmen haben sich bereits eigene, teils und den fossilen Energieträger durch Biomasse und So- schärfere Klimaziele gesetzt. larenergie ersetzen. Auch Merck hat sich das Jahr 2040 als Ziel für einen 8 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Transformation Mit 692 kg CO2- Emissionen pro Ton- ne produziertem Ethen haben Steam- cracker eine ziemlich miese Klimabilanz. Mit elektrisch be- heizten Spaltöfen könnte diese deut- lich verbessert wer- den. Bild: guukaa – stock. adobe.com Elektro-Steamcracker sollen die Chemie nachhaltiger machen Den Klima-Fußabdruck im Blick 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr – auf diese im Hinblick auf den Klimaeffekt bedrohliche Zahl summieren sich die Emissionen der von der globalen Petrochemie be- triebenen Steamcracker. Kein Wunder, dass die Branche intensiv über Optionen und Al- ternativen nachdenkt. Autor S ie sind Anlagen der Superlative: Steamcracker stel- duktionskapazität von 5,5 Mio. t Ethen pro Jahr – und len der (petro-)chemischen Industrie all die stoßen dabei 3,8 Mio. t Kohlendioxid aus. Grundbausteine zur Verfügung, die diese für die Die in Europa betriebenen Steamcracker setzen über- Herstellung ihrer Produkte benötigt. Längerkettige Koh- wiegend das in Erdölraffinerien aus Rohöl gewonnene lenwasserstoffe wie Naphtha, aber auch Ethan, Propan Naptha als Rohstoff ein. Wesentliche Produkte des Spalt- Armin Scheuermann und Butan, werden in kurzkettige oder ungesättigte prozesses sind dabei Ethen (Ethylen), Pyrolysebenzin, ist Chefredakteur der Kohlenwasserstoffe gespalten (cracking). Allein die in Propen (Propylen), Methan, Butene, Butadien und an- CHEMIE TECHNIK Deutschland betriebenen Steamcracker haben eine Pro- dere. Die Spaltung geschieht unter Zugabe von Prozess- CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 9
Transformation In Ludwigshafen betreibt die BASF zwei Steamcracker mit einer Kapazität von zusammen 620.000 t Ethen pro Jahr. Bild: BASF dampf bei ca. 800 bis 850 °C. Kurze Verweilzeiten und vorhanden, werden aber derzeit von verschiedenen Ko- ein durch Dampfzugabe geringer Partialdruck in Kom- operationspartnern (Dow/Shell oder BASF/Sabic/Linde) bination mit einer schnellen Abkühlung des Spaltgases untersucht und entwickelt. verhindern, dass die Spaltprodukte zu größeren Molekü- Die BASF hatte im März 2021 bekannt gegeben, ge- len reagieren. Die Reaktion erfolgt in einem Rohrreak- meinsam mit Sabic und Linde den weltweit ersten be- tor, dessen Rohrschlangen bis zu 80 m lang sein können. heizten Steamcracker-Ofen entwickeln und bauen zu Das Rohr wird in einem Ofen durch Flammen beheizt, wollen. Die drei Partner haben laut einer Mitteilung ge- die Konstruktion des Rohrreaktors wird auf den Einsatz- meinsam die elektrischen Heizkonzepte entwickelt und stoff (Feed) abgestimmt. Der am Ende des Ofens austre- prüfen außerdem den Bau einer Multi-Megawatt-De- tende Produktstrom wird nach einer Öl- oder Wasser- monstrationsanlage am BASF-Standort Ludwigshafen. wäsche durch Rektifikation in verschiedene Fraktionen Diese könnte – falls es mit einer Förderung durch die EU getrennt. klappt – bereits 2023 in Betrieb genommen werden. Auf dem Weg zum (fast) grünen Dow und Shell sichern sich Fördergelder Steamcracker Diese haben sich Dow und Shell bereits über den nieder- Steamckracker spielen auf dem Weg hin zu einer CO2- ländischen Staat gesichert. Die Unternehmen hatten im armen Chemieproduktion eine zentrale Rolle. Sie sind Juni 2021 verlauten lassen, dass sich die niederländische der wichtigste industrielle Prozess zur Herstellung leich- Regierung mit 3,5 Mio. Euro im Rahmen des MOOI- ter Olefine. 90 % der CO2-Emissionen eines Steamcra- Programms (Mission-driven Research, Development ckers entfallen auf die Beheizung des Spaltofens. Pro and Innovation subsidy) am Bau einer Multi-Megawatt- Tonne Ethen werden durchschnittlich 11.470 MJ Ener- Pilotanlage beteiligen will. Das Vorhaben war bereits im gie eingesetzt und entstehen 692 kg CO2-Emissionen. vergangenen Jahr bekannt gegeben worden, mit einer Neben der Verbesserung des Wärmeübergangs und Inbetriebnahme rechnen die Projektpartner für das Jahr Maßnahmen zur Reduktion der Koksbildung ist vor al- 2025. lem der Einsatz nachhaltig erzeugter Energie ein Schlüs- Während Dow und Shell die Technik dafür gemein- sel zu einer erheblichen Reduzierung der CO2-Emissio- sam mit der niederländischen Organisation für ange- nen. Da Heiz- und Kühlvorgänge zentrale Elemente des wandte wissenschaftliche Forschung (TNO) und dem Steamcracking-Prozesses sind, ist auch die Wärmerück- Institut für nachhaltige Prozesstechnologie (ISPT) ent- gewinnung ein wesentlicher Hebel für die Einsparung wickeln wollen, setzen BASF und Sabic auf eine enge von Treibhausgasen. Kooperation mit dem Anlagenbauer Linde. Letzterer Der größte Effekt in Bezug auf die Emissionen von soll die neue Technologie künftig industrieweit ver- Treibhausgasen ist allerdings durch die Beheizung mit markten und dadurch vorantreiben. nachhaltig erzeugtem Strom anstelle fossiler Brennstoffe Wie ernst der Chemieriese aus Ludwigshafen es mit zu erwarten. Die Technologien dazu sind noch nicht der Elektrifizierung seiner Prozesse meint, wurde Ende 10 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Transformation Dow hat im niederländischen Terneuzen drei Steamcracker mit einer Kapazität von 565, 580 und 680 kt p.a in Betrieb. Bild: DOW Mai bei der Bekanntgabe einer Kooperation mit dem dem möchte der Chemiekonzern mit der erneuerbaren Energieversorger RWE deutlich: Gemeinsam planen die Energie grünen Wasserstoff erzeugen. Unternehmen in der deutschen Nordsee einen Offshore- Die beiden Partner gehen davon aus, dass sie mit ih- Windpark: RWE wird den Windpark entwickeln, bauen rem Vorhaben 3,8 Mio. t/a CO2-Emissionen vermeiden und betreiben. können und davon bereits 2,8 Mio. t/a direkt bei BASF in Ludwigshafen. Weiterhin gaben sie bekannt, dass eine Grünstrom aus eigenem Offshore-Windpark finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand nicht BASF soll eine Beteiligung daran erhalten. Über eine nötig sei, um den Windpark zu bauen. ● Netzanbindung zum Festland in Niedersachsen plant der Energiekonzern den grünen Strom über das überre- Entscheider-Facts gionale Übertragungsnetz zum BASF-Standort Ludwigs- ● Steamcracker spielen auf dem Weg hin zu einer CO2-armen hafen zu leiten. Der Energielieferant rechnet mit einer Chemieproduktion eine zentrale Rolle. Kapazität von 2 GW mit der er 7.500 GWh/a grünen ● Dow, Shell, BASF, Sabic und Linde arbeiten aktuell an der Strom erzeugen könnte. BASF will mit dem Strom am Technologie für elektrisch beheizte Spaltöfen. Standort Ludwigshafen bisher fossile Energieträger bei ● Eine erste Multi-Megawatt-Anlage könnte bereits 2023 in der Produktion von Basischemikalien ersetzen. Außer- Ludwigshafen in Betrieb gehen. Alternative zum Steamcracker Neben dem Spalten langkettiger ten wird, arbeitet die katalytische Kohlenwasserstoffe zum Chemie- Dehydrierung (Edhox) bei Tempera- Grundbaustein Ethen (auch „Ethy- turen von 400 °C und weniger. Da- len“ genannt) gibt es auch andere durch lassen sich nicht nur die Ener- Synthesewege für den ungesättigten giekosten reduzieren, sondern auch Kohlenwasserstoff. Einen solchen direkt Grundchemikalien wie Essig- entwickelt Linde gemeinsam mit säure gewinnen. Zudem entsteht ein dem Öl- und Gaskonzern Shell: Die reiner CO2-Strom, der wiederum ab- beiden Projektpartner haben im Ok- getrennt oder stofflich genutzt wer- tober 2020 eine Technologiekoopera- den kann. tion zur katalytischen Dehydrierung von Ethan bekannt gegeben. Im Ge- In der Edhox-Pilotanlage untersucht gensatz zum Steamcracking, bei dem Linde in Pullach die katalytische Kohlenwasserstoff bei 850 °C gespal- Dehydrierung von Ethan. Bild: Linde CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 11
Transformation HOTSPOTS Aktuelle Wasserstoff-Projekte in Europa Über mehr als 20 neue Wasserstoff-Projekte in Europa haben wir in den Monaten Mai bis Oktober berichtet. Unsere Hotspots geben die Übersicht. Die Details zu den jeweiligen Vorhaben finden Sie auf www.chemietechnik.de Flotta, Schottland Bild: Corona Borealis - stock.adobe.com AdobeStock_429451407 1 H2-Hub auf Insel Auf der Orkney-Insel Flotta soll eine Großanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aus Windstrom entstehen. In das Vorhaben sind namhafte Un- ternehmen der Energiebranche eingebunden. Bild: Flotta Hydrogen Hub 2 Grangemouth 1 Mrd. Pfund bis 2045 Der britische Petrochemie-Kon- zern Ineos will bis 2045 am Standort Grangemouth 1 Mrd. Pfund investieren. Schwer- punkt bilden dabei Maßnah- men zur Dekarbonisierung. Bild: Marcus – stock.adobe.com 3 Bundeswirtschaftsministerium 62 H2-Projekte in Deutschland Wasserstoff made in Germany: Das Bundeswirtschafts- und das Bundesverkehrsministerium haben kürzlich aus über 230 Projektskizzen 62 förderungswürdige Wasserstoff-Großprojekte ausgewählt, die mit 8 Mrd. Euro staatlichen Mitteln von Bund und Ländern geför- dert werden sollen. 4 Elektrolyse 5 Sachsen-Anhalt 5 Gigawatt Realitätscheck Thyssenkrupp gibt beim Thema Im Energiepark Bad Lauchstädt Wasserstoff-Elektrolyse weiter wollen verschiedene Projekt- Gas: Der Technologie- und An- partner grünen Wasserstoff – lagenbaukonzern hat angekün- von der Herstellung bis zum digt, seine Elektrolysekapazität Einsatz – unter realen Bedin- auf 5 GW/a auszubauen. gungen im industriellen Maß- Bild: Thyssenkrupp stab untersuchen. Bild: BMwI 12 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Transformation 6 Studie Politische Instrumente Der Thinktank Agora Energiewende hat die politischen Instrumente analysiert, mit denen die Kostenlücke zwi- schen grünem und grauem bzw. blauem Wasserstoff geschlossen werden kann. Bild: malp – stock.adobe.com 7 RWE und Naftogaz H2-Zusammenarbeit RWE und das ukrainische Ener- gieunternehmen Naftogaz pla- nen, zukünftig entlang der ge- samten Wertschöpfungskette von grünem Wasserstoff, der in der Ukraine produziert wird, zu- sammenzuarbeiten. Bild: Naftogaz 8 Linde und Infineon PEM-Elektrolyse Linde hat mit Infineon verein- bart, am Standort Villach in Ös- terreich grünen Wasserstoff zu produzieren und zu speichern. Dazu plant Linde, einen 2-MW- Protonen-Austausch-Elektroly- seur in Villach zu errichten. Bild: Infineon 9 Air Liquide Noch eine PEM-Elektrolyse Air Liquide plant, durch den Bau eines PEM-Elektrolyseurs kli- maneutralen Wasserstoff zu erzeugen. Den will das Unternehmen in seine bestehende Wasserstoff-Pipeline integrieren, um emissi- onsfreie Mobilität im Raum Rhein-Ruhr zu fördern. 10 Shell und Uniper H2-Kooperation Shell und Uniper wollen bei der Produktion und Nutzung von Wasserstoff intensiver zusam- menarbeiten. Dabei geht es den beiden um bestehende, aber auch um neue Projekte in Europa. Bild: Shell CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 13
Transformation 11 Technip Energies 16 ABB / Axpo Konzeptstudie Modulare H2-Anlagen Technip Energies hat von Hori- Der Automatisierungsanbieter sont Energi den Auftrag für eine ABB will mit dem Schweizer Konzeptstudie zum Bau einer Energieversorger Axpo in Italien kohlenstoffneutralen Ammoni- modulare Anlagen und ein op- akanlage in Hammerfest, No- timales Betriebsmodell zur Pro- wegen, erhalten. duktion von kostengünstigem Bild: Toreven – stock.adobe.com grünem Wasserstoff entwi- ckeln. Bild: ABB 12 Siemens 17 Everfuel Grüner Wasserstoff 300-MW-Elektrolyse Im Energiepark Wunsiedel will Im Rahmen der Phase II seines Siemens eine Wasserstoffer- Projektes Hy-Synergy am Stand- zeugungsanlage mit einer An- ort Fredericia, Dänemark, plant schlussleistung von 8,75 MW Everfuel eine Elektrolyseanlage errichten. Bild: Siemens zur Produktion von Wasserstoff mit einer Leistung von 300 MW. Bild: Bluedesign stock.adobe.com 13 CCU in Leuna 18 Rotterdam Methanol aus H2 H2-Lieferkette Total Energies hat mit verschie- Die deutschen Stahlunterneh- denen Partnern das e-CO2Met- men Thyssenkrupp und HKM Projekt in Leuna gestartet. Dort sowie der Hafen Rotterdam soll Methanol aus kohlenstoff- wollen gemeinsam eine inter- arm produziertem Wasserstoff nationale Lieferkette für Was- und abgetrenntem CO2 herge- serstoff etablieren. stellt werden. Bild: Total Energies Bild: Thyssenkrupp 14 Port of Rotterdam 19 Worley/Liquid Wind H2-Pipeline Methanol aus Wind Der Hafenbetrieb Rotterdam Das schwedische Konsortium untersucht den Bau einer neu- Liquid Wind hat einen FEED- en H2-Pipelineverbindung nach Auftrag an Worley vergeben: Im Deutschland. Die Leitung mit Nordosten Schwedens soll eine dem Namen „Delta Corridor“ Anlage für die Produktion von soll vor allem Wasserstoff Methanol mittels Windenergie transportieren. Bild: Port of Rotterdam entstehen. Bild: Liquid Wind 15 Worley / Shell 20 BASF und RWE 200-MW-Elektrolyse Offshore-to-X Der Anlagenbauer Worley hat BASF und RWE wollen den Che- vom Energiekonzern Shell ei- miestandort Ludwigshafen mit nen Auftrag über Engineering Strom aus einem neuen Off- Services zum Bau einer shore-Windpark versorgen. Da- 200-MW-Wasserstoffanlage in für will RWE einen Offshore- Rotterdam erhalten. Windpark in der deutschen Bild: Thomas – stock.adobe.com Nordsee bauen. Bild: BASF 14 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Transformation Bei Covestro im Chempark Dorma- gen soll der bislang größte LOHC- Speicher für Wasser- stoff entstehen. Bild: Covestro Liquid Organic Hydrogen Carrier Dormagen angelt sich LOHC-Wasserstoffspeicher In flüssigen organischen Trägern, sogenannten LOHC, lässt sich grüner Wasserstoff ein- speichern. Die weltweit größte Anlage dieser Art im industriellen Maßstab entsteht nun bei Covestro im Chempark Dormagen – mit Auswirkungen bis nach Rotterdam. W asserstoff wird als Schlüssel für die Speiche- rem auch das Katalysatorverhalten im Realbetrieb unter- rung von Energie gesehen. Denn: Im Gegen- sucht werden. Daneben erhoffen sich die Projektpartner satz zu elektrochemischen Speichern wie Erkentnisse über mögliche Einflüsse der LOHC- bzw. Batterien ist die Infrastruktur für den Transport des Wasserstoffqualität auf den Einspeicherprozess und auf Energieträgers weitgehend vorhanden. Doch die Hand- die Weiterentwicklung industriell nutzbarer Qualitätssi- habung des Gases hat ihre Tücken. Auf der ganzen Welt cherungsverfahren. suchen Forscher deshalb nach Möglichkeiten, Wasser- stoff so zu speichern, dass der Umgang mit dem Ener- Wasserstoff-Lieferkette bis nach Rotterdam gieträger einfacher wird. Eine vielversprechende Option Der Spezialchemie-Konzern Covestro wird dem Partne- ist eine reversible katalytische Reaktion, bei der das Gas runternehmen Hydrogenious LOHC Technologies für chemisch an einen organischen Träger gebunden wird das Projekt die Standortfläche in Dormagen und zu- – man spricht dann von LOHC, Liquid Organic Hydro- künftig auch den grünen Wasserstoff zur Verfügung gen Carrier. Diesen Weg geht der Wasserstoffpionier stellen, da dieser nach Unternehmensangaben künftig Hydrogenious LOHC Technologies, ein Start-up-Unter- als industrielles Nebenprodukt am Standort anfällt. Mit nehmen aus dem fränkischen Erlangen, an dem neben dem Co-Investor Royal Vopak, einem Unternehmen im dem Kunststoffhersteller Covestro und dem niederlän- Bereich der Infrastrukturbereitstellung für die Chemie- dischen Tanklagerbetreiber Vopak auch die Unterneh- und Energiewirtschaft, wird eine Projekterweiterung men Mitsubishi und Hyundai beteiligt sind. Im Rahmen mit möglichem Aufbau einer Lieferkette für den grünen des Projekts „Hector“ soll bei Covestro im Chempark Wasserstoff bis nach Rotterdam geplant. Dort ließe sich Dormagen nun eine Anlage gebaut werden, die jährlich dieser aus dem LOHC freisetzen und vor allem in den 1.800 t Wasserstoff in einem flüssigen organischen Trä- Bereichen Mobilität und Industrie nutzen. ● germedium (LOHC) speichern kann – zwanzigmal mehr als in den bislang gebauten derartigen Anlagen. Autor Entscheider-Facts Wärme fürs Dampfnetz im Chemiepark ● LOHC sind flüssige organische Trägermedien, in denen Was- Besonders interessant wird ein LOHC-Speicher, wenn es serstoff chemisch gespeichert werden kann. an dessen Standort Abnehmer für die entstehende Wär- ● Bei Covestro im Chempark Dormagen soll eine Anlage ge- me gibt, die sich sehr gut zur Dampferzeugung nutzen baut werden, die jährlich 1.800 t Wasserstoff speichern kann. Armin Scheuermann lässt. Dafür sind Abnehmer in der chemischen Industrie ● Die beim Einspeicherprozess freiwerdende Wärmeenergie ist Chefredakteur der wie im Chempark in Dormagen prädestiniert. In dem soll im Chempark genutzt werden. CHEMIE TECHNIK Projekt soll neben der technischen Nutzung unter ande- CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 15
Sicherheit Von den Über- schwemmungen in Westdeutschland Hochwasser-Maßnahmen deutscher Chemieparks war neben vielen Privathaushalten auch die Che- miebranche betrof- Land unter – die Chemie auch? fen. Die Überschwemmungen, die Mitte Juli vor allem in Westdeutschland auftraten, haben Bild: TA-Photographie - stock.adobe.com auch die Chemiebranche getroffen. Dass sich solche Ereignisse zukünftig häufiger ereig- nen könnten, wirft die Frage auf, wie sich Chemieparks gegen Hochwasser absichern. B ei den zehn biblischen Plagen folgt auf die Seuche Auf Nachfrage erläutert der Leiter der Kommunika- der Hagel – auf die aktuelle Situation umgemünzt tion des Chemieparks Knapsack, Thomas Kuhlow, dass, folgt also auf die globale Pandemie die Flut. Und nachdem Starkregen angekündigt war, die entsprechen- ihrem biblischen Vorbild folgend, machten die Wasser- den Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Dafür wurde massen die Mitte Juli herabregneten der Bezeichnung das Klärbecken leergefahren und im Vorhinein größere Flut alle Ehre. Mengen Abwasser als üblich mit Genehmigung der zu- Sie führten dazu, dass am 14. Juli im Chemiepark ständigen Behörden rausgefahren. Laut Kuhlow sind Knapsack die zentrale Abwasserbehandlungs-Anlage die Anlagen auf sogenannte Jahrhundert-Hochwasser überlief. Erhebliche Mengen Niederschlagswasser sowie ausgelegt und mit entsprechenden Rückhaltekapazitä- Abwasser flossen auf die Industriestraße und in den ten ausgestattet. Trotzdem war die Niederschlagsmenge Autorin Ortsteil Alt-Hürth. Grund dafür waren die hohen Regen- so hoch, dass die Abwasserbehandlungs-Anlage über- mengen an dem Tag. Wir haben das zum Anlass genom- lief. Durch die anderen Vorsichtsmaßnahmen war die men, in diesem und anderen Chemieparks nachzufragen, Kläranlage gedrosselt und Schlimmeres konnte verhin- welche Maßnahmen dort aktuell getroffen werden und dert werden, da lediglich Oberflächenwasser austrat. ob sich aufgrund des Überlaufs in Hürth daran etwas Die Partikel befanden sich am Boden des Beckens, Nora Menzel, ändert. Denn nicht nur der Regen selbst führt zu Über- weshalb keine Chemikalien die Umwelt kontaminierten Redaktion schwemmungen, sondern auch die steigenden Pegel von und die Verdünnung durch den Niederschlag tat ihr CHEMIE TECHNIK Flüssen, an denen die meisten Chemieparks liegen. Übriges. 16 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Sicherheit Ohne Bahnanbindung keine Produkte keine Schäden angerichtet, aber Vorsicht ist bekanntlich Der Überlauf ging zum Glück glimpflich für die Ge- besser als Nachsicht. Deshalb gibt es auch in diesem sundheit der Parkmitarbeitenden sowie der Anwohne- Park präventive Schutzmaßnahmen gegen Starkregen rinnen und Anwohner aus, trotzdem hat er materielle und Hochwasser. Laut Unternehmenssprecherin des Schäden verursacht. Nach aktuellen Angaben von Kuh- Betreibers Infraserv Gendorf, Martina Kress, hat im low findet immer noch die Schadenserhebung und -er- Chemiepark bisher kein Wetterereignis zu gravierenden gänzung statt. Problemen geführt. Trotzdem wird das jüngste Extrem- Die wohl signifikanteste Folge der Überschwemmun- wetter zum Anlass genommen, das Sicherheitskonzept gen ist die Beschädigung der Bahnschienen, über die der zu prüfen und insbesondere die zugrundeliegenden Ge- Chemiepark Knapsack beliefert wird. Ohne Bahnanbin- fährdungsszenarien kritisch zu hinterfragen. dung können bestimmte Produkte, die nur über Zugver- Derzeit beschäftigt sich daher ein interdisziplinäres kehr transportiert werden, nicht geliefert werden. Schon Expertenteam mit den Auswirkungen des Unwetters auf Mitte August, vor dem geplanten Termin, konnte der den Chemiepark. Dieses hatte Ende Juli im benachbar- Park wieder an eine Bahnlinie angebunden werden. Es ten Berchtesgadener Land große Zerstörungen verur- handelt sich um eine nicht mehr genutzte Bahnlinie von sacht. Auch im Chemiepark Gendorf näherten sich das RWE, für deren Reaktivierung laut Kuhlow ein „vorbild- Kanal- und Abwassersystem sowie die Rückhalte-Ein- liches Miteinander“ an den Tag gelegt wurde. Genehmi- richtungen den Kapazitätsgrenzen. Das Expertenteam gungen vom zuständigen Bundesamt, die sonst Monate führt nun eine systematische Analyse des Ereignisses in Anspruch nähmen, seien bereits nach einer Woche da durch und sucht nach Schwachpunkten und Verbesse- gewesen. Sowohl die Politik als auch die Behörden wol- rungsmöglichkeiten. Dafür gäbe es Möglichkeiten, wie len mit dem Chemiepark bald Gespräche darüber auf- die Wasserrückhalte-Kapazitäten zu vergrößern oder nehmen, was die momentane Situation für die Zukunft sich zielgenauer prozessual auf solche Wetterereignisse bedeute. vorzubereiten. „Beispielsweise könnten die Unterneh- men im Chemiepark bei drohendem Starkregen vor- Präventive Schutzmaßnahmen sorglich die dezentralen Abwasserbecken an ihren Anla- reevaluieren gen komplett vorab entleeren, damit wir insgesamt mehr Im Chemiepark Gendorf im gleichnamigen Gemeinde- Rückhaltekapazitäten zur Verfügung haben“, schließt teil von Burgkirchen an der Alz haben die Unwetter zwar Kress. CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 17
Sicherheit Der Betreiber des Chemieparks Knap- sack, Yncoris, gehör- Hochstapeln gegen Hochwasser einerseits als zusätzliche Retentionsfläche für den Rhein, te zu den Geschä- Doch nicht nur baulich können Chemieparks sich vor andererseits aber kann sich dort bei sehr hohen Rhein- digten der Juli- Hochwasser schützen, sondern auch durch die Gelände- Wasserständen Wasser anstauen, welches dann zu einem Hochwasser. topografie, was das Beispiel des Kalle-Albert-Parks am Wassereintritt in einem der umliegenden Gebäude führt. Bild: Yncoris Rhein zeigt. Der Betreiber Infraserv Wiesbaden hat für Darum liegt auf dem Salzbach bei Hochwasser ein be- seinen Park ähnliche Hochwasser-Präventionsmaßnah- sonderes Augenmerk. Um sich auf einen solchen men wie die vorhergenannten und zusätzlich durch an- Wassereintritt einstellen zu können, überwacht Infra- steigendes Gelände in Richtung des Parks noch einen serv Wiesbaden den Salzbach-Einlauf in den Rhein Standortvorteil. mittels einer technischen Einrichtung. Diese löst bei ei- Einer der Standortvorteile ist, dass der Industriepark nem schnellen Anstieg des Messpegels einen Alarm in durch eine etwa 25 bis 30 m breite Bebauungsstrecke mit der Gefahrenabwehr-Zentrale aus und Gebäudenutzer vielen Freiflächen ohne kritische Produktionsanlagen können rechtzeitig vorgewarnt und Sicherungsmaßnah- vom Rheinufer getrennt ist. Danach folgt eine zweispu- men eingeleitet werden. rige Straße mit Gehwegen – auch noch außerhalb der „Die starken Niederschläge im Juli und die Hochwas- Industrieparkgrenzen. Eine Gefährdung durch Hoch- ser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hatten wasser ist laut Thomas Deichmann, dem Leiter der Un- glücklicherweise keinen Einfluss auf den Industriepark- ternehmenskommunikation, daher nicht sehr hoch ein- betrieb,“ berichtet Thomas Deichmann. „Der Industrie- zustufen. Die Produktionsanlagen und speziell gesicher- park Wiesbaden liegt stromaufwärts von den im Juli be- te Gefahrstoffläger liegen oberhalb des Hochwasserpe- sonders stark betroffenen Gebieten und Einleitern in den gels, der im statistischen Mittel alle 100 Jahre auftritt. Rhein. Der Wasserstand an unserem Pegel Mainz lag Wichtige Infrastrukturelemente wie für die Energiever- Anfang Juli und Anfang August bei rund 4,4 m. In der sorgung sind noch höher verbaut worden, um sie vor Zwischenzeit erreichte er am 19. Juli einen für den Indus- Hochwasser zu schützen. triepark unkritischen Höchststand von knapp 5,7 m.“ Eine topografische Besonderheit stellt die biologische Schon jetzt haben die Chemiepark-Betreiber also Abwasserreinigungs-Anlage (Bara) dar, da bei deren Bau vorgesorgt für Jahrhundert-Hochwasser. Trotzdem zei- Anfang der siebziger Jahre das Gelände gegen Hochwas- gen die aktuellen Ereignisse in Knapsack, dass solche ser aufgestockt wurde. Deshalb liegt die Hauptanlage der Präventionsmaßnahmen immer wieder evaluiert und an Bara auf der dem Industriepark vorgelagerten Rhein- veränderte Situationen angepasst werden müssen. Denn insel Petersaue höher als das Festland. das was wir aktuell Jahrhundert-Hochwasser aufgrund Aufgrund der oben beschriebenen Geländetopogra- seiner geringen Häufigkeit nennen, wird in Zukunft fie gibt es für den Industriepark keine Schutzwände oder durch die Auswirkungen des Klimawandels seinem Na- sonstige mechanische Absperrvorrichtungen wie in be- men nicht mehr gerecht werden. ● nachbarten Stadtteilen von Wiesbaden oder Mainz. Deichmann erläutert: „In Hochwassersituationen wird Entscheider-Facts aber immer frühzeitig unsere Werkfeuerwehr alarmiert, ● Durch die Überflutungen im Juli lief im Chemiepark Knap- die bei Bedarf Gebäude und Gelände sichern kann.“ Für sack die Abwasseranlage über und eine wichtige Bahnstrecke den technischen Hochwasserschutz hielte diese tragbare wurde zerstört. sowie fahrbare Pumpen und palettenweise Sandsäcke ● Im Chemiepark Gendorf werden die präventiven Schutzmaß- bereit. nahmen aufgrund der aktuellen Ereignisse reevaluiert. Segen und Fluch zugleich ist bei Hochwasser der ● In Wiesbaden setzt man im Industriepark Kalle Albert am durch den Industriepark verlaufende Salzbach. Er dient Rhein auf die Geländetopografie als Hochwasserschutz. 18 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Nachrichten Industriepark-Betreiber in Frankfurt Infraserv Höchst steht offenbar vor Verkauf Wie verschiedene Medien übereinstim- mend erstmals am 26. November berichte- ten, steht die Betreibergesellschaft des In- dustrieparks Höchst, Infraserv Höchst, vor dem Verkauf. Das Handelsblatt schrieb un- ter Berufung auf „mehrere mit der Angele- genheit betraute Personen“, dass die Deut- sche Bank beauftragt worden sei, einen Käufer für das Unternehmen zu finden. Das Finanzportal finanzen.net schätzt den möglichen Verkaufspreis auf 2 bis 2,3 Mrd. Euro und nannte als potenzielle Käufer die Unternehmen Macquarie, KKR und First Sentier. Die australische Beteiligungsgesell- schaft Macquarie hatte 2019 bereits den Bild: Infraserv Höchst Chempark-Betreiber Currenta geschluckt. Infraserv Höchst gehört mehrheitlich den Chemie- und Pharmakonzernen Celanese, Clariant und Sanofi und betreibt in Frank- furt den 460 Hektar großen Chemie- und Pharmastandort, an dem rund 22.000 Mit- arbeiter in über 90 Unternehmen beschäf- in Hürth-Knapsack, und der Infraserv Wies- standorte in Marburg und Jena betreibt. tigt sind. Interessant ist der Vorgang auch baden. Infraserv Höchst selbst betreibt ne- Neben Gelsenwasser gehört auch der Infra- deshalb, weil mit Infraserv Höchst auch ben dem Standort in Frankfurt auch den struktur-Investor Swiss Life Asset Managers zahlreiche andere Chemieparks in Deutsch- Industriepark in Griesheim sowie im rhein- zu den neuen Eignern der Pharmastandor- land verflochten sind. So agiert die Infra- ländischen Monheim. te. Und im November 2018 hatte Getec im serv Verwaltungs GmbH – eine Tochterge- In den vergangenen Jahren hat sich in der Schweizer Muttenz die Standorte Infrapark sellschaft der Celanese – auch als Komple- Eigentümerfrage bei Chemieparks einiges Baselland (ehem. Clariant) und Schweizer- mentär der Infraserv Gendorf, Betreiber des getan. Im August 2021 hatte Gelsenwasser halle (Novartis) übernommen. Im Frühjahr Standorts im bayrischen Burgkirchen, so- den Pharma-Standorteigner Infrareal über- 2020 wurden die beiden Chemieparks wie Eigentümer der Infraserv Knapsack nommen. Infrareal ist die Mutter der Phar- schließlich zum Getec Park Swiss ver- (heute Yncoris), Betreiber des Chemieparks maserv, einem Dienstleister, der Pharma- schmolzen. www.infraserv.com Currenta und Engie schließen Liefervertrag für Grünstrom Der Chempark-Betreiber Cur- strombasierten Wärmeerzeu- renta hat einen neuen Liefer- gung als Ergänzung zur gasba- vertrag für grünen Strom ge- sierten Wärmeerzeugung in schlossen. Der Energieversorger unseren Kraft-Wärme-Kopp- Engie soll über 16 Monate aus lungs (KWK)- Anlagen reizen drei deutschen Windparks 50 wir den Ausbau der erneuerba- GWh erneuerbaren Strom für ren Energien an“, sagt Dr. Hans- die Ladeinfrastruktur liefern. Jörg Preisigke, Leiter der Ener- Die Windparks bleiben damit giepolitik bei Currenta. „Inso- nach dem Auslaufen der EEG- fern passt auch der Einsatz von Förderung für die Energiewen- Grünstrom in diese Strategie zu Bild: Currenta de erhalten und werden für die Nachhaltigkeit, die wir selbst- nachhaltige Mobilität genutzt. verständlich noch ausbauen Currenta will die eigenen E-La- wollen.“ Auch bei Engie freut desäulen sowie die Ladeinfra- man sich über den neuen Part- struktur ihrer Kunden mit ner: „Grüne Stromlieferverträge Grünstrom aus der Region ver- mich sehr, dass wir zusammen Currenta will damit im Sinne sind mit Blick auf die Umwelt sorgen. Dr. Alexander von Sche- mit Engie unseren Kunden regi- des politisch gewünschten Aus- und die Wirtschaftlichkeit her- ven, der das Thema Elektromo- onal erzeugten Grünstrom an- baus der erneuerbaren Energi- vorragende Möglichkeiten, CO2 bilität als digitales Geschäfts- bieten und somit einen Beitrag en in Deutschland agieren. „Be- einzusparen“, sagt Senior Origi- modell im Chempark entwi- zur Dekarbonisierung der Mo- reits mit dem Einsatz von Elekt- nator Jörg Nauerth. ckelt hat, hebt hervor: „Es freut bilität leisten können.“ rodenkesseln zur flexiblen www.currenta.de CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022 19
Recht Neuer Leitfaden für Störfall-Betriebsbereiche in Industrieparks Guter Rat für den Sicherheitsbericht Betreiber von besonders gefährdeten Betriebsbereichen müssen gemäß § 9 der Störfall- Verordnung einen Sicherheitsbericht erstellen. Ein neuer Leitfaden bietet hier nun wert- volle Hilfestellungen – explizit auch für die besondere Situation von Chemie- und In- dustrieparks. I n dem von der Störfall-Verordnung (12 BImSchV heitsbericht aufstellen müssen, eine gewisse Herausfor- vom 15.03.2017, BGBl. I S.483, zuletzt geändert derung dar. durch Art. 107 der VO vom 19.06.2020, BGBl I S. 1328) geforderten Sicherheitsbericht müssen die Betrei- Leitfaden enthält wertvolle Vorschläge Autor ber von Betriebsbereichen der oberen Klasse unter an- Seit neuestem bietet hier nun der Leitfaden KAS-55, der derem ein Konzept zur Verhinderung von Störfällen am 15. April 2021 von der Kommission für Anlagensi- sowie ein Sicherheitsmanagementsystem darlegen. Au- cherheit verabschiedet wurde, wertvolle Unterstützung. ßerdem müssen die Betreiber ausreichende Informatio- Das Papier baut auf der Handlungshilfe für Behörden nen bereitstellen, damit die zuständige Behörde Ent- und Betreiber des Landesamts für Natur, Umwelt und Prof. Dr. jur. Hans- scheidungen über die Ansiedlung neuer Tätigkeiten Verbraucherschutz (Lanuv) in Nordrhein-Westfalen Jürgen Müggenborg oder Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender vom August 2017 und der älteren Vollzugshilfe des Bun- ist Rechtsanwalt Betriebsbereiche treffen kann. Der Text der Störfall- desumweltministeriums (BMU) zur Störfall-Verord- und Fachanwalt für Verordnung und seiner Anhänge stellt dabei für man- nung vom März 2004 auf und stellt nun die aktuellste Verwaltungsrecht che Betreiber von Betriebsbereichen, die einen Sicher- Vollzugshilfe dazu dar. 20 CHEMIE TECHNIK · Kompendium Industrieparks Chemie, Pharma, Biotech 2022
Sie können auch lesen