Kinder - Neue Wege - Familienzentren in Nordrhein-Westfalen
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Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Kinder Neue Wege – Familienzentren in Nordrhein-Westfalen Eine Handreichung für die Praxis Lebensbildung www.mfkjks.nrw
Inhalt Vorwort 3 Einleitung 4 1. Zielsetzung und Praxis der Familienzentren in Nordrhein-Westfalen 6 1.1 Zielsetzungen 7 1.2 Organisationsformen der Familienzentren 9 1.3 Ausgezeichnete Praxisbeispiele 18 2. Organisation und Management des Familienzentrums 22 2.1 Zielentwicklung und Aufgabenplanung 23 2.2 Sicherung des Sozialraumbezuges 33 2.3 Kooperation und Organisation 37 2.4 Zielgruppenorientierte Kommunikation 39 2.5 Leistungsentwicklung und Selbstevaluation 41 2.6 Finanzierung 44 3. Leistungen eines Familienzentrums 46 3.1 Beratung und Unterstützung von Kindern und Familien 48 3.2 Familienbildung und Erziehungspartnerschaft 50 3.3 Kindertagespflege in Familienzentren 53 3.4 Vereinbarkeit von Familie und Beruf 57 Fazit 62 4. Anhang 64 4.1 Lexikon 65 4.2 Materialien 69 4.3 Quellenverzeichnis 72 4.4. Stichwortverzeichnis 75 Impressum 79
3 Vorwort Familienzentren sind „Orte des Vertrauens“. Sie bieten Eltern und ihren Kindern frühe Beratung, Betreuung, Bildung sowie Erziehungs- und Lebenshilfe an und tragen so zu mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit bei. Als wohnort- nahe Anlaufstellen sind sie besonders geeignet, Familien mit niedrigschwelligen Angeboten zu erreichen. Vernetzung im Sozialraum ist dabei eine Schlüsselkompetenz der Familienzentren. Angebote der Kinder- und Jugend- hilfe werden mit familienpolitischen Leistungen und weiteren je nach Bedarf erforderlichen z.B. sozialen, gesund- heits- oder arbeitsweltbezogenen Hilfen in den Einrichtungen zusammengeführt. Gerade für benachteiligte Familien und Familien aus bildungsferneren Milieus bieten sie bedarfsgerechte, vernetzte und ortsnahe Angebote „aus einer Hand“ und damit eine erweiterte Unterstützungsstruktur. Indem Familienzentren Eltern offensiv ansprechen und ein- beziehen, wird erfolgreich auf die kindliche Entwicklung eingewirkt. Wegen ihrer besonderen interkulturellen Kompe- tenz bieten Familienzentren auch Eltern und Kindern mit Fluchterfahrungen gute Rahmenbedingungen und eine ge- schätzte Willkommenskultur. In Nordrhein-Westfalen sind im Kindergartenjahr 2016/2017 rund 3.400 Kindertageseinrichtungen an dem „Netzwerk Familienzentren“ beteiligt. Damit steht landesweit ein gutes vielfältiges Unterstützungsangebot für Familien zur Ver- fügung. Seit dem Kindergartenjahr 2012/2013 erweitern wir dieses Angebot vorrangig dort, wo der Bedarf am größ- ten ist. Wir haben daher unsere Förderung vor allem auf Gebiete mit einem besonderen Armuts- und Bildungsrisiko konzentriert. Mit dieser Handreichung wollen wir die gute Arbeit der Familienzentren mit Hinweisen zu Organisation, Management und Gestaltung von passgenauen Angeboten weiter unterstützen. Sie ist so beliebt, dass ich mich freue, Ihnen bereits die siebte Auflage zur Verfügung stellen zu können. Ich danke allen, die mit ihrer engagierten Arbeit Eltern und Kinder in den Familienzentren unterstützen. Ich wünsche Ihnen weiterhin gutes Gelingen und Freude bei Ihrer wichtigen Aufgabe! Ihre Christina Kampmann Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen
5 Einleitung einen Überblick auch über andere Konzepte von Familienzentren zu geben, um Inspirationen und Mit der Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtun- Impulse für die eigene Arbeit zu gewinnen, gen zu Familienzentren will das Land Nordrhein-Westfa- len eine Antwort geben auf die vielfältigen Herausforde- Materialien zur Verfügung zu stellen, die die prak- rungen des gesellschaftlichen Wandels. tische Umsetzung begleiten und vereinfachen, Die Vielzahl an Lebensformen und Familienmodellen in dabei zu helfen, mögliche Probleme und „Stolper- einer Welt zunehmender Mobilität und Flexibilität im Be- steine“ bereits im Vorfeld zu erkennen und so zu ruf geht damit einher, dass die sozialen Netze „Familie“ vermeiden. und „Nachbarschaft“ über die Generationen hinweg und in der Nachbarschaft nicht mehr „automatisch“ funktio- Die Handreichung gliedert sich in vier Kapitel: nieren. Erziehung und Bildung sind aber auf ein miterzie- hendes Gemeinwesen angewiesen und Familienzentren Im 1. Kapitel „Zielsetzung und Praxis der Familien- helfen, diese Kluft zu schließen. Sie fördern die Kinder zentren in Nordrhein-Westfalen“ werden noch einmal und unterstützen gleichzeitig die Eltern. die wesentlichen Zielsetzungen und die bisher erfolgten Umsetzungen des Landesprogramms skizziert. Durch die Bündelung der Angebote verschiedener Träger werden Bildung, Erziehung und Betreuung in Familien- Im 2. Kapitel „Organisation und Management des zentren mit bestehenden Angeboten der Familienunter- Familienzentrums“ werden grundlegende Anforderun- stützung, -beratung und -bildung zusammengeführt, gen an die Organisation und das Management eines damit sie für Eltern leichter zugänglich sind und Familien Familienzentrums dargestellt und Umsetzungsmöglich- schneller und unkomplizierter Hilfe und Unterstützung keiten durch die Praxis erläutert. erfahren können. Die Philosophie der Familienzentren ist, Familien eine verlässliche Anlaufstelle für Alltags- Im 3. Kapitel „Leistungen eines Familienzentrums“ fragen in ihrem Stadtteil zu bieten. werden zentrale Anforderungen an Familienzentren vor- gestellt und mögliche Konzepte und Inhalte an Beispie- Kindertageseinrichtungen als Basis der Familienzentren len illustriert. eignen sich dafür besonders gut. Sie sind vertraute Orte für Kinder, ebenso wie für Eltern. Das 4. Kapitel „Anhang“ gibt Hinweise auf weiterfüh- rende Arbeitsmaterialien (Konzepte, Arbeitsvorlagen Vor diesem Hintergrund will diese Handreichung einen etc.) und Instrumente (so z. B. Elternfragebögen oder Überblick über die verschiedenen Anforderungen an Kin- Evaluationsinstrumente). Die Materialien und Texte dertageseinrichtungen und ihre Möglichkeiten geben, können zumeist auf der Internetseite des Landespro- wenn sie sich auf den Weg zum gramms www.familienzentrum.nrw.de eingesehen und Familienzentrum machen. herunter geladen werden. Weitere Suchmöglichkeiten und Informationen eröffnen die Link- und Literatur- Ziel ist, listen im Anhang. Fach- und Leitungskräften Orientierungshilfe bei der Weiterentwicklung der eigenen Kindertageseinrich- Die Handreichung ist so aufgebaut, dass die einzelnen tung zu bieten, Kapitel mit den jeweiligen Unterpunkten in sich abge- schlossen sind. Die Leserin bzw. der Leser kann also anhand von Beispielen einen Überblick darüber zu selektiv die Themen und Bereiche herausgreifen, die geben, wie die Arbeit als Familienzentrum ausge- jeweils von Interesse sind. Das Stichwortverzeichnis staltet werden kann, auf den Seiten 75 und 76 kann helfen, zielgenau das Wesentliche aufzuspüren. Anregungen für mögliche Inhalte und Kooperationen zu geben, das Wissen und die Erfahrungen der ersten Ausbau- phase für die nachfolgenden Einrichtungen verfüg- bar zu machen,
7 1.1 Zielsetzungen In der Praxis hat sich gezeigt, dass familiäre Unterstüt- zungs- und Beratungsangebote dann besonders hilf- Familienzentren – passgenaue Unterstützung aus reich sind, wenn sie „aus einer Hand“ angeboten wer- einer Hand den, wohnortnah und niederschwellig organisiert sind. Als Ausgangspunkt zur Vernetzung derartiger Angebote Ziel des Landesprogramms „Familienzentrum NRW“ ist bieten sich besonders Tageseinrichtungen für Kinder an. die Zusammenführung von Bildung, Erziehung und Be- Sie stellen zumeist die erste Bildungs- und Erziehungsin- treuung als Aufgabe der Kindertageseinrichtungen mit stitution im Leben eines Kindes dar. Hier werden lang an- Angeboten der Beratung und Hilfe für Familien. Die För- haltende stabile Beziehungen zu Kindern und Familien derung von Kindern und die Unterstützung der Familien aufgebaut, die eine große Ressource für Unterstützungs- sollen Hand in Hand entwickelt und gestaltet werden. angebote darstellen und eine Orientierung an den Familienzentren werden damit zum Mittelpunkt eines Lebenslagen und dem Sozialraum der Familien bieten. familienunterstützenden Netzwerkes im Stadtteil. Sie verfügen über die notwendige Nähe zu Kindern und Familien und können Risikosituationen, Störungen der Entwicklung und Unterstützungsbedarfe frühzeitig wahrnehmen und darauf angemessen reagieren. Die besondere Verbindung der unterschiedlichen Ange- bote in den Familienzentren hat zum Ziel: Die konzeptionelle Weiterentwicklung und Öffnung der Tageseinrichtungen für Kin- Sprachförderung auch für Kinder, die keine Kita be- der wird schon seit langem gefordert. suchen, zu ermöglichen, Eltern in Fragen der Erziehung, Bildung, Gesundheit So kommt z. B. auch das Projekt des Deutschen etc. gezielter und bereits sehr früh Beratung anzu- Jugendinstituts „Orte für Kinder – Pluralisierung bieten, von Betreuungsformen – Öffnen von Institutionen“ Kindertageseinrichtungen zu Bildungs- und Erfah- (1991– 1994) zu dem Ergebnis, dass es neben ein- rungsorten für Kinder und ihre Eltern weiterzuentwi- richtungsspezifischen Entwicklungserfordernissen ckeln und damit auch Eltern in ihrer Erziehungskom- (z. B. altersheterogene Gruppen, variable Betreu- petenz zu stärken, ungszeiten, zeitlich feste und offene Angebote, neue Eltern bei der Überwindung von Alltagskonflikten pädagogische Konzepte) auch darauf ankomme, dadurch zu unterstützen, dass ihnen Hilfen unmittel- dass sich die Institutionen der Kindertagesbetreu- barer und ohne Hemmschwelle zugänglich gemacht ung für die Belange von Familien öffnen (z. B. Kon- werden, taktbedürfnis, praktische Versorgungsfragen des Zuwandererfamilien und Familien aus bildungs- Alltags, Unterstützung von Selbsthilfe) und sich fernen Schichten besser anzusprechen, an der Planung und Entwicklung einer Infrastruk- insgesamt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tur für Kinder und Familien über die einzelne Ein- zu verbessern, richtung hinaus beteiligen (vgl. Ledig u.a. 1996). durch eine Öffnung der Angebotsstruktur – unter Einbeziehung der Familien – mehr Variabilität in den Betreuungszeiten zu schaffen und Hilfe und Unterstützung bei der Vermittlung von Tagespflegepersonen zu bieten.
8 In der Vergangenheit sind vielfältige Entwicklungen in Fehlender muttersprachlicher Kontakt und Deutschland zu beobachten, die neben der Bildung, Er- entsprechende Vertrauenspersonen, ziehung und Betreuung von Kindern in Kindertagesein- Sprachbarrieren, richtungen auch die Vernetzung und das Zusammenwir- unpersönlicher, förmlicher Kommunikationsstil, ken von Kindertageseinrichtungen mit anderen kind- und Befürchtung von Stigmatisierung, familienbezogenen Diensten, Einrichtungen, Personen, Angst vor Kontrolle, Institutionen und Organisationen im Sozialraum organi- zu hohe Teilnahmebeiträge, sieren (vgl. Deutsches Jugendinstitut 2004). zu hoher bürokratischer Aufwand. Diese Hürden und die damit verbundenen Ängste kön- Familienzentren für Kinder und Eltern mit besonde- nen überwunden werden, wenn gerade zu Beginn der An- rem Unterstützungsbedarf sprache die Schwellen so niedrig wie möglich gehalten werden, dass die Familien sie ohne große Schwierigkei- Familienzentren bieten eine Vielzahl von Dienstleistun- ten überwinden können. Angebote sind also gefragt, die gen und Unterstützungsangeboten für Familien an. Dabei an Kinder und Eltern zunächst keine hohen Anforderun- soll jedes Familienzentrum die Bedürfnisse und den Be- gen stellen, einen niedrigen Grad von Verbindlichkeit ha- darf von Familien im Stadtteil kennen und flexibel darauf ben und üblicherweise eine „Gehstruktur“ aufweisen. reagieren. Flexibilität und Niedrigschwelligkeit sind die Das heißt, das Fachpersonal in den Familienzentren geht zentralen Leitlinien, die passgenaue Zugänge zu den dorthin, wo die Familien sich aufhalten und spricht sie Angeboten für Familien im Umfeld schaffen. Nicht das aktiv an. Angebot, sondern Bedarf und Nachfrage sollen das Kon- zept bestimmen. Nicht die Familien suchen das Angebot, Entscheidend ist ebenfalls die akzeptierende und wert- sondern der Familie wird die Unterstützung angeboten. schätzende Grundhaltung gegenüber den Familien im Stadtteil, insbesondere dann, wenn Normen und Werte Familienzentren für Kinder und Eltern mit besonderem der Eltern nicht denen der Erzieherinnen und Erzieher Unterstützungsbedarf arbeiten vorwiegend mit Familien, entsprechen. Es gilt außerdem lange Wege zu vermeiden die ein hohes Bildungs- und Armutsrisiko tragen. Diese und die Kindertageinrichtung als vertrauten Ort für Bera- Familien sind nicht selten arbeitslos, verschuldet oder tungs- und Bildungsangebote zu nutzen. Angebote unter befinden sich durch Krisen oder Krankheiten in einer ris- einem Dach kommen gerade den Eltern entgegen, für die kanten Lebenssituation. Die Wohnverhältnisse sind zum der Weg in eine andere fremde Institution eine erhebliche Teil beengt und mit Blick auf die Kinder eher anregungs- Hürde darstellen würde. arm. Auch benötigen Familien mit besonderem Unterstüt- Passgenaue niedrigschwellige Unterstützung ist deshalb zungsbedarf weitere Angebote wie zum Beispiel: vor allem für diese Kinder und Eltern von besonderer Bedeutung. Denn vor allem Familien in benachteiligten Erziehungsberatung, Gebieten haben oftmals Hemmungen, in Beratungs- und Schuldnerberatung, Bildungseinrichtungen zu gehen, obwohl gerade sie sich Mieterberatung, überfordert fühlen und der Bedarf an Unterstützung Sozialberatung, besonders groß ist. Zugangshürden zu geeigneten Gesundheitsberatung, Angeboten für Eltern aus sozial benachteiligten Milieus Psychosoziale Beratung usw.. sind oft:
9 Um diese Leistungen für Kinder und Eltern mit besonde- Weiterführende Literatur: rem Unterstützungsbedarf sicherstellen zu können, ko- operieren die Familienzentren mit weiteren Initiativen AWO-Bundesverband e.V. (2010): Expertise Dr. Kate und Vereinen im Stadtteil. Darüber hinaus versuchen Bird und Wolfgang Hübner: Familien in benachteilig- Stadtteilinitiativen Kinder und ihre Familien für die aktive ten und von Armut bedrohten betroffenen Lebensla- Gestaltung ihres persönlichen und nachbarschaftlichen gen als Adressaten von Elternbildung und Elternar- Umfeldes zu gewinnen. Unter anderem beit, Berlin. Christina Schlich (2010): Praxishandbuch Elternkom- zur Förderung der gesundheitlichen Entwicklung der pass. Lebensweltbezogene Elternbildung und lokale Kinder durch Bewegung und gesunde Ernährung, Bündnisbildung, Bonn. z. B. durch Kooperation mit Sportvereinen, Angelika Diller (2006): Eltern-Kind-zentren. Grundla- um attraktivere Spielbereiche für Kinder herzustel- gen und Rechercheergebnisse, München, S. 31 ff.) len, z. B. durch Kooperation mit Stadtteilbüros, zur Förderung der Kommunikation und Mitbestim- mung, z. B. durch Bewohnerversammlungen, Eltern- cafés und Stammtische, zur Verbesserung von Sicherheit und Sauberkeit im 1.2 Organisationsformen der Wohnumfeld z. B. durch Kooperation mit Wohnungs- Familienzentren baugesellschaften. Verschiedene Organisationsmodelle sind möglich In der Außendarstellung und Öffentlichkeitsarbeit setzen die Einrichtungen auf niedrigschwellige und persönliche Das Landesprogramm „Familienzentrum NRW“ hat den Werbung. Aktivitäten und Feste tragen ebenso zu einem sich entwickelnden Familienzentren in Nordrhein-West- Positiv-Image bei wie persönliche Erfahrungen und Er- falen keinen bestimmten Organisationstyp verbindlich lebnisse, die durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“ weiter vorgegeben, sondern hier lokalen Eigenheiten, Traditio- getragen werden. Neue Angebote benötigen deshalb eine nen und Entwicklungssträngen Rechnung getragen und gewisse Anlaufzeit, um sich durchzusetzen. Raum gegeben. Insgesamt ist festzustellen, dass Familienzentren als Es sind verschiedene Organisationsformen möglich, wie Strukturausgleich und Beitrag zu mehr Bildungs- und „Unter einem Dach“, das Modell „Lotse“ und die Chancengerechtigkeit ganz besonders gebraucht wer- „Galerie“. den. Sie sind ganz besonders gefordert, ihr Angebot so niedrigschwellig wie möglich in benachteiligten Milieus auszurichten. „Unter einem Dach“ Bei diesem Angebotstyp werden alle gewünschten „Zusatzleistungen“, die ein Familienzentrum ausmachen, von einem Träger, an einem Ort und unter einer umfas- senden Leitung realisiert. Vorbilder sind hier die aus der Gemeinwesenarbeit entstandenen stadtteilbezogenen „Sozialzentren“, die sich vor allem in sozial benachteilig- ten Regionen (Stadtteilen) finden. Hier bieten sie umfas- sende und niederschwellige Unterstützung für Familien in schwierigen Lebenssituationen an, die durch klassi-
10 sche Angebote und Dienste (Erziehungsberatung, Famili- Beispiel enbildung) nur schwer oder kaum zu erreichen sind. Best-Practice-Einrichtung FRÖBEL-Familienzentrum ZAK: Modell „Unter einem Dach“ Zentrum für Aktion und Kultur Bergisch-Gladbach (Region Köln) Bei dem Modell unter einem Dach werden alle Hilfs- und Beratungsangebote für Familien unter dem Der Verein zur Förderung der Jugend- und Sozialar- Dach der Kindertageseinrichtung bereitgestellt. beit e.V. wurde ursprünglich 1994 gegründet. Die Ver- Dies ermöglicht ein ganzheitliches und verläss- einsgründer verfolgten das Ziel, im Stadtteil Bens- liches Konzept. berg-Bockenberg ein Gemeinwesenzentrum zu errichten. Leitgedanke war, im Rahmen einer offenen Gesamtkonzeption ein Haus für Kinder, Jugendliche Bei diesem Organisationskonzept findet sich das kom- und Erwachsene zu gestalten, das generationen- und plette Angebot in den Räumlichkeiten der Kindertages- nationalitätenübergreifend Sozial- und Kulturarbeit an einrichtung. Familienberatung, Familienbildung sowie einem Ort verbindet. Erziehungsberatung finden regelmäßig in den Kinderta- geseinrichtungen statt. Diese Angebote werden in der Die Aufgabenstellung des Zentrums erfolgt zusam- Regel von der Leitung der Einrichtung koordiniert und mengefasst unter den Aspekten: Integration der pä- schwerpunktmäßig vom eigenen Personal begleitet dagogischen/kulturellen Arbeit mit verschiedenen bzw. durchgeführt. Zielgruppen; generationen- und nationalitätenüber- greifender Handlungsansatz mit dem Ziel, das Selbst- hilfe- und Selbstorganisationspotenzial der Bürge- Abb. Unter einem Dach rinnen und Bürger zu aktivieren, Netzwerke bilden, Nutzerinnen und Nutzer beteiligen. Das FRÖBEL-Familienzentrum ZAK ist durch die Ver- netzung mit einer Familienbildungsstätte und weite- Kita ren Kooperationspartnern zu Beginn des Programms als „Best-Practice-Einrichtung“ ausgezeichnet wor- den. Das Zentrum bietet aufgrund seiner „offenen Ge- samtkonzeption“ der Kindertagesstätte vielfältige Betreuung Tagespflege Möglichkeiten und ein reichhaltiges Raumangebot. Beratung Selbsthilfeorganisationen www.familienzentrum-zak.de Familienbildung Vereine Integration Stadtteilcafé
11 Beispiel der Vermittlung von Kindertagespflege/Vermittlung von Notbetreuungen und Babysitterdiensten; regel- Best-Practice-Einrichtung „Blauer Elefant“, mäßige Elterntreffen zu unterschiedlichen Themen Essen-Katernberg (Region Düsseldorf) (Elterncafé, Elternfrühstück, Spielnachmittage); Sozialpädagogin als Familiencoach zur individuellen Eine Erziehungsberatungsstelle und eine damals noch und gezielten Unterstützung von Familien. zweigruppige Kindertageseinrichtung bilden seit 1991 das Fundament des Kinderhauses Blauer Elefant. Im www.kinderschutzbund-essen.de Laufe der Jahre wurde die Einrichtung um einen Kin- der- und Jugendtreff sowie zusätzliche Tagesstätten- gruppen erweitert. Mittlerweile wird der Bereich der Kindertagesstätten von 120 Kindern zwischen zwei und sechs Jahren besucht, im Kinder- und Jugend- treff werden täglich etwa 20 Kinder betreut. Das Kin- der- und Familienzentrum Blauer Elefant arbeitet nach dem Grundsatz „viele Hilfen aus einer Hand“, um fle- xibel und bedarfsorientiert auf die Situation von Kin- dern und Erziehenden in einem Stadtteil mit beson- derem Erneuerungsbedarf reagieren zu können. Im Mittelpunkt des pädagogischen Handelns steht da- bei das Kind mit seinem Lebenshintergrund, seinen Fähigkeiten, Interessen, Bedürfnissen, Rechten und Pflichten. Seit Bestehen der Einrichtung gestaltet sich die Zusammenarbeit der Bereiche Kindertagesstät- te und Erziehungsberatungsstelle besonders intensiv. Wichtige Aspekte sind dabei die fachliche Beratung der Erzieherinnen, nach Anfrage individuelle Beratung von Familien in den Räumen der Einrichtung, regelmä- ßige offene Sprechstunden in der Einrichtung, Ange- bot spezieller Kurse für Kinder, Angebot von Elternin- formationsnachmittagen. Zu den weiteren Angeboten des Familienzentrums zählen: erweiterte bedarfsori- entierte Öffnungszeiten (für den Bereich der Kinder- tagesstätte von 7.00 – 17.00 Uhr, für den Bereich des Kinder- und Jugendtreffs von 13.00 bis 19.00 Uhr; zu- sätzliche Angebote an den Wochenenden; regelmä- ßige Gespräche mit Eltern zu den Entwicklungs- und Bildungsprozessen ihrer Kinder; Ermöglichen indivi- dueller Therapien in den Räumlichkeiten der Einrich- tung (Ergotherapie, Sprachtherapie); ggf. auch Koor- dination von Arztbesuchen und Diagnostik-Terminen zur medizinischen Versorgung der Kinder; einwöchige Familienfreizeiten; Kooperation mit dem Verband al- leinerziehender Mütter und Väter insbesondere bei
12 Modell „Lotse“ Abb. Modell „Lotse“ Eine weitere Organisationsvariante des Familienzen- trums kann darin bestehen, dass familienorientierte Angebote zwar im Regelfall in den Räumen der Kinder- z.B. z.B. tageseinrichtung (oder in deren unmittelbarer Nähe) Jugend- Beratung amt angeboten werden, verantwortlich hierfür ist jedoch das z.B. Fachpersonal von anderen Diensten (Erziehungsbera- Familien- selbsthilfe tung, Familienbildung etc.) sowie ggf. auch andere z.B. Träger. Schule Die Tageseinrichtung organisiert bei diesem Modell einen Kita z.B. Kooperationsverbund mit unterschiedlichen Diensten, Familien- Bildung die eigenständig arbeiten und miteinander kooperieren. z.B. Schuldner- Die Aufgabe der Kindertageseinrichtung besteht darin, beratung erste Anlaufstelle für Familien mit Problemen zu sein und z.B. diese kompetent an die zuständigen Stellen weiter zu Kinder- leiten. In Gesprächen und mit Hilfe von z. B. einem Ver- ärzte zeichnis über Beratungs- und Therapiemöglichkeiten in der Umgebung (Erziehungs- und Familienberatung, Früh- förderung, Heilpädagogik, Psychotherapie, Ergothera- Im Unterschied zu dem Organisationsprofil „Unter ei- pie, Logopädie, Haushaltsberatung, Schuldnerberatung, nem Dach“ ist beim Lotsenmodell die enge trägerbezo- Selbsthilfegruppen usw.) werden Eltern frühzeitig über gene bzw. räumliche Koppelung der Leistungen der Kin- die Art der möglichen Unterstützung, Zugangsmöglich- dertageseinrichtungen mit den ergänzenden Leistungen keiten und Kontaktangaben informiert. eines Familienzentrums nicht gegeben. Allerdings ist und bleibt die Kindertageseinrichtung hier im Zentrum eines Netzwerkes und stellt sicher, dass die notwendigen An- Modell „Lotse“ gebote von den Kooperationspartnern – dann aber in deren eigener Verantwortlichkeit und Zuständigkeit – Hier übernimmt die Kindertageseinrichtung die erbracht werden. Voraussetzung ist auch hier eine ab- Vermittlungsfunktion. Die Leiterin bzw. der Leiter gestimmte Bedarfsanalyse und Planung der Angebote, der Kindertageseinrichtung vermittelt die Hilfe- enge Rückkoppelungen, dichte Informationen und eine suchenden an ein räumlich nahe gelegenes Angebot aktive und gestaltende Rolle der Kindertageseinrichtung weiter. Die im Netzwerk kooperierenden Dienste in diesem Netzwerk. sind und bleiben eigenständig, jedoch gut aufein- ander abgestimmt und ermöglichen somit eine gut Für die Nutzerinnen und Nutzer sind die Angebote in funktionierende, flexible Zusammenarbeit. Die unmittelbarer Nähe erreichbar und es ist, auch wenn Kindertageseinrichtung ist erste Anlaufstelle für hier unterschiedliche Trägerverantwortlichkeiten beste- Familien mit Problemen und leitet diese kompetent hen, in aller Regel eine enge inhaltliche Kooperation, Zu- an die zuständigen, vernetzten Stellen weiter. sammenarbeit und Abstimmung der in den einzelnen Diensten tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben.
13 Kooperationspartner: Beispiel Best-Practice-Einrichtung Im Besonderen sind hier folgende Einrichtungen als „Monheim für Kinder Mo.Ki – Verbund“ potenzielle Kooperationspartner zu nennen: Schulen – Familienbildungsstätten – Kirchen – Mo.Ki, als Kürzel für „Monheim für Kinder“, um- Freie Träger der Wohlfahrtspflege – Erziehungsbe- schreibt eine präventive kommunale Gesamtstrategie, ratungsstellen – Schuldnerberatungsstellen – Be- die – im Kontext der Bildungsoffensive 2020 – seit ratungsstellen für Schwangerschaftsprobleme und 2002 programmatisch einen systematischen Umbau Familienplanung – Ehe- und Lebensberatungsstel- der Kinder- und Jugendhilfe verfolgt. Unter dem Mot- len – Frauenberatungsstellen – Örtliche Kinder- und to „Stärken stärken – Schwächen schwächen“ rich- Gleichstellungsbeauftragte – Sozialbüros und So- ten sich die Anstrengungen von Mo.Ki auf die Vernet- zialagenturen – Volkshochschulen – Familienver- zung von Institutionen und den Ausbau abgestimmter bände – Kinderschutzbund – Jugendorganisationen Aktivitäten und Angebote. Im Mittelpunkt stehen hier- – Sportvereine – Senioreneinrichtungen – Sozialpä- bei sowohl die Förderung und Bildung der Monheimer dagogische Ausbildungsstätten – Kinderärztinnen Kinder und Jugendlichen als auch die Förderung und bzw. Kinderärzte – Kinderpsychologinnen und Kin- Unterstützung der Erziehungskompetenz ihrer Eltern. derpsychologen – Stadtverwaltung. Ein von 2002 bis 2004 durchgeführtes Gemein- schaftsprojekt der Stadt und des AWO-Bezirksver- Die Verbindung zwischen den „jeweils eigenständigen bands Niederrhein bildet die Wurzeln von Mo.Ki: Bereichen“ wird bei der Kooperation z. B. dadurch her- Gefördert durch den Landschaftsverband Rheinland gestellt, dass die Angebote auf Elternabenden vorgestellt und wissenschaftlich begleitet durch das Institut für werden oder Erzieherinnen und Erzieher im Rahmen von Sozialarbeit und Sozialpädagogik Frankfurt (ISS) Elterngesprächen darauf hinweisen. Kursleiterinnen und wurden fünf Kindertageseinrichtungen (unterschiedli- -leiter und Beraterinnen und Berater werden häufig ein- cher Träger) in einem Stadtteil mit besonderem geladen, einen Abend zu gestalten, an dem Fragen, die Erneuerungsbedarf als Ausgangs- und Knotenpunkt in der Kindertageseinrichtung wiederholt auftauchen, definiert, um Kinder in ihrer gesamten Lebenssitua- in einem Vortrag aufgegriffen werden. Darüber hinaus tion zu stärken, Familien umfassend zu beraten und besteht z. B. bei Beratungsangeboten die Möglichkeit, zu unterstützen und damit insbesondere negativen auf Wunsch der Eltern die betreffenden Erzieherinnen Folgen von Kinderarmut entgegenzuwirken. und Erzieher relativ spontan in das Beratungsgespräch mit einzubeziehen, um ihre Beobachtungen einfließen Dieses Modell der engen trägerübergreifenden zu lassen bzw. ein gemeinsames Vorgehen abzuspre- Kooperation von fünf Kindertageseinrichtungen: chen. Auch ist es möglich, dass das Kind von den Bera- „Mo.Ki – Das Familienzentrum der fünf Kinderta- terinnen und Beratern direkt in der Gruppe beobachtet gesstätten im Berliner Viertel“ wurde zu Beginn des wird (vgl. DJI – Deutsches Jugendinstitut 2004, S. 26). Programms vom Land NRW als ’Best-Practice-Ein- richtung’ ausgezeichnet und fungiert mit seinen Bau- steinen seitdem als Vorbild für das Landesprogramm „Familienzentrum NRW“:
14 Angebote für Kinder: Sie dienen der Förderung Das Mo.Ki – Familienzentrum ist eingebettet in die und Stärkung ihrer Gesundheit, Bildung und Ent- Monheimer Präventionskette. wicklung und berücksichtigen in ganzheitlicher Herangehensweise z. B. motorische, sprachliche, https://www.monheim.de/kinder-jugend kognitive und soziale Ressourcen des einzelnen Kindes. Angebote für Eltern und Familien, welche die Sta- bilisierung der Familiensituation sowie die Förde- Beispiel rung eines positiven Familienklimas durch Ent- Best-Practice-Einrichtung lastung der Eltern und Stärkung der elterlichen Das Kalker Netzwerk für Familien – Kooperations- Kompetenz fokussieren. Sie dienen als Wegberei- modell von drei Verbund-Familienzentren und 18 tung der Teilhabe von Müttern und Vätern am kul- weiteren Einrichtungen der Erziehungshilfe und turellen und gesellschaftlichen Leben und dienen des Gesundheitswesens (Köln) der Integration von Müttern/Vätern mit und ohne Migrationshintergrund. Das Kalker Netzwerk für Familien ist ein gleichberech- tigter Zusammenschluss von mehreren Kinderta- Angebote zur Weiterbildung, welche die präven- geseinrichtungen sowie von Einrichtungen der Erzie- tive und kooperative Ausrichtung des Handelns hungshilfe und des Gesundheitswesens. der Fachkräfte unterstützen, den beruflichen All- tag begleiten und dazu dienen, zusätzliche me- Zum Kalker Netzwerk für Familien gehören das Katho- thodische Ansätze zu vertiefen und zu reflektieren. lische Familienzentrum Höhenberg-Vingst und das Familienzentrum Kalk mit insgesamt 11 Kinder- Netzwerk: Einrichtungen, Gruppen und Personen tagesseinrichtungen in unterschiedlicher Träger- kooperieren, planen, organisieren und führen ent- schaft, sowie 18 Träger aus dem Bereich der Jugend- weder themen- und situationsbezogen und/oder hilfe und des Gesundheitswesens. Das Konzept ist langfristig gemeinsame Projekte/Angebote ent- als Realisierungsmodell entwickelt worden, welches lang ihrer Bedarfserkundungen durch. Die Zu- die Verbindung von frühkindlicher Betreuung, Bildung sammenarbeit stützt sich sowohl auf mündliche und Erziehung, mit früher Unterstützung von Eltern wie schriftliche Vereinbarungen und protokolliert und der Einbindung von Familien im Sozialraum, Ergebnisse der Arbeitskreise. sowie der Förderung von Selbsthilfepotenzialen ermöglicht. Niedrigschwellige Zugänge zu umfangreichen Bera- tungs- und Bildungsangeboten sind zudem in Form Das Kalker Netzwerk für Familien kann auf eine lang von Elterncafés, Themencafés, Eltern-Früh-Spät- entwickelte Tradition der Vernetzung zurückgreifen, schicht, Interkultureller Fraueninfotreff, Elternkurse, die in der Zusammenfassung der themenbezogenen Eltern-Kind-Gruppen, Informeller Elterntreff, Bera- Strukturen des Kalker Netzwerkes ihren Ausdruck fin- tungssprechstunden, Hebammensprechstunden, det. In unterschiedlichen Zusammenhängen bringen Familienberatungen, Elterninfoabende etc. gegeben. die insgesamt 30 Kooperationspartner einen uner- Beratungen werden sowohl in den verschiedenen messlichen fachlichen und personellen Ressourcen- Institutionen von Mo.Ki unter 3, Mo.Ki II-Grund- reichtum ein, der sich in vielfältiger Weise als Vor- schulen, dem Mo.Ki – Familienzentrum als auch teil für die im Stadtteil lebenden Familien erweist. Der aufsuchend als Netzwerkleistung durchgeführt. hohe, strukturell verankerte Vernetzungsgrad wird
15 genutzt, um schnell, angemessen und flexibel auf Modell „Galerie1“ auftretende Bedarfe der Familien der drei Stadtteile reagieren zu können. Der Unterschied zu den vorherigen Modellen besteht hier darin, dass die Angebote schwerpunktmäßig von exter- In enger Zusammenarbeit mit den Fachkräften in Kita, nen Fachkräften, jedoch meist in den Räumen der Kin- Familienbildung und Familienberatung, zu Gesund- dertageseinrichtungen durchgeführt werden. Organi- heit und weiteren Themen, die über die Kooperations- satorisch sind an der Angebotserstellung, -planung und partner eingebracht werden, werden gezielt Angebote -koordination von vornherein mehrere Partner beteiligt. entwickelt, die passgenau abgestimmt sind auf die Bedarfe der Familien. Gesichert wird dies zum einen über einen regelmäßigen Austausch und eine gewach- Modell „Galerie“ sene Struktur der Kontaktpflege, sowie über eine per- manente Erreichbarkeit der Koordinatorinnen und Das Modell Galerie ist eine Mischung der bislang vor- Koordinatoren, die Informationen gezielt sammeln gestellten Modelle – „Unter einem Dach“ und „Lotse“ und weitergeben. – das Familienzentrum hält hierbei konkrete Hilfs- und Beratungsangebote unter dem Dach der Kinder- Für weitere Informationen: tageseinrichtung vor, deren Zusammenstellung je- www.kalker-netzwerk.de doch unterschiedlich ausfallen können und sich nach den örtlichen Notwendigkeiten sowie den räumlichen Möglichkeiten der Einrichtung richten. Daneben kann es auch ergänzende Angebote im unmittelbaren Um- feld geben. Abb. Schaubild „Galerie“ Familienzentrum Kinder- z.B. z.B. z.B. z.B. z.B. tages- Erzie- Familien- Familien- Volks- Allge- Andere ein- hungsbe- selbst- bildungs- hoch- meiner Andere Angebote Angebote richtung ratungs- hilfe stätte schule sozialer stelle Dienst 1 Galerie (von ital. galleria „langer Säulengang”) bezeichnet hier einen Ansatz bei dem unterschiedliche Angebote in Eigenständigkeit und unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten an einem Ort vorgehalten werden.
16 Beispiel Organisationsprofile der Best-Practice-Einrichtung Familienzentren in der Praxis Haus der Familie des Caritasverbandes in Dormagen Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass – erwartungsgemäß – das Modell „Unter einem Dach“ un- Das Haus der Familie des Caritasverbandes Rhein- ter den zertifizierten Familienzentren eher selten zu fin- Kreis Neuss e.V. besteht seit 1997 als familienorien- den ist. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da dieses tiertes Beratungs- und Hilfezentrum. Die Vernetzung umfassende trägereigene und differenzierte Angebot mit den vielfältigen Beratungsangeboten und famili- räumliche, personelle, strukturelle und organisatorische enunterstützenden Diensten des Caritasverbandes ist Voraussetzungen hat, die im Regelfall von Kindertages- in den letzten Jahren weiter ausgebaut worden. Ziel einrichtungen so einfach nicht zu erbringen sind. Am der Einrichtung ist es, Anlaufstelle für Eltern, ehesten findet sich diese Angebotsform in Regionen mit Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in unter- sozial benachteiligter Bevölkerung, wo Traditionen der schiedlichen Problem- und Lebenslagen zu sein. integrierten und umfassenden Gemeinwesenarbeit sich Vielfältige Angebote aus einer Hand sind vorhanden: erhalten und in entsprechenden Organisationsstrukturen niedergeschlagen haben. Die Beratungsstelle „Esperanza“ bietet z. B. Schwangeren-Beratung und Väterberatung (ein- Das Galeriemodell ist ebenfalls weniger häufig vertreten, schließlich Gruppenangebote); da auch dieser Arbeitsansatz schon tradierte und ge- wachsene Angebotskonzepte von Trägern voraussetzt, eine Anlaufstelle für Kindertagespflege (sowohl die deutlich über die klassischen Zielbestimmungen von für Eltern, die Angebote suchen, als auch für Ta- Kindertageseinrichtungen hinausweisen. gespflegepersonen, die Unterstützung benöti- gen); Die überwiegende Zahl der Familienzentren lässt sich als Lotsenmodell charakterisieren. Die Kindertageseinrich- die „Flexiblen Erziehungshilfen Dormagen“, die im tung ist Zentrum und Motor einer vernetzten am Sozial- Haus der Familie ambulante situationsabhängige raum ausgerichteten Angebotsstruktur. Leistungen Hilfe und Beratung anbieten (z. B. in Erziehungs- anderer Einrichtungen und Partner werden über Koope- und Lebensfragen). rationsvereinbarungen verlässlich sichergestellt. Die Einrichtung selbst ist erste Anlaufstelle, vermittelt die Im Haus der Familie ist außerdem ein Wohnmodell erforderlichen Informationen und begleitet ggf. die für Alleinerziehende und junge Familien in schweren Familien auf ihrem Weg zu den ergänzenden Angeboten Lebenssituationen integriert. und Leistungen. www.caritas-neuss.de Die Erfahrungen der letzten Jahre haben darüber hinaus gezeigt, dass es sinnvoll sein kann, dass nicht eine Kin- dertageseinrichtung allein das Vernetzungszentrum bildet, sondern dass sich hier mehrere (bis maximal ca. fünf) Tageseinrichtungen in einem Sozialraum zu einem Verbund zusammenschließen. Diese Verbundeinrichtun- gen selbst kooperieren dann weiter mit anderen Partnern (Kooperationspartner), die selbst aber nicht das „Kern- geschäft“ der Kindertageseinrichtung betreiben.
17 Das Zertifizierungsverfahren zum Gütesiegel „Familien- Kooperationsprojekte von räumlich stark zentrum NRW“ trägt dieser Entwicklung dahin gehend verstreuten Kindertageseinrichtungen, Rechnung, dass nicht nur einzelne Kindertageseinrich- Koordinierungsstellen, tungen – die entweder alle Leistungen selbst erbringen unverbindliche Kooperationsprojekte ohne bzw. über entsprechende Kooperationspartner verfügen formelle Kooperationsvereinbarung zwischen – das Gütesiegel erwerben können, sondern auch Kin- den beteiligten Parteien. dertageseinrichtungen, die sich zu einem „Verbund- Familienzentrum“ zusammengeschlossen haben. Wich- Die Verbundvereinbarung, die Voraussetzung für die tig ist dabei allerdings, dass es bestimmte Grundleis- Anmeldung zur Zertifizierung ist, muss enthalten: tungen gibt, die jede Einrichtung im Verbund vorhalten muss, damit die erforderlichen Kernfunktionen für eine von allen Parteien unterschriebene Auflistung Familien in jeder Verbundeinrichtung verfügbar sind der beteiligten Einrichtungen und Träger, (vgl. dazu „Gütesiegel Familienzentrum Nordrhein- eine Übersicht über die Leistungen, die das Familien- Westfalen“, Broschürennummer 2018 des Ministeriums zentrum anbietet, für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes eine Darstellung darüber, wie die Kooperation der Nordrhein-Westfalen). beteiligten Einrichtungen organisiert ist (Zuständig- keit für die Koordination o. Ä.), Die maximale Größe eines Verbund-Familienzentrums ist eine Regelung über die Verwaltung der Fördermittel in der Regel auf fünf Einrichtungen begrenzt, da (Zuständigkeit). der sozialräumliche Bezug dadurch erhalten bleibt, die Angebotsstruktur für die Familien noch über- Abb. Schaubild eines Verbundmodells sichtlich ist, die Verantwortungsstruktur noch überschaubar bleibt und z.B. das Zertifizierungsverfahren noch handhabbar ist. z.B. Beratung Jugend- amt Für Kommunen, die alle Einrichtungen in ihrem Gebiet zu z.B. Familienzentren weiterentwickeln wollen, bedeutet dies, Familien- selbsthilfe dass sie die Einrichtungen zu ortsteilbezogenen Grup- pen zusammenfassen und sicherstellen, dass das Ange- z.B. Schule Kita bot des Familienzentrums allen beteiligten Einrichtun- 1 gen eines Verbundes zugänglich ist. Die Einrichtungen Kita eines Verbundes sollen in einem Umkreis von 3 km lie- 2 Kita gen. In ländlichen Gebieten sind, wenn die Entfernungen 3 z.B. Familien- zwischen den Kitas zu groß bzw. die Zielgruppen im Um- z.B. bildung Schuldner- feld der einzelnen Einrichtungen zu klein sind, auch ab- beratung weichende Lösungen möglich. Ausnahmen können von der öffentlichen Jugendhilfeplanung zugelassen werden. Zum Grundsatz eines Familienzentrums gehört einer- z.B. seits der Sozialraumbezug. Andererseits ist die Kinderta- Kindertages- pflege geseinrichtung der zentrale Ort der Leistungserbringung für Familien. Aus diesen Gründen gibt es keine gemein- same Zertifizierung für
18 1.3 Ausgezeichnete Praxisbeispiele Innovationspreis In folgenden fünf Kategorien sind je fünf Einrichtun- Best-Practice-Einrichtungen gen durch den Innovationspreis prämiert worden: Als Best-Practice-Einrichtungen wurden zu Beginn „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ (z. B. durch des Landesprogramms Einrichtungen ausgewählt, die flexible Öffnungszeiten, Zusammenarbeit mit Unter- in ihrem Entwicklungsprozess zum Familienzentrum nehmen, Unterstützung von Nachbarschaftsnetzwer- schon so weit fortgeschritten waren, dass sie für ken, individuelle – auch kurzfristig nutzbare – Betreu- andere Einrichtungen als Vorbild und Impulsgeber ungsangebote) dienen konnten. Diese Einrichtungen sind teilweise bereits wissenschaftlich untersucht worden und „Arbeit mit Familien in riskanten Lebenssituatio- überregional bekannt. Ziel war es, sie als Referenz- nen“ (z. B. durch die Förderung und Einbeziehung modelle für die erste Phase zu betrachten und den von „armen“ Familien, Kombination von Komm- und beteiligten Familienzentren ihre Erfahrungen zugäng- Geh- Struktur, Förderung von umfassenden Unter- lich zu machen. Die Einrichtungen sollten für ihr stützungsnetzwerken) Engagement eine Anerkennung erhalten. Ausgewählt wurden hier: „Beteiligung von Kindern und Familien (Eltern, Großeltern, Patinnen und Paten etc.) sowie Initiati- Dormagen ven und Aktivitäten im Stadtteil“ (z. B. durch re- Caritas-Kindertagesstätte im Haus der Familie gelmäßige Planungsgespräche, Elternbefragungen, Essen Stadtteilkonferenzen, Unterstützung bürgerschaftli- Kinderhaus Blauer Elefant Katernberg, Deut- chen Engagements) scher Kinderschutzbund Ortsverband Essen Monheim „Integration aller im Stadtteil vertretenen gesell- Familienzentrum im Berliner Viertel (Mo.Ki) schaftlichen Gruppen“ (z. B. durch die Zusammen- Bergisch Gladbach arbeit mit Senioreneinrichtungen, besondere Kurs- Zentrum für Aktion und Kultur – ZAK ein Haus angebote für Familien mit Migrationshintergrund, die für Kinder, Familien/Bürger im Stadtteil Gestaltung von niederschwelligen Zugangsmöglich- Köln keiten) Familien-Zentrum Köln-Kalk in Zusammen- arbeit mit „Kalker Netzwerk für Familien“ „Spezifische Angebote und Programme für Eltern Dortmund und Kinder“ (z. B. interkulturelle Angebote, Sprach- Arbeiterwohlfahrt-Kindergarten Am Bruchheck förderung, Gesundheitsförderung, Programme zur Förderung der Medienkompetenz) Kurzskizzen zu den Best-Practice-Einrichtungen befinden sich auf der Homepage Eine Übersicht über die ausgezeichneten Einrichtun- www.familienzentrum.nrw.de gen sowie detaillierte Beschreibungen der prämierten Projekte finden Sie auf der Homepage www.familienzentrum.nrw.de Neben den Best-Practice-Einrichtungen wurden eben- falls besonders weiterentwickelte Familienzentren aus- gezeichnet (vgl. dazu „Gütesiegel Familienzentren“, MF- KJKS).
19 Qualität muss sein: Das Gütesiegel A Leistungsbereiche 1. Beratung und Unterstützung von Kindern und Mit dem Landesprogramm Familienzentrum NRW war Familien von Anfang an die Absicht verbunden, vergleichbare 2. Familienbildung und Erziehungspartnerschaft Standards für die inhaltliche Arbeit der Familienzentren 3. Kindertagespflege zu erarbeiten und im Rahmen eines Zertifizierungspro- 4. Vereinbarkeit von Familie und Beruf zesses einrichtungsbezogen zu dokumentieren. B Strukturbereiche Das Gütesiegel „Familienzentrum NRW“ beschreibt Leis- 1. Sozialraumbezug tungen und Strukturen, die für die sozialraumorientierte 2. Kooperation und Organisation Förderung und Unterstützung von Kindern und Familien 3. Kommunikation wesentlich sind, die gewährleisten, dass es sich um ein 4. Leistungsentwicklung und Selbstevaluation niederschwelliges Angebot handelt und die in der Praxis nicht zum allgemeinen Standard der Kindertageseinrich- tungen gehören. Anhand dieses Kriterienkatalogs wer- Jeder der insgesamt vier Leistungsbereiche und der vier den die Einrichtungen zertifiziert. Strukturbereiche eines Familienzentrums besteht aus Basis- und Aufbauleistungen. Um das Gütesiegel zu er- Bei den Leistungen und Strukturen eines Familienzen- halten, muss eine Einrichtung (bzw. ein Einrichtungs- trums soll Berücksichtigung finden, dass die Angebote verbund) in jedem Leistungs- und Strukturbereich eine so ausgestaltet sind, dass sie zu den örtlichen Gegeben- im Gütesiegel festgeschriebene Mindestanzahl von Leis- heiten passen. Durch das Gütesiegel sollen keine Pau- tungen erreichen. Dies wird in einem Bepunktungs- schallösungen für alle Standorte vorgegeben, sondern schema geregelt (vgl. dazu MFKJKS, „Gütesiegel Famili- passgenaue Lösungen für die jeweilige Situation vor Ort enzentrum Nordrhein-Westfalen“). Weitere Hinweise sind ermöglicht werden. zu finden unter: www.familienzentrum.nrw.de Das Gütesiegel gliedert sich in vier Leistungsbereiche Das Gütesiegel wird nach erfolgter Zertifizierung allen und in vier Strukturbereiche. Bei den Leistungsbereichen erfolgreich arbeitenden Einrichtungen verliehen. Die geht es um die Inhalte der Angebote eines Familienzent- Zertifizierung der Einrichtungen dient dabei der Quali- rums. Bei den Strukturbereichen handelt es sich um die tätsprüfung der Familienzentren. Damit dieser Prozess Frage, wie sich das Familienzentrum organisiert, um ein unabhängig stattfindet, erfolgt die Prüfung durch eine Angebot zu schaffen, das zu den örtlichen Bedingungen externe Zertifizierungsstelle. Das Gütesiegel wird für ei- passt, dort bekannt ist und kontinuierlich weiter entwi- nen Zeitraum von vier Jahren verliehen. ckelt wird. Auf die Spezifika der Leistungs- und Struktur- bereiche wird auch in den Kapiteln 2 (Organisation und Das Kinderbildungsgesetz sieht vor, dass das Gütesiegel Management) und 3 (Leistungsbereiche) dieser Handrei- „Familienzentrum NRW“ jeder Einrichtung, die es verlie- chung Bezug genommen. hen bekommt, eine finanzielle Förderung aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen zusichert – zusätzlich zur regulären Förderung für die Kindertageseinrichtungen. Darüber hinaus werden auch Kindertageseinrichtungen während ihres Aufbaus gefördert, ohne das bereits ein Gütesiegel vorhanden ist.
20 Ausbau der Familienzentren Familienzentren haben sich zu starken Netzen für Kinder und Eltern entwickelt. Im Kindergartenjahr 2016/2017 werden rd. 3.400 Kindertageseinrichtungen als Famili- enzentren arbeiten. Damit besteht eine gute dezentrale Versorgung. Allerdings werden auch weiterhin mehr Familienzen- tren für Kinder und Eltern gebraucht, die einen besonde- ren Unterstützungsbedarf haben. Denn die Selbstorga- nisation von Hilfen ist gerade für Familien mit einem Bil- dungs- und Armutsrisiko nicht selbstverständlich, sie brauchen hierfür gezielte und gesteuerte Angebote. Fa- milienzentren sollen deshalb im weiteren Ausbau vor al- lem in Gebieten mit einem besonderen Bildungs- und Ar- mutsrisiko entstehen. Die Zuweisung der Familienzentren durch die Landesre- gierung auf die Jugendämter erfolgt deshalb seit dem Kindergartenjahr 2012/2013 nach einem Sozialindex. Die Entscheidung, welche konkreten Kindertageseinrichtun- gen zu Familienzentren erweitert werden, liegt in der Ver- antwortung der Städte, Kreise und Gemeinden. Denn die Gestaltung der örtlichen Infrastruktur für Kinder und ihre Familien liegt in den Händen der Kommunalen Jugendhil- feplanung. Die Jugendämter kennen die sozialen Gege- benheiten vor Ort, und dieses Wissen ist für den weiteren Ausbau der Familienzentren unverzichtbar. Zur Unterstützung der Entscheidung der Jugendämter hat die Landesregierung „Kleinräumige Auswahlkriterien zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Famili- enzentren mit besonderem Unterstützungsbedarf“2 her- ausgegeben. Die Förderung der Familienzentren ist auf Dauer und verlässlich gesetzlich geregelt. 2 Hinweise zu kleinräumigen Auswahlkriterien zur Förderung von Kindertageseinrichtungen und Familienzentren mit besonderem Unterstützungsbedarf können online unter www.familienzentren.nrw.de/informationen-material/materialien. html eingesehen werden.
21
22 2. Organisation und Management des Familienzentrums
23 Als Einstieg in einen Prozess der Zielentwicklung eignet 2.1 Zielentwicklung und Aufgabenplanung sich die Fragestellung: Ziele vereinbaren Was wollen wir erreichen? Die Organisation eines Familienzentrums ist eine zen- Ziele können auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet trale Aufgabe, die schon zu Beginn des Entwicklungs- werden: prozesses in Angriff genommen werden muss. Eine auf das jeweilige Veränderungsvorhaben abgestimmte Leitziele beziehen sich auf Orientierungen und Organisation ist hierbei von Anfang an zu bedenken. grundsätzliche Ausrichtungen des Familienzentrums Eine gute Planung und Organisation der Arbeit bis zur und geben das einrichtungsspezifische Profil wieder. Zertifizierung kann das Team des Familienzentrums Mittlerziele dienen der Konkretisierung des Leit- dabei unterstützen, dass das Vorhaben überschaubar ziels im Hinblick auf einen bestimmten Aspekt (z. B. bleibt und die Kooperation aller Beteiligten effizient und eines Angebots für eine besondere Zielgruppe oder motivierend gestaltet werden kann. Sinnvoll ist es, eines bestimmten Projekts). Durch die Formulierung zunächst mit einer Zielentwicklung möglichst unter von Mittlerzielen werden Schwerpunkte in der eige- Einbeziehung des Trägers bzw. der Träger und des Teams nen Arbeit deutlich gemacht und das Leitziel in klei- zu beginnen, um die Ziele, die das Gütesiegel vorgibt, ein- nere Teilziele aufgeteilt. Mittlerziele beziehen sich in lösen zu können. Eine weitere Notwendigkeit besteht da- der Regel auf einen begrenzten Zeitraum der Umset- rin, die angestrebten Ziele sowohl innerhalb der eigenen zung. Organisation z. B. zwischen Mitarbeiterteam und Lei- Handlungsziele werden schließlich hinsichtlich tungsebene als auch mit den Kooperationspartnern aus- konkreter Umsetzungsschritte formuliert. zuhandeln. Hierbei spielen unterschiedliche Interessen eine Rolle, die möglichst genau erfasst werden sollten. Mit der Bearbeitung der Aufgabe der Zielentwicklung beginnen die Tageseinrichtungen. Im Rahmen von Team- sitzungen werden analog zu den Kriterien des Gütesie- gels erste Bestandsanalysen erarbeitet und das vorhan- dene Angebot bewertet. Hierzu gehört beispielsweise eine Erhebung des Ist-Standes in Bezug auf die Kriterien des Gütesiegels. In einem nächsten Schritt ist es not- wendig, das gewünschte Soll-Profil gemäß des Gütesie- gels zu formulieren. Im Dialog mit dem Team, den Eltern und dem Träger ist es in dieser Phase sinnvoll, die Kennt- nisse über den jeweiligen Stadtteil z. B. über eine Koope- ration mit dem Jugendamt zu vertiefen und Ziele für die erweiterte Profilentwicklung zu formulieren (siehe auch Kapitel Sicherung des Sozialraumbezugs).
24 Der Grad der Konkretisierung der Zielformulierung nimmt vom Leitziel über das Mittlerziel bis zum Hand- M Messbar Ziele sollen nicht abstrakt bleiben, nicht auf lungsziel zu. Dazu ein Beispiel: Eine Einrichtung möchte dem Papier, sondern in ihrer Erreichung kon- sich insbesondere der Integration von Kindern mit Ver- kret beobachtbar und erfahrbar sein, sie haltensauffälligkeiten durch eine verstärkte individuelle sollen erlebt werden, nachvollzogen und Förderung widmen (Leitziel). Das Team verständigt sich damit auch kommunizierbar werden. daher (ggf. auch unter Einbezug externer Partner) auf spezifische Förderangebote und eine die Förderung begleitende Entwicklungsdokumentation (Mittlerziele). A Akzeptabel Die formulierten Ziele sollten die größtmög- Dies bedeutet nun in der konkreten Umsetzung, spezielle liche Akzeptanz aller Beteiligten haben, Beobachtungsmethoden anzuwenden, passende Förder- transparent sein und hinsichtlich der hinter angebote vorzuhalten, einen Teamaustausch über Ergeb- den Zielen stehenden fachlichen Maximen, nisse regelmäßig zu organisieren etc. (Handlungsziele) professionellen Grundhaltungen und Werten (siehe auch Soziale Frühwarnsysteme/Herner Materia- im Team (oder bei weiteren Zielgruppen: lien. Ein Download der Materialien ist möglich unter Eltern, Trägern, Kindern) auf einem grund- www.soziale-fruehwarnsysteme.de). sätzlichen Konsens basieren. Die Handlungsziele bilden die Grundlage für die Zielum- setzung im Team, sie verbinden, orientieren und geben R Realistisch Die präziseste Zielformulierung bleibt ohne Entwicklungslinien vor. Zielentwicklung bedeutet: vom Konsequenzen, wenn sie nicht in eine Prü- Vorstellbaren und Wünschbaren zum Möglichen und fung der hierfür notwendigen Rahmenbedin- zur konkreten Umsetzung zu kommen. gungen eingebunden ist. Nur was umsetzbar ist, was realistischerweise unter den verfüg- Wichtig ist bei allen, dass die Ziele so konkret wie mög- baren oder herstellbaren Bedingungen in die lich formuliert werden. Hier hat sich in der Praxis ein Praxis umgesetzt werden kann, sollte auch Vorgehen bewährt, das unter der Formel SMART als Ziel formuliert werden. Und darüber hin- (vgl. Nordt 2005) bekannt geworden ist. aus sollten die Ziele auch an den persön- lichen und fachlichen Möglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientiert sein; sie sollten zu der Einschätzung kom- men, das formulierte Ziel auch umsetzen zu können. S Spezifisch T Terminierbar Mit der Zielformulierung sollte ein konkreter Das Ziel sollte so konkret wie möglich formu- Zeitplan verbunden sein, der deutlich macht, liert werden, sich auf bestimmte Mitarbeiten- wann welcher Schritt umgesetzt wird und den, auf bestimmte Vorgehensweisen, Rah- wann die Zielerreichung überprüft werden menbedingungen beziehen und allgemeine soll. Der Zeitplan hängt wesentlich von der Vorstellungen, die aus einem Leitziel resultie- Realisierbarkeit ab bzw. bedingt sie. Letztlich ren, klar eingrenzen. Das Ziel soll fassbar und bedeutet die Formulierung von Zeitplänen begrenzt sein, einen Ausschnitt aus einer auch eine höhere Verbindlichkeit und hat ei- bestimmten Thematik oder Anforderung nen Aufforderungscharakter für die darstellen. Beteiligten.
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