Neustart Pflege Das MagazinAus der Heimstiftung - Pflege-Ausbildung - Evangelische Heimstiftung
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Das Magazin 2/2019 Aus der Heimstiftung Pro-Pflegereform Hackathon Pflege-Ausbildung Zweites Gutachten Neue Wege Interview zur vorgestellt gehen Generalistik Neustart Pflege
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser, die Pflege ist in aller Munde. Der Bundestag hat ein Pflegelöhneverbesserungsgesetz auf den Weg ge- bracht – gute Pflege soll zukünftig flächendeckend auch gut bezahlt werden. Eine Entwicklung, die wir natürlich begrüßen. Wir als Evangelische Heimstif- tung gehen diesen Weg der fairen Bezahlung unserer Pflegefachkräfte bereits seit vielen Jahren. Aber wir rufen auch dazu auf, die Konsequenzen für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu beden- ken. Jede Lohnsteigerung geht nach dem aktuellen System der Pflegeversicherung zu 100 Prozent auf ihre Kosten. Deshalb fordern wir noch dringlicher den Sockel-Spitze-Tausch und die Begrenzung der Eigenanteile. Am 13. November haben die Initiative Pro-Pflegereform und Professor Heinz Rothgang in Berlin das zweite Gutachten zur Reform der Pflege- versicherung vorgestellt. Der Sockel-Spitze-Tausch ist möglich und finanzierbar – jetzt muss es an die Umsetzung gehen. Ganz konkret steht als nächstes der Beginn der generalistischen Ausbildung an – mit der Umset- zung beschäftigen wir uns intensiv in einer inter- nen Arbeitsgruppe. Denn Innovationen treiben wir in der EHS in allen Bereichen der Pflege voran – ob in der Ausbildung oder mit der Teilanhme an einem Hackathon im Gesundheitswesen, in dem neue Konzepte für die Gewinnung von Engagierten im Quartier entwickelt werden. Wir danken allen Mitarbeitern für ihren Innova tionsgeist und das erneute, vielfältige Engagement im vergangenen Jahr sowie den Bewohnern, Ange- hörigen, Kunden und Partnern für ihr Vertrauen. Für das Jahr 2020 wünsche ich Ihnen alles Gute, Gottes Segen und viel Mut, neue Wege zu gehen. Ihr Bernhard Schneider „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 3
Inhalt 06 13 Inhalt 2/2019 6 | Titel 20 | Aus der Heimstiftung Das Magazin 2/2019 Pro-Pflegereform Hackathon Aus der Heimstiftung Pflege-Ausbildung Pflege ohne Grenzen – Innovation in der Pflege – Zweites Gutachten zur Reform ein Praxisbericht Zweites Gutachten Neue Wege Interview zur vorgestellt gehen Generalistik Neustart der Pflegeversicherung Verluste in Sprache fassen – Pflege mit der Seelenapotheke 13 | Perspektiven Unternehmer-Netzwerktreffen Interview zur generalistischen 2019 Ausbildung in der Pflege Dritte WohnenPLUS-Residenz Neue Wege gehen – eröffnet Hackathon-Challenge Führungskräftetagung 2019 Pflege-Azubis profitieren sofort 18 | Impuls und doppelt vom Tarifabschluss Biblische Jahreslosung 2020 Kollegen-Finder bringt über 70 neue Mitarbeitende SPD AG 60 plus im Kreis Böblingen Acht neue Quartiersmanager für die EHS Wer macht was in der Evangelischen Heimstiftung Personalien 4 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Inhalt 20 27 28 27 | Freundeskreis Impressum Ein Garten für alle Sinne „Das Magazin. Aus der Heimstiftung“ Verantwortlich: Bernhard Schneider Redaktion: Ann-Christin Kulick magazin@ev-heimstiftung.de 28 | Ehrenamt aktiv Nicht gekennzeichnete Artikel sind von der Redaktion verfasst Ehrenamtspreis 2019 – Anschrift der Redaktion: drei Projekte ausgezeichnet „Das Magazin. Aus der Heimstiftung“ Hackstraße 12, 70190 Stuttgart Gestaltung: AmedickSommer GmbH, Stuttgart 30 | Bau Fotos: alle Fotos Evangelische Heimstiftung Spatenstich mit Ausnahme von: Titel, S. 4 © Adobe Stock, peshkov Hammerschlag S. 16, 17 © Adobe Stock, Rassco S. 28, 29 © Adobe Stock, AldanNa Grundsteinlegung Produktion und Druck: Richtfest Henkel GmbH Druckerei, Stuttgart Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. 34 | Übersicht „Das Magazin. Aus der Heimstiftung“ erscheint zweimal im Jahr. Namen und Anschriften Auflage: 20.500 Herausgeber: Evangelische Heimstiftung GmbH www.ev-heimstiftung.de Der Bezugspreis ist durch den Beitrag abgegolten. Im Magazin wird das generische Maskulinum ver- wendet. Dies dient lediglich der Leserfreundlichkeit und schließt alle Geschlechter mit ein. „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 5
Titel Pflege ohne Grenzen – Zweites Gutachten zur Reform der Pflegeversicherung Vor 25 Jahren wurde in Deutschland die Pflegever- Es geht aber nicht nur ums Geld: Die Pflegever sicherung eingeführt. Das Ziel lautet damals wie sicherung ist mit unzähligen Reformen zum heute: Die Menschen dürfen durch eine auftretende Leistungsrecht, zur Leistungserbringung, zur Heim Pflegebedürftigkeit nicht in die Sozialhilfe abrut- aufsicht etc. so kompliziert geworden, dass schon schen. Seinerzeit wurden pauschale Leistungssätze Fachleute die unterschiedlichen Regelungen zur festgelegt, mit denen die pflegebedingten Kosten im ambulanten Pflege zu Hause oder zur stationären Pflegeheim in der Regel tatsächlich abgedeckt wer- Pflege im Pflegeheim nicht mehr verstehen. Das den konnten. Das ist längst nicht mehr der Fall: Die System muss wieder verständlicher werden und die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung wurden individuellen Bedürfnisse der Menschen in den kaum erhöht. Sie halten mit den Pflegesätzen nicht Mittelpunkt stellen. mehr Schritt, die durch Tarifsteigerungen und Qua- litätsverbesserungen wie höhere Löhne und bessere Deshalb fordert die Evangelische Heimstiftung Personalschlüssel steigen. Dadurch erhöhen sich zusammen mit der bundesweiten Initiative Pro- auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen unauf- Pflegereform einen Neustart für die Pflegever hörlich. Sie betragen teilweise schon über 3.000 Euro sicherung. Sie hat dazu gemeinsam mit Dr. Heinz im Monat – wer kann sich das noch leisten? Gleich- Rothgang, Professor für Gesundheitsökonomie an zeitig wissen wir, dass es wegen des Pflegenotstands der Universität Bremen, das zweite Gutachten zur nötig ist, weiter in die Pflege zu investieren. Die alternativen Ausgestaltung der Pflegeversicherung Kosten werden also weiter steigen und müssen allein erarbeitet und im November 2019 der Öffentlichkeit von den Pflegebedürftigen gezahlt werden, weil die vorgestellt. Es beschreibt mit sieben Bausteinen eine Pflegeversicherung weiterhin nur einen festgelegten grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Sockelbetrag übernimmt. 6 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Titel Die kurz erklärt „Wir müssen den Paradigmenwechsel Viel Bürokratie Stefans Mutter ist steht den beiden mutig angehen. seit einem Sturz nun bevor. Wir können nicht und benötigt mehr lange warten.“ professionelle Hilfe. M anne Lucha, Außerdem wissen sie Minister für Soziales und Integration, nicht wie sie die Baden-Württemberg sollen... sich weiterentwickelt und damit ist auch ihr Preis gestiegen, die hat sich jedoch nicht verändert. bezahlt alle Kosten, die darüber hinaus anfallen. - rung bezahlt einen Die Lösung: Der Sockel-Spitze-Tausch. würden nur noch einen Fixbetrag Horizonte 2019 Zwei Gutachten von bezahlen... Professor Heinz Rothgang zeigen: Professor Heinz Rothgang und die Initiative das ist möglich ... Kosten darüber Pro-Pflegereform haben ihr zweites Gutachten hinaus übernimmt außerdem bei Horizonte – dem Pflegeforum versicherung. der Evangelischen Heimstiftung – vorgestellt. Manne Lucha, Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg, erläuterte in seinem Impulsvortrag zudem die politische ... denn die Gesamtkosten verteilen Machbarkeit der Reformvorschläge. Er sich auf viele Köpfe. bekannte sich dabei ausdrücklich zum Sockel- Spitze-Tausch und zeigte außerdem Ansatz- punkte des Gutachtens zur weiteren politischen Diskussion auf. Jetzt mitmachen und Videos zur Veranstaltung unter www.ev-heimstiftung.de/youtube „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 7
Titel Baustein 1: Behandlungspflege zahlt Dieses Reformelement macht mit dem Sockel- die Krankenkasse Spitze-Tausch einen einfachen, aber wirkungsvollen Dieser Schritt ist längst überfällig: In der häuslichen Vorschlag: Das aktuelle System der Pflegeversiche- Pflege wird die medizinische Behandlungspflege oder rung wird auf den Kopf gestellt, denn zukünftig die Krankenpflege zu Hause von der Krankenver bezahlt der Versicherte für den pflegebedingten sicherung bezahlt. Das ist auch richtig so. Im Pflege- Aufwand den festgelegten Sockelbetrag und die heim ist es aber so, dass die Behandlungspflege in Pflegekasse übernimmt alle darüber hinaus gehen den Pflegesätzen enthalten ist. Weil aber die Leistun- den notwenden Kosten für die Pflege. gen der Pflegeversicherung ohnehin nicht ausrei- chen, bezahlt der Versicherte die Behandlungspflege über den Eigenanteil praktisch aus der eigenen Tasche. Das ist ungerecht und spart der Kranken- kasse rund 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Der erste Reformbaustein sieht deshalb vor, diese Regelung anzugleichen: die Krankenkasse über- Dieser Sockel-Spitze-Tausch ist bitter nötig, denn nimmt die Kosten für die medizinische Behand- die Pflegekosten werden in den nächsten Jahren lungspflege (Cure) unabhängig davon, wo der weiter steigen. Wenn wir genügend junge Menschen Versicherte lebt. Sie soll also zukünftig auch im für den Pflegeberuf begeistern wollen, dann müssen Pflegeheim die „häusliche Krankenpflege“ auf wir bessere Personalschlüssel und bessere Bezah- Rezept übernehmen. Dadurch sinken der Pflegesatz lung durchsetzen – Forderungen, denen sich im und der Eigenanteil der Bewohner um durchschnitt- Übrigen auch die Politik angeschlossen und mit lich rund 270 Euro monatlich. einem neuen Personalbemessungssystem und dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz dafür auch die Baustein 2: Grundpflege und Betreuung rechtlichen Grundlagen geschaffen hat. zahlt die Pflegekasse Nach dem ersten Baustein gibt es unabhängig vom In seinem Gutachten hat Professor Rothgang aus- Wohnort eine klare und einfache Zuständigkeit: Die gerechnet, wie hoch ein Sockelbetrag sein müsste, Krankenkasse übernimmt die Behandlungspflege damit für die Dauer von maximal vier Jahren von und die Pflegekasse ist für alle notwendigen Leistun- den Versicherten in etwa der gleiche Eigenanteil gen der Pflege und Betreuung zuständig. Grundlage aufgebracht wird, wie zum Umstellungszeitpunkt. ist das ambulante Sachleistungsprinzip, das zukünf- Dieser Wert liegt ungefähr bei 470 Euro monatlich. tig dann überall gelten soll. Der Sockel-Spitze Tausch bedeutet also konkret, dass die Pflegekasse alle notwendigen Pflegekosten über- Baustein 3: Sockel-Spitze-Tausch für nimmt, die über 470 Euro liegen. Auf die Pflege begrenzte Eigenanteile bedürftigen entfallen dann nur noch Miete, Haus- Die Pflegebedürftigen tragen im jetzigen System ein haltskosten und weitere private Wunschleistungen. doppeltes Pflegerisiko: Die Höhe der Pflegekosten Aber vor allem: Das Risiko steigender Pflegekosten und die Zeitdauer sind nicht vorhersehbar und der liegt nicht mehr beim Einzelnen, sondern bei der Einzelne kann für dieses Risiko auch nicht vorsor- solidarischen Pflegeversicherung und da gehört es gen. Damit ist im Alter der Lebensstandard in Gefahr; auch hin. Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, können sich Pflege nicht mehr leisten und drohen, Übrigens: Der Sockelbetrag 470 Euro ist ein Vor- in die Sozialhilfe abzurutschen. Es ist die Pflicht schlag, der sich rechnerisch aus der aktuellen Situ- eines Wohlfahrtsstaates, das zu verhindern. ation ergibt. Er kann natürlich auch niedriger angesetzt werden. Wäre der Sockelbetrag null Euro, dann hätten wir die Pflegevollversicherung, bei der 8 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Titel es wie bei der Krankenkasse keinen Eigenanteil ausgegeben, an dem sich bis heute fast alle Pflegere- geben würde. Im Gegenzug würden dann die formgesetze orientieren. Dieses System ist aus der Zeit Beiträge zur Pflegeversicherung höher steigen. gefallen und muss abgeschafft werden. Das Reform- konzept der Initiative Pro-Pflegereform beschreibt Baustein 4: Wohnen und Pflege in deshalb eine „Welt ohne Sektoren“. Es ist also egal, einer Welt ohne Grenzen ob jemand im Pflegeheim, in der eigenen Wohnung, Mit Einführung der Pflegeversicherung wurde (der in einer Wohngemeinschaft, im Betreuten Wohnen Krankenversicherung folgend) eine Grenzlinie zwi- oder in einem (jetzt noch) Pflegeheim lebt. Der schen ambulant (Hausarzt / häusliche Pflege) und Leistungsanspruch gegenüber der Pflegekasse und stationär (Krankenhaus / Pflegeheim) eingezogen. Krankenkasse und die Art der Leistungserbringung Gleichzeitig wurde das Motto ambulant vor stationär durch Angehörige, Zugehörige und professionelle Dienste ist überall gleich – alles funktioniert nach einem einheitlichen, ambulanten System. Kontext: Pflegelöhneverbesserungsgesetz Damit orientiert sich das Leistungsgeschehen am Grundsatz Wohnen und Pflege. Das hat viele Vorteile. Das vom Bundestag im Oktober beschlossene Es können sich viel leichter innovative Wohn- und Pflegelöhneverbesserungsgesetz will eine Betreuungsformen entwickeln und die individuellen bessere Bezahlung von Pflegekräften sicher Wünsche des Einzelnen rücken in den Vordergrund, stellen, entweder durch einen allgemeinen Tarif- seine Autonomie wird gestärkt. Die informellen vertrag oder durch höhere Mindestlöhne für die Helfernetze können ortsunabhängig erhalten und Branche. Gleichzeitig hat der Bundestag auch aktiviert werden, so dass zum Beispiel auch im (jetzt die Einführung eines Mindestlohns für Auszubil noch) Pflegeheim Angehörige Eigenleistung erbrin- dende beschlossen. Bei der Evangelischen Heim- gen können und dafür auch Pflegegeld erhalten. stiftung (EHS) begrüßt man die Bemühungen der Bundespolitik, die Probleme der Pflege zu lösen. Um die Welt ohne Sektoren zu ermöglichen, müs- „Die Gesetze haben aber unter dem Strich kaum sen weitere Voraussetzungen geschaffen werden: Bedeutung für uns“, sagt EHS-Hauptgeschäfts- Alle Pflegeleistungen müssen, ähnlich wie jetzt im führer Bernhard Schneider. Denn bereits jetzt ambulanten Bereich, modularisiert und mit ein- verdienen Pflegefachkräfte bei der EHS mit heitlichen Preisen versehen werden. Diese müssen 3.247 Euro Monatsbrutto weitaus mehr, als die so gestaltet werden, dass sie zu Hause genauso von Minister Jens Spahn genannten 2.500 Euro. funktionieren wie im (jetzt noch) Pflegeheim. Das Auch die Ausbildungsvergütung liegt mit Reformkonzept macht hierzu einige sehr gute Vor- 1.140 Euro im ersten Lehrjahr weit über dem schläge, die in der Praxis noch diskutiert und beschlossenen Mindestlohn von 515 Euro. weiter konkretisiert werden müssen. Wir wissen „Vielmehr macht das Gesetz deutlich, dass eine aber mit dem Gutachten, dass eine Welt ohne Sek- verfehlte Pflegepolitik nicht durch einen Eingriff toren nicht nur funktionieren wird, sondern auch in die Tarifautonomie repariert werden kann“, viele Chancen eröffnet um die Pflegeversicherung sagt Schneider. Denn nach dem aktuellen System müssen die Pflegebedürftigen 100 Prozent der höheren Löhne selbst finanzieren, was die ohne- hin schon explodierenden Eigenanteile noch mehr in die Höhe treiben würde. Ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn oder ein allgemeiner Tarifvertrag funktionieren nur dann, wenn die Tarifgehälter und damit auch jede Erhöhung aus der Pflegeversicherung finanziert werden. „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 9
Titel fit zu machen für die großen Herausfor 470 Euro stabil und der Beitragssatz für die grad, sondern ein individuelles, bedarfs- derungen der Zukunft. Pflegeversicherung steigt bis 2045 auf 5,6 gerechtes Leistungsbudget zu und zwar Prozent. Nun, man kann mit Blick auf die unabhängig vom Ort der Leistungs Baustein 5: Pflegegeld 2.0 Beiträge in anderen Sozialversicherungen erbringung. Eine besonders gute und innovative Idee zu Recht sagen: Das ist in Ordnung – 5,6 2. Instanz: Mit einem gut ausgebauten ist dabei das Pflegegeld 2.0. Das bisherige Prozent muss uns eine gute Pflege Wert sein. Case-Management auf kommunaler Pflegegeld, wird je nach Pflegegrad in unter Ebene (z.B. Pflegestützpunkte) wird eine schiedlicher Höhe an die Pflegebedürftigen Aber auch hier schlägt Professor Rothgang individuelle Beratung sichergestellt. Ziel ausgezahlt, die darüber frei verfügen kön- in seinem Gutachten Alternativen vor: Pfle- ist es, im Interesse des Pflegebedürftigen nen. Das neue Pflegegeld 2.0 wird an Ange ge ist ein allgemeines und zunehmendes im Rahmen des Leistungsbudgets ein hörige sowie zivilgesellschaftliche Akteure Risiko. Deshalb kann das System durch den Pflegearrangement zu organisieren, das bezahlt, die dafür konkrete Leistungs Einbezug eines Steuerzuschusses entlastet den optimalen Einsatz professioneller module ganz oder teilweise verbindlich werden. Bei einem Steuerzuschuss von nur Dienste und zivilgesellschaftlicher übernehmen. Für die Übernahme werden zehn Prozentpunkte der Leistungsausgaben Leistungserbringer ermöglicht. 40 Prozent des Profibetrags des jeweiligen könnte der Beitragssatz bis 2045 um 3. Instanz: Der beauftragte Pflegedienst Moduls als steuer- und beitragsfreies Pflege 0,6 Prozentpunkte entlastet werden. Eine sichert für seinen Anteil am Leistungs- geld an die Pflegeperson ausgezahlt. Außer- Absenkung um weitere 0,6 Prozentpunkte budget die tägliche Leistungsplanung dem erhalten die Pflegepersonen eine wären möglich, wenn man die Pflegeversi- und Leistungserbringung sowie die Grundqualifikation und eine qualitäts cherung zur Bürgerversicherung umwandelt Qualitätssicherung für das gesamte sichernde Begleitung ihrer Arbeit. und gleichzeitig die Beitragsbemessungs- Pflegearrangement. grenze auf das Niveau der Rentenversiche- Baustein 6: Finanzierung – rung anhebt. Mit beiden Reformelementen Mit diesem Reformansatz werden Quar- übers Geld muss gesprochen zusammen könnte also der Beitragssatz für tierskonzepte und die Einbindung zivil werden die Pflegeversicherung bis 2045 auf 4,4 gesellschaftlicher Akteure gestärkt. Aber Das alles kostet natürlich Geld – aber längst Prozent begrenzt und der Eigenanteil für die auch die Pflegeprofis erhalten durch das nicht so viel, als dass wir uns das als Zivil- Versicherten bei 470 Euro gedeckelt werden. Case-Management und die damit verbun- gesellschaft nicht leisten könnten. Professor dene Steuerungsfunktion mehr Verant Rothgang rechnet in dem Gutachten Baustein 7: Gesamtkonzept wortung für eine gelingende Pflege und genau aus, was die verschiedenen Szenarien Drei-Instanzen-Modell Betreuung im Quartier. kosten und zeigt, wie das zu finanzieren ist. In einer Welt ohne Sektoren stellt sich Dabei gibt es eine wichtige Erkenntnis: natürlich die Frage, wie Pflege und Betreu- Fazit: Allein durch den demografischen Wandel ung organisiert werden soll. Einerseits muss Das Reformkonzept der Initiative Pro- und die bereits beschlossenen Verbesse- es gelingen den Wünschen und Bedürf Pflegereform beschreibt schlüssig und rungen bei den Löhnen und der Personal nissen des Einzelnen gerecht zu werden. umfassend ein Gesamtkonzept, wie die bemessung steigen die Kosten in der Pfle- Anderseits müssen aber auch die Interessen Pflegeversicherung ihre ursprünglichen geversicherung enorm an. Der Beitragssatz der Pflegeversicherung berücksichtigt Ziele nachhaltig erreichen kann. Die ein- würde in der Zukunft auf 4,5 Prozent und werden, denn nicht alles was wünschens- zelnen Reformelemente können noch der Eigenanteil um weitere bis zu 1.300 wert ist, kann auch bezahlt werden. ausgestaltet werden und sind damit für Euro steigen. Das würde die allermeisten jede politische Perspektive anschlussfähig. Pflegebedürftigen finanziell überfordern. Dazu schlägt das Reformgutachten ein Ich bin deshalb sicher, dass wir einige Bau- Ohne eine grundlegende Finanzreform Drei-Instanzen-Modell vor. Was bedeutet steine der hier beschriebenen Reform im wird es also nicht gehen. das? Koalitionsvertrag der nächsten Bundes regierung wiederfinden werden. Die Reform Dafür ist der Sockel-Spitze Tausch ein idea- 1. Instanz: Der MDK stellt wie bisher mit wird kommen, vielleicht in kleinen Schrit- les Model, das in einem Reformszenario dem bestehenden Begutachtungsinstru- ten, aber sie ist nicht mehr aufzuhalten. berechnet wurde: Der Eigenanteil der Ver ment den Pflegebedarf fest. Er weist dem sicherten bleibt mit den vorgeschlagenen Pflegebedürftigen aber keinen Pflege- Bernhard Schneider 10 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Titel Die 7 Bausteine der Reform im Überblick: 1 Behandlungspflege (Cure) bezahlt die 6 Krankenkasse Finanzierung 2 Bürgerversicherung Grundpflege und Steuerzuschuss: 10 % Betreuung (Care) Eigenanteil: 470 EUR 7 Beitragssatz: 4,4 % bezahlt die Pflegekasse Drei-Instanzen-Modell MDK weist Leistungsbudget zu; Case-Management organisiert im Quartier; Pflegedienst erbringt Leistungen mit zivilgesell schaftlichen Akteuren 3 „Wer das Blümsche Erbe 5 Fixer Eigenanteil durch Pflegegeld 2.0 Sockel-Spitze-Tausch der Pflegeversicherung retten will, braucht den 4 Wohnen und Pflege Sockel-Spitze-Tausch.“ in einer Welt P rofessor Heinz Rothgang ohne Sektoren Interview mit Professor Heinz Rothgang Die notwendigen Unterstützung- und In der Leistungszumessung wird nach Das neue System sieht auch vor, zivilge- Pflegeleistungen sollen zukünftig von Gruppen- und Individualleistungen sellschaftliche, also nicht professionelle Case-Managern in ein individuelles unterschieden: wird Pflege zu Hause Leistungserbringer unabhängig vom Ort Pflegesetting überführt werden. Das dann teurer, weil dort keine Gruppen- des Wohnens immer in das individuelle klingt nach einem hohen Personalauf- leistungen möglich sind? Pflegearrangement einzubeziehen. Gilt wand – ist das umsetzbar? Nein, der Gedanke der hinter der Tren- das dann auch für die Versorgung im Das Case-Management wird bei unserem nung von Individual- und Gruppen Pflegeheim? Vorschlag in die kommunale Verantwor- leistungen steht, dient genau dazu, dies Ja genau. Heute kann in einem Pflegeheim tung gelegt. Nur Personen, die vor Ort die zu vermeiden. Manche Leistungen können nur eine Vollversorgung in Anspruch Gegebenheiten und auch die Angebote eben nur in Gruppen effizient erbracht genommen werden. Der Einbezug von kennen, können eine umfassende Koor- werden – und für diese Leistungen werden Familie oder Freunden, die zuvor das dination verschiedener professioneller die Kosten dann auch nur teilweise als Pflegearrangement mit gebildet haben, ist und zivilgesellschaftlicher Leistungs Bedarf zugemessen. Wer also Leistungen dann nicht mehr möglich – und diese erbringer im Sinne des Pflegebedürftigen individuell beziehen möchte, die in einer informellen Hilfspotenziale werden aus- überhaupt leisten. Zum Teil können dazu Gruppe besser erbracht werden können, geschlossen. Das halten wir aber nicht für die bereits bestehenden Beratungsstruk- wird auch zukünftig einen Teil der Kosten zielführend – weder in Bezug auf die turen umgewandelt und verbindlicher selbst tragen. knappe Ressource der Pflegekräfte, noch ausgebaut werden. Hierzu könnten die in Bezug auf die Wahlfreiheit der Pflege- nicht unerheblichen Einsparungen bei bedürftigen. Deshalb beinhaltet unser den Ausgaben für die Hilfe zur Pflege Reformvorschlag auch die Option, beste- sinnvoll verwendet werden. hende zivilgesellschaftliche Hilfen auch mit in ein Pflegeheim zu bringen – und Das ganze Gutachten zum Download unter: diese Personen dann auch entsprechend www.pro-pflegereform.de/presse-download zu vergüten. „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 11
Titel „Die Lösungsvorschläge im Gutachten richten sich sowohl an Betroffene wie „Das Leistungsrecht der auch an Sozialhilfeträger: Pflege in seiner jetzigen Es zeigt den Weg für eine Form schränkt die Reform auf, in der die Quali- Aktivitäten von zivilgesell- Ingrid Hastedt, tät stimmt und Wahlfreiheit Vorstandsvorsitzende schaftlichen Gruppen wie Wohlfahrtswerk für Betroffene besteht.“ Initiativen und Laienpflege Peter Dürrmann, Bundesvorsitzender ein. Der Reformvorschlag DVLAB stärkt Solidarität und „Wir brauchen den Abbau der Subsidiarität.“ Sektorengrenzen. Finanzielle Entlastung muss für alle gerecht sein – bundesweit.“ „Die Eigenanteile müssen jetzt zeitnah begrenzt Erwin Rüddel, Vorsitzender Gesundheits- werden.“ ausschuss, CDU „Wir brauchen schnell eine Heike Baehrens, Pflegepolitische Sprecherin, gesamtgesellschaftliche SPD Debatte.“ „Das Konzept aktiviert ein Kordula Schulz-Asche, Potenzial, das viel weiter Pflegepolitische Sprecherin, Die Grünen greift als eine einfache Finanzreform – denn wir brauchen nicht ‚mehr vom „Die Ressourcen Pflege und Gleichen‘, sondern eine Mensch müssen sinnvoll Dr. Bodo de Vries, grundlegende Reform. Uns Vorsitzender DEVAP genutzt werden, das liegt erstmalig die Gesamt erreichen wir, wenn Leistun- vision einer sektorenfreien gen, wie in der Reform Pflegewelt vor.“ vorgesehen, spezifisch nach Eva-Maria Güthoff, Vorsitzende VKAD individuellem Bedarf wählbar sind.“ 12 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Perspektiven „Die generalistische Ausbildung nimmt uns als Arbeitgeber in die Verantwortung.“ 2020 startet die generalistische Ausbildung in der Pflege. Was das für Ausbildungsbetriebe, Unterricht und Pflegepraxis bedeutet und wo die Chancen dieses Neubeginns liegen, darüber sprechen Gabi Bentrup, Schulleiterin des Diakonischen Instituts Stuttgart und Johannes Miller, Hausdirektor des Martin-Haug-Stifts in Freudenstadt, im Interview. Frau Bentrup, Sie sind neben Ihrer benötigt, denn natürlich ist klar, dass man haben, können aber im 18. bis 21. Monat Funktion als Schulleiterin auch Mitglied nicht alle Inhalte der bisherigen drei Aus- den Schwerpunkt Altenpflege wählen. Für der Steuerungsgruppe im Sozial- und bildungen in drei Jahre hineinnehmen diejenigen, die einen Vertrag in der Kinder- Kultusministerien für die Umsetzung kann. Ein Beispiel für eine solche Kompe- klinik haben, ist der Schwerpunkt Kinder- der Pflegeberufereform. Können Sie tenz ist die Kommunikation mit Kollegen krankenpflege im dritten Ausbildungsjahr kurz beschreiben, was sich zukünftig und Angehörigen. eine Option. Man muss das Wahlrecht also grundlegend in der Pflegeausbildung aktiv in Anspruch nehmen – es besteht ändert? Wird mit der neuen Ausbildung gar keine Verpflichtung. Möglich ist die Wahl keine Spezialisierung mehr möglich des Schwerpunkts allerdings nur, sofern eine Gabi Bentrup: Die drei bisherig getrenn- sein? Kursgröße zustande kommt und entspre- ten Ausbildungen in der Altenpflege, der chende Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Gesundheits- und Krankenpflege sowie Bentrup: Man hat durchaus die Möglich- der Kinderkrankenpflege werden zu einem keit, sich zu spezialisieren. Grundsätzlich Johannes Miller: Viele kleine Schulen einheitlichen neuen Ausbildungsberuf ist die Ausbildung so angelegt, dass drei werden das gar nicht anbieten können. Man zusammengefasst. Die Ausbildung hat Jahre generalistisch ausgebildet wird. wird sehen, wie oft das überhaupt in An- zum Ziel, übergreifende Kompetenzen zu Diejenigen, die im Versorgungsbereich spruch genommen wird. Wer den Schwer- entwickeln. Kernkompetenzen, die man Langzeitpflege, also Altenpflegeheim, oder punkt dennoch wählen möchte, müsste in allen Versorgungs- und Altersgruppen in der ambulanten Pflege einen Vertrag dann gegebenenfalls die Schule wechseln. „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 13
Perspektiven Die Frage würde ich gerne direkt an Sie Wie wird das ganz konkret aussehen? weitergeben, Herr Miller: Was Frau Wie viele und welche Außeneinsätze Bentrup beschreibt, kann ja genauso wird es geben? auch in die andere Richtung passieren. Sie haben einen Auszubildenden ange- Bentrup: Wir haben drei große Fachein- stellt und der stellt in seinem Fachein- sätze. Die sind zum einen im Altenpflege- satz im Krankenhaus fest, ich bekomme heim, also der Langzeitpflege mit 400 dort vielleicht mehr Geld, mehr Verant- Stunden, 400 Stunden im Krankenhaus wortung, andere Arbeitszeiten, was und 400 Stunden im ambulanten Pflege- auch immer. Sehen Sie in diesem Punkt dienst. Außerdem 120 Stunden in der eher eine Unsicherheit für die Alten- Psychiatrie, das kann zum Beispiel bei Etwas provokant formuliert heißt das, pflege? Auszubildenden in der Altenhilfe ein ge- laut der neuen Ausbildung kann man rontopsychiatrischer Einsatz sein, auch die alles, was zur Spezialisierung notwen- Miller: Diese Sorge, dass uns Auszubil Evangelische Heimstiftung hat zum Bei- dig ist, in wenigen Monaten lernen, dende an die Krankenhäuser verloren spiel viele beschützende Einrichtungen – wofür man früher drei Jahre Zeit hatte? gehen, habe ich überhaupt nicht. Zum das wäre eine gute Möglichkeit. Des Wei- einen lernen die Auszubildenden ganz teren gibt es den Einsatz in der Pädiatrie, Bentrup: Nein, aber auch nach drei Jahren unterschiedliche Arbeitsbereiche kennen also der Kinderkrankenpflege, wobei wir Ausbildung waren die Absolventen bisher und dann merken sie, wofür das Herz in Deutschland Gott sei Dank nur zwei keine Spezialisten. Weder mit der bishe- mehr schlägt. Manche werden in der Prozent kranke Kinder haben – in der rigen noch mit der neuen Ausbildung. Kranken- und manche in der Altenpflege Ausbildung ist das eine Engstelle. Da Lediglich die Ausbildung ist abgeschlossen, landen. Wenn jeder findet, was zu ihm könnte man zum Beispiel auch mit einem Spezialisierung und Erfahrung folgen im oder ihr am besten passt, dann ist das Beobachtungsauftrag im Bereich der Arbeitsalltag und in vertiefenden Fort doch gut. Umso länger sind sie dann mit kindlichen Entwicklung einen Einsatz in bildungen. Freude im Beruf. Außerdem müssen wir der Kindertagesstätte möglich machen. uns nicht verstecken: Wir haben den Dieser Einsatz wird in den nächsten Jahren Das heißt, mit der neuen Ausbildung besten Personalschlüssel, wir bezahlen noch 60 Stunden sein, später dann 120 werden die Absolventen flexibler aber Einstiegsgehälter nach der Ausbildung Stunden – mehr geht immer. Festgelegt ist weniger spezifisch ausgebildet sein? von mehr als 3.000 Euro und außerdem eine Mindeststundenanzahl. bewerten die Auszubildenden nicht aus- Bentrup: Es ist auch jetzt schon so, dass schließlich die Bezahlung. Sie achten auch Wie gestalten sich die verschiedenen Fachkräfte mit abgeschlossener Ausbil- auf die Ausbildungsqualität und die Einsatzorte der Auszubildenden in der dung in allen drei Versorgungsbereichen Arbeitsatmosphäre in allen Einsatzstätten, Praxis – gibt es feste Kooperationen? angestellt werden. Zukünftig wird ein die sie kennenlernen. Da kommen wir als Wechsel aber einfacher sein. Das bedeutet, Arbeitgeber in die Verantwortung. Miller: Da sind verschiedene Varianten wir haben jetzt Abgänger aus der Kranken- Ich rechne sogar damit, dass wir mehr denkbar. Wir in Freudenstadt verhandeln pflegeschule, denen der häufige Wechsel Fachkraftbewerbungen haben werden als zurzeit einen Verbundvertrag. Das heißt, der Patienten im Krankenhaus zu viel ist. bisher, weil es einen großen Personenkreis es gibt dann einen Ausbildungsverbund, Zukünftig, wenn sie dann einen Fachein- gibt, der plötzlich die Altenpflege kennen- zu dem gehören die Pflegeschule, das satz im Altenpflegeheim hatten, und lernt. Unsere Auszubildenden hatten im- Krankenhaus, verschiedene Ausbildungs- merken wie wichtig die Beziehungspflege mer schon einen Einsatz im Krankenhaus, betriebe und Einsatzstellen. Wir haben hier ist, kann es durchaus sein, dass jemand, aber umgekehrt galt das nicht. Das wird entschieden dazu einen Rahmenvertrag der ursprünglich einen Ausbildungs bestimmt etwas rütteln. Einige werden zu schließen, in dem wir gemeinsam vertrag im Krankenhaus unterschrieben dort landen, einige bei uns und wir wer- überlegen, wie sind die Bedingungen und hat, merkt, dass ihm die Langzeitpflege den in der Sache auf keinen Fall der Ver- wer soll das Ganze organisieren. Wir wer- besser liegt. lierer sein. den an der Schule eine Koordinationsstelle haben, die dafür sorgt, dass die Einsatz- stellen optimal organisiert sind und dass jeder Auszubildende immer weiß wann er wo sein wird. Man könnte das auch anders angehen. Zum Beispiel über bilaterale 14 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Perspektiven Einzelvereinbarungen, sodass zwei Ein- bedingungen verbessern. Ausbildung ist richtungen sich immer austauschen. dann noch mehr wert. Auch die Quali fizierung der Praxisanleiter wird sich Sie sind auch in einer EHS-weiten Ar- verändern: die Stundenzahl von 200 auf beitsgruppe zu dem Thema – gibt es 300 angehoben, hinzukommen jährlich eine allgemeine Gangrichtung? 24 Stunden berufspädagogische Fortbil- dung. Wenn man die Arbeitsbedingungen Miller: Ich vermute, dass es die Form des in der Pflege dann auch noch stabiler Verbundvertrags am häufigsten geben hinbekommt, können wir wirklich zeigen, wird. In Freudenstadt eignet sich das dass es ein schöner Beruf ist, der jetzt auch besonders gut, denn dort gibt es ein Kran- schon toll ist, aber mit stimmigen Rah- kenhaus, eine Schule und ganz viele menbedingungen noch viel mehr Freude gungsbereichen viel einfacher. Wir wer- Ausbildungsbetriebe. Andere Regionen macht. den dennoch auch in Zukunft vielfältige wie etwa Stuttgart oder Böblingen sind da Teams haben, weil einfach alle Menschen komplexer. Zentral kann die EHS beraten Zum Thema Rahmenbedingungen: unterschiedlich sind und verschiedene und Möglichkeiten aufzeigen, vor Ort Was ändert sich in den Teams mit der Schwerpunkte setzen. Jeder kann seinen müssen dann aber jeweils individuelle wechselnden Anwesenheit der Auszu- Platz entsprechend finden und seine Lösungen gefunden werden. bildenden? Stärken einbringen. Die generalistische Ausbildung stellt Miller: Das wird sich auswirken auf die Ist die generalistische Ausbildung also also ganz deutlich auch große Anforde- Art und Weise wie man die Auszubilden- ein Ansatz den Personalmangel in der rungen an die Ausbildungsbetriebe – den vor Ort einsetzen kann und will. Ich Pflege anzugehen? gerade im Bereich Koordination und glaube, diese Verbundenheit mit dem Zusammenarbeit? Team vor Ort und der Evangelischen Bentrup: Ein Ansatz, ja. Um die ganze Heimstiftung als Arbeitgeber hinzube- Thematik zu lösen, benötigen wir natür- Miller: Auf jeden Fall. Da ist zum einen kommen, ist extrem wichtig und das wird lich weitere Maßnahmen wie stabilere die Koordination im Verbund: wer ist ein Schlüssel dazu sein, dass die Menschen nachhaltige Arbeitsbedingungen und wann wo. Aber auch innerhalb des Aus- später bei uns arbeiten wollen. Den per- verbindliche Personalschlüssel. Außerdem bildungsbetriebes. Wir haben ja dann sönlichen Bezug zu Menschen zu bekom- ist die Pflege eine gesellschaftliche Auf zukünftig mehrere eigene Auszubildende, men, berufliche Vorbilder zu haben, das gabe. Deshalb müssen, so finde ich, die die zum Teil bei uns, zum Teil bei anderen ist auch Teil des Ausbildungskonzepts. Kosten gerechter verteilt werden. Da im Einsatz sind, wir werden aber auch Denn später, in der Entscheidung für müssen wir alle ran. ständig Auszubildende aus anderen Betrie- einen Arbeitgeber, wird es zum einen um ben haben, die bei uns ihren Pflichteinsatz Faktoren wie den Wohnort gehen, aber Miller: Natürlich löst die generalistische absolvieren. Alle müssen optimal ange- auch sehr stark darum, wo habe ich mich Ausbildung nicht die gesamte Problematik leitet und eingesetzt sein. Konzeptionell wohlgefühlt, wo war ich eingebunden und aber wir als großer Altenhilfeträger müs- also viel Arbeit, aber definitiv eine Chan- das haben wir mit in der Hand. sen Antworten auf den demografischen ce, bestehende Konzepte auch weiterzu- Wandel finden. Die finden wir durch in- entwickeln. Außerdem kommen wir in Bentrup: In der Pflegepraxis, in der Lang- novative Wohn- und Pflegekonzepte aber eine Wettbewerbssituation und ein Wett- zeitpflege wie auch in der Akutpflege, eben auch durch vielfältige Maßnahmen bewerb erhöht nicht zuletzt häufig die haben wir auch heute schon gemischte der Mitarbeitergewinnung und -entwick- Qualität. Teams. Noch stärker bei uns in der Lang- lung. Ausbildung ist dabei ein sehr wich- zeitpflege. Teams, in denen Altenpfleger tiger Baustein – je hochwertiger, desto Bentrup: Darin steckt definitiv eine Chan- genauso wie Gesundheits- und Kranken- besser. Wie wir diese Ausbildung dann ce. Allein dadurch, dass in Ausbildungs- pfleger arbeiten und durchaus auch Kolle- nennen und aufbauen hat immer Vor- und Prüfungsverordnung, aber auch im gen aus der Kinderkrankenpflege. Jeder und Nachteile, aber, wenn wir das Beste Gesetz, festgehalten ist, dass mindestens hat seinen Schwerpunkt, aufgrund der daraus machen, können wir sowohl mit zehn Prozent der Arbeitszeit eines Auszu- bisherigen Erfahrung. Aber wenn zukünf- der Generalistik als auch mit der Alten- bildenden im Praxiseinsatz Anleitungszeit tig alle in der Ausbildung die gleichen pflegeausbildung erfolgreich sein, wir sein muss und das auch dokumentiert und Kernkompetenzen geschult bekommen, müssen es nur optimal umsetzen und die geprüft wird, zeigt, dass sich die Rahmen- wird der Wechsel zwischen den Versor- Herausforderung annehmen. „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 15
Perspektiven Neue Wege gehen Was ein Hackathon mit Nachbarschaftshilfe zu tun hat Die Idee des Hackathons kommt ursprünglich aus lich bearbeitet wird, hängt von der Präsentation ab, Kanada und setzt sich aus den Wörtern Hacking denn erst dann entscheiden die Teilnehmer darü- und Marathon zusammen. Eine Gruppe von Infor- ber, welche Themen sie bearbeiten. matikern beschäftigte sich hierbei klassischerweise 48 Stunden (angelehnt an die Distanz eines Mara- Erstmals hat sich nun auch das Innovationszen- thons) mit der Entwicklung neuer Soft- oder Hard- trum der EHS an einem solchen Hackathon im ware. Die Idee ist, in interdisziplinären Teams, Gesundheitswesen beteiligt. „Der Idee folgend, über deren Mitglieder beziehungsweise Hacker sich nicht den Tellerrand zu blicken, haben wir zunächst im kennen, über den Tellerrand zu blicken und neue Innovationszentrum erste Ideen entwickelt und Lösungsansätze zu entwickeln. dann in einem Team mit unterschiedlichsten, abteilungsfernen Personen der EHS diskutiert. Der Zusammenschluss healthcare futurists hat So entstand für den zweiminütigen Pitch die diesen Ansatz nun auf das Gesundheitswesen über- Geschichte von Robin Hood und Robina Neigh- tragen und agiert weltweit. Die Idee: Organisati- bour-Hood, die sich im Quartier mit ehrenamtlich onen stellen Themenfelder, so genannte Challen- Tätigen austauschen möchten“, erklärt Dr. Susan ges, zur Verfügung. Die Organisationen fungieren Smeaton, Leiterin des Innovationszentrums. als Sponsoren – ob ihre jeweilige Challenge tatsäch- Die Challenge Robin und Robina (Neighbour-) Hood wollen die Gemeinschaft und den Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern allen Alters wieder herstellen. Herr Müller (80 Jahre) bittet seinen Nachbarn Robin, ihn am Montagmorgen zum Arzt zu bringen. Frau Müller (76 Jahre) kümmert sich einmal in der Woche um das Kind von Robin, während Robina mit Frau Aitken (52) schwim- men geht, damit sie nicht immer alleine ist. Es gibt so viel zu tun. Nachbarschaftsengagement ist so wichtig und es gibt viele Anknüpfungs- punkte. Bisher wissen wir jedoch nicht, welche Faktoren dazu führen, Menschen für ein Engagement zu gewinnen. Wie können wir für Bürgerinnen und Bürgern erlebbar machen, dass Nach- barschaftshilfe eine sinnstiftende Aufgabe ist, die allen Beteiligten einen Mehrwert bietet? Wie können wir Menschen allen Alters einbeziehen? 16 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Perspektiven In einem zweiminütigen Pitch wurde die Challen- Auf den ersten Blick scheint dies genau der Vorge- ge vor Ort vorgestellt. Softwareentwickler und hensweise zu entsprechen, die von der EHS in Mitarbeitende aus dem Gesundheitswesen bewar- Betracht gezogen wurde, nämlich potentielle ben sich für eine kombinierte Challenge der Bedürfnisse zu erfragen und eine Quartiers-Platt- BruderhausDiakonie zum Thema Partizipation form zu erstellen. Was war also neu? „Neu war die und der EHS mit dem Thema Nachbarschaftsen- schlichte Überlegung, dass die Plattform selbst gagement. Die Ergebnisse stehen in einem unmit- nicht nur als Koordinationsinstrument dient, telbaren Zusammenhang mit der Qualifikation der sondern darüber hinaus auch durch die Gestaltung Bewerber und sind rein zufällig. Allgemein gilt, je als Instrument für eine Gewinnung von ehren vielfältiger die Teams, desto kreativer. Die Teams amtlich Tätigen betrachtet wird. Bürgerschaftlich arbeiteten ab diesem Zeitpunkt weitgehend selbst- Engagierte – vor allem junge Menschen – lassen ständig und ohne Einfluss der Hosts (Ersteller der sich vor allem online gewinnen. Allein das Konzept Challenge) an möglichen Problemlösungen. So einer Plattform überzeugt“, erläutert Dr. Susan genannte Coaches mit Expertenwissen zu den Smeaton, Leiterin des Referats Innovationszentrum jeweiligen Themen standen den Teams außerdem der EHS, die Ergebnisse. für Rückfragen bereit. Die Ergebnisse des Hackathons sollen in ein Ergebnisse der Challenge geplantes gemeinsames Projekt der Evangelischen Das Team setzte sich aus unterschiedlichen Diszi- Heimstiftung mit dem Forschungszentrum Infor- plinen (Neurobiologie, Informatik, Psychologie) matik in Karlsruhe und dem Helfer-Portal in zusammen. Insgesamt konnten sieben Personen für München zur Gewinnung von Personen für ein die Challenge gewonnen werden. Das Team entwi- Bürgerschaftsengagement einfließen. ckelte Ansätze für eine Quartiers-Plattform mit einer Kommunikationsmöglichkeit, über die sich Helfende sowie die Hilfesuchenden vernetzen und miteinander kommunizieren können. Um die Bedürfnisse von bürgerschaftlich Engagierten zu erfassen, entschied sich das Team, Personen auf der Straße vor Ort zu befragen. Ebenso wurde nach vorhandenen Plattformen recherchiert. Ein erstes Template wurde erstellt. Dabei lag das Hauptaugen- merk darauf, die Oberfläche so einfach wie möglich zu gestalten, damit die Handhabung kein Hindernis für die Ausübung des Ehrenamts darstellt. Gleich- zeitig soll sie aber auch ansprechend für jüngere Personen sein. „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 17
Impuls Biblische Jahreslosung 2020 „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Markus-Evangelium 9,24) „Woran glauben Sie?“ – hat zum Stuttgarter Kir- che geschenkt, die mich Worte finden ließ, als es chentag eine Zeitung Prominente gefragt. mir die Sprache verschlug. Er ist die Lesehilfe, mit Eine Volleyballspielerin hat geantwortet: „Ich der ich meinen Alltag deuten und verstehen kann. glaube, dass man nach Rückschlägen immer wieder aufstehen und weiter kämpfen muss“. Eine Es geht beim Glauben nicht um ein objektives TV-Moderatorin: „Ich glaube, wer vertrauen kann, Wissen, das unerschütterlich ist. Wie etwa in der lebt glücklicher“. Ein Model: „Ich glaube daran, dass Naturwissenschaft. Und selbst da sind schon ganze jeder für sein eigenes Glück verantwortlich ist“. Systeme zerbrochen. Es geht beim Glauben um ein Ein Comedian: „Ich würde gerne an Astrologie Vertrauen, das verletzlich ist. Um eine Beziehung, glauben, aber das Sternzeichen Löwe glaubt nicht die sich immer wieder neu bewähren muss. „Glau- an Astrologie“. Die Sport- und Kulturbürgermeis ben“ kommt von „geloben“, was früher bedeutete: terin: „Ich glaube an die Möglichkeit, Dinge zu sich einander anzuvertrauen, einander geloben, verändern“. Der Autor von „Äffle & Pferdle“: „Glau- immer für einander da zu sein. Wenn zwei sich be nicht alles, was du denkst!“ verloben, tun sie das. Sie versprechen sich Liebe und Treue und bedingungsloses Dasein füreinander. Für Ganz verschiedene Antworten, die nicht auf einen „Glauben“ und „Vertrauen“ steht in der Bibel das- Nenner zu bringen sind. Deutlich wird: Was wir selbe Wort. Glauben heißt nichts anders als: Ich Menschen persönlich glauben, hat mit unserer vertraue mich Gott an. Ich muss nicht alles selbst Lebensgeschichte zu tun. Der Glaube lebt von machen und können, sondern ich spüre: du, Gott, Erfahrungen. Mein Glaube hat sich bewährt, als es bist an meiner Seite. Mit dir kann ich über Mauern mir schlecht ging. Aber auch als ich glücklich war. springen. Alles ist möglich, wenn du bei mir bist! Er hat mir geholfen, etwas auszudrücken, was über So hat Glauben viel zu tun mit Loslassen. Den Wahn meinen Verstand hinaus ging. Er hat mir eine Spra- loslassen, alles liege nur an einem selbst. 18 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Impuls Wie das geht, zeigt die Geschichte aus dem Markus „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ evangelium, in dem das biblische Motto für das Es gibt diese beiden Seiten in uns: Glaube und Jahr 2020 steht. Hier wird erzählt von einem Mann, Vertrauen – und auf der anderen Seite Misstrauen der für seinen schwer kranken Sohn Heilung bei und Zweifel. Und so unterschiedlich die beiden Jesus sucht. Er findet zunächst nur die Jünger Jesu, sind, so nah liegen sie doch manchmal neben die nicht helfen können. Dann kommt Jesus und einander. erlebt einen schlimmen epileptischen Anfall des „Ich glaube“ Sohnes mit. Mit seiner ganzen Verzweiflung bittet – das führt in den Himmel. der Vater für sein Kind und für sich selbst: „Hilf meinem Unglauben!“ „Wenn du etwas kannst, so erbarme – das holt mich zurück auf die Erde. Pfarrer Dr. Thomas Mäule, dich unser und hilf uns!“ „Ich glaube“ Leiter der Stabsstelle Theologie und Ethik der EHS. Jesus beantwortet die verzweifelte Bitte mit den – da hole ich selber Schwung, da traue ich mich, da Worten: vertraue ich mich Jesus an. „Alles ist möglich dem, der da glaubt“. „Hilf meinem Unglauben!“ Und er sagt dem Vater damit: Lass los. Erst wenn – da bin ich mir nicht sicher, ob mein Glaube trägt. du deine Sorgen, deine Ängste, deine eigenen Ver- Zweifel holen mich ein, bremsen mich ab. In der krampfung sein lässt, besteht eine Chance, dass Mitte des Satzes zwischen dem wieder alles gut wird. Erst wenn du dich befreist „Ich glaube“ von deiner Fixierung auf das Problem, erst wenn und dem du anfängst, dich in der Tiefe Gott zuzuwenden „Unglauben“, und ihm etwas zutraust, wirst du merken, dass da sozusagen ganz unten, am tiefsten Punkt der Schau- noch ganz andere Kräfte als deine eigenen im Spiel kel, steht das vielleicht wichtigste Wort: sind. Gottvertrauen ist der Schlüssel zur Befreiung. „Hilf!“ Der Vater des kranken Kindes antwortet daraufhin Die Bitte: Stups mich an. Jesus, gib mir Schwung, mit einem rätselhaften Satz: dass ich wieder hoch komme, Trost finde und Mut. „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Zwischen Glauben und Unglauben steht die Bitte: So schreit er in seiner Verzweiflung Jesus an. Für „Hilf mir!“ mich ist das ein Schlüsselsatz in der Geschichte. Glaube gibt es ja nicht wie in einem Ausweis, Denn wer könnte nicht manchmal so schreien? Ich auf dem steht: ich glaube. Wir haben unseren will glauben und vertrauen. Ich suche nach Spuren Glauben nur in dieser Spannung. Er wächst und Gottes auf dieser Welt. Ich möchte mich gerne wird gestärkt in dieser vertrauensvollen Bitte: geborgen fühlen bei ihm, möchte mich fallenlassen „Hilf mir!“ können und gehalten wissen. Ich will Gott spüren in meinem Leben – aber es gibt Zeiten, da kann ich „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ das nicht. Zweifel nagen: gibt es ihn überhaupt, Das öffnet den Blick für neue Lebensmöglichkeiten. diesen persönlichen Gott? Hört er unsere Gebete? Das macht gelassener und mutiger. Ich verliere die Kennt er unsere Sorgen? Wo ist er? Angst, mein Gesicht zu verlieren. Ich gewinne Mut, mich aufzumachen und etwas zu riskieren. Und weiß doch, dass der Erfolg nicht garantiert wird. Die Jahreslosung 2020 lädt dazu ein: sich leiten zu lassen vom Gottvertrauen. Sich mutig aufzu machen. Neues im Geist Christi zu wagen. Und doch zugleich auf das Kreuz zu schauen und die Grenzen zu erkennen. Wir sind Menschen, nicht Gott. Wir können nur bitten und beten: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Und darauf vertrauen, dass wir am Ende die unglaubliche Erfahrung machen: „Alles ist möglich dem, der da glaubt.“ „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 19
Aus der Heimstiftung Innovation in der Pflege – ein Praxisbericht 20 Teilnehmer, bereits drei Mitarbeiter mit vollständig abgeschlossenen Zertifikaten – das ist die Zwischenbilanz der Kooperation des Haus am Maienplatz mit dem Start-up SuperNurse. Mit der App können Mitarbeiter aus der Pflege spielerisch ihr Fachwissen in verschiedenen Bereichen testen und erwei- tern. „Insgesamt elf Zertifikate kann man mit SuperNurse erreichen, wenn man alle Quiz- fragen besteht“, erklärt Cosmina Halmageanu, Hausdirektorin des Haus am Maienplatz in Böblingen. „Gerade bei Themen, die sich immer wieder verändern oder aktualisieren ist es eine Herausforderung, zu jeder Zeit auf dem neuesten Stand zu sein.“ Die App hilft hier weiter und bietet die Möglichkeit zur zeitlich unabhängigen Weiterbildung und Festigung des Fachwissens. „Wir haben noch einen zusätzlichen Anreiz geschaffen: Wer alle Zertifikate abgeschlossen hat, bekommt einen zusätzlichen Tag Fortbildungsurlaub. Drei Mitarbeiter haben diesen bereits in Anspruch genommen. Besonders schön zu sehen ist auch der Austausch im Team: jüngere helfen älteren, Teilnehmer motivieren ihre Kolle- ginnen und Kollegen. Das ist auch gleichzeitig eine gute Vorbereitung darauf, wenn es in der Zukunft weitere Fortbildungsangebote in Form von E-Learning geben wird“, erzählt Mitarbeiter des Haus am Maienplatz testen die App SuperNurse. Cosmina Halmageanu. Seit April diesen Jahres kooperieren zahlreiche individuell an Gangbild und Analyse des braucht Zeit – zu der Analyse gehört unter Einrichtungen der EHS mit Start-ups aus der jeweiligen Bewohners orientieren, sind das anderem auch ein umfassender Fragebogen, Pflegebranche. Neben „SuperNurse“ kommt Ergebnis. „Pflegekräfte und Bewohner kom- da mussten wir uns zunächst etwas auspro- auch „Lindera“ bereits zum Einsatz. Die App munizieren so ganz aktiv und die Rückmel- bieren wie wir vor allem zeitlich am besten erstellt mittels 3D-Video eine Analyse zur dungen erfolgen unmittelbar anhand der damit umgehen, aber wir haben uns schon Sturzprävention. Verwendet wird die App persönlichen Videoaufzeichnung, das schafft ganz gut eingespielt. Viele neue Bewohner, bereits im Haus auf dem Wimberg in Calw. eine ganz andere Argumentationsgrundlage. denen wir von dem Angebot erzählen, sind „Wir haben inzwischen bereits 15 Analysen Der Bewohner kann seine Gefahrenstellen so sehr offen und erklären sich direkt einver gemacht und sind auch weiter dabei. Einige im Video selbst sehen.“ Empfehlungen werden standen mitzumachen.“ Bewohner sind schon zunächst skeptisch und abgeleitet, doch die Entscheidung über die natürlich ist die Teilnahme jedem selbst über- Umsetzung liegt bei den Bewohnern selbst – lassen – wir machen aber sehr positive Erfah- sie können aus dem Angebot der Maßnahmen rungen“, berichtet Monika Volaric, Hausdirek- wählen. „Natürlich gibt es auch kritische torin in Calw. Gezielte und persönliche Stimmen von Bewohnern und Angehörigen Empfehlungen zur Sturzprävention, die sich und so einen neuen Prozess zu etablieren 20 „Aus der Heimstiftung“ 2/2019
Aus der Heimstiftung erluste in Sprache fassen – mit der Seelenapotheke V Evangelische Heimstiftung bringt Buch über Trauerrituale heraus Trauernde sind sprachsensibel. Es braucht Worte und Ausdrucksformen, um in der Fassungslosigkeit gefasster zu werden. Die Evangelische Heimstiftung (EHS) hat eine Textsammlung für Gedenkfeiern heraus- gebracht und sie „Eine Seelenapotheke“ genannt – in Anlehnung an Erich Kästners Lyrische Hausapotheke und mit thera peutischer, seelsorglicher und kulturell aufklärender Funktion. Der Umgang mit Trauer und die Begegnung mit Trauernden bergen für alle Beteiligten oft schwierige und verunsichernde Situationen. Trauernde selbst befinden sich in einer ambivalenten Verfassung zwischen reden und schweigen wollen. Ein achtsames Wort, eine angemes- sene Geste tut gut. Die Gefahr, sich in Floskeln zu flüchten, ist groß. Die richtigen Blumhardt, Eduard Mörike, Antoine de feiern ermutigen und all jene, die den Worte zu finden ist eine Herausforderung. Saint-Exúpery, Mascha Kaleko, Dietrich Versuch wagen, dabei unterstützen. Aus Was kann den Sprachabgrund des Todes Bonhoeffer, Albrecht Goes, Margot Käß- der Fülle von Texten lässt sich das Passende überbrücken? Vorgestanzte Beileidskarten mann und Fulbert Steffensky. Ergänzt auswählen und durch Bilder, Lieder, Musik spiegeln die Überforderung wider, pas- werden die Texte mit 20 Landschaftsbildern ergänzen. Das Buch kann aber auch Trost sende Worte zu finden, wie auch das von der Schwäbischen Alb. Die Wirkung für diejenigen sein, die von einem geliebten Mühen um einen Kontakt. Die Ambivalenz von Text und Bild nachzuempfinden, kann Menschen Abschied nehmen müssen. und Verunsicherung – und auch ein miss- therapeutische, seelsorgliche und nicht glücktes Wort – sollten einen nicht zurück- zuletzt auch eine kulturell aufklärende Buchhinweis: schrecken lassen, immer wieder neu Funktion haben – eben eine „Apotheke für Christian Buchholz / Thomas Mäule (Hg.): Sprachversuche zu wagen. die Seele“ sein (so Erich Kästner im Vorwort Eine Seelenapotheke. Texte zum Abschied zu seiner „Lyrischen Hausapotheke“). Die vom Leben. Manuela Kinzel Verlag, Die Evangelischen Heimstiftung hat nun „Seelenapotheke“ möchte zum Totenge- Göppingen 2019, 230 Seiten. ein zu verwandten Texten veröffentlicht. dächtnis und zur Gestaltung von Gedenk- ISBN 978-3-95544-108-1. Die Palette der Texte ist breit: chronolo- gisch vom 10. Jahrhundert vor Christus an bis in unsere Gegenwart, von areligiöser Atmosphäre geprägt bis hin zu äußerst frommen Ausdrucksformen, von hindu Unternehmer-Netzwerktreffen 2019 istischer und muslimischer Tradition bis zu christlich-biblischen Texten, in Tageszei- Am 16. Oktober 2019 waren die Teilnehmer derung und Qualifizierung sowie das neue tungen, bei Traueranzeigen und auf Fried- des Unternehmer-Netzwerktreffen zu Gast Fachkräftezuwanderungsgesetz. Abge- höfen entdeckt. Die Sammlung umfasst im Haus am Maienplatz in Böblingen. Zum schlossen wurden die Referate mit Fragen, rund 200 Texte, unter anderem von offiziellen Beginn trafen sich die Teilneh- Terminen und Informationen. Nach so viel Berthold Brecht, Hermann Hesse, Carl mer der einzelnen Unternehmen und Theorie war das Buffet mit Fingerfood ein Zuckmayer, Erich Kästner, Rainer Maria Behörden, nach einer Führung durch das krönender Abschluss, dieses informativen Rilke, Marie-Luise Kaschnitz, Mascha Haus, im Festsaal. Referenten sprachen zu Abends. Mit vielen Gesprächen und Begeg- Kaléko, Hilde Domin, Navid Kermani, Arno den Themen Gewinnung und Sicherung nungen fand das Netzwerktreffen seinen Geiger, Herta Müller, Johann Christoph internationaler Arbeitskräfte, Sprachför- Abschluss. „Aus der Heimstiftung“ 2/2019 21
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