Neue Einnahmequellen braucht der ÖPNV - matters no.4 - civity ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
matters no.4 Neue Einnahmequellen braucht der ÖPNV Plädoyer für eine dritte Säule zur Finanzierung der Verkehrswende
2 Neue Einnahmequellen braucht der ÖPNV! Neue Einnahmequellen braucht der ÖPNV! 3 Inhalt Executive Summary 4 1. Die nachhaltige Finanzierung des ÖPNV der Zukunft erfordert eine neue Finanzierungssäule 6 2. Die drei Finanzierungssäulen des öffentlichen Verkehrs 10 3. International ist die Finazierungsbeteiligung von Nutznießern schon längst Standard 14 3.1 Exkurs Nutznießerfinanzierung in Deutschland 16 4. Finanzierungsinstrumente 18 4.1 Steckbrief Bürgerticket 22 4.2 Steckbrief Parkgebühren 24 4.3 Exkurs: Best Practice Wien 28 4.4 Exkurs: Bewohnerparken in Deutschland 32 4.5 Steckbrief City-Maut 34 4.6 Einmalige Erschließungsabgabe 38 4.7 Fortlaufende Erschließungsabgabe 42 4.8 Steckbrief Tourismus-/Übernachtungsabgabe 44 5. Empfehlungen und Ausblick 48 6. Bisherige Publikationen 52
4 Executive Summary Executive Summary 5 Executive Summary Das Konzept der Nutznießerfinanzierung (oder auch zuvor. Die ökonomische und verkehrliche Wirkung einiger der aktuellen und sich absehbar deutlich verstärkenden nen Umständen mit Ausnahme der Parkraumbewirt- Drittnutzerfinanzierung) ist mittlerweile geradezu zu ei- dieser Instrumente wäre sehr hoch und könnte einen ent- Mittelknappheit spielen solche neuen Finanzierungs- schaftung und punktuell des Gästebeitrags (sofern hier- nem geflügelten Begriff geworden. Als Teil der Diskussi- scheidenden Beitrag zur Verkehrswende leisten. Die instrumente eine zentrale Rolle für den Erfolg der Ver- für auf der Landesebene bereits Voraussetzungen on, wie sich eine stadt- und umweltgerechte Verkehrspoli- Möglichkeiten der Kommunen sind unter den heutigen kehrswende in Deutschland. geschaffen wurden) nur sehr schwierig bis gar nicht tik auskömmlich finanzieren lässt, gewinnen bisher unter- Bedingungen relativ begrenzt. Daher sind die Länder zum möglich. repräsentierte Finanzierungsinstrumente zunehmend an Handeln aufgerufen. › Als dritte Säule der Finanzierung des öffentlichen Ver- Bedeutung. kehrs neben Nutzererlösen und öffentlichen Mitteln › Einen erheblichen Finanzierungsbeitrag und damit sollen diese Finanzierungsinstrumente sogenannte verbunden auch eine Steuerungswirkung können diese Doch welche Potenziale haben diese Formen der Finan- Wir brauchen dringend eine dritte Nutznießer/-innen bzw. Drittnutzer/-innen des öffent- neuen Finanzierungsinstrumente mit Ausnahme des zierung wirklich? Welche Instrumente fallen eigentlich Säule der ÖPNV-Finanzierung! lichen Verkehrs adressieren, die von einem leistungsfä- Gästebeitrags zudem nur in hochverdichteten (urbanen) darunter? Wie lassen sich diese Instrumente begründen? higen öffentlichen Verkehr direkt profitieren, ohne Räumen leisten. Und was ist in Deutschland rechtlich überhaupt möglich? › Unabhängig von der dramatischen Finanzierungssitua- diesen aber (bislang) selbst zu nutzen. Aus ordnungs- tion des ÖPNV, die sich durch die Covid-19-Pandemie politischer Sicht ist dieser positive externe Nutzen nicht Um diese Fragen zu beantworten und daraus erste Emp- aktuell und durchaus auch für die Folgejahre ergibt1, 2, über das Steuersystem zu internalisieren, sondern über Insbesondere die Länder sind nun fehlungen für die Verantwortlichen in den Städten abzu- ist aber bereits seit dem Höhepunkt im Jahr 2011 ein spezielle Nutznießerabgaben. gefordert. leiten, analysiert die vorliegende Studie die wesentlichen kontinuierlicher Rückgang in der Kostendeckung der Instrumente aus ökonomischer, verkehrlicher und juristi- Verkehrsunternehmen durch Erträge ohne Verlustaus- › Damit neue Finanzierungsinstrumente eine ernsthafte scher Perspektive. Ziel der Untersuchung ist es dabei, die gleich festzustellen. Nutznießerfinanzierung ist vor allem dritte Säule werden können, bedarf es im Prinzip in relevanten Instrumente und Stellhebel der Nutznießerfi- ein urbanes Finanzierungsinstrument. jedem Bundesland zumindest einer Änderung des nanzierung darzustellen und zu bewerten. › Dieses Finanzierungsdefizit wird nicht nur durch Coro- Kommunalabgabengesetzes. na, sondern auch aufgrund anderer Ursachen weiter › Als wesentliche, sprich vielversprechendste Finanzie- Die Berater/-innen von civity Management Consultants ansteigen, wie zum Beispiel Angebotsausweitungen, rungsinstrumente sehen wir hierbei die Ausweitung der › Stadtstaaten haben dementsprechend einen klaren Vor- und die Rechtsanwält/-innen von BBG und Partner ha- steigende Abschreibungen durch Elektromobilität Parkraumbewirtschaftung, die Einführung von Erschlie- teil, weil bei ihnen kommunaler Bedarf und Landesge- ben Kommunen und Aufgabenträger bereits in zahlrei- (Clean Vehicles Directive), weiter zunehmende Perso- ßungsabgaben für den öffentlichen Personenverkehr setzgebungskompetenz zusammenfallen. chen Projekten zu diesen Fragestellungen begleiten und nalkosten und das Erreichen der Grenzen der Nutzerfi- sowie punktuell auch die Erhebung von Tourismus- und beraten dürfen. nanzierung. Gästebeiträgen. › Kommunen sind als kurzfristige Finanzierungs- instrumente die Parkraumbewirtschaftung sowie punk- Unsere Studie zeigt deutlich: Der Bedarf für neue Instru- › Daher bedarf es dringender denn je zusätzlicher Finan- › Die Umsetzung dieser Finanzierungsinstrumente ist in tuell der Gästebeitrag zu empfehlen. mente zur Finanzierung des ÖPNV ist so hoch wie nie zierungsquellen für den öffentlichen Verkehr. Aufgrund Deutschland auf kommunaler Ebene unter den gegebe- 1 civity Management Consultants (Hrsg.): Verkehrswende: aufgehoben oder aufgeschoben? — Corona-Szenarien für den ÖPNV, Hamburg, 2020. 2 civity Management Consultants (Hrsg.): Verkehrswende: aufgehoben oder aufgeschoben? — Die zweite Welle und ihre Konsequenzen für den ÖPNV, Hamburg, 2020.
6 1. Die nachhaltige Finanzierung des ÖPNV der Zukunft erfordert eine neue Finanzierungssäule 1. Die nachhaltige Finanzierung des ÖPNV der Zukunft erfordert eine neue Finanzierungssäule 7 Die nachhaltige Finanzierung des Der kontinuierliche Rückgang der Einnahmen seit 2011 hat verschiedene Ursachen, wie zum Beispiel Angebotsausweitungen, steigende Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat daher im Juni 2021 beim Future Mobility Summit des Tagesspiegels bereits ÖPNV der Zukunft Abschreibungen, Mehrkosten durch Elektro- einen Ausbau der Finanzierung des Bundes mobilität, Kosten der digitalen Transformati- gefordert: „Für mich ist als Programm der on, steigende Personalkosten je Produktivstun- Zukunft von Mobilität, sowohl für die Ener- de, sinkende Fahrgeldsurrogate und politisch giewende als auch für die Versorgung der erfordert eine neue motivierte Tarifmaßnahmen, die zu Ertrags- ländlichen Räume, ein nationales ÖPNV- verlusten führen. Konzept, das zu großen Teilen vom Bund finanziert wird, notwendig.“ Er forderte den Durch das fortgesetzte Bevölkerungswachstum Ausbau und einen Paradigmenwechsel bei der in den Metropolen wächst der Druck nicht Finanzierung, die bisher vor allem bei den Finanzierungssäule nur auf den Wohnungsmarkt, sondern auch Ländern liegt. Vielmehr schwebt ihm eine auf die Infrastruktur und die Verkehrswege „Erreichbarkeitsgarantie“ für Busse und Bah- – und hier insbesondere auf den ÖPNV. Dies nen vor, die der Bund zu großen Teilen finan- erfordert einen systematischen Angebotsaus- ziert. bau. Gleichzeitig wird die Verkehrswende noch zu oft vorrangig als Tarifwende im Dies wird auch notwendig sein, um die ambi- ÖPNV verstanden, was deutliche Tarifabsen- tionierten Verkehrswende- und Klimaschutz- 1. kungen impliziert. Zum „Wenden“ (und nicht ziele zu erreichen. Hierfür wird der Bund nur dafür!) wird aber Fachpersonal benötigt, dessen Qualifizierungs- und Lohnkosten auch weiterhin steigen werden. Kann damit der ÖPNV der Zukunft überhaupt finanziert wer- den? Seit dem Höhepunkt in der positiven Entwicklung des Kosten- Das Verständnis der Verkehrswende als we- deckungsgrads Anfang der 10er Jahre verzeichnen die sentlicher Treiber zur Erreichung der vom Bund ausgerufenen Klimaziele spiegelt sich in Verkehrsunternehmen in Deutschland einen kontinuierlichen dem Ziel eines massiven Ausbaus des ÖPNV-Angebotes wider. Diese klimapolitische Rückgang in der Kostendeckung. Diese Entwicklung ist also Zielsetzung wird insbesondere durch die Ver- unabhängig von der dramatisch verschärften Finanzierungssi- dopplung der Fahrgastzahlen im ÖPNV bis zum Jahr 2030 beschrieben. Nach unseren tuation, in der sich der ÖPNV infolge der Covid-19-Pandemie indikativen Berechnungen – unter Berücksich- tigung der zusätzlichen Kosten sowie der Er- aktuell befindet und die auch in den Folgejahren zumindest löswirkungen und -elastizitäten einer Ver- kehrswende – benötigen die Verkehrsunter- zum Teil weiterbestehen wird. nehmen bis zum Jahr 2030 jährlich etwa zehn bis zwölf und in der Spitze sogar bis zu 14 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln. Die- ser Mittelbedarf würde fortan einen jährli- chen zu finanzierenden Mehrbedarf darstel- len, um den Beitrag des ÖPNV für die vom Bund ausgerufenen Klimaziele im Sinne der Verkehrswende finanzieren zu können.
8 1. Die nachhaltige Finanzierung des ÖPNV der Zukunft erfordert eine neue Finanzierungssäule 1.DienachhaltigeFinanzierungdesÖPNVderZukunfterforderteineneueFinanzierungssäule 9 dann aber eine andere Rolle spielen, denn auftragten Kommunen. Der Bund leistet hier bislang sind seine diesbezüglichen Kompeten- im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzie- zen nach Maßgabe des Grundgesetzes vorran- rungsgesetzes und der Regionalisierungsmittel gig auf Maßnahmen zur Luftreinhaltung so- vor allem einen wichtigen Finanzierungsbei- wie das Planungs- und Straßenrecht begrenzt. trag im Bereich der Investitionen und des Katalysator dieser Forderungen aus dem Frei- SPNV. Dieser Finanzierungsbeitrag wird, ge- staat ist das umfassende Corona-Hilfspaket, gebenenfalls ergänzt durch weitere Gesetze, in das der Bund nach Forderungen der Länder Zukunft hoffentlich größer sein als heute. und Kommunen im vergangenen Jahr aufge- legt hat. Sollte es in der nächsten Legislaturperiode aber keine fundamentale Änderung der Fi- Erstmals hat sich der Bund mit 2,5 Mrd. EUR nanzierungsstrukturen und des Grundgesetzes an der direkten Finanzierung des ÖPNV be- geben, so müssen auch weiterhin Länder und teiligt. Dieses finanzielle Engagement ist ne- Kommunen maßgeblich die Umsetzung der ben der erfolgreichen Abo-First-Strategie von Clean Vehicles Directive, die Nachfragelücke Verkehrsverbünden und Verkehrsunterneh- aus Corona und noch viel wichtiger den not- men der Grund, weshalb der öffentliche Ver- wendigen Angebotsausbau für die Verkehrs- kehr in Deutschland im Gegensatz zu anderen wende finanzieren. Dies wird mehr öffentliche europäischen Ländern fast unbeschadet durch Finanzmittel der Länder als je zuvor erfor- die Krise gekommen ist. dern, aber auch schnell zur Konkurrenz mit anderen wichtigen Aufgaben der Länder, wie Der Bund muss auch in Zukunft eine tragende Schulen, Wissenschaft und innere Sicherheit, Rolle in der Finanzierung des ÖPNV über- führen. Daher ist es dringend an der Zeit, nehmen. Die Verkehrswende ist eine nationale über eine dritte Säule der Finanzierung für Kraftanstrengung auf allen Ebenen des Staa- den öffentlichen Verkehr nachzudenken. tes. Der Bund wird diese aber nicht allein stemmen können, denn der Nahverkehr ist in Deutschland Aufgabe der Länder und der im Rahmen der Landesgesetzgebung damit be-
10 2. DIE DREI FINANZIERUNGSSÄULEN DES ÖFFENTLICHEN VERKEHRS 2. DIE DREI FINANZIERUNGSSÄULEN DES ÖFFENTLICHEN VERKEHRS 11 Die drei 1 2 3 Finanzierungssäulen Nutzer des Besteller des Nutznießer des öffentlichen öffentlichen öffentlichen Verkehrs Verkehrs Verkehrs des öffentlichen Fahrgäste haben einen direkten Die Gesellschaft profitiert insge- Weitere Akteure sind Nutznießer privaten Nutzen ihrer Mobilität samt vom Angebot des ÖPNV des ÖPNV-Angebots, die durch und tragen daher zur Finanzie- (positiver externer Nutzen), die dieses einen privaten Vorteil ha- rung des ÖPNV über Ticketer- Verkehrs öffentliche Hand trägt daher zu ben. Diese Akteure können daher löse bei. dessen Finanzierung basierend zur Finanzierung des ÖPNV mit- auf allgemeinen Steuereinnah- tels Nutznießerfinanzierung men bei. beitragen. 2. In den Jahren vor Corona wurde der ÖPNV in Deutschland Historisch bedingt bilden die Fahrgäste die Diese beiden Finanzierungssäulen des ÖPNV überwiegend durch die Fahrgäste finanziert: Nach Angaben erste Säule der ÖPNV-Finanzierung. Der wurden durch die Covid-19-Pandemie vor ÖPNV war in seiner Frühzeit und teilweise in eine neue Herausforderung gestellt. Während des VDV im bundesweiten Durchschnitt zu knapp 60 Prozent 3 einigen Städten Deutschlands noch bis in die die Nutzerfinanzierung und die Finanzierung Nachkriegszeit eigenwirtschaftlich struktu- der öffentlichen Hand in der Vergangenheit inklusive Fahrgeldsurrogaten und nach unseren Berechnungen riert. So war die Berliner Hochbahngesell- eine stabile Finanzierung des bestehenden zu ungefähr 40 Prozent ohne Fahrgeldsurrogate – in urbanen schaft (als eines der Vorgängerunternehmen der BVG) ein Joint-Venture und Spin-off von Verkehrsangebotes sicherstellten, brachen die Fahrgastzahlen pandemiebedingt ein. Dieser Räumen liegt der Finanzierungsanteil noch höher. Der verblei- Siemens und der Deutschen Bank. massive Rückgang spiegelt sich auch in der Auskömmlichkeit der Nutzerfinanzierung – bende Teil wird im Wesentlichen durch die öffentliche Hand Die zweite Säule ist die Finanzierung durch wenngleich nicht 1:1 – wider und führt zu- die öffentliche Hand, das heißt durch die Be- nächst zu einer Finanzierungslücke der bereitgestellt. Eine Beteiligung weiterer Profiteure eines qua- steller des öffentlichen Verkehrs. In der Regel ÖPNV-Branche. Diese Lücke konnte durch wurde mit der politischen Regulierung von das temporäre Finanzierungselement des litativ hochwertigen ÖPNV – wie zum Beispiel von Immo- Tarifen in den meisten Städten Deutschlands ÖPNV-Rettungsschirms aufgefangen werden. bilieneigentümer/-innen oder dem auf den Straßen verblei- auch die Subventionierung des öffentlichen Verkehrs eingeführt. benden MIV – erfolgt dagegen kaum. Dabei wäre eine Aktivierung dieser dritten Finanzierungssäule ein wesent- 3 VDV-Statistik 2018, S. 16 (Punkt 15). licher Schritt in Richtung ÖPNV der Zukunft.
12 2. DIE DREI FINANZIERUNGSSÄULEN DES ÖFFENTLICHEN VERKEHRS 2. DIE DREI FINANZIERUNGSSÄULEN DES ÖFFENTLICHEN VERKEHRS 13 Abb. Abb. 1 2 FINANZIERUNGSMIX DES ÖPNV FINANZIERUNGSMIX DES ÖPNV NACH CORONA VOR CORONA OHNE RETTUNGSSCHIRM 0% 3% 5% 0% 0% 12 % 11 % 12 % 12 % 13 % 12 % 15 % 13 % 17 % 19 % 47 % 47 % 47 % 47 % 47 % 47 % 47 % 47 % 48 % 47 % 41 % 42 % 41 % 41 % 41 % 41 % 33 % 30 % 38 % 40 % 2019 2020 2021 2022 2023 2019 2020 2021 2022 2023 Verlustausgleichsbedarf ÖSPV Finanzierungsdelta SPNV und Regionalbus Bestellerentgelte, Einnahmesurrogate, sonstige Erträge und Ausgleichszahlungen Verlustausgleichsbedarf ÖSPV Nutzerfinanzierung Bestellerentgelte, Einnahmesurrogate, sonstige Erträge und Ausgleichszahlungen Nutzerfinanzierung Beide Finanzierungquellen – Nutzerfinanzie- aktivitäten bringt. Der ÖPNV sorgt darüber Wenn sich aber nun die Nutzerfinanzierung dass diese Personen auch einen stärkeren Bei- rung und öffentliche Finanzierung – sind aus hinaus aber eben auch dafür, dass Wirtschaft nicht mehr weiter steigern lässt und gleichzei- trag zur Finanzierung des ÖPNV leisten. Bei- ökonomischer Sicht gerechtfertigt und sind und Handel in unseren Städten gedeihen. tig auch die Finanzierung aus öffentlichen spiele hierfür sind etwa Immobi-lienbesitzer/- vereinbar mit den ordnungspolitischen Damit schafft er einen Mehrwert, der über die Haushalten an ihre Grenzen stößt – zumin- innen, deren Immobilie durch die Erschlie- Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft in eigentliche Nutzung der öffentlichen Ver- dest angesichts der enormen Mittel, die für ßung mit dem ÖPNV an Wert gewinnt. Die Deutschland. Dass die Nutzer/-innen (Fahr- kehrsmittel hinaus geht. Dies bezeichnen einen Angebotsausbau im Sinne der Verkehrs- stärkere Beteiligung dieser Nutz-nießer/-in- gäste) an der Finanzierung des öffentlichen Ökonominnen und Ökonomen als positiven wende erforderlich sind –, bedarf es einer nen an der Finanzierung des öffentlichen Ver- Verkehrs durch die Entrichtung eines Fahr- externen Nutzen. neuen, einer dritten Säule der ÖPNV- kehrs ist in Deutschland zwar noch nicht üb- preises beteiligt werden, ist selbstverständlich, Finanzierung. lich, im Ausland aber schon längst Standard. da sie direkt von der Transportleistung des Durch die öffentliche Finanzierung beteiligt ÖPNV profitieren. sich der Staat im weiteren Sinne an der Be- Diese dritte Säule umfasst die Nutznießer/ reitstellung des öffentlichen Verkehrs, womit -innen des öffentlichen Verkehrs. Nutz- Vom öffentlichen Verkehr profitieren nicht dieser positive externe Nutzen internalisiert nießer/-innen (teilweise auch Drittnutzer/ nur die Nutzer-/innen des öffentlichen Ver- wird. -innen genannt) sind diejenigen, die überpro- kehrs, die dieser tagtäglich zur Ausbildungs- portional vom externen Nutzen des ÖPNV stätte, zur Arbeit sowie zu ihren Freizeit- profitieren. Daher erscheint es gerechtfertigt,
14 3. INTERNATIONAL IST DIE FINANZIERUNGSBETEILIGUNG VON NUTZNIESSERN SCHON LÄNGST STANDARD 3. INTERNATIONAL IST DIE FINANZIERUNGSBETEILIGUNG VON NUTZNIESSERN SCHON LÄNGST STANDARD 15 International ist die Finanzierungs- beteiligung von Nutznießern schon Stockholm (City-Maut) Kopenhagen: Ørestad (Land Value Capture) längst Standard Dublin (Land Value Capture) London (City-Maut) 3. San Francisco, Bay Area (Impact Fee, Sales Tax) New York, Philadelphia Mumbai (Sponsoring) (Land Value Capture) Wien (Parken & Arbeitgeber) Mailand (City-Maut) Frankreich (Transportsteuer) Paris: Greater Metro (Land Value Capture) Madrid (Sponsoring) Beispiele direkter und indirekter inter- › Ähnlich wurde die Dienstgeberabgabe der Stadt Wien nationaler Nutznießerfinanzierung zunächst zur Finanzierung des U-Bahn-Ausbaus der Stadt und später zur Finanzierung von Tarifabsenkun- In Europa und weltweit ist eine Finanzierung des ÖPNV gen genutzt. über Nutznießer/-innen bereits in vielen Städten und Ländern üblich: › Andere Städte wie Dublin oder Kopenhagen haben Instrumente zur Beteiligung der Immobilien- › Frankreich erhebt beispielsweise bereits seit 1971 eine eigentümer/-innen beim Neubau von Straßenbahn- Sydney, Perth & verpflichtende Arbeitgeberabgabe, den sogenannten systemen und U-Bahn-Linien genutzt. Melbourne „Versement Transport“. Diese Abgabe ist wesentlicher (Parken direkt zur Bestandteil der ÖPNV-Finanzierung und kann sowohl › International gibt es diverse weitere Beispiele, in denen ÖPNV-FInanzierung) für den täglichen Betrieb als auch für Investitionen ge- regelmäßige Einnahmen über Parkgebühren oder eine nutzt werden, was beispielsweise den Neubau diverser City-Maut direkt oder indirekt dem ÖPNV zugeführt Shenzhen, Lagos (Zulassungssteuer) Straßenbahnsysteme in Frankreich erst ermöglicht hat. werden (vgl. Karte). Hongkong etc. (Land Value Capture)
16 EXKURS EXKURS 17 NUTZNIESSER- IN DEUT SCH LAND - FINANZIERUNG Frankfurt am Main Mobilitätspass Baden-Württemberg Ausgestaltung des Mobilitätspasses in vier Modellregionen In Deutschland werden diese Ansätze der Nutznießer- Ausgleichsbetrag zu erheben. Diese Kombination aus Im Kontext des ambitionierten Ziels einer Verdopp- finanzierung dagegen bislang kaum genutzt. Die in „Stellplatzablöse“ und Untersagung wurde über viele lung der ÖPNV-Nachfrage bis 2030 werden in Baden- Abgabe für Abgabe für Modell- alle Kfz- einigen Bundesländern mögliche Erhebung einer Jahre recht erfolgreich in Frankfurt am Main ange- Württemberg neue Wege der Finanzierung diskutiert. region Einwohner/ Halter/ Nutzen -innen „Stellplatzablöse“ ist je nach Ausgestaltung ein selte- wendet. Im Fokus steht dabei der sogenannte Mobilitätspass, -innen nes Ausnahmebeispiel, das ursprünglich rein der der zur Abgabe einer Gebühr bzw. eines Beitrags ver- Bad Taktverkehr Innenstadt 10 Euro 30 Euro plus On-Demand- Finanzierung des MIV diente: Der anfängliche Zweck Dieser Betrag konnte dann oft unter anderem für in- pflichtet und im Gegenzug zu einer vergünstigten oder Sacklingen Verkehr Stadtteile dieser Stellplatzverordnungen war die verpflichtende vestive Maßnahmen des ÖPNV verwendet werden. kostenfreien Nutzung des ÖPNV berechtigt: Nulltarif im Stadtver- Herstellung einer definierten Anzahl an Stellplätzen in Doch obwohl mit diesem Instrument nur verhältnis- Mannheim/ kehr für Einwohner/ › 30 Euro 40 Euro Geschäfts- und Wohnhäusern. Die Einführung erfolgte mäßige kleine Beträge erhoben werden konnten, Bürgerticket für alle Einwohner/-innen Heidelberg -innen (inkl. Angebots- ausbau) ab den 50er-Jahren im Rahmen des Leitbildes einer wurde mit der Novelle der Hessischen Bauordnung autogerechten Stadt. 2011 diese Möglichkeit der Untersagung aus städte- › Nahverkehrsabgabe für alle Kfz-Halter/-innen Tübingen 17 Euro 57 Euro Nulltarif Stadtverkehr für alle (inkl. baulichen oder verkehrlichen Gründen in Hessen so- Angebotsausbau) Mit der Weiterentwicklung der Bauordnungen der gar wieder abgeschafft, womit die Stadt Frankfurt am › Straßennutzungsgebühr für alle Kfz-Nutzer/ Stuttgart 20 Euro 30 Euro 100 Mio. Euro zusätz- lich für den Ausbau Bundesländer im Lauf der Jahrzehnte wurde den Main nicht mehr über solch ein Instrument verfügt. -innen von klar definierten Straßen des Angebots Kommunen dann mehr und mehr die Möglichkeit gegeben, aus städtebaulichen oder verkehrlichen Seit 2019 werden diese Modelle mit unterschiedlicher Ein Rechtsgutachten von 2020 hat ergeben, dass die Gründen die Herstellung von eigentlich geforderten Ausgestaltung in vier Modellregionen in Baden-Würt- Umsetzung des Mobilitätspasses durch Gesetzesände- Stellplätzen zu untersagen und stattdessen einen temberg diskutiert: 4 rung auf Landesebene ermöglicht werden kann. Die Entscheidung, ob und welches Modell tatsächlich zur Finanzierung des ÖPNV eingeführt wird, verbleibt jedoch vollständig bei den Kommunen. 4 Verkehrsministerium Baden-Württemberg, 2020.
18 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 19 Finanzierungs- instrumente 4. 1 2 Die Bürger/-innen einer Stadt im Allgemeinen, un- Der motorisierte Individualverkehr, der davon abhängig davon, ob sie den öffentlichen Verkehr nut- profitiert, dass ein Teil der Bürger/-innen den flä- Das langfristige Ziel, ergänzende Formen der Finanzierung für zen oder nicht. Hier steht vor allem das Instrument cheneffizienteren öffentlichen Verkehr nutzt und da- des Bürgertickets im Vordergrund. mit weniger Raum als der MIV beansprucht. Für den den öffentlichen Verkehr einzuführen, ist nach unserem Ver- MIV betrachten wir vor allem die Parkraumbe- ständnis ein wichtiges Instrument, um die Verkehrswende wirtschaftung und die City-Maut. proaktiv zu gestalten. Alternative Finanzierungsinstrumente haben Im Rahmen dieser Studie fokussieren wir uns 3 4 zwei Wirkungsdimensionen für die Verkehrs- auf vier Nutznießergruppen des öffentlichen wende: Erstens heben sie neue Finanzierungs- Verkehrs sowie auf sechs inanzierungsinstru- mittel für den nötigen umfassenden Ausbau mente, die wir im Folgenden jeweils kurz dar- von Betrieb und Infrastruktur sowie für Tarif- gestellt haben. Immobilieneigentümer/-innen und Tourist/-innen und andere Ortsfremde, die von absenkungen; zweitens entfalten einige alter- -entwickler/-innen die direkt von der mit der einem gut ausgebauten ÖPNV profitieren, ohne sich native Instrumente eine Lenkungswirkung und ÖPNV-Erschließung verbundenen Wertsteigerung an dessen Kosten zu beteiligen. Hier steht vor allem steuern die Nachfrage weg vom motorisierten profitieren. Hier sehen wir einmalige und fortlau- das Instrument der Übernachtungsabgabe im Individualverkehr (MIV) und hin zu Trans- fende Erschließungsbeiträge als wesentliche Fokus. portmitteln des Umweltverbundes (ÖPNV, Instrumente. Fahrrad, Fußverkehr).
20 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. Finanzierungs- instrumente 21 Abb. 3 FINANZIERUNGSINSTRUMENTE IM ÜBERBLICK Nutzer- Öffentliche finanzierung Mittel Weitere Finanzierungsquellen Bürger/-innen Motorisierter Individu- Immobilien- Tourist/-innen alverkehr MIV eigentümer/-innen und -entwickler/-innen Bürger- Parkraum- Einmalige und Klima- tickets bewirtschaftung fortlaufende fonds Erschließungs- beiträge City-Maut
22 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 23 BÜRGERTICKET Stärken › › Sehr umfassendes Aufkommen beziehungsweise hohe Einnahmen Sehr stetiges Aufkommen (da nicht zeitgebunden Schwächen › › Einführung per Landesgesetz sofern Beitrag mit einer verbilligten Nutzung des ÖPNV gekoppelt ist Aus ökonomischer Perspektive de facto Kopfsteuer, und an Einwohnerzahl gekoppelt) verteilungspolitisch sehr schwierig Das Bürgerticket überträgt das einfache und nachvollzieh- › Hohe Verkehrslenkungswirkung, sofern ausreichend › Sehr geringe politische und gesellschaftliche Akzep- bare Modell des solidarischen Semestertickets oder der leistungsstarkes Angebot vorhanden tanz Solidarmodelle im Jobticketbereich auf alle Bürgerinnen und Bürger einer Stadt. › Alle Bürger/-innen einer Kommune (diffe- sind die Mittel von den Kommunen an die Chancen Risiken renziert nach Alter) haben eine wiederkeh- jeweiligen Verkehrsunternehmen weiterzu- › Hohe Lenkungswirkung › Hohes rechtliches Risiko rende Abgabe zu leisten und erhalten im leiten. Gegenzug dafür eine Berechtigung, den › Zu erwartende umfangreiche Nachfrage- steigerung in Hauptverkehrszeiten führt zu ÖPNV kostenlos zu nutzen. › Der Preis für das Bürgerticket kann von hohen sprungfixen Kosten verschiedenen Faktoren abhängig gemacht › Die dadurch generierten Mittel fließen in werden, wie zum Beispiel dem räumlichen › Geringe politische und gesellschaftliche Akzeptanz bei Nicht-Nutzenden des öf- die Finanzierung des ÖPNV auf dem Ge- Geltungsbereich des Tickets oder der Be- fentlichen Verkehrs (Radfahrer/-innen, biet der jeweiligen Kommune ein. Dazu dienungsqualität des ÖPNV. Fußgänger/-innen und Autofahrer/-innen) Verkehrlich- ökonomische Bewertung Juristische Bewertung Abhängig von der genauen Ausgestaltung eines Bürger- Das Bürgerticket muss per Gesetz eingeführt werden, da Empfehlungen tickets ließe sich mit einem solchen Instrument grund- die Erhebung einer Geldleistung in Grundrechte ein- sätzlich der gesamte öffentliche Verkehr finanzieren. greift. Die Länder können durch Änderung des Kom- Aus ökonomischer Sicht ist das Bürgerticket den öffentlichen Verkehr zu verbinden, hätte Es gibt aber zwei wesentliche Kritikpunkte: munalabgabengesetzes eine gesetzliche Ermächtigung eine Kopfsteuer. Da es keinen direkt zure- es de facto die gleichen Konsequenzen wie ein für Kommunen schaffen. Eine Rechtfertigung für einen chenbaren individuellen Vorteil erzeugt, ist es Gratis-ÖPNV. Dabei würde die Kosten dieses 1. Ein Bürgerticket hätte zumindest in Großstädten Eingriff in die Grundrechte sind ökologische Aspekte aus ökonomischer und juristischer Sicht keine kostenlosen ÖPNV jedoch im Falle des Bür- massive Auswirkungen auf die Nachfrage in der der Nutzung des ÖPNV. Die Änderung durch die Län- allgemein empfehlenswerte Variante und wird gertickets nicht über ein sozial gerecht gestal- Hauptverkehrszeit, die dazu führen würden, dass der wäre zulässig, wenn sie sich rechtlich als Beitrag nach unserer Einschätzung daher keine signi- tetes Steuersystem finanziert, sondern über auch ein sehr leistungsfähiges System sehr schnell einordnen ließe, voraussetzt, dass den Zahlenden ein fikante Rolle in der dritten Säule zur Finan- eine pauschale kopfsteuerähnliche an seine Kapazitätsgrenzen stieße. individueller Vorteil gewährt wird. Der individuelle zierung des öffentlichen Verkehrs spielen. Abgabe voraussichtlich weniger gerecht aus- Vorteil kann in der Möglichkeit der Bürger/-innen zur In Klein- und Mittelstädten, im ländlichen gestaltet. 2. Verteilungs- und sozialpolitisch ist ein Bürgerticket verbilligten Nutzung des ÖPNV liegen, ähnlich wie bei Raum und in Kombination mit weiteren Inst- weniger gerecht. Die Internalisierung des positiven dem durch Studierende finanzierten Semesterticket. rumenten kann individuell die Bewertung eine Zumindest für Großstädte mit leistungsfähi- externen Nutzens des ÖPNV über ein Bürgerticket Eine Abgabe nur für die Bereitstellung des ÖPNV ist andere sein. gen ÖPNV-Systemen halten wir daher ein wäre zwar möglich, aber aus verteilungspolitscher nach dem Bundesverwaltungsgericht kein Beitrag, weil Bürgerticket nur für schwierig umsetzbar. Perspektive durch das allgemeine Steueraufkommen es an einem individuellen Vorteil mangelt. 5 Die Mittel Die politische Akzeptanz ist bei allen nicht bzw. durch ein spezielles Steuer- oder Abgaben- sind zur Finanzierung der Kosten des ÖPNV beihilfen- ÖPNV-Nutzendengruppen (insbesondere system deutlich gerechter, das Verkehrserzeuger/ rechtskonform für den Betrieb der Verkehrsdienste und Radfahrenden) sehr gering. Durch die juristi- -innen oder -verursacher/-innen adressiert. die Infrastruktur zu verwenden. sche Notwendigkeit, das Bürgerticket mit ei- ner individuellen Nutzungsberechtigung für 5 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. 6 C 6/15, Textziffer 28.
24 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 25 PARKGEBÜHREN Das Erheben von Parkgebühren kann wesentlich zur Finan- zierung des ÖPNV beitragen. Dabei wird zwischen Bewoh- nerparkgebühren und allgemeinen Parkgebühren unter- schieden. Die Kommunen können die Ausweitung des Verkehrlich- bewirtschafteten Parkraums verändern, die Parkdauer ökonomische Bewertung Juristische Bewertung steuern und die Gebühren innerhalb der gesetzlich festge- Die Bewirtschaftung des Parkraums kann oder leistet Die Kommunen können Gebiete zur Parkraumbewirt- legten Grenzen erhöhen. schon heute in einigen deutschen Städten einen we- sentlichen Beitrag zur Finanzierung des ÖPNV im schaftung aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs ausweisen, nicht aber allein aus Gründen Rahmen des kommunalen Querverbunds. Auch in der Einnahmeerzielung. Die Voraussetzungen müssen Wien wurden die Mindereinnahmen aus der Einfüh- in Bezug auf jede betroffene Straße vorliegen. Das Auf- rung des 365-Euro-Jahrestickets ziemlich genau durch stellen von Verkehrsschildern für das Parken muss Parkraum am Straßenrand ist in der Regel im Gleichzeitig ist es gerechtfertigt, diese Gebüh- eine flächendeckende Ausweitung des Parkraums kom- „zwingend erforderlich“ sein. öffentlichen Besitz und wird im Falle des Par- reneinnahmen zur Finanzierung des ÖPNV pensiert. kens teilweise unbegrenzt zur individuellen heranzuziehen, da ohne einen leistungsfähi- Die Länder können Regelungen zu allgemeinen Park- Nutzung zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig gen öffentlichen Verkehr die Nachfrage nach Zusätzlich führt eine systematische Bewirtschaftung des gebühren festlegen. Fast alle Länder haben den örtli- ist in Städten der Parkraum häufig knapp. Parkraum noch höher wäre und damit auch Parkraums zu einer höheren Kostenwahrheit des MIV, chen Ordnungsbehörden die Ermächtigung dazu über- Daher ist Parkraum zumindest in den Berei- dessen Preise. was einen lenkenden Effekt hat und zu zusätzlicher tragen, aber nur wenige haben Höchstsätze festgelegt. chen, in denen der Parkdruck hoch ist, nach Nachfrage und damit verbundenen Einnahmen führt. Die Länder sind ermächtigt, Gebührenordnungen für marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu gestal- Im ländlichen Raum oder in äußeren Stadtbe- das Bewohnerparken zu erlassen oder die Kommunen ten, das heißt der Markt sollte den Preis be- zirken, in denen die Nachfrage nach Park- Darüber hinaus ist es für Kommunen besonders attrak- dazu zu ermächtigen. Bei der Ermittlung der Höhe stimmen, um eine optimale Allokation zu er- raum sehr gering und kostenloses Parken der tiv, diese Einnahmen auch noch in den kommunalen kann die „Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren möglichen. Dies ist gerechtfertigt, da Regelfall ist, gibt es kaum eine Möglichkeit, ertragsteuerlichen Querverbund zu integrieren, die wirtschaftlicher Wert oder sonstiger Nutzen für die Parkraum kein öffentliches Gut wie zum Bei- dieses Finanzierungsinstrument einzusetzen. Gewinne aus dem Parken mit den Verlusten aus dem Bewohner/-innen“ berücksichtigt werden. Dies ermög- spiel öffentliche Grünanlagen ist, sondern im ÖPNV zu verrechnen und dadurch Steuern zu sparen. licht eine politische Lenkungswirkung der Gebühren urbanen Kontext ein knappes Gut, das zur sowie eine solidarische Umlegung von Preisen für die individuellen Nutzung überlassen wird. Kommunen profitieren mit diesem Modell also gleich Errichtung von Ladeinfrastruktur. dreifach: Durch zusätzliche Fahrgäste und Einnahmen für den ÖPNV und weniger Steuerlast für den kommu- nalen Querverbund.
26 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. Finanzierungs- instrumente 27 Stärken Schwächen › Ohne Gesetzesänderung umsetzbar › Beträchtlicher Aufwand für die Bewirtschaftung des Parkraums. › Etabliertes Instrument in der Verkehrslenkung › Kleinräumige verkehrliche Lenkungswirkung › Teilweise hoheitliche (ordnungspolizeiliche) Aufgabe › Auch für Mittelstädte und kleinere Groß- › Kein Finanzierungsinstrument im Sinne städte ein treffsicheres Finanzierungs- und der Gesetzgebung: Sicherheit und Ord- Verkehrslenkungsinstrument nung des Verkehrs stehen im Vorder- grund Chancen Risiken › Integration der Bewirtschaftung in den › Teilweise geringe politische Akzeptanz ertragssteuerlichen kommunalen Querver- bund möglich › Trotz lokaler Entscheidungskompetenz oft kompliziertes Stakeholdergeflecht › Rechtsgrundlage liegt auf einer Landesgebühren- ordnung und lässt sich dort ändern; Bund spielt dabei keine Rolle › Durch Bereitstellung von öffentlicher Ladeinfra- struktur und digitaler Parkraumbewirtschaftung entstehen neue Möglichkeiten Empfehlungen Die Parkraumbewirtschaftung ist ein vielver- Die Digitalisierung der Parkraumbewirtschaf- sprechendes Instrument für die dritte Säule tung und die Integration in die kommunale der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs. Mobilitätssteuerung werden dabei bislang nur Im Gegensatz zu vielen anderen alternativen unzureichend genutzt. Gleichzeitig wird die Finanzierungsinstrumenten hat sie neben ei- Bereitstellung der öffentlichen Ladeinfrastruk- nem hohen Einnahmepotenzial auch eine tur und des kommunalen Parkraumangebots verkehrslenkende Wirkung und zählt daher zu mit wenigen löblichen Ausnahmen (zum Bei- den zentralen Maßnahmen für eine Verkehrs- spiel Osnabrück) noch zu wenig genutzt. wende, die den gesamten Umweltverbund stärkt und den MIV-Anteil am Modal Split Deswegen sehen wir in der Parkraumbewirt- signifikant senken kann. schaftung ein zentrales Element für die Ausge- staltung der dritten Finanzierungssäule für In vielen Städten liegen Parkhäuser und Park- den öffentlichen Verkehr in Deutschland. Ein plätze schon heute in der Hand der Kommu- Ausbau dieses Instruments ist dabei in vielen nen und sind teilweise Teil des ertragssteuerli- Fällen bereits ohne Gesetzesänderung mög- chen kommunalen Querverbunds. So können lich. Zur Erhöhung der Gestaltungsmöglich- Strategien für Preise und Kapazitäten für öf- keiten der Kommunen ist auf Bundesebene fentlichen Parkraum auf und neben der Stra- aber zu empfehlen, die Parkraumbewirtschaf- ße abgestimmt werden. Auch eine Integration tung auch aus Gründen der Beschränkung des der Parkraumbewirtschaftung in den ertrags- MIV zuzulassen und das nicht nur aus Grün- steuerlichen Querverbund wäre möglich. Die den der Sicherheit oder Ordnung des Einnahmen stehen der Stadt und dem Quer- Verkehrs. verbund zur Verfügung.
28 EXKURS EXKURS 29 BEST PRACTICE WIEN › Deutliche Erhöhung der Gebühren für das soge- nannte Kurzparken (1 Stunde) von 1,20 EUR auf 2,10 EUR im Jahr 2017. Das entspricht einer Zu- Verkehrs. Wien generiert mit Parkgebühren und Bußgeldern Einnahmen, die die Werte deutscher Städte um ein Vielfaches übertreffen. nahme von 75 Prozent. Die Parkgebühren sind im Vergleich zu deutschen Großstädten zwar eher mo- derat, werden dafür aber nahezu flächendeckend Finanzierungsquelle Parkraumbe- erhoben. wirtschaftung › Deutliche Ausweitung des Kontrolldrucks zur Ahn- Die Finanzierungswirkung ist durch eine zwar weit dung von Verstößen gegen die Parkverordnung. Der gefasste, aber dennoch gesetzlich festgeschriebene Kontrolldruck ist deutlich höher als in deutschen Zweckbindung der Einnahmen gegeben, die vor- Vergleichsstädten. Dies macht sich unter anderem schreibt, den „Nettoertrag der Parkometerabgabe für in hohen Einnahmen pro bewirtschaftetem Straßen- Maßnahmen zu verwenden, die der Erleichterung des kilometer bemerkbar. innerstädtischen Verkehrs […] dienen“ 7. Sollte aller- dings die verkehrspolitische Zielsetzung aufgehen und › Zweckbindung der Einnahmen aus der Parkraum- der Autoverkehr signifikant reduziert werden, würde bewirtschaftung, unter anderen auch für die attrak- sich diese Einnahmequelle verkleinern (Steuerungs- tivere Gestaltung und den Ausbau des öffentlichen versus Finanzierungswirkung). Abb. 4 Parkraumbewirtschaftung in Wien ENTWICKLUNG DER BEWIRTSCHAFTETEN STADTBEZIRKE Bei der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs ist anpassung wurde damit begonnen, die Parkraumbe- Wien im Vergleich zu deutschen Städten deutlich bes- wirtschaftung noch einmal deutlich zu intensivieren. IN WIEN 1995–2018 ser aufgestellt. So generiert die Donaumetropole we- Bis heute werden regelmäßig neue Stadtbezirke in die sentlich höhere Einnahmen durch die Ausweitung der Bewirtschaftung integriert und Gebühren sowie Kon- Parkraumbewirtschaftung. Eine Besonderheit der Fi- trolldruck weiter erhöht. Die damit erzielten Einnah- nanzierung in Wien ist dabei die „Zweckbindung“ der men übertreffen die deutscher Städte um ein Vielfa- durch die Parkraumbewirtschaftung generierten ches und tragen ganz wesentlich zur Finanzierung 1995 2018 Mittel. eines attraktiven ÖPNV bei. Die Parkraumpolitik Wiens unterscheidet sich signifi- kant von der deutscher Großstädte. Sie ist ein wesent- Eckpunkte und Vergleich der 2019 licher Stellhebel des Wiener Wegs6, da sie eine ver- Wiener Parkraumpolitik kehrssteuernde Wirkung entfaltet, maßgeblich zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beiträgt und › Ausweitung der bewirtschafteten Stadtbezirke von zudem eine klare verkehrspolitische Signalwirkung zehn im Jahr 2011 auf 17 im Jahr 2017. Das ent- besitzt. spricht einer Zunahme um 70 Prozent. Die Stadt Wien bewirtschaftet damit einen signifikant höhe- 27.500 Stellplätze 299.800 Stellplätze Wien bewirtschaftet bereits seit den 1980er- Jahren ren Anteil der Siedlungsfläche und der Straßenkilo- gezielt den knappen Straßenraum. Im Zuge der Tarif- meter als die deutschen Städte. Quellen: civity Analyse 2019, Corine Land Cover 2018 6 civity Management Consultants: Matters No. 2: Das beste Angebot ist nicht der Preis – Der „Wiener Weg“: Weit mehr als die 365-Euro-Jahreskarte, Berlin/ 7 § 7 Parkometerabgabeverordnung. Hamburg, 2019.
30 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 31 Abb. 5 ZUM VERGLEICH: DIE PARKRAUMBEWIRTSCHAFTUNG IN DEUTSCHEN STÄDTEN IST DEUTLICH ZURÜCKHALTENDER AUSGEPRÄGT Wien 45 % Bewirtschaftete Straßenkilometer 33 % Bewirtschaftete Siedlungs- und Verkehrsfläche Berlin Hamburg Abb. 6 8% 3% DIE EINNAHMEN AUS DER PARKRAUMBEWIRTSCHAFTUNG 6% 4% IN WIEN ÜBERTREFFEN DIE EINNAHMEN DEUTSCHER STÄDTE DEUTLICH in EUR pro Einwohner und Jahr (Gebühren, Strafen, Anwohner) Erläuterung München Köln 63 › Nahezu alle deutschen Großstädte könnten mit einer Intensivierung der Parkraumbewirtschaftung signifikant höhere Einnahmen generieren › 13 % 16 % Bundesweit liegt das Potenzial im 11 % 11 % 20 20 Milliardenbereich 10 7 Wien Berlin Hamburg München Köln Quellen: civity Analyse 2019, Corine Land Cover 2018, Openstreetmap 2019.
32 EXKURS EXKURS 33 BEWOHNERPARKEN IN DEUTSCHLAND Während die Preise für den ÖPNV kontinuierlich und geringe Gebührenniveau in Deutschland. Neben dem In der politischen Praxis ist die große Welle der Ge- -größe)12. Mit Bewohnerparkgebühren in diesen auch die allgemeinen Parkgebühren in deutschen geringen Gebührenniveau ist auch die pauschale Gül- bührenerhöhungen zunächst jedoch ausgeblieben. Als Dimensionen kann eine wirksame Lenkungswirkung Städten zumindest teilweise angestiegen sind, blieben tigkeit der GebOSt für ganz Deutschland problema- einziges Bundesland hat bisher Hamburg im Juni 2021 gelingen und ein wertvoller Beitrag für die Finanzie- die Gebühren für Bewohnerparken auf Niedrigniveau: tisch, da sich sowohl Parkdruck als auch Bodenricht- eine eigene Gebührenverordnung erlassen und die rung des ÖPNV erreicht werden. 30,70 EUR pro Jahr ist die Maximalgebühr, die Kom- werte für öffentlichen Raum stark zwischen Ländern jährliche Gebühr für Bewohnerparkausweise auf munen gemäß GebOSt bundesweit für einen Bewoh- und Kommunen unterscheiden. 50 bzw. 45 EUR (bei Online-Antrag) erhöht.11 Einige nerparkausweis erheben dürfen. 8 andere Bundesländer wie Niedersachsen, Rheinland- Die Bundespolitik hat nun reagiert und 2020 eine No- Pfalz oder Baden-Württemberg haben bereits ange- Mit diesem Gebührenniveau wird weder eine Len- velle des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) beschlossen. kündigt, ihre Kommunen mit der Gebührenfestset- kungswirkung erzielt noch werden die Kosten für die Darin ist geregelt, dass Länder eigene Gebührenver- zung zu beauftragen. Insbesondere in Baden- Nutzung des öffentlichen Raums angemessen gedeckt. ordnungen für Bewohnerparken erlassen oder dieses Württemberg haben einzelne Kommunen dabei ambi- In Berlin fallen pro Parkplatz (ca. 12 m²) beispielsweise Recht an die Kommunen weitergeben können. 10 In der tionierte Pläne und peilen eine Verzehnfachung der allein ca. 220 EUR/Jahr für Reinigung und Winter- Theorie werden so die beiden wesentlichen Probleme jährlichen Gebühren an. Während Ulm mit ca. 300 dienst an. 9 Auch der Blick ins Ausland auf Städte wie adressiert, da die Gebühren nun je nach regionaler EUR/Jahr plant, werden in Tübingen und Freiburg Zürich (290 EUR/Jahr), Amsterdam (535 EUR/Jahr) Situation festgesetzt bzw. erhöht werden können. sogar durchschnittlich 360 EUR/Jahr angestrebt (An- oder Stockholm (827 EUR/Jahr) verdeutlicht das passungen und Rabatte je nach Fahrzeugart und 8 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) Nr. 265. 11 Hamburger Parkgebührenordnung § 2. 9 Deutsches Institut für Urbanistik, 2020. 12 SWR Aktuell, 04.06.2021, URL: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/teures-anwohnerparken-100.html. 10 Straßenverkehrsgesetz (StVG) § 6a Absatz 5a Satz 3.
34 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 35 CITY-MAUT Verkehrlich- Das Erheben einer City-Maut für die Nutzung des öffentli- ökonomische Bewertung Juristische Bewertung chen Straßenraums kann zur Finanzierung des ÖPNV bei- Auch die City-Maut wird nach unserer Einschätzung in Die Einführung einer City-Maut bedarf eines Gesetzes. tragen. Dabei gibt es auch hier zwei grundsätzliche Model- keiner deutschen Großstadt den ÖPNV komplett finan- zieren können. Gleichzeitig kann sie aber genauso wie Die Erhebung einer City-Maut durch Landesgesetz käme nur als Straßenbenutzungsgebühr oder als Len- le: Eines mit einer einfachen Vignette und ein digitales, die Parkraumbewirtschaftung einen wesentlichen ver- kungssonderabgabe in Betracht; als Steuer wäre der kehrslenkenden Effekt haben. Bund zuständig. Die Erhebung der City-Maut als Ge- nachfrageabhängiges, dynamisches City-Maut-System wie bühr oder Sonderabgabe liegt in der konkurrierenden zum Beispiel in London oder Stockholm. Die Kommunen Da es mit einer Einführung bis heute keine Erfahrung in Deutschland gibt, ist sie mit deutlich größeren Risi- Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG (Straßenbenutzungs- können die räumliche Verteilung des bewirtschafteten Stra- ken verbunden. Nach den uns bekannten Zahlen ist die City-Maut zumindest in der digitalen Variante mit gebühren) bzw. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG (Luftreinhal- tung und Lärmbekämpfung). ßenraums verändern. Auch können sie mit Hilfe des Prei- deutlich höheren Fixkosten verbunden und daher wahrscheinlich nur eine Option für die Millionenstädte Hinsichtlich der Straßennutzungsgebühren bedarf es ses die Zufahrt zur Innenstadt steuern. in Deutschland mit ihrer sehr hohen MIV-Verkehrs- einer bundesgesetzlichen Regelung, Art. 72 Abs. 2 GG. nachfrage. Daran bestehen bei der Einführung der City-Maut allerdings erhebliche Zweifel. Soweit sie keine Rege- Zusätzlich lässt sich eine City-Maut nur auf die Ein- lung zur Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung be- fahrt in einen bestimmten Bereich erheben, welcher zweckt, sondern vielmehr der Finanzierung des ÖPNV Das ordnungspolitische Rational bei der City- Auch Autofahrer/-innen sind Nutznießer/ groß genug sein muss, um die notwendigen Fixkosten dienen soll, könnten die Länder je nach Ausgestaltung Maut ist das Gleiche wie bei der Parkraumbe- -innen des ÖPNV, da ohne diesen mehr PKW zu decken. Eine systematische Parkraumbewirtschaf- eine City-Maut jeweils in ihren Gebieten aber außer- wirtschaftung. Nur dass hier nicht der ruhen- die innerstädtischen Straßen befahren wür- tung mit kleinen Parkzonen kann daher viel spezieller halb von Bundesfernstraßen einführen. de, sondern der fließende Verkehr zur den. Daher ist es legitim, die Autofahrer/ individuelle Verkehrserzeugungsschwerpunkte adres- Finanzierung des ÖPNV herangezogen wird. -innen über eine City-Maut an der Finanzie- sieren. Wir halten die systematische Parkraumbewirt- rung des öffentlichen Verkehrs zu beteiligen. schaftung aus diesem Grund für das deutlich treffsiche- Auch Straßenraum ist in den Hauptverkehrs- re verkehrspolitische Instrument im Vergleich zur zeiten unserer Städte ein knappes Gut und City-Maut. Gleichzeitig ist die Parkraumbewirtschaf- müsste daher eigentlich nach marktwirtschaft- tung in den meisten Städten schon etabliert und daher lichen Kriterien bereitgestellt werden. Gleich- gesellschaftlich und politisch einfacher umzusetzen. zeitig ist hier aber die individuelle Nutzung des Raumes deutlich kürzer.
36 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. Finanzierungs- instrumente 37 Stärken Schwächen › Großräumige verkehrliche Lenkungswirkung › Kein etabliertes Instrument in Deutschland › Umfangreiche Einnahmen › Bundesstraßen können nach der geltenden Gesetzge- bung nicht einbezogen werden › Weniger treffsicher bei kleinen Verkehrsschwerpunk- ten, zum Beispiel außerhalb der Stadtzentren › Sehr hohe Fixkosten für Kontrolle und Infrastruktur; wahrscheinlich nur eine Lösung für sehr große Städte › Für kleinere Städte dagegen nicht wirt- schaftlich Chancen Risiken › Zeitliche und damit nachfrageabhängige › Dynamisches City-Maut-System technolo- Bepreisung des motorisierten Individual- gisch bisher in Deutschland nicht etabliert verkehrs möglich › Hohe Kostenrisiken bezüglich des Gesamtsystems › Geringe politische und gesellschaftliche Akzeptanz Empfehlungen Die City-Maut ist international ein etabliertes politische Diskussion, de facto ist es aber eher Instrument zu Steuerung des motorisierten eine Randdiskussion für einige wenige poten- Individualverkehrs in urbanen Ballungsräu- zielle Anwendungsfälle in Deutschland. men und insbesondere in hoch verdichteten Stadtzentren. Die Parkraumbewirtschaftung bietet aus unse- rer Sicht die gleichen Chancen, da auch bei Der Investitions- und Betriebsaufwand für ein ihr noch nicht im Ansatz die Chancen der digitales, dynamisches City-Maut-System ist Digitalisierung genutzt werden, das heißt ins- nicht zu unterschätzen. Zur Finanzierung der besondere die zeit- und damit nachfrageab- notwendigen Anlagen bedarf es daher einer hängige Bepreisung des Parkraums. hinreichend großen Verkehrsnachfrage. Da- raus lässt sich schließen, dass die City-Maut Um eine City-Maut vollumfänglich einzufüh- eher ein Verkehrslenkungs- als ein Finanzie- ren (zum Beispiel innerhalb des S-Bahn-Rings rungsinstrument ist. in Berlin) wären auch umfangreiche Änderun- gen gesetzgeberischer Natur auf Bundesebene Die City-Maut wurde daher auch internatio- notwendig. nal nur in wenigen sehr großen Städten einge- führt. In Bevölkerungsdichte und Stadtstruk- Zusammenfassend gehen wir nicht davon aus, tur mit diesen Städten vergleichbar sind nur dass die City-Maut ein wesentlicher Baustein eine Handvoll deutscher Städte. Das Instru- der dritten Finanzierungssäule des öffentli- ment der City-Maut bestimmt zwar häufig die chen Verkehrs sein wird.
38 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 4. FINANZIERUNGSINSTRUMENTE 39 EINMALIGE ERSCHLIESSUNGS- Daher sollte im Rahmen der Stadtentwicklung das Instrument städtebaulicher Verträge stärker auch zur Finanzierung einer angemes- senen ÖPNV-Anbindung genutzt werden. Für Einnahmen ein wesentlicher Bestandteil der Finanzierung des ÖPNV der Zukunft. Das Beispiel des Versement Transport zeigt, dass der Beteiligung von Arbeitgeber/-innen hier ABGABE die bessere ÖPNV-Erschließung in bereits eine wesentliche Rolle zukommen kann. Auch verdichteten Gebieten – wie zur Finanzierung das ist in urbanen Räumen sachlogisch: Der eines U-Bahn-Neubaus – ist eine Beteiligung Wettbewerbsvorteil einer Großstadt gegen- der Immobilieneigentümer/-innen ebenfalls über dem weiteren Land ist ihr großer, oft in denkbar und sachlogisch, hierfür sind aller- bestimmten Branchen hochspezialisierter Ar- dings neue juristische Instrumente zu entwi- beitsmarkt. Dies gilt genauso für gut an diese ckeln. Zentren angebundene Orte im weiteren Land – dementsprechend suchen Arbeitgeber/ Eine einmalige Erschließungsabgabe für den ÖPNV würde Neben einmaligen Einnahmen für Investitio- -innen gezielt diese Standorte für ihr weiteres nen sind insbesondere weitere wiederkehrende Wachstum. ähnlich funktionieren wie die Erschließungsabgaben für den Straßenbau. Zahlreiche internationale empirische Stu- dien haben gezeigt, dass insbesondere bei einer infrastruk- turellen Erschließung mit ÖPNV-Infrastruktur der Boden- Verkehrlich- ökonomische Bewertung Juristische Bewertung wert beziehungsweise die Immobilienpreise steigen. Das Modell kann insbesondere bei Investitionen in Einmalige ÖPNV-Erschließungsbeiträge in Verbindung ÖPNV-Infrastruktur einen entscheidenden Beitrag zu mit der ÖPNV-Infrastruktur sind durch Gesetz einzu- deren Finanzierung leisten. Hierzu bedarf es eines ko- führen. Die Kommunalabgabengesetze sehen bisher härenten Ansatzes, der die Erschließungsqualität weit- nur die klassischen Erschließungsbeiträge vor, aber die Sofern der Boden in privatem Besitz ist, sind laut einer Untersuchung des Bundesamts für räumig, aber auch die direkte negative Externalität Länder haben die Gesetzgebungskompetenz, neue in diesem Falle die Gewinne aus der Wertstei- Bauwesen und Raumordnung um mindestens (zum Beispiel Lärm der Straßenbahn) berücksichtigt. ÖPNV-Erschließungsbeiträge anzufügen. Um einer gerung privatisiert und die Verluste aus den vier Prozent 13 selbst in dezentralen Lagen Ent-scheidend ist, dass nicht nur die direkten Anlieger/ Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes entgegen- Investitionen des ÖPNV sozialisiert. Da die mittlerer Großstädte, wie Saarbrücken oder -innen einer Strecke, sondern auch die indirekten in zutreten, kann die Steigerung des Boden- oder Immo- Verluste dementsprechend aus Steuern aufge- Erfurt. In guten Lagen größerer Städte, wie Reichweite der Stationen ausreichend an der Abgabe bilienwertes durch den Anschluss an den ÖPNV als bracht werden müssen, sollten die Rentiers etwa Frankfurt am Main, sind teilweise Wert- beteiligt werden. sachlicher Grund dafür angeführt werden, dass die der Erschließung nach rationaler Logik ange- steigerungen weit im zweistelligen Prozentbe- Grundstückseigentümer/-innen gegenüber anderen messen an den Kosten beteiligt beziehungs- reich möglich, wie internationale Studien zei- Eine verkehrliche Wirkung, die über die Effekte der Nutzer/-innen des ÖPNV höher belastet werden. Al- weise der Bodenwertgewinn teilweise oder gen. 14 Diese Wertsteigerungen fließen derzeit Angebotsausweitung hinausgeht, erwarten wir bei die- lerdings wäre auch innerhalb der Gruppe der Grund- vollständig abgeschöpft werden (international allein den Immobilieneigentümer/-innen und sem Instrument nicht. Das Modell ist vielmehr bei der stückseigentümer/-innen auf die Einhaltung der Belas- nennt man dies Land Value Capture). -nutzer/-innen zu, auch unter Berücksichti- Erschließung von Neubaugebieten (Gewerbe und tungsgleichheit zu achten und eine willkürliche gung einer gegebenenfalls. abzuführenden Wohnen) zielführend, um Investoren ausreichend an Ungleichbehandlung zu vermeiden. Eine gute ÖPNV-Anbindung führt nachweis- Stellplatzablöse. der Finanzierung des Ausbaus zu beteiligen. Verkehrli- lich zu Wertsteigerungen von Immobilien – che Lenkungseffekte sind ausschließlich durch die An- gebotsausweitung zu erwarten. 13 BBSR: „Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung“, 2015. 14 z. B. als Ausgangsbasis der weiteren Analyse die Metastudie: Mohammad et al. „A meta-analysis of the impact of rail projects on land and property values“ in Transportation Research Part A 50 (2013) 158–170.
Sie können auch lesen